Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
eben hatten zwei das Pferd am Zügel gefaßt, und andere<br />
wollten den seiner Waffe Beraubten vom Gaul herunterreißen,<br />
während die übrigen die eigenen Pferde nach dem<br />
Walde trieben.<br />
Trotzdem der weiche Wiesengrund den Hufschlag dämpfte,<br />
hatten die Räuber noch rechtzeitig den Reiter, der mit einem<br />
Ritterschwert bewaffnet war, bemerkt, sahen auch, daß andere<br />
der Bauern, die den neu ausgebrochenen Kampf beobachtet,<br />
auf ihren Pferden folgten. Sie ließen von Gabriel<br />
ab und wandten sich zu ihrem abseits am Boden liegenden<br />
Führer. Ihre Absicht, ihn hochzuheben und nach dem Walde<br />
zu schleppen, mußten sie jedoch aufgeben, denn er wehrte<br />
sich, vor Schmerz heulend, gegen jede Bewegung seines<br />
Körpers.<br />
Um der Gefahr zu entgehen, selber gefangen zu werden,<br />
ließen die Spießgesellen den Häuptling liegen und verschwanden<br />
in der Waldesschlucht des Kirnbergs.<br />
Den gestohlenen Gaul hatte man wieder und an eine<br />
Verfolgung war angesichts der Not der Leute in dem brennenden<br />
Dorf nicht zu denken. Auch der schlimmste der<br />
Bande, der schwarze Peter, war in den Händen der Bauern.<br />
Bei ihm ließen sie eine Wache und ritten nach dem jetzt<br />
überall brennenden Dorf zurück. Das Feuer, welches von<br />
Strohdach zu Strohdach übergesprungen, von einem leichten<br />
Wind geschürt, alle, etwa 30 Häuser des Dorfes, erfaßte, war<br />
nicht mehr zu löschen. Nur von der Habe konnte noch dies<br />
und jenes gerettet werden. Das einzige Glück für die 100<br />
Personen zählenden Beuremer blieb bei all dem Elend, daß<br />
sie ihr Vieh auf der Weide in den Waldungen hatten.<br />
Nachdem bei dem rauchenden Trümmerhaufen von Beuren<br />
nichts mehr zu tun war, nahmen die Vöhringer den Gefangenen<br />
trotz seines Geschreies mit sich und lieferten ihn<br />
beim Gericht in Sulz a. N. ein.<br />
Jammernd und weinend trieben die um ihre Heimat Gebrachten<br />
das Vieh aus dem Walde zurück, zogen damit in<br />
die benachbarten Flecken, wo Bekannte und Verwandte<br />
wohnten. Das Dorf wurde nie mehr aufgebaut.<br />
An den einstigen Bestand dieses damals so schön im Wiesengrund<br />
gelegenen Ortes erinnert heute nur noch der Flurname<br />
„Beuremertal" und an seine Ortsburg der hohe<br />
„Schloßberg".<br />
Voll Befriedigung darüber, daß ihr Streifzug nach dem<br />
Pferd Karls von Henstetten von Erfolg gewesen, ritten die<br />
Weildorfer, Bittelbronner und Henstetter, begleitet von<br />
denen von Zimmern, deren Hilfe man so notwendig gebraucht,<br />
durch das Beuremer Tal hinaus über Zimmern der<br />
Heimat zu.<br />
Wohl blieben von dem Kampfe her, bei dem und jenem<br />
Teilnehmer noch Wunden zu heilen und Schmerzen zu stillen.<br />
Die Mittel hiefür besorgte die Kräuterannl von des<br />
Vogts Hütte in Klein-Weildorf.<br />
Ein Erfolg der Kämpfe mit den Landstreichern blieb: ihrer<br />
Führer und Anstifter, des schwarzen Peter und des Fuchs<br />
beraubt, ließ sich die Bande in der Gegend nicht mehr sehen.<br />
Der Winter zog ins Land. Aus den Scheunen erklang der<br />
Takt des Dreschens. Mit Tagesanbruch wurde begonnen, bei<br />
Einbruch der Dunkelheit aufgehört.<br />
