Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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44 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl Reise zu Gottes schönen Häusern im Felsenstädtchen Haigerloch Haigerloch, eine beglückende Begegnung von Natur und Glaube „Wohlauf in Gottes schöne Welt!" Wieviele haben in diesen schönen Sommermonaten dieses frohe Wanderlied in Ferien und Freizeit in die Tat umgesetzt und sind hinausgeströmt in die Fremdenverkehrsgebiete des Schwarzwaldes, des Rheinlands, des Bodenseegebiets, des Allgäus, nach Oberbayern oder gar in den sonnigen Süden. Wohl dem, der das Glück hat, solche Touren zu unternehmen. Sie seien ihm von Herzen vergönnt. Aber wer in den heimatlichen Gefilden zu bleiben gezwungen ist, wird auch hier nicht Langeweile bekommen. Jeder, der das Auge auftut, der ein Herz Von Josef Schneider Haigerloch ist nicht nur der kunstreiche Mittelpunkt der Umgebung, sondern ganz Hohenzollerns. „Ein Laudamus Domino", wie es wirkungsvoller und jubelnder kaum zum Ausdruck kommen kann; einen Triumph vollendeter Architektur, die lebendig zu werden scheint, vermittelt dieser Blick vor dem Renaissance-Chorgitter der Schloßkirche zum Deckengemälde. Man muß hier einmal den Hochaltar im Glänze flutenden Lichtes gesehen und dem festlichen Gottesdienst beigewohnt haben, um diese herrlichen sakralen Räume, die zur Vorahnung paradiesischer Seligkeit werden, zu verstehen. (Foto Weber.) und einen Sinn für die Schönheiten der Natur hat, der wird in diesen Sommertagen auch bei Wanderungen und Fahrten reich entlohnt. Immer wieder kann man es erleben, daß viele in die Ferne strömen und dabei die Kleinodien der Heimat, die Denkmale der Schöpfung und Kunst in Gottes schönem Garten übersehen. Der Verfasser dieser Zeilen darf selbst von sich behaupten, daß er schon die weite Welt gesehen hat, vor den Kathedralen von Reims, Notre Dame in Paris und Chartres gestanden, vor dem Grabe des hl. Petrus in Rom kniete und schon reiche Eindrücke der europäischen Landschaft und Architektur erfahren durfte, nie aber von der Landschaft so entzückt war, nie eine solche Liebe zu ihr empfand, als zur Heimatlandschaft unseres schönen Zollerlandes. Gerade unsere engere Heimat im hohenzollerischen Unterland vermittelt alle Reize eines geologisch und kulturgeschichtlich gleich interessanten Gebietes. Einsame, tief eingeschnittene Täler zwischen bewaldeten Höhen, lichtgrünen Wäldern und zerklüfteten Felswänden, liebliche Wiesengründe und verträumte Dorfidylle, aus deren Kirchen oder Kapellen immer wieder der Hauch großer geschichtsreicher Vergangenheit entgegenschlägt. Was den Fremden besonders anspricht, das ist auch jene seltsame Ausprägung der Frömmigkeit in vielen Gotteshäusern unserer Heimat, vor allem aber in Haigerloch, dem kunstreichen Mittelpunkt und der Perle des Zollerlandes, wie es Fürst Friedrich vor einigen Jahren selbst nannte. Es ist eine Art heiterer Weltinnigkeit, die besonders in der Barockzeit die Festlichkeit und Schönheit der Erde und der Natur erfühlte und einen tiefsinnigen Niederschlag in den Kostbarkeiten unseres Ländchens fand. Maler und Zeichner haben diese innige Verbindung von Natur und Kunst schon lang für sich entdeckt. Viele Fremde haben in den letzten Jahren, seitdem Haigerlochs Kirchen dank der verdienstvollen Bemühungen von Dekan Stadtpfarrer Guide im Glanz und Schönheit ihrer Entstehungszeit wieder erstanden sind, in den hiesigen Gotteshäusern geweilt, haben sich von ihrer Stimmung einfangen lassen und sind mit reichen Eindrücken wieder nach Hause gegangen. Die Wallfahrten und die Besichtigungen überhaupt haben ihre Kreise in den ganzen südwestdeutschen Raum gezogen. Hohe kirchl. Würdenträger haben in den letzten Jahren das Wort Gottes von ihren Kanzeln verkün-

