Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollerlsche Heimat Vierteljahresblätter für Schule und Haus Herausgegeben vom Verein für Geschichte, in Verbindung mit Schriftleitung: Josef Wiest, Gammertingen 10 Y 3828 F Preis halbjährlich 0.80 DM Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern der hohenz. Lehrerschaft Druck: Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen Postscheckkonto Stuttgart 35 892 Nummer 1 Gammertingen, Januar 1960 10. Jahrgang ' ' * * - - • E •••'.. 3 •• : r-; i v t * e I 1 * J - I » * 1 i - > '4' » t 1 *
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- Seite 24 und 25: 24 Weiler bei Tailfingen. Am 7. Apr
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- Seite 28 und 29: 28 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
- Seite 30 und 31: 30 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
- Seite 32 und 33: 32 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Bruno Ge
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- Seite 36 und 37: 36 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
- Seite 38 und 39: 38 Jahrgang 1P^u Das Wort Fasnet ka
- Seite 40 und 41: 40 Jahrgang 1960 centia Ebürtmayri
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- Seite 44 und 45: 44 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
- Seite 46 und 47: 46 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
- Seite 48 und 49: 48 HOHENZOL,L,ERISCHEHEIMAT Jahrgan
- Seite 50 und 51: 50 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang
Hohenzollerlsche Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
10 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Nummer 1 Gammertingen, Januar <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />
' ' * * - - • E •••'.. 3 •• : r-; i v t * e I 1 * J - I » * 1 i - > '4' » t 1 *
2 HOHENZOLLEBISCSEHEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />
Bauern und Bettelleut!<br />
Erzählung von H. E g e r - Weildorf (Fortsetzung)<br />
Kaum graute am andern Morgen der Tag, als vor das reste und Unrat aller Art bezeichneten den Platz, wo die<br />
Vogtshaus in Klein-Weildorf ein Reiter sprengte, Es war Bande die letzte Nacht hauste. Von hier aus war die Spur<br />
einer der Hofherren von Henstetten, Vitus mit Namen, nicht mehr zu verlieren. Die Pferde am Zügel, gings durch<br />
Als dieser, ein noch junger Mann, vom Pferde sprang, er- das Walddickicht über den „Winterrain", „Katzenstaig",<br />
schien Vogt Pfeffer, der Lehenhofbauer, unter der Wohn- »Eichwald" nach dem „Beuremer Tal", dem Ort Beuren zu.<br />
haustür und rief dem Ankömmling einen „Guten Morgen" zu. Es mochte etwa um die zehnte Morgenstunde sein, als der<br />
Der Reiter erwiderte den Gruß und brachte zugleich die Reitertrupp auf dem Wege am Eichwald hielt, um wieder<br />
Nachricht, daß seinem Bruder Karl auf den Henstetter Hö- die Pferde zu besteigen.<br />
fen draußen, letzte Nacht der beste Ackergaul gestohlen wor- Eben berieten sie, ob es, nachdem man fremdes Gebiet<br />
den sei. Nun hätten sie erfahren, auch auf dem Lehnhof betreten, nicht tunlich sei, vorerst die Waffen abzulegen, ein<br />
habe vorletzte Nacht ein Einbruch stattgefunden, wobei 2 paar Leute dabei zu lassen und unbewaffnet vorzugehen.<br />
Stück Vieh abhanden gekommen, deretwegen zwischen den Da klangen auf einmal Hifthornrufe von Beuren her durch<br />
Bauern von Weildorf und den Dieben gestern nachmittag den Wald. Gabriel sprengte, die Keule schwingend, vor: „Das<br />
im Holgenwald ein Kampf stattgefunden habe. Hifthorn von der Zinne der Ortsburg ruft, die Bande hat<br />
Die Räuber werden, so vermuten die Henstetter, in beiden Beuren überfallen", rief er aus, und in gestrecktem Galopp,<br />
Fällen die gleichen sein. ! / einer hinter dem andern* wie es der schmale Weg zuließ,<br />
1 Da die Höfe von Henstetten, wie der Besitz von Klein- stürmten die Reiter dem Tale zu.<br />
Weildorf, dem Frauenkloster Kirchberg gehörten, waren die Sie sprengten über den Rohrbach und vernahmen von<br />
von • Henstetten und Klein-Weildorf gute Bekannte; denn ferne wildes Geschrei und Hilferufe,<br />
man traf sich jedes Jahr bei der Ablieferung der Zinsen und Als man das Tal überblicken konnte, wo zwischen Rohr-<br />
Zehnten auf Kirchberg im Klosterhof, ' bach ..und Rindelbach gelegen der' kleine Flecken.Beuren<br />
: Der Vogt lud Vitus vorerst ein, in die. Stube zu kommen. stand, schlugen bereits die Flammen aus mehreren Häusern.<br />
Gabriel versorgte inzwischen sein Pferd/ v - Vom „Schloßberg" herab erklangen immer stürmischer die'<br />
: Der Lefröbhofbauer, Vögt Pfeffer, erzählte, .als sie in. der Hornsignale in den klaren Herbstmorgen hinaus, weithin<br />
Stube beisärnmensäßen, den fiergang des Diebstahls,bei ihm hörbar.<br />
und wäs nachher folgte; er schloß: „Es ist" k'ein'Zweifel,'daß • Als die Reiter im Dorf anlangten, wütete der Kampf in<br />
es die gleiche Bande ist, die gegenwärtig unsere Gegend un- allen Häusern, auf die sich die Banditen plündernd zerstreut,<br />
sicher macht, die auch bei deinem-Bruder den -Raub Jvoll- hätten, - •<br />
führte. Den Fährten wird sieh folgen lassen und solltet ihr Der Herr von Steinhaus in Bittelbronn sprang vom Pferde<br />
dabei auch auf fremdes Gebiet übertreten müssen, geht' den und feuerte seine Muskete ab. Der gewaltige Knall dei'<br />
Spüren nach, legt aber, wenn ihr in "die Nähe bewohnter Feüerbüchse trieb die Plünderer aus den Häusern. Wohl war<br />
Orte kommt, die Waffen, ab, ,
Jahrg^nfe 96(1 HOHEN ZO tEBISCHÜ HEIMAT 3<br />
Der schwarze Peter, welcher des Henstetters Pferd gestohlen<br />
und in der Morgenfrühe stolz seinen Kameraden<br />
vorgeführt hatte, stürzte mit einem Wutschrei dem Reiter<br />
entgegen. Schnell hatte Gabriel die Situation erfaßt, hier<br />
galt nur schleunige Flucht dem Talausgang Zimmern zu.<br />
Dieses Vorhaben wäre auch gelungen und für sämtliche<br />
Banditen, die sich abgetrennt, verhängnisvoll geworden, aber<br />
der Ackergaul scheute vor dem Rindelbach. Weder durch<br />
ermunternde Worte noch durch Schläge mit dem Stiel seiner<br />
Waffe konnte Gabriel das Pferd veranlassen, das Hindernis<br />
zu nehmen, da war alle Mühe umsonst. Rasch entschlossen<br />
riß Gabriel das Pferd herum und galoppierte direkt den<br />
Banditen entgegen. Der schwarze Peter sprang mit katzenartiger<br />
Geschwindigkeit auf den Reiter los und faßte das<br />
Pferd am Zügel, doch ein wuchtiger Hieb Gabriels mit seiner<br />
Keule traf ihn derart über den Rücken, daß er mit einem<br />
Albbuche im Rauhreil<br />
Schmerzenslaut zu Boden sank. Jetzt kamen die andern,<br />
aber der Gaul, durch das wüste Geschrei wild geworden,<br />
schlug nach allen Seiten aus und drehte sich im Kreise. Gabriel<br />
hatte alle Mühe, sich auf dem ungesattelten Tier zu<br />
halten. Hiebei war ihm seine Waffe entfallen; lange konnte<br />
diese Situation nicht mehr dauern, bis es den Burschen gelang,<br />
sein Pferd zu fassen und ihn herunter zu zerren.<br />
Doch Vitus hatte das Fehlen des Freundes auf dem<br />
Kampfplatz bemerkt, und den fliehenden Gegnern folgend,<br />
sah er Gabriel aus der Waldschlucht reiten, sah aber auch<br />
eine Anzahl Banditen den Pferden zuströmen. Hier tat Hilfe<br />
not!<br />
Sein Pferd stand direkt am Ortseingang, von einer<br />
Bauerntochter mit Not im Zaum gehalten. Mit einem Satz<br />
war Vitus im Sattel und sprengte das Wiesental entlang dem<br />
hart bedrängten Freund entgegen. Es war höchste Zeit, denn<br />
Photo und Klischee Eigentum von Herrn Christian Maute-Bisingen
4 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
eben hatten zwei das Pferd am Zügel gefaßt, und andere<br />
wollten den seiner Waffe Beraubten vom Gaul herunterreißen,<br />
während die übrigen die eigenen Pferde nach dem<br />
Walde trieben.<br />
Trotzdem der weiche Wiesengrund den Hufschlag dämpfte,<br />
hatten die Räuber noch rechtzeitig den Reiter, der mit einem<br />
Ritterschwert bewaffnet war, bemerkt, sahen auch, daß andere<br />
der Bauern, die den neu ausgebrochenen Kampf beobachtet,<br />
auf ihren Pferden folgten. Sie ließen von Gabriel<br />
ab und wandten sich zu ihrem abseits am Boden liegenden<br />
Führer. Ihre Absicht, ihn hochzuheben und nach dem Walde<br />
zu schleppen, mußten sie jedoch aufgeben, denn er wehrte<br />
sich, vor Schmerz heulend, gegen jede Bewegung seines<br />
Körpers.<br />
Um der Gefahr zu entgehen, selber gefangen zu werden,<br />
ließen die Spießgesellen den Häuptling liegen und verschwanden<br />
in der Waldesschlucht des Kirnbergs.<br />
Den gestohlenen Gaul hatte man wieder und an eine<br />
Verfolgung war angesichts der Not der Leute in dem brennenden<br />
Dorf nicht zu denken. Auch der schlimmste der<br />
Bande, der schwarze Peter, war in den Händen der Bauern.<br />
Bei ihm ließen sie eine Wache und ritten nach dem jetzt<br />
überall brennenden Dorf zurück. Das Feuer, welches von<br />
Strohdach zu Strohdach übergesprungen, von einem leichten<br />
Wind geschürt, alle, etwa 30 Häuser des Dorfes, erfaßte, war<br />
nicht mehr zu löschen. Nur von der Habe konnte noch dies<br />
und jenes gerettet werden. Das einzige Glück für die 100<br />
Personen zählenden Beuremer blieb bei all dem Elend, daß<br />
sie ihr Vieh auf der Weide in den Waldungen hatten.<br />
Nachdem bei dem rauchenden Trümmerhaufen von Beuren<br />
nichts mehr zu tun war, nahmen die Vöhringer den Gefangenen<br />
trotz seines Geschreies mit sich und lieferten ihn<br />
beim Gericht in Sulz a. N. ein.<br />
Jammernd und weinend trieben die um ihre Heimat Gebrachten<br />
das Vieh aus dem Walde zurück, zogen damit in<br />
die benachbarten Flecken, wo Bekannte und Verwandte<br />
wohnten. Das Dorf wurde nie mehr aufgebaut.<br />
An den einstigen Bestand dieses damals so schön im Wiesengrund<br />
gelegenen Ortes erinnert heute nur noch der Flurname<br />
„Beuremertal" und an seine Ortsburg der hohe<br />
„Schloßberg".<br />
Voll Befriedigung darüber, daß ihr Streifzug nach dem<br />
Pferd Karls von Henstetten von Erfolg gewesen, ritten die<br />
Weildorfer, Bittelbronner und Henstetter, begleitet von<br />
denen von Zimmern, deren Hilfe man so notwendig gebraucht,<br />
durch das Beuremer Tal hinaus über Zimmern der<br />
Heimat zu.<br />
Wohl blieben von dem Kampfe her, bei dem und jenem<br />
Teilnehmer noch Wunden zu heilen und Schmerzen zu stillen.<br />
Die Mittel hiefür besorgte die Kräuterannl von des<br />
Vogts Hütte in Klein-Weildorf.<br />
Ein Erfolg der Kämpfe mit den Landstreichern blieb: ihrer<br />
Führer und Anstifter, des schwarzen Peter und des Fuchs<br />
beraubt, ließ sich die Bande in der Gegend nicht mehr sehen.<br />
Der Winter zog ins Land. Aus den Scheunen erklang der<br />
Takt des Dreschens. Mit Tagesanbruch wurde begonnen, bei<br />
Einbruch der Dunkelheit aufgehört.<br />
Der Getreideanbau hatte in jenen Zeiten eine viel größere<br />
Bedeutung als heutzutage.<br />
Durch die Weidewirtschaft, welche bis Anfang des vorigen<br />
Jahrhunderts in unserer Gegend überall betrieben wurde,<br />
war das Vieh die längste Zeit des Jahres draußen. Nur im<br />
Winter bei vielem Schnee, der das Abweiden des Waldgrases<br />
nicht zuließ, blieben die Tiere im Stall. Nicht alle Waldgebiete<br />
durften als Weide benutzt werden, dort jedoch, wo<br />
Weiderecht bestand, kamen weder Unterholz noch Moos auf,<br />
und langes Waldgras bedeckte den Boden, das den Tieren<br />
auch im Winter zur Nahrung diente, falls Schnee den Auftrieb<br />
nicht unmöglich machte. Nur für diese Zeit war durch<br />
den Wiesenbau Vorsorge zu treffen.<br />
Infolge dieses umfangreichen Getreidebaues dauerte die<br />
Arbeit des Flegeldrusches fast den ganzen Winter, und<br />
manche armen Leute konnten als Drescher monatelang Beschäftigung<br />
finden.<br />
Also ging der Winter von 1565 auf 1566, nach damaligen<br />
Begriffen, für die Landbewohner unserer Gegend ziemlich<br />
ungestört vorüber.<br />
Die ersten Frühlingsboten der Tier- und Pflanzenwelt<br />
stellten sich ein, und der Jugend frohe Lieder klangen über<br />
Tal und Hügel hin.<br />
In Haigerloch hatten sie inzwischen dem gefangenen Räuber<br />
Fuchs durch hochnotpeinliches Verhör nachzuweisen vermocht,<br />
daß er nicht nur am Viehraub in Klein-Weildorf,<br />
sondern auch an vielen Morübrennereien der Räuberbande<br />
des Franz Kugel aus dem Allgäu beteiligt gewesen.<br />
Als die Bauern von Weildorf die ersten Samenkörner für<br />
die Frühjahrsbestellung in die Furchen streuten, wurde der<br />
Bandit Fuchs als eine des Galgens hochreife Frucht befunden.<br />
Ende März 1566 wurde auf dem Galgenberg im Südwesten<br />
von Weildorf. die Hinrichtung vollzogen. Eine große Menschenmenge<br />
hatte sich zusammengefunden, denn so ein<br />
Schauspiel war nicht oft zu sehen.<br />
Nachdem das Urteil verlesen, übergab der Richter den<br />
Verurteilten den Händen des Scharfrichters. Ohne Reue über<br />
sein verfehltes Leben und die verübten Schandtaten, welche<br />
schon so vielen Mitmenschen Schmerz und Kummer, Elend<br />
und Not bereitet, bestieg Fuchs die Leiter. Der Henker legte<br />
ihm die Schlinge um den Hals und stieß den Verurteilten<br />
von den Sprossen herab. Ein kurzes Röcheln, ein Zucken<br />
des Körpers, und die Todesstrafe war vollstreckt. Das Begräbnis<br />
überließ man den Raben und den Tieren des Waldes.<br />
Wochenlang hing so der Leib des Gehenkten zwischen Himmel<br />
und Erde.<br />
Die Zuschauer zerstreuten sich wieder, als das Strafgericht<br />
vollzogen war und gingen ihren täglichen Arbeiten nach.<br />
Im Walde droben aber stand einer und schaute mit brennenden<br />
Augen und wutverzerrtem Gesicht nach der Richtstätte.<br />
- Es war der schwarze Peter. -<br />
Nach dem Brande von Beuren, von den Vöhringern dem<br />
Sulzer Gericht abgeliefert, lag er von dem Keulenschlag Gabriels<br />
schwer verletzt unter großen Schmerzen im Turm.<br />
Wieder hergestellt, sollte ihm der Prozeß gemacht und aller<br />
Voraussicht nach ein ähnliches Schicksal bereitet werden<br />
wie seinem Spießgesellen, aber er entwich und trieb sich seit<br />
einigen Wochen bettelnd auf zollerischem Gebiet umher. Der<br />
schwarze Peter hatte vorläufig bei dem Handel noch nichts<br />
verloren als sein rechtes Ohr, das ihm gleich zu Beginn der<br />
Untersuchung „dessen Bezeichnung halber" abgehauen worden<br />
war. Auf seinen Bettelreisen erhielt er Kenntnis von der<br />
Hinrichtung seines Genossen, und so schaute er vom Walde<br />
aus dem Vorgang zu. Den letzten Liebesdienst, der bei solchen<br />
Anlässen sonst unter Freunden üblich, sich dem Gehängten<br />
an die Beine zu klammern, wagte Peter nicht. Dazu<br />
war er im Lande und bei den Leuten zu gut bekannt, auch<br />
der im Gerichtsbezirk von Haigerloch begangene Viehraub<br />
in Klein-Weildorf war noch ungesühnt.<br />
Rache für sich, Rache für den Spießgesellen, der dort am<br />
Galgen hing! Mit diesen Gedanken zog sich der schwarze<br />
Peter in den Wald zurück. —<br />
Wochen vergingen. Nachdem die Frühjahrsbestellung beendet,<br />
trat für die Landwirtschaft eine Ruhepause ein. Von<br />
der Brache im heutigen Sinn, wo in dieser Zeit Klee, Kartoffeln,<br />
Rüben gebaut werden, wußten die Bauern damals<br />
nichts, sie kannten nur die schwarze Brache. Die Aecker in<br />
diesem Esch, den Sommer über gedüng* und einigemal umgeackert,<br />
sämte man im Herbst mit Winterfrucht an.<br />
Das Vieh, auf die Weide getrieben, machte auch keine<br />
Arbeit mehr. Nur die Hirten und „Schützen" waren draußen,<br />
die ersteren das ihnen anvertraute Vieh zu überwachen,<br />
letztere darauf acht zu geben, daß kein Vieh von anderen<br />
Orten auf die gemeindeeigenen Weideplätze aufgetrieben<br />
wurde. Was Wunder, wenn sich unsere Vorfahren dagegen<br />
wehrten, als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die hohe<br />
Obrigkeit den Bauern befahl, die Stallfütterung einzuführen.<br />
Bis zur Hauptarbeitszeit, der Getreideernte, hatten es die<br />
Landbewohner gut, wenn nicht gerade der Lehensherr zum<br />
Frondienst rief. —<br />
Der blinde Dominikus saß mit seiner Geige in der Frühlingssonne<br />
und spielte Volks- und Kirchenlieder. Seine<br />
Schwester Barbara und des Vogts Luzia begleiteten mit<br />
ihrem Gesang das Spiel des schönen, armen Musikanten.<br />
Ave Maris Stella, dei Mater Alma jubelte, trotz all seines<br />
Unglücks seine Geige hinaus in die herrliche Gotteswelt. Die<br />
ganze Dorfjugend fand sich an so schönen Lenztagen, an<br />
denen es sonst nicht viel zu tun gab, beim Lehnhof des<br />
Vogts in Klein-Weildorf zusammen und, einmal mit Text<br />
und Melodie vertraut, sangen bald alle in froher Begeisterung<br />
mit.<br />
Die Aengste und Beschwerden des Winters waren vergessen.<br />
Die Jugend lebte dem Tage, wenn auch die Alten<br />
nicht ohne Sorgen an die Zukunft dachten.<br />
Es war am ersten Sonntag im Mai. In der Kirche Klein-<br />
Weildorfs hielt der Pfarrer Nikolaus Neg Gottesdienst. Wohl<br />
war der Mai-Monat damals kirchlich noch nicht für die Marienverehrung<br />
bestimmt, denn erst 1815 hat Papst Pius VII.<br />
Ablässe hierfür gewährt, aber im Volk wurde schon einige<br />
Jahrhunderte früher zu dieser Zeit der Himmelsmutter gehuldigt.<br />
Was die jungen Leute unter Anleitung des Geigenspielers<br />
unter der Woche gelernt, mußte zur Verschönerung des Gottesdienstes<br />
dienen, und zum erstenmal klang das Ave Maris
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 5<br />
Stella durch den Raum der Kirche Klein-Weildorfs. So weit<br />
zurück im Kirchengesang, wie man heutzutage vielfach annimmt,<br />
waren unsere gläubigen Vorfahren nicht, hatte doch<br />
schon Karl der Große verordnet, „daß die Gläubigen Gloria<br />
Patri et Filio et Spiritui Sankto singen und der Priester<br />
mit dem Volk in das Sanktus der Engel einstimmen solle."<br />
An jenem schönen Maien-Sonntag zog die Jugend des<br />
Dorfes hinaus ins Freie, zur großen schattigen Eiche. Frohe<br />
Lieder widerhallten in den Tannen des Holgenwaldes, und<br />
lustige Reigen tanzten sie, einander die Hände reichend, um<br />
den Stamm des alten Baumriesen. Frühling wars im Leben<br />
derer, die hier frohe Spiele machten, Frühling in der Natur,<br />
warum sollte man da nicht lustig sein. Im Osten lag geschützt<br />
der größere Teil des Dorfes, stolz auf der Anhöhe<br />
Kirche und Gehöfte von Klein-Weildorf. Weit dehnten sich<br />
die dunkelgrünen Felder der Ortsmark, ein schönes Stück<br />
Gotteserde, —• ihre Heimat.<br />
Lange Schatten warf der Wald über die „Reute", als die<br />
Spiele abgebrochen wurden und alle singend und jubelnd<br />
dem Dorf zugingen.<br />
Am Abend zog ein Gewitter herauf, doch ohne zu regnen<br />
jagte der Westwind die schweren Wolkenballen über das<br />
Firmament. Dem hellen Tage folgte eine tiefdunkle Nacht.<br />
Vom Sturm getrieben, suchte in der Finsternis ein Mann<br />
vom Walde her den Weg Weildorf zu. Im Lehnhof verschaffte<br />
er sich durch Einstoßen einer Wickelwand Eingang in einen<br />
mit Stroh gefüllten Schuppen. Dort wartete der Eindringling<br />
ab, bis der Nachtwächter um Mitternacht ins Horn geblasen.<br />
Alles lag in tiefem Schlaf, als er mit Feuerstein und Zunder<br />
im Stroh sich eine Glut verschaffte. Von ihm zur hellen<br />
Flamme angeblasen, ward das Stroh in Brand gesetzt. Jetzt<br />
verließ der Mann sein Versteck, wartete aber ruhig außerhalb<br />
des Schuppens ab, bis die Flammen hoch emporloderten<br />
und das Strohdach von Scheuer und Wohnhaus des Vogts ergriffen<br />
hatten.<br />
Die Kräuterannl saß wie gewöhnlich noch die halbe Nacht,<br />
Kräuter siedend und Salben kochend in ihrer Hütte und bemerkte,<br />
durch den hellen Feuerschein aufmerksam gemacht,<br />
den Brand im Lehnhof.<br />
Laut schrie sie auf und rannte dem Hofe zu. Fast stieß die<br />
Annl mit dem Brandstifter zusammen, der eben die Brandstätte<br />
verließ.<br />
Beim hellen Feuerschein erkannte sie den Verbrecher und<br />
rief aus: „Du, Peter, hast das Feuer gelegt!" Hohnlachend<br />
erwiderte dieser: „Jawohl, Gräfin, sag denen von Klein-<br />
Weildorf, der schwarze Peter sei hier gewesen und habe sich<br />
und seinen Kameraden, dessen Reste noch droben am Galgen<br />
hängen, gerächt. Sie sollen sich bei deinem Schützling,<br />
dem langen Vogtsohn bedanken."<br />
Kaum vernahm die Kräuterannl noch die letzten Worte.<br />
„Feuer, Feuer!" gellten ihre Rufe durch die Gassen.<br />
Der Vogt, von dem Geschrei erwacht, stürzte halb bekleidet<br />
aus dem Haus. Mesner Huber sprang, ebenfalls wach<br />
geworden, der Kirche zu und begann, Sturm zu läuten. Bald<br />
rannten die Bewohner Klein-Weildorfs von allen Seiten<br />
herbei.<br />
Schon brannte der Lehenhof lichterloh, als der blinde<br />
Dominikus mit seiner Geige im Arm und von seinem Hund<br />
begleitet, vor das Vogtshaus trat.<br />
Im allgemeinen Lärm schrie die Mutter vom Lehnhof laut<br />
auf: „Wo ist die Luzia?" Niemand hatte sie gesehen, also<br />
weilte die Tochter noch im brennenden Hause. Keiner getraute<br />
sich mehr hinein in Rauch und Feuer.<br />
Doch kaum vernahm der Blinde die Rufe nach Luzia, als<br />
er seine Geige an der Kirchhofmauer niederlegte und, von<br />
seinem Hunde begleitet, durchs Haustor schritt. „Heilige<br />
Mutter Gottes von Einsiedeln hilf", hörten die Umstehenden<br />
den Blinden noch rufen, dann war er ihren Blicken entschwunden.<br />
Von Jugend auf mit Weg und Steg im Lehnhof vertraut,<br />
fand er sich mit seinem feinen Tastgefühl da zurecht, wo ein<br />
Sehender vom Rauch geblendet, keinen Schritt mehr vorwärts<br />
gekommen wäre. Händeringend und jammernd umstanden<br />
die Leute das Haus. War das Opfer des Blinden<br />
umsonst, mußten zwei junge Menschenleben in den Flammen<br />
des Lehnhofes untergehen? Wie ein Wahnsinniger rannte<br />
Gabriel umher, hilflos, trotz seiner Riesenstärke, stand er<br />
diesem furchtbaren Element gegenüber.<br />
Doch wo blieb Zeit zum Klagen! Schon schlugen in einem<br />
anderen Haus von Klein-Weildorf die Flammen auf.<br />
Jetzt, die Minuten schienen zu Stunden geworden, schoß<br />
mit lautem Gebell der Hund des Blinden aus Rauch und<br />
Flammen des Haustores, ihm folgte Dominikus mit der bewußtlosen<br />
Luzia in den Armen. Gabriel und sein Vater, der<br />
Vogt stürzten herbei und nahmen dem Blinden seine teure<br />
Last ab, doch auch dieser brach jetzt, von Rauch und Hitze<br />
betäubt, bewußtlos zusammen und mußte hinweggetragen<br />
werden. Es war höchste Zeit, denn gleich darauf stürzte mit<br />
mächtigem Funkenregen der hohe Giebel und damit der<br />
ganze Oberbau des Lehnhofs zusammen.<br />
Die Funkengarben, die aus dem Vogtshaus sprühten, setzten,<br />
vom Wind über den ganzen Ortsteil getragen, fast<br />
gleichzeitig die Strohdächer von allen Gebäuden Klein-Weildorfs<br />
in Brand.<br />
Die Glocken von den beiden Kirchen klagten und jammerten<br />
indessen das schreckliche Unglück ohne Unterlaß in die<br />
Nacht hinaus.<br />
Der bewußtlose Dominikus wurde in das Haus seines Vetters,<br />
des Saalhofers nach Groß-Weildorf gebracht, das bei<br />
der heutigen Pfarrkirche stand, und des Vogts Tochter Luzia<br />
nahmen die Dominikanerinnen von der Klause in ihre Obhut.<br />
Als erste stürmten die von der Oberstadt Haigerloch herbei.<br />
Dort hatte der Wächter vom Stadtturm das vom Westwind<br />
getragene Sturmgeläute gehört und den Feuerschein<br />
am sonst nachtdunklen Himmel bemerkt. Auch in Trillfingen<br />
sah man das Flammenmeer von Klein-Weildorf. Durch<br />
Boten und Feuerreiter herbeigerufen, kamen die Leute von<br />
Bittelbronn und Henstetten, von Gruol und Zimmern auf<br />
den Brandplatz.<br />
Die Haigerlocher brachten als ein neues Hilfsmittel zur<br />
Bekämpfung des Feuers Ledereimer mit, die schon zu Beginn<br />
eines Brandes vorhanden, mit Wasser gefüllt von Hand zu<br />
Hand gereicht, gute Dienste leisten konnten. Hier kam die<br />
Hilfe zu spät. Es fehlten alle Mittel technischer Art, einen<br />
größeren Brand zu löschen, darum sind auch in jenen Jahrhunderten<br />
ganze Ortschaften zerstört worden, deren Namen<br />
wir nur noch aus der Geschichte kennen.<br />
Die Quelle, welche dem Ort Klein-Weildorf sonst das notwendigste<br />
Wasser lieferte und heute noch vorhanden ist,<br />
kam für größere Mengen Wasser nicht in Frage, und die<br />
starken Quellen im Unterdorf von Groß-Weildorf waren zu<br />
weit entfernt. So konnte nicht einmal der Versuch zum Löschen<br />
des Brandes gemacht werden, denn auch Jauchegruben<br />
und Güllenfässer waren damals noch unbekannte Dinge.<br />
Ratlos umstanden, nachdem das Notwendigste gerettet, die<br />
Hunderte von Menschen den Brandplatz, als auf einmal der<br />
Schreckensruf ertönte: „Die Kirche brennt", und gleich sah<br />
man aus dem hölzernen Turmaufbau der Klein-Weildorfer<br />
Kirche die Flammen herausschlagen.<br />
Entsetzt schrien all die Leute von Weildorf und der Umgebung,<br />
denen, sowie deren Vorfahren die Kirche jahrhundertelang<br />
gemeinsames Heiligtum gewesen, ihre Klage zum<br />
Himmel empor.<br />
Bald brannte auch der Dachstuhl lichterloh, und über all<br />
den Flammen der Kirche und der brennenden Häuser bildete<br />
der Turm eine mächtige Feuersäule.<br />
Jäh verstummte der Glocke Klang, die immer noch um<br />
Hilfe gerufen, bis das abgebrannte Seil in den Händen des<br />
Läutenden blieb. Sie, welche die Geschicke der Bewohner<br />
Weildorfs zu frohen und betrübten Zeiten mit ihrem Lied<br />
begleitete, war auf ewig verstummt.<br />
Unter Führung des Pfarrers Neg wurde aus dem Schiff<br />
und Chor noch gerettet, was zu retten war. Nochmals betrat<br />
der Mesner Huber das Heiligtum, da stürzte die Decke ein<br />
und begrub ihn unter den Trümmern. — Ein Menschenleben<br />
hatte der Brand verschlungen.<br />
Auf der Höhe drüben unter dem Galgen stand der Brandstifter,<br />
der schwarze Peter und schaute dem Untergang des<br />
Dorfes zu. „Wir sind gerächt", rief er noch zu den Ue'ierresten<br />
seines Freundes empor und verschwand, als der Tag<br />
graute, in der Richtung auf Kirchberg.<br />
Majestätisch stieg im Osten die Sonne hoch und warf ihre<br />
goldenen Strahlen vom jetzt wieder wolkenlosen Himmel<br />
über die rauchenden Ueberreste Klein-Weildorfs.<br />
Wie ein riesiger Sarg standen nur noch die Umfassungswände<br />
der Kirche, unter den fast durchweg aus Holz gebauten<br />
und daher bis zum Grunde zerstörten Bauernhöfen.<br />
Weinend schauten die Bewohner auf ihre einst so sonnig<br />
gelegenen, jetzt von des Feuerswut vernichteten Heimstätten.<br />
War es möglich, daß die paar Stunden der Nacht solches Unheil<br />
anrichten konnten? Wie betäubt von dem Unglück, wußten<br />
sie keinen Rat, bis der Vogt unter die Leute trat und<br />
sie aufforderte, jetzt nach Groß-Weildorf zu kommen.<br />
Aeltere Leute und die Kinder waren schon gleich nach<br />
Ausbruch des Brandes dorthin gebracht und von Verwandten<br />
versorgt worden.<br />
Auch die anderen Familienangehörigen verteilte der Vogt<br />
auf die einzelnen Höfe. Er und die Seinen fanden Unterkunft<br />
bei seinem Bruder, dem Schmied, den das Unheil dieser<br />
Schreckensnacht ärger mitgenommen als den Vogt selber.<br />
Von der Kräuterannl hatte man ja erfahren, wer den Brand<br />
im Lehnhof gelegt, und Schmied Pfeffer maß sich ein Teil
Schuld "zu, weil er der Mahnung des Bruders nicht gefolgt,<br />
als dieser vöh einem Kampf mit den Banditen abgeraten mit<br />
den Worten: „Die Landstreicher haben weiter nichts zu verlieren,<br />
bei uns aber stehen Haus und Hof auf dem Spiel."<br />
Auch der Sohn des "Vogts saß gedrückt in der Stube, in<br />
seinen Ohren klangen die Worte des Vaters: „Wohl kannst<br />
Du mit deiner Riesenstärke zehn darniederschlagen, doch<br />
gegen Hinterlist und Tücke schützen keine Menschenkräfte."<br />
Unbeugsam stand der Vogt, jetzt war keine Zeit, über das<br />
Gewesene zu sinnen, und schließlich war er auch nach dem<br />
Pferderaub in Henstetten mit bewaffnetem Eingreifen einverstanden<br />
gewesen.<br />
Ihren Viehstand hatten die Abgebrannten gerettet, denn<br />
um diese Jahreszeit lief das Vieh schon auf der Weide und<br />
war auch nachts draußen in den „Stellen", den nächtlichen<br />
Viehlagen.<br />
Des bewußtlosen Dominikus nahm sich schon die ganze<br />
Nacht über die „Kräuterannl" an. Am Morgen, aus der Betäubung<br />
erwacht, galt, als er sich der Begebnisse wieder erinnern<br />
konnte, seine erste Frage jener, die er mit höchster<br />
Lebensgefahr, aber sich selber dessen kaum bewußt, aus den<br />
Flammen des Lehnhofs getragen.<br />
Man hatte von der Klause drüben, wo Luzia lag, noch<br />
nichts erfahren. Tiefbekümmert standen die Leute vom<br />
Saalhof umher. Auch Barbara saß, still für sich hinweinend,<br />
in einer Ecke. Wie konnte man dem armen Bruder sagen,<br />
daß er heute nacht nicht nur die Heimat, sondern auch den<br />
Vater verloren hatte.<br />
Unter den unermüdlichen Diensten der Klosterfrauen war<br />
bald, nachdem Luzia einige Zeit dort in der Klause gelegen,<br />
das Bewußtsein wiedergekehrt. Ueber das Schicksal ihres<br />
Lebensretters, von der Mutter, die am Bett saß, beruhigt,<br />
schlief sie wieder ein. Mit Tagesanbruch erwacht, konnte<br />
Luzia von ihrer Mutter und einer Klausnerin begleitet, nach<br />
dem Saalhof gehen, um Dominikus, den Lebensretter zu<br />
besuchen.<br />
Geräuschlos traten sie in die Stube, wo dieser lag.<br />
Voll Dank kniete Luzia an seinem Ruhelager nieder, ergriff<br />
die Hand des Blinden und rief mit tränenerstickter<br />
HOHENZOttTTAtanar HIIKAt Jahrgang 3P60<br />
Stimme: „Vergelts Gott, Dominikus, mein Angelus, — ohne<br />
dich läge ich jetzt verbrannt in den Trümmern des Lehnhofs<br />
draußen."<br />
„Danke nicht mir, Luzia, danke dem lieben Gott und der<br />
Himmelsmutter, der ich eine Wallfahrt nach Einsiedeln versprochen,<br />
wenn ich dich lebend aus dem Feuer bringe."<br />
„Aber Dominikus, du kannst doch den Weg zur Muttergottes<br />
nach Einsiedeln nicht finden", meinte Luzia.<br />
Da trat die Kräuterannl ans Bett, legte ihre Hand aufs<br />
weiche, vom Feuer versengte Lockenhaar des Blinden und<br />
sprach: „Dafür werde ich schon soigen, mir sind Weg und<br />
Steg dorthin bekannt."<br />
Dominikus lächelte: „Des Lebens Unterhalt für uns verdien'<br />
ich mit dem Geigenspiel. •—• Doch wo ist der Vater, seine<br />
Stimme hörte ich noch nicht, wo ist meine Schwester?"<br />
Barbara kam näher und sagte: „Hier bin ich, guter Bruder,<br />
auch deine Geige habe ich auf dem Kirchhof unversehrt<br />
gefunden und mitgebracht", — der Schmerz übermannte sie<br />
und laut weinend schrie Barbara hinaus: — „Der Vater,<br />
unser guter Vater kommt nicht mehr."<br />
Mit einem Ruck erhob sich der Blinde. Seine glanzlosen<br />
Augen öffneten sich weit, als ob sie die Finsternis, die ihn<br />
umgab, durchdringen müßten: „Der Vater kommt nicht<br />
mehr?" Keines der Anwesenden wagte mehr, eine Antwort<br />
auf die Frage zu geben.<br />
Pfarrer Neg, der inzwischen eingetreten war, hatte die<br />
letzten Worte des Blinden gehört. Hilfesuchend schauten alle<br />
nch dem Seelenhirten hin.<br />
Der Priester ergriff beide Hände des Armen und sprach:<br />
„Wir alle haben einen himmlischen Vater und auch eine<br />
Mutter dort oben über den Sternen, wo deine liebe Mutter<br />
schon lange und auch dein Vater jetzt weilt, denn er hat in<br />
treuer Pflichterfüllung in seinem Heiligtum das Leben eingebüßt.<br />
Der Pfarrer erzählte den Hergang und tröstete, so gut er<br />
konnte. Auch ihm brach fast das Herz über all dem Unglück<br />
und Weh, das über seine Gemeinde gekommen. — Menschenschicksale,<br />
•—• bei denen nur der Hinweis auf das Jenseits<br />
Trost gewähren konnte. (Fortsetzung folgt.)<br />
Volksleben in Steinhilben vor 50 Jahren<br />
Sitten und Bräuche im Volksleben eines Albdorfes<br />
In der Jubiläumsausgabe „50 Jahre Lauchert-Zeitung"<br />
schrieb Oberlehrer Widemann in Steinhilben:<br />
In den letzten Jahren hat man sich viel mit der Erforschung<br />
der Eigenart, dem inneren Wesen und den Charakterzügen<br />
unseres Volkes und einzelner Volksteile beschäftigt,<br />
um einerseits das oft „neuartig" Erscheinende dem Zugewanderten<br />
verständlich zu machen, andererseits den wertvollen<br />
„Altbesitz" in unserer raschlebigen Zeit, mit ihrem<br />
Hasten und Drängen, mit ihrem Hang zum Neuen, nicht<br />
untergehen zu lassen.<br />
Auöh unsere Albbewohner haben sich so gut wie jeder<br />
andere deutsche Stamm aus den Tagen des germanischen<br />
Heidentums, wie aus dem christlichen Altertum und Mittelalter,<br />
trotz Aufklärung und politischen Zeitenwechsel, sehr<br />
vieles bewahrt, was ihr arbeitsames, eintönig prosaisches<br />
Leben zu verschönern und poetisch anzuhauchen imstande<br />
ist. Von der Wiege bis zum Grabe, im Laufe des kirchlichen<br />
und bürgerlichen Jahres, an Glaube, Sitten und Redensarten,<br />
an bestimmte Arbeiten in Haus und Feld, an Naturereignisse<br />
und allerlei Vorkommnisse des menschlichen Lebens knüpfen<br />
sich eine Unsumme von Bräuchen und Sprüchen, Handlungen<br />
und Redensarten an, die kennen zu lernen, eine Herzensfreude<br />
sein kann.<br />
Im folgenden seien uns die Sitten und Bräuche unseres<br />
Volksteiles geboten, so wie sie das Leben uns täglich vor<br />
Augen führt.<br />
A) Sitten und Bräuche im menschlichen Lebenslauf<br />
1. Taufe<br />
Ist ein künftiger Mitbürger oder eine Mitbürgerin zur<br />
Welt gekommen, so beeilen sich die sorgenden Eltern, daß<br />
dem kleinen Erdenbürger möglichst rasch die Taufe gespendet<br />
und er in die Gemeinst',aft der Kirche aufgenommen<br />
werde. Die Taufe findet gewohnlich am ersten Sonntag, der<br />
auf den Geburtstag folgt, nach dem Nachmittagsgottesdienst<br />
statt. „Dota" und „Döte", in Begleitung des Vaters und der<br />
Hebamme, bringen den Täufling zur Kirche. Schreit der<br />
kleine Knirps bei der hl. Handlung tüchtig, so ist das für<br />
seine weitere Entwicklung ein gutes Zeichen, er bekommt<br />
eine kräftige Lunge und wird später einmal „bestimmt" ein<br />
guter Sänger. Während des Heimgangs wird tüchtig geschossen,<br />
besonders wenn die Ehre einem „Erbprinzen" gilt. Die<br />
Burschen oder Männer, die dies Ehrenamt vollziehen, erhalten<br />
vom glücklichen Vater einige Glas Bier als Erkenntlichkeit.<br />
Früher leisteten die Kinder, indem sie sich bei den<br />
Händen faßten, vor der Kirchtür „Vorspann" und erhielten<br />
einige Pfennige. Dieser Brauch scheint erstorben zu sein. Die<br />
mit dem getauften Kinde Heimkehrenden bekommen Kaffee<br />
mit Hefenkranz, Kuchen und Wein, oder was heutigen Tages<br />
mehr und mehr üblich geworden, begeben sich ins Wirtshaus,<br />
wo dieser Tag bei Wein und Bier gefeiert wird. Von<br />
einem „Taufschmaus" kann kaum die Rede sein. In früheren<br />
Zeiten wurde der sog. „Gevattertrunk" gehalten: „Dota" und<br />
„Döte", die Eltern des Kindes und die Hebamme, begaben<br />
sich nach etwa 3 A Jahren ins Wirtshaus, wo bei „Braten und<br />
Wein" gefeiert wurde.<br />
Ein schöner Brauch ist, daß fast aus jedem Haushalt eine<br />
„Fraunam" auf „d' Weisat goht", d. h. der Wöchnerin ein<br />
Geschenk bringt. Die nächsten Verwandten (d' Nähschte")<br />
bringen einen Hefenkranz, Kaffee und Zucker.<br />
Die Frage: „Wie soll das Kind heißen?", macht im allgemeinen<br />
kein großes Kopfzerbrechen. Der erste Bub wird<br />
benamst nach dem „Ehne", das erste Mädchen nach der<br />
„Ahne" väterlicherseits, das zweite Pärchen nach den Großeltern<br />
mütterlicherseits, das dritte Pärchen nach „Döte" und<br />
„Dota" oder den Eltern. Ist dieser Brauch erfüllt und hat er<br />
sich als unzureichend erwiesen, so werden andere Namen<br />
aus der Verwandtschaft gewählt oder auch im Kalender<br />
nach einem passenden Namen gesucht. In manchen Fällen<br />
wird auch dem Orts- bzw. Kirchenpatron die Ehre gegeben.<br />
Der erste Gang der Wöchnerin gilt der Kirche, wo sie „ausgesegnet"<br />
wird.<br />
Kommt die Mutter mit dem Kinde zum erstenmal in ein<br />
anderes Haus, so schenkt man letzterem ein Ei, damit es<br />
besser sprechen lerne. Lacht ein Kind in frühem Alter, so<br />
„lachts" en Hemmel nei", das heißt, es stirbt bald.<br />
Kinder lernen das Stehlen, wenn man sie zum Fenster<br />
hinaus hält, oder wenn man innen in den ersten sechs Lebenswochen<br />
die Nägel schneidet.<br />
Kinder werden nicht groß, wenn sie unter eine Deichsel<br />
schlüpfen.<br />
Kinder bekommen eine gute Singstimme, wenn sie schimmeliges<br />
Brot essen.