Der Getreideanbau hatte in jenen Zeiten eine viel größere<br />
Bedeutung als heutzutage.<br />
Durch die Weidewirtschaft, welche bis Anfang des vorigen<br />
Jahrhunderts in unserer Gegend überall betrieben wurde,<br />
war das Vieh die längste Zeit des Jahres draußen. Nur im<br />
Winter bei vielem Schnee, der das Abweiden des Waldgrases<br />
nicht zuließ, blieben die Tiere im Stall. Nicht alle Waldgebiete<br />
durften als Weide benutzt werden, dort jedoch, wo<br />
Weiderecht bestand, kamen weder Unterholz noch Moos auf,<br />
und langes Waldgras bedeckte den Boden, das den Tieren<br />
auch im Winter zur Nahrung diente, falls Schnee den Auftrieb<br />
nicht unmöglich machte. Nur für diese Zeit war durch<br />
den Wiesenbau Vorsorge zu treffen.<br />
Infolge dieses umfangreichen Getreidebaues dauerte die<br />
Arbeit des Flegeldrusches fast den ganzen Winter, und<br />
manche armen Leute konnten als Drescher monatelang Beschäftigung<br />
finden.<br />
Also ging der Winter von 1565 auf 1566, nach damaligen<br />
Begriffen, für die Landbewohner unserer Gegend ziemlich<br />
ungestört vorüber.<br />
Die ersten Frühlingsboten der Tier- und Pflanzenwelt<br />
stellten sich ein, und der Jugend frohe Lieder klangen über<br />
Tal und Hügel hin.<br />
In Haigerloch hatten sie inzwischen dem gefangenen Räuber<br />
Fuchs durch hochnotpeinliches Verhör nachzuweisen vermocht,<br />
daß er nicht nur am Viehraub in Klein-Weildorf,<br />
sondern auch an vielen Morübrennereien der Räuberbande<br />
des Franz Kugel aus dem Allgäu beteiligt gewesen.<br />
Als die Bauern von Weildorf die ersten Samenkörner für<br />
die Frühjahrsbestellung in die Furchen streuten, wurde der<br />
Bandit Fuchs als eine des Galgens hochreife Frucht befunden.<br />
Ende März 1566 wurde auf dem Galgenberg im Südwesten<br />
von Weildorf. die Hinrichtung vollzogen. Eine große Menschenmenge<br />
hatte sich zusammengefunden, denn so ein<br />
Schauspiel war nicht oft zu sehen.<br />
Nachdem das Urteil verlesen, übergab der Richter den<br />
Verurteilten den Händen des Scharfrichters. Ohne Reue über<br />
sein verfehltes Leben und die verübten Schandtaten, welche<br />
schon so vielen Mitmenschen Schmerz und Kummer, Elend<br />
und Not bereitet, bestieg Fuchs die Leiter. Der Henker legte<br />
ihm die Schlinge um den Hals und stieß den Verurteilten<br />
von den Sprossen herab. Ein kurzes Röcheln, ein Zucken<br />
des Körpers, und die Todesstrafe war vollstreckt. Das Begräbnis<br />
überließ man den Raben und den Tieren des Waldes.<br />
Wochenlang hing so der Leib des Gehenkten zwischen Himmel<br />
und Erde.<br />
Die Zuschauer zerstreuten sich wieder, als das Strafgericht<br />
vollzogen war und gingen ihren täglichen Arbeiten nach.<br />
Im Walde droben aber stand einer und schaute mit brennenden<br />
Augen und wutverzerrtem Gesicht nach der Richtstätte.<br />
- Es war der schwarze Peter. -<br />
Nach dem Brande von Beuren, von den Vöhringern dem<br />
Sulzer Gericht abgeliefert, lag er von dem Keulenschlag Gabriels<br />
schwer verletzt unter großen Schmerzen im Turm.<br />
Wieder hergestellt, sollte ihm der Prozeß gemacht und aller<br />
Voraussicht nach ein ähnliches Schicksal bereitet werden<br />
wie seinem Spießgesellen, aber er entwich und trieb sich seit<br />
einigen Wochen bettelnd auf zollerischem Gebiet umher. Der<br />