Jah*"?:>ng 19P" H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 45 Wallfahrer in der Schloßkirche in Haigerloch. Immer ist eine Andachtsstunde in einer der Haigerlocher Kirchen ein beglückendes Erlebnis für alle, die mit gläubigem Herzen, offene Augen und Sinn für Schönheit und Jubel der Architektur mitbringen. Eine Wallfahrt nach Haigerloch ist ein bleibendes religiöses Erlebnis. (Foto Josef Scheider.) Die Orgel der St. Annakirche, ein echtes Kind des Barock, läßt heute noch jene festlichen Klänge in voller Reinheit und Schönheit erschallen und gibt Kunde von einer glaubensgroßen Vergangenheit, in der neben der Baukunst auch die Musik den höchsten schöpferischen Geist verkörperte und in kunstsinnigen frommen Fürsten frohe Huldigung fand. So wie einst blüht auch heute die Kirchenmusik in diesen Räumen, wo sich Architektur und Musik zu innerer Harmonie verschmelzen. det und viele Menschen vor den ergreifenden Gnadenbildern Trost und seelische Bereicherung gefunden. Viele junge Paare beginnen am Gnadenaltar von St. Anna ihren gemeinsamen Lebensweg. Das Geheimnis des alten Fürstenstädtchens Haigerloch, dessen Kirchen wir in nachfolgender Betrachtung im Geiste besuchen wollen, ruht in einer wundersamen Verbindung von Großartigkeit und Reiz der Landschaft und seinem Reichtum an wertvollem kulturellem Besitz und geschichtlicher Tradition. Das Städtchen darf mit Recht auf diese wertvollen Kirchen stolz sein. Sie sind in dieser Landschaft die Höhepunkte. Mit ihrer lichtvollen Schönheit winken sie aus dem milden Grün der Natur, als laden sie dazu ein, sie zu betreten, um ja keine Stätte dieser Welt des Barock und Rokoko oder der glaubensfrommen Zeit der Gotik zu versäumen. Man kommt immer wieder auf jenes frohe Empfinden, daß sich hier Gottes Schöpfung mit einstmals tiefer Gläubigkeit baulustiger Grafen und Fürsten und begnadeter genialer Künstler zu einer innigen Harmonie verband. Die Meister der Stukkaturen vom ehrwürdigen Wessebrunner Kreis schufen in Oberschwaben und Donauraum viele Kunstwerke und Gnadenstätten, und sie haben hier in Haigerloch ihr Können zu höchster Blüte entwickelt. Die Freude am Schönen und am Gestalten, am Dekorativen, an Formen und Farben fanden ihren Niederschlag in reich ausgestatteten Gotteshäusern, in der sich die Glut des süddeutschen Barock entfaltet und hineinmündet in des Himmels Höhen, so wie es die herrliche Triumpfarchitektur im Hauptgemälde der St. Annakirche in ergreifender Weise dartut. Es setzt jeden Kunstfreund immer wieder in Erstaunen, daß in Haigerloch fast alle Baustile der Vergangenheit vertreten sind. In der herrlich gelegenen Schloßkirche sind sogar drei Baustile: Gotik, Renaissance und Barock in einer vollendeten künstlerischen Musterleistung zu einem eindrucksvollen Gesamtbild zusammengefaßt worden. 143 Stufen führen hinauf zu diesem Gotteshaus mit einer Vorahnung paradiesischer Seligkeit, und wenn man zu dem mittelalterlich anmutenden Eingang hinaufblickt, meint man fast ein schalkhaftes Schwabenlachen des hinter

44 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Reise zu Gottes schönen Häusern im Felsenstädtchen Haigerloch<br />

Haigerloch, eine beglückende Begegnung von Natur und Glaube<br />

„Wohlauf in Gottes schöne Welt!" Wieviele haben in diesen<br />

schönen Sommermonaten dieses frohe Wanderlied in<br />

Ferien und Freizeit in die Tat umgesetzt und sind hinausgeströmt<br />

in die Fremdenverkehrsgebiete des Schwarzwaldes,<br />

des Rheinlands, des Bodenseegebiets, des Allgäus, nach Oberbayern<br />

oder gar in den sonnigen Süden. Wohl dem, der das<br />

Glück hat, solche Touren zu unternehmen. Sie seien ihm<br />

von Herzen vergönnt. Aber wer in den heimatlichen Gefilden<br />

zu bleiben gezwungen ist, wird auch hier nicht Langeweile<br />

bekommen. Jeder, der das Auge auftut, der ein Herz<br />

Von Josef Schneider<br />

Haigerloch ist nicht nur der kunstreiche Mittelpunkt der Umgebung, sondern ganz<br />