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 7<br />
2. Hochzeit<br />
Eine Hochzeit ist ein hochwichtiges Ereignis für die ganze<br />
Einwohnerschaft des Dorfes. Die meisten Hochzeiten finden<br />
in der Zeit von Dreikönigstag bis Fastnacht oder auch im<br />
Wonnemonat Mai, spätestens aber vor der Ernte statt, wodurch<br />
eine neue, hochwillkommene Arbeitskraft gewonnen<br />
wird. Als Tag der Hochzeit, die stets am künftigen Wohnort<br />
abgehalten wird, wählt man womöglich den Montag, Dienstag<br />
oder Donnerstag. Hochzeiten am Freitag und Samstag sind<br />
unbekannt, ebenso am Mittwoch, wo nur die „augschickta<br />
ond domma heiret".<br />
Auswärtige werden vom Brautpaar mündlich oder mittels<br />
gedruckter Karte eingeladen. Neuerdings kommt auch der<br />
Brauch auf, die Hochzeitseinladung in den Nachbarorten<br />
durch Schellenruf bekannt zu geben. Die Einheimischen werden<br />
durch das Brautpaar persönlich eingeladen, oder aber<br />
der Pfarrer ladet bei Verkündung der Trauung von der Kanzel<br />
zur Hochzeitsfeier ein. Pfarrer, Lehrer und Bürgermeister<br />
des Dorfes werden von den Brautleuten persönlich eingeladen<br />
und erhalten als Geschenk ein weißes „Sacktuch".<br />
Die Altersgenossen, nächsten Verwandten und Nachbarn<br />
der Brautleute, fertigen zur Schmückung des Hochzeitshauses<br />
und des Eingangs des Wirtshauses, in dem die Hochzeit<br />
stattfindet, Kränze an und werden am Sonntagabend dafür<br />
zu einem Trunk eingeladen.<br />
Am Samstag vor der Hochzeit ist der Einzugstag der<br />
Braut. Die Altersgenossen der Brautleute schießen mit „Böllern"<br />
und Gewehren.<br />
Den eigentlichen Einzug, die Unterbringung der Möbel<br />
und Hausgeräte besorgen die Verwandten der Braut. Früher<br />
bekamen die teilnehmenden Kinder einen „Wecken". Nach<br />
dem Einzug werden die geöffneten Kasten, Truhen und<br />
Zollerlandschaft bei Weilheim Photo und Klischee Eigentum von Herrn Christian Maute-Bisingen
8 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Laden eingehend besichtigt und ihr Inhalt gebührend bewundert,-<br />
auch wenn es daran nachher manches auszusetzen<br />
gibt. Die Altersgenossen geben der Braut eine „Schenke".<br />
Früher war es üblich, eine Kunkel zu schenken, an die allerlei<br />
Dinge, wie „Kendia", Kinderkittelchen, Kinderlätzchen<br />
usw. angehängt waren. Waren viele Kittelchen daran, so war<br />
das Gelächter groß, denn je mehr Kittelchen an der Kunkel<br />
hingen, desto mehr Kinder hatte die Braut zu erwarten. Zur<br />
Zeit, als die „Kunkel- oder Liachtstuben" noch üblich waren,<br />
durften die Mädchen, die mit der Braut im Laufe des Winters<br />
die gleiche Kunkelstube besucht hatten, den Strohsack<br />
stopfen, wobei er nicht nur mit Stroh, sondern auch mit<br />
Dreschflegel, Rechen, Besen und anderen einladenden Dingen<br />
gestopft wurde. Auch heute, nach Abschaffung des Strohsackes,<br />
wird noch ähnlicher Schabernack bei Errichtung des<br />
Brautbettes getrieben.<br />
Dem Einzug folgte früher der Polterabend, wobei Burschen<br />
und Mädchen ein Faß Bier erhielten.<br />
Falls die Braut von auswärts kommt, bringt ihre Aussteuer<br />
der mit Kränzen geschmückte „Brautwagen". Gewöhnlich<br />
auch am Samstag hält die Braut ihren Einzug. Am<br />
Mittwoch, als einem Unglückstag, soll kein Einzug stattfinden.<br />
Recht reichen Mädchen werden sogar zwei oder drei<br />
Wagen ausgestattet. Wehe der Brautausrüstung, wenn der<br />
Himmel seine Schleusen öffnet! Der Brautwagen, von zwei<br />
oder vier Pferden mit Schellengeläute gezogen, ist außer<br />
dem Fuhrmann vom Schreiner und der Näherin der Braut<br />
besetzt. Der Brautwagen, die Geißel des Fuhrmanns, und die<br />
Pferde, ,,d' Schwänz und d' Mähna", sind mit Schleifen aus<br />
roten und blauen Bändern geschmückt. Rot und blau sind<br />
die Farben der Liebe und Treue. Der Brautwagenführer erhält<br />
von der Braut als Geschenk ein Hemd, das ihm die<br />
Braut in einem Päckchen ans Kummet eines Pferdes hängt.<br />
Früher leisteten Kinder mit Seilen Vorspann, wenn der<br />
Brautwagen kam, und erhielten Pfennige ausgeworfen.<br />
Früher war es Sitte, daß die Braut beim „Einzug" selbst<br />
Hand anlegte. Sie nahm alsdann die „Zudecke" (das Oberbett)<br />
und trug sie und damit das „Glück" ins Haus. Dabei<br />
mußte sie acht geben, daß sie die Türpfosten nicht berührte,<br />
denn dann gab es in der Ehe keinen Anstoß oder Streit.<br />
Die bürgerliche Eheschließung findet gewöhnlich am Vorabend<br />
oder morgens am Tage der Trauung statt. Am Hochzeitmorgen<br />
versammeln sich die Brautleute, die Verwandten<br />
und Teilnehmer des Hochzeitszuges im Wirtshause, in dem<br />
die weltliche Feier stattfindet. Hier werden die Gäste und<br />
Brautzugsteilnehmer gegen ein Trinkgeld von der Brautnäherin<br />
mit dem Hochzeitsstrauß geschmückt. Den sich bildenden<br />
Zug eröffnet die Musik. Es folgen die teilnehmenden<br />
Vereine, „Gsell und Gspiel", die Brautleute, männliche und<br />
weibliche Hochzeitsgäste. Sich führen, Arm in Arm gehen, ist<br />
im allgemeinen nicht Sitte.<br />
Nach der Trauung besuchen das Brautpaar und die nächsten<br />
Verwandten die Gräber verstorbener Eltern oder Anverwandten.<br />
Der Brautzug wird anschließend wie zuvor zur<br />
Wirtschaft zurückgeführt. Der Eingang zur Wirtschaft, sowie<br />
die Haustür der Wohnung des Brautpaares sind von den<br />
Altersgenossen des „Hochzeiters" und vom „Gsell" mit Kränzen<br />
und Tannen geschmückt worden,<br />
Nach der Rückkehr von der Kirche beginnt sogleich der<br />
Brauttanz. Dabei hat der Bräutigam das Zusehen. Es tanzt<br />
nämlich der Bruder der Braut oder ein naher Verwandter<br />
derselben mit der Braut, die ihrem Tänzer ein „Sacktuch"<br />
verehrt. Darauf folgt der Tanz der Brautführer. Erst jetzt<br />
beteiligen sich auch andere Paare am Tanz. Während des<br />
Tanzes wechseln die sog. Vortänze ab für Altersgenossen<br />
und Gespielen der Braut und des Bräutigams, des „Gsell"<br />
und der „Gspiel". Ist der Bräutigam Mitglied irgend eines<br />
oder gar mehrerer Vereine, so beteiligen sich diese Vereine<br />
mit Fahnen an der Trauungsfeier. Sie erhalten ein Faß Bier<br />
und einen „Vortanz" für ihre Mitglieder. Deklamierende<br />
Kinder, kleine Vorträge und „poesievolle" Wünsche sorgen<br />
für Abwechslung.<br />
Am Hochzeitsessen beteiligen sich außer dem Brautpaar<br />
und dessen Eltern und Geschwister nur die nächsten<br />
Verwandten und aus besonderen Gründen geladene Gäste.<br />
Kranke Personen und Wöchnerinnen erhalten an diesem<br />
Tage das Mittagessen gebracht. Früher war das Essen ziemlich<br />
reichlich bemessen, so daß von dem Rindfleisch,<br />
Schweinefleisch und Kalbfleisch, von den Würsten, Kuchen<br />
und anderen Dingen noch ziemlich viel in das ohne Aufforderung<br />
gereichte Papier gewickelt werden konnte. Nach<br />
dem Hochzeitsmahle füllt sich der Saal mit einheimischen<br />
und fremden Gästen, die zur „Schenke" kommen.<br />
Für die Brautleute ist die Hochzeit je nach dem Ansehen,<br />
das sie selbst oder ihre Eltern genießen, oder nach der Zeit,<br />
in der sie ihre Hochzeit halten, ein „einträglich Geschäft".<br />
Sie sitzen in der Nähe der Türe und nehmen die in Geld<br />
gereichte „Hochzeitsschenke" in Empfang. Die Braut sagt:<br />
„I bedank me, i will's au wieder wett macha."<br />
Ist der Hochzeitstag seinem Ende nahe und wollen die<br />
Brautleute aufbrechen, so tanzen sie den „Ehrentanz". In<br />
früheren Zeiten wurde dieser so gehandhabt, daß in die<br />
Mitte des Tanzplatzes drei brennende Kerzen gestellt wurden.<br />
Man gab acht, daß keine Kerze ausgelöscht wurde. Wer<br />
beim Tanzen von den Brautleuten zuerst ein Licht auslöschte,<br />
mußte vor dem anderen Teil sterben. Gewöhnlich werden<br />
die Brautleute von den Eltern, den Gespielen und Altersgenossen<br />
nach Hause begleitet. Auf dem Heimweg wird oft<br />
gesungen. Zu Hause angekommen, wird zur Erfrischung Kaffee<br />
herumgereicht. Bald nehmen die „Heimbegleiter" fröhlichen<br />
Abschied unter allerlei wohlgemeinten Glückwünschen,<br />
von denen einer folgen möge:<br />
Jetz isch halt so ganga, Jetz hoscht du halt gheirat,<br />
Jetz hot ses so gschickt, Jetz bischt du a Weib,<br />
Jetz wensch i d'r Braut Jetz siehscht du koim lediga<br />
Ond deam Bräutigam Glück! Mädle meh gleich.<br />
Jetz hoscht du halt gheiret, Jetz wensch i d'r Braut<br />
Jetz bischt du a Ma, Ond deam Bräutigam Glück,<br />
Jetz bsieht di koi ledigs Ond daß 's älle Johr<br />
Schöns Mädle meh a! A Kendergschrei geiht.<br />
Auf einige besondere Umstände hat der Volksglaube sein<br />
Augenmerk gerichtet.<br />
Regnets am Einzugstag der Braut, so haust sie nicht gut.<br />
Regnets am Hochzeitstage, werden die Brautleute reich. Wer<br />
zuerst ins Brautbett kommt, hat künftig die Oberhand im<br />
Hause.<br />
Eine Beerdigung am Hochzeitstage oder ein offenes Grab<br />
deuten auf eine baldige Auflösung der Ehe durch den Tod.<br />
3. Beerdigung<br />
Im allgemeinen ist der Menschenschlag auf der Alb zäh<br />
und langlebig. Leute mit 80 und mehr Jahren sind nicht<br />
selten. Klopft der Tod an, so wird frühzeitig der Pfarrer<br />
gerufen, daß er den vom Tod Gezeichneten „ausfertigt", das<br />
heißt, die Sterbesakramente spendet. Ist der Eintritt des Todes<br />
bald zu erwarten, so wird die „Zugglocke" geläutet. Dem<br />
in den letzten Zügen Liegenden stehen Angehörige, Nachbarn<br />
und Verwandte bei, indem sie den Rosenkranz beten<br />
und die Sterbegebete verrichten. Die Fenster werden geöffnet,<br />
„daß die Seele entfliehen kann."<br />
Nach dem Tode werden dem Verstorbenen die Augen geschlossen,<br />
denn wenn er sie offen behält oder wenn sie sich<br />
wieder öffnen, stirbt jemand aus der Verwandtschaft. Nachbarn<br />
und Verwandte halten die Totenwache. Frauen, oder in<br />
Ausnahmefällen auch Männer, gehen in die umliegenden<br />
Orte zum „Leichsagen". Früher war dies ein ganz einträgliches<br />
Geschäft. Heute bedient man sich zur Mitteilung des<br />
Todesfalls der Zeitungsanzeige oder der Trauerbriefe.<br />
Bis zum Beerdigungstag wird jeden Abend der Rosenkranz<br />
für den Verstorbenen gebetet, und zwar meistenteils im<br />
Trauerhause selbst, manchmal auch in der Kirche. Letzteres<br />
ist jedenfalls aus verschiedenen Gründen vorzuziehen.<br />
Bei der Beerdigung tragen die Nachbarn den Sarg, Kirchenkreuz,<br />
Fahne und Kerzen. Sie begeben sich mit den<br />
männlichen Verwandten zur Kirche, wo der Pfarrer abgeholt<br />
wird. Im Leichenzug gehen die männlichen Verwandten<br />
direkt hinter dem Sarge, während die weiblichen Angehörigen<br />
als Letzte den Zug beschließen.<br />
Nach erfolgter Beerdigung spricht der Pfarrer auf Wunsch<br />
den Dank aus für die Teilnahme am Leichenbegängnis und<br />
für Besuche, die dem Verstorbenen während der letzten<br />
Krankheit erwiesen wurden.<br />
Die Teilnahme am Leichenbegängnis ist in vielen Fällen<br />
eine allgemeine. Oft richtet sie sich teils nach der Zeit, in der<br />
die Beerdigung stattfindet oder nach dem Ansehen, das der<br />
Verstorbene oder seine Angehörigen in der Gemeinde und<br />
Umgebung genießen. Sehr oft bewahrheitet sich allerdings<br />
auch der allgemeine Spruch:<br />
Ischt ma reich, no goht ma mit d'r Leich,<br />
Ischt ma arm, daß Gott erbarm!<br />
Anschließend an die Beerdigung, die an Werktagen immer<br />
in den Vormittagsstunden gehalten wird, findet der Seelengottesdienst<br />
für den Toten statt. Ist die „Leich" am Sonntagnachmittag,<br />
so hält man den Gottesdienst meistens am<br />
folgenden Tage. Bei der Opferung wird ,,z' Opfer ganga",<br />
wobei jeder Teilnehmer ein Scherflein auf den aufgestellten<br />
Opferteller legt. Es soll schon vorgekommen sein, daß von<br />
besonders „sparsamen" Leuten vorher ein „Zweier" gewechselt<br />
wurde, um „standesgemäß" opfern zu können. Nach dem<br />
Gottesdienst begeben sich die Anverwandten, sowie auswärtige<br />
Teilnehmer ins Wirtsnaus. Hierbei wird der Verstorbene<br />
manchmal recht tüchtig „beweint".
Jahrgang <strong>1960</strong> HOFlIiKZOLLEXISCIZ HEIMAT 9<br />
Auch beim Tode spielt der Aberglaube keine geringe Rolle.<br />
Außer dem schon genannten Falle wird der baldige Tod<br />
eines Mitbürgers angemeldet durch den Schrei des Käuzchens:<br />
„Komm mit". Springt die Türe von selber auf, oder<br />
hört man ein rätselhaftes Geräusch im Hause, so hat der<br />
Tod angeklopft. Ist am Freitag ein Grab offen, oder schlägt<br />
die Uhr am Sonntag während der Wandlung die volle<br />
Stunde, so stirbt bald jemand im Dorfe. Desgleichen wird ein<br />
baldiger Todesfall angezeigt, wenn beim Betläuten die Glokken<br />
surren, oder wenn im „Totenhäuschen" das Geschirr<br />
klirrt.<br />
Tritt bei einem Toten keine richtige Totenstarre ein, so<br />
stirbt bald wieder jemand. Der Tod meldet sich weiter an<br />
durch die sog. Wanduhr, durch Klopfen und das Stillestehen<br />
der Uhr. Wenn im Hause jemand stirbt, so muß man den<br />
Most umleeren und die Blumenstöcke verstellen, sonst werden<br />
sie unbrauchbar oder sterben ab.<br />
Warzen kann man vertreiben, wenn man sie mit drei<br />
Speckbrocken überstreicht und diese ins Grab wirft.<br />
B) Sitten und Bräuche<br />
im Laufe des kirchlichen und bürgerlichen Jahres<br />
Am Nikolausabend kommt der Santiklos. Vermummte<br />
Burschen durchziehen das Dorf, mit Schellen und Ketten<br />
rasselnd. Sie kommen in die Häuser und teilen den Kindern<br />
und ledigen Mädchen Rutenstreiche aus, werfen wohl auch<br />
Aepfel und Nüsse unter die Kinderschar, um dann, wenn<br />
sich die Kinder darum balgen, umso besser dreinhauen zu<br />
können. Die Kinder rufen schon tagsüber:<br />
„Santikloos, Butterfidla, laß mer au en Epfel liega!"<br />
Die Kinder erhalten am folgenden Tag von „Döte" und<br />
„Dota" da Kloosa: Aepfel, Nüsse, Lebkuchen und Hanselmanna",<br />
vielleicht auch noch Spielsachen und Gebrauchsgegenstände.<br />
Auf Weihnachten wird da, wo Kinder sind, ein Christbaum<br />
beschert. Die eigentliche Bescherung durch „Dota und<br />
„Döte" ist erst am Christtag selbst. Sie besteht aus Hefekranz,<br />
Sprengerle, Aepfeln und Nüssen, Spielsachen und Kleidungsstücken.<br />
In vielen Häusern darf zu Weihnachten das<br />
„Hutzel- oder Schnitzbrot" nicht fehlen.<br />
Von Bedeutung sind die zwölf „Maunetstäg" (Monatstage).<br />
So werden die Tage von Weihnachten bis Dreikönig genannt,<br />
denn wie das Wetter in den zwölf Nächten dieser<br />
Tage ist, so wird es in den Monaten des kommer-ien Jahres<br />
sein. Für manche Leute ist in dieser Hinsicht die Christnacht<br />
maßgebend. Sie stellen zwölf Zwiebelschalen mit Salz<br />
auf. Wird das Salz feucht oder schmilzt es gar, so wird der<br />
betreffende Monat, für den die Schale bestimmt war, ein<br />
feuchter, ein regenreicher sein.<br />
An Weihnachten wünschen sich die Leute bereits „a glückseligs,<br />
leichts, gsonds Johr"; während am Neujahrstage selbst<br />
der Wunsch lautet: „I wensch dr a nuis gsonds Johr!"<br />
An Sylvester ist das Neujahrsanschießen der ledigen Burschen<br />
noch üblich. Früher wurde an diesem Abend in den<br />
Wirtshäusern um Hefekränze und Brezeln gewürfelt.<br />
An Dreikönigstag ist es üblich, Salz und Kreide weihen zu<br />
lassen. Voi. dem Salze gibt man dem Vieli, um es vor Krankheiten<br />
und Seuchen zu bewahren Mit der Kreide schreibt<br />
man auf den Türbalken der Stube die Anfangsbuchstaben<br />
der drei Weisen und die Jahreszahl 19 + K + M + B + 26).<br />
Das Haus steht damit unter dem Schutze der drei hl. Männer,<br />
die es bewahren sollen vor Feuer und Blitzgefahr.<br />
Der Lichtmeßtag ist der Tag der Kerzen- und Wachsweihe,<br />
zugleich ein Lostag:<br />
„Lichtmeß hell und klar, deutet auf ein gutes Jahr!"<br />
Am folgenden Tag, Fest des hl. Blasius, wird die Halsweihe<br />
in der Kirche vorgenommen zum Schutze gegen Halskrankheiten.<br />
An St. Agathatag (4. Februar) werden Brot und Wein geweiht.<br />
Vom Brote erhält auch das Vieh zum Schutze gegen<br />
Krankheiten. Ein Stückchen des geweihten Brotes wird bis<br />
zum nächsten Jahr aufbewahrt zum Schutze gegen Blitzschlag.<br />
Früher wurde an diesem Tage auch noch ein Wachsstock<br />
geweiht, der bei Gewittern angezündet wurde. Die<br />
Familie versammelte sich beim Schein des Wachslichtes und<br />
betete um Bewahrung vor Blitz- und Hagelschlag, vor<br />
Sturm- und Wetterschäden.<br />
Bald naht die Fastnacht. An „dr Fasnet" geht es teilweise<br />
auch im Albdorf lustig her.<br />
Frühmorgens, direkt nach dem Betläuten, wird die „Fasnet"<br />
geweckt. Dies besorgen die „Zaunstecken Ledigen", d. h.<br />
diejenigen, die im Vorjahre aus der Volksschule entlassen<br />
wurden, indem sie mit Peitschen knallen, pfeifen, schreien<br />
und johlen und durch einen heillosen Lärm die Schläfer<br />
wecken.<br />
Die Kinder rufen auf den Straßen:<br />
,,D' Fasnat muaß an Wedel hau, an Wedel hot se schau."<br />
Da und dort finden sich „pudelnärrische" Leute zusammen.<br />
Der „Hanswuschtel" weiß in Reimen allerlei Spaßhaftes, so<br />
sich das Jahr über ereignet, zum besten zu geben, zum<br />
Spott der Betroffenen und zum Gelächter seiner Zuhörer.<br />
Abends ist in den Wirtschaften Tanz und „Theater". Dienstag<br />
abend 12 Uhr ist Schluß dieser Belustigungen.<br />
Am kommenden Morgen teilt man in der Kirche Asche<br />
aus. „Memento homo..." und mit dem Aschermittwoch beginnt<br />
die ernste Fastenzeit.<br />
Auf den Palmsonntag machen sich Buben und Mädchen<br />
ihre Palmen. Sie bestehen aus Palmkätzchen, Buchenzweigen<br />
mit dürrem Laub, Tannenzweigen und Kreuzchen aus Holunder.<br />
Nach der kirchlichen Weihe erhalten sie im Hause<br />
ihren Platz im „Herrgottswinkel" der Stube, im Stall oder<br />
auf der Bühne des Hauses. Sie bewahren vor Feuersgefahr<br />
und Seuchen. Wer am Palmsonntag beim Aufstehen der<br />
Letzte ist, oder mit seinem Palmen zuletzt die Kirche verläßt,<br />
ist der „Palmesel" das ganze Jahr hindurch.<br />
Die nun kommende Karwoche dient der Vorbereitung auf<br />
das Osterfest. Vom Gründonnerstag bis Karsamstag schweigen<br />
die Glocken, an deren Stelle ertönen die „Ratschen".<br />
Abends werden die „Metten" gehalten.<br />
Die Karwoche mit ihrem ernsten, stillen Charakter ist<br />
leider auch nicht frei von abergläubischen Meinungen. Regen<br />
am Karfreitag hat man nicht gern, weil sonst der Regen das<br />
ganze Jahr nicht ausgibt. Wenn ein Mann am Karfreitag ein<br />
Gansei ißt, bekommt er das ganze Jahr das Rückenweh nicht;<br />
desgleichen ein Knabe keinen Bruch.<br />
Leute, die am Karfreitag trinken, haben das ganze Jahr<br />
Durst.<br />
Eine schwarze Henne, am Karfreitag ausgebrütet, wird im<br />
folgenden Jahre weiß.<br />
Ein am Karfreitag gelegtes Hühnerei hält sich ein ganzes<br />
Jahr frisch.<br />
Wie der Wind am Karsamstag, so bleibt er bis Pfingsten.<br />
Ostern! — Auferstehung! „Fröhliche Auferstehung!" ruft<br />
sich jung und alt zu. Eine schöne Sitte, die mit der Auferstehungsfeier<br />
am Karsamstag abend ihren Anfang nimmt<br />
und an den Osterfeiertagen von Mund zu Mund geht —<br />
„Osterfreude, Osterhoffnung, bei jung und alt vermittelnd.<br />
Und die Kinder erst! Wie freuen sie sich auf den „Osterhas".<br />
Dota und Döte richten die Ostereier, die von ihren Patenkindern<br />
mit glänzenden Augen und frohen Herzen in Empfang<br />
genommen werden, namentlich, wenn sie der „Osterhas"<br />
„blau und rot, braun und gelb" gefärbt und mit „Heuschlaufen<br />
und Gätterleskraut" verziert hat. Und nun gehts<br />
auf die Wiese zum fröhlichen Eierwurf. Da und dort wird<br />
auch ein lustiges Eierlesen veranstaltet. Am Ostermontag<br />
gehen die Leute nach „Emmaus", Es ist der Tag der Ausflüge,<br />
um Freunde und Bekannte in den Nachbarorten<br />
aufzusuchen, um auch dort „fröhliche Auferstehung" zu<br />
wünschen.<br />
Bald naht der „Weiße Sonntag", der Tag der Kinder. Mit<br />
freudigem Herzen rüstet sich die Kinderschar, ihren Gott und<br />
Herrn zu empfangen. Bei manchen allzu weltlich gesinnten<br />
Herzen spielen allerdings das neue Kleid und das Kränzlein<br />
im Haar, der neue Anzug und die Tatsache, nun bald den<br />
„Großen" beigezählt zu werden, keine geringe Rolle.<br />
Der April mit seinen Wetterlaunen, mit seinem Winterund<br />
Frühlingsahnen hat seinen Einzug bei manchen Buben<br />
und Mädchen auf gar schelmische Art gehalten. Zum Krämer<br />
und Beck, zum Schmied oder Schneider wird gar mancher<br />
dienstbeflissene Bube geschickt, um „I-be-domm" und<br />
„aubrennte Aescha", „Ochs-dreh-de-omm" und „grade<br />
Häckla" oder „s' Begleisa mit em gläserne Griff" zu holen.<br />
Gar groß ist der Aerger auf der einen, das Hallo auf der<br />
anderen Seite, wenn die „Spaßvögel" wieder um einen Erfolg<br />
reicher sind.<br />
In diesem Monat rüsten sich die A-B-C-Schützen zu ihrem<br />
ersten Schultage, und mancher kleine Held, dem die Mutter<br />
allzuoft mit dem Worte drohte: „Wart no, d'r Lehrer weat<br />
d'r schau da Moister zoiga", und damit in recht unpädagogischer<br />
Weise ihren eigenen „Erziehungskünsten" Nachdruck<br />
verleihen suchte, sieht diesem ereignisvollen Tage mit gespannter<br />
Erwartung entgegen.<br />
Am ersten Mai stecken die Burschen ihren Mädchen den<br />
„Maien", während am letzten Mai die „Spottmaien" umgehen,<br />
wobei „Mischkärra", Eggen und Pflüge versteckt<br />
werden.<br />
Das hl. Fronleichnamsfest wird als „Herrgottstag" überall<br />
feierlich begangen. An diesem Tage soll das Wetter schön<br />
sein, denn so wie das Wetter am „Herrgottstag", so ist es<br />
im Heuet.<br />
An Maria Himmelfahrt wird die „Weisang" geweiht. Sie<br />
besteht aus Feld- und Gartenfrüchten, die Mitte überragt<br />
eine prächtige „Königskerze".
10 HOHEttZOLLE IS HE HEIMAT Jahrgang'llfttO<br />
Erntezeit — strenge Zeit, besonders für den Bauern auf<br />
der Alb. Frühmorgens beginnt der Mäher sein Tagewerk. Die<br />
Ernte sollte auch auf der Alb rasch von statten gehen, denn<br />
eine sich lang hinziehende Ernte „battet" nichts. Nach Einbringung<br />
der Ernte feiert man die „Sichelhenke".<br />
Auf ,,d' Kirbe" werden schon eine Woche vorher Kuchen<br />
und Weißbrot gebacken, so daß der Gemeindebäcker keinen<br />
„Schwarzlaib" mehr zu sehen bekommt. Das Essen an der<br />
„Kirbe" ist besonders reichhaltig: Nudel- oder Flädlesuppe,<br />
Bratwürste und zweierlei Fleisch, worunter sich früher<br />
manchmal auch „Bockfleisch" befand; daher noch der Spruch:<br />
„Wenn d' Kirbe ischt, wenn d' Kirbe ischt,<br />
No schticht mei Vatter an Bock,<br />
Ond wenn mei Muater danza duat,<br />
No wacklat ihra Rock."<br />
Früher war am Kirchweihnachmittag und am Kirchweihmontag<br />
Tanz.<br />
Mehr noch als auf ,,d' Kirbe" freut sich die Jugend und<br />
namentlich der Dienstbote auf den „Maatesmärkt" im nahen<br />
„Städtle". Neben den Herrlichkeiten des Jahrmarktes winkt<br />
der lustige Tanz. An diesem Tage hat man ja Geld in der<br />
Tasche, denn heute war „Zahltag". Dienstboten wechseln an<br />
diesem Tage vielfach ihre Stelle.<br />
Während des „Seelenmonats" beten die Leute in vielen<br />
Häusern abends den Rosenkranz für die Verstorbenen.<br />
Nach dem „Ausdraschen" beginnen die „Hock- und Liachtstuba"<br />
und damit eine ruhige Zeit. Der Winter mit seinen<br />
Stürmen und seinem Schneetreiben beginnt, in den Stuben<br />
schnurren und surren die Rädchen und drehen flinke Finger<br />
den Faden. Das Spinnen ist auch heute noch von vielen<br />
Frauen eine Lieblingsbeschäftigung an kalten Wintertagen,<br />
wenn im Ofen das Feuer knistert und im Rohre der Kessel<br />
summt.<br />
C) Volksglaube<br />
Schon im bisherigen ist auf manchen Volksglauben hingewiesen<br />
worden, ich erinnere an die Scheu vor Mittwoch und<br />
Freitag, an den Hochzeits- und Einzugstag der Braut, an die<br />
Furcht vor dem Lichtauslöschen beim „Ehrentanz", an den<br />
Volksglauben bei Todesfällen und anderes. Altgermanische<br />
Sitten und Bräuche haben sich im Schwabenlande und insbesondere<br />
auf der Alb noch viele erhalten. Wenn auch nicht<br />
zu leugnen ist, daß es noch Menschen gibt, die wirklich an<br />
derartigen abergläubischen Dingen festhalten, so ist doch andererseits<br />
zu betonen, daß die meisten abergläubischen<br />
Sprüche und Redensarten eben lediglich als solche gewertet<br />
und angewandt werden, um die betreffende Handlung oder<br />
das augenblickliche Ereignis mit einem Schimmer des Interessanten,<br />
der Poesie zu umkleiden. Immerhin ist es nicht<br />
ohne Reiz, Sprüche und Redensarten, uia den alten Volksglauben<br />
kennzeichnen, zu sammeln und der Nachwelt zu<br />
überliefern. Es möge daher noch einiges folgen, was bisher<br />
unerwähnt blieb.<br />
Der Hexenglaube ist tretz Aufklärung noch immer nicht<br />
ganz verschwunden, und es finden sich immer noch vereinzelt<br />
Leute, die sich davon nicht frei zu machen vermögen.<br />
Eine Kreuzspinne soll man nicht töten, sonst bringt sie<br />
Kreuz ins Haus.<br />
Wer beim ersten Kuckucksruf Geld in der Tasche trägt,<br />
hat das ganze Jahr Geld.<br />
In ein von Schwalben bewohntes Haus schlägt der Blitz<br />
nicht ein.<br />
Putzt sich die Katze, so kommt Besuch.<br />
Wer ein seidenes Bändchen mit drei Knoten auf einen<br />
Kreuzweg legt, wird seine Warzen los durch den, der das<br />
Bändchen aufhebt.<br />
Krachen die Schuhe, so hat der Schuhmacher kein Trinkgeld<br />
bekommen.<br />
Kracht das Feuer im Ofen, so gibt es Händel; desgleichen<br />
wenn einer das Salzfaß umwirft oder verschüttet.<br />
Muß jemand niesen, nachdem er etwas erzählt hat, so<br />
ist das Erzählte wahr.<br />
Vergißt man etwas, was man sagen wollte, so war's eine<br />
Lüge.<br />
Den „Gluckser" vertreibt man, indem man an drei alte<br />
Weiber denkt, oder indem man in einem Atem spricht:<br />
„Hacker — Gang über d' Aecker<br />
Gang über d' Schtoi (Stein) — Komm nemme hoi!"<br />
und dreimal unter einen Stein spuckt.<br />
Wenn morgens ein Hase über den Weg läuft, oder wer<br />
einem alten Weibe begegnet, hat am selben Tage Unglück.<br />
Wenn die Leute am Sonntag beim Kirchgang naß werden,<br />
ist eine regnerische Woche in Aussicht.<br />
Bessert sich das Wetter am Freitag oder Sonntag, folgt<br />
eine heitere Woche.<br />
Freitagswetter — Sonntagswetter.<br />
„Wie der Freitag am Schwanz,<br />
So das Wetter am Sonntag ganz."<br />
Regnets am ersten Freitag im Monat, so regnet es jeden<br />
Freitag.<br />
Märznebel, welche nicht gleich Regen bringen, werden im<br />
Kalender aufgeschrieben, denn nach 100 Tagen kommen sie<br />
im Gewitter herab.<br />
Regnets an St. Veit, so gerät der Flachs.<br />
Blüht der Holder vor Johanni, so schneidet man vor Jakobi.<br />
Haare sollen bei zunehmendem Monde geschnitten werden.<br />
Zu dieser Zeit sollen auch die Zimmerpflanzen versetzt werden<br />
und ,,d' Heala" (junge Huhner) ausschlüpfen.<br />
Rettiche sind bei abnehmendem Monde zu stecken, da sie<br />
abwärts wachsen.<br />
Im „Schützen" darf man sie nicht „stupfen", sonst schießen<br />
sie.<br />
An Fronleichnam gesteckte Rettiche schießen jedoch nicht.<br />
Bohnen sollen an Bonifaz (14. Mai) gesteckt werden.<br />
„Emrn dreißigschta" gesammelte Eier kann man lange aufbewahren.<br />
Das Gnadenbild der „Schmerzhaften Mutter" zu Laiz oder Maria-Laiz<br />
„Ich gehe, wenn ich traurig bin, zur lieben Mutter Gottes<br />
hin. Und alle Leiden allen Schmerz, vertrau ich ihrem<br />
Mutterherz!"<br />
Es ist Tradition geworden, dieses innige Lied zur Schmerzensmutter,<br />
wenn an den Freitagen des Monats März die<br />
Pilger zur Gnadenmutter von „Maria-Laiz" bei Sigmaringen<br />
wallfahren, um ihr alle Nöten und Anliegen vorzutragen<br />
und um Hilfe und Beistand zu flehen für die " _ raft »lie<br />
Ueberwindung der täglichen Sorgen und seelischen Nöte<br />
unserer Zeit. Seit April 1945, als Laiz und Sigmaringen in<br />
größter Gefahr schwebten, von den alliierten Bombengeschwadern<br />
vernichtet zu werden, stellte die katholische Gemeinde<br />
Laiz, dem Aufruf ihres Pfarrherrn folgend, sich<br />
von neuem unter den wirksamer Schutz Mariens.<br />
Von dieser Zeit an ist die Jahrhunderte alte Wallfahrt<br />
zur Gnadenmutter von Laiz wieder neu belebt und bekräftigt<br />
worden, so daß an den genannten Tagen und am Fest der<br />
„Sieben Schmerzen Maria" die Kirche fast die Gläubigen<br />
nicht zu fassen vermag, die größtenteils zu Fuß, einzeln<br />
und in Gruppen, den Rosenkranz betend, zur Helferin in<br />
allen Nöten pilgern.<br />
Nicht immer ist die gotische Pietä von Laiz im heutigen<br />
Gotteshause beheimatet gewesen. Sie ist ein Flüchtling wTe<br />
so viele Zeitgenossen unserer Tage. Vor Fast 400 Jahren ist<br />
das heute so verehrte Gnadenbild aus Ebingen nach Laiz<br />
„geflüchtet". Wie kam das?<br />
In der Stadt Ebingen beherbergte die Kapellkirche „Unserer<br />
lieben Frau" ein Altarbild, das um 1420 entstanden und<br />
Gegenstand hoher Verehrung war. Bei diesem Kirchlein<br />
stand ein altes Kloster. Um 1535 war in Ebingen die Reformation<br />
eingeführt worden. Das Kloster wurde aufgehoben.<br />
In der protestantisch gewordenen Kapellkirche hatte<br />
das Gnadenbild keine Berechtigung mehr. Nun lebten aber<br />
noch fünf Schwestern vom III. Orden des hl. Franziskus,<br />
die zwar ihre Tracht hatten ablegen müssen, die aber in der<br />
ihnen angewiesenen „Alten Klause" an der Stadtmauer noch<br />
ihr gemeinsames Leben führen durften. Durch Weben, Spinnen<br />
und Nähen bestritten sie ihren Lebensunterhalt. Diese<br />
ehemaligen Klosterfrauen hatten urr 1540 die Pietä vor dem<br />
Bildersturm jener Zeit gerettet und das Gnadenbild in einer<br />
Truhe verborgen. Heimlich nur wurde von ihnen und anderen<br />
Verehrerinnen von Zeit zu Zeit las „Vesperbild' hervorgeholt<br />
und davor gebetet. Dies blieb jedoch nicht verborgen.<br />
Als diese geheime Verehrung dem evangelischen<br />
Pfarrer bekannt wurde, gab es einen schlimmen Auftritt.<br />
Es wurde verlangt, das „Götzenbild", wie es benannt wurde,<br />
innerhalb drei Tagen zu entfernen und wahrscheinlich auch<br />
zu vernichten. Man schrieb das Jahr 1568. Die älteste der<br />
fünf ehemaligen Klosterfrauen stammte aus Frohnstetten in<br />
Hohenzollern. Sie hatte eine Nichte, die als Novizin im<br />
gleichaltrigen Kloster zu Laiz eingetreten war. Diese ließ sie<br />
rufen. Abends nach Dunkelwerden traf dieselbe mit einer<br />
Magd ein. Mit ihrer Hilfe sollte die Flucht der Schmerzensmutter<br />
bewerkstelligt werden. Die verschnürte Pietä<br />
wurde an einem Seil über die Stadtmauer am Wassergraben<br />
hinabgelassen. Dort nahmen die beiden .Jungfrauen das Gna-
Jahrgang, <strong>1960</strong> HOHF NZD II(P^;SCTIBHEIMAT 11<br />
denbild in Empfang und traten auch sofort an der Mauer<br />
entlang den Rückweg an. Als sie aber am oberen Tor die<br />
Zugbrücke erkletterten, wurde der Wächter aufmerksam und<br />
nahm die Verfolgung auf. Die beiden Jungfrauen rannten<br />
nun mit ihrer Last den sogenannten Grüngraben hinunter,<br />
wateten durch einen Weiher und die Schmeie und konnten<br />
in der Dunkelheit dem Verfolger entkommen. Noch in derselben<br />
Nacht kamen sie schlammbedeckt und fast ganz erschöpft,<br />
aber mit dem wohlbehaltenen Gnadenbild im Kloster<br />
zu Laiz an. Dort wurden sie freudigst empfangen. Die Pietä<br />
wurde feierlich aufgestellt und verehrt. Das Kloster gab sich<br />
den Namen „Maria-Laiz".<br />
Das sogen. „Vesperbild" aus dem Kapellkirchlein in Ebingen<br />
genoß nun in seiner neuen Heimat weiterhin große Verehrung.<br />
Zuerst im Kloster, dann aber in der Pfarrkirche, die<br />
zugleich auch Klosterkirche war, aufgestellt, zog es besonders<br />
an den Freitagen der Fastenzeit viele fromme Pilger an.<br />
Votivtafeln erzählen von wunderbaren Gebetserhörungen<br />
bis auf unsere Tage.<br />
1671 erhielt das Gnadenbild von den Künstlern Hobs und<br />
von Ow einen würdigen Barock-Rahmen und Altar. Dieser<br />
wurde wiederholt erneuert und renoviert. Die letzte Renovierung<br />
erfolgte im Zusammenhang mit der umfassenden<br />
Restaurierung der Laizer Pfarrkirche in den letzten Jahren.<br />
1954 hat Kunstmaler Lorch von Sigmaringen die ursprünglich<br />
leuchtenden Farben grün-gold neu erstehen lassen und<br />
damit dem Gnadenbild wieder eine würdige Fassung gegeben.<br />
Laiz - Hedingen<br />
Das Verhältnis der Lehensleute von Hedingen zur Gemeinde Laiz.<br />
(F. Widemann, Oberlehrer i. R. - Sigmaringen)<br />
Wenn man die Geschichte unserer Heimat erforscht, stößt<br />
man immer wieder auf Dinge und Tatsachen, die im Laufe<br />
der Zeit in Vergessenheit geraten sind, und es ist höchst interessant,<br />
längst verblichene Erinnerungen wieder wachzurufen.<br />
Wer erinnert sich wohl noch der Zeit, da die heutige<br />
Hedinger Straße in Sigmaringen und deren Fortsetzungen in<br />
der Feld- und Roystraße, sowie der Feldweg hinab zum<br />
Strandbad und entlang der Donau nach Laiz, Kirchweg für<br />
die Bauern von Hedingen nach Laiz waren? Nicht nur die<br />
Bewohner der Stadt Sigmaringen, sondern auch die Lehensbauern<br />
von Hedingen gehörten einst zur Pfarrei Laiz. Als<br />
die Stadt längst von Laiz aogetrennt und selbständige Pfarrei<br />
und Gemeinde geworden war, gehörten die Lehensbauern<br />
von Hedingen immer noch nach Laiz, ja, sie waren<br />
wirkliche Bürger der Gemeinde Laiz. Im Laufe der Jahre<br />
und mit der Entwicklung der Stadtgemeinde Sigmaringen<br />
schien es wohl den Bauern von Hedingen wie auch den Bürgern<br />
von Laiz nicht ganz praktisch zu sein, den weiten Weg<br />
nach Laiz, sowohl am Sonntag zur Kirche wie auch zu den<br />
Gemeindeversammlungen auf das Rathaus unternehmen zu<br />
müssen. Aus diesem Empfinden heraus und weil man sich<br />
im Laufe der Zeit auch etwas fremder geworden war, entstanden<br />
zwischen den Bürgern von Laiz und den Bauern<br />
von Hedingen ab und zu Meinungsverschiedenheiten, die<br />
dann auf dem Rathause, spätestens aber im Wirtshause,<br />
wenn die Geister durch „Freund Alkohol" angeregt waren,<br />
zum Austrag kamen.<br />
Streitigkeiten und Ungehörigkeiten unter den Bürgern<br />
einer Gemeinde duldete aber die bestehende Landesordnung<br />
der Grafschaft und des späteren Fürstentums Sigmaringen<br />
nicht. Sie wurden streng geahndet.<br />
Es war im Jahre 1811, als zwischen den Laizern Bürgern<br />
Johann Dollenmaier, Josef Stehle, Sebastian Wolf, Mathias<br />
Fuhrmann und Mathias Mors auf der einen und den Hedinger<br />
Bauern Jakob Glas und Georg Nolle auf der andern<br />
Seite Streitigkeiten entstanden und sie sich in gegenseitigen<br />
Beschimpfungen ergingen.<br />
Alle Beteiligten wurden nach dem Oberamtsprotokoll vom<br />
22. Januar 1811 zu herrschaftlicher Strafarbeit nach Sigmaringen<br />
beschieden. Außerdem nahm das Oberamt Sigmaringen<br />
Veranlassung, die Verfügungen vom 17. Jan. 1652, vom 9. Juni<br />
'705 und vom 7. Febr. 1708, die teils außer Beobachtung gekommen<br />
waren und teils auch in ihren Bestimmungen zu<br />
verschiedenen Streitigkeiten Anlaß gegeben hatten, wieder<br />
in Erinnerung zu rufen und ihnen durch Neufassung und<br />
Neuordnung wieder Geltung zu verschaffen.<br />
Laut O.A.-Protokoll vom 22. Januar 1811 wurde folgendes<br />
bestimmt:<br />
Damit nun künftigen Irrungen ein Ziel gesetzt, und das<br />
Verhältnis, in welchem sich die Lehensleute zu Hedingen<br />
gegen die Gemeinde Laiz befinden, keiner ferneren Unge-<br />
Auch in der Stadt Ebingen ist das Interesse _fürt -ijjre einstige<br />
„Pietä" wieder erwacht. Von Kunstfreunden angeregt,<br />
wurde auf Grund einer Stiftung im Jahre 1951 von dem<br />
Bildhauer Anton Seßler-Straßberg und dem Restaurator<br />
Andreas Knupfer-Jungnau von der wertvollen Skulptur eine<br />
genaue Nachbildung geschaffen und in der wieder hergestellten<br />
Kapellkirche zu Ebingen aufgestellt.<br />
Zu dem Originalbildnis in Laiz aber pilgern die frommen<br />
Wallfahrer auch weiterhin aus der ganzen Umgebung an den<br />
Märzfreitagen und am Feste der „Sieben Schmerzen Mariä".<br />
Und wenn am zweiten Bittag in der Bittwoche die Pfarrgemeinde<br />
Sigmaringen ihren Bittgang nach „Maria-Läiz"<br />
unternimmt, dann ist die Beteiligung der Gläubigen an der<br />
Prozession immer stärker als an den andern Tagen. Dann<br />
gilt, wie es in dem Liede heißt:<br />
„Alle Leiden, allen Schmerz<br />
vertraun die Beter ihrem Mutterherz!<br />
Denn trösten ist ihr süße Pflicht,<br />
ihr Mutterherz vergißt uns nicht!"<br />
Nachschrift: Im Zusammenhang mit den Wallfahrtstagen<br />
im März hat sich in Laiz noch ein alter Brauch erhalten<br />
bzw. herausgebildet. Nur an den Märzfreitagen werden vom<br />
Bäcker des Dorfes die sogenannten „Fasten-Dennetle" gebacken.<br />
Das sind dünne Fladen aus Brotteig mit Fett bestrichen<br />
und mit Salz und Kümmel bestreut. Sie sind sehr<br />
beliebt. Man muß sich beeilen, wenn man sie kaufen will,<br />
denn sie finden reißenden Absatz.<br />
F. Widemann - Sigmaringen<br />
wißheit ausgesetzt bleibe, hat man zu endlicher Austragung<br />
der Sache eine Tagfahrt auf heute anberaumt und zwischen<br />
den unterzeichneten Ausschüssen der Gemeinde Laiz und<br />
den beiden erschienenen Bauern zu Hedingen, folgende verbindliche<br />
Uebereinkunft abgeschlossen:<br />
1. Die Lehensleute zu Hedingen sind als wirkliche Bürger der<br />
Gemeinde Laiz anzusehen, in welcher Eigenschaft ihnen<br />
der • Beitritt zu allen Gemeindeversammlungen gebühret.<br />
Sie haben aber dagegen, wenn ihnen geboten wird, gleich<br />
anderen Bürgern bei der Gemeinde zu erscheinen und<br />
sind ferner schuldig, in Hinsicht der Conscription (d. h.<br />
Kekrutenaushebung) und der Brandassecuranz (d h. Brandversicherung)<br />
bei der Gemeinde Laiz einzutreten, weswegen<br />
sie ihre Söhne bei der Recrutenanhebung zu der<br />
Gemeinde Laiz zu stellen und an den Recrutierungskosten<br />
mitzuleiden haben.<br />
2. Den Lehensleuten zu Hedingen gehört als Bürgern zu<br />
Laiz der Anteil von Bürgergeldern und anderem bürgerlichen<br />
Einkommen, welches ai den Kopf ausgegeben<br />
wird. Sie haben hiervon den nämlichen Anteil wie andere<br />
Bürger zu beziehen und auf gleiche Weise an den Gemeindsgütern,<br />
welche für die Zukunft auf den Kopf ausgeteilt<br />
werden, Anteil zu nehmen.<br />
Sollten derlei Güter oder sonstige bürgerliche Nutzungen<br />
nach der Steuer ausgegeben werden, so haben die Lehensleute<br />
nur nach ihrer einfachen Steuer, nicht nach dem<br />
erhöhten Ansatz teil zu nehmen.<br />
3. Die Lehensleute zu Hedingen haben von der Gemeinde<br />
Laiz das Brennholz wie andere Bürger zu erhalten. In dessen<br />
Gemäßheit gebührt ihnen sowohl der bürgerliche Holzteil,<br />
als der gleiche Anteil an dem verkäuflichen Quantum<br />
Holz, solange solches anderen Bürgern gegeben wird. In<br />
Hinsicht des Zaunholzes ist man neuerlich auf folgende<br />
Bestimmungen übereingekommen:<br />
Das Zaunholz zu denjenigen Gütern, welche in der Laizer<br />
Bahn gelegen sind, muß den Lehensleute ri unentgeltlich<br />
verabfolgt werden, solange solches den Bürgern unentgeltlich<br />
gegeben wird<br />
Das Zaunholz zu denjenigen Lehen?gütern, welche außer<br />
dem Bahne der Gemeinde Laiz elegen sina, muß den<br />
Lehensleuten in einen bürgei liehen Anschlage, daher<br />
wenigstens um die Hälfte wohlfeiler überlassen werden,<br />
als solches den Auswärtigen nach dem geringsten Preise<br />
verkauft wird.<br />
Für diejenigen eigenen Güter, welche die Lehensleute<br />
außer dem Bahn der Gemeinde Laiz besitzen, haben sie<br />
kein Zaunholz zu empfangen. Die Zaunholzabgabe hat<br />
überhaupt aufzuhören, wenn auch den Bürgern kein<br />
Zaunholz mehr gegeben werden kann.<br />
Sollte in Hinsicht der Preisbestimmungen zwischen der<br />
Gemeinde Laiz und den Bauren zu Hedingen ein Anstand
12 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
obwalten, so wird die oberamtliche Entscheidung vorbehalten.<br />
4. Die Bauren zu Hedingen haben gleich anderen Bürgern<br />
Anteil an der Schafweide und dem Pferchertrage zu beziehen.<br />
Auch bei vorkommenden Holzverkäufen muß<br />
gleicherweise einzutreten und den Aeggerichnutzen, auch<br />
Anteil an zahmen und wildem Obste gleich anderen Bürgern<br />
zu erhalten.<br />
5. In Hinsicht des Triebes bleibt es bei der vertragsmäßigen<br />
Bestimmung vom 7. Februar 1708, vermöge welcher die<br />
Bauern alle 8 Tage auf die Laizer (Weide) zu treiben<br />
haben, jedoch wird nach Erfordernis ein Viehanschlag<br />
vorbehalten.<br />
Gegen die vorstehenden Begünstigungen sind die Lehensleute<br />
zu Hedingen schuldig:<br />
1. Nach Maßgabe des Vergleiches vom 7. Februar 1708 die<br />
erhöhte Steuer fortan zu der Gemeinde Laiz zu bezahlen.<br />
2. Zu den öffentlichen Straßen und Brückenbau dergestalt<br />
beizutragen, daß sie an den zu Geld angerechneten Kosten<br />
nach ihrem Steuerfuß Concessionen bei den Fuhrfronen,<br />
aber so vieles übernehmen, als einem einzigen Bauren zu<br />
leisten betrifft, dergestalt, daß beide Lehensleute in Hinsicht<br />
dieser Prästation (Leistung) für einen einzigen<br />
Bauern gerechnet werden; was die Handfronen zu dem<br />
Straßen- und Brückenbau, wie auch zu dem Haueinmachen,<br />
den Waldarbeitern betrifft, so sollen die Lehensleute<br />
gleich andern Bürgern die Fronleistung übernehmen.<br />
3. Dagegen sind aber die Lehensleute zu Hedingen nicht<br />
schuldig, der Gemeinde Laiz zu den bloßen Ortsfronen,<br />
oder zu den Fronen bei gemeinen Wegen und Stegen, zu<br />
dem Bahnen in der Winterzeit oder zu den Jagdfronen<br />
beizutragen; von welcher Teilnahme sie durch das Herkommen<br />
bisher enthoben geblieben sind.<br />
4. Da die Lehensleute zu Hedingen Militär-Quartiere und<br />
Militär-Vorspanne von der Stadt Sigmaringen angewiesen<br />
erhalten, so sind sie zu der Gemeinde Laiz mit einem<br />
Natural-Concurrenz an Militär-Quartieren und -Vorspannen<br />
nicht verpflichtet, jedoch aber schuldig, den ihnen<br />
betreffenden Anteil an derlei Kosten nach ihrem Steueransatze<br />
der Gemeinde Laiz zu vergüten.<br />
5. Da die Bauern zu Hedingen von der Gemeinde Laiz kein<br />
Bauholz zu empfangen haben, so bleiben sie auch von<br />
allem Anteil an Bau-, Säg- oder Lattholze, falls dergleichen<br />
unter die Burgerschaft ausgeteilt würde, gänzlich<br />
ausgeschlossen.<br />
6. In Hinsicht des Triebes, welchen die Hedinger Lehensleute<br />
alle 8 Tage auf die Laizer Bahn zu nehmen haben,<br />
wurde noch bedungen, daß hierunter die Laizer Felder<br />
und Wiesen, wie auch die Nachtweide nicht begriffen sein<br />
sollen.<br />
Daß nun vorstehende Uebereinkunft nach weislicher Ueberlegung<br />
der Sache und vorläufiger Einvernahme der Ge-<br />
Das Gesicht des Menschen ändert sich von Jahr zu Jahr,<br />
und mit Wehmut betrachten der gealterte Greis und das alte<br />
Mütterlein Photographien aus der Jugendzeit. Auch unsere<br />
Heimat besitzt ein Gesicht, das sich langsam, aber stetig,<br />
mitunter in schnellem Tempo ändert. Was hat sich doch in<br />
den letzten 60 Jahren in unseren Dörfern alles geändert?<br />
Damals schnitt der Bauer sein Getreide noch mit Sicheln<br />
und Habergschirr, band es dann mit Wieden zu Garben.<br />
Heute fahren Selbstbinder und Mähdrescher über die Aecker.<br />
Ich kannte vor 60 Jahren einen Kleinbauern, der seine gedroschene<br />
Frucht noch mit der Wurfschaufel reinigte. Ueber<br />
geteerten Straßen strahlen heute Neonlampen. Ueberall wird<br />
kanalisiert, und zwar so gründlich, daß die Hausschwalben<br />
bald kein Material für ihren Nestbau finden. Bei Straßenbauten<br />
fallen oft ganze Baumreihen. Leider wird nur in<br />
wenigen Gemeinden diese Umgestaltung des Dorfantlitzes<br />
schriftlich festgehalten. Sitzungsprotokolle über Gemeinderatssitzungen<br />
stellen noch keine Ortsgeschichte dar. Wir<br />
haben heute so viel Liebhaberphotographen. Ihnen sollten<br />
die Herren Bürgermeister alljährlich (oder mindestens alle<br />
drei Jahre) den Auftrag geben, das Gesicht der Heimat für<br />
spätere Zeiten in einer Lichtbildserie festzuhalten. Alle Bilder<br />
müßten mit dem Aufnahmedatum versehen sein. Ich<br />
meinde Laiz verbindlich abgeschlossen worden, wird durch<br />
nachstehende Unterschriften bezeuget:<br />
Ausschüsse der Gemeinde Laiz:<br />
Adam Pfaff, Schultheiß,<br />
Josef Kienle,<br />
Johannes Dollenmaier,<br />
Josef Stehle,<br />
Sebastian Wolf.<br />
Beschlossen:<br />
Das Gesicht der Heimat<br />
Lehensleute zu<br />
Hedingen:<br />
Jacob Glas,<br />
Georg Nolle,<br />
Vorstehende Uebereinkunft Hochfürstlich Hochlöblicher<br />
Regierung zur Einsicht und Genehmigung vorzulegen, sodann<br />
aber beiden Teilen einen Auszug gegenwärtiger Verhandlung<br />
zu verabfolgen.<br />
O./A.-Protokoll vom 22. Januar 1811. S. 104—120.<br />
Folgen eines „Bürgerlrunkes"<br />
Die Uebereinkunft zwischen der Gemeinde Laiz und den<br />
Lehensbauern von Hedingen hatte auch in späteren Tagen<br />
nicht den Erfolg, wie die getroffenen Bestimmungen vom 22.<br />
Januar 1811 in Aussicht gestellt hatten.<br />
„Am Sonntag, den 21. März 1813 veranstaltete die Gemeinde<br />
Laiz einen Bürgertrunk, weil Peter Buck einen Stockteil<br />
der Gemeinde gegen 22 fl (Gulden) an Geld und einen<br />
Trunk für die ganze Gemeinde eingehandelt hatte.<br />
Bei Veranlassung dieses Bürgertrunkes haben sich „Unhändel"<br />
dadurch ergeben, daß<br />
1. Mathias Fuhrmann den Bauren Georg Nolle von Hedingen<br />
mit Beschimpfungen angefallen; dieser aber dagegen<br />
den Fuhrmann mit blutrünstigen Schlägen mißhandelt hat.<br />
Beineben hat<br />
2. Mathias Fuhrmann sowohl als Mathias Mors dem Schultheißen<br />
und (Orts-)Gerichte mutwillige Vorwürfe gemacht und<br />
3. Fidel Waibel den Hedinger Bauern, welche durch oberamtliches<br />
Erkenntnis zu der Gemeinde Laiz beschieden worden,<br />
vorgeworfen, daß man sie nicht bei der Gemeinde gebraucht<br />
hätte."<br />
Auf diese Vorkommnisse hin erfolgte am Dienstag den 22.<br />
März 1813 eine Verhandlung beim Oberamt Sigmaringen, die<br />
folgenden<br />
Strafbescheid<br />
zur Folge hatte:<br />
„Es sey wegen ungebührlich und landesverordnungswidrig<br />
verstattetem Bürgertrunke der Schultheiß Pfaff zu Laitz um<br />
1 fl 30 xr, jeder der 9 Gerichtsleute zu Laitz um 45 xr (Kreuzer),<br />
daher das Gericht zusammen um 6 fl 45 xr zu bestrafen.<br />
Der Bauer Georg Nolle zu Hedingen habe 3 fl herrscnaftliche<br />
Strafe und 1 fl Anzeigegebühr zu bezahlen.<br />
Mathias Fuhrmann habe die erhaltene Mißhandlung auf<br />
sich zu leiden und sey von morgen abend bis künftig Freitag<br />
früh, Fidel Waibel aber von morgen abend bis künftigen<br />
Donnerstag früh einzuthürmen."<br />
(Protokoll vom 23. März 1813.)<br />
will nur einige Hinweise geben, was alles photographiert<br />
werden sollte: Dorflinden, wichtige Bauplätze vor Baubeginn,<br />
alte Sitzbänkle, Inschriften, Sühnekreuze, schmiedeiserne<br />
Grabkreuze, Grabhügel in den Wäldern, Grenzmarken,<br />
Bildstöckle, Feldkreuze, Fachgiebel, Ueberschwemmungsmarken,<br />
Inschriften, Meisterzeichen, Kirchen, Kapellen,<br />
Schnitter auf dem Felde, der Schmied beim Hufbeschlag, seltene<br />
Pflanzen mit Angabe des Standortes, Arbeitsgeräte, alte<br />
Gassen, wichtige Gemeindebauten, Zehntscheuer, Hochzeitsbräuche.<br />
Wenn dann der Lichtbildserie noch ein Text zugeteilt<br />
würde, so besäße das Dorf eine Kostbarkeit von unersetzlichem<br />
Wert.<br />
Leider läßt sich die Veränderung des geistigen Gesichts<br />
nicht in gleicher Weise festhalten. Wo singen die Ledigen<br />
noch die alten Volkslieder? Wieviel geistiges Erbe ging in<br />
den letzten Jahrzehnten unrettbar verloren!<br />
Eine alte griechische Sage erzählt von dem Riesen Anthäus,<br />
der so lange unbesiegbar war, so lange seine Füße<br />
den Erdboden berührten. Im übertragenen Sinne gilt dies<br />
auch für uns in der Heimat. Wenn wir mit beiden Füßen in<br />
der Heimat stehen, wird uns kein Sturm entwurzeln. In der<br />
Heimat wohnen zu dürfen, ist ein Geschenk Gottes.<br />
Wir bitten, die „Hohenzollerische Heimat" bei der Post zu bestellen.
