Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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JahrgöTri* .'960 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 15<br />
Und warm umflutet von den Wellen<br />
Des Lichtes, heil'ge Erde du,<br />
Strömt wieder, wie aus Gottes Quellen,<br />
Mir deines Segens Atem zu.<br />
Tiefe Verbundenheit mit der heimischen Welt spricht aus<br />
diesen wenigen Zeilen, die uns mit all den anderen Gedichten<br />
von der Heimat wie ein Hoheslied erscheinen und<br />
aufhorchen lassen, wie nahe hier ein Ausersehener dem<br />
Pulsschlag seiner Mutererde ist. Noch tiefer und inniger sind<br />
folgende Verse, die den Auftakt bilden zu „Segen der Liebe":<br />
Segen der Liebe ist alles,<br />
Was mich erfüllt und bewegt.<br />
Segen das Leid, das mich heimsucht,<br />
Segen die Lust, d f e sich regt.<br />
Segen der Kampf, den ich kämpfe,<br />
Segen das Streuen der Saat.<br />
Segen das Brot, das ich breche,<br />
Segen die tägliche Tat.<br />
Segen der Liebe die Seele,<br />
Die mich voll Flamme und Flut<br />
Innigst der deinen verbindet —<br />
Segen das rauschende Blut.<br />
Segen der Hunger nach Heimat,<br />
Segen der Traum um ein Kind.<br />
Segen das selige Wissen,<br />
Daß wir uns lieben und sind.<br />
Segen der Liebe ist alles.<br />
Segen voll Fülle und Kraft.<br />
Segen, der nimmermehr endet,<br />
Segen, der Ewigkeit schafft!<br />
Wenn wir diese Verse auf uns wirken lassen, wird uns ohne<br />
weiteres klar, was Bruno Gern meint, wenn er von den unter diesem<br />
Titel zusammengefaßten Aussagen erklärt, daß das keine Liebesgedichte,<br />
sondern Gedichte einer Liebe sind.<br />
„Reifender Ring" jedoch ist letzthin nichts anderes, als<br />
eine Zusammenfassung von Bekenntnissen eines um seine<br />
Berufung Ringenden. Gerns Weg als Dichter, ein weiter,<br />
mühsamer und schwerer, liegt darin aufgezeigt. Es ist der<br />
Weg eines Autodidakten, mit vielen Zeichen des Zweifels,<br />
harter Selbstüberwindung und nur wenigen Lichtblicken uneingeschränkter<br />
Anerkennung versehen. So wie in „Wahn<br />
und Wahrheit" drängt sich daher immer wieder die Frage<br />
hervor:<br />
Bin ich wirklich so begeistert,<br />
Ohne daß ich nur vermein.<br />
Einer, der das Wort bemeistert,<br />
Der Berufenen zu sein? ....<br />
Oder weisen mir die Zeichen<br />
Meines Könnens, meiner Kraft<br />
Nur den unerschöpflich reichen<br />
Aufruhr einer Leidenschaft? . . .<br />
Ist es nicht nur eines Spieiei<br />
Wilder Taumel, der mich treibt,<br />
Und mir ohne eines Zieles<br />
Letzte Wesenheit verbleibt? . . .<br />
Nur die Sendung einei Seele,<br />
Die sich unersättlich satt<br />
Dem befruchtenden Befehle<br />
Ihrer Zeit verschrieben hat? . . .<br />
Oder ist es eines Wahnes<br />
Willkür, die mein Hirn entfacht —<br />
Mir zuinnerst Angetanes<br />
Einer unbewußten Macht? . . .<br />
Ist es Liebe oder Leben,<br />
Das sich heiß dahinter birgt,<br />
Und mich drängt, dies Werk zu weben<br />
Und mir dieses Wunder wirkt? . . .<br />
Und mir so voll Fülle flutet<br />
' id aus e igem Jeric ;<br />
Sich unsterblich hinverblutet<br />
Im Gedicht? . , .<br />
Alle die scbriftdeutschen Gedichte, die sich trotz einheitlicher<br />
Dynamik in Auffassung, Anlage und Aussage grundlegend<br />
von Gerns Mundartgedichten unterscheiden, liegen<br />
jetzt Jahre zurück. Keinen Geringeren als den großen Josef<br />
Weinheber jedoch, veranlaßten sie, ihm die Antwort auf<br />