Hohenzollerns. „Ein Laudamus Domino", wie es wirkungsvoller und jubelnder kaum zum<br />

Ausdruck kommen kann; einen Triumph vollendeter Architektur, die lebendig zu werden<br />

scheint, vermittelt dieser Blick vor dem Renaissance-Chorgitter der Schloßkirche zum<br />

Deckengemälde. Man muß hier einmal den Hochaltar im Glänze flutenden Lichtes gesehen<br />

und dem festlichen Gottesdienst beigewohnt haben, um diese herrlichen sakralen Räume,<br />

die zur Vorahnung paradiesischer Seligkeit werden, zu verstehen. (Foto Weber.)<br />

und einen Sinn für die Schönheiten der Natur hat, der wird<br />

in diesen Sommertagen auch bei Wanderungen und Fahrten<br />

reich entlohnt. Immer wieder kann man es erleben, daß<br />

viele in die Ferne strömen und dabei die Kleinodien der<br />

Heimat, die Denkmale der Schöpfung und Kunst in Gottes<br />

schönem Garten übersehen. Der Verfasser dieser Zeilen darf<br />

selbst von sich behaupten, daß er schon die weite Welt gesehen<br />

hat, vor den Kathedralen von Reims, Notre Dame in<br />

Paris und Chartres gestanden, vor dem Grabe des hl. Petrus<br />

in Rom kniete und schon reiche Eindrücke der europäischen<br />

Landschaft und Architektur<br />

erfahren durfte, nie aber<br />

von der Landschaft so entzückt<br />

war, nie eine solche<br />

Liebe zu ihr empfand, als<br />

zur Heimatlandschaft unseres<br />

schönen Zollerlandes.<br />

Gerade unsere engere Heimat<br />

im hohenzollerischen<br />

Unterland vermittelt alle<br />

Reize eines geologisch und<br />

kulturgeschichtlich gleich<br />

interessanten Gebietes. Einsame,<br />

tief eingeschnittene<br />

Täler zwischen bewaldeten<br />

Höhen, lichtgrünen Wäldern<br />

und zerklüfteten Felswänden,<br />

liebliche Wiesengründe<br />

und verträumte Dorfidylle,<br />

aus deren Kirchen oder<br />

Kapellen immer wieder der<br />

Hauch großer geschichtsreicher<br />

Vergangenheit entgegenschlägt.<br />

Was den Fremden<br />

besonders anspricht,<br />

das ist auch jene seltsame<br />

Ausprägung der Frömmigkeit<br />

in vielen Gotteshäusern<br />

unserer Heimat, vor<br />

allem aber in Haigerloch,<br />

dem kunstreichen Mittelpunkt<br />

und der Perle des<br />

Zollerlandes, wie es Fürst<br />

Friedrich vor einigen Jahren<br />

selbst nannte. Es ist<br />

eine Art heiterer Weltinnigkeit,<br />

die besonders in<br />

der Barockzeit die Festlichkeit<br />

und Schönheit der<br />

Erde und der Natur erfühlte<br />

und einen tiefsinnigen<br />

Niederschlag in den<br />

Kostbarkeiten unseres<br />

Ländchens fand. Maler und<br />

Zeichner haben diese innige<br />

Verbindung von Natur<br />

und Kunst schon lang<br />

für sich entdeckt. Viele<br />

Fremde haben in den letzten<br />

Jahren, seitdem Haigerlochs<br />

Kirchen dank der<br />

verdienstvollen Bemühungen<br />

von Dekan Stadtpfarrer<br />

Guide im Glanz und Schönheit<br />

ihrer Entstehungszeit<br />

wieder erstanden sind, in<br />

den hiesigen Gotteshäusern<br />

geweilt, haben sich von<br />

ihrer Stimmung einfangen<br />

lassen und sind mit reichen<br />

Eindrücken wieder nach<br />

Hause gegangen. Die Wallfahrten<br />

und die Besichtigungen<br />

überhaupt haben<br />

ihre Kreise in den ganzen<br />

südwestdeutschen Raum gezogen.<br />

Hohe kirchl. Würdenträger<br />

haben in den letzten<br />

Jahren das Wort Gottes<br />

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