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 13<br />
Südlich von Neufra liegen auf einer weiträumigen Hochfläche<br />
die uralten Höfe Birkhof, Stollbeck und Lieshof. Die<br />
große Fläche, auf der einst in frühester Zeit ein lichter Birkenwald<br />
stand, diente den Kelten als Weideplatz für ihre<br />
zahlreichen Viehherden. Westlich vom Birkhof erstreckt sich<br />
ein größeres Waldstück, das in seinem nördlichen Gebiet<br />
noch heute den Namen „Birkenwald" trägt. Die Kelten<br />
konnten täglich ihr Vieh zur Tränke ins Fehlatal treiben,<br />
und die Fehlawiesen gaben bei langanhaltender Trockenheit<br />
noch ausreichend Weidefutter. Der Keltenfriedhof mit seinen<br />
etwa 300 gut erhaltenen Hügelgräbern im Gammertinger<br />
Waldteil (an das Birkhofgelände angrenzend) Stollbeck zeugt<br />
von längerer Besiedlung und Benutzung der weitgedehnten<br />
Hochfläche. Sicherlich bauten die Kelten einfache Holzhütten<br />
und Holzställe, um Menschen und Vieh gegen Winterkälte<br />
und Schneestürme zu schützen. Aus solchen Weidehöfen<br />
sind wohl die 3 Höfe entstanden und haben in ihrer abgelegenen<br />
Lage die Jahrhunderte überstanden. Von jeher gehörten<br />
die 3 Höfe zur Herrschaft Gammertingen. Die Brüder<br />
Hans und Konrad von Bubenhofen kauften i. J. 1468 vom<br />
Grafen Ulrich von Württemberg um 14 500 fl. die Herrschaft<br />
Gammertingen, die damals ein Mannlehen des Klosters Reichenau<br />
war. Konrad von Bubenhofen verzichtete i. J. 1471<br />
auf seinen Anteil gegen Erstattung der halben Kaufsumme.<br />
Hans von Bubenhofen erwarb i. J. 1508 vom Kloster Reichenau<br />
die ganze Herrschaft Gammertingen als Eigentum<br />
und gab an das Kloster dafür: „Hettingen, Schloß und Stettlen,<br />
Hermatingen samt den Höfen genannt Bürkhen." Dies<br />
ist die erste urkundliche Erwähnung des Birkhofes. In späteren<br />
Urkunden trägt der Hof den Namen Birkach, d. h. an<br />
einem Gewässer (Fehla) liegender Hof. Hans von Bubenhofen<br />
verkaufte die Herrschaft Gammertingen und das<br />
Reichenauer Lehen (Hettingen, Hermentingen und den Birkhof)<br />
im Jahre 1524 an Dietrich Speth von Zwiefalten um<br />
30 640 Goldgulden. Der gesamte Besitz blieb bis zum Jahre<br />
1827 in den Händen der reichsritterschaftlichen Familie Speth.<br />
In einem Familien-Erbteilungsvertrag im Jahre 1658 bildeten<br />
das Dorf Neufra und der Birkhof einen Erbteil, der<br />
durch das Los an den Junker Hans Dietrich Speth fiel. In<br />
dem Vertrage finden wir eine ausführliche Beschreibung des<br />
Birkhofes. Durch den 30jährigen Krieg war die Familie Speth<br />
stark verschuldet. Auf dem Erbteil Neufra-Birkhof im Werte<br />
von 39 841 fl. lasteten 36 919 fl. Schulden.<br />
In dem Vertrag stehen über den Birkhof folgende Angaben:<br />
Der Bürkhof, so dißem anderen Haubttheil zugeschriben<br />
stehet, Ist ein Lehen von dem Bistumb Konstanz<br />
(Aufsichtsbehörde über das Kloster Reichenau), ist zwar der<br />
Zeit ohne verlihen, außerhalb der Waiden, so auf drey Jahr<br />
Hanß Jakob Grieninger von Herrenberg bestanden, gibt darauß<br />
95 Gulden, darzue gehören aigene güether.<br />
Erstlich Behausungen: Das neugebauene Wohnhauß sambt<br />
der Scheuer und Stallungen, so zimblich wohl erbauen, deren<br />
drey gebäu seindt, solche werden dermahlen angeschlagen<br />
umb 750 Gulden.<br />
Item die Scheuer an der Fehlen ist angeschlagen 130 Gulden.<br />
Aeckher: Darzu gehören in allen drey öschen ohngefahr<br />
500 Jaucherten ackhers, weillen aber von denselben mit<br />
großen uncosten dermahlen nur etwas mit einer Mähne<br />
gebauen würdt und in anno 1657 alda eingeschnitten und<br />
an gedroschenen Früchten empfangen alß Veeßen 60 Malter<br />
2 Viertel, Haber 24 Malter 2 Viertel, Schwachvesen 8 Malter,<br />
Erbsen 3 Malter. Summa 95 Malter 4 Viertel. Künfftig auch<br />
zu mehreren besserung zu verhoffen ist, dahero für allerhandt<br />
früchten gesetzt 90 Malter pro 1 Gulden 40 Kreuzer<br />
thuet 150 Gulden zu 20 Geldern in das Haubtgueth 3 100<br />
Gulden. (Anmerkung: In dem Vertrag wurde 1 Gulden aus<br />
Ernteertrag von eigenen Gütern mit 25 fl. und 1 Gulden<br />
von Lehengütern mit 20 fl Kapitalwert angeschlagen.<br />
Ahn Wißen: Zu diesem hof gehören ohngefähr 37 Manßmadt<br />
wisen, darauß ist anno 1657 Zinß erhalten und empfangen<br />
Familienkundliches über die „Wänker v. Dankenschweil"<br />
bringt Ludw. Finckh, Gaienhofen, in der Zeitschrift HEGAU,<br />
Heft 1, 1959. Als Ortsadel von Danketsweiler bei Ravensburg<br />
wird das Geschlecht bereits 1145 genannt. 1740 heiratet<br />
als letzter Sproß die Tochter Anna Maria in Freiburg i. Br.<br />
den aus Oberbayern stammenden Dr. jur. Johann Martin<br />
Wänker, der Kaiserlicher Amtmann und Prokurator des<br />
Klosters St. Klara war. Der beiden Sohn, Anton Xaver Re-<br />
Der Birkhof<br />
worden 75 Gulden 40 Kreuzer, den Gulden zu 20 angeschlagen<br />
macht 1513 Gulden 20 Kreuzer. Item sind die Waiden<br />
auf drey Jahr .verlyhen, haben anno 1657 ertragen 31 Gulden<br />
40 Kreuzer, den Gulden pro 20, thuen 633 Gulden 20 Kreuzer.<br />
Der Röhr Brunnen, welcher etlich hundtert gülden gekostet,<br />
so bereits mit Deuchel etwas gefaßt und laufet, ist<br />
angeschlagen worden zu 500 Gulden. Der Kapitalwert betrug<br />
demnach rund 6 626 Gulden. (1 Gulden in damaliger<br />
Zeit dürfte mit etwa 8 Goldmark bewertet werden. Vergl.<br />
Hohz. Heimat Jahrgang 1953 Seite 15.)<br />
Hans Dietrich war vermählt mit Anna Eleonora von<br />
Bolsweil. Das gemeinsame Grabdenkmal befindet sich auf<br />
der Epistelseite der Pfarrkirche in Neufra. Die Sandsteinplatte<br />
trägt folgende Inschrift:<br />
Fragst Leser wer doch liegt allhier<br />
den dieser Trauerstein zaige<br />
Steh still und hör ich sage dir<br />
nach wem er sich dann neige.<br />
Demut, Andacht, Freigebigkait<br />
O was vor seiter Gaben<br />
Samt einer wahren Redligkait<br />
Beisammen hier begraben.<br />
Den Armen Trost, auch Feinden, Fraindt<br />
ein jeden zu ermanen<br />
Hier liegt under der Totten Gemeindt<br />
Mit hochberiehmten Namen.<br />
Den Birkhof, Neufra legt er hin<br />
Mit Schilt und Underthanen.<br />
In deren genus war nur sein Sinn<br />
der Seel die Ruh zu bahnen.<br />
Drei Wappenschlisel miet sen sein<br />
Ja. (Johann) Dietrich abgegeben<br />
zu lassen ihn in Himmel ein<br />
und schließen auf das Leben.<br />
Er ist da schier das halbe Land<br />
In Feuer und Schwert verschieden<br />
Nach abgelegtem Lebensband<br />
Entschlafen in dem Frieden.<br />
Den 6. Okt. 1704 seines Alters 73 Jahr.<br />
Bald nach seinem Tode fielen Neufra und der Birkhof<br />
an den Ritter Marquard Rudolph Speth von Gammertingen.<br />
Ludwig Carl Johann Speth von Gammertingen, der ohne<br />
männliche Nachkommen blieb, verkaufte 1827 die Herrschaft<br />
Gammertingen mit Neufra, Birkhof, Harthausen und Feldhausen<br />
um 510 500 Gulden an den Fürsten Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen.<br />
Der jährliche Pachterlös vom Birkhof<br />
betrug damals 2 600 Gulden. Die Anbaufläche ist bei den<br />
Verkaufverhandlungen mit 2 Jauchert 2 Viertel Hanfgärten,<br />
31 Jauchert 2 Viertel Wiesen und 304 Jauchert Ackerfeld angegeben.<br />
Das fürstliche Rentamt kaufte im Jahre 1893 die Mühle<br />
am Gallusbrunnen in Hermentingen und baute sie für ein<br />
Pumpwerk um, welches das kostbare Wasser auf den Birkhof<br />
hinaufpumpte. Die Teuchelleitung von Harthausen a. d.<br />
Scher, die nur spärlich Wasser lieferte, hatte damit ausgedient.<br />
Die alte Hüle blieb bis heute erhalten. Durch die Versorgung<br />
mit bestem Quellwasser konnten die Pächter des<br />
Birkhofes eine mustergültige Viehwirtschaft betreiben.<br />
Wie durch wiederholte Versuche festgestellt wurde, kommen<br />
die auf dem Birkhofgelände versickerten Niederschläge<br />
in der größten Quelle Hohenzollerns, dem Gallusbrunnen in<br />
Hermentingen, als kristallklares Wasser zum Vorschein und<br />
wird dann wieder teilweise auf den Birkhof hinaufgepumpt.<br />
W.<br />
gulat Wänker, Jurist und Kaufmann, zeitweise in St. Petersburg<br />
lebend, erhielt 1796 den Reichs-Adelsbrief als „Wänker<br />
v. Dankenschweil". Er wurde der Stammvater einer Reihe<br />
bedeutsamer Familien, aus denen Kaufleute und Aerzte,<br />
hohe Beamte und Militärs und Minister hervorgingen. Der<br />
letzte Krieg hat das Geschlecht im Mannesstamme ausgelöscht;<br />
nur weibliche Linien blieben erhalten, deren eine<br />
in Sigmaringen ihren Wohnsitz hat. M. Sch.
14 HOHENZOL^E.Rig.CHE: HJ11MAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />
Bruno Gern<br />
ein schwäbischer Heimatdichter aus Hohenzollern — Würdigung eines Fünfzigjährigen<br />
von Bruno Ewald Reiser<br />
Bruno Gern ist nicht nur ein echter Schwabe, sondern<br />
auch ein echter Sohn unserer hohenzollerischen Heimat. Vor<br />
50 Jahren stand seine Wiege in der reizvollen Schmeientalgemeinde<br />
Storzingen. In einer Landschaft also, die in ihrer<br />
vielfältigen Schönheit dazu angetan ist, einen poetisch veranlagten<br />
Grübler zum Dichter werden zu lassen. Es war jedoch<br />
nicht nur diese Landschaft mit ihrer reizvollen Romantik,<br />
die Bruno Gern formte, es war vor allem seine natürliche<br />
Begabung, die im Laufe der Jahre mehr und mehr zum<br />
Durchbruch drängte und ihn zum Dichter heranreifen ließ.<br />
So kamen schon während der Schulzeit die ersten Versuche<br />
in Versen zur Niederschrift, und später finden wir noch<br />
manchen Vers, der trotz seiner Unbeholfenheit schon auf<br />
eine wirkliche Berufung schließen läßt.<br />
Wollen wir uns in der Folge nun im Hinblick auf diese Berufung<br />
mit Gerns dichterischem Schaffen und dabei im besonderen mit<br />
seiner Mundartdichtung befassen, so scheint uns ein kurzer biographischer<br />
Ueberblick, der wenigstens in groben Zügen den Werdegang<br />
und das Lebenswerk dieses Fünfzigjährigen aufzeigt, unumgänglich.<br />
Heimatdichter Bruno Gern<br />
In den einfachen Verhältnissen einer kleinbäuerlichen<br />
Familie ist Bruno Gern als Aeltester von sechs Geschwistern<br />
aufgewachsen. Die tiefgründig-grüblerische Veranlagung, die<br />
ihn schon als Junge stark über das kindlich geistige Niveau<br />
hinaus zum Nachdenken drängte, wies neben diesem ernsten<br />
Wesenszug auch eine auflockernd heitere Seite auf, Gerns<br />
musikalische Begabung, deren Ursprung wohl in der außerordentlichen<br />
musikalischen Erbanlage der ganzen Familie zu<br />
suchen sein dürfte.<br />
Nicnt wundern braucht es uns auch, wenn es Gern infolge<br />
seiner dichterischen Neigung mehr noch als manchen anderen<br />
jungen Menschen während der Reifezeit hinausgetrieben<br />
nat, andere Länder und deren Menschen mit ihren<br />
Sitten und Gebräuchen kennen zu lernen. So durchwanderte<br />
er auf Schusters Rappen das Allgäu und dt rcnquerte die<br />
Alpenländer Oesterreichs bis hinunter nach Kärnten. In dieser<br />
Zeit der Reife entstanden Gerns erste schriftdeutsche<br />
Gedichte, die in Form und Inhalt eine persönliche Prägung<br />
aufweisen, Gerns lyrisches Moment kräftig hervorheben und<br />
sich neben den heimatlichen Motiven, aus der entwicklungsbedingten<br />
Auseinandersetzung mit den Dingen heraus, auch<br />
mit religiösen und sozialen Problemen befassen. Zwei Beispiele<br />
hiervon auszugsweise:<br />
„Unerbittlich hat mich dein Faust geschüttelt,<br />
Herr, und donnervoll im rgendampf<br />
Meine junge Seele wachgerüttelt —<br />
Auf zum Kampf.<br />
Dunkle Schicksalsschläge hielten mich umdüstert,<br />
Und es hat die Flut der Leidenschaft<br />
Mir den schweren Traum der Lust geflüstert.<br />
Aber immer wieder war es deine Kraft,<br />
Herr, die meinen Wankelmut bezwungen<br />
Und den Sieg der Ewigkeit errungen!"<br />
„Ich" klage in heiligem Zorn wider euch,<br />
Ihr, die ihr satt seid, gefräßig und reich!<br />
Ihr, die ihr arbeitsfremd feiert und festet<br />
Und Drohnen der schaffenden Menschheit gleich<br />
die Leiber verkommener Seelen mästet —<br />
Ich klage in heiligem Zorn wider euch!"<br />
Im Zuge seiner Weiterbildung und durch einen glücklichen<br />
Zufall begünstigt, lernte Gern um diese Zeit während<br />
eines Aufenthalts in Paderborn den Volksschriftsteller und<br />
Pädagogen Anton Heinen kennen und daselbst zugleich auch<br />
den schwäbischen Heimatschriftsteller Hans Reyhing aus<br />
Ulm. Während sich die Einflußnahme Heinens mehr auf die<br />
Persönlichkeitsbildung Gerns bezog, war er besonders die Begegnung<br />
mit Reyhing, die sich für Gerns späteres Schaffen<br />
fruchtbar auswirkte. Er war es, der das Wildreis veredelte,<br />
der vor allem Gerns Mundartgedichte unter die kritische<br />
Lupe nahm und ihn wegweisend und richtunggebend auf das<br />
Wesentliche und Besondere dieser Dichtungsart verwies.<br />
Eine Prozedur, der sich Gern heute noch dankbar erinnert.<br />
Gern, der bis dahin seinen Lebensunterhalt durch Mitarbeit<br />
in der elterlichen Landwirtschaft und als Gelegenheitsarbeiter<br />
bestritten hatte, schien endlich im Frühjahr 1928<br />
ein Sprungbrett zur weiteren Entwicklung gefunden zu<br />
haben, das ihm auch gleichzeitig eine Existenzgrundlage zu<br />
werden versprach. Es war die Redaktionstätigkeit an der<br />
„Ebinger Volkszeitung", bei der er nicht nur als stellvertretender<br />
Lokalredakteur, sondern auch als Musikkritiker fungierte.<br />
Viele Veröffentlichungen zeugen von der Produktivität<br />
Gerns in jener Zeit, während der ihn in einer Beurteilung<br />
auch Josef Karlmann Brechenmacher einmal als „ein<br />
dichterisches Natur-Phänomen" bezeichnete, das „Beachtung<br />
und Pflege verdient." Auch Dichterabende und Vorlesungen<br />
fanden großen Anklang und weiteten den Kreis der Anerkennung<br />
von Gerns dichterischem Schaffen. Verbindungen<br />
mit dem Arbeiterdichter Max Barthel, Berlin, führten sogar<br />
zu Veröffentlichungen in einer Monatsschrift der damaligen<br />
Reichshauptstadt, in deren Sparten unter dem Titel „Lyrik<br />
des 20. Jahrhunderts" im Anhang unter „vielversprechenden<br />
Talenten" auch Gern mit einem Beitrag erwähnt wurde.<br />
Im Zuge der damals dann einsetzenden nationalsozialistischen<br />
„Bereinigung" führte die Gleichschaltung der „Ebinger<br />
Volkszeitung" auch zu Gerns Entlassung, vor der ihn weder<br />
seine Begabung, noch sein inzwischen erlangtes, sehr gutes<br />
Abgangszeugnis an der Sozialen Hochschule in München<br />
(Leohaus 1931) bewahren konnte.<br />
Gern, der nach vorübergehender Arbeitslosigkeit auf dem<br />
Bau wieder eine Tätigkeit gefunden hatte, verlegte sich nun<br />
in seiner kargen Freizeit mehr auf die Pflege der Mundartdichtung,<br />
was dann auch im Verein mit seiner schwäbischen<br />
Musik- und Gesangsgruppe zur Abhaltung jener „Schwäbischen<br />
Heimatabende" führte, die für viele unvergessen geblieben<br />
sind.<br />
Wie viele andere wurde auch Gern damals zum Schweigen<br />
gezwungen. Doch dieses Abseitsgestelitsein führte zu einer<br />
Selbstbesinnung, die sich für seine dichterische Entfaltung<br />
sehr fruchtbar auswirkte. Wie er sich mit diesem Zustand<br />
auseinandersetzte, mag folgendes Gedient klarlegen:<br />
Vereinsami gutlos, arm un3 nacl .<br />
Hat mich der Stunde Wahn gepackt.<br />
Verlorne ist, was mein einst war —<br />
Verloschen Tag und Nacht und Jahr.<br />
Mein Name ist ^erblüht, und stumm<br />
Steh ich vor deinem Hei [tum,<br />
O Ewigkeit, und sehnsuchtsgroß<br />
] ieht all mein Glück in deinen Schoß,<br />
Flieht meine !ng , meine Qual<br />
In deine Weite, deinen Gral.<br />
In dich verwurzelt sich mein Sinn,<br />
In dir verglüht mein Anbegi n<br />
Un'" was mir einst dein Geist gebar,<br />
Bring ich geläutert wieder dar.<br />
Aus jener Zeit sini uns seine stf'^ns" n schriftdf"its"hen Gedichte,<br />
wie „Heimat", „Du £ ut in uns", „L 1 le Stunde", „Letzte Gewißheit<br />
, „Sommerwiese", „Segen c - Liebe", „Einsamkeit" und ziele<br />
ardere erhalten geblieb -• . Sie überschreiten den I »riff Heimatdi'ä<br />
tung b< i weitem, miisser er doch entwicklungshalber hier erwe<br />
Int werden. In der Hauptsache sind sie unter der drei Sammelbegriffen:<br />
,.Lob der Heimat", „Segen der Liehe" und „Reifender<br />
Ring zusammengefaßt. Hier lur eine bescheidene Prob- aus „Lob<br />
der Heimat":<br />
Wie Weihrajch stei"?* sin blauer Schimmer<br />
Um deiner Serge __ochaltar,<br />
Und Wälder wogen ir Geflimmer,<br />
Im Glanz ums vollerblühte Jahr.<br />
Kornrot gererfte Aehrenbuchten<br />
jr" auf, der goldnen Fülle schwer,<br />
Und [Uftden Erblichkeiten wuchten<br />
Durch deine Morgenweite her.
JahrgöTri* .'960 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 15<br />
Und warm umflutet von den Wellen<br />
Des Lichtes, heil'ge Erde du,<br />
Strömt wieder, wie aus Gottes Quellen,<br />
Mir deines Segens Atem zu.<br />
Tiefe Verbundenheit mit der heimischen Welt spricht aus<br />
diesen wenigen Zeilen, die uns mit all den anderen Gedichten<br />
von der Heimat wie ein Hoheslied erscheinen und<br />
aufhorchen lassen, wie nahe hier ein Ausersehener dem<br />
Pulsschlag seiner Mutererde ist. Noch tiefer und inniger sind<br />
folgende Verse, die den Auftakt bilden zu „Segen der Liebe":<br />
Segen der Liebe ist alles,<br />
Was mich erfüllt und bewegt.<br />
Segen das Leid, das mich heimsucht,<br />
Segen die Lust, d f e sich regt.<br />
Segen der Kampf, den ich kämpfe,<br />
Segen das Streuen der Saat.<br />
Segen das Brot, das ich breche,<br />
Segen die tägliche Tat.<br />
Segen der Liebe die Seele,<br />
Die mich voll Flamme und Flut<br />
Innigst der deinen verbindet —<br />
Segen das rauschende Blut.<br />
Segen der Hunger nach Heimat,<br />
Segen der Traum um ein Kind.<br />
Segen das selige Wissen,<br />
Daß wir uns lieben und sind.<br />
Segen der Liebe ist alles.<br />
Segen voll Fülle und Kraft.<br />
Segen, der nimmermehr endet,<br />
Segen, der Ewigkeit schafft!<br />
Wenn wir diese Verse auf uns wirken lassen, wird uns ohne<br />
weiteres klar, was Bruno Gern meint, wenn er von den unter diesem<br />
Titel zusammengefaßten Aussagen erklärt, daß das keine Liebesgedichte,<br />
sondern Gedichte einer Liebe sind.<br />
„Reifender Ring" jedoch ist letzthin nichts anderes, als<br />
eine Zusammenfassung von Bekenntnissen eines um seine<br />
Berufung Ringenden. Gerns Weg als Dichter, ein weiter,<br />
mühsamer und schwerer, liegt darin aufgezeigt. Es ist der<br />
Weg eines Autodidakten, mit vielen Zeichen des Zweifels,<br />
harter Selbstüberwindung und nur wenigen Lichtblicken uneingeschränkter<br />
Anerkennung versehen. So wie in „Wahn<br />
und Wahrheit" drängt sich daher immer wieder die Frage<br />
hervor:<br />
Bin ich wirklich so begeistert,<br />
Ohne daß ich nur vermein.<br />
Einer, der das Wort bemeistert,<br />
Der Berufenen zu sein? ....<br />
Oder weisen mir die Zeichen<br />
Meines Könnens, meiner Kraft<br />
Nur den unerschöpflich reichen<br />
Aufruhr einer Leidenschaft? . . .<br />
Ist es nicht nur eines Spieiei<br />
Wilder Taumel, der mich treibt,<br />
Und mir ohne eines Zieles<br />
Letzte Wesenheit verbleibt? . . .<br />
Nur die Sendung einei Seele,<br />
Die sich unersättlich satt<br />
Dem befruchtenden Befehle<br />
Ihrer Zeit verschrieben hat? . . .<br />
Oder ist es eines Wahnes<br />
Willkür, die mein Hirn entfacht —<br />
Mir zuinnerst Angetanes<br />
Einer unbewußten Macht? . . .<br />
Ist es Liebe oder Leben,<br />
Das sich heiß dahinter birgt,<br />
Und mich drängt, dies Werk zu weben<br />
Und mir dieses Wunder wirkt? . . .<br />
Und mir so voll Fülle flutet<br />
' id aus e igem Jeric ;<br />
Sich unsterblich hinverblutet<br />
Im Gedicht? . , .<br />
Alle die scbriftdeutschen Gedichte, die sich trotz einheitlicher<br />
Dynamik in Auffassung, Anlage und Aussage grundlegend<br />
von Gerns Mundartgedichten unterscheiden, liegen<br />
jetzt Jahre zurück. Keinen Geringeren als den großen Josef<br />
Weinheber jedoch, veranlaßten sie, ihm die Antwort auf<br />
diese Fragen zu geben, ihn als Dichter zu bestätige; Weil:<br />
heoer schreibt damals: „Gern ist Dichte", das steht für mich<br />
außer Zweifei, ein vielversprechendes Talent sogar, nur ist<br />
er in manchen seiner Arbeiten noch zu redeseiig und muß<br />
sich noch stär kerer Konzentration befleißigen" ... Ein begeisterter<br />
Förderer Gerns war unter anderen auch Dr. E.<br />
Feederle aus Oberndorf a. N., der ihn nicht nur mit Weinheber<br />
zusammengeführt hat, sondern ihn auch im Rundfunk<br />
publizieren wollte, was jedoch durch den Kriegsausbruch<br />
verhindert wurde. Feederle, wohl der beste Kenner Gerns<br />
auf dem Gebiete der Prosa und der Dialektdichtung, ist<br />
dann leider als Kriegsberichterstatter in Rußland gefallen.<br />
Gern, 1940 ebenfalls zur Luftwaffe einberufen und später beim<br />
nugl ^itungspersona 1 tätig, beteiligte sich nich nur a EL- d ar. der<br />
Wehrbetreuung, sondern a. auch an einem künstlerischen Wettbewerb,<br />
aus dem er mit -einen Arbeiten als Preist c'c :-r hervorgi<br />
1944 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wur ie<br />
nach E'lorida verschickt. Im Rahmen der von den Amerikanern a f-<br />
- 'zogeflefl Gefan,Innenweite, bildung wurde er dort ebenfalls wieder<br />
zur Schulungsarbeit mit herangezogen und später mit noch zwei<br />
Kameraden mit dei Herausgabe einer Lagerzeitschrift beauftragt,<br />
die ebei 3 wie di Schulungspl^ri. noch in allen Exemplaren vorlieg-<br />
H a Februa • 1946 kam er zurück nach Frankreich und war dort<br />
ais Gegangener der Franzosen weitere zwei Jahre als Landarbeiter<br />
tätig. Auch in diesen vier Jahren war Gern sehr produktiv und<br />
schrieb etwa über hundert Gedichte, von denen wir sozusagen das<br />
erste und das letzte aufschlußhalber anführen wollen. Besonders<br />
das erste, zehn Tage nach der Gefangennahme geschrieben, bestätigte<br />
den geradlinigen Weg Gerns und den festen Standpunkt in<br />
seiner Berufung, von dem aus es nurmehr ein Auseinandersetzen<br />
mit den Dingen und so auch mit den Problemen hinter dem Stacheldraht<br />
geben konnte. Mit Recht gab er diesem Gedicht daher auch<br />
den Namen „Zwischenbilanz":<br />
Alles wird Stückwerk bleiben,<br />
Was ich bis jetzt getan.<br />
Kräfte erwachsen und treiben<br />
Mich die beschrittene Bahn.<br />
Gottes Gewalten erheben<br />
Mich aus den Tiefen ins Licht<br />
Und in ein besseres Leben,<br />
Aus dem die Ewigkeit bricht.<br />
Ewigkeit, die ich zu wenig<br />
Fast noch nur dunkel erahn,<br />
Heute Gestalter und König —<br />
Morgen gestürzter Titan.<br />
Aber in reifendes Ringen<br />
Eingespannt, nimmer zu ruhn:<br />
Immer noch mehr zu vollbringen,<br />
Immer noch Bessres zu tun!<br />
In Frankreich waren es dann mehr die schöne Landschaft,<br />
das Naturerlebnis und die Arbeit, die ihm über alle unguten<br />
Zustände hinweghalfen.<br />
Daß mich die Amsel weckt,<br />
Früh schon der Kuckuck neckt,<br />
Und aus dem Trubel der Töne<br />
Sieghaft ein neuer Tag<br />
Steigt mit dem Lerchenschlag —<br />
Das ist das schöne! . . .<br />
Daß mir der Erde Kraft<br />
Sorgen und Segen schafft,<br />
Und mit dem brausenden Blute<br />
Tätig die Adern treibt,<br />
Bis nur noch Arbeit bleibt —<br />
Das ist das Gute! . . .<br />
Daß jedoch fern der Pein<br />
Um mein Gefangensein<br />
Freiheit mich ladet zum Feste,<br />
Und mir jetzt wie ein Licht<br />
Wieder ins Leben bricht —<br />
Dast ist das Beste! . . .<br />
Nur zaghaft nahm er nach seiner endgültigen Heimkehr<br />
im Frühjahr 1948 wieder Fühlung mit Zeitungen und Zeitschriften.<br />
Während in den dreißiger Jahren Gerns Veröffentlichungen<br />
über seine hohenzollerische Heimat hinaus bis ins<br />
Rheinland und nach München hinübergriffen, war es jetzt<br />
mehr eine stille Beschränkung auf ein gutdisponiertes und<br />
wohldiszipliniertes dichterisches Schaffen, bei dem die Mundartgedichte<br />
dominierten. Gern, wieder im Baugewerbe tätig,<br />
begründete das mit folgenden Worten: „Daß ich in den<br />
letzten Jahren nurmehr oder fast ausschließlich die Mundart<br />
gepflegt habe, liegt daran, daß sie neben der schweren körperlichen<br />
Arbeit nicht soviel Kraftaufwand und Konzentration<br />
erfordern. Auch liegen ihre Motive mehr im Anschauungskreis<br />
des Tagtäglichen, und wird ein Mensch, der sich<br />
ernsthaft mit ihr befaßt, mehr und mehr von ihrer Eigenart<br />
und ihren Reizen gefangen genommen."<br />
Bruno Gerns völliges Hinwenden zur Mundartdichtuni entspricht<br />
seinem Wesen und seiner Eigenart. Er will nicht nur ' is Jichterische<br />
Erlebnis seiner 'leimat festhalten, sondern auch las ül" -lieferte<br />
Erbgut des Dialektes wenigstens in seinen Arbeiten vor der Verflachung<br />
und dem. Jntergang ^-wahren. Sein Schwäbisch ist uaher<br />
bew", die urwüchsige Mundart des Schmelfentales, der noch bodenständige<br />
f-irzinger Dialekt, -hn. jedes Zugeständri; i _ das „Allgemeinschwäbische".<br />
iern will auch in der Formgebung 'einer Gedichte<br />
immer ni r Bilder verwenden, die c n einfachen br .erlichen<br />
Denken entsprechen, ohne daß iadurch ' as Gehobene t dichteriscl<br />
en Sprache herabgeschmälert wird. Mit anderen Worter und<br />
volkstümlicher ausgedrückt: er versteht es, en Bauern aufs Maul<br />
zu gucken! Der Bauer ist für Gern die einfachste und natürlichste<br />
Personifizierung ~ des schwäbischen "nschen, und so zieht er stets<br />
nur Vergleiche und verwendet Bilder, die 1 n nahe liegen und<br />
seinem Anschauungskreis entsprechen. Ein einfaches Beispiel hierfür,<br />
wenn es irge iwo heißt:<br />
Wias aber gnachtet hot ond duschter<br />
dr Tag da letschta Schnaufer dao<br />
hu' zmols dr Herr sei' stennanuschter<br />
am Himmel fumghenkt ond da Mao<br />
raus aus seim Wolkakeefeg glao.<br />
Was Gerns Dialek T gedich*. . — Gott ei Daim — ganz abgeht,<br />
ist di- bei vielen Munda idichtern übliche Sucht der Ar. kdotenreirr.erei,<br />
mit der sie auf billig \rt Iffekte erzielen wollen. Lr.<br />
Bentele ii Ravensburg, ^ er ebenfalls Gerns unve*. 0 ichtes Hohenzollernsch'<br />
Ibisch lobend erw int, schrieo einmal ii seiner Abhandlung<br />
über Mundart, es sei tief bedauerlich, daß fast j ;der Diale<br />
tdlchter ; f die gereimte V -ergäbe teils geistreicher, teils einfältiger<br />
Anekdoten abhebe. Er hab unter 20 vorliegende) . B indchen<br />
sc_ väbischer Gedichte willkürlicl ' * ieingreifen können und immer<br />
wieder die Behauptung t itätigt bekommen. Sebastian Blr-i sagt<br />
azu einmal treffend: ,. cht jeder, der eine Anekdote gereimt er<br />
zählen kann, ist ein Dichter."<br />
„Wenn auch meine Mundartgedichte ganz impulsiv aus<br />
der Heimatliebe heraus entsteh a", sagt Bruno Gern von<br />
sich selber, .immer wieder muß ich unerbittlich an mich<br />
die Frage richten: Denkt und fühlt, oder handelt so der einfache<br />
Mensch meiner Heimat? Ich muß aTso dem einfachen<br />
Mann nicht nur „scharf aufs Maul, sondern auch liebevoll
16 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
ins Herz schauen. Ich muß mir dabei aber auch des grundlegenden<br />
Unterschiedes zwischen hoher Lyrik und schlichtem,<br />
unpathetischen, ganz und gar lebens- und volksnahen<br />
Mundartvers bei jedem Gefühlston mit aller Deutlichkeit<br />
bewußt bleiben. Darüber hinaus muß ich auch die Mundart<br />
selbst in Betracht ziehen; offenbart sie doch das echte, noch<br />
unverfälschte Volkstum viel unmittelbarer als die Schriftsprache.<br />
Sie widerspiegelt die Dinge viel bezeichnender und<br />
aus der Urwüchsigkeit des Lebens heraus, so ihrer Eigenart<br />
entsprechend, wie es der noch unverbildet bodenständige<br />
und heimatverwurzelte Mensch natürlich empfindet. Mir<br />
scheint aber auch das Nachlauschen in die Vergangenheit<br />
der Mundart wichtig zu sein. Das Zurücktasten in die<br />
Quellgründe ihrer Urwüchsigkeit, ihrer alten unverwässerten<br />
Originalität. Unsere Mundart ist nämlich, eben weil sie<br />
etwas Einmaliges ist, auch etwas Unwiederbringliches. Sie ist<br />
zugleich beseelter Ausdruck unseres persönlichen Empfindens<br />
und der besonderen Eigenart unseres stammesbedingten<br />
Wesens. Man ist fast versucht zu sagen, wortgewordene<br />
Prägung unseres Persönlichen, unserer Landschaft und all<br />
der Dinge, die wir unter dem Begriff „Heimat" zusammengefaßt<br />
und zu eigen wissen." ...<br />
„Obwol ' wie schon gesagt, all die vielen Mundartgedichte Gerns<br />
ein impulsiv gestalten ; Erlebnis der Heimat sind, ein wortgewordenes<br />
Bekenntnis zu ihr, drängt sich doch da und dort aus seinen<br />
Arbeiten auch hier die Frage nach der Berufung zum Dichter hervor.<br />
Sie findet so z. B. in „Mei' Lebenslaui als eine Tatsache, die<br />
unabänderlich hingenommen werden muß, ihren Abschluß:<br />
So isch halt ond so wiads wohl bleiba,<br />
denn des ischt nimme zum Vertreiba! . . .<br />
Noi, was ma' au drgega duet,<br />
's nützt alles noitz, des leit im Bluet<br />
ond duet oin so mit seira koga<br />
Gottvattergwalt halt oifach ploga,<br />
bis daß ma' nogeit, nasitzt, lachet<br />
ond so des Zuig, des komisch, machet.<br />
Drum duet ms au bloß, wenn man schreibt,<br />
WE 's Herz oin druckt dabei ond treibt<br />
ond froget ist lang no em Laoh —<br />
('s duets freile manchmol fascht it drao)<br />
doch 's goht mr au halt wia so Villa,<br />
i schaff mei Sach ond denk, gottswilla,<br />
wenns nu reacht Seaga bringt ond Guts<br />
ond d' Leut weng besser machet, duets,<br />
denn 's graischte Glück goht mir aischt a',<br />
wenn andere sich freuet dra'! . . .<br />
Dann rückt die Heimat ganz ins Blickfeld des Erlebens und oft<br />
ist es neben der reinen Naturbeschreibung das alltägliche Leben<br />
selbst, das i seiner Vielfalt aus diesen Versen spricht. In „Johrausjohrei'"<br />
ist hi-.r das Geschehen des Jahres festgehalten und naturbedingt<br />
e ngeordnet. Hier nur ein Beispiel, mit einem weitausholenden,<br />
beschreibenden „Blick über 's Ländle":<br />
Acker, a' Acker, Feald, a' Feald.<br />
Drzwischet do ond det an Wald<br />
Ond Weag ond Wässrewiesa<br />
ond Bäch ond Bückele ond Bearg,<br />
mit Dörfle, wia so kleine Zwearg,<br />
ond Kirchtürm, wia d' Riesa.<br />
Drübert helt sei 'blo Himmelstuech,<br />
als wärs sei 'vürneamschts Bilderbuech,<br />
dr Hearrgett drei 'verwoba.<br />
D' Sonn müeht sich drum, wia so a Hiit<br />
ond wo ma des klei' Ländle bsieht<br />
mueß mas halt oifach loba!" . . .<br />
In diesem reizvollen Rahmen offenbart sich dann das Dorf als<br />
ein ruhender Pol, als eine Stätte des Friedens und des Geborgensein,<br />
das unberührte Dorf, mit seiner urwüchsigen Schönheit, seinen<br />
alteingesessenen Sitten und Bräuchen noch, in vielen Variationen<br />
aufklingend, aus denen wir nur ein Gedicht noch als abschließendes<br />
und zusammenfassendes Bekenntnis herausgreifen wollen:<br />
Du H o i m e t !<br />
Du Bearg, du verwasener,<br />
du Tale so grea,<br />
du Wald, guck, i mueß de<br />
halt ällaweil bseah.<br />
Du Felsa, du groer,<br />
du dupfeter Hang,<br />
du Wies mit deim Bächle<br />
's ganz Täle entlang.<br />
Du Acker, du brauner,<br />
du fruchtschwerer Grund,<br />
du Himmel, du Hoimet<br />
so herb ond so gsund.<br />
Du ewig jungs Leaba,<br />
du Dorf ond drzua<br />
du Kirchhof, du alter —<br />
du ewige Ruah!<br />
Eine Würdigung des Malers Theodor Waldraff bringt Eckhart,<br />
Jahrbuch für das Badner Land, 1959." Waldraff wurde<br />
geboren am 28. Juni 1876 in Ostrach, "tohenzollern,<br />
als Sohn des Kirchenmalers Wilhelm Waldraff. Nach dem<br />
Besuch der Volksschule in Ostrach und des Lehrerseminars<br />
in Meersburg, bezog der junge Waldraff die Kunstgewerbeschule<br />
Karlsruhe und anschließend die Akademie für bildende<br />
Künste ebenda. Vierzig Jahre lang wirkte unser<br />
Landsmann als Zeichenlehrer und frei schaffender Künstler<br />
in Heidelberg. Auf allen Gebieten der Malerei hat Waldraff<br />
Aber auch der Kreislauf des Jahres pulst auf und darin eingewirkt<br />
der bäuerliche Alltag:<br />
März<br />
Wenn aber wild in Wälder duß<br />
dr Meezluft singt, dr aischt warm Guß<br />
dia Wiesa woicht bis auf da Grund,<br />
wenn d' Sonn scheint ond um Kunigund,<br />
so, wia im Baura des dick Bluet,<br />
au 's Erdreich wieder ploga duet,<br />
könnt oifach ond mit aller Gwalt<br />
d' Meezwärme wieder über d' Wealt.<br />
Bringt wieder Arbeit nu grad gnueg;<br />
dr Acker watet auf da Pflueg<br />
ond, wenn guet Weatter drübert stoht,<br />
um Benedikt auf d' Sommersoot.<br />
Im Winterösch, do gruenet 's Korn,<br />
schlupft 's Aokraut ond dr Disteldorn.<br />
D' Wies machet d' Bluamaäugle auf,<br />
d' Lerch zwitschret bis in Himmel nauf,<br />
denn über ällem hot halt schao<br />
dr Meez da aischta Schnaufer dao.<br />
So stehen in diesem Rhythmus die Monate festgefügt, und jeder<br />
Tag bringt ein neues Geschehen. „Dr Schnailuft döberet um 's Haus"<br />
und „Dr Baur im Winter" pflegt sein geruhsames Dasein. Altes<br />
Brauchtum tritt uns entgegen, denn:<br />
Ar Liachtmeaß, do nimmt d' Gettebas<br />
zwua gweihte Keeza ond a Waas . . .<br />
Entzündet sie, eine nach der andern, denn jeder davon kommt eine<br />
besondere Bedeutung zu:<br />
De zwoit Keez soll mit ihrer Kraft,<br />
ällz stärke, was jetzt steigt im Saft.<br />
Solls hüeta 's Haus dur Johr ond Tag<br />
voarm Fuier ond voarm Weatterschlag.<br />
Voarm Wasser d' Wies, voarm Wurm da Wald,<br />
voar Dürre ond voarm Hagel s' Feald.<br />
Ond so da Hof ond 's Vieh im Stall<br />
voai i Aoglück ond voarm gäha Fall.<br />
Da Lim im Stock ond no drzua<br />
voarm Zorn da Vatter ond da Bua,<br />
daß Frieda bleibt ond Sach bei Sach<br />
beianander nauf bis unter 's Dach!<br />
Bald aber schwindet die Herbe des Winters, und die Amsel singt<br />
wieder:<br />
Sieba tuife Orgeltriller<br />
stimmt se a ond lot se laos<br />
ond schickts dur dia alta Fohra<br />
über s' Schmeiatäle naus.<br />
Ond im sorgaschwersta Herza<br />
wiad es wia vo' sealber guet,<br />
wenn es loset, wia dia Amsel<br />
wieder z' Morgabeatta duet!<br />
Der reichen .'-
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 17<br />
Die Kunst des Kohlenbrennens, von der wir in Nr. 3 des<br />
Jahrgangs 1959 berichteten, ist noch nicht ausgestorben: Im<br />
Schwarzwald und im Tal der Fils in Württemberg findet der<br />
Wanderer noch gelegentlich Köhlerhütten. So war auf der<br />
Holzmesse in Freiburg Mitte September 1959 auch der Aufbau<br />
eines solchen Meilers in drei Stufen zu sehen. Er war<br />
iba.eu(My<br />
Querschnitt durch einen Meiler<br />
4 m groß und 1,5 m hoch. Der Ringinger Altmeister Josef<br />
Dorn, jetzt 76 Jahre alt, von dem wir damals erzählten und<br />
den der Unterzeichnete in der Zwischenzeit nochmals sprechen<br />
konnte, hat die seinen gut 2 Meter hoch und nur mit<br />
aufrecht stehenden Harthölzern (vor allem Prügeln von etwa<br />
10 cm Stärke) gebaut. Er benötigte dafür 20 Raummeter Buchenholz.<br />
Im Mittelpunkt bildeten vier Pfähle das „Füllloch",<br />
in das man zum Anzünden Gluten hineinwarf. Diese<br />
setzten das Holz wegen der Luftzufuhr vor allem oben in<br />
Brand, und von oben nach unten glostete der „Kohlhaufen"<br />
(nicht Kohl e n häufen sagte man in Ringingen<br />
und auch Pfeffingen!) langsam flammenlos nach unten,<br />
was man durch Einstechen von Luftlöchern in die Abdekkung<br />
regulierte. Letztere bestand, wie damals schon gesagt,<br />
aus Moos, Erdwatzen und Abraum früherer Meiler, der sog.<br />
„Lösche". Diese großen Ringinger Meiler, die gemäß der<br />
alten Tradition der Schmiede gefertigt waren, brannten gegen<br />
6 Tage. Nachts durfte der Schmied auch nicht eine einzige<br />
volle Stunde schlafen, denn das Herausbrechen der<br />
Flamme hätte alle Mühe illusorisch gemacht. Um den Meiler<br />
hat man ein Gräblein gezogen, in dem sich etwas Wasser<br />
(d. h. Holzessig und Teer) sammelte. Am Schluß hat der<br />
Josef das Feuer lieber durch Schließen aller Oeffnungen<br />
erstickt, als mit Wasser gelöscht. Dieses diente vielmehr nur<br />
als letztes Hilfsmittel. Das unterste Holz am Boden verkohlte<br />
gewöhnlich nicht mehr ganz.<br />
Der Kohlenmeiler<br />
Feueri^/adjt<br />
Im Freiburger Meiler waren nicht alle Hölzer aufgestellt,<br />
sondern außen herum die Meterroller gelegt, nur innen<br />
die Prügel gestellt, das Ganze mit Tannenästen und dann<br />
mit sandiger Erde bedeckt. Damit letztere nicht herabrutschte,<br />
waren außen herum kleine Holzpfähle angelehnt,<br />
die in 1 k Höhe Querbrettchen trugen. Der etwa 30 cm weite<br />
Kamin (Fülloch) war von drei Stangen gebildet, die mit 2<br />
Eisenreifen zusammengehalten wurden.<br />
Die Meiler im Filstal sind nur 1 m hoch und brennen 2<br />
bis 3 Tage. Als Abdeckung dienen feuchtes Heu und Erde.<br />
Da das sich entwickelnde Holzgas leicht brennt, bildet sich<br />
bei zu starker Luftzufuhr statt Kohle allgemein Kohlendioxyd,<br />
so daß nur die mineralischen Bestandteile als Asche<br />
übrig bleiben. Bei moderner Verkohlung in eisernen Retorten<br />
erhält man außer Kohle Holzteer, Essigsäure, Methylalkohol,<br />
Azeton u. a. m. und kann außerdem den Rest<br />
des Holzgases zum Beheizen der Retorte verwenden. Beim<br />
alten Kohlenmeiler dagegen verbleibt als Ertrag etwa 30 %><br />
der Holzmenge als wertvolle Holzkohle (Albvereinsblätter<br />
1957, S. 5—6).<br />
Von den beiden Bildern, die von der Hauptgeschäftsstelle<br />
des Schwäbischen Albvereins (Stuttgart-N, Hospitalstr. 21 B)<br />
freundlich zur Verfügung gestellt wurden, wofür herzlich<br />
gedankt sei, zeigen einen Kohlenmeiler im Aufriß bzw. im<br />
Betrieb. J. Ad. Kraus.<br />
Abziehende Gase am Kohlenmeiler<br />
Von der Flößerei auf dem Neckar<br />
In unsern Tagen wird durch den Einfluß der Technik im<br />
Leben und Arbeiten auch unserer Landbevölkerung soviel<br />
Althergebrachtes aufgegeben und eine völlig neue Arbeitsweise<br />
und Lebenshaltung übernommen, daß der jungen Generation<br />
das Wissen um die Verhältnisse unserer Vorfahren<br />
noch vor wenigen Jahrzehnten vielfach verloren gegangen<br />
ist. Da ist es wohl angebracht, ab und zu einiges in Erinnerung<br />
zu bringen. In folgendem sei die Flößerei auf unserem<br />
Neckar aus der Vergangenheit herausgeholt. Sind<br />
doch im Oktober dieses Jahres 60 Jahre verflossen, seitdem<br />
sie endgültig aufgegeben wurde.<br />
In unserer waldreichen Gegend wurden schon seit Jahrhunderten<br />
die Flüsse für den Holztransport benützt. Das war<br />
auf unserem Neckar ab Neckarhausen der Fall. Weiter oberhalb<br />
wurden nur einzelne lose Stämme vom Ufer aus zu<br />
Tal geschafft. Erst 1829 wurde der Neckar ab Rottweil floßbar<br />
gemacht. Die letzte amtliche Regelung der Flößerei in<br />
Württemberg datiert vom 26. 4. 1877. Danach durfte ein Floß<br />
bis 344 m lang, aber höchstens 3,70 m breit sein. Es mußte<br />
zwei Sperren aufweisen und von 4 bis 7 Flößern bemannt<br />
sein. Vier bis sieben gleich lange entrindete Stämme wurden<br />
an den Enden durchbohrt und mit Wieden nebeneinander<br />
gebunden. Man nannte das ein Gestör. Ein Floß wies oft<br />
über 10 solcher Gestöre auf, die beweglich hinter einander<br />
befestigt wurden. Das Herrichten eines Floßes geschah auf<br />
dem Einbindeplatz. Dettingen hatte deren zwei, unweit der<br />
Neckarbrücke am linken Ufer und gegenüber der Einmündung<br />
des Dießenbachs. Diese Lagerplätze standen den Holzhändlern<br />
zur Verfügung. Sie zahlten von jedem Gestör 15<br />
Kreuzer an die Gemeindekasse. Das Einbinden des Floßes<br />
dauerte 8 bis 14 Tage. Auf jedem Floß war eine Hütte für<br />
das Werkzeug wie Säge, Axt, Bohrer, Wendhaken, Flößersack,<br />
Wetterkittel usw. Die größeren Wieden wurden zum<br />
Teil vom Schwarzwald bezogen. Sie wurden aus etwa 5 m<br />
langen entasteten Tannenstämmehen hergestellt. Diese wurden<br />
in besonderen Oefen erhitzt, auf dem Amboß geklopft,<br />
dann um einen Pfahl gewunden und kreisförmig zusammengerollt.<br />
Zu kleineren Wieden nahm man lange Tannenäste,<br />
die ähnlich bearbeitet wurden. Eine Floßfahrt bis Heilbronn<br />
dauerte 4 bis 5, bis Mannheim 7 bis 8 Tage. Eine halbe<br />
Stunde vor Sonnenaufgang durfte die Fahrt beginnen und<br />
mußte eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang beendet<br />
sein. Des Nachts wurde das Floß an genau bestimmten<br />
Halteplätzen mit Ketten an Uferplätzen festgemacht. Die<br />
Flößer zechten und schliefen stets in den gleichen Wirtschaften.<br />
Oft gab es auch unfreiwilligen Aufenthalt, so an<br />
Krümmungen, Kiesbänken, Engstellen und Brücken. Es kam<br />
auch wohl vor, daß ein Floß zerbracht und die einzelnen<br />
Teile übereinander geschoben wurden. Dann gab es schwere<br />
Arbeit, bis die Fahrt weitergehen konnte. Manchmal mußte<br />
gestaut werden. Wenn es durch die Floßgasse der Wasserwerke<br />
ging, war besondere Vorsicht geboten. Da konnten<br />
leicht Männer vom Floß geschwemmt werden. So ertrank<br />
bei Neckartailfingen der Dettinger Flößer Xaver Kronenbitter.<br />
Ab Cannstatt wurde jedem Floß ein Bote mit 16feldriger<br />
schwarzroter Flagge vorausgeschickt. Er mußte<br />
Wasserwerksbesitzer, Brücken- und Schleusenaufseber von<br />
der Ankunft des Floßes in Kenntnis setzen, damit die erforderlichen<br />
Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden konnten.<br />
Nicht jedes Floß fuhr bis Mannheim. Vielfach wurde<br />
Holz unterwegs an Zimmerleute und Händler abgesetzt. Die<br />
Floße gehörten teils den Floßführern, teils Holzhändlern.