diese Fragen zu geben, ihn als Dichter zu bestätige; Weil:<br />
heoer schreibt damals: „Gern ist Dichte", das steht für mich<br />
außer Zweifei, ein vielversprechendes Talent sogar, nur ist<br />
er in manchen seiner Arbeiten noch zu redeseiig und muß<br />
sich noch stär kerer Konzentration befleißigen" ... Ein begeisterter<br />
Förderer Gerns war unter anderen auch Dr. E.<br />
Feederle aus Oberndorf a. N., der ihn nicht nur mit Weinheber<br />
zusammengeführt hat, sondern ihn auch im Rundfunk<br />
publizieren wollte, was jedoch durch den Kriegsausbruch<br />
verhindert wurde. Feederle, wohl der beste Kenner Gerns<br />
auf dem Gebiete der Prosa und der Dialektdichtung, ist<br />
dann leider als Kriegsberichterstatter in Rußland gefallen.<br />
Gern, 1940 ebenfalls zur Luftwaffe einberufen und später beim<br />
nugl ^itungspersona 1 tätig, beteiligte sich nich nur a EL- d ar. der<br />
Wehrbetreuung, sondern a. auch an einem künstlerischen Wettbewerb,<br />
aus dem er mit -einen Arbeiten als Preist c'c :-r hervorgi<br />
1944 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wur ie<br />
nach E'lorida verschickt. Im Rahmen der von den Amerikanern a f-<br />
- 'zogeflefl Gefan,Innenweite, bildung wurde er dort ebenfalls wieder<br />
zur Schulungsarbeit mit herangezogen und später mit noch zwei<br />
Kameraden mit dei Herausgabe einer Lagerzeitschrift beauftragt,<br />
die ebei 3 wie di Schulungspl^ri. noch in allen Exemplaren vorlieg-<br />
H a Februa • 1946 kam er zurück nach Frankreich und war dort<br />
ais Gegangener der Franzosen weitere zwei Jahre als Landarbeiter<br />
tätig. Auch in diesen vier Jahren war Gern sehr produktiv und<br />
schrieb etwa über hundert Gedichte, von denen wir sozusagen das<br />
erste und das letzte aufschlußhalber anführen wollen. Besonders<br />
das erste, zehn Tage nach der Gefangennahme geschrieben, bestätigte<br />
den geradlinigen Weg Gerns und den festen Standpunkt in<br />
seiner Berufung, von dem aus es nurmehr ein Auseinandersetzen<br />
mit den Dingen und so auch mit den Problemen hinter dem Stacheldraht<br />
geben konnte. Mit Recht gab er diesem Gedicht daher auch<br />
den Namen „Zwischenbilanz":<br />
Alles wird Stückwerk bleiben,<br />
Was ich bis jetzt getan.<br />
Kräfte erwachsen und treiben<br />
Mich die beschrittene Bahn.<br />
Gottes Gewalten erheben<br />
Mich aus den Tiefen ins Licht<br />
Und in ein besseres Leben,<br />
Aus dem die Ewigkeit bricht.<br />
Ewigkeit, die ich zu wenig<br />
Fast noch nur dunkel erahn,<br />
Heute Gestalter und König —<br />
Morgen gestürzter Titan.<br />
Aber in reifendes Ringen<br />
Eingespannt, nimmer zu ruhn:<br />
Immer noch mehr zu vollbringen,<br />
Immer noch Bessres zu tun!<br />
In Frankreich waren es dann mehr die schöne Landschaft,<br />
das Naturerlebnis und die Arbeit, die ihm über alle unguten<br />
Zustände hinweghalfen.<br />
Daß mich die Amsel weckt,<br />
Früh schon der Kuckuck neckt,<br />
Und aus dem Trubel der Töne<br />
Sieghaft ein neuer Tag<br />
Steigt mit dem Lerchenschlag —<br />
Das ist das schöne! . . .<br />
Daß mir der Erde Kraft<br />
Sorgen und Segen schafft,<br />
Und mit dem brausenden Blute<br />
Tätig die Adern treibt,<br />
Bis nur noch Arbeit bleibt —<br />
Das ist das Gute! . . .<br />
Daß jedoch fern der Pein<br />
Um mein Gefangensein<br />
Freiheit mich ladet zum Feste,<br />
Und mir jetzt wie ein Licht<br />
Wieder ins Leben bricht —<br />
Dast ist das Beste! . . .<br />
Nur zaghaft nahm er nach seiner endgültigen Heimkehr<br />