schwarze Peter hatte vorläufig bei dem Handel noch nichts<br />
verloren als sein rechtes Ohr, das ihm gleich zu Beginn der<br />
Untersuchung „dessen Bezeichnung halber" abgehauen worden<br />
war. Auf seinen Bettelreisen erhielt er Kenntnis von der<br />
Hinrichtung seines Genossen, und so schaute er vom Walde<br />
aus dem Vorgang zu. Den letzten Liebesdienst, der bei solchen<br />
Anlässen sonst unter Freunden üblich, sich dem Gehängten<br />
an die Beine zu klammern, wagte Peter nicht. Dazu<br />
war er im Lande und bei den Leuten zu gut bekannt, auch<br />
der im Gerichtsbezirk von Haigerloch begangene Viehraub<br />
in Klein-Weildorf war noch ungesühnt.<br />
Rache für sich, Rache für den Spießgesellen, der dort am<br />
Galgen hing! Mit diesen Gedanken zog sich der schwarze<br />
Peter in den Wald zurück. —<br />
Wochen vergingen. Nachdem die Frühjahrsbestellung beendet,<br />
trat für die Landwirtschaft eine Ruhepause ein. Von<br />
der Brache im heutigen Sinn, wo in dieser Zeit Klee, Kartoffeln,<br />
Rüben gebaut werden, wußten die Bauern damals<br />
nichts, sie kannten nur die schwarze Brache. Die Aecker in<br />
diesem Esch, den Sommer über gedüng* und einigemal umgeackert,<br />
sämte man im Herbst mit Winterfrucht an.<br />
Das Vieh, auf die Weide getrieben, machte auch keine<br />
Arbeit mehr. Nur die Hirten und „Schützen" waren draußen,<br />
die ersteren das ihnen anvertraute Vieh zu überwachen,<br />
letztere darauf acht zu geben, daß kein Vieh von anderen<br />
Orten auf die gemeindeeigenen Weideplätze aufgetrieben<br />
wurde. Was Wunder, wenn sich unsere Vorfahren dagegen<br />
wehrten, als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die hohe<br />
Obrigkeit den Bauern befahl, die Stallfütterung einzuführen.<br />
Bis zur Hauptarbeitszeit, der Getreideernte, hatten es die<br />
Landbewohner gut, wenn nicht gerade der Lehensherr zum<br />
Frondienst rief. —<br />
Der blinde Dominikus saß mit seiner Geige in der Frühlingssonne<br />
und spielte Volks- und Kirchenlieder. Seine<br />
Schwester Barbara und des Vogts Luzia begleiteten mit<br />
ihrem Gesang das Spiel des schönen, armen Musikanten.<br />
Ave Maris Stella, dei Mater Alma jubelte, trotz all seines<br />
Unglücks seine Geige hinaus in die herrliche Gotteswelt. Die<br />
ganze Dorfjugend fand sich an so schönen Lenztagen, an<br />
denen es sonst nicht viel zu tun gab, beim Lehnhof des<br />
Vogts in Klein-Weildorf zusammen und, einmal mit Text<br />
und Melodie vertraut, sangen bald alle in froher Begeisterung<br />
mit.<br />
Die Aengste und Beschwerden des Winters waren vergessen.<br />
Die Jugend lebte dem Tage, wenn auch die Alten<br />
nicht ohne Sorgen an die Zukunft dachten.<br />
Es war am ersten Sonntag im Mai. In der Kirche Klein-<br />
Weildorfs hielt der Pfarrer Nikolaus Neg Gottesdienst. Wohl<br />
war der Mai-Monat damals kirchlich noch nicht für die Marienverehrung<br />
bestimmt, denn erst 1815 hat Papst Pius VII.<br />
Ablässe hierfür gewährt, aber im Volk wurde schon einige<br />
Jahrhunderte früher zu dieser Zeit der Himmelsmutter gehuldigt.<br />
Was die jungen Leute unter Anleitung des Geigenspielers<br />
unter der Woche gelernt, mußte zur Verschönerung des Gottesdienstes<br />
dienen, und zum erstenmal klang das Ave Maris