18 HOHENZOLL RISCHE HEIMAT dahrfJar>y 196<br />
Floßführer aus Dettingen und Betra kauften Wälder in der<br />
Umgebung und stellten eigene Floße zusammen. Ein Flößer<br />
verdiente bis Cannstatt 15 Mark, bis Heilbronn 30 Mark, bis<br />
Mannheim 35 Mark. Davon gingen lediglich die Kosten der<br />
Heimfahrt ab, die mit dem Wagen, später mit der Bahn<br />
erfolgte. Das Flößen durfte nur von März bis November erfolgen.<br />
Auch im August wurde eine Ruhepause eingelegt, um<br />
Uferschäden zu beheben und Ausbesserungen an Wasserwerken<br />
vorzunehmen.<br />
Die Flößer waren kräftige, wetterharte Gestalten, die mit<br />
Laib und Seele an ihrem schweren, gefährlichen Beruf hingen.<br />
Erwähnt sei noch ihr Verhältnis zu den Tübinger Studenten.<br />
Dort trafen sich lange, grobschlächtige Wasser- und<br />
elegante Reitstiefel, flößerische und akademische Bildung.<br />
Es war alter Brauch, daß die Studenten die biederen Flößer<br />
foppten und zu ärgern suchten. Zeigte sich ein Floß beim<br />
Spitzberg, so ließ der erste Student, der es erblickte, sein<br />
„Jockele spe - a - e - a - er" erschallen, um die Insaßen des<br />
Stiftes und die vielen Studenten in der Neckarhalde, in der<br />
Münz- und Neckargasse zu benachrichtigen. Alle gaben den<br />
Ruf weiter, eilten auf die Brücke, auf den Hirschauer Steg<br />
und in die Platanenallee. Sobald das Floß erschien, gingen<br />
die Spottrufe hinab und gleicherweise von den Flößern auch<br />
hinauf. Etwaige Verärgerungen wurden von den Studenten<br />
Zwischen Ebingen und dem Killertal bestanden früher<br />
selten besonders enge Beziehungen. Herrschaftliche Grenzen<br />
schieden schon seit dem frühen Mittelalter die beiden Bereiche.<br />
Immerhin kauften die Ebinger des öfteren Holz in<br />
den hohenzollerischen, vor allem den Burladinger Wäldern.<br />
Und vor 200 Jahren gab es einen anderen Anlaß zu einem<br />
lebhaften Hin und Her im Handel und Verkehr. Das war die<br />
Herstellung von Florrücken, wollenen Halstüchern oder<br />
Halsbändeln. Sie sind anscheinend zuerst in der Schweiz getragen<br />
worden; von dort verbreitete sich ihre Kenntnis auch<br />
in unsere Gegend. Man interessierte sich aber hier weniger<br />
für die Vorteile beim Tragen als vielmehr für die Erzeugung.<br />
Sie lernten die Ebinger von den Killertälern. Die Herstellung<br />
der Florrücke war leicht; Frauen, Kinder, gebrechliche<br />
Personen machten sie mit Hilfe von Steckein, wie es<br />
in den Akten heißt. Ich denke, es war eine Art Stricken<br />
bzw. Sticken.<br />
Nun aber gab es in Ebingen um die Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
Streit zwischen den Bortenmachern, die nach längerem<br />
Gewährenlassen plötzlich den Anspruch erhoben, sie<br />
müßten ailein das Recht haben, diese Florrücke herzustellen,<br />
und den vielen armen Leuten hier, die mit dieser Tätigkeit<br />
eine willkommene Einnahmequelle gefunden hatten. Die Armen<br />
wiesen darauf hin, man könne ihnen wohl die Anfertigung<br />
verbieten, von einem solchen Verbot aber würden<br />
nicht die hiesigen Bortenwirker den Vorteil haben, sondern<br />
die Killertäler, die sich umso mehr auf diese Arbeit legen<br />
würden, desgleichen andere nichtwürttembergische Leute.<br />
Der Streit wurde nicht bloß in Ebingen mit Haussuchungen<br />
und Vernichtung von Handwerkszeug, mit Klagen und<br />
Widerklagen ausgetragen, sondern auch mit zahlreichen Beschwerdeschriften<br />
beider Seiten bei der Stuttgarter Regie -<br />
rung. Schließlich verwandte sich auch der Stadtpfarrer für<br />
die Armen. Ihm verdanken wir eine ausführliche Darlegung<br />
der Verhältnisse, aus der ich das, was die Beziehungen zwischen<br />
Ebingen und den Killertälern betrifft, wörtlich wiedergeben<br />
werde. Er berichtet zuerst von vier sogen. Verlegern,<br />
die andere für sich arbeiten lassen und dann für den<br />
Absatz der Ware sorgen. Dann fährt er fort:<br />
Außer diesen Verlegern gibt es noch sehr viele andere,<br />
die zusammen ebenso viele Florrücke machen wie jene. Sie<br />
teilten sich in zwei Klassen: einige machten etliche Dutzend<br />
zusammen, kauften etwa auch noch mehr hinzu, und weil<br />
sie in der Herbst- und Winterszeit nichts zu werken wußten,<br />
trugen sie solche hin und wieder zu Markt oder hausierten<br />
damit. Die anderen, wenn sie keine Feldgeschäfte<br />
oder aber eine Schuld zu bezahlen hatten, kauften ein, zwei<br />
oder auch mehr Pfund Wolle, manche sogar nur ein halbes<br />
Pfund, spannen sie und machten Florrücke daraus, ließen<br />
sie färben und trugen sie denen zu, die damit Handel trieben.<br />
Das sind die zollerischen Untertanen, die oberhalb der<br />
Stadt Hechingen gegen die Alb zwei Stunden von hier wohnen.<br />
Von diesen bekamen sie die bare Bezahlung und damit<br />
Die Killertäler und Ebingen<br />
von Dr. Stettner, Ebingen<br />
mit hinabgereichtem Bier und ähnlichem wieder aus der<br />
Welt geschafft. Oft durften junge Herren von Tübingen - sofern<br />
sie ausreichend für den Flößerdurst aufkamen - von<br />
Rottenburg als Fahrgäste mitreisen. Manche Studentenverbindung<br />
hat eine solche Floßfahrt zu einer feuchtfröhlichen<br />
Festlichkeit ausgestaltet, so bei der letzten Floßfahrt; bildete<br />
sie doch den Abschluß eines schönen Teiles studentischen<br />
Lebens.<br />
1860 fuhren noch 146 Flöße den Neckar hinunter, 1892 noch<br />
14. Die Eisenbahn (1868 eröffnet) nahm den Flößern die so<br />
lieb gewordene Arbeit ab. Das letzte Floß fuhr am 20. Oktober<br />
1899 von Sulz nach Eßlingen. Es war reich geschmückt.<br />
Die Flößer zogen - daß Flößerlied singend - mit Fahne und<br />
Inschrifttafel vom „Ritter" zum Einbindplatz. Der Floßherr<br />
und der Bürgermeister der Stadt sprachen Abschiedsworte.<br />
Unter Böllerschüssen, Tücherschwenken, Händewinken und<br />
lebhaften Zurufen begann die letzte Reise. Im „Ochsen" zu<br />
Eßlingen war dann eine schöne, aber wehmütige Abschiedsfeier,<br />
bei der die letzten Flößer noch ein Kameradschaftsbild<br />
anfertigen ließen.<br />
In Neckarhausen wurde der Neckarflößerei ein schlichtes<br />
Denkmal erstellt. Beim Bau des dortigen Sägewerkes nach<br />
dem 1. Weltkrieg mußte es entfernt werden. Seine Inschrift<br />
wurde nach Sigmaringen gebracht. St. Keßler.<br />
auch den Lohn für ihre Arbeit und konnten sich damit helfen.<br />
Einige trugen's alle Wochen, andere in 14 Tagen weg,<br />
andere warteten, bis jene herkamen und sie abholten. Dabei<br />
konnten wir nicht verhindern, daß manchmal der Sonntag<br />
dazu mißbraucht wurde.<br />
Der Pfarrer berichtet dann über den Absatz an die Killertäler:<br />
Es ist bekannt, daß die zollerischen Untertanen, besonders<br />
die in dem oberen und rauheren Teil des Ländles<br />
wohnenden durch einen mit ihrem Fürsten vor Jahren wegen<br />
der freien Pirsch geführten hartnäckigen Prozeß in die<br />
größte Armut gerieten, so daß sie fast alle betteln gegangen<br />
sind. Diese Armut hat sie mit allerhand kleinen Sachen<br />
handeln gelehrt. Sie ziehen allein schon mit Obst und<br />
Schnitzen, von denen hier sehr wenig wäcnst und die sie<br />
im Steinlacher und Pfullinger Tal aufkaufen und das ganze<br />
Jahr hindurch fast täglich hieher tragen, viel Geld von hier<br />
ab, bringen aber auch den Bäckern, Kaufleuten und Handwerkern,<br />
besonders denen, die Florrücke machen, vieles<br />
herein. Diejenigen unter diesen Leuten, die es vermögen,<br />
kaufen die Florrücke von denen, die sich nichs borgen können<br />
und ihnen solche wöchentlich zutragen, um bares Geld<br />
etwas wohlfeiler ab; andere nehmen sie auf drei, sechs und<br />
mehr Monate Nachsicht. Je mehr diese Händler in der Ferne<br />
absetzen können, je mehr sie dieser Ware nachfragen, desto<br />
mehr nehmen unsere hiesigen Armen und andere Leute,<br />
denen es an Gelegenheit fehlt, sich fuglich zu ernähren, Anlaß<br />
zu verfertigen und sich darauf zu legen. Durch diesen<br />
täglichen Umsatz ist demnach dieser klein scheinende Handel<br />
so groß und erträglich geworden, daß die Bortenwirker<br />
meinen, es würden jährlich für 8—10 000 Gulden verkauft.<br />
Der Amtmann jedoch meint, das sei höchst unverschämt, es<br />
seien nur etwa 1 000 Gulden.<br />
Der weitere Streit, der schließlich mit dem Sieg der Armen<br />
endet, interessiert in diesem Zusammenhang nicht mehr.<br />
Aber es tut vielleicht manchen Killertälern wohl zu erfahren,<br />
daß einmal sie gegenüber der Stadt Ebingen mehr<br />
die Gebenden als die Nehmenden gewesen sind, in Zeiten,<br />
da es noch wirkliche Not gab, gegen die man sich gemeinsam<br />
gewehrt hat.<br />
Nacftwort: Wer von den Lesern kann den Ausdruck Florrücke<br />
sprachlich erklären? Wenn die erste Silbe wohl an<br />
unsere Trauerflore, Vorhänge und Taufwindeln erinnert, in<br />
die früher die Frauen Figuren und Zieraten hineinstickten,<br />
und auch einmal davon die Rede ist, ein Bauer<br />
habe im Streit den andern am Flor (Halstuch) gepackt, so<br />
ist doch die zweite Worthälfte „R ü c k" nicht recht verständlich.<br />
Sollte d e i Rick gemeint sein, in den Wolle, sowie<br />
Näh- und Webfaden gewöhnlich vor dem Aufwinden auf<br />
einen Bobbel in den Handel kam? Als Kinder mußten wir<br />
immer der Mutter den Rick oder Strang Wolle mit beiden<br />
ausgestreckten Armen halten, damit sie die Fäden abwickeln<br />
konnte. Oder wurden die fertigen Flöre in Ricke aufgewickelt?<br />
Krs.
Jahrggftg "i960 HOHENZO ERISCHE HEIMAT 19<br />
Die Ueberschrift stellt keinen Irrtum dar! Es gab tatsächlich<br />
zwti Burgen namens Schalksburg. Die eine ist als einstiger<br />
Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft um Burgfelden<br />
weitbekannt, die andere stand nicht allzuweit von<br />
ihr entfernt auf der Markung des hohenzollerischen Straßb<br />
e r g, unweit der Ebinger Grenze auf einem Felsen des<br />
linken Schmeientales. Beide waren mittelalterliche Ritterburgen,<br />
freilich von verschiedener Größe und Bedeutung.<br />
Die Burgfelder Schalksburg hat jedoch eine Besonderheit:<br />
Sie ist als Doppelburg innerhalb einer gewaltigen, 20 Morgen<br />
umfassenden frühgeschichtlichen Fliehburg<br />
angelegt, von der das Dörflein Burgfelden seinen<br />
Namen hat. Merkwürdigerweise sind diese beiden Teilburgen<br />
nicht unmittelbar am schmalen Felsgrat errichtet gewesen,<br />
der die Berginsel vom Albmassiv trennt, sondern in<br />
der südlichen, bzw. westlichen Ecke, während das Burggelände<br />
selbst gegen den Berggrat durch drei Gräben und<br />
eine lange, in der Mitte mit einem Bergfried verstärkte<br />
Mauer abgeschlossen war. Dieser Bergfried wurde neuestens<br />
teils wieder aufgebaut, wobei amerikanische Hubschrauber<br />
das Material von Burgfelden herschafften. Schon die merkwürdig<br />
große Anlage scheint darauf hinzudeuten, daß der<br />
Erbauer schwerlich nur ein kleiner unbedeutender Ritter gewesen<br />
sein kann, vielmehr im Schatten eines größeren hochadligen<br />
Herrn gestanden haben wird, der dann die Burg<br />
selber weiter ausbaute. So wundern wir uns nicht, wenn seit<br />
1266 bis 1403) als Herren der Burg die Grafen von Zollern<br />
erscheinen neben einem ritterlichen Geschlecht von<br />
Edelknechten, die sich ebenfalls „von Schalksburg" nannten.<br />
Aehnlich war dies auch bei anderen Grafenburgen der Fall:<br />
Grafen neben Niederadel von Urach, von Haigerloch, von<br />
Hohenberg u. s. f.<br />
H. H. Pfarrer Krau s, Erzbischöfl. Archivar in Freiburg<br />
Es sind lediglich folgende Edelknechte des Namens „von<br />
Schalksburg" bekannt: 1226 17 August H(einrich) de Shalchispurch<br />
bei dem Grafen Albert von Rotemburg-Hohenberg<br />
zu Ulm (WUB 3, 198). 1252 Herr H(einrich) Ritter<br />
von Salkesburch ist Zeuge der Grafen von Veringen<br />
(WUB 4, 282). 1262 4. Januar: Hein rieh von Shalkesburk<br />
erscheint bei Rechtsgeschäften in "'eringendorf<br />
(Cod. dipl. Salem I, 403). 1266 derselbe Ritter H.(einrich) v.<br />
S. mit seinem Sohn N. ist auf der Schalksburg Zeuge<br />
für den Grafen von Zollern (Mon. Zoll. I, 85f), 1306<br />
9. Febr.: Walter von Schalksburg ist Zeuge für die Zollern<br />
(MZ I, 121) 1317 26. Juni: kauft derselbe von den Schenken<br />
von Staufenberg Güter. Zeuge ist Gr. Albrecht d. j. von<br />
Zollern (MZ I.) 1319 Walter von S. (MZ I. 133) 1320 Heinrich<br />
und Walter von Schalksburg mit Leutpriester Johannes<br />
von Burgfeld aus Wolfach (MZ I, 136). 1333 dieselben von<br />
Wissmann erwähnt. 1347 27. April: Burkart und Heinrich<br />
von Schalksburg verkaufen Güter zu Streichen (MZ I, 169).<br />
Die beiden Schalksburgen<br />
1363 1. Mai Burkart und Brudersohn Heinrich v. S. mit<br />
Gütern zu Engstlatt (MZ I, 201). 1372 26. Dezb.: Burkart v.<br />
S. mit Gütern zu Streichen (MZ I, 224). 1383 24. Mai: Werner<br />
von Rosenfeld nennt seinen Vater „Burkart von Schalksburg"<br />
(Wissmann 110). Ihr Wappen zeigte in Rot ein weißes<br />
Tor zwischen zwei bezinnten weißen Türmen. Einige Frauen<br />
von Schalksburg finden sich im Urkundenbuch des Klosters<br />
Stetten (Hohenz. Jahreshefte 1955—1957).<br />
Im Gegensatz zur großen Schalksburg stellte die kleinere,<br />
die 900 m nördlich der Burg Straßberg lag, nur einen bescheidenen<br />
Rittersitz mit Turm, Haus und vielleicht Nebengebäuden<br />
dar. Dies mag einen Fingerzeig dafür geben, daß<br />
sie die ältere Burg dieses Namens war, deren Besitzer<br />
um 1226 als Vasall der Grafen von Hohenberg erscheinen,<br />
der Herren des Scherragaues, aber dann seit 1266 mit den<br />
stammverwandten Grafen von Zollern in der Burgfelder Gegend<br />
genannt werden, ihren Namen somit auf den neuen<br />
Sitz mitgenommen haben dürften! Vermutlich<br />
haben dann diese letztgenannten Grafen die große Schalksburg<br />
ausgebaut. Vorher kennen wir einen Ritter C u n r a t v.<br />
Burcvelt, der 1244—1254 als Bürger zu Vilsingen genannt<br />
ist (Wissmann, An der Eyachquelle, 1959, S. 68), der vermutlich<br />
seinen ursprünglichen Sitz auf der späteren großen<br />
Schalksburg hatte, denn im Dörflein Burgfelden ist sonst<br />
keine Burgstelle bekannt! Das Dorf selbst war vor 1064<br />
durch einen Grafen Rudolf (wohl von Habsburg) an das<br />
Kloster Ottmarsheim im Elsaß geschenkt worden, das dann<br />
die berühmte Kirche anstelle einer älteren umbaute und<br />
von Reichenauer Künstlern ausschmücken ließ.<br />
Schon bald nach 1300 wird dann auch die Straßberger<br />
Schalksburg als Ödenburg (später Edenburg) bezeichnet,<br />
muß also in Trümmern gelegen haben! (Hohz. JHft. 1959.)<br />
Die große Schalksburg dagegen spielte bekanntlich noch bis<br />
ins 16. Jahrhundert eine bedeutende Rolle, wie Wissmann im<br />
genannten Werk (S. 110 ff) ausführlich dartut.<br />
Ueber den Namen Schalksburg ist viel gerätselt<br />
worden. Ein Schalk im heutigen Sinne darf ausscheiden. Das<br />
mittelhochdeutsche Wort bedeutet in Marschalk oder Seneschalk<br />
soviel wie „Diener, Hofbeamter, Knecht"<br />
eines Hochadeligen. Da die große Schalksburg, seit man von<br />
ihr weiß (1266), in Hand des Hochadels war, wollte der<br />
Name Diener- oder Vasallenburg nie recht passen. Jänichen<br />
vermutet darin die Bedeutung „sehr alte Burg", ohne dies<br />
näher zu begründen. (Zeitschr. f. württ. Landesgesch. 1952<br />
S. 43—44.)<br />
In Straßberg dagegen bestand die Höhenburg gegen Winterlingen<br />
wohl schon seit dem 12. Jahrhundert als Eigentum<br />
des hochadeligen Stifts Buchau, das hier vermutlich<br />
schon durch Irmgard, die Tochter Ludwigs des Deutschen<br />
vor 857 Besitz bekam und bis 1802 behielt (Hohz. JHft. 1959,<br />
1—182). Leider wird dieser Buchauer Besitz (ohne die Pfarrei<br />
und einem Hof) urkundlich erst um 1340 als Lehen in Hand<br />
der Grafen von Hohenberg greifbar, die jedoch schon 1287<br />
(und wohl auch 1226) als Herren daselbst nachzuweisen sind.<br />
Da der Ortskern von Straßberg unter dem Namen „Uf Burg"<br />
1005 bis 1559 im Besitz des Klosters Stein am Rhein erscheint,<br />
nehmen manche an, der Name Straßberg für die<br />
Burg links der Schmeie samt dem Burgweiler darunter sei<br />
durch die Schweizerischen Grafen von Straßberg-Neuenburg<br />
(Neufchätel) aufgekommen, die vor 1226 dieses Buchauer<br />
Lehen besessen haben müßten, wovon man jedoch urkundlich<br />
nichts weiß! Nach Buchauer Ueberlieferung von<br />
1470 sollen die Straßberger Edelleute einst Schenken des<br />
Stifts gewesen sein. Eine Vasallenburg bei Straßberg<br />
wäre somit nicht ausgeschlossen. Wie gesagt<br />
ist die älteste Schreibweise 1226 „Shalchisburc h".<br />
Noch im Jahre 1535 erhielt ein Johannes Salch aus Ebingen<br />
die Pfarrei Burg-Straßberg verliehen! Man meinte irrig,<br />
es könnte ein Personenname zugrunde liegen, der sicher<br />
das Schloß eindeutiger bezeichnen würde als das allgemein<br />
klingende „Schalk". Man hat auch schon an Salweide gedacht<br />
(ahd. salhe), was in der Grundbedeutung „g r a u" anzeigen<br />
soll, wozu Weißenburg, Liechtenstein und ähnliche<br />
Burgennamen zu vergleichen wären. Aber beide Ansichten<br />
sind zu wenig begründet.<br />
Eine Merkwürdigkeit muß hier noch angeführt werden:<br />
Die älteren Siegel der freien Herren und Grafen von Straßberg-Neuenburg<br />
in der Schweiz zeigen das gleiche Siege<br />
1 b i 1 d wie es die spätei-en niederadligen Edelknechte<br />
von Schalksburg bei Burgfelden führten: Zwischen zwei bezinnten<br />
Türmen ein Tor, meist noch mit einem Hausgiebel<br />
dahinter. Man deutet dieses Siegelbild als .Burg", im speziellen<br />
Falle also als Neuenburg (Neufchätel). Ob dabei die
20 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
alte Burg die von Straßberg war? Das spätere Wappen<br />
(nach 1230) der Grafen von Straßberg-Neuenburg in der<br />
Schweiz zeigte dann einen (oder mehrere) mit 3 Firsten belegten<br />
Pfahl, der nach dem Aussterben des Geschlechts im<br />
14. Jahrhundert an den Wappenschild der Markgrafen von<br />
Baden-Hachberg überging.<br />
Ist angesichts dieser Tatsache der Gedanke zu kühn, die<br />
Herren von Shalchisburg-Schalksburg seien Vasallen der<br />
Grafen von Straßberg gewesen, die mit Rückgabe ihrer älteren<br />
Burg in die Hand der Aebtissin von Buchau um 1230<br />
auch das alte Wappenbild aufgaben, das dann wie anderwärts<br />
ihre vermutlichen Vasallen weiter benützt haben? Krs.<br />
Zollerisches aus den St. Georger Stiftungsakten<br />
Aus den Notitiae fundationis des Klosters St. Georgen im<br />
Schwarzwald (Mon. Germ. Script. 15, 2; S. 1007—1023) seien<br />
diejenigen Stellen ausgehoben, die sich sicher oder vermutlich<br />
auf nohenzollerische Orte beziehen, wobei freilich nicht<br />
alle Deutungen unanfechtbar sein können.<br />
1083 4. Jan.: Bei der ursprünglichen Gründung des Klosters<br />
zu Königseggwald im Gebiet des Grafen Mangold von Aleshausen<br />
(Altshausen-V e r i n g e n) durch den hochadligen H ez<br />
e 1 o (Hermann) mit seinem Sohne Hermann, sowie den<br />
Edlen Hesso waren außer obigem Grafen zugegen: Konrad<br />
und seine Söhne Eberhard und Heinrich von Heiligenberg,<br />
Arnold von Binzewangen (Ahnherr 1er Grafen<br />
von Gammertingen), Heinrich und sein gleichnamiger<br />
Brudersohn von Hirschzungen (angeb. Hirscheck bei Saulgau),<br />
Mangold und sein Bruder Ludwig von<br />
Sigmaringen; Ulrich, Siegfried und sein Brudersohn<br />
Hermann von Weiler (Wolfratsweiler bei Hohentengen),<br />
Berthold von Butelscieß
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 21<br />
Zelle (d. i. im Kloster St. Georgen) in Gegenwart von Cuono<br />
und Walker und Mangold von Ahausen, Arnold von Kilchberg<br />
und seiner obigen beiden Söhne.<br />
1095 2. Februar: Ritter Kuono von Gisingen (Geisingen)<br />
und seine Söhne Berthold und Konrad schenken ihren Besitz<br />
bei Parma (wohl verschrieben für Beroa-B ärenthal) im<br />
Felsengebiet, das wegen seiner Zerrissenheit „Serrae" genannt<br />
wird, d. i. Sägen oder Scheer.<br />
1132 29. Mai: Der Edelfreie Ritter Heinrich von Stouphenberg<br />
(militaris homo libertate nobilis) macht sich<br />
zum Mönch im Kloster St. Georgen und übereignet über dem<br />
Altar des genannten Heiligen seine Güter (praedia) in<br />
Owingen (bei Haigerloch) und Uesingen (Isingen bei<br />
Horb?), nämlich 15 Mansen, ferner in Beckhofen (bei Villingen),<br />
Mimmenhausen, Bräunlingen, Klengen, Ueberauchen,<br />
zusammen 41 Mansen. Zeuge ist u. a. Arnold von Wolfach.<br />
(Der Bearbeiter der Mon. Germ, deutet Stauffenberg ins<br />
Oberamt Balingen, was Hechingen heißen müßte, Müller<br />
dagegen in Zeitschr. Oberrhein 1893 S. 419 rät auf Staufenberg<br />
in der Ortenau. (Vgl. Georgskirche in Oberowingen!)<br />
1139 ist ein Rudolf von Tetingen (Dettingen) Zeuge.<br />
1139 14. April: Papst Innozens II. nimmt das Kloster St.<br />
Georgen samt seinen Gütern in Schutz, darunter auch das<br />
Dorf Stetten (bei Haig.), Ehestetten (bei Ebingen), das<br />
Gut (praedium) zu Ouwingen (Owingen bei Haigerloch),<br />
Leidringen, Täbingen, Wilvlingen (bei Rottweil?)<br />
und Magerbein ; (?Magershein-Magolsheim?) (Wirtb. Urkb.<br />
II. 10—12).<br />
1148 Gottfried von Empfingen ist u. a. Zeuge für<br />
Friedrich von Wolfach betr. Kirche in Husen (H a u s a c h ?).<br />
Dabei ist auch Rudolf von Wildorf (Weildorf b. Haig.)<br />
genannt.<br />
1155 der hochedle (vir illustris) Berthold von Husen<br />
(welches?) und seine Frau wurden Conversen (d. h. Laiendiener)<br />
im Kloster St. Georgen.<br />
1179 26. März: Papst Alexander III. bestätigt den Besitz<br />
von St. Georgen, darunter die Zelle Urspringen, das Dorf<br />
Steten samt Kirche, Ehestetten mit Kirche, das Gut<br />
zu Owingen, Leidringen mit Kirche und dem halben<br />
Zehnten, Täbingen und Magerbein (WUB II. 198).<br />
Da aus jener frühen Zeit sonst fast keine Urkunden mehr<br />
erhalten sind, glaubten wir, obige Nachrichten in unserem<br />
Heimatblatt abdrucken zu sollen, und so auf eine seltene<br />
Quelle hinzuweisen. J. Ad. Kraus.<br />
Eine Urkunde vom Hennenstein bei Trochtelfingen<br />
Die Kapelle auf dem Heiner-, Hennen- oder Hünenstein<br />
bei Trochtelfingen wird nach Eisele schon in einem Ablaßbrief<br />
vom 21. Mai 1322 erwähnt, und war der Muttergottes<br />
(ehrenhalber) und dem hl. Nikolaus geweiht. Dabei bestand<br />
eine Brüderniederlassung von sog. Begharden, die schon<br />
1322 in der Kapelle ihren Begräbnisplatz gehabt zu haben<br />
scheinen (Mitt. Hohz. 32, 1908, S. 114). Die lateinische Urkunde<br />
über Stiftung einer Kapianei daselbst vom 5. November<br />
1422 hat Eisele ebenda auch erwähnt, hier soll der genauere<br />
Inhalt gegeben werden, da er für die Geschichte von<br />
Trochtelfingen und Umgebung von Wichtigkeit ist. Das Original<br />
liegt im Staatsarchiv Sigmaringen, eine Kopie auch<br />
in G 599, Seite 103—108 in der Heimatbücherei Hechingen.<br />
„Sigmaringen, den 5. November 1422: Die Grafen Heinrich<br />
und Johannes von Werdenberg, Herren zu<br />
Sigmaringen, schreiben an den Bischof Otto von Konstanz:<br />
Angesichts der Eitelkeit des Ruhmes dieser Welt<br />
und der Kürze des menschlichen Lebens und Unsicherheit der<br />
Todesstunde wollen wir eine Kaplaneipfründe stiften zu unserem<br />
und aller Verstorbenen Seelenheil in die Kapelle bei unserer<br />
Stadt Trochtelfingen, genannt Hünenstein. Sie ist schon<br />
lange zu Ehren des hl. Bischofs Nikolaus gegründet<br />
und konsekriert, aber noch nicht dotiert und war mit<br />
dem anliegenden von Wald umgebenen Haus von Begharden<br />
bzw. Laien als Waldeinsiedelei bewohnt (fuit!). Sie soll<br />
dem Allerhöchsten, seiner jungfräulichen Mutter Maria, dem<br />
hl. Nikolaus und dem himmlischen Heere dienen, mit Zustimmung<br />
des Herrn Eberhard Bräly, Kirchrektor in<br />
Trochtelfingen. Der Kaplan soll uns, bzw. dem Geschlechtsälteten<br />
dem Bischof präsentiert werden. Er soll wöchentlich in<br />
der Kapelle 4 Messen lesen (eine de Beata Maria Vig., 1 für die<br />
Verstorbenen, 2 von den Heiligen oder de tempore). Er soll<br />
die Kapelle besorgen ohne Beeinträchtigung der Pfarrkirche,<br />
aber auch daselbst mithelfen. Die eingehenden Opfergaben<br />
soll er dem Pfarrer abliefern, durch seinen Gottesdienst den<br />
in der Pfarrkirche nicht stören, und soll bei der Kapelle<br />
wohnen.. . Dazu stiften wir: Ein Drittel des Kleinzehntens<br />
zu Trochtelfingen vom Oberen Tor an<br />
beim Zimmermanns bis zur unteren Bucht oder Lache<br />
(estuarium inferius) der Stadt. Ferner Vs des Drittenzehntens<br />
in W i 1 s i n g e n, 10 Jauchert Acker auf Schopfenloch, 6 J.<br />
auf Gattenberg und 2 J. noch dabei, 6 J. beim Brüwensbühl,<br />
17 J. beim Bützhart, 3 J. uf Wilhalmsbühl, 4 J. beim<br />
Uotenberg, 6 J. im Kleinöschle, 2 J in der Bützi, 1 J. in der<br />
Lachen, 3 J. im Dirnental, 4 J. uf Dettenloch, 2 J. retro antiquum<br />
Castrum vulgo hinter der Burg, 2 J. im Tüffental,<br />
1 J. ebendort, 14 J im Süessen, 4 J in dem Brand, 4 J.<br />
bei Süessen, 4 J. an Langen Halden, 3 J. ebenda, ferner alle<br />
Felder und Wiesen von Mägrichinger (Mägerkinger) Brühl<br />
zwischen dem Wasser und der Stadt Trochtelfingen, die<br />
hierher zur Stadt gehören. 15 J. bei der genannten Nikolauskapelle<br />
am Brühl genannt die Gebrait. 4 J. beim Wetterkreuz,<br />
4 J. vor Sumerau, 2 J. in der Ow, 2 J. in Winckebi<br />
oder Boumkeby!<br />
Ferner an Wiesen: 5 Mannsmad in Schopfenloch, 5 Mm. uf<br />
Gattenberg, 3 Mm., die gegen den Rütlinger (Reutlinger) Weg<br />
und Schlottegger Dryne (Katharine?) strecken, 6<br />
Mm. am Rütlinger Weg, 4 Mm. im Hasental, 8 Mm. uf Hüntun<br />
(!) genannt Wechselwies, 1 Mm. in Uffhofen, 3 Mm.<br />
unter Hünenstein, 3V2 Mm. vor dem Hoff. Ferner den Wald<br />
um die Kapelle mit Obstgarten dabei, 2 Mm. genannt<br />
Yringsgut, 2 Mm. im Wickental und 4 J. Feldäcker daselbst.<br />
Ferner 6 Schilling Jahreszinsen aus dem Haus des B i 1 a -<br />
fing, das an den Herrn Pfauen an Unteren Tor stößt.<br />
Aus dem Haus dieses Pfauen 2 ß (Schilling) hlr., ferner<br />
6 hlr. aus dem Haus des Kunz Bader am Markt, das<br />
an der Stöllinen Haus stößt. 15 hlr. aus dem Haus genannt<br />
des Pfaff Dachs an der Friedhofmauer. 2 ß<br />
hlr. aus Schwaigers Haus nächst dem Haus des Nikolaus<br />
Herzog in der Neckarhalde. 18 hlr. aus dem Haus<br />
Jakobs rückwärts von Heinrich Rufen Haus in der<br />
Neckarhalde an der Mauer. Werner Süner gibt aus seinem<br />
Garten in Uffhofen 3 ß hlr.; der Garten fällt nach<br />
seinem Tod an die Kapianei. Derselbe Süner gibt aus<br />
seinem Garten in Uffhofen 1 ß hlr., grenzt an die Wiese des<br />
Prolis. Konrad Schanz gibt aus seinem Garten in<br />
Uffhofen neben des gen. Süners Garten 10 ß hlr. Auch dieser<br />
Garten fällt später an die Kapianei, nach des Inhabers<br />
Tod. Nikolaus Gretzinger gibt aus seinem Garten<br />
in Uffhofen neben obigem Süner 10 ß hlr. auf Lebenszeit.<br />
W i e 1 a n d gibt aus 2 Gärten in Uffhofen auf Lebenszeit<br />
8 ß hlr, S c h e r i und seine Frau geben aus ihrem Garten<br />
ebendort auf Lebenszeit 13 ß hl. Dieselben geben aus 1<br />
Wiese im Tannenhart auf Lebenszeit 13 ß hl. Die Wiese<br />
fällt dann an die Kapianei. Der Pfau gibt aus seinem<br />
Garten in Uffenhofen neben S c h e r i s Garten jährlich 8<br />
ß hlr., auch dieser Garten fällt nach seinem Tod an die<br />
Kapianei. Konrad Arian gibt aus seinem dem Pfauen<br />
benachbarten Garten 5 ß hlr. auf Lebenszeit. Der Hetlinger<br />
gibt aus seiner Wiese in Uffhofen 5 ß hlr. und<br />
aus 1 Wiese in Langenhalden 4 ß hlr. Item Benzo Wurm,<br />
Vogt zu Sigmaringen, gibt aus 1 Wiese am Gressiberg, die<br />
Albert Hoffer baut, 8 ß hlr. Derselbe Wurm gibt aus<br />
1 Garten in Nidlingen (Flur jenseits der Seckach) jährlich<br />
8 ß hlr. Der Arnold und der Elser geben aus 1<br />
Wiese unterm Hünenstein, grenzend an Widenen Wiese<br />
(Widdumswiese?) an dem T a c h s (obig m Geistlichen),<br />
jährlich 18 ß hlr. Cuntzo Smölzly und seine 5 Genossen<br />
geben aus ihrem Lehengut 31 ß hlr. und 1 Viertel (120)<br />
Eier. Nikolaus Gretzinger gibt aus 1 Wiese beim<br />
Hagbrunnen 2 ß hlr. Die Zimbermännin gibt aus 1<br />
Garten in Rümelins Gäßlin (vicellum) jährlich 30 hlr.<br />
an die Kapianei und an den hl. Martin (den Kirchenpatron)<br />
ebensoviel. Die A m 1 u n g i n gibt aus 1 Garten neben der<br />
Erhardskapelle und aus 1 Wiese, genannt Holzwies,<br />
in Hüntim gelegen, jährlich 5 ß hlr. Hermann Müller<br />
gibt aus 1 Wiese an dem Graben jährlich 1 Viertel Hanfsamen,<br />
Trochtelfinger Maß. Der K ä m 1 i von S t e i n h ü 1 -<br />
b e n gibt aus seinem Gut, genannt des Wildneckers, zu<br />
Steinhilben, jährlich 5 ß hlr. Der Heinzelmann gibt aus<br />
des genannten Wildneckers Gütern jährlich 5 ß ilr. und aus<br />
1 Hof daselbst 1 Pfd. hlr. Der F i s e 1 von Steinhülwen<br />
gibt aus 1 Wiese an dem Bühel jährlich 12 ß hlr. Petrus<br />
D r e y e r (wohl Dreher) von Steinhilben gibt aus 1 Wiese<br />
ebenda 1 Pf. 5 ß hlr. Benzo von Engstingen gibt<br />
aus 1 Gut zu „Frigen Engstingen" (—Kleinengstingen) jährlich<br />
1 Pfd. 8 ß hlr. und 1 Vtl. Eier Nach seinem Tod fällt<br />
das Gut an die Kapianei. Der Fliner von Engstingen<br />
gibt aus 1 Wiese im Brüel jährlich 1 Pfd. hlr., dann fällt sie<br />
an die Kapianei. Ruflinus Müller von Stetten (u.