im Frühjahr 1948 wieder Fühlung mit Zeitungen und Zeitschriften.<br />
Während in den dreißiger Jahren Gerns Veröffentlichungen<br />
über seine hohenzollerische Heimat hinaus bis ins<br />
Rheinland und nach München hinübergriffen, war es jetzt<br />
mehr eine stille Beschränkung auf ein gutdisponiertes und<br />
wohldiszipliniertes dichterisches Schaffen, bei dem die Mundartgedichte<br />
dominierten. Gern, wieder im Baugewerbe tätig,<br />
begründete das mit folgenden Worten: „Daß ich in den<br />
letzten Jahren nurmehr oder fast ausschließlich die Mundart<br />
gepflegt habe, liegt daran, daß sie neben der schweren körperlichen<br />
Arbeit nicht soviel Kraftaufwand und Konzentration<br />
erfordern. Auch liegen ihre Motive mehr im Anschauungskreis<br />
des Tagtäglichen, und wird ein Mensch, der sich<br />
ernsthaft mit ihr befaßt, mehr und mehr von ihrer Eigenart<br />
und ihren Reizen gefangen genommen."<br />
Bruno Gerns völliges Hinwenden zur Mundartdichtuni entspricht<br />
seinem Wesen und seiner Eigenart. Er will nicht nur ' is Jichterische<br />
Erlebnis seiner 'leimat festhalten, sondern auch las ül" -lieferte<br />
Erbgut des Dialektes wenigstens in seinen Arbeiten vor der Verflachung<br />
und dem. Jntergang ^-wahren. Sein Schwäbisch ist uaher<br />
bew", die urwüchsige Mundart des Schmelfentales, der noch bodenständige<br />
f-irzinger Dialekt, -hn. jedes Zugeständri; i _ das „Allgemeinschwäbische".<br />
iern will auch in der Formgebung 'einer Gedichte<br />
immer ni r Bilder verwenden, die c n einfachen br .erlichen<br />
Denken entsprechen, ohne daß iadurch ' as Gehobene t dichteriscl<br />
en Sprache herabgeschmälert wird. Mit anderen Worter und<br />
volkstümlicher ausgedrückt: er versteht es, en Bauern aufs Maul<br />
zu gucken! Der Bauer ist für Gern die einfachste und natürlichste<br />
Personifizierung ~ des schwäbischen "nschen, und so zieht er stets<br />
nur Vergleiche und verwendet Bilder, die 1 n nahe liegen und<br />
seinem Anschauungskreis entsprechen. Ein einfaches Beispiel hierfür,<br />
wenn es irge iwo heißt:<br />
Wias aber gnachtet hot ond duschter<br />
dr Tag da letschta Schnaufer dao<br />
hu' zmols dr Herr sei' stennanuschter<br />
am Himmel fumghenkt ond da Mao<br />
raus aus seim Wolkakeefeg glao.<br />
Was Gerns Dialek T gedich*. . — Gott ei Daim — ganz abgeht,<br />
ist di- bei vielen Munda idichtern übliche Sucht der Ar. kdotenreirr.erei,<br />
mit der sie auf billig \rt Iffekte erzielen wollen. Lr.<br />
Bentele ii Ravensburg, ^ er ebenfalls Gerns unve*. 0 ichtes Hohenzollernsch'<br />
Ibisch lobend erw int, schrieo einmal ii seiner Abhandlung<br />
über Mundart, es sei tief bedauerlich, daß fast j ;der Diale<br />
tdlchter ; f die gereimte V -ergäbe teils geistreicher, teils einfältiger<br />
Anekdoten abhebe. Er hab unter 20 vorliegende) . B indchen<br />
sc_ väbischer Gedichte willkürlicl ' * ieingreifen können und immer<br />
wieder die Behauptung t itätigt bekommen. Sebastian Blr-i sagt<br />
azu einmal treffend: ,. cht jeder, der eine Anekdote gereimt er<br />
zählen kann, ist ein Dichter."<br />
„Wenn auch meine Mundartgedichte ganz impulsiv aus<br />
der Heimatliebe heraus entsteh a", sagt Bruno Gern von<br />
sich selber, .immer wieder muß ich unerbittlich an mich<br />
die Frage richten: Denkt und fühlt, oder handelt so der einfache<br />
Mensch meiner Heimat? Ich muß aTso dem einfachen<br />
Mann nicht nur „scharf aufs Maul, sondern auch liebevoll