22 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Holst.) gibt aus 1 Wiese bei seiner Mühle 8 ß hlr., nach<br />
seinem Tod fällt sie an die Kaplanei. Der Tösch von<br />
Stetten gibt aus seinem Acker gegen das Dorf R i n g i n -<br />
gen jährlich 4 Simri Getreide, was er trägt.<br />
Aus dem Haus des Kranz zu Trochtelfingen zwischen<br />
Konrad Stoll und Johannes Höwly (Häule) gibt man<br />
jährlich 5 ß hlr. Der G ö 1 d 1 y von Mägrichingen (Mägerkingen)<br />
gibt aus 1 Wiese unterm Hünnenstein 14 ß hlr. Der<br />
Holzelfinger gibt aus den Gütern der Brunnerin<br />
von Epfingen (wohl Erpfingen!) 6 ß hlr. Aus 1 Wiese bei der<br />
genannten Hünensteinkapelle in Größe von IV2 Mm. gibt<br />
man jährlich 1 Pfd. 5 ß hlr: Macht alles zusammen<br />
4 6 P f d. h 1 r (= 2 760 Goldmark), die für den Unterhalt des<br />
Kaplans hinreichen sollen. Bitte um Bestätigung der Stiftung.<br />
Siegler: die beiden Grafen. Auch der Pfarrektor Eberhard<br />
Brely siegelt zustimmend." (S. fehlen heute.)<br />
Die Kopie in der Heimatbücherei enthält manche Namenfehler.<br />
Sie stammt vom 10. Mai 1785 von der Hand des Hofkammerrats<br />
und fürstenbergischen Archivrats Karl Josef<br />
Friedrich Döpfer. Das Original war damals in Hand des<br />
Kaplans.<br />
Nach Gratianus hat im Jahre 1331 das Kloster Zwiefalten<br />
das Vogtrecht über die Mühle im Wickental bei Trochtelfingen<br />
dem Dietrich von Liechtenstein verliehen, wobei<br />
Swigger und Eberhard von Liechtenstein Zeuge waren (Sulger<br />
D. 278). Für Einheimische müßte es reizvoll sein, den<br />
einzelnen Flurnamen um Trochtelfingen nachzuspüren.<br />
Joh. Adam Kraus.<br />
Kurznachrichten<br />
Bischofsmutter Ursula von Holnstein<br />
Sicher hätte sich das Edelfräulein Ursula auch nicht träumen<br />
lassen, als sie die heimatliche Burg Holnstein über<br />
Stetten an der Laudiert verließ, um den Lebensbund mit<br />
dem helfensteinischen Vasallen Heinrich von Nenningen (bei<br />
Geislingen a. d. Staig) zu schließen, daß sie einst Mutter<br />
eines Bischofs würde. Der Vater Anselm II. von Holnstein<br />
hatte schon vor 1370 das Zeitliche gesegnet und die Mutter<br />
Ursel von Reischach in zweiter Ehe den edlen Konrad von<br />
Magenbuch geheiratet. Die Söhne Konrad, Ernst und Anselm<br />
III. von Holnstein furnierten und handelten mit den Nachbarrittern,<br />
wie es damals höfischer Brauch war. Pie Schwester<br />
Ursula bekam von dem Nenninger drei Söhne: Hans,<br />
der später mit Richardis von Freyberg vermählt wurde,<br />
Wölflin, der in den Deutschorden eintrat und Anselm.<br />
Die Mutter Ursula v. H. verkaufte im Jahre 1388 mit ihrem<br />
Stiefbruder Friedrich von Magenbuch ihren Teil an der väterlichen<br />
Burg Holnstein, nämlich je ein Drittel des Turmes,<br />
des Hauses, der Scheuer und der Grundstücke, 1 /a des Gerichts<br />
zu Stetten samt Gütern zu Genkingen, Erpfingen,<br />
Hörschwag, Steinhilben, Meidelstetten, Mägerkingen und<br />
Wurmlingen bei Rottenburg. Schon 1399 war sie wiedervermählt<br />
mit Konrad Gremiich von Pfullendorf und verkaufte<br />
Güter zu Eberhardsweiler.<br />
Ihr Sohn Anselm von Nenningen wird etwa 1360<br />
geboren sein, studierte 1375 zu Prag Rechtswissenschaft, ist<br />
1382 Chorherr zu Wiesensteig, leiht 1383 dem Fritz von Westerstetten<br />
36 Gulden, ist mindestens seit 1392 Domherr zu<br />
Augsburg, 1407 Domkustos und läßt als solcher den Ostchor<br />
des dortigen Domes einwölben. Am 24. September 1414<br />
wählte ihn das Domkapitel zum Bischof, doch mußte er 1423<br />
nach einer stürmisch bewegten Regierung zurücktreten und<br />
starb 1428, wie auf dem Grabstein zu lesen steht, der im<br />
Kapitelssaal des Klosters Blaubeuren erhalten ist. Friedrich<br />
Zöpfl schildert sein kämpferisches Leben in seinem neuen<br />
Werk „Das Bistum Augsburg im Mittelalter" (1955, S. 360<br />
bis 379) und bringt ein Bild der Grabplatte S. 368. Ein<br />
Schwager Anselms war Heinrich von Hörningen (Herrlingen)<br />
dessen Schwester Ursula der Truchseß Jörg von Ringingen<br />
heimführte. Ein anderer Verwandter war Ital von Westernach,<br />
dessen Familie 1740 in Ringingen begütert ist. Wenn<br />
Zöpfl den Geschlechtsnamen der Bischofsmutter mit Holnstein<br />
oder Hollenstein wiedergibt, so ist letztere Lesart zu<br />
streichen, denn bei unsern Hölnsteinern an der Laudiert<br />
kommt der Name Anselm mindestens viermal vor. Der Bischof<br />
war seinem mütterlichen Großvater nachgetauft (Mitt.<br />
Hohz. 26, 12 ff). Wann die Mutter Ursula von Holnstein<br />
starb, scheint nicht überliefert zu sein.<br />
Dagegen sei noch erwähnt, daß Zöpfl im genannten Werk<br />
auch die aus Hohenzollern stammenden Augsburger Bischöfe<br />
Johann von Werdenberg und Friedrich von Zollern meisterhaft<br />
darstellt! J. A. Kraus.<br />
Annakapelle und Bruderschaft zu Veringenstadt<br />
Am 5. Oktober 1786 wurde vor dem Geistlichen Rat zu<br />
Konstanz verhandelt: Die kaiserliche Regierung von Freiburg<br />
habe am 4. September einen Schenkungsbrief der Anna<br />
Lacherin vom Jahre 1463 samt einem Reversbrief de anno<br />
1545 über Spende und Almosen an den vier Quatember in<br />
Betreff der (neulich) zu Veringenstadt aufgehobenen St.<br />
Anna-Bruderschaft hergeschickt. Dabei stellte sie das gehorsamste<br />
Ersuchen, weil die gestifteten 80 Pfund Heller an<br />
Reichswährung jetzt nur 53 fl 20 kr betragen, sei der Fond<br />
zur Bedeckung der jährlich bisher verausgabten 25 fl 52 kr<br />
für Stiftungsschuldigkeiten nicht genügend, reiche vielmehr<br />
bei 3V2 0/0 Zins nur für fünf Messen aus. Man solle also<br />
kirchlicherseits die Verbindlichkeiten auf fünf Messen herabsetzen<br />
und die gar wohl entbehrliche St. Annakapelle<br />
exekrieren und abbrechen, den Platz<br />
veräußern und den Erlös fruchtbringend anlegen.<br />
Man beschloß: Da nach der Stiftung vom J. 1545 der Fond<br />
nur 80 Pfund Heiler oder jetzt 53 fl 20 kr betrage, wovon<br />
nicht viermal vier Messen an den Fronfasten und ein abzusingendes<br />
Amt bezahlt werden könnten, weil ja für 16 Messen<br />
6 fl 24 angesetzt werden müßten and für 4 Aemter mit<br />
Almosen insgesamt 25 fl 52 kr. (nämlich dem Priester für die<br />
Aemter 1 fl 12 kr., den Choralisten 48 kr., dem Mesner 48 kr.,<br />
für Wachs 40 kr., den Armen 16 fl Summe 25 fl 52 kr.) und<br />
der Zins von obigen 53 fl der derzeit 1 fl 52 kr. betrage, so sei<br />
die Reduzierung auf 5 Messen angebracht. Nachdem die Annabruderschaft<br />
(noch nicht so lange) aufgehoben sei und zur<br />
Rettung der für sich entbehrlichen Kapelle kein<br />
Grund vorliege, könne man die Erlaubnis zur Entweihung<br />
dem Ortspfarrer geben und die Regierung in Freiburg<br />
entsprechend verständigen. (Erzb. Archiv Freiburg Ha<br />
251, S. 664).<br />
Reichten nun Kapelle und Bruderschaft bis 1463 oder nur<br />
bis 1545 zurück? Die Verehrung der hl. Anna nahm im 15.<br />
Jahrhundert einen großen Aufschwung. Die Kapelle lag auf<br />
dem Berg etwas oberhalb der Burg. Krs.<br />
Die Stammburg Bubenhofen stand im oberen Stunzachtal,<br />
das auch Bubenhofertal heißt, auf einem kleinen Hügel<br />
zwischen Rosenfeld und Binsdorf gegenüber der Parzelle<br />
„Neue Burg". Im Jahre 1275 ist dort eine Pfarrkirche genannt,<br />
die zum Weiler Bubenhofen gehörte, und noch 1487<br />
wurde ein Priester Nikolaus Witzmann aus Gammertingen<br />
auf die Pfarrei von Johann Caspar von Bubenhofen präsentiert.<br />
Um diese Zeit hatte das Geschlecht sich längst in<br />
Gammertingen und Grosselfingen eine neue Heimat gesucht.<br />
Es starb im Jahre 1814 mit Johann Wilhelm Freiherrn v. Bubenhofen<br />
zu Bamberg aus. Als erster der Familie erscheint<br />
um 1190 ein Volchard von Buwinhovin, welcher Name vielleicht<br />
auf einen Bauhof zurückgeht? Ueber das Geschlecht<br />
wäre zu vergleichen Kindler von Knobloch, Oberbad. GeschO<br />
echterbuch I, 172 und Zeitschr. für württb. Landesgesch.<br />
1937, S. 335—369. Hier möge eine Urkunde vom 5. Oktober<br />
1386 folgen, die eine deutliche Zersplitterung des Heimatbesitzes<br />
erkennen läßt, wie sie bei vielen Burgen vorkam.<br />
1386 Freitag nach St. Michaels Tag: Conrad von Bubenhofen,<br />
Sohn des Herrn (Ritters!) Wernher des<br />
älteren, verkauft an die Stadt Rosenfeld und die Gemeinde<br />
Isingen seinen Halbteil am Bann (Gemarkung)<br />
und Wald zu Bubenhofen mit Wasser und Weide,<br />
Wegen und Straßen um 100 Pfund Heller. Dagegen gehört<br />
nicht zum Verkauf sein Teil der Burg Bubenhofen, soweit<br />
die Gräben und der äußere Zaun um die Bomgärten umfassen.<br />
Und was jetzt Garten in dem Weiler B. ist, das<br />
soll alles Gartenrecht behalten. Ausgenommen vom Verkauf<br />
sind auch die Fischenzen (Fischereirechte). Der Verkäufer<br />
verpflichtet sich auch für seine Nachfolger, nicht über 24<br />
Stück Vieh zu halten, die dann in den Bann von Bubenhofen,<br />
Rosenfeld und Isingen zur Weide dürfen. Auch dürfen<br />
die späteren Käufer seines Burgteils zu Bubenhofen nur 24<br />
Stück haben, aber nur auf den Bann Bubenhofen, nicht mehr<br />
den Rosenfelds und Isingens fahren. Sollte Konrads Teil an<br />
der Burg an seinen Vetter Heinrich v. B, den Besitzer<br />
der anderen Hälfte oder dessen Erben kommen,<br />
so sollen sie in dieser jetzt verkauften Hälfte des Bannes<br />
nichts zu suchen haben. Will Konrad gen RosenfelJ ziehen<br />
und dort wohnen, so soll er dort mit Weib und Kind frei<br />
sein, solange sie unverändert (unverheiratet) sind. In den<br />
Verkauf willigt auch Konrads Frau Adelheid die<br />
Tanneckerin (Tanneck im bad. Amt Bonndorf) mit<br />
Tochter Anna für alle ihre Kinder und Geschwister ei/,<br />
da ihnen auf dem Landgericht zu Rottweil dieser genannte<br />
Teil vermacht worden ist. Neben Konrad siegelt auf ihre<br />
Bitten Burkart von Neuneck und Hans der
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 23<br />
Ewattinger. (Kopie von 1726: Heimatblätter vom oberen<br />
Neckar Mai 1933, S. 1540). Ueber die Bubenhofen zu Gammertingen<br />
usw. findet sich Material in der Geschichte der<br />
Stadt Gammertingen von J. Wiest. Krs.<br />
Karl Nehrlich in Hechingen<br />
In der „Zollerheimat" 1. Jahrgang (1932) Nr. 6 S. 32 bat<br />
das Deutsche Volksliederarchiv in Freiburg um Mitarbeit<br />
zur Aufklärung des Lebensweges von Karl Nehrlich. Es<br />
wurde darauf hingewiesen, daß Nehrlich um 1808 anscheinend<br />
einige Jahre als Hofzeichnungsmeister in Hechingen<br />
gelebt habe. Nun ergaben sich bei Durchsicht der Taufbücher<br />
konkrete Hinweise, daß Nehrlich während der angegebenen<br />
Zeit hier gewirkt hat. Es wurden ihm hier folgende 4 Kinder<br />
geboren: 1) Gustavus Crescens, geb. 24. 10. 1805; 2) Carolus<br />
Wilhelmus, geb. 12. 8. 1808; 3) Carolus Wilhelmus, geb. 14.<br />
4. 1810; 4. Augusta Maria Francisca, geb. 17. 1. 1814. Als<br />
Eltern werden angegeben: Dominus Carolus Nehrlich, Miniaturmaler,<br />
Sohn Martin Nehrlichs, Tuchhändler in Sachsen-<br />
Eisenach et Domina Susanna Maria nata Ritsch ex Helvetia.<br />
In dem unter 1) aufgeführten Gustav haben wir wohl seinen<br />
ebenfalls als Miniaturmaler bekannten Sohn zu erblicken.<br />
Karl Nehrlich, der Vater, benützte seine Hechinger Zeit u. a.<br />
dazu, für die durch Arnim und Brentano veranstaltete Volksliedersammlung<br />
„Des Knaben Wunderhorn" in 2V2 Jahren<br />
ca. 400 Liedtexte im Hechinger Raum zu sammeln und wurde<br />
damit zum erfolgreichsten Mitarbeiter an diesem bedeutenden<br />
Werk der deutschen Literaturgeschichte. F. St.<br />
Frauenkloster Gorheim, sowie Groggental, Villingen und<br />
Freiburg. Die vorderösterreichische Regierung zu Freiburg<br />
hatte sich am 20., 26. und 30. März 1782 an den Bischof von<br />
Konstanz wegen Abstellung der Gottesdienste und Verlegung<br />
der Stiftsmessen aus den aufgehobenen Frauenklöstern Groggental<br />
bei Ehingen a. D., Villingen, Freiburg und Gorheim<br />
bei Sigmaringen. Bezüglich des letzteren beschloß nun der<br />
bischöfliche Geistliche Rat in Konstanz am 27. April 1782:<br />
Da in diesem Kloster (Gorheim) meistens alte und bresthafte<br />
Klosterschwestern sich befinden, welche auf Lebenszeit<br />
beisammen gelassen zu werden wünschen, so möchte auf den<br />
Fall, wo sie die allerhöchste Gnad dahin erhalten würden,<br />
alles in statu quo (wie bisher) einstweil zu belassen sein. Im<br />
andern Fall aber wäre die Fortsetzung der Gottesdienste<br />
umso weniger notwendig, weil dahin niemand pfärrig ist<br />
und die Dienstleute ohnehin in die Pfarrkirche Laiz gehören,<br />
wo die Stiftungsmessen und Anniversaria dorthin übersetzt<br />
und mit der dortigen Kaplanei vereinigt werden könnten.<br />
Dabei ist wegen des Klosters Gorheim insbesondere noch<br />
zu erinnern, daß ehemals ein Weltpriester als Kaplan allda<br />
gewesen, der wegen seiner Pfründe die Erstfrüchte an das<br />
bischöfliche Siegelamt entrichten mußte. Diese Pfründe ist<br />
hernach aus bischöflicher Gnade dem zeitlichen Beichtvater<br />
zum Unterhalt überlassen worden, weswegen das Kloster<br />
Gorheim anstatt der Erstfrüchte jährlich einen Gulden ans<br />
Sigill-Amt zu bezahlen gehabt. Wenn dieses Benefizium<br />
daher nun dem Kaplan zu Laiz übertragen werden sollte,<br />
so wäre dafür zu sorgen, daß der Kaplan diesen jährlichen<br />
Gulden zu geben hat. (Erzb. Arch. Freiburg Ha 246, 181.)<br />
Hans A. Kraus.<br />
Die Hennensteinkapelle bei Trochtelfingen wäre im Jahre<br />
1789 beinahe abgerissen worden. Dies wäre umso mehr zu<br />
bedauern gewesen, als neuestens darin sehr alte Freskogemälde<br />
aus der Zeit der Ausmalung der Pfarrkirche gefunden<br />
wurden, die sich über beide Teile des Kirchleins erstrecken.<br />
Man hat nämlich irrig gemeint, der hintere Teil<br />
sei viel jünger. Am 3. September 1789 hat der Geistliche Rat<br />
zu Konstanz den Bericht des Trochtelfinger Dekans Engelhard<br />
beraten, wonach die Herrschaft Fürstenberg den Antrag<br />
gestellt hatte, die Kapelle auf dem Hennenstein zu<br />
demolieren. Heute wundern wir uns, was _'ie Obrigkeit damals<br />
auf diesem rein kirchlichen Gebiet sich anmaßte! De'<br />
Geistliche Rat antwortete: „Da die Kapelle konsekriert sei<br />
und auf solcher ein eigenes Benefizium hafte, auch auf<br />
Grund einer Stiftung wöchentlich eine hl. Messe daselbst<br />
gehalten werde, so lasse sich leicht voraussi :hen, daß das<br />
an die Besuchung der Kapelle gewöhnte Volk über die gfeplante<br />
Zerstörung einen großen „Miß-trost" fassen dürt" e,<br />
der in dem gegenwärtigen sehr kritischen Zeitpr i*t für die<br />
Ruhe der fürstenbergischen Lande umso bedenkli' ler werden<br />
könnte, als auch den Österreichs tien und andern G<br />
genden wirklich über die allgemeine Mißstimmung des Volkes<br />
mehrfach Daten vorliegen, welche eben auch aus Anlaß<br />
gesperrter und abgebrochener Kapellen entstand und ir gefährliche<br />
Gärung ausgebrochen ist. Die Besorgnis ähnlicher<br />
Aufstände, verbunden mit dem besonderen Verhältnis er-<br />
wähnter Kapelle, wolle daher die Demolition (Zerstörung)<br />
derselben als vollkommen untunlich darstellen, und könnte<br />
sofort auch von Ordinariats wegen darunter niemal mitgewirkt<br />
werden." (Erzb. Archiv Freiburg Ha 254, 537.) Die angedeuteten<br />
Unruhen herrschten vor allem in Dornbirn. Krs.<br />
Die Herren von Melchingen sind von Theod. Schön in den<br />
„Mitteilungen des Vereins für Geschichte Hohenzollerns, Jg.<br />
33, S 1 ff behandelt. Herr Studienrat Dr. Walter S t e 11 -<br />
n e r - Ebingen hatte die Freundlichkeit, einige Berichtigungen<br />
bzw. Ergänzungen zu schicken: Am 23. August 1429<br />
haben Jörg, Hans, Märklin von Haulfingen (Hailfingen), Gebrüder,<br />
sowie Wolf von Hailfingen, Auberlins sei. Sohn, um<br />
400 fl an Renhard von Melchingen ihren Teil des Zehnten zu<br />
Melchingen verkauft, so wie sie ihn von ihrem Vater<br />
(Vetter?) Conrad von Hailfingen selig als Lehen der Herrschaft<br />
Eberstein ererbten. Es siegelten die Aussteller, sowie<br />
Ruff von Gomaringen und Ruf von Ehingen. Am 3. November<br />
1448 hat dann der genannte Renhard von Melchingen<br />
Va des Kornzehnten und X U des Heuzehnten zu Melchingen<br />
von Johann und Bernhard den Grafen von Eberstein als freies<br />
Eigentum erhalten, worauf er am 16. Nov. diese Zehnten<br />
an die Martinskirche in Ebingen verkaufte. —• Der gleiche<br />
Heimatfreund berichtet auch aus einem Zinsregister der<br />
Nikolauspfründe Ebingen (Württbg. Reg. 8324) um 1420 von<br />
einem hellstainischen Jahrtag dieser Pfründe, die auf<br />
Laurentientag dazu 8 Schilling Heller empfing aus dem<br />
Hundshof zu Truchtelfingen, dessen Inhaber waren: Auberlin<br />
Waltz, Bernhard Reck, Peter Heinrich zu Truchtelfingen. Der<br />
Jahrtag dürfte wohl gestiftet gewesen sein für den edlen<br />
Conrad von Hölnstain, der 1419 in Ebingen ansässig<br />
war. Krs.<br />
1380 23. April Götz von Burladingen siegelt mit und für<br />
Ritter Berchtold v. Stein zum Rechtenstein, der der Heiligenpflege<br />
der Kirche U. Lb. Frau und St. Joh. Bapt. und<br />
S. Joh. Evang. des Dorfes Hundersingen (OA. Ehingen) bei<br />
Stadion für 1 Pfd. Hlr. seine Hofstatt mit Garten verkauft.<br />
Siegel abgef. (St. Arch. Stuttg. B. 163, Nr. 84.)<br />
Der Pfarrer von Dießen wollte am 10. Mai 1719 das Hofstättlein,<br />
worauf ehedem der Pfarrhof zu Bettenhausen<br />
gestanden, zu größerem Nutzen der Pfründe für<br />
20 fl verkaufen, wozu der Geistl. Rat in Konstanz seine Zustimmung<br />
gab. (Erzb. Arcb Freiburg, Ha 220, 303.) Bettenhausen<br />
ist jetzt Filiale von Leinstetten.<br />
Neu erschienen: Illustriertes Bestimmungsbuch für Wiesen- und<br />
Weidepflanzen. Teil B Sauergräser. 199 Abbildungen. Preis 9.80 DM.<br />
Zu beziehen vom Verfasser Rudolf Kiffmann (13b) Freising/Obb.<br />
Mit Hilfe des Buches können auch Nichtbotaniker Sauergräser und<br />
Binsengewächse leicht und sicher bestimmen.<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
24<br />
Weiler bei Tailfingen. Am 7. April (Montag) 1113 schenkte<br />
Walcho von Waldeck mit Zustimmung seiner Gattin Mächtild<br />
und seines Sohnes Gerung dem Kloster St. Blasien mit<br />
dessen Abt Rustenus all seinen Besitz, außer 3 Jauchert<br />
im Dorf Steina im Breisgau in Graf Hermanns Grafschaft.<br />
Er gibt auch alle Güter und Höfe, die er in den namentlich<br />
genannten Dörfern am Oberrhein und Südschwarzwald besitzt,<br />
sowie in Ebingen, Tagelfingen (Tailfingen)<br />
und Wiler in Graf Friedrichs Grafschaft (Mones<br />
Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins II, S. 195). Es<br />
handelt sich um den Grafen Friedrich von Zollern,<br />
und an Weiler erinnert noch das Weilertal mit<br />
dem oben entstandenen Neuweiler zwischen Tailfingen und<br />
Hausen im Killertal. Mit der Zugehörigkeit zur Grafschaft<br />
Friedrichs ist natürlich über die Besitzverhältnisse nichts gesagt.<br />
Krs.<br />
Alamannenfuncle in Frohnstetten sind im letzten Jahr erneut<br />
in Nähe der „Krone" gemacht worden. Ein älterer genauer<br />
Bericht über solche mit Abbildungen findet sich in<br />
Blättern des Schwäb. Albvereins IV, 1892, S. 41—42. Dabei<br />
wird auch in Nähe der Hülbe eine bis dahin unbekannte<br />
Quelle erwähnt, von der eine alte Wasserleitung mittels<br />
Tonröhren zur Gegend der Kirche und vielleicht weiter<br />
führte. Die Röhren waren etwa Va m lang und in der Mitte<br />
verdickt, ohne daß das Alter derselben festgestellt wäre.<br />
Eine ähnliche Röhrenleitung mit sehr schönen Muffen zur<br />
Verbindung der Einzelteile fand sich 1933 auch in Burladingen.<br />
Sie führte von der Quelle oberhalb der Straße nach<br />
Stetten in Richtung des ehemaligen Schlößle, wo im 16.<br />
Jahrhundert sicher ein Röhrenbrunnen stand, den der Zollergraf<br />
durch den Bildhauer verschönern ließ. Krs.<br />
Sigmaringendorf und Mehrerau. Am 3. Januar 1778 verhandelte<br />
der bischöfliche Geistl. Rat zu Konstanz die Bitte<br />
des Gotteshauses Mehrerau bei Bregenz um die Erlaubnis,<br />
den Zehnten zu Sigmaringendorf samt dem dortigen Kirchensatz<br />
(Patronatsrecht) an das Kloster Zwiefalten zu verkaufen.<br />
Aus dem Erlös wollten die Patres den höchst nötigen<br />
und von der Regierung aufgetragenen Kirchenbau finanzieren.<br />
Der Pfarrvikar, P. Columban Handegätinger zu Sigmaringendorf<br />
erklärte sich damit einverstanden. Man beschloß,<br />
dem Bischof davon Kenntnis zu geben und die Erlaubnis<br />
zu erteilen. Allein der Verkauf kam nicht zustande.<br />
Nach Aufhebung des Klosters 1806 nahm zuerst Bayern,<br />
und dann Oesterreich den Zehnten mit Patronat in Anspruch.<br />
Letzteres verkaufte beide im Jahre 1827 an das Fürstenhaus<br />
Hohenzollern-Sigmaringen.<br />
Weiler bei Tailfingen. Am 7. April (Montag) 1113 schenkte<br />
Walcho von Waldeck mit Zustimmung seiner Gattin Mächtild<br />
und seines Sohnes Gerung dem Kloster St. Blasien mit<br />
dessen Abt Rustenus all seinen Besitz, außer 3 Jauchert im<br />
Dorf Steina im Breisgau in Graf Hermanus Grafschaft. Er<br />
gibt auch alle Güter und Höfe, die er in den namentlich<br />
genannten Dörfern am Oberrhein und Südschwarzwald be-<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
Jahrgang lSfifl<br />
sitzt, sowie in Ebingen, Tagelfingen (Tailfingen)<br />
und Wiler in Graf Friedrichs Grafschaft<br />
(Mones Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins II, S. 195).<br />
Es handelt sich um den Grafen Friedrich von Zollern,<br />
und an Weiler erinnert noch das Weilertal mit dem<br />
oben entstandenen Neuweiler zwischen Tailfingen und Hausen<br />
im Killertal. Mit der Zugehörigkeit zur Grafschaft<br />
Friedrichs ist natürlich über die Besitzverhältnisse nichts<br />
gesagt. Kr.<br />
1380 23. April Götz von Burladingen siegelt mit<br />
und für Ritter Berchtold von Stein zum Rechtenstein, der<br />
der Heiligenpflege der Kirche U. Lb. Frau und St. Joh. Bapt.<br />
und S. Joh. Evang. des Dorfes Hundersingen (OA. Ehingen)<br />
bei Stadion für 1 Pfd. Hlr. seine Hofstatt mit Garten verkauft<br />
Siegel abgef. (St. Arch. Stuttgart B 163, Nr. 84.)<br />
Carl Schoy, der zweifache Doktor und Lehrerssohn aus<br />
Bittelschieß, Aratoist und Geograph, Philologe und Astronom,<br />
1955 hier gewürdigt von Jos. Mühlebach, hat eine späte<br />
Ehrung erfahren. Seine Grabstätte auf dem Friedhof in<br />
Meersburg, wo seine Urne beigesetzt ist, wurde von der<br />
Stadt Meersburg in Obhut und Pflege genommen. X. Sch.<br />
Die Urkunden betr. Eberhard von Burladingen von 1268<br />
und 1272, die H. Rischert in der letzten Nummer der Hohenz.<br />
Heimat nicht ausmachen konnte, finden sich im „Wirtenbergischen<br />
Urkundenbuch", Band 6 und 7, sowie in Lochers Regesten<br />
der Grafen von Veringen-Nellenburg in „Mitteilungen<br />
des Vereins für Geschichte Hohenzollerns, Band 3." Doch<br />
ist der Genannte in beiden nur als Zeuge aufgeführt. Krs.<br />
Zur Familie der Herren von Burladingen macht mich Dr.<br />
Stettner-Ebingen nochmal auf „Alemannisches Jahrbuch"<br />
1958 aufmerksam S. 174, wo Dr. Jänichen einen Aufsatz<br />
über die Landgerichte in Schwaben bringt. Jän. möchte im<br />
1307, 1309 und 1312 genannten Landrichter einen Sohn des<br />
anderen Gottfried von Burladingen sehen, was wohl richtig<br />
sei, wenn er Vertreter und Nachfolger des Swigger von<br />
Deggenhausen sei.<br />
St. Annakapelie Vilsingen. Das Protokoll des Geistl. Rates<br />
zu Konstanz berichtet unterm 15. Mai 1715: Der Herr Pfarrer<br />
von Gutenstein habe vor, das schon vorher gestandene und<br />
auch processionaliter besuchte Kapelichen St. Annae zu Vilsingen<br />
auf seine eigne Kosten von Grund auf neu zu bauen<br />
und zu erweitern. Der Herr Pfarrer zu Meßkirch aber habe<br />
sich dagegen gesperrt, weil dadurch der Wallfahrt zu Engelswies<br />
praejudiciert werde, weswegen auch schon ein Bauverbot<br />
abgegangen. Der Pfarrer von Gutenstein hat schon<br />
seine Beweggründe schriftlich eingeschickt, daß der Engeiswieser<br />
Wallfahrt kein Schaden geschehe. Darauf versuchte<br />
der Pfarrer von Meßkirch eine juristische Deduktion. Was<br />
weiter geschah, ist nicht ersichtlich. U. W. ist die kleine Kapelle<br />
erst um 1920 abgegangen. (Frbg. Ha 219, 100.) Krs.<br />
„An der Eyachquelle", Heimatbuch von Pfeffingen und Burgi fielen<br />
von Friedr. Wißmann, 558 S. auf bestem Papier mit vieier Glidern,<br />
1959, Verl. der Gemeinde Pfeffingen, gebunden 25 DM. Man<br />
muß staunen, wie die beiden kleinen Gemeinden, die jetzt eine<br />
prot. Pfarrei bilden, ein solch umfangreiches, ja überreiches Werk<br />
sich leisten konnten, das wohl im Tailfinger 1953 von H. Bizer ein<br />
Vorbild gehabt hat. Der Verfasser trug in echter Heimatliebe jahrzehntelang<br />
den Stoff zusammen und behandelt die Ortslagen, Geologie,<br />
Naturereignisse, Pflanzenwelt, Klima, Ort, Gemarkung, Vorgeschichte,<br />
Landnahme, fränkische und staufische Zeit, Schalksb<br />
u T g, Dorf und dörfl. Mensch, Maße, Kirchengeschichte, Schule,<br />
Freipirsch (wobei ihm der Aufsatz im Hohz. JHeft 1940 entging),<br />
Brauchtum, Mundart, Familienkunde, Politisches 19./20. Jahrhundert,<br />
Erinnerungen aus der Jugend, Gegenwart. Gelegentlich hätte man<br />
straffere Gestaltung und Unterabteilung gewünscht. Neben der<br />
Schalksburg mit ihren Schicksalen (108) interessiert vor allem die<br />
berühmte Kirche von Burgfelden. Ob die Töpfe im Malgrund (233)<br />
tatsächlich einen „Aufhängeapparat" der Bilder darstellen und nicht<br />
einfach die durch das Herausziehen der Gerüsthölzer entstandenen<br />
Mauerlöcher füllen sollten? Die Flurnamendeutung (74) wird gelegentlich<br />
Zweifel hervorrufen. Ist „Heim" als Zuchtstier schwäbisch?<br />
Und die Bede als Steuer? Ob tatsächlict Rottweil die Oberaufsicht<br />
der Freipirsch um Burgfelden (118) je hatte? Man bezweifelt auch,<br />
ob die Bewohner tatsächlich 1403 es begrüßten, württembergisch und<br />
1534 protestantisch zu werden! Die Bubenhägele heißen bei uns<br />
Bubennägele! Das morgendliche Gebetläuten heißt in diesen prot.<br />
Gemeinden heute noch (317) „Ofamärga" (= Ave Maria)-Läuten! Ein<br />
Vergleich mit den hohenzoll. Nachbargemeinden ist überaus reizend.<br />
Hatten Steinhofen, Thanheim und Bisingen an der Grenze gemeinsame<br />
Wälder? Eine Notiz über das hübsche neue Wappen von<br />
Burgfelden (schräg links verlaufende Zinnenmauer, über der ein<br />
Falke schwebt), fand ich nicht, wie es überhaupt schwierig ist, sich<br />
rasch zurechtzufinden! Pfeffinger Wappen S. 526. Ebringen im Breiseau<br />
S. 67 (nicht Ebingen), ebenda Inkelteswles = Engelswies. Krs.<br />
Die Klischees zu den Bildern Seite 3 und 7 stellte uns Herr Chri-<br />
stian Maute-Bisingen unentgeltlich zur Verfügung. Herzlichen Dank!
Hohenzollerlsche Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
10Y 3828F<br />
-Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 2 Gammertingen, April <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />
5. Kapitel (Fortsetzung.)<br />
Acht Tage waren seit dem Brand von Klein-Weildorf verflossen.<br />
Auf der Brandstätte hatten sich, vom Vogt zusammengerufen,<br />
die Bewohner Weildorfs versammelt. Es mußte<br />
wieder gebaut werden. Eine Brandversicherung gab es damals<br />
noch nicht, und man war auf die Hilfe des ganzen<br />
Dorfes, sowie auch die der Nachbarschaft angewiesen. Die<br />
Lehnherrschaft stellte nach altem Brauch das nötige Bauholz,<br />
in diesem Falle das Kloster Kirchberg, aus dem Klosterwald.<br />
Auf dem früheren Platz wieder Gebäude zu errichten, war<br />
niemand willens, besonders deshalb, weil an einen Wiederaufbau<br />
der Kirche nicht gedacht werden konnte, nachdem<br />
Gruol sowie die Oberstadt von Haigerloch eigene Pfarreien<br />
hatten.<br />
Auch die Wasserverhältnisse in Klein-Weildorf ließen<br />
schon längst zu wünschen übrig, und so einigte man sich<br />
auf Vorschlag des Vogts dahin, nicht gar weit des alten<br />
Wohnplatzes notdürftig Wohnungen zu erstellen, damit<br />
wenigstens bis zum Herbst alle wieder ein Obdach hatten.<br />
Die Ernte mußte, soweit sonst im Dorfe kein Platz vorhanden,<br />
im Freien gelagert werden. Dreschen konnten die Abgebrannten<br />
den Winter über in den Scheunen der Bauern<br />
von Groß-Weildorf.<br />
Dieser Beschluß, von den früheren Bewohnern Klein-<br />
Weildorfs einstimmig gefaßt, führte zum Bau des heute noch<br />
bestehenden Ortsteiles „Kleinhäusle".<br />
Der Vogt war bereits auf Kirchberg gewesen und hatte<br />
mit der Priorin Anna Juliana Kirscher über die Lieferung<br />
des Holzes verhandelt. Er fand größtes Entgegenkommen.<br />
Im „Altenhau" konnte das Bauholz geschlagen werden,<br />
außerdem ward Befreiung von allen dem Kloster als Lehnsherrschaft<br />
schuldigen Abgaben bis auf weiteres zugesagt.<br />
Auch die Kirchenverwaltung hatte nichts dagegen einzuwenden,<br />
daß die zu den Bauten erforderlichen Steine im<br />
„Holgenwald" gebrochen wurden. Die Bauleitung erhielt<br />
Maurer Kirn.<br />
Die Holzfällerarbeiten begannen, im Walde draußen wurden<br />
bei den Trichtergruben neue Steinbrüche angelegt.<br />
Doch der Menschen, die in Weildorf bis zur kommenden<br />
Ernte ernährt werden sollten, waren es zu viele. Mehr als<br />
vier Monate gings noch, bis der erste Flegeldrusch beginnen<br />
konnte. Dies wußten die Leute wohl, welche bei den<br />
Verwandten ein Unterkommen gefunden. An eine Versorgung<br />
von auswärts war nicht zu denken, und wenn im<br />
Dorfe selber das Brot ausging, mußten alle hungern. Daher<br />
gab es nur eins, um dieses Unheil abzuwenden, man mußte<br />
betteln gehen. Hand in Hand, die Kleinsten, welche kaum<br />
laufen konnten, nachschleppend, zogen die Kinder Weildorfs<br />
hinaus in die benachbarten Dörfer und flehten, ein Vaterunser<br />
betend, um Brot.<br />
Auch die älteren Männer und Frauen, die beim Bauen<br />
nicht mehr helfen konnten, wanderten Tag für Tag nach<br />
Kirchberg, wo eine Klostersuppe stets zu haben war. Ein<br />
hartes Los in alten Tagen, für Leute, die bisher nur das<br />
Geben und nicht das Nehmen gewohnt waren. Doch diese<br />
Not war noch zu tragen gegenüber dem Elend, das in jenen<br />
Zeiten einsetzte, wenn solch ein Brand im Herbst zum Ausbruch<br />
kam, wenn das Getreide noch ungedroschen in den<br />
Scheunen lagerte.<br />
Ende Mai 1566, ein Sonntagmittag. Der blinde Dominikus<br />
verließ, von seiner Schwester Barbara begleitet, den Saal-<br />
Bauern und Bettelleut!<br />
Erzählung von H. E g e r - Weildorf f<br />
hof von Weildorf, wo beide seit dem Brande weilten. Im<br />
ganzen Dorf war bekannt, daß der Blinde heute die Wallfahrt<br />
nach Einsiedeln antreten wollte, in jenen Zeiten immerhin<br />
ein Wagnis. Auch seine Schwester trug ein Bündel<br />
in der Hand, ebenso des Vogts Luzia. Die beiden Mädchen<br />
hatten, um wenigstens das Essen zu verdienen, in Kirchberg<br />
um Arbeit gebeten. Heute zogen auch sie dorthin.<br />
Auf Kirchberg wollte der Blinde übernachten und am andern<br />
Morgen, von der Kräuterannl abgeholt, weiterwandern.<br />
Als treuer Reisebegleiter folgte des Blinden Hund.<br />
Nochmals betraten die Scheidenden die ausgebrannte<br />
Kirche, nochmals den Kirchhof, wo die Mutter schlief und<br />
an ihrer Seite ein frisches Grab, das die aus Schutt und Asche<br />
geborgenen Ueberreste des Vaters barg. Weinend zogen sie<br />
dann über das Trümmerfeld Klein-Weildorf, vom ganzen<br />
Dorf begleitet, dem Walde zu.<br />
Bei der mächtigen Eiche, dem alten Spielplatz der Weildorfer<br />
Jugend, nahm man Abschied. Der blinde Dominikus<br />
lehnte sich, von seinem Freund Gabriel geführt, an den<br />
Stamm des Riesenbaumes, nahm seine Geige zur Hand und,<br />
von seiner herrlichen Stimme begleitet, hallte sein Abschiedslied<br />
im Walde wieder.<br />
Der Blinde sang:<br />
Einst sah ich Blumen blühen, Aehren sprießen,<br />
des Herbstes bunte Pracht, des Winters Eis und Schnee,<br />
Im Wiesengrund das klare Bächlein fließen.<br />
Sah auf der Menschen Antlitz Freud und Weh.<br />
Ich sah der Sonne Glanz, des Mondes Silberschein,<br />
der Sterne Licht am dunklen Himmelszelt;<br />
da brach die Krankheit über mich herein.<br />
In Nacht und Trauer liegt vor mir die Welt.<br />
Jetz zieh ich fort, zu halten ein Versprechen,<br />
das ich in höchster Not und Angst gegeben.<br />
Der Himmel helf, es wäre ein Verbrechen,<br />
war ich nicht dankbar für ein Menschenleben.<br />
Lebt wohl, ihr treuen Schwestern, guten Brüder!<br />
Wir müssen lange voneinander gehen.<br />
Schau ich die Erdenheimat nicht mehr wieder,<br />
Im Jenseits gibts ein ewig Wiedersehen.<br />
Still weinten die Leute vor sich hin, laut aufschreiend<br />
schlang, als das Lied beendet, Luzia ihre Arme um den Hals<br />
des schönen Blinden, der ihr das Leben gerettet und jetzt<br />
fortzog in die ferne Schweiz, der Himmelsmutter Dank zu<br />
sagen.<br />
Doch Dominikus wehrte ab: „Luzia, ich tat es gern, denn<br />
ihr ward immer so lieb und gut zu mir. Laßt uns jetzt weitergehn."<br />
Alle kamen herbei und ergriffen die Hände des<br />
Scheidenden. Auch die Kinder, welche der Blinde so oft mit<br />
seinem Geigenspiel und Gesang erfreut, legten, von der allgemeinen<br />
Trauer erfaßt, schluchzend ihre Händchen in die<br />
Hand des lieben Musikanten.<br />
Nur Gabriel begleitete die drei bis zum Klostertor von<br />
Kirchberg, welches damals noch auf der Ostseite angebracht<br />
war, jetzt aber schon lange zugemauert ist.<br />
Ein letzter, langer Händedruck dem treuen, guten Freund,<br />
und das Tor, vom Schaffner längst geöffnet, schloß sich hinter<br />
ihnen und dem Hunde.<br />
Im Kloster fanden die Weildorfer freundlichste Aufnahme.<br />
Die Ordensfrauen, welche kaum zwei Jahre früher, 39 an der<br />
Zahl, aus ihrer früheren Heimat Pforzheim vertrieben wurden<br />
und am 19. und 25. September 1564 bei Nacht und Nebel<br />
nach Kirchberg kamen, wußten das Leid und Wehe der Gäste<br />
zu würdigen. Auch sie waren einst obdachlos gewesen und<br />
standen, um Einlaß bettelnd, vor Kirchbergs Klosterpforte.
26 HOHZNZOZ.L1SRISCHE UEtHAT T&fargaiig <strong>1960</strong><br />
Am andern Morgen, kaum graute der Tag, stellte sich die<br />
Kräuterannl ein, welche vorher noch ihre Salben und heilsamen<br />
Kräuter in die Klause der Dominikanerinnen in Weildorf<br />
gebracht, wo sie von jedermann im Bedarfsfall geholt<br />
werden konnten.<br />
Bevor die beiden Wallfahrer den Klosterhof verließen,<br />
überreichte die Priorin Anna Juliana Kirscher der Begleiterin<br />
des Blinden noch ein mit dem Prioratssiegel versehenes<br />
Begleitschreiben mit der Weisung, fall sie auf der Reise in<br />
Not geraten zu einem Kloster kommen, sollen sie dies Schriftstück<br />
vorweisen. In dem Pergament waren die Frau, der Blinde<br />
und sein Hund der Barmherzigkeit empfohlen. Das anhängende<br />
Wachssiegel trug die Inschrift: Sigillum prioratus in Kilperge.<br />
Das Siegelfeld zeigte eine gekrönte Madonna mit<br />
dem Kind und eine betende männliche Gestalt. Mit herzlichem<br />
Dank für alles Gute und dem Versprechen, in Einsiedein<br />
des Klosters im Gebete zu gedenken, verließen sie in<br />
der Richtung gegen Zimmern die gastliche Stätte. Luzia und<br />
Barbara gaben noch ein Stück weit das Geleite, dann kehrten<br />
auch sie ms Kloster zur Arbeit zurück.<br />
Einsam zogen die beiden unter Begleitung des Hundes ihre<br />
Wege. Die kräuterannl führte den Blinden an der Hand.<br />
Mitleidige Bücke folgten den zwei, der stolzen Mutter und<br />
dem schonen armen Sohn, wie sie meinten. Als Mutter und<br />
Sohn wurden sie uberall aufgenommen, und wenn Dominikus<br />
spielte und sang:<br />
O, seid nicht hart und habt Erbarmen,<br />
mit einem Blinden, der um Gaben fleht;<br />
der liebe Gott, er will, daß in dem Armen<br />
ihr einen Boten von dem Himmel seht,<br />
dann gab es Brot und anderes, was für des Lebens Unterhalt<br />
von Nöten, wieder auf mehrere Tage.<br />
Nur langsam kamen sie vorwärts, denn die Begleiterin war<br />
vorsichtig und schlug nur solche Wege ein, die sicher waren,<br />
auch wenn sie große Umwege zu machen hatten. Eine leibliche<br />
Mutter konnte kaum liebender für ihr Kind sorgen, als<br />
es die Annl für den Blinden tat.<br />
Für die Wanderschaft tat auch der Geleitsbrief vom<br />
Frauenkloster Kirchberg gute Dienste, besonders für die<br />
nächtliche Herberge. Anfangs Juli war es geworden, als die<br />
Wallfahrer endlich in Einsiedein anlangten. In der Klosterwirtschaft<br />
fanden sie Unterkunft und Verpflegung. Geld besaßen<br />
die Gäste genügend, denn wenn sie betteln mußten,<br />
gab es da und dort als Gabe blanke Münzen.<br />
Da ihre Ankunft am Abend erfolgte, konnten sie erst andern<br />
Tags den Gnadenort besuchen.<br />
Von seiner treuen Beschützerin hingeführt, warf sich der<br />
Blinde in tiefem Dank an den Stufen des Altares nieder zu<br />
stillem Gebet. Auch die Kräuterannl, die von ihren Lebensschicksalen<br />
ganz verbittert, kaum mehr ihre Hände zum Gebete<br />
gefaltet, kniete neben ihrem Schützling nieder.<br />
Der Blinde nahm seine Geige auf und sang sein Lieblingslied<br />
durch die weiten Räume des Gotteshauses. Ave maris<br />
Stella dei mater Alma klang aus den Hallen der Gnadenkirche<br />
wieder.<br />
Besonders flehend wurde sein Gesang bei der Strophe:<br />
„Sünder Heil laß finden, sehend mach die Blinden,<br />
nimm uns unser Wehe, alles Gut erflehe."<br />
Staunend hatte ein Besucher des Gotteshauses dem schönen<br />
Spiel und Gesang zugehört. Als dann nach einiger Zeit<br />
die Kräuterannl mit ihrem Schützling an der Hand die<br />
Kirche verließ, stand der Fremde am Portal, hielt die beiden<br />
an und fragte: „Mutter, was fehlt eurem Sohn, dessen wunderbarem<br />
Lied ich eben gelauscht?"<br />
„Herr, er ist blind", gab die Annl Auskunft.<br />
„Von Geburt oder erst später erblindet?", war die weitere<br />
Frage des vornehmen Mannes, und dabei schaute er Dominikus<br />
prüfend in die Augen. Dieser antwortete selber: „Vor<br />
fünf Jahren bin ich durch Krankheit blind geworden."<br />
„Kannst du gar nichts mehr sehen?"<br />
„Nur noch einen ganz leichten Schein."<br />
„Woher kommt ihr und warum seid ihr hier?" fragte der<br />
Fremde weiter.<br />
Die Gestalt der Kräuterannl reckte sich. Der Ausfrager<br />
wurde ihr lästig, und in ihre dunklen Augen trat jenes Feuer,<br />
das die Banditen in Schach gehalten. Doch der Mann, welcher<br />
ihr gegenüberstand, hielt den Blick aus und sagte: „Ich<br />
mein es nur gut mit euch beiden, ihr könnt mir ruhig vertrauen."<br />
Dominikus erzählte, daß sie vom fernen Schwabenland<br />
kommen und er hier ein Versprechen zu erfüllen habe, das<br />
er in höchster Drangsal gegeben.<br />
„Habt ihr keine Hoffnung mit dieser Wallfahrt verknüpft,<br />
daß die Mutter Gottes von Einsiedeln auch in eurer Not<br />
helfe, denn es schien mir vorhin, als ich das fromme Lied<br />
hörte, in dem es heißt,, „sehend mach die Blinden", daß ihr<br />
der Himmelsmutter auch euer Leid klagen wollt und Heilung<br />
von der Blindheit hofft?"<br />
„Ja, dies schon, wenns Gottes Wille wäre", sagte bescheiden<br />
Dominikus.<br />
„Dann mein ich doch, die Muttergottes von Einsiedeln hat<br />
uns zusammengeführt", sagte hierauf der Fremde. —<br />
Der, welcher sich um die beiden armen Leute, die schöne<br />
stolze Mutter und ihren blondlockigen Sohn, wie er meinte,<br />
vor dem Kirchtor des Gotteshauses von Einsiedeln bekümmerte,<br />
war auf dem Gebiet der ärztlichen Wissenschaft wohl<br />
der Größte seiner Zeit, Felix Platter, der Anatom von Basel.<br />
„Wenn euch die Reise nicht zu beschwerlich, wandert zu<br />
mir nach Basel, vielleicht kann ich noch helfen", setzte der<br />
Arzt sein Gespräch fort: „Kommt ihr dort hin, so fragt nach<br />
der Hochschule und dem Meister."<br />
„Herr, wir sind arm und können nichts bezahlen. Das<br />
Zehrgeld hierher verdiente Dominikus mit dem Geigenspiel"<br />
sagte Annl."<br />
„Dies braucht euch nicht zu kümmern, von armen Leuten<br />
nehm ich nichts, ich habe noch andere Kunden, und damit<br />
ihr mir nicht mißtraut, will ich euch ein paar nennen, die<br />
Herzöge von Lothringen und Sachsen, die Markgrafen von<br />
Baden und Brandenbarg and aus euerem schönen Schwabenland<br />
die Herzöge von Württemberg."<br />
Die Kräuterannl, deren letzte Bedenken jetzt zerstreut<br />
waren, sagte zu, sie wollten nach 8 Tagen, von Einsiedeln<br />
aus, den Weg nach Basel antreten.<br />
„Bis dahin bin auch ich wieder zu Hause", sprach Dr. Platter<br />
und verabschiedete sich mit den besten Wünschen für die<br />
Reise.<br />
Die beiden Wallfahrer kehrten nochmals ins Gotteshaus<br />
zurück. Ein neuer Hoffnungsstern war ihnen durch das Gespräch<br />
mit dem freundlichen Mann aufgegangen, und hiefür<br />
mußten sie der Himmelsmutter danken. —<br />
Durch das Geigenspiel und den Gesang des schönen jungen<br />
Mannes aufmerksam geworden, erkundigte sich auch der damalige<br />
Abt von Einsiedeln, Joachim Eichhorn, nach den Verhältnissen<br />
der Wallfahrer und vernahm hocherfreut, daß sie<br />
vom Land der Herren von Zollern kommen, deren Sproß St.<br />
Meinrad gewesen.<br />
Als sie erzählten, ihr Weg führe von da nach Basel zum<br />
Meister der dortigen Hochschule, empfahl der Abt dringend,<br />
dorthin zu gehen. Dem Geleitbrief des Klosters Kirchberg<br />
fügte er ein Schreiben bei ans Kloster Muri, das an ihrem<br />
Weg nach Basel lag. Vom Kloster reich mit Lebensmitteln<br />
versorgt, verließen die Wallfahrer acht Tage später die<br />
Stätte, wo sie soviel Liebe und Trost gefunden.<br />
Hand in Hand wanderten die beiden über schlechte Wege<br />
und dunkle Wälder langsam fort der Stadt Zug entgegen.<br />
Noch waren sie kaum 4 Stunden unterwegs, als sie auf<br />
engem Gebirgsweg von einem Mann angehalten wurden, der<br />
um ein Stück Brot bat. „Wir haben selber noch eine weite<br />
Reise vor und sind arm, doch etwas kann ich geben. Damit<br />
nahm Annl den Sack, der ihre Vorräte enthielt, von der<br />
Schulter, um ihn zu öffnen. Schnell griff der Bettler zu und<br />
entriß ihr den Sack, um damit im Walde zu verschwinden.<br />
Mit einem Satz sprang ihm jedoch 1er Wolfshund des Blinden<br />
nach, den der Dieb vorher nicht beachtet, und riß den<br />
Fliehenden nieder. Der Hund hätte ihm die Kehle durch- *<br />
bissen, wenn die Kräuterannl nicht schnell hinzugeeilt wäre.<br />
Heulend lief er, von dem Hund befreit, davon, so daß Annl<br />
den Sack wieder aufnehmen und mit dem Blinden an der<br />
Hand, der kaum ahnte was geschehen, weiterwandern konnte.<br />
Nach drei Tagen erreichten sie das Kloster Muri. Dem<br />
Schaffner an der Klosterpforte zeigte die Annl den Geleitbrief<br />
des Abts von Einsiedeln, und der damalige Abt von<br />
Muri, Hieronymus Frei, verfügte die unentgeltliche Verpflegung<br />
der Gäste vom Schwabenland in der Klosterherberge.<br />
Sie alle hatten damals noch keine Ahnung davon, daß kaum<br />
anderthalb Jahrhunderte später der Fürstabt von Muri, Besitzer<br />
der Herrschaft Glatt, nicht fern der Heimat der Gäste,<br />
werden sollte.<br />
Zwei Tage verbrachten die Wanderer in der Herberge,<br />
denn Dominikus hatte das unsichere Gehen auf den schlechten<br />
Wegen sehr ermüdet, dann zogen sie wieder weiter<br />
Aarau zu. Es dauerte aber immerhin noch zehn Tage, bis die<br />
Stadt Basel erreicht war.<br />
Bald wußte die kluge, unerschrockene Führerin des Blinden<br />
Bescheid, und in der Hochschule anj, kommen, wurden<br />
sie von Dr. Platter aufs herzlichste begrüßt.<br />
In den Gebäuden der Schule schaffte der Meister Unterkunft<br />
für beide.<br />
Gleich andern Tages nahm der berühmteste Arzt seiner<br />
Zeit die Behandlung bei dem blinden Dominikus auf.<br />
(Fortsetzung folgt.)
Jahrgang <strong>1960</strong> HÖHENZOLL ERISCHE HEIMAT 27<br />
Die Passion des Herrn in den Kunstwerken des Bezirks Haigerloch<br />
Haigerloch. Unschätzbar ist die kulturelle und<br />
religiöse Bedeutung vieler alter Wallfahrtsorte<br />
und Kunstdenkmäler unserer hohenzollerischen<br />
Heimat. Wenn sie auch nie ein Kulturzentrum<br />
mit weit ausstrahlender Wirkung war, so besitzt<br />
sie doch Kunstwerke aus fast allen Bauepochen<br />
der Geschichte. Unsere engere Heimat ist von<br />
diesen alten Zeugen einer glaubensgroßen Vergangenheit<br />
besonders gesegnet, und die Kunstwerke<br />
im Raum Haigerloch sind vor allem von<br />
den reifen Formen der Gotik und des Barock bestimmt.<br />
Die gegenwärtige stille Zeit möge uns<br />
Anlaß geben für einen Rundblick zu diesen<br />
Kunststätten, die das Volk seit Jahrhunderten<br />
schätzt und verehrt und die es wert sind, auch in<br />
unserer Zeit wieder mehr in den Gesichtskreis<br />
gerückt zu werden.<br />
Dies scheint umso notwendiger, weil wir in unserer so<br />
ruhelos bewegten Welt und vor lauter Augenblicksinteressen<br />
vielfach achtlos und ohne Ehrfurcht an ihnen vorübergehen,<br />
uns dieser Werte nicht immer bewußt sind und die jahrhundert<br />
alte segensreiche Verbindung zu ihnen immer mehr<br />
lösen. Dabei wissen wir aus alten Funden und Schriften,<br />
welche Bedeutung schon vor Jahrhunderten der Karwoche<br />
im Ablauf des Jahres auch außerhalb der kirchlichen Gottesdienste<br />
zugemessen wurde. Die Leidensgeschichte des Welterlösers<br />
hat in ihrem ganzen Ablauf vom letzten Abendmahl<br />
bis zum Kreuzestod und der Grablegung das Schaffen<br />
und Wirken der Künstler aller Bauepochen inszeniert, und<br />
die Erinnerung an das Heilsgeschehen fand in vielen Bräuchen,<br />
Bildern, Plastiken und anderen Formen seinen Niederschlag.<br />
Hierbei haben es vor allem die Künstler der Gotik zu großer<br />
Meisterschaft gebracht. Das Wirken der Bettelorden und<br />
die glühende Gottessuche der Mystiker bereiteten damals den<br />
Boden zu einer realistischen Kunst. Aus ihren Predigten und<br />
Legendensammlungen entstanden neue Bildinhalte. Die gotische<br />
Plastik stellt den Gekreuzigten in aller Furchtbarkeit<br />
des Martertodes dar. Auf dem Antlitz Christi liegen Pein<br />
und Not. Die Gotik will den Menschen am Leiden teilnehmen<br />
lassen und die Größe des Erlösungswerkes in seinem ganzen<br />
Ausmaß darstellen. In dieses Stilempfinden gehört auch die<br />
gotische Pietä. Sie ist eine Komposition gramerfüllter Klage<br />
und Trauer. Die Künstler warer. fähig, starke Gefühlskraft<br />
in ihre Werke zu legen. Sie wurde vom Volke erwidert, das<br />
Mater Dolorosa - Schloßkirche Haigerloch Foto Weber<br />
von Jo?ef Schneider<br />
Triumpfkreuz in der Schloßkirche Haigerloch<br />
Foto Marburg<br />
diese Bildwerke aufnahm und verehrte. Daher auch die Vielzahl<br />
dieser Bilder auf Grab- und Kriegerdenkmälern und<br />
Bildstöcken.<br />
In unserer Heimat nehmen eine ganze Anzahl bedeutender<br />
gotischer Kunstwerke auf die Leidensgeschichte Bezug. In Haiderloch,<br />
dem kunstreichen Mittelpunkt Hohenzollerns, ist eine<br />
Reihe ergreifender Bildwerke, die seit Jahrhunderten vom<br />
gläubigen Volk verehrt werden und durch die glücklich durchgeführten<br />
Renovationsarbeiten wieder zu neuen Ehren kamen.<br />
Hoch über dem Chorgitter der Schloßkirche mit seiner ornamentalen<br />
Klarheit schwebt das monumentale Triumpfkreuz,<br />
gleichsam den Sieg des Kreuzes über Nacht und<br />
Tod verkündend. Dieses Kreuz stammt aus dem 15. Jahrhundert.<br />
Zu seinen Füßen steht das ergreifende Bildnis der<br />
Mater Dolorosa, die 1755 von dem begabten Haigerlocher<br />
Bildhauer Weckenmann geschaffen wurde Dieses Bildnis<br />
mit seiner eindringlichen Aussage und Empfindsamkeit<br />
ist die einzige Darstellung dieser Art der schmerzhaften<br />
Mutter Gottes im Bezirk Haigerloch. Nur liebevolle Versenkung<br />
in die Seelengröße Mariens konnte die Idee eines<br />
solchen Bildes schaffen, nur höchstgesteigerte Anteilnahme<br />
an ihrem Leid die Künstlerhand führen. Jahr für Jahr bildet<br />
dieses Bildnis den Mittelpunkt der großen Wallfahrt am<br />
Schmerzensfreitag. Von bedeutendem Kunstwert ist auch die<br />
aus dem 15. Jahrhundert stammende Pietä in der Unterstadtkirche,<br />
welche nach der Renovation auf dem linken<br />
Seitenaltar einen neuen Ehrenplatz erhielt. Andachtsstimmend<br />
und zur beschaulichen Betrachtung ist auch der neue<br />
Kreuzweg, welcher im vergangenen Jahre beschafft wurde.<br />
Fast wird man auch hier erinnert an das Wort Paul Wilhelm<br />
Kepplers, das dieser einmal für Weggental prägte:<br />
„Der besondere Seelenmagnet dieser Wallfahrtsstätte ist das<br />
Leid der Schmerzensmutter; Leid weckt Leid, Leid lockt Leid<br />
und Leid ruft dem Leid ..." Dies trifft für Haigerlochs Wallfahrtsstätten<br />
in vollem Umfange zu. Ein Blick gilt hier auch<br />
der Kreuzigungsgruppe an der St. Annakirche. Bevor man<br />
Haigerloch verläßt, wird man es auch nicht versäumen, der
28 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />
Der kreuztragende Christus - Weilerklrche Owingen<br />
Foto Weber<br />
Rekonstruktion des Leonardo-Abendmahls in der evangelischen<br />
Kirche zu besuchen. Derjn mit dem Abendmahl begann<br />
die Passion, und sie erhielt ihre Fortsetzung im Garten<br />
Gethsemanl. Diese Darstellung finden wir über dem Baigei-locher.<br />
Kriegerdenkmal an der Schloßkirche, und wir finden<br />
sie noch ergreifender am Hochaltar der Friedhofskapelle in<br />
Gruol, einem der ältesten Kunstdenkmäler Hohenzollerns.<br />
Man hat beim Betreten dieses trauten Kirchleins den Eindruck,<br />
als schließe sich hier der Kreis des ganzen Leidens,<br />
denn von den hauptsächlicnsten Stationen des Leidens finden<br />
sich hier Darstellungen. Es ist dies neben dem aus dem<br />
Kloster Binsdorf stammenden Oelberg eine Darstellung des<br />
Gegeißelten aus der nachgotischen Zeit, aus dei' Mitte des 18.<br />
Jahrhunderts, auf dem Seitenaltar eine weitere solche Darstellung<br />
und naturgetreue Nachbildung aus der Wieskirche,<br />
das Kreuz mit Maria und Johannes über dem Chorbogen<br />
aus der Zeit der Hochgotik Mitte des 15. Jahrhunderts und<br />
schließlich der ergreifende Mittelpunkt des Kirchleins, die<br />
aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammende Pietä. Dieses<br />
Bildnis, ein echtes Kind der Gotik, war im späten Mittelalter<br />
Ziel einer großen Volkswallfahrt, welche ihre Kreise<br />
bis ins Neckargebiet zog. Die Darstellung ist so innig und<br />
klageeerfüllt, daß man sich das Vertrauen der Bevölkerung<br />
zu diesem Gnadenbild leicht erklären kann, Das Vesperbild<br />
stammt sicher noch aus der Entstehungszeit des Kirchleins,<br />
einer Stiftung der Grafen von Hohenberg und im Erbauer<br />
der Haigerlocher Schloßkirche Graf Christoph und seiner<br />
frommen Gemahlin Katharina von Welsperg und Primo<br />
warmherzige Förderer hatte. Bildhauer Klink, der Vater des<br />
verstorbenen Pilgrim-P.farrers renovierte das Bild vor einigen<br />
Jahrzehnten, und seitdem steht es immer noch im Mittelpunkt<br />
der Verehrung,<br />
Hören wir, was der Melchinger Ortspfarrer Waldenspul<br />
über die Kirchberger Pietä, welche heute noch in der<br />
Klosterkirche zu sehen ist, sagt: „Es ist, als ob der Meister<br />
dieses Werkes, die Muttergottes im Augenblicke ihres größten<br />
Heldenkampfes im Palmenstande ihrer seelischen .Kräfteentfaltung<br />
geschaut, in ihrer mütterlichen Hingabe an den<br />
Sohn geistige Labung gefunden und in ihrem Starkmut<br />
selbst Seelenstärke gefunden hätte .. " Von dem Bildnis, das<br />
bezüglich seines seelischen Gehalts seinesgleichen sucht, berichten<br />
Zeitgenossen, daß man es mehrmals weinen sah, wie<br />
das andere Bild, das über Wurmlingen nach Rottenburg kam<br />
und dort heute noch zu sehen ist, Das Bildnis, das durch den<br />
herabhängenden Arm viel Aehnlichkeit mit dem Haigerlocher<br />
Vesperbild hat, stammt aus dem 15. Jahrhundert und gehört<br />
dem Oberrheinischen Kunstkreis an.<br />
In Gruol finden wir in der Nähe des Pfarrhofes eine<br />
Barock-Kreuzigungsgruppe, welche von der Familie Münzer<br />
gestiftet wurde, und auch in, der Heiligkreuzkapelle ist noch<br />
ein wertvolles altes Kreuz, das mehrere Jahrhunderte alt<br />
ist, vorhanden.<br />
Ein Höhepunkt: »Mc O w i n g e r W c i I e r k i r c h e<br />
Wer Kunstwerke sucht, wer sich durch sie in das Leiden<br />
Christi versenken will, darf es nie versäumen, die Weilerkirche<br />
in Owingen, dem letzten Resl der abgegangenen Siedlung<br />
Oberowingcn, zu besuchen. Sinnend steht man vor dem<br />
romanischen Portal, rechts davon das alte, bemooste Steinkreuz,<br />
vermutlich eine Weckenmann'sche Arbeit. Wer durch<br />
das Gitter das Langhaus betritt, dessen Blick wird unwillkürlich<br />
an der alten gotischen Holzplastik des kreuztragenden<br />
Christus haften, ein Bild, das die Grausamkeit<br />
und das Menschliche des Leidens öffnet und einen Kunstgriff<br />
bester Form darstellt. Zu Tausenden ist das Bild auch<br />
auf Trauerbildchen und Gebetsandenken verbreitet. Ortspfarrer<br />
Riegger, der sich das Kirchlein sehr angelegen sein<br />
läßt, hat dieser Plastik, die vorher in der Pfarrkirche war,<br />
bei der Renovation wieder einen Ehrenplatz gegeben. Zur<br />
anderen Seite steht in unmittelbarer Beziehung zum Kreuzweg<br />
auch die B e w e i n u n g sg r ü p p e mit einer ebenfalls<br />
erschütternden Aussage, Wie der Kreuztragende stammt<br />
diese Gruppe ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert. Johannes,<br />
umgeben von vier Frauen, hilft clie zusammenbrechende Gottesmutter<br />
stützen.<br />
Durch den Chorbügen, der den schlichten, mit einer Hokdecke<br />
versehenen Innenraum beherrscht, geht der Blick zum<br />
Hochaltar mit dem spätgotischen Kreuz als dem<br />
Höhepunkt, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das gedämpfte<br />
Licht des Langhauses gleitet hier in aufdringliche<br />
Helle über und läßt diese Gruppe überaus gut und ansprechend<br />
zur Wirkung kommen. Während man sich anschickt,<br />
diese alte Glaubensstätte, von welcher der derzeitige<br />
Pfarrer von Owingen so schön sagt, daß sich hier das wertvolle<br />
Alte pietätvoll mit dem Neuen verbindet, gleitet unser Blick<br />
noch zum alten Vesperbild, das ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert<br />
stammt und lange Jahre seitlich des Kreuzes angebracht<br />
war. Im Zuge der Renovation erhielt es Aufstellung<br />
am Hochaltar. Diese Renovation, welche Fehler der Vergangenheit<br />
korrigierte, hat die Weilerkirche zu einer beschaulichen<br />
Andachtsstätte gemacht.<br />
Nicht erschöpft sind die Darstellungen der Leidensgeschichte,<br />
wenn wir über den Rahmen dieser Betrachtung<br />
hinausgreifen und auch den alten Volksandachtsstätten, vor<br />
allem den Kreuzwegstationen, einen Ehrenplatz einräumen.<br />
Wir denken hier an Loretto und an Höfendorf, und ein Akt<br />
dankbarer Pietät ist es auch, des Kunstmalers Pfister aus<br />
Gruol zu gedenken, dessen Pietä von der Gesellschaft für<br />
christliche Kunst erworben wurde. Auch er hat einen Kreuzweg<br />
gemalt. Mögen alle diese Werke uns zu mehr Ehrfurcht<br />
vor den großen Meistern und unserer glaubensgroßen Vergangenheit<br />
zwingen, unser Sinnen und Trachten, das doch so<br />
sehr säkularisiert ist, immer 'wieder an die Existenz einer<br />
höheren Wirklichkeit erinnern. Mögen sie dem Leidtragenden<br />
und Niedergebeugten sagen: „Im Kreuz ist Heil, und<br />
alles Leid endet im Jubel und Triümpf des Auferstehungsmorgens."<br />
So gesehen, haben diese Werte neben ihrer kulturellen<br />
Bedeutung vor allem ihren tiefen religiösen Sinn.<br />
Beweinungsgruppe - Weilerklrche Owingen<br />
Foto Jos. Schneifler.
iTqhrgang i960 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 29<br />
Eröffnung der Killertalbahn am 17. März 1901<br />
Am Sonntag, den 17. März 1901 fuhren etwa 120 geladene<br />
Gäste in sechs mit Fähnchen und Gewinden gezierten Wagen<br />
unter Vorspann von zwei Lokomotiven von dem festlich geschmückten<br />
„Kleinbahnhof" in Hechingen ab. Die Fahrt war<br />
von herrlichstem Frühlingswetter begünstigt. In Schlatt<br />
wurde der Zug von der Bevölkerung und der Schuljugend<br />
freudig begrüßt. Vogt Schuler (so hieß bis 1901 im altzollerischen<br />
der heutige Bürgermeister!) hielt im Namen<br />
der Gemeinde eine begeisterte Ansprache, die in ein<br />
Hoch auf den Kaiser ausklang. Der Regierungspräsident<br />
erwiderte in freundlichen Worten und brachte ein<br />
Hoch auf die Gemeinde Schlatt aus. In zwei Kurven bewegte<br />
sich nun der Zug weiter über die Weilerwiesen und an der<br />
„Uneck-Halde" vorüber nach Jungingen. Bei der Einfahrt<br />
in den Bahnhof wurde er von einer kleinen Wachtparade<br />
empfangen. Vogt Kohler sprach den Dank der Gemeinde<br />
für den Bahnbau aus und ließ den Vertreter der<br />
Kgl. Regierung und die Insassen des Zuges hochleben. Der<br />
Regierungspräsident feierte die Gemeinde Jungingen als diejenige<br />
Gemeinde des Killertals, die von jeher am meisten<br />
Industrie und Handel gepflegt habe und daher auch von<br />
dem neugeschaffenen Verkehrsweg die meiste Förderung zu<br />
erwarten habe. Der bekannte Volksredner, Metzger Heiß,<br />
sprach noch seine Freude darüber aus, daß nun all der Streit<br />
und Hader, all die Unannehmlichkeiten, die der Bahnbau<br />
verursachte, ein Ende erreicht habe. Am Bahnhof in Killer<br />
überraschte ein besonders schöner Empfang. Der Militärverein<br />
war in Reih' und Glied aufgestellt. Auch der Gesangverein<br />
hatte es sich nicht nehmen lassen, an dem Feste teilzunehmen.<br />
Die Bahnhofsanlage war reich geschmückt mit<br />
Tannenbäumen, und auf dem Giebel des Gebäudes thronte<br />
das Bild des Kaisers. Vogt Simmendinger begrüßte in wohlgesetzter<br />
Rede und dankte der Kgl. Regierung, der Kommunalverwaltung,<br />
dem Kgl. Oberamtmann, Stadtschultheiß<br />
Mayer (Hechingen) und allen denen, die den Bau der Bahn<br />
gefördert haben. Auch der Gemeinde Killer widmete der Regierungspräsident<br />
freundliche Worte und hob hervor, daß<br />
der Ort dem ganzen gewerbereichen Tal seinen Namen gegeben<br />
habe. Nur 1 km weiter liegt der Bahnhof Hausen-<br />
Starzeln, jetzt mit Zufahrtsweg. Der Regierungspräsident<br />
unterhielt sich hier mit Vogt Flad von Hausen und diensältesten<br />
Vogt des Oberamtsbezirks (Hechingen), Diebold. Mit<br />
einer Steigung 1 :36 fährt die Bahn an der Wasserscheide<br />
vorbei durch die „Schlichte" nach Burladingen. Die Zahl<br />
der Insassen des Zuges hat sich bisher auf jeder Station um<br />
die Gemeindevorstände der an der Bahn liegenden Orte<br />
(auch Ringingen) vermehrt. Alle bewillkommnete die am<br />
Bahnhof Burladingen versammelte große Menschenmenge<br />
mit lautem Hurrarufen(!) Alles schien hier schon im<br />
richtigen Betrieb zu sein. Der Stationsvorsteher hatte seine<br />
neue schmucke Uniform angezogen. Vogt Mauz sprach auf<br />
den Regierungspräsidenten, und dieser dankte, indem er der<br />
Hoffnung Ausdruck gab, daß die Bahn hier nicht dauernd<br />
ihren Endpunkt haben werde, mit einem Hoch auf die Gemeinde.<br />
Auf der ganzen Fahrt krachten die Böllerschüsse.<br />
Die Musikkapelle spielte auf der Fahrt und an jeder Station<br />
heitere und vaterländische Weisen. Nach kurzem Aufenthalt<br />
wurde die Rückfahrt angetreten. In Hechingen begann<br />
um 3 Uhr im Gasthaus zum Löwen das Festessen, das in<br />
recht zufriedenstellender Weise für 141 Personen hergerichtet<br />
war. Die lange Reihe der Trinksprüche eröffnete Regierungspräsident<br />
Graf von Brühl mit einem Hoch auf den Kaiser.<br />
Außerdem sprachen Landgerichspräsident Reck auf den Fürsten<br />
Leopold von Hohenzollern. Landesbaurat Leibbrand<br />
übermittelte das Bedauern des Fürsten, der Einladung wegen<br />
Unwohlseins der Fürstin nicht Folge leisten zu können. Der<br />
Vorsitzende der Kommunalverwaltung, Hofkammerrat Hülsemann<br />
rühmte die Fürsorge Preußens, das die Hälfte der<br />
Aktien für die Hohenzollerische Kleinbahn übernommen habe;<br />
dies sei nicht zuletzt dem Regierungspräsidenten zu verdanken.<br />
Landesbaurat Leibbrand sprach auf die Mitarbeiter, auf<br />
Oberamtman Longard und die Bauleiter: Betriebsinspektor<br />
Köbke, Teissen und Hirschfeld. Erster Staatsanwalt Wuthenow<br />
brachte ein Hoch auf die Damen aus, Fabrikant Jakob Levy<br />
auf Handel, Industrie und Landwirtschaft, Stadtschultheiß<br />
Mayer dankte namentlich dem Baurat Leibbrand, und dieser<br />
der württembergischen Regierung.<br />
Ungefähr gleichzeitig mit dem Abschluß der Feierlichkeiten<br />
fuhr zum letzten Male der trauerumflorte Postwagen,<br />
nachdem er und alles, was zu ihm gehört, vorab<br />
Paul, der letzte Killertalpostillion, durch ein photographisches<br />
Bild festgehalten worden war, von hier (Hechingen) ins<br />
Killertal. Fast niemand begleitete sie, die bis heute so treue<br />
Dienste geleistet, auf ihrem traurigen Wege. Schon führte<br />
ein Sonderzug der Killertalbahn einen Teil der Gäste, unter<br />
denen auch solche aus Gammertingen und Ringingen waren,<br />
nach Hause (d. h. höchstens bis Burladingen). (Albv,-Blätter<br />
1901, 322 und Hohenz. Blätter, Hechingen).<br />
Zur Abschaffung des Namens Vogt im Hechingischen<br />
schreiben die Albvereinsblätter ebenda aus Schillers W. Teil:<br />
„Mach Deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, Fort mußt<br />
Du, Deine Uhr ist abgelaufen!" Kr.<br />
Von Wanderern und Naturfreunden vielbesucht ist der Kornbühl bei<br />
Salmendingen, ein markanter Punkt der Hohenzollernalb. Von seiner<br />
Höhe, die mit der altehrwürdigen Kapelle und drei Kreuzen gekrönt<br />
ist, erschließt sich ein wundervoller Blick über die Umgebung.<br />
Bärenhöhle, Lichtenstein, Burg Hohenzollern und andere beliebte<br />
Ziele sind von hier aus leicht zu erreichen. Foto J. Schneider.<br />
Auf dem Kornbühl Foto Jos. Schneider
30 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Ti^b Das Dorf Laiz vor 150 Jahren<br />
Wer heute durch das Dorf und die Gemeinde Laiz geht,<br />
der gewinnt den Eindruck, in einem wirtschaftlich und kulturell<br />
aufgeschlossenen Wohnbezirk zu sein. Zur Zeit des<br />
Schichtwechsels strömt die Arbeiterschaft von und zu ihren<br />
Arbeitsstätten. Auch eine bäuerliche Bevölkerung geht noch<br />
landwirtschaftlichen Arbeiten nach. Teils zu Fuß, zu Rad<br />
oder motorisiert, sieht man die Menschen ihren Arbeitsstätten<br />
zueilen. Das Pferdefuhrwerk, das früher die Straßen<br />
und Feldwege beherrschte, ist zur Seltenheit geworden; statt<br />
dessen erfüllen Traktoren und Zug- und Lastwagen mit<br />
ihrem Geknatter die Stille des Dorfes. Frühere schmale,<br />
nicht kanalisierte Dorfwege mußten breiteren, asphaltierten<br />
Straßen weichen. Das abendliche Dorfidyll mit seinen Dämmerstunden<br />
auf den Hausbänkchen und den plaudernden<br />
Menschen, die sich gegenseitig ihre Tageserlebnisse austauschten,<br />
ist verschwunden; statt dessen leuchten frühzeitig<br />
helle Neonlampen in alle Gassen und stören selbst die Schäferstündchen<br />
der Liebenden. Die Neuzeit hat den höheren<br />
Ansprüchen und dem heutigen Lebensstandard der Menschen<br />
in der Geschäftswelt durch großzügige Ausgestaltung der<br />
Geschäftsräume und der Arbeitsstätten Rechnung getragen.<br />
Das frühere Dorf Laiz hat seinen Charakter als reines<br />
Bauerndorf verloren und das Aussehen eines geschäftigen<br />
Industrieortes erhalten. Es ist daher nicht uninteressant zu<br />
lesen, auf welchen Grundlagen das Dorf Laiz vor ca. 150<br />
Jahren fußte und wie damals seine Lebensbedingungen<br />
waren.<br />
Ein Auszug aus der Haupttabelle über die Bevölkerung,<br />
die Geburten und Todesfälle, die Schulkinder, die<br />
Gebäude, die landwirtschaftlichen Haustiere und Güter, sowie<br />
den Waldbestand des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen<br />
für die Jahre 1806 und 1812 gibt uns einigen Aufschluß<br />
über das Dorf Laiz. Den Zahlen aus der vorgenannten<br />
'Haupttabelle sind noch einige Angaben aus den<br />
Jahren 1930, 1939 und 1959 bzw. <strong>1960</strong> beigefügt und sollen<br />
dem Vergleiche dienen.<br />
Tabellarische Uebersichten:<br />
Bevölkerungsstand: 1806 1812 1930 1939 1959 bzw. <strong>1960</strong><br />
Gesamt-Seelenzahl: 278 362 745 780 1585<br />
Zahl der Geburten: 13 18 4 22 30<br />
Zahl der Todesfälle: 10 8 5 11 10<br />
Zahl der Schulkinder : 40 41 102 134 154<br />
Bemerk.: Geburt, prozentual<br />
z. Einwohnersch. : 4,7 % 5% 0,53 % 2,8 % 1.3 »/o<br />
1806 gab es in der Gemeinde Laiz 19 Handwerksmeister und 3 Gesellen.<br />
Unter der Einwohnerzahl vom 1. 1. <strong>1960</strong> befinden sich 112<br />
Soldaten. Von den Schulkindern des Jahres 1812 wurden 7 Knaben<br />
geimpft. Damals war das Impfen noch freiwillig. Mädchen wurden<br />
nicht geimpft, da es noch kein Impfgesetz gab.<br />
Uebersicht über die Gebäude<br />
Wohngeb. Kirchen Pfarrhäuser Sonstige Insges.<br />
1806 51 1 1 8 61<br />
1806 57 1 1 10 69<br />
1.1.<strong>1960</strong> 320 1<br />
Viehbestand<br />
26 348<br />
Pferde<br />
1806 1812<br />
1959 bzw. <strong>1960</strong><br />
Hengste «<br />
Stuten 4;<br />
Wallachen 24<br />
Fohlen 14<br />
Gesamtzahl 83<br />
Rindvieh:<br />
Wucherrind. (Farren) 2<br />
Ochsen 35<br />
Kühe 95<br />
junge Zugtiere<br />
sog. Kalbinnen 29<br />
Jungvieh<br />
von 3 Mt. b 1. Jahr —<br />
Kälber 47<br />
Gesamtzahl 208<br />
Schafe (Pachtschafe:<br />
Hammel<br />
Mutterschafe<br />
Lämmer<br />
Gesamtzahl<br />
Ziegen:<br />
Schweine:<br />
Eber<br />
Mutterschweine<br />
Mastschweine<br />
Ferkel<br />
Mastschweine<br />
Gesamtzahl<br />
3<br />
75<br />
75<br />
153<br />
keine<br />
1<br />
3<br />
20<br />
24<br />
5<br />
57<br />
25<br />
17<br />
104<br />
3<br />
70<br />
129<br />
48<br />
286<br />
veredelte 10<br />
gemeine 14<br />
24<br />
keine<br />
2<br />
2<br />
21<br />
48 35<br />
nur noch 8 Pferde<br />
4<br />
202<br />
32<br />
122<br />
64<br />
nur noch 11<br />
11<br />
1<br />
24<br />
72 = schlachtreife<br />
48<br />
231 = von 8 Wochen<br />
bis 1/2 Jahr alt<br />
376<br />
Der Felderbestand<br />
Zahl der Jauchert 1806 1812<br />
Insgesamt Ackerland 429 J. 429 J.<br />
davon im Winteresch: 122 122<br />
angebaut mit Vesen 100<br />
angebaut mit Roggen 22<br />
davon im Sommeresch: 136 136<br />
angebaut mit Gerste 50<br />
angebaut mit Haber 70<br />
angebaut mit Erbsen 16<br />
Oede —<br />
das Brachfeld: Gesamtzahl 115 115<br />
hiervc.i angebaut:<br />
mit Klee<br />
mit Kartoffeln<br />
mit. Rüben<br />
mit Hanf<br />
mit Flachs<br />
öde liegend<br />
20<br />
2<br />
1<br />
1/2<br />
2<br />
89i/2<br />
251/2<br />
891/2<br />
Stockfelder, heute Stockteile 56 56<br />
darunter angepflanzt 18 49<br />
bloß ausgereutet 31 —<br />
öde liegend 7 7<br />
Wi e s e n : Gesamt:<br />
Mannsmahden 128 128<br />
davon einmähdige Wiesen 65 65<br />
davon zweimähcMge Wiesen 63 63<br />
Der Waldbestand<br />
Der Wald 1806 1812<br />
Zahl der J. mit L a u b h 0 1 z 957 957<br />
schlagbarer Wald 97<br />
geöffnet aber nicht schlagbar 114<br />
in den Bau gelegt 180<br />
öde liegend 566<br />
Zahl der Klafter an Brennholz,<br />
die jährlich abgegeben werden = 388 Klafter.<br />
Nadelholz: insges. 79 J.<br />
geöffnet aber nicht schlagbar —<br />
in den Bau gelegt 21<br />
schlabarer Wald 58<br />
öde liegend —<br />
an Brennholz wird abgegeben: —<br />
<strong>1960</strong><br />
167,3 ha<br />
<strong>1960</strong><br />
gesamt 404 ha<br />
Gesamtwald 1036 J. 1036 r 404 ha<br />
Die vorstehenden Tabellen zeigen das Wachsen der Gemeinde<br />
Laiz. Aus der ehemaligen fast rein bäuerlichen Dorfgemeinschaft<br />
ist ein industrieller, aufstrebender Wohnort geworden,<br />
dessen Strukturwandel der Industrialisierung sowie<br />
der Umgliederung der Bevölkerung der Nachkriegszeit zuzuschreiben<br />
ist. Nur so war es möglich, daß die Einwohnerzahl<br />
heute auf das fast sechsfache der Zahl von 1806 angestiegen<br />
ist.<br />
Die Zahlen aus der Landwirtschaft vor 150 Jahren verglichen<br />
mit dem jetzigen Stand derselben beweisen, daß die<br />
heutige Generation der Landwirte mit Fleiß, bestem Wissen<br />
und Können, das ihr zugemessene Feld, das umfangmäßig<br />
das gleich geblieben ist, zu bebauen und die Erträge zu<br />
steigern weiß. Die Erträge der Aecker und Wiesen haben<br />
sich dank der neuzeitlichen Erkenntnisse und Bebauungsweisen<br />
gemehrt und verbessert. Wenn u. a. sich die Zahl der<br />
Pferde vom Jahre 1812 auf nur noch 8 Pferde im Jahre<br />
<strong>1960</strong> verringert hat, so liegt der Grund in der Motorisierung<br />
der Betriebe.<br />
Dafür hat sich die Rinderzucht erweitert und vermehrt.<br />
Die intensivere Bewirtschaftung der Felder und Wiesen,<br />
der Rückgang der Pferdezucht und manche andere Umstände<br />
begünstigen dies. Man denke nur an die heutige<br />
Milchwirtschaft und deren Erträge, ein Ansporn für die Rinderzucht!<br />
Der Brachesch ist verschwunden und eine gewinnbringendere<br />
Felderbewirtschaftung hat die Dreifelderwirtschaft<br />
abgelöst. Die Anwendung des Kunstdüngers, die Bekämpfung<br />
der Pflanzenkrankheiten und die Vertilgung des Unkrautes<br />
ermöglichen höhere Gewinnerträge.<br />
Dasselbe gilt von der Schweinezucht. Der Anbau<br />
der Kartoffeln stak zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch in<br />
den Kinderschuhen. Milch und deren Erzeugnisse dienten<br />
vor 150 Jahren neben der Brotfrucht als Hauptnahrungsmittel<br />
für die bäuerliche Familie, und die Schweinezucht war<br />
meistens nur auf den eigenen Bedarf eingestellt. Jetzt ist der<br />
Kartoffelanbau riesig angewachsen, und manche weiteren<br />
Erzeugnisse aus dem Getreideanbau stehen auch für diesen<br />
Zweig der Landwirtschaft zur Verfügung.
Jahrgang i960 HOU£NZDLL£Ri5CH£ HEIMAT 31<br />
Noch wäre etwas zu bemerken zu dem Feldmaß „Jauchert".<br />
Jauchert ist ein Feld, das ein Joch Ochsen an einem Tag<br />
pflügen kann - jugerum - (nach Kraus). Im Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen unterschied man nach „Kraus"<br />
nicht weniger als 4 verschiedene Jauchertmaße. I Jauchert<br />
= 320 qRuten = 46 080 qSchuh = 42,48372 ar, war das gebräuchlichste<br />
Maß. Die andern Jauchert-Maße waren teils<br />
größer, teils kleiner. Wenn man den Waldbestand der Ge-<br />
In der Fernausgabe der „Neuen Züricher Zeitung" vom<br />
29. Oktober 1959, Blatt 21, berichtet der schweizerische<br />
Restaurator Linus Birchler in einer Abhandlung über die<br />
Freilegung und Restaurierung von künstlerisch wertvollen<br />
Fresken in der Schloßkapelle von Hilfikon bei Villmergen,<br />
deren Entstehung einem wenig bekannten Freskomaler aus<br />
Sigmaringen, Franz Anton Rebsamen, zugeschrieben wird.<br />
Die Kapelle wurde im Jahre 1742 als Heiliggrabkapelle, also<br />
in Form einer Rotunde, neu erstellt und dann Mitte des 18.<br />
Jahrhunderts von dem genannten Künstler mit kühn gemalten,<br />
bewegten Fresken ausgestattet, wie eine der Abhandlung<br />
beigefügte Abbildung erkennen läßt.<br />
Der diesbezügliche Teil des Restaurationsberichtes sei nun<br />
im Wortlaut wiedergegeben.<br />
„Bei einer unglücklichen Restaurierung im Jahre 1901<br />
wurden sämtliche Decken- und Wandbilder der H i 1 f i k o -<br />
n er Grabkapelle dick überpflastert, im ganzen rund 82<br />
Quadratmeter trefflicher Fresken. Sie sind das Werk eines in<br />
der Mitte des 18. Jahrhunderts im Aargau tätigen Malers,<br />
Franz Anton Rebsamen aus Sigmaringen, der auch<br />
in der Klosterkirche von Fahr nachweisbar ist (siehe Anm.).<br />
Ich stieß zum erstenmal auf ihn, als ich vor Jahrzehnten die<br />
am Aeußeren sehr bescheidene Kirche von Goslikon<br />
(Gemeinde Fischbach), nördlich von Bremgarten, zu restaurieren<br />
hatte, einen Bau von 1670, der um 1750 eine ganz<br />
raffinierte Ausstattung mit Stuck und Malerei erhielt.<br />
In Hilfikon hat dieser süddeutsche Maler die gesamte<br />
Decke über der Heiliggrabkapelle illusionistisch ausgemalt,<br />
eine Allerheiligendarstellung mit der Dreifaltigkeit als Zentrum,<br />
alles höchst effektvoll „di sotto in su" gesehen. Das<br />
Bild ist so angelegt, daß ein großes Kruzifix, das im Chorbogen<br />
hängt, der vielfigurigen Komposition den festen Halt<br />
gibt. Auf die überweißelten Flächen malte 1901 ein Dekorationsmaler<br />
goldene Kartuschen mit Bibelsprüchen. Der<br />
gleiche Barbar hat auch sämtliche originalen Wandbilder in<br />
Chor und Schiff überstrichen. Jetzt wird alles sorgfältig<br />
freigelegt."<br />
Soviel aus Birchlers Bericht in der „Neuen Züricher Zeitung."<br />
Am Ende seiner Abhandlung reiht er den hohenzollerischen<br />
Künstler in die Reihe der damaligen Bodenseemaler<br />
der Rokokozeit ein.<br />
Franz Anton Rebsamen<br />
ein Sigmaringer Freskomaler des 18. Jahrhunderts<br />
meinde Laiz von einst mit 1036 Jauchert mit dem heutigen<br />
Maß von 404 ha vergleicht, so berechnet sich der Jauchert<br />
nur auf 39 ar, denn 1036 mal 39 = 40 405 ar = 404 ha.<br />
1 Mannsmahd ist ein Wiesenstück, das 1 Mann an einem Tag<br />
mähen kann; sie entspricht dem Jauchertmaß. 1 Klafter Holz<br />
= ; 3,5 rm; darnach wären 388 Klafter = 1358 Raummeter<br />
Brennholz. Widemann.<br />
In den Personenverzeichnissen des Hechinger und Sigmaringer<br />
Bandes der Kunstdenkmale Hohenzollerns ist der<br />
Name Rebsamen nicht zu finden. Vielleicht weiß dieser oder<br />
jener Leser der „Hohenz. Heimat" ergänzende Angaben zur<br />
Persönlichkeit und den Werken des Sigmaringer Freskomalers<br />
zu machen.<br />
Anmerkung: Fahr ist ein ehemaliges, 110 gegründetes<br />
Benediktinerinnenkloster, dessen Kirche 1743 bis 1746 neu<br />
erbaut und mit üppiger Rokokoausstattung versehen wurde.<br />
F. X. Pfeffer, Weilheim.<br />
Krankheiten, Seuchen, Mißjahre, Naturereignisse<br />
in früherer Zeit in der Gemeinde Neuira<br />
In der Geschichte einer Gemeinde kommen neben<br />
glücklichen Tagen auch manche traurige Zeiten vor, und<br />
diese bleiben meist viel länger in Erinnerung als die guten<br />
Tage. So mögen auch hier einige Tatsachen von traurigen<br />
Vorkommnissen Erwähnung finden. Im Jahre 1814 war unter<br />
den Bewohnern Neufras ein bösartiges Nervenfieber<br />
ausgebrochen, dem gar viele Personen zum Opfer fielen.<br />
Weist doch das Totenbuch dieses Jahres nicht weniger als<br />
84 Sterbefälle auf, gewiß eine erschreckende Zahl. Zu gleicher<br />
Zeit herrschte unter dem Vieh eine grassierende Seuche,<br />
welche manchen Stall lichtete. —• Aus dem Jahre 1834 berichtet<br />
der Chronist, daß hier und in der Umgegend eine<br />
Krankheit, rote Ruhr genannt, herrschte, wobei viele Menschen<br />
starben. Das Vieh bekam die Lungenseuche und fiel<br />
massenhaft. —- Aus dem Jahre 1859 wird ein Todesfall infolge<br />
Cholera berichtet. — Am 5. November 1862 wallfahrtete<br />
die ganze Gemeinde nach Maria Deutstetten, um die Hilfe<br />
Mariens anzurufen wegen des hier herrschenden Nervenfiebers,<br />
dem sehr viele Leute zum Opfer fielen; starben doch<br />
in den Jahren 1862 und 1863 in hiesiger Gemeinde 136 Personen.<br />
- Im Jahre 1871 herrschten hier die schwarzen Pocken,<br />
an denen 5 Personen starben, darunter die beiden Totengräber<br />
und der Polizeidiener. — 14 aufeinanderfolgende Hageljahre<br />
veranlaßten den Bau der Hochbergkapelle. Auch<br />
sonst ist des öfteren die Rede von bedeutenden Hagelschäden,<br />
Pietä: Friedhofkapelle Gruol<br />
Foto Jos. Schneider.<br />
so besonders vom Jahre 1890, wobei der Schaden auf 60 000<br />
Mark geschätzt wurde. —• Interessant dürfte auch noch der<br />
Bericht über einen gewaltigen Wildschaden sein. Die Chronik<br />
berichtet darüber wie folgt: „1730 bis 1798 waren die traurigen<br />
Jahre, in denen die Fürsten von Hechingen rechts vom<br />
Fehlaflusse, also im Tiergarten, Hinterfeld, auf de Höhe,<br />
Stollbeck usw. so starken Wildstand hegten, daß alle Erzeugnisse<br />
auf Wiesen, Feld und Wald gefressen, zerstört und<br />
zertreten wurden. Es kam öfters vor, daß einhundert Hirsche<br />
in einem Gewann gezählt wurden. 1732 hatten die Wildschweine<br />
den Tiergartenösch so durchwühlt und verwüstet,<br />
daß die Eigentümer jede fernere Bearbeitung und Aussaat<br />
für nutzlos erachteten. In diesem Notjahr schätzte Neufra<br />
seinen erlittenen Schaden auf 68 380 Gulden. Auf verschiedene<br />
vorgebrachte Klagen wurde 1736 der K. K. Notar Andreas<br />
Viehäuser zur Ermittlung und Einschätzung des Wildschadens<br />
nach Neufra gesendet. Nach genauer Besichtigung<br />
schätzte er den bisher erlittenen Schaden auf 102 122 Gulden.<br />
Der beim Kreisgericht in Wetzlar und beim Hofkammergericht<br />
in Wien geführte Prozeß kam nicht zum Abschluß, da<br />
der Fürst inzwischen selbst die Hand zum Frieden bot und<br />
mit seinen Untertanen den berühmten Stadt- und Landesvergleich,<br />
das Staatsgrundgesetz für Hechingen abschloß.<br />
Doch hatte man in späterer Zeit, wie die Volksüberlieferung<br />
berichtet, noch vielfach über Wildschaden zu klagen.
32 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
Bruno Gern, ein schwäbischer Heimatdichter aus Hohenzollern<br />
Damit ist aber Gerns dichterisches Heimaterlebnis noch<br />
lange nicht erschöpft. Am Unscheinbaren, Kleinen, kaum<br />
Beachteten nämlich entzündet sich seine schöpferische Schau<br />
fast am stärksten. Ist es dort vorwiegend der große beschreibende<br />
Ueberblick, so ist es hier mehr die wohlbeachtete<br />
Einzelheit. Eine stille Beschaulichkeit und ein liebevolles Befassen<br />
mit dem, was uns oft im Trott des Alltags so unbedeutend<br />
erscheint und doch so vertraut nahe steht. „Kraut<br />
ond Aokraut" rückt uns plötzlich in unser Blickfeld, und<br />
wir finden es hervorgehoben ins Beachtenswerte. Gerns<br />
„Bauragaata" mit seiner Fülle und seinem Reichtum mag<br />
diesen Reigen eröffnen:<br />
Bauragaata<br />
Heaz ond deaz an alta Pfoschta,<br />
Latta drum aus Tannaschwaata<br />
ond drzwischet etlich Aata<br />
guete Sacha zum Verkoschta. —<br />
Ma', des ischt an Bauragaate.<br />
Retich hot es drin ganz mure,<br />
Baohna butterwoich ond mitta<br />
dur dia maschta Beetle dure<br />
goht an Altaweibertritta.<br />
Gällerüaba und Kohlräble,<br />
Kopfsalot ond extra feine<br />
Gurka ima bsondra Gräble,<br />
aber grauseg, grauseg kleine.<br />
Guck, ond glei drneabet dana<br />
Dausetguldakraut ond Gretle,<br />
Pfeafferminz zu Tee für d'Nahna,<br />
Mürbele ond Margeretle.<br />
Kapuziner und Kamilla,<br />
Rosmarin, Rhabarber, Räutle,<br />
Sornmerbluetscht, so ganz im stilla<br />
ond an Haufa suscht so Kräutle.<br />
Akelei ond Goldlack, Glöckle,<br />
Hearrgettsbärt ond wilde Rösle,<br />
Nägele, mit raota Röckie<br />
ond mit grüana Sonntegshösle.<br />
Sonnabluamarusla scheinet,<br />
Löwemäuler spitzet d' Mäule<br />
ond im Eck dahinda heinet<br />
ganz vergeassa no paar Veile.<br />
Dahlien ond Kürbiskeanna,<br />
Aschterblüata ganze Wolka,<br />
grad als het ma vo' da Steanna<br />
do ond det oin druntert gmolka.<br />
Ringele drum rum ond Spendla,<br />
Bairabüsch ond Holderhecka<br />
ond Resedle ond Lavendia —<br />
Ha, des ka'ma kaum verschmecka.<br />
'S wur wohl eisa Hearrgett könna<br />
kaum maih oibes schöner macha,<br />
als wia e deam Gaate denna<br />
äll dia knuschperfeine Sacha!<br />
Auch wenn wir der Sommerwiese begegnen, verstärkt sich<br />
dieser erste Eindruck:<br />
Sonnawirbel haufaweis —<br />
d' Wies ist kaum maih zum verkenna:<br />
Himmelschlüssel — Ehrapreis<br />
ond a Zitterle, a klei's<br />
do ond det drzwischet denna.<br />
Sauerampfle ond Salbei,<br />
geale Dotterblumadoscha,<br />
Margeritle, weiß wia 5ehnäl,<br />
braune Dolda, roater Klai,<br />
Wollgrasgruscht ond grüene Boscha.<br />
Sicher läßt sich auch hier an diesen beiden Beispielen anwenden,<br />
was einmal Josef Karlmann Brechenmachcr (vor 25<br />
Jahren schon) in einer Beurteilung über einige schriftdeutsche<br />
Gedichte Gerns meint, wenn er unter anderem sagt: „Auch<br />
die Bildkraft Gerns ist sehr entwickelt. Es ist ein unersättliches<br />
Schauen in den Versen . .. ."<br />
Vielleicht schleicht sich, eben auf Grund dieser Tatsache,<br />
manchmal beim Lesen gerade dieser Gedichte das kritische<br />
Gefühl ein, als würde Gern manchmal von dem inneren<br />
Drang, der ihn bestürmt, noch zu sehr überwältigt.<br />
Draußen aber an den unrentablen Rainen und im rauhen<br />
Ackerfeld gibt ein unerwünschter Geselle Anlaß zu humorvollen<br />
Vergleichen:<br />
von Bruno Ewald Reiser (Schluß)<br />
Der Klappertopf<br />
Dia Klaffa do, dr Klappertopf,<br />
dear klappret mit seim hohla Kopf<br />
ond weil dear des vo' jehear schao<br />
hat gmachet, mueß mn macha lao —<br />
ka's it maih anderscht richta.<br />
Doch was gäb des für Gschichta<br />
ond für a baise Klapperei<br />
im Ländle rum bei graoß ond klei'<br />
so Tag für Tag von früeh bis spät,<br />
wenn jeder Hohlkopf klappre dät?<br />
Von der „Heuschiauf" übers „Heekaraisle" bis zur „Herbstzeitlose"<br />
blüht uns der ganze Sommer entgegen. Ein köstliches<br />
Herbarium wurde hier angelegt. Ein ganz neuer Weg<br />
wird hier beschritten und die Welt des Unscheinbaren aufgezeigt,<br />
wie sie wahrscheinlich von keinem Mundartdichter<br />
noch so treffend und originell eingefangen wurde. Mit einer<br />
Probe aus einer größeren Arbeit wollen wir das Außergewöhnliche<br />
dieser Gedichte noch einmal hervorheben:<br />
„Dr Kornbluem fehlts wohl kaum am Korn,<br />
doch d' Lerch vermißt dr Lerchasporn.<br />
Im Wundklai seine Waiha.<br />
sind au it grad zum Schreia.<br />
Ond zittret au des Zittergras<br />
ond sitzt im Hasaklai dr Has,<br />
duet schnaickra dra' und schnocka,<br />
s' hot manchs no seine Hooka.<br />
Ond fehlt im Scharbockskraut dr Bock,<br />
im Goißbart d' Goiß ond dr Rock<br />
dr Gret im Busch ond leider<br />
im Fingerhuet dr Schneider.<br />
Mag der Wacholder als ein besonderes Wahrzeichen unserer<br />
Heimat diesen Gang durch ihre Pflanzenwelt beschließen:<br />
Wacholder<br />
Ganz duß ond wo' suscht gar noitz geit<br />
stohscht du am Hang im stilla.<br />
Dr Himmel wölbt se drübert weit,<br />
a Schofhead ziaht, dr Schäfer schreit<br />
ond 's Schäfers Hond duet billa.<br />
D' Luft schwatteret um dei' grauplets Kloid<br />
ganz blo, drzwischet denna<br />
goht glitzeg d' Sommersonn auf d' Woid<br />
ond d' Luft ond d' Sommersonn, allboid,<br />
deand goldne Fäda spenna.<br />
A Wachtel schlet ond wipplet drei'<br />
ond mit deim Bausch, deim greana,<br />
loscht du a so johraus, johrei,<br />
mir d' Hoimet wieder d' Hoimet sei',<br />
ganz noh ond wia suscht neana!<br />
Letzten Endes aber steht doch auch der Mensch im Mittelpunkt<br />
all dieser Betrachtungen. Seltsamerweise findet man bei Gern weniger<br />
die sonst bei Mundartdichtern üblichen Charakterschilderungen<br />
einzelner Originale oder anekdotenhafte Ausweitungen.<br />
Als scharfer Beobachter greift er nehr die einzelnen Wesenszüge<br />
heraus. Er schnipfelt sozusagen an den Dingen herum und das, was<br />
dabei herauskommt, sine' ";en seine „Schnipfel". Kleinigkeiten also,<br />
aber üoen immer ein Stück vom Ganzen. Blitzlichter, die hineinleuchten<br />
in das Leben und dabei is heraus zu greifen versuchen,<br />
was die Erfahrung lehrt und die Reife der Jahre mit sich bringt:<br />
Er Jugend. . .<br />
Er Jugend möcht ma oft mit Gwalt<br />
vill älter sei' ond wiad ma alt<br />
treibts grad so wieder Stuck für Stuck<br />
oin nomal nei e d' Jugend z'ruck.<br />
Ma merkt sog^ 1, manchmol drbei,<br />
wenn ma' so überlait ond schätzt,<br />
des, was oim seallmol z'vill ischt gsei,<br />
ischt Mangelwar ond fehlt oim jetzt.<br />
Doch aischt reacht mit da Wexeljohr<br />
Wiads einseht ond wiad dear Wexel wohr.<br />
Es ist aber nicht nur die menschliche Dürftigkeit, die hier<br />
Federn lassen muß, auch viel Aufmunterung zur Lebensfreude<br />
atmet uns daraus entgegen:<br />
Denk äwei dra'! ....<br />
Denk äwei dra' e deim Verdruß<br />
wenn ällz im .tfeabel sitzt,<br />
daß überm Bearg vielleicht weit duß<br />
schao d' Sonna wieder glitzt!<br />
Ond daß es, wenn im Dunkla au<br />
dr Kauz so traurig schreit,<br />
doch no da Himmel ond da Mao<br />
ond dauset Steanna geit!<br />
Ond so, wenn du di brichta loscht,<br />
no jeder baisa Gwalt<br />
äwei an Ausweag ond an Troscht<br />
für di auf deara Wealt!
Jahrgang <strong>1960</strong> H O H E N Z O L L, E R I S C H E HEIMAT 33<br />
Das Leben zwingt uns aber auch seinen Ernst auf, denn<br />
auch das Sterben gehört mithin dazu und ist etwas Unumgängliches<br />
:<br />
„So also leit ma ond verlöscht,<br />
koi Mensch ka' Hilf maih bringa.<br />
Ma' moit, ma' müeßt im letschta Jäscht<br />
ällz nomal hear verzwinga."<br />
Eine andere Feststellung darüber lautet:<br />
„Wear stearba mueß ischt maischt it gricht<br />
ond descht grad 's dtlmmscht bei deara Gschicht.<br />
Genau so, wia's bei deam wo gricht ischt<br />
ond It stirbt überhaupt koi Geschieht ischt!<br />
Interessehalber soll jedoch hierauf gesagt sein, daß es auch<br />
eine Zusammenfassung von Gedichten gibt, deren Titel<br />
„Mädle" lautet. Sie enthält sogar Gerns größte Mundartdichtung:<br />
„Die Geschieht um eis Zwoi". Eine nicht weniger<br />
als etwa 3000 Zeilen umfassende Fabel, hinter der die Lebens-<br />
und Liebesgeschichte zweier Liebender steht. Nur<br />
zwei Auszüge:<br />
„Denn grad drum ischt doch eisa Leaba<br />
faschtgar an Kreizweag, weil mr eaba<br />
halt zemahaltet ond it deand,<br />
was all dia guate Bäsa weand<br />
ond all dia buzerbaisa Vetter<br />
mit ihrem Geschealt ond ihrem Gschetter<br />
ond ihrem Dausetsappermaa. —<br />
Bloß, weil dr Herr beim Sachvergeah<br />
's Bue's Vatter häb maih Batza gschenkt<br />
ond meim a Armetei s'ghenkt."<br />
Es müßten nun auch noch die anderen großen Mundartgedichte<br />
Gerns, wie „Muetter" - „Früeher" - „Dorfbildle" -<br />
„Schö wärs schao" - „Altbacha, aber echt" und andere mehr<br />
angeführt werden, um das Ausmaß von Gerns dichterischem<br />
Schaffen auf dem Gebiete der Mundart ins rechte Licht zu<br />
rücken. ''<br />
Auch müssen wir seine einfachen Heimatlieder, seine<br />
witzigen Couplets und vor allem sein vielen bodenständigen<br />
Schnadahüpfl erwähnen, um dieses Bild zu vervollständigen.<br />
Hier kommt der Satiriker, der schalkhafte Beobachter des<br />
Alltäglichen und somit oft auch des Allzumenschlichen zu<br />
Wort. Der Mensch, der hinter die Kulissen sieht, der die<br />
Dinge an sich herankommen läßt, um ihnen auf humorvolle<br />
und manchmal sogar besinnliche Art die heiterste Seite abzugewinnen.<br />
In seine Arbeit „Altbacha, aber echt", bringt Gern zusammenfassend<br />
das zum Ausdruck, was er in allen seinen<br />
Gedichten vorzugsweise zu verwirklichen sucht: die Anwendung<br />
unserer noch unverfälschten alten Mundart, mit vielen<br />
Ausdrücken und überlieferten Begriffen, die bereits verlorengegangen,<br />
oder aber im Schwinden sind. Viele Worte,<br />
wie „feand" (voriges Jahr), „hinerscht" (gestern abend), „bäareg"<br />
(vorhin), der Jugend bereits fremd, weisen noch ihre<br />
ungeschmälerte Daseinsberechtigung auf. Echte Mundart<br />
muß immer lokal bedingt und ohne jedes Zugeständnis an<br />
das Allgemeinverständliche auf das Herkömmliche bedacht<br />
sein. Aus dieser Art nur ein Beispiel:<br />
Am 28. Mai dieses Jahres sind es 100 Jahre, seitdem im<br />
Namen Sr. Majestät des Königs von Preußen mit Zustimmung<br />
der beiden Häuser des Landtages der Monarchie das<br />
„Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten<br />
in den Hohenzollern'sehen Landen"<br />
verkündet wurde. Dieses Gesetz war für die landwirtschaftliche<br />
Entwicklung unserer engeren Heimat von allergrößter<br />
Bedeutung, denn erst hierdurch wurden die Voraussetzungen<br />
geschaffen, auf Grund deren die heimische Landwirtschaft<br />
im Laufe des 19. Jahrhunderts den anerkannt hohen Stand<br />
erreichen konnte.<br />
Zu den Reallasten, d. i. Belastungen eines Grundstückes,<br />
vermöge derer an den Berechtigten wiederkehrende Leistungen<br />
zu entrichten waren, zählte neben den Grundzinsen oder<br />
Gülten vor allem der Zehnte. Es war dies eine Abgabe in<br />
Höhe von einem Zehntel des Ertrags der landwirtschaftlichen<br />
Erzeugung. Der Zehnte war schon in der mosaischen<br />
Gesetzgebung begründet und wurde übernommen, als das<br />
Christentum zur Staatsreligion erklärt worden war. Im fränkischen<br />
Reich erhielt der Zehnte seine gesetzliche Grundlage<br />
auf der Synode von Macon im Jahre 585 und dann<br />
wieder unter Karl dem Großen. Der Zehnte war ursprünglich<br />
Vor 100 Jahren<br />
Ablösung des Zehnten in Hohenzollern<br />
„Tresget, g'aosket, gjapst ond gmaozet,<br />
kneepret, booberet ond knaozet<br />
ond da Mäser ond da Deez<br />
vola Mucka ghet im Meez,<br />
hot ma'; gjaonret, gjaicht ond gjusket,<br />
pforret, pfutteret ond pfusket,<br />
sich vermohnet - geemleg dao<br />
ond da Rambaß füre glao."<br />
Und der Googeler, dr Glunker,<br />
d' Lauskrott ond dr Lumpadunker<br />
haod gschlampamblet ond gschlabutzt,<br />
Luseng kriagt und d' Lataa butzt."<br />
Um einen schönen Abschluß herbei zu führen, jetzt aber<br />
noch das liebreizende Kapitel vom Kind in seinen Kinderliedern.<br />
Sie sind unter dem Titel „Guggusele" zusammengefaßt<br />
und gehören mithin zu Gerns besten Gedichten.<br />
Guggusele<br />
„Guggusele - Guggusele,<br />
schlupf gotteg, gotteg neu,<br />
du Zamsele, du Zusele<br />
ond laß dei zaabla sei'!<br />
Mach zua dia liaba Lädele,<br />
dia Aeugle gar so blo!"<br />
saits Müetterle zum Mädele<br />
ond laits anander no.<br />
Und bettet 's Dockabäbele<br />
no weng drneabet na<br />
ond sait: „Jetzt heltscht dei Schnäbele,<br />
weils suscht it schlofa ka."<br />
Du Liabs, du Butziwackele,<br />
ond geischt mur no an Schmatz,<br />
no kriagscht du moan a Gaggele<br />
ond bischt du s' Mammes Schatz!"<br />
Drauf beattet se a bissele<br />
no etlich Mäule vool<br />
ond druckts gar nei e's Kissele:<br />
„Schlof wohl, du Liabs, schlof wohl!"<br />
Ii gendwie drängt sich bei Einsichtnahme in Gerns Mundartdichtung<br />
die Ueberzeugung auf, daß hier ein ganz Eigener<br />
unbekümmert seine eigenen Wege ging. Daß hier ein<br />
Naturtalent am Werk ist, getrieben von der Liebe zu der<br />
Heimat, immer wieder gepackt von ihrer Eigenart und<br />
Schönheit, und aus dieser Begeisterung heraus ganz ihrem<br />
Erlebnis verschrieben, das ist auch das, was gepaart mit<br />
einem guten handwerklichen Können und mit der Strenge<br />
seiner Anschauung über unsere Mundart als überliefertes<br />
Sprachgut, alles Unechte ausschaltet und zu diesen natürlich<br />
gewachsenen reizvollen Versen führt. Mag bei Gern als<br />
Außenseiter auch ein Schuß Eigenbrötelei dabei sein, sie ist<br />
mit ein Beweis für das Unmittelbare von Gerns Gestaltungskraft<br />
und so mithin auch ein wesentlicher Faktor seiner<br />
Originalität. „Auch sind die Arbeiten Gerns in ihrer Gesamtheit<br />
nicht nur die Gelegenheitsprodukte eines von seinen<br />
Stimmungen und Gefühlen Ueberwältigten, sondern das<br />
zielbewußte verpflichtende Lebenswerk eines zum Dichter<br />
Berufenen", dem man noch viele Jahre erfolgreichen Schaffens<br />
wünschen darf.<br />
eine Abgabe an die Kirche bzw. Pfarrei zur Bestreitung des<br />
Unterhalts der Geistlichen, der Kultausgaben und der Baulasten.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte gelangte der Zehnte durch<br />
Kauf, Schenkung, Verpfändung oder auf irgendwelchen anderen<br />
Wegen sehr häufig in weltliche Hände. Er wurde so<br />
zum Laienzehnten und seit der Reformation in protestantischen<br />
Ortschaften zur Staatsabgabe. Daß übrigens die Reichung<br />
des Zehnten im Bewußtsein der Bauern bis in die<br />
Neuzeit herein als eine gerechte Sache galt, muß daraus<br />
geschlossen werden, daß nicht einmal die 12 Artikel der<br />
Bauernschaft im Bauernkrieg des Jahres 1525 daran zu rütteln<br />
wagten.<br />
Zum Großzehnten gehörten die Hauptfrüchte Dinkel,<br />
Roggen, Gerste und Hafer, während Erbsen, Linsen, Rüben,<br />
Kraut, sowie Hanf und Flachs zum Kleinzehnten<br />
zählten. Von Weingärten wurde einstens der Weinzehnt<br />
erhoben und von jungen Tieren bis zu den Bienen, da und<br />
dort, der Blutzehnt. Wurde neues Ackerfeld angelegt,<br />
also eine Oedung, Weide oder Wiese umgebrochen, so war<br />
der Neubruchzehnt oder Novalzehnt (novus =<br />
neu) zu entrichten. Welche Zehnten in den einzelnen Gemeinden<br />
unserer Heimat erhoben wurden und wer die Zehnt-
34 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
berechtigten waren, wäre eine eigene Erhebung wert, kann<br />
aber hier nicht angegeben werden.<br />
Daß die Reichung des Zehnten für den Bauernstand eine<br />
drückende Last war, kann nicht bezweifelt werden. Schon<br />
die Art der Erhebung mußte ständig zu Streit und Zank<br />
Veranlassung geben. So durften die Früchte in der Regel erst<br />
dann vom Feld gefahren werden, wenn der Zehntknecht<br />
selbst die zehnte Garbe oder den zehnten Teil ausgesondert<br />
hatte. Bald war die zehnte Garbe nicht groß genug, dann<br />
wieder war minderwertiges Getreide oder zuviel Unkraut<br />
beigegeben. Vielleicht zog ein Gewitter auf, der Bauer konnte<br />
aber die Garben nicht einfahren, weil noch nicht gezehntet<br />
war. Die röschen Garben, vom Gewitterregen durchnäßt,<br />
mußten wieder von neuem zum Trocknen auseinander genommen<br />
und das Getreide auf dem Boden ausgebreitet werden.<br />
So blieb die Frucht weitere Tage auf dem Felde liegen,<br />
nur weil der Zehntknecht nicht rechtzeitig seines Amtes gewaltet<br />
hatte. Wieviel Aerger und Verdruß, Mehrarbeit und<br />
Ernteverlust die Reichung des Zehnten in Naturalien für den<br />
Bauern, wie für den Zehntberechtigten brachte, kann man<br />
sich heute kaum mehr vorstellen.<br />
Es kann daher auch nicht wundernehmen, wenn in den<br />
Revolutionsjahren 1948/49 die Abschaffung der Grundlasten<br />
mit zu den wichtigsten Forderungen unserer Bauern gehörte.<br />
Im Fürstentum Hechingen wurde durch Regierungsverfügung<br />
vom 6. 6. 1848 bereits die Anordnung getroffen,<br />
daß es den Zehntpflichtigen freigestellt sei, im laufenden<br />
Jahre den Heuzehnten mit 45 Kr. je Mannsmahd<br />
Wiesen in Geld zu entrichten. Nur müßte sich die ganze<br />
Bauernschaft eines Dorfes für die eine oder andere Form<br />
der Zehntleistung, also Geld oder Naturalien, entscheiden.<br />
Noch im gleichen Jahre erschien unter dem 28. September<br />
das Gesetz die „Fixierung der Zehnten im Ftirstenthume<br />
betreffend." Infolge der politischen Ereignisse, die langsam<br />
dem Bürgerkriege zutrieben, gingen die Arbeiten nicht vorwärts.<br />
Die fürstliche Regierung selbst gab bekannt, daß die<br />
Festsetzung der Zehnten in Geld voraussichtlich noch geraume<br />
Zeit in Anspruch nehmen werde. Auch im Fürstentum<br />
Sigmaringen, wo die Revolutionsjähre stürmischer<br />
als in Hechingen verliefen, erschien unter dem 9. 7. 1848 eine<br />
Verordnung über den vorläufigen Zehntbezug. Durch die Gesetze<br />
vom 20. 7. und 24. 8. 48 wurden der Blutzehnte und<br />
der Neubruchzehnte ohne Entschädigung aufgehoben. Im übrigen<br />
konnten aber auch im Fürstentum Sigmaringen die<br />
Arbeiten über die Errechnung der Zehnten nicht zum Abschluß<br />
gebracht werden, da mit dem Gesetz vom 12. März<br />
1850 die beiden Hohenzollern'schen Fürstentümer in das<br />
Preußische Staatsgebiet eingegliedert wurden. Nochmals vergingen<br />
10 Jahre, bis das preußische Gesetz betreffend die<br />
„Ablösung der Reallasten in den Hohenzollern'schen Landen"<br />
mit seinen 24 Paragraphen verkündet wurde. Hiernach blieben<br />
von der Ablösung ausgeschlossen die öffentlichen Lasten<br />
mit Einschluß der Gemeindelasten, Gemeindeabgaben und<br />
Gemeindedienste, so wie der auf eine Entwässerungs- oder<br />
ähnliche Genossenschaft sich beziehenden Lasten, sofern dieselben<br />
nicht aus allgemeinen Rechtsverhältnissen oder dem<br />
Zehntrechte, entstanden waren. Ausgeschlossen blieben auch<br />
alle Abgaben und Leistungen zur Erbauung oder Unterhaltung<br />
der Kirchen-, Mesnerei- und Schulgebäude, die nicht<br />
als Lasten oder Gegenleistungen auf Zehnten oder anderen<br />
ablösbaren Reallasten ruhten oder auf dem aufgehobenen<br />
Allmand- und Kleinzehnten im Fürstentum Hechingen geruht<br />
haben. Ausgeschlossen blieben ferner solche Abgaben<br />
und Leistungen, die vertragsmäßig auf den einseitigen Antrag<br />
des Berechtigten oder Verpflichteten gegen einen im<br />
voraus bestimmten Ablösungssatz abgelöst werden durften.<br />
Zwecks Errechung des jährlichen Geldwertes des Zehnten,<br />
mußte zuerst der Geldwert der Früchte oder Naturalien ermittelt<br />
werden. Dies geschah in der Weise, daß man den<br />
Marktpreis nach demjenigen Martini-Marktpreis ermittelte,<br />
der sich im Durchschnitt der letzten 24 Jahre vor Erlaß<br />
dieses Gesetzes ergab, wenn die zwei teuersten und zwei<br />
wohlfeilsten von diesen Jahren außer Ansatz blieben. Unter<br />
Martini-Marktpreis wurde der Durchschnittspreis derjenigen<br />
15 Tage verstanden, in deren Mitte der Martinimarkt<br />
fiel. Als maßgebliche Marktplätze wurden im übrigen folgende<br />
Orte bestimmt:<br />
1) die Stadt Sulz a. N. für den Oberamtsbezirk Haigerloch,<br />
2) die Stadt Reutlingen für den Oberamtsbezirk Trochtelfingen<br />
und der Oberamtsbezirk Gammertingen in den bei<br />
Erlaß der Verordnung v. 18. 1.1854 bestandenen Grenzen,<br />
3) die Stadt Lindau a. B. für das Obervogtei-Amt Achberg,<br />
4) die Stadt Ueberlingen a. B. für den übrigen Teil des<br />
Oberamtsbezirks Sigmaringen und<br />
5) die Stadt Balingen für den Oberamtsbezirk • Hechingen<br />
mit Ausnahme der Ortschaft Wilflingen, für die der<br />
Marktpreis von Rottweil ausschlaggebend war.<br />
War der Wert des Naturalzehnten berechnet, so wurde<br />
noch ein bestimmter Betrag für die Erzeugungskosten, wie<br />
Ackern, Säen, Ernten, in Abzug gebracht. Der so ermittelte<br />
Geldwert des Zehnten konnte auf zweierlei Weise abgelöst<br />
werden, nämlich entweder 1. durch die Zahlung einer Geldrente,<br />
die 673 Monate zu reichen war oder aber 2. durch<br />
Barzahlung des 18. fachen Betrages des festgesetzten Geldwertes.<br />
Die Ablösung vermittelte eine nach dem Gesetz vom<br />
2. 3. 1850 errichtete Rentenbank, deren Geschäfte für Hohenzollern<br />
die Kgl. Regierung in Sigmaringen wahrnahm. Wer<br />
die Barzahlung wählte, also mit einm Schlage frei wurde, der<br />
konnte bei der Spar- und Leihpasse - heute Hohenzollerische<br />
Landesbank - bei vorgeschriebener Sicherheitsbestellung den<br />
benötigten Kapitalvorschuß zu einem ermäßigten Zinssatze<br />
von 4'/4 %> erhalten. Vielleicht werden sich noch manche der<br />
älteren Generation erinnern können, wie alljährlich bis in<br />
die Jahre des I. Weltkrieges hinein durch Schellenruf der<br />
Amtsgehilfe zur Zahlung der fälligen „Zinsen und Zieler"<br />
aufforderte.<br />
Zu bemerken wäre noch, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen<br />
die Ablösung der Reallasten ohne besonderen<br />
Antrag der Beteiligten von Amts wegen erfolgte. Die Auseinandersetzungsbehörde<br />
war die Regierung in Sigmaringen,<br />
bei der ein Spruchkollegium errichtet wurde, dem drei zum<br />
Richteramte qualifizierte Mitglieder und zwei landwirtschaftliche<br />
Sachverständige angehörten. Die Kosten des Verfahrens<br />
wurden vom Staate übernommen, nur die eventuellen<br />
Prozeßkosten hatten die Parteien zu tragen.<br />
Das Gesetz vom 28. Mai 1860 war für unsere Heimat,<br />
deren Bewohner einstens ja fast ausschließlich eine Landwirtschaft<br />
betrieben, von außerordentlicher Bedeutung. Mit<br />
der Ablösung des Zehnten und der übrigen Reallasten war<br />
das letzte Hindernis gefallen, das den Bauern vor der freien<br />
Entfaltung seiner Kräfte zurückgehalten, ja ihm jeden Anreiz<br />
und jede Lust zur Berufsarbeit genommen hatte. Der<br />
Boden und seine Erzeugnisse waren nun freies Eigentum,<br />
und der fortschrittlichen Bewirtschaftung von Acker und<br />
Wiese standen künftig keine Schranken mehr im Wege.<br />
M. Schalte 1.<br />
Verkauf Gammertingens mit Zubehör 1447<br />
Im Jahre 1903 erschien in Zürich ein 181 seitiges Büchlein<br />
von Erhart W. Kanter über Hans von Rechberg,<br />
einen echten Haudegen des 15. Jahrhunderts, der die Schweiz<br />
und auch unsere Gegend unsicher machte, die Burgen Hohentwiel,<br />
Schramberg und Schalksburg sein eigen nannte,<br />
auch die Schlösser und Städte Gammertingen und Hettingen<br />
mit verschiedenen Rechten von seinem Vater Heinrich geerbt<br />
hatte. Die Schweizer Händel interessieren hier nicht.<br />
Dagegen war er durch ewige Händel und Fehden in große<br />
Schulden gekommen, so bei Wolf Schilling mit 900 fl, Diepold<br />
von Bernhausen 1000 fl. Konrad vom Stein 2500 fl, Kleinhans<br />
Schwelher 200 fl, dem Vogt von Veringen 735 fl, der Gemahlin<br />
des Hans von Hornstein 666 fl. Daher veräußerte er<br />
am 2. Dezember 1447 um 18 500 fl an den Grafen Ulrich von<br />
Wirtemberg folgende Besitzungen: Gammertingen Burg<br />
und Stadt, die er als Lehen von Reichenau besaß. Hettingen<br />
Burg und Stadt und die Dörfer Ittenhausen,<br />
Hart- mit Feldhausen, Kettenacker, Hermentingen,<br />
das halbe Neufra mit den Weilern, die dazu<br />
gehören. Ferner die Vogtei über das Kloster zum Berg<br />
(M a r i a b e r g), dessen Leute des Weilers Kloster -Bronnen<br />
zum Gericht nach Gammertingen gehören, die Gotteshausleute<br />
zu E n s m a d (Kirchlein gegen Ittenhausen), die<br />
ebenfalls zum Gericht Gammertingen gehören, da? Burgstall<br />
Hinterlichtenstein, des Reinhartsweilers Gut (nämlich<br />
Stadt und Dorf Veringen und die zugehörige Lösung<br />
von 400 fl, die er von Reinhartsweiler gekauft, vom<br />
Herzog von Oesterreich zu Lehen empfangen, die aber jetzt<br />
Graf Hans von Werdenberg pfandweise besitzt) (Württbg.<br />
Reg. 6194). In den Verkauf sind ferner eingeschlossen die<br />
Leibeigenen des Rechbergers in vielen umliegenden Orten<br />
(Württb. Reg. 6192). Da Kanter diese Ortschaften teils nicht<br />
lesen konnte, ließ ich die betr. Stelle im Staatsarchiv Stuttgart<br />
fotographieren. Es heißt:<br />
„Diese nachgeschriebenen Eigenleute gehören zu der Herrschaft<br />
und sitzen außerhalb obiger Orte: Zu Megrichingen<br />
(M ä g e r k i n g e n) ist der Amtmann mein eigen, sowie sein<br />
Weib und 3 erwachsene Söhne und ein Auberly Stickler.<br />
Der Kürsener zu Guckenloch (Mühle zwischei Hörschwag<br />
und Hausen a. d. Laudiert) mit Weib und 4 Kindern.
Jahr^H,.^ i960 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 35<br />
Des; Kürsenes Tochter zu Rottenburg mit Kindern, weiß<br />
nit wie viel. Ferner Machtilds Schwestern, die beiden haben<br />
sich verbrieft. Item zu Salbendingen die 2 jungen<br />
Franken. Item zu Melchingen 2 Frauen und 1 Mann, weiß<br />
nit, wie die heißen. Doch findet man das in den Rodeln und<br />
Registern, als sie Fastnachtshühner geben. Zu Undingen<br />
2 Männer, weiß den Namen nicht. Zu Erpfingen Fricken<br />
Kinder und der Bey (Bry?). Item zu Pfullingen 1 Frau<br />
und 1 Mann. Zu Hönau, Steinhülben und Oedenwaldstetten<br />
je 1 Mann, Name unbekannt. Item zu<br />
Wilsingen 5 Mann, 3 Frauen und deren Kinder, auch<br />
Klöbers (Klaibers!) Kinder. Zu Tigerfeld 1 Frau und des<br />
Röubers Weib mit vielen Kindern. Item zu Pfronstetten<br />
1 Frau und 1 Mann. Item zu R i n g i n g e n, han ich Leute,<br />
ich weiß nit jetzo, wievil das sind. Zu Burladingen 2<br />
Mann und 2 Frauen, hand viele Kinder Item ze Gösselfingen<br />
(Gauselfingen) 1 Frau und deren 2 Söhne. Zu B i t z<br />
1 Frau. Item der Gegkeller im Killertal und sein Bruder<br />
sind mein eigen. Item zu Ebingen des Mesners 2 Töchter,<br />
Jakob Plancken Weib mit 3 gewachsenen Söhnen und die<br />
andern 2 Frauen, hand vil Kinder. Item der Schoye und sein<br />
Bruder, Hainers Weib. Ferner zu Liggersdorf Heinrich<br />
Muner und sein Weib, die hat man zu mahnen.. Item des<br />
Mesners 2 Söhne. Item zu Harthausen uff der<br />
S c h e r r 2 Mann, 4 Frauen und ihre Kinder. Zu Benzingen<br />
2 Mann, 3 Frauen. Zu Winterlingen 2 Frauen. Zu<br />
Straßberg des Metzgers Weib, 2 ausgegebene Söhne und<br />
sonst 3 Kinder. Zu Stetten dem Kaltenmarkt 1<br />
Mann. Item zu Geislingen 1 Mann. Zu Bünge (Bingen)<br />
der Schönbertzschy und sein Bruder. Ferner 2 Mann. Item<br />
1 Mann zu Emerfeld. Zu Egelfingen der Thöuber<br />
mit Weib und 8 Kindern. Zu Veringen dem Dorf 2<br />
Frauen, zu Jungnowe des Sinders Weib, Grafen Eberhards<br />
Concubine, des Gerstenmayers Tochter. Item zu Silmaringen<br />
(vermutlich Sigmaringen) des Grafen Hansen<br />
(von Werdenberg) Schreiber, der Gerstenmayer sein Jäger<br />
und dessen Weib, und sein Sohn ist zu Hächingen.<br />
Item zu Veringen (stadt) der Glattis, der Böler, der<br />
Nopp, Frick Amann und sein Bruder. Conrad Rügker, Faigly,<br />
Rupp, der Bosch, Gegkelers Schwester und des Amanns<br />
Schwester und ihre Kinder. Der Kut. Item zu Gruorn<br />
(G r u o 1) bei Haigerloch, da herum hab ich 4 Mann und<br />
Frauen, weiß nit wie die heißen.<br />
Dies sind meine Eigenleute. Die Kinderzahl kenn ich nicht.<br />
Und die Ower, und der Hälbling, da könnt guter maßen<br />
Claus Böser, Amtmann, sagen, wie es um sie steht. Hier sind<br />
aber die Leibeigenen zu Gammertingen und Hetlingen und<br />
den zugehörigen Dörfern nicht geschrieben. Item ich hab den<br />
Willen gehabt, ein Ungelt zu Hertingen zu hab&n. Mag vielleicht<br />
nit höher dann jährlich 16 Pfund Heller geben."<br />
Die ganze Liste ist datiert vom 22. November 1447. Ein<br />
Vergleich mit dem buntscheckigen Bild der Leibeigenen in<br />
Hagens Lagerbüchern der Grafschaft Zollern von 1544 liegt<br />
nahe. Ein großer Teil der verkauften Güter bez. Leute dürfte<br />
auf den 1415 verstorbenen letzten Grafen Wolf von Veringen<br />
zurückreichen, dessen Erbe ja Hansens Vater Heinrich von<br />
Rechberg war (J. Wiest, Gesch. der Stadt Gammertingen,<br />
1928, 27).<br />
Im Jahre 1450 erhielt Hans von Rechberg vom Reich einen<br />
Teil des Dorfes Salmendingen als Lehen. In der Fehde mit<br />
dem Grafen von Werdenberg zog er am 4. Sept. 1464 mit 300<br />
Reitern und einigen Fußknechten aus, plünderte die werdenbergischen<br />
Besitzungen, verbrannte die Dörfer Feld - und<br />
Harthausen und Melchingen, legte Benzingen<br />
400 fl Schätzung auf. Bald benützte er die Schalksburg, bald<br />
den Hohentwiel, bald Schramberg als Stützpunkt. Am 11.<br />
November 1464 ereilte ihn das Schicksal in Gestalt eines<br />
Bauernpfeiles, der ihm am 13. zu Villingen den Tod brachte.<br />
Man hat schon vermuten wollen, Hans von Rechberg habe<br />
bei seinem Zug 1464 auch das Schloß Ringingen zerstört.<br />
Einen Nachweis besitzen wir nicht. Da vielmehr die Burgherren,<br />
die Schwelher-Erben, mit den Werdenbergern laut<br />
Notiz von 1516 „nit in Einigkeit gestanden", auch der befreundete<br />
Graf von Wirtenberg hier mehrere Leibeigene 1447<br />
von Hans gekauft gehabt, scheint die Zerstörung durch letzteren<br />
nicht sehr wahrscheinlich.<br />
Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß die Grafen<br />
von Wirtenberg den Rechberger hinters Licht geführt<br />
und sich auf Seiten Werdenbergs gestellt hatten. Sonst hätten<br />
ja auch deren Dörfer Feld- und Harthausen nicht den Zorn<br />
des Hans von Rechberg zu fühlen bekommen können!<br />
Schon am Montag nach Sonntag Invocavit 1441 hat Hans<br />
dem Konrad von Stein zu Göffingen Stadt und Schloß Hett<br />
i n g e n verkaufen wollen, samt Herbrechtingen, Ittenhausen,<br />
Feld- und Harthausen mit Leuten und Gütern, ausgenommen<br />
einen Weiher an der V e 1 g (Fehla!) bei Hettingen<br />
um 6540 fl. Der Verkauf scheint jedoch wieder kassiert worden<br />
zu sein (Württ. Reg. 6189). Nach Gabelkofer lösten 1442<br />
die Grafen von Württemberg das Burgstall (Vorder-)Liechtenstein<br />
mit Zubehör von Hans von Rechberg um 1000 fl und<br />
400 Pfund Heller (Kanter S. 127). Kraus.<br />
Philologe, Geograph und Astronom<br />
Dem Andenken von Karl Schoy (1877 bis 1925)<br />
Vor kurzem hat die Stadt Meersburg ein bisher wenig beachtetes<br />
Grab auf ihrem Friedhof in ihre Obhut genommen.<br />
Es liegt in der stadtwärts gelegenen Ecke dicht an der Friedhofmauer<br />
unter einer mächtigen Trauerweide. Auf dem<br />
schlichten Grabstein ist zu lesen:<br />
Carl SCHOY - 1877—1925 - DR. ING. DR. PHIL. - DOZENT<br />
AN DER UNIVERSITÄT FRANKFURT AM MAIN.<br />
Wer war nun. der, der hier seine letzte Ruhe gefunden? Die<br />
Antwort auf diese Frage mögen die Worte des Bonner Professors<br />
Dr. Spies geben, die er am 23. Dezember 1925 im<br />
Essener Anzeiger dem Verstorbenen widmete: „Einer der<br />
besten Kenner der Geschichte der exakten Wissenschaft im<br />
Orient... Seine zahlreichen Arbeiten über mathematische<br />
Geographie und Astronomie bei den Arabern haben die<br />
Wissenschaft ganz erheblich gefördert. Der Verlust, den die<br />
Geschichte der exakten Wissenschaften durch den allzufrühen<br />
Hingang ihres Erforschers Karl Schoy erlitten hat, ist in der<br />
Tat unersetzlich."<br />
Karl Schoy ist geboren am 7. April 1877 in dem Dörflein<br />
Bittelschieß im südlichen Hohenzollern. Dort war sein Vater,<br />
der aus Bisingen am Fuße des Zollerberges stammt, Lehrer.<br />
Wie zwei seiner Brüder sollte auch er den Beruf des Vaters<br />
ergreifen und Volksschullehrer werden. So verzeichnet denn<br />
der Jahresbericht des Lehrerseminars zu Meersbug am Bodensee<br />
auch unsern Karl Schoy im Jahre 1894 als Schüler<br />
und 1896 als Lehramtskandidat. Schon hier hatte er besondere<br />
Begabung in Mathematik und Geographie, aber auch<br />
in Musik gezeigt.<br />
Doch mit dem bisher Erreichten gab sich der Neunzehnjährige<br />
nicht zufrieden. Er lernte Englisch, Französisch, Latein,<br />
verbesserte seine mathematischen Kenntnisse — alies<br />
neben der Schularbeit her —, machte 1901 das Abitur am<br />
Realgymnasium in Karlsruhe und ging sodann nach München,<br />
um Mathematik, Astronomie und Physik zu studieren.<br />
Nachhilfestunden und Rechenarbeit an der dortigen Sternwarte<br />
ergaben dem Studenten den kärglichen Lebensunterhalt.<br />
Staatsexamen für das Höhere Lehramt, für das Land<br />
Bayern zuerst und dann noch für das Land Preußen abgelegt,<br />
sodann Anstellung an höheren Schulen, endlich eine<br />
Studienratsstelle in Essen — das sind die äußeren Etappen<br />
dieses ungewöhnlichen Lebensganges. Sechzehn Jahre verblieb<br />
Karl Schoy in Essen, wenngleich die ganzen Lebensumstände<br />
des Ruhrgebiets dem naturliebenden Schwaben<br />
keineswegs zusagten.<br />
„Ein ungeheurer Wissensdurst durchdrang ihn. Zur Quelle<br />
der Weisheit mußte er." So schreibt Professor Lindow in<br />
seinem Nachruf, „Tragödie des Außenseiters" betitelt. Ja, er<br />
muß ein Außenseiter gewesen sein, wenngleich seine Schüler<br />
die Güte ihres hervorragenden Lehrers rühmten. Der saß,<br />
wenn er abgekämpft nach Hause kam, des Nachts über den<br />
Büchern und orientalischen Manuskripten, die er sich mit<br />
Hilfe guter Freunde, zum Teil aus fernliegenden Bibliotheken<br />
(Kairo, Alexandria) zu verschaffen wußte. Um nicht<br />
erst aus der Hand von Uebersetzern an die Wissensgebiete,<br />
die er bearbeitete, heranzukommen, lernte er, ein hoher<br />
Dreißiger schon, noch Arabisch; dazu dann auch noch Persisch<br />
und Türkisch.<br />
Nach all dem erscheint es nicht gar verwunderlich, daß<br />
der Essener Studienrat Schoy promovieren konnte, und rasch<br />
nacheinander gleich zweimal: zum Dr. ing. an der Technischen<br />
Hochschule München und zum Dr. phil. nat. an der Universität<br />
Heidelberg. Seine Doktorarbeiten wie seine sonstigen<br />
Veröffentlichungen ließen die Wissenschaftler des In- und<br />
Auslandes aufhorchen. Professuren in Deutschland und USA<br />
(Berlin und Columbia University), die ihm angeboten wurden,<br />
konnten der Zeitumstände (Nachkriegszeit, Inflation)<br />
wegen und aus gesundheitlichen Gründen nicht angenommen<br />
werden. Als aber endlich der einsichtige preußische<br />
Minister Becker eine Dozentenstelle für den Dr. Dr. Karl
36 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Schoy an der Universität Frankfurt a. M. einrichtete, waren<br />
seine Kräfte erschöpft. Fünf Wochen nur, auf der Höhe seines<br />
Wissens angelangt, konnte er dort lehren, dann kam<br />
— grausames Geschick — der Tod (1925). Ein Jahr zuvor<br />
noch hatte seine Frau dem kranken Mann einen langgehegten<br />
Wunsch erfüllt, einmal wenigstens die Sonne des<br />
Südens zu schauen, den er Zeit seines Lebens „mit der Seele<br />
gesucht." Doch die Riviera konnte ihm nimmer helfen. —<br />
Zum Schlüsse sei gestattet, einige Sätze aus der wunderbaren<br />
Grabrede des Pfarrers Haag zu zitieren. „Karl Schoy,<br />
so soll denn heute dein sterblicher Teil die letzte Ruhestätte<br />
finden, hier oben auf dem stillen, schönen Friedhof<br />
deines geliebten Meersburg, wo dir in Jugendheiterkeit die<br />
ersten Berufsjahre sich erfüllten, wo du späterhin so manches<br />
Mal an der Seite deiner treuen Lebensgefährtin köstlicher<br />
Ferientage dich erfreutest, in dem stillen, weithin-<br />
Kurznachrichten<br />
Alte Gräber in Veringenstadt. Der in Veringenstadt wohnende<br />
Jörg von Rechberg von Hohenrechberg stellte am 26.<br />
März (Ostermontag) 1554 eine Urkunde aus: „Als Gott meinen<br />
lieben Vater, den Junker Jörg von Rechberg aus dem<br />
Leben abrief, hatten weder er noch meine Vorfahren eine<br />
eigene Sepultur oder Begräbnis in der St. Nikolauskirche zu<br />
Veringenstadt. Auf mein Ansuchen aber haben der derzeitige<br />
Pfarrer Meister Valentin Knaus (Knuß) und<br />
Schultheiß mit Stadtrat mir zugelassen, meinem Vater in der<br />
genannten Nikolauskirche „ein Grebnus" zu machen. Doch<br />
wurde ausbedungen, daß damit kein Anspruch für später<br />
entstehe, wenn wieder einer vom Rechberg-Geschlecht mit<br />
Tod abginge, sondern jeweils das Einverständnis des Pfarrers<br />
(in Veringendorf) und des Stadtrates nötig sei." —•<br />
Mündliche Ueberlieferungen sagten, daß sich zu Veringenstadt<br />
eine Gruft mit den Ueberresten der Grafen von Veringen<br />
befinde. Da die Nikolauskapelle — Vorgängerin der<br />
jetzigen Stadtkirche — die Hofkapelle gewesen sein könnte,<br />
wäre auch daselbst die Gruft zu vermuten. Um sich nun<br />
davon zu überzeugen, ließen der Herr Oberamtmann von<br />
Schütz, der Kassier Schießle von Sigmaringen und der Herr<br />
Pfarrer G o b s von Benzingen durch 4 Männer nachgraben.<br />
Am 17. August 1819 öffnete man zuerst (den Boden) bei dem<br />
Katharinenaltar, der beim Eingang in die Kirche rechts<br />
stand. Nach langem vergeblichem Graben öffnete man weiter<br />
vorn. Die Freude war allgemein, als man auf eine Mauer<br />
stieß, die man zunächst für ein Gewölbe der Gruft hielt.<br />
Allein es war nur eine dicke Mauer, die vom Schwibbogen<br />
bis in die Mitte der Chorstühle ging und sich dann eiförmig<br />
in den anderen Schwibbogen endete (offenbar eine frühere<br />
Apsis oder Chorabschlußmauer), ein Zeichen, daß da früher<br />
eine halbe Rotunde war, deren Grundmauer man gefunden,<br />
und daß man auch an den vorderen Teil an die Kirche anbaute,<br />
da dies hinten (vermutlich wegen des Turmes) nicht<br />
mehr möglich war. Des andern Tages wurde noch an fünf<br />
verschiedenen Orten in der Kirche (der Boden) geöffnet, ohne<br />
jedoch die geringste Spur von einer Gruft zu entdecken.<br />
Oelberg auf dem Hochaltar der Friedhofkapelle Gruol<br />
Foto Jos. Schneider.<br />
schauenden Garten, den du stets gerne besucht hast, und wo<br />
bei einem deiner letzten Besuche die Empfindung dich durchrann:<br />
Hier müßte sich gut ruhen lassen, wenn der große<br />
Feierabend kommt.<br />
So ruhst du sanft und würdig. Nicht der Einzige hier, der<br />
im Leben, Tausende überragend, die Gottessendung in sich<br />
trug, nach Sternen zu greifen. Nicht weit von dir schläft<br />
ebenfalls ein Großer, dem Sterne verborgene Naturkräfte<br />
entschleierten (Anton Mesmer), schlummert die zarte Gestalt<br />
einer Frau, deren Seele eine Harfe war, eine Harfe,<br />
der des Lebens Finger Liederklänge entlockten, die wie helle,<br />
reine Sterne am Himmel der deutschen Dichtung leuchten<br />
werden, weit über Grab und Tod hinaus (Annette v. Droste-<br />
Hülshoff). Auch dir war es ja gegeben, als Stern von eigenartigem<br />
Glanz am Himmel der Wissenschaft aufzusteigen."<br />
Xaver Schilling.<br />
In jenen Tagen wurde auch der Grabstein mitten in der<br />
Kirche gehoben, auf welchem das Wappen der Rechberg<br />
eingehauen war. Man fand bald ein gut gemauertes<br />
Grab, in dem die Gebeine eines Mannes von VU Schuh Länge<br />
lagen. Darauf ruhte ein Schwert von 3V2 Fuß Länge, sowie<br />
ein Dolch und ein Stahl. Das Schwert brachte man aufs<br />
Rathaus, der Dolch und Stahl aber brachen in Stücke. In<br />
dieses Grab zu den Gebeinen legte man einen in ein Glas<br />
verschlossenen Brief, der die Zeit der Eröffnung und die<br />
Namen der anwesenden Personen enthielt.<br />
Schon den 1. August 1819 war das links vom vorgemeldeten<br />
gelegene Grab geöffnet. Nach vieler Mühe und Begießung<br />
des Steines mit Wasser erkannte man folgende Inschrift:<br />
„Anno domini 1. ... 6 starb die edel und tugendsam<br />
irau Catharina von Rechberg (dieses außen am Rand herum:<br />
und in der Mitte des Steines:) Gott sei ihrer Seele gnädig."<br />
Im Grabe selbst fanden sich regelmäßig geordnete Gebeine<br />
von einer Frau. Der Schreiber dieses (H. Kaplan Fischer<br />
zu Veringenstadt 1819) vermutete, diese Katharina<br />
könnte die Gemahlin des 1554 verstorbenen älteren Georg<br />
von Rechberg sein, der 1538 oder 1540 mit seiner Frau und<br />
Sohn Georg d. j. hier seine Wohnung nahm. Die Gemahlin<br />
des jüngeren Georg, der 1570 oder 1571 starb, war Agnes,<br />
eine geborene Spet, die 1575 noch lebte. Pfarrer Sprißler hält<br />
die letzte Ziffer der Jahrzahl für eine umgekehrte 8, der 4<br />
bedeuten soll. Man darf aber dieser Entzifferung nicht zu<br />
viel Glauben schenken, weil es diese Herren überhaupt nicht<br />
genau genommen zu haben scheinen. Beweis: Am 17. August<br />
1819 lasen die obgemelten Herren die Jahrzahl an der großen<br />
Glocke und entzifferten 1405. Diese hab ich auch schon gesehen,<br />
sie heißt mccccliiii, was doch offenbar 1454 heißt. Soweit<br />
Fischer.<br />
Nota: Auf der Kirchenbühne zu Dillstetten stehen in einer<br />
Kiste eingepackt die Gebeine, die 1862 beim Abbruch der St.<br />
Nikolauskirche daselbst ausgegraben wurden. Es sind 4<br />
Schädel, von denen 3 einander auffallend ähnlich geformt<br />
sind, wogegen der vierte eine andere Bildung hat. Es könnten<br />
demnach wohl 3 Rechberg darunter sein, obschon wir nur<br />
von den 2 Georgen wissen. — (Notizen S. Lochers.)<br />
Das Kunstdenkmälerwerk des Kreises Sigmaringen 1948 S.<br />
393 Nr. 20 sieht die Schrift dieses Grabsteins der Katharina<br />
von Rechberg als ins 13. Jahrhundert gehörig an, was offenbar<br />
irrig ist. Es könnte wohl auch eine geborene Rechberg<br />
gewesen sein, denn sonst wäre der Mädchenname au f<br />
dem Stein vermerkt worden. Krs<br />
Der Jahrgang 1 der „Hohenzollerischen Heimat" enthält<br />
die schöne Geschichte von Auguste Salzmann: „Vom Büblein,<br />
das nicht sitzen konnte." Der Vater dieses Bübleins stammt<br />
von Steinhilben, und auch das Büblein selber war ein Steinhilber<br />
Bub: Verele Jäger. Auguste Salzmann, die Verfasserin<br />
und Tochter dieses Xaver Jäger war eine Verwandte<br />
von Frau Jijliana Geiselhart, geb. Pfeiffer. Sie war in den<br />
20er Jahren einmal in Steinhilben, und ihre Kinder waren<br />
bei Juliane Pfeiffer auf Besuch. Wo sie jetzt wohnen, weiß<br />
ich nicht. Durch mich kam die Erzählung s. Zt. ins Lesewerk<br />
des kath. Lehrervereins und war im sog. „Heimatband" abgedruckt.<br />
Von dieser Erzählung sagte s. Zt. der frühere<br />
preußische Kultusminister von Studt, anläßlich eines Besuches<br />
in Sigmaringen, daß dies das schönste Lesestück des<br />
Lesewerkes sei. F. Widemann.<br />
Merkwürdige Jahrzahlen finden sich um 1300 im Kloster<br />
Heiligkreuztal: Zwölfhundert zehn und neunzig Jahr 1300,<br />
oder tausend zweihundert und neunzig Jahr und in dem<br />
zehenden Jahr ja sogar: tausend zweihundert und neunundneunzig<br />
Jahr in dem nächsten Jahr! Warum diese Scheu vor<br />
der Hunderterzahl?
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 37<br />
Götz von Burladingen: Am 11. Juni 1359 urkundet Graf<br />
Heinrich von Veringen, er habe von Götz von Burladingen<br />
dem alten und dessen Sohn Götz (Gottfried)<br />
den Laienzehnten zu Bächingen, d. h. ein Drittel des<br />
dortigen Zehnten, den diese von ihm zu Lehen hatten, angenommen<br />
und dem Kloster Salem zu seinem Seelenheile<br />
geschenkt. Laut Urkunde vom 21. Juni 1359 zu Pfullendorf<br />
berichtet der alte Götz von Burladingen, er habe<br />
seinen dritten Teil des Zehnten von Bächingen, vormals<br />
Lehen des Grafen Heinrich von Veringen, dem Kloster Salem<br />
zu kaufen gegeben, das nun den ganzen Zehnten daselbst<br />
besitze. Kaufpreis des Drittels: 133 Pfd. Hlr. Zu Bürgen<br />
setzt er seinen Sohn Götz von Burladingen und<br />
seinen Tochtermann Cunrad Grämlich den Amtmannn zu<br />
Pfullendorf. (Salemer Archiv in Karlsruhe).<br />
Nach der OA.-Beschreibung Riedlingen 1923 S. 640 hatte<br />
Salem in Bechingen noch bis 1645 mit anderem Besitz<br />
auch den ganzen Zehnten und verkaufte ihn hier ans<br />
Kl. Zwiefalten. Somit kann es sich bei den Urkunden von<br />
1359 nicht um Bächingen (abgeg. bei Volkertshausen-Stockach)<br />
handeln, wie Krieger im Topograph. Wörterbuch und die<br />
Hohenz. Heimat 1959 S. 41 meinten, sondern das heutige<br />
Bechingen im Kreis Riedlingen.<br />
Der ältere Götz von Burladingen kommt auch in einer<br />
Veringer Urkunde vom 5. Februar 1349 vor: Ursel von Gersteneck<br />
(bei Landshut i. Bay.;. Zweig der Herren von<br />
Freyberg), Frau des Heinz Spet von Schirmberg<br />
(wo?), ferner Adelheid und Ursel, Töchter des verstorbenen<br />
Hug v. Tierberg, verkaufen dem Edelknecht Ulrich v. Regnolzweiler<br />
ihr gemeinsames Haus in Veringenstadt nächst bei<br />
der Nikolauskapelle, das ihr Vater Hug v. Tierberg ihnen hinterließ,<br />
um 23 Pfund Heller. Bürgen: Die 2 Ritter und Brüder<br />
Berthold und Heinrich von Stein, und GötzvonBur-<br />
1 a d i n g e n, und Heinrich Spet, ihr Stiefvater und Pfleger.<br />
Geiselschaft nach Sigmaringen oder Veringen ist ausgemacht.<br />
Siegler: die 2 Gebrüder von Stein, Götz von Burladingen und<br />
Heinz Speth (von Schirmberg). — Letztere Burg scheint in<br />
der Gegend der Lauchert-Fehla abgegangen zu sein, M.<br />
Walter vermutete bei Gauselfingen.<br />
Ein Helmsiegel benutzte Gotzo von Burladingen am 23. 4.<br />
1380, indem auf dem Helm eine mehrzackige Krone sichtbar<br />
ist, aus der der schlanke Falke wächst. (Hohenz. Heimat<br />
<strong>1960</strong>, 24 und Abbild bei Alberti.) Somit haben wir hier die<br />
sonst nicht erwähnte Helmzier vor uns. Uebrigens hat schon<br />
der gut bewanderte Seyler festgestellt, daß die Farben<br />
des Burladinger Wappens unsicher seien. Denn nach alter<br />
Wappenregel kann kein weißer Falke in goldenem<br />
Feld sitzen. Man möchte vielmehr, da graubraun<br />
in der Farbenskala einst nicht vorkam, für den Falken die<br />
Farbe schwarz --ermuten. Schließlich fand sich auch noch<br />
im Fürstenbg. Urkb. Bd. VI, S. 238 eine letzte Kunde des<br />
Geschlechtes: Am 16. Mai 1402 empfing C u o n von<br />
Burladingen vom Grafen Eberhard von Wirtemberg zu<br />
Mannlehen den Teil des Kornzehntens zu Trochtelfingen,<br />
den Menloch von Linstetten vorher hatte! Somit hatte<br />
es mit dem Besitz im Städtchen Tr. doch seine Richtigkeit.<br />
Dort findet sich auch am 26. Juli 1406 unter den Bürgern<br />
noch eine B e n t z (Berthold) Burlading, den man mit<br />
mehr Wahrscheinlichkeit für einen unebenbürtigen Nachkommen<br />
halten könnte, als die von Rischert neulich beigebrachten<br />
Wolfe, die aus Burladingen ausgewandert waren.<br />
Götz von Burladingen siegelte auch noch im Jahre 1384<br />
eine Urkunde, die jetzt im Staatsarchiv München liegt. Merz-<br />
Hegi bilden mit der Züricher Wappenrolle 1930 auf Siegeltafel<br />
VI dessen Siegel ab: Helm mit Decke, dessen Zier aus<br />
einem Dreiberg besteht, auf dem ein schlanker Falke nach<br />
heraldisch rechts schaut. Umschrift f S. GOEZEN VON<br />
BVRLADINGEN. Die angebliche Krone auf dem gleichen<br />
Siegel im Staatsarchiv Stuttgart von 1380 (Alberti) dürfte<br />
somit eher als Dreiberg aufzufassen sein. Krs.<br />
Der Ringinger Spruch: „Bar le ban" scheint in der Bedeutung<br />
„Zum Zeitvertreib" offenbar französisch zu sein.<br />
Aber es ist unklar, ob es „Parle banc" oder „Parier ban"<br />
oder wie sonst heißen müßte. Wer von den Sprachkundigen<br />
kann Auskunft geben!<br />
Der Kirchturm in Ringingen ist trotz gegenteiliger Behauptung,<br />
neuestens wieder im Hohenzollerischen Jahresheft<br />
S. 283, nicht gotisch. Denn im Jahre 1714 schreibt der<br />
Schultheiß: „Wir haben keinen Kirchturm und die Glocken<br />
hängen außerhalb an einem Gerüst". Allerhöchstens kann<br />
der unterste Stock des Turmes, der 1714 und bis 1905 als<br />
Sakristei diente, aus älterer Zeit stammen! Das übrige<br />
wurde laut Rechnungen 1720 drauf gebaut. Krs.<br />
Stetten-Gnadental. Am 14. November 1663 hat Frater<br />
Markus Antonius a Carpenedulo, General des Kapuzinerordens,<br />
von Solothurn aus die Priorin und den Konvent der<br />
Dominikanerinnen in Gnadental (bei Hechingen) unter seine<br />
geistlichen Töchter aufgenommen und sie aller Meßopfer,<br />
Gebete und Verdienste etc. teilhaftig gemacht, die in seinem<br />
Orden erlangt werden. Dieser „Gnadenbrief geistlicher<br />
Kindtschaft" wurde vermittelt durch Fr. Lambert, Kapuziner<br />
von Freiburg i. Brsg., derzeit Guardian in Rottenburg a. N.<br />
(Orig. Pap. mit Siegel in der Heimatbücherei Hechingen Nr.<br />
G 867, frdl. mitgeteilt durch Studienrat H. Faßbender.) Kr.<br />
Eremit im Bittelschießer Täle. Am 11. Oktober 1719 wurde<br />
im Geistl. Rat zu Konstanz ein Schreiben des Dekans von<br />
Ostrach verlesen: der Pfarrer von Bingen habe die Hinterlassenschaft<br />
des verstorbenen Eremiten zu Bittelschieß<br />
Fr. Josef Stuffler, 3. Orden S. Francisci, im Namen<br />
des Ordinariats versiegelt. Der Hornsteinische Obervogt jedoch,<br />
Herr Johann Caspar Bechinger, habe jedoch das Siegel<br />
weggerissen und das seinige namens seiner Herrschaft aufgedrückt,<br />
auch das Eremitorium oder Häuslein, in dem der<br />
Bruder gewohnt mit einer Wache umstellt, damit niemand<br />
an das Siegel herankomme. Habe sogar befohlen, alle vor<br />
dem Leichnam annoch in dem Häuslein gebrunnene Kerzen<br />
— da jener hinausgetragen und zu der Erde bestattet werden<br />
wollen — auszulöschen, gleichwie er mit der Wacht eben<br />
darum noch immer continuiere. Beschluß: Es soll der Casus<br />
an seine Hochfürstl. Gnaden (den Bischof) untertänigst gemeldet<br />
werden, daß sie gnädigst geruhen wollten, an den<br />
Herrn Baron von Hornstein ein Schreiben zu richten, damit<br />
seine von seinem Obervogt verübte, so impertinen als den<br />
Rechten des Ordinariats und der kirchlichen Immunität präjudicierliche<br />
Insolenz gänzlich abgestellt und die hierin copetenten<br />
Ordinariatsrechte inconturbate exerziert werden möchten.<br />
Inzwischen aber könne man gegen den Obervogt mittels<br />
Strafmandat vorgehen. (Erzb. Arch. Freib. Ha 220, 365.) Krs.<br />
Gorheim, Instituthaus für Exnonnen. Nach Aufhebung des<br />
Klosters Gorheim und anderer in Vorderösterreich gelegenen<br />
Frauenkonvente um 1782 wurde im Klostergebäude ein Institut<br />
für die ehemaligen Schwestern vieler Orte in Gorheim<br />
eingerichtet. Am 1. Juli 1790 hatte der Direktor Lenzinger<br />
daselbst den Todfall der Oberin dieses königl. erzherzogl.<br />
Versammlungshauses, namens Magdalena Paschach<br />
e r i n nach Konstanz gemeldet und bei der bischöflichen<br />
Behörde angefragt, wie er die Neuwahl vorzunehmen habe.<br />
Man hatte ihm geraten, dies unter Zuzug des Stadtpfarrers<br />
Schwab „ohne Gereüsch oder Feyerlichkeit" vorzunehmen.<br />
Darauf berichtete der Direktor, daß das königl. Oberamt<br />
Stockach ihm eine Regiminalweisung zukommen ließ, er<br />
habe nach § 2 Nr. 2 der Statuten des Instituts einen Vorschlag<br />
der tüchtigsten Exnonne an die Landesstelle zu machen,<br />
die diese dann als Oberin aufstellen werde. Hiermit<br />
war nun auch Konstanz einverstanden. (Erzb. Arch. Ha 255,<br />
Seite 376.) Krs.<br />
Ende der Eremiten-Romantik. Am 23. Februar 1782 verhandelte<br />
der bischöfliche Geistliche Rat zu Konstanz: Am<br />
vergangenen 25. Jänner habe die kaiserliche Regierung an<br />
den Bischof von Konstanz in einem Schreiben die gänzliche<br />
Aufhebung und Abstellung aller Waldbrüder oder Eremiten<br />
im österreichischen Gebiet (natürlich auch Vorderösterreich,<br />
Hohenberg, Rottenburg etc.) mitgeteilt. Hierauf erfolgte der<br />
Beschluß: Weil man überhaupt ab Seiten des bischöflichen<br />
Ordinariats die Eremiten schon längstens aufgehoben<br />
zu sein wünschte, und diese Verordnung<br />
von den königlichen Oberämtern vermutlich schon befolgt<br />
und exequiert worden sein wird, beruhet dieser Vorgang<br />
auf sich. (Erzb. Archiv Freiburg Ha 246, S. 239.) Kraus J. A.<br />
„Die Schrecke" läuten. Um Weihnachten war in irgend<br />
einer Zeitung zu lesen gewesen, in der Baar läute man in<br />
der Frühe des Weihnachtsmorgens „den Schrecken". Nun ist<br />
nicht recht einzusehen, wer da in Angst und Schrecken versetzt<br />
werden soll! In Ringingen sagt man denn auch: Man<br />
läutet „die Schreck e", wobei das e wie in Hecke gesprochen<br />
wird. Es ist offenbar das gleiche Wort, das uns in<br />
„jabber aufschrecka", d. h. aufspringen machen. Dies<br />
ist nämlich die Grundbedeutung des Wortes, das uns auch<br />
in Heuschrecke begegnet. Die Vergangenheitsform lautet<br />
„verschreckt" und „aufgeschreckt". Selbst erschrecken oder<br />
in Schrecken geraten wird in der Mundart „vrschräacke" gesprochen,<br />
die Vergangenheitsform lautet „vrschrocka". Offenbar<br />
sollen die Leute am Weihnachtsmorgen aus dem Schlafe<br />
aufgeschreckt werden, damit sie den Frühgottesdienst des<br />
Engelamtes nicht verschlafen. Kr.
38 Jahrgang 1P^u<br />
Das Wort Fasnet kann nicht von faseln abgeleitet werden,<br />
da jenes schon seit dem Jahre 1200, dieses aber in der Bedeutung<br />
„dummes Zeug reden" erst seit dem 17. Jahrhundert<br />
nachgewiesen werden kann. Fasnet als Faselnacht erklären<br />
zu wollen ergäbe einen fatalen Sinn. Fasel ist nämlich<br />
der alte Name für den Zuchteber, auch Zuchtstier und bezeichnet<br />
die Nachkommenschaft. Das zugehörige Zeitwort<br />
„vasen und faseln" bedeutete im Mittelhochdeutschen: Fasern<br />
bilden, Wurzel fassen, sich vermehren, gedeihen und fruchten.<br />
Gelehrte von Weltruf, wie Math. Lexer (Mittelhochdeutsches<br />
Wörterbuch), Friedr. Kluge (Etymolg. Wörterb.)<br />
und Wasserzieher E. sehen in ihren neuen <strong>Ausgabe</strong>n in Fasnet<br />
lediglich eine Abschleifung aus Fastnacht, der<br />
Nacht bzw. Vortag vor der großen kirchlichen Fastenzeit!<br />
Andere Erklärungsversuche von Fehrle u. a. sind nach obigem<br />
leere Faseleien! Ki.<br />
Die Volksbräuche Steinhilbens, die Widemann um 1910<br />
sammelte (Hohenz. Heimat <strong>1960</strong>, 6 f), reizen geradezu, einen<br />
Vergleich mit anderen Gemeinden anzustellen. Vieles davon<br />
wird auch anderwärts Brauch gewesen sein, neben Verschiedenheiten.<br />
So sagte man z. B. in Ringingen nicht „Vorspann<br />
leisten", sondern „fürspanna", wenn man mit Seilen der<br />
„Täufede" oder dem Brautwagen den Weg versperrte;<br />
bei schweren Wagen dagegen wurde „voargspannet". Auch<br />
den „Hefekranz" kannte man nicht, schon weil Backpulver<br />
unbekannt war und man sonst das Brot meist mit „Hefel" =<br />
Sauerteig, später mit „Heaff = Hefe buk. Man würfelte vielmehr<br />
um „Ring e". In Burladingen fand ich einmal im<br />
Ehebuch die Notiz „Mittwochhochzeit" mit Ausrufezeichen.<br />
Erst später ergab sich die Lösung: Solche, die sich vor der<br />
Hochzeit vergangen hatten, mußten nämlich am sonst<br />
verrufenen Mittwoch heiraten! Ob der Ausdruck „Polterabend"<br />
alt ist, müßte man erst untersuchen. In Ringingen<br />
heißt der Brautführer „Dreitänzer" und das Hochzeitsessen<br />
früher „Zeach". „Weandr in d' Zeach sitza?" Bei uns heißt<br />
es „Monet-", nicht „Maunetstäg". Der „Dreißnegst", in dem<br />
die Eier besonders haltbar seien, war m. W. 30 Tage von<br />
Mariä Himmelfahrt an gerechnet. Ob man die vielen abergläubischen<br />
Bräuche vor 50 Jahren wirklich in altgermanische<br />
Zeit zurückdatieren kann, scheint immerhin gewagt zu sein.<br />
Vieles ist sicher viel jünger und eben aus der Unsicherheit<br />
des menschlichen Lebens und Alltags geboren gewesen. Ergänzungen<br />
zu Steinhilben, besonders aus dem Unter- und<br />
Oberland wären dringend erwünscht! Krs<br />
Eine sonderbare Bürgschaft bezeichnet das Wort Einlager<br />
oder Geiselschaft (obstagium). Die verpflichtete Partei, also<br />
der Verkäufer, Verpfänder, stellte der anderen Partei Bürgen,<br />
die mit ihrer Person dafür einstanden, daß das verabredete<br />
Geschäft auch richtig vollführt würde. Bei Verpfändung<br />
der Herrschaft Mühlheim durch den Grafen Friedrich<br />
von Zollern 1303 gelobte dieser dem Bischof von Konstanz,<br />
falls er dem Vertrag nicht nachkomme, sich zur „giselschaft"<br />
in der Stadt Konstanz zu stellen, Wurde nun die Verpflichtung<br />
nicht ausgeführt, so mußten die Bürgen nach vorausge<br />
gangener Mahnung sich mit den in der Urkunde genau festgesetzten<br />
Anzahl Männer und Pferden am bestimmten Ort<br />
im „gemeinen" öffentlichen Wirtshaus sich einfinden, und<br />
dort so lange auf Kosten des Beklagten leben, bis der Kläger<br />
befriedigt sei. Dieses Einlager hieß man auch Leistung.<br />
Zingeler vermutet, die Bürgen hätten in der Frühzeit auf<br />
eigene Kosten im Einlager gelebt. Nach 1500 kam diese<br />
merkwürdige Bürgschaft alimählich auf. Einzelfälle kämen<br />
noch bis ins 17. Jahrhundert vor (Zingeler in Mitt. Hohenz.<br />
1886, S. 90 f.) Kr.<br />
Fritz Schweiber von Straßberg siegelte mit Konrad von<br />
Hornstein am 13. April 1446 eine Urkunde des Jodok von<br />
Hornstein zu Schatzberg, worin dieser seinen Teil am Hof<br />
zu Egelfingen an den Katharinenaltar zu Veringen verkaufte.<br />
Lo.<br />
Schaltzburg als Familienname. Am 8. August 1372 verkaufte<br />
Graf Wolf rat von Veringen an Heinz den Banholzer<br />
einen halben Hof zu Hermentingen, den Cuntz Maurer<br />
und Albrecht Swiberli bebauten, den aber Schaltzburg bis zu<br />
seinem Tode noch nutznießen darf. (Locher.) — Schaltzburg<br />
ist eine andere Schreibart für Schalksburg, einer Burg bei<br />
Straßberg und eine größere bei Burgfelden. Der Name dürfte<br />
von der Burg genommen sein, ohne daß wir freilich Näheres<br />
wissen. Krs.<br />
Von der Hettinger Badstube, über die M. Walter bei Behandlung<br />
der Badstuben in Hohenzollern (Hohenz. JHeft 1951<br />
S. 101) nichts beibringen konnte, handeln Archivalien von<br />
1520 bis 1625 im fürstl. hohenz. Dom.-Archiv Sigmaringen<br />
R 75, 64; Ka 23,9. Krs.<br />
Von der Mühle zu Laiz<br />
In dem beim Preßverein Konstanz 1911 erschienenen Werk<br />
über: „Die von Hornstein und Hertenstein, Erlebnisse aus<br />
700 Jahren", liest man über die Zugehörigkeit der Laizer<br />
Mühle folgendes:<br />
Johannes I. von Hornstein, von Wüflingen genannt, Ritter,<br />
1282—1323. Nach dem österreichischen Pfandschafts-Verzeichnis<br />
von 1313 besaß Johannes die Burg Schatzberg, viele<br />
Güter zu Enslingen. sieben Bauerngüter und zwei Mühlen zu<br />
Unlingen, einen Hof zu Dietelhofen nebst Kleinzehnten und<br />
Gefälle, einen Hof zu Hedingen und die Mühle<br />
zu Laiz, zwei Höfe zu Bingen und verschiedene Gefälle<br />
zu Unlingen, Kirchhailtingen, Diengen, Sigmaringendorf und<br />
Bingen. Er urkundet meistens als Zeuge bei den umliegenden<br />
Klöstern Heiligkreuztal und Zwiefalten, auch öfters bei<br />
Kloster Salem, letztmals 1322, als er auf dem Gerichte zu<br />
Schattbuch über die Heiligenberger Grafenrechte Zeugenschaft<br />
ablegte. W.<br />
Uolridi von Liechtenstein war 1306 Abt des Klosters Elchingen.<br />
(S. Locher.)<br />
Ein Christoph Ringelstein war am 20. Juli 1543 Untervogt<br />
in Sigmaringen. Ob er mit den ehemaligen Herren von Ringelstein-Affenschmalz<br />
verwandt war? (Urkunde betr. Kleinzehnt<br />
zu Deutstetten im Staatsarchiv Sigmaringen.)<br />
Georg Simmendinger, wohl ein Angehöriger der Familie<br />
im Killertal, war bis 22. April 665 Müller zu Veringenstadt.<br />
(S. Locher.)<br />
Hans Kastner war 1458 Vogt zu Gammertingen, im Jahre<br />
1463 aber Conrad Braitnauer ebenfalls.<br />
Ein Weiler Veringeifeld wird in einer Urkunde von 1360<br />
für die Nikolauskapelle Veringenstadt erwähnt. Darin taucht<br />
auch schon die vordere Badstube auf, woraus man folgern<br />
kann, daß es auch noch eine hintere gab, die folglich nicht<br />
erst 1460 nachzuweisen sind, wie M. Walter bei Behandlung<br />
der hohenzollerischen Badstuben angibt. (Hohz. JHeft 1951,<br />
S. 101).<br />
In einer Reihe von hohenzollerischen Gemeinden werden<br />
von Dr. Hans Jänichen in einer Arbeit: Der Besitz des Klosters<br />
Stein am Rhein (zuvor Hohentwiel) nördlich der Donau<br />
• om 11. bis 16. Jahrhundert (Jahrbücher für Statistik und<br />
Landeskunde von Baden-Württemberg, Jahresband 1958,<br />
Statistisches Landesamt Stuttgart) Besitz und Rechte nachgewiesen.<br />
Im Kreis Hechingen werden die Ortschaften Bisingen,<br />
Dettlingen, Dießen, Fischingen, Grosselfingen und<br />
Steinhofen aufgeführt. Vom Kreis Sigmaringen sind es die<br />
Siedlungen Burg-Straßberg, Frohnstetten und Kaiseringen,<br />
über deren Geschichte und Schicksale Kraus in seiner Abhandlung:<br />
Zur Herrschaft Straßberg an der Schmeie (Hohenzollerisches<br />
Jahresheft, Jahrgang 1959) eingehend geschrieben<br />
hat. M. Sch.<br />
Wochenwerk zu Burladingen. Am 3. November 1423 verkaufte<br />
Aberlin Wochenwerk zu Burladingen mit Zustimmung<br />
seiner Frau Ellin, seines Sohnes Simon und des zu Jungingen<br />
seßhaften Tochtermanns Schiterlin an den Veringer<br />
Kaplan Hans der Broyel 1 Pfund Heller jährlichen Zins aus<br />
seiner Wiese zu Burladingen, gelegen inmitten im Dorf unter<br />
Manzen Haus, genannt des Bücken Wolfen Wiese, um<br />
24V2 Pfund Heller. Die Urkunde siegelten Albrecht von Renhartsweiler<br />
der älter (zu Veringen) und Conrad Vogt, Bürger<br />
ebenda. - Offenbar brauchte dieser Wochenwerk gerade<br />
bares Geld! Der genannte Kaplan verkaufte dann am Donnerstag<br />
vor St. Martinstag 1436 diesen Jahreszins um 30 Pfd.<br />
Heller an den St. Katharinenaltar in der Nikolauskirche<br />
Veringenstadt. Hier siegelten Dekan Johannes Locher, Kirchherr<br />
zu Veringendorf und Junker Konrad von Renquishausen.<br />
(Locher.)<br />
Rätselhafte Glockeninschrift von 1697 in Waldkirch (Brsg.):<br />
TVRBA ORIOR: QVIETA MORIOR. Die Uebersetzung ist<br />
nicht ganz einfach und gute Formulierung noch schwieriger.<br />
Wer wagt das Kunststück?<br />
Auf einer andern Glocke ebendort findet man das Bild<br />
Mariä Verkündigung mit einer Unterschrift, die als Chronogramm<br />
zweimal die Jahreszahl enthält (Großbuchstaben zusammenzählen!)<br />
:<br />
DIC: angeLVs nVntlaVlt Marlae.<br />
DlCatVr hIC et aVe LIberet Maria a Vae!<br />
Wer schafft eine Uebersetzung in annehmbarer Form? Krs.
Jahrgaflg''¥966 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />
Ritter Sehwenger von Liechtenstein siegelte am 1. Februar<br />
1395 neben dem Kirchherr Johannes Dachs von Trochtelfingen<br />
eine Urkunde, in der letzterer dem Cuntz Murnhart,<br />
Bürger zu Veringen, sein Gütiein zu • Harthausen auf der<br />
Alb um 11 rh. Gulden verkauft, genannt Friedingers Gütle,<br />
das s. Zt. der Hölzli bebaut und darauf jährlich 7 Scheffel<br />
beiderlei Korn gibt. Zeugen: Heinz Knorr, Kuntz Alber und<br />
Heinz Scherling, alle Bürger zu Trochtelfingen und der Vater<br />
des Verkäufers: Frick der Dachs von Mägerkingen. Später<br />
kam das Gütlein durch Kauf an die Thomaskaplanei Veringenstadt.<br />
(Locher.)<br />
Hedingen und Straßberg. Die Gefälle und Grundzinsen,<br />
die das Kloster Hedingen zu Straßberg bezog, wurden von<br />
ihm im Jahre 1579 um 129 fl an den Leheninhaber Adolf<br />
Dieteg von Westerstetten verkauft. (Randnotiz im Urbar von<br />
1441, erwähnt im Aufsatz über Hedingen von Laßberg in<br />
Württb. Jahrbüchern 1830, S. 130—147!)<br />
Gebietsmission in Benzingen. Am 28. April 1771 (4. Sonntag<br />
nach Ostern) fingen die Jesuitenpatres Josef Passeyrer,<br />
Fidelis Schneider, und Josef Ruoff in Benzingen eine Mission<br />
an, zu der auf Anordnung der Sigmaringer Regierung auch<br />
die Gemeinden Veringendorf und -Stadt, Harthausen und<br />
Storzingen erschienen und die ganze Zeit den Vormittag über<br />
hier blieben. Allen wurde gestattet, ein Missionskreuz zu<br />
errichten. Das Kreuz in Veringenstadt wurde am 6. Mai<br />
(Montag in der Bittwoche) auf dem Berg der alten Burg bei<br />
der Peterskapelle durch P. Passeyrer aufgestellt, wo man die<br />
Missionsablässe gewinnen kann." Lo.<br />
Magnusstab in Veringen. „Im Jahre 1771 haben die Würmer<br />
unseren Winter- und Sommersaaten großen Schaden<br />
getan. Man rief in unsere Gegend den Stab des hl. Abtes<br />
Magnus, der gegen die Schädlinge große Kraft besitzt, wenn<br />
man ihn vertrauensvoll anwendet. Am 23. Juni, einem Dienstag,<br />
kam gegen Abend der Benediktinerpater Michael Lutz<br />
von Zwiefalten, gab den Segen in vier Stationen mit eigenen<br />
Evangelienabschnitten und besprengte die Felder mit Weihwasser<br />
und zur Ehre des hl. Magnus gesegneter Erde, gab<br />
auch den Segen dem Volk und den Aeckern mit den Reliquien<br />
im ehrwürdigen Abtsstab des Heiligen. Da hörte die<br />
Gefahr auf. Vom Stadtrat wurden dem Pater 3 fl (= 12 Goldmark)<br />
gegeben und dessen Diener 1 fl. Gott und dem hl.<br />
Magnus sei Lob und Dank. Seb. Locher.<br />
Nikolauskirche zu Veringenstadt. Im Juli 1754 wurde der<br />
Altar des hl. Apostels Thomas aus der Mitte der alten Nikolauskirche<br />
Veringen weggetan und die darauf ruhende Stiftung<br />
auf den Seitenaltar bei der kleinen Tür verlegt. Der<br />
beseitigte Altar wurde mit größter Mühe ganz in die Kapelle<br />
St. Peter auf dem Berg versetzt in die Burgruine, mit Zustimmung<br />
des Bischofs. In der gleichen Zeit hat man auch<br />
die Orgel, die bisher über dem Hochaltar war, auf das hintere<br />
Portal verbracht. Die Bilder auf dem Altar wurden auf<br />
Kosten von Wohltätern restauriert: Die Marienstatue übernahm<br />
zum Erneuern die Spitalpflege durch Mathias Kohler<br />
und Nikolaus Stauß. St. Peter bezahlte Herr Chrostoph. Andr.<br />
Roth, Kaplan von St. Johann Bapt. und Thomas. St. Nikolaus<br />
zahlte Herr Johann Mich. Lendle, Tuchmacher, i f Johann<br />
Bapt. zahlten Stadtrat Johann Mich. Lieb und Engelwirt<br />
Friedrich Endris. St. Johannes Evang. zahlte Metzger<br />
Fidel Gauggel. S. Locher.<br />
Ein Verzeichnis der Frühmeßeinkünfte zu Hettingen von<br />
1491 berichtet: Der Herr Mathis Kiferlin, der auch<br />
1493 als Kaplan dahier erwähnt ist, habe mit dem Jäger<br />
und dem Knor eine Stiftung gemacht an die Heiligenpfleger<br />
St. Martin, daß sie den Frühmeßaltar „belichten" soll,<br />
wie die andern Altäre. Vorher mußte nämlich der Kaplan<br />
dies jeweils selber tun, was eine große Unrüb (Unruhe)<br />
machte. Dies geschah mit Zustimmung des Kirchherrn Heinrich<br />
Bittel und der Vögte und Heiligenpfleger, laut Heiligenpfleger,<br />
laut Heiligenrodel von 1490. Ferner hat der frühere<br />
Kirchherr Heinrich Harthauser, der 1492 resignierte, im<br />
Jahre 1496 zwei Schilling zu einer Jahrzeit gestiftet. Endlich<br />
stiftete Hans Kaspar von Bubenhofen 2 Mit. 3 Vtl. Korn<br />
oder das Geld dafür jährlich jedem Kaplan zu Hettingen<br />
aus dem Großzehnten von Gammertingen. Dafür sollen die<br />
drei Kapläne dem Kirchherrn helfen jeden Sonntagabend<br />
eine Seelvesper ob dem Grab (Gruft) sprechen, und morgen<br />
darauf ein gesungenes Seelamt mit gesprochener Vigil halten,<br />
und danach abermals eine Seelvesper, und sollen alle<br />
Tage das Grab helfen berouchen (beräuchern). Aktum im<br />
(14)98 Jore. (Pfa. Hettingen.)<br />
Die Klöster Gruol und Rangendingen<br />
Die „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens<br />
in Deutschland" Heft 23, 1927, berichten aus<br />
römischen Quellen:<br />
Conventus Gruelensis 1751<br />
Der Dominikanerinnenkonvent Grüol, Diözese Konstanz,<br />
im Gebiet des Fürsten von Hohenzollern fing 1477 ohne<br />
eigentliche Fundation an, wurde vielmehr von bäuerlichen<br />
Mädchen gebildet, die sich zusammentaten, um unverheiratet<br />
ein jungfräuliches Leben zu führen. Der Konvent hat keine<br />
eigene Kirche, sondern benutzt die Pfarrkirche, betet auch<br />
dort für sich die Tageszeiten. An Kapitalien hat er 4000 fl<br />
ausgeliehen und bezieht jährlich an Fruchtzins verschiedener<br />
Art nur 25 Malter. An Immobilien besitzt er 36 Jauchert<br />
Aecker, 20 Jauchert Wiesen und bezieht auch etwas Wein<br />
aus einem Dorf bei Tübingen. Sonst hat das Klösterlein<br />
weder Guthaben noch Schulden, und kann 12 Schwestern<br />
ernähren, die dem dritten Orden angehören.<br />
Im Jahre 1753 hatte Gruol dann als Priorin Mutter Maria<br />
Theresia Beck, 36 Jahre alt, Profeß 15 Jahre; Subpriorin<br />
Mutter M. Catharina Bürcklin, 45 J. alt, Prof. 21 J.; Schw.<br />
M. Luzia Weglerin, 71 J., 51 Prof.; Sr. M. Fidelitas Alberin,<br />
69 J., Prof. 48; Sr. M. Dominika Byllmayerin, 58 J., Prof. 29;<br />
Sr. M. Theresia Beck, 36 J., Prof. 13; Sr. M. Rosa Ghaugin,<br />
38 J., Prof. 11; Sr. M. Johanna Beckin, 32 J„ Prof. 10; Sr.<br />
M. Josepha Mauchin, 27 J., Prof. 8; Sr. M. Agnes Mayerin,<br />
29 J., Prof. 8; Sr. M. Antonia Luzenbergerin, 27 J., Prof. 6.<br />
Zusammen 11.<br />
Conventus Rangendingensis 1751<br />
(Nach alter Ueberlieferung bestand hier schon früher ein<br />
reguläres Kloster, wurde aber durch verfluchte List von<br />
Neuerern unterdrückt und in eine Räuberhöhle verwandelt,<br />
so daß das Kloster ganz aufhörte. Jedoch 20 Jahre darauf<br />
hat Gr. Eitelfriedrich von Hohenzollern den Ort gereinigt<br />
und anno 1302 ihn Dominikanerschwestern des 3. Ordens<br />
überlassen, weswegen sie ihn als Stifter verehren.) Das Kloster<br />
besitzt 54 Jauchert Aecker, 20 Jauchert Gärten und<br />
Wiesen, 12 Jauchert Wald. Auf Zins sind 4000 fl ausgeliehen.<br />
Schulden sind keine vorhanden. Es ernährt 14 Schwestern.<br />
Im Jahre 1753 hatte diese Schwesternsammlung als Beichtvater<br />
den P. Gottfried Molitor vom Kloster Mergentheim,<br />
40 Jahre alt, Profeß 20 J.; als Priorin Mutter Anna Martina<br />
Regenspergerin, 30 Jahre alt, Prof. 14 J.; Subpriorin Mutter<br />
M. Catharina Klimmin, zugleich Novizenmeisterin, 65 J. alt,<br />
Prof. 42 J.; Mutter M. Catharina Baaderin, Jubilarin, 76 J.<br />
alt, Prof. 55 J.; Sr. M. Dominika Hoffmännin, Kellerin und<br />
Gastschwester, 34 J. alt, Prof. 11J.; Sr. M. Josepha Kasonin<br />
Pförtnerin, 30 J. alt, Prof. 9 J.; Sr. M. Viktoria Hueberin,<br />
Präfektion von Küche und Speicher, 3. J. alt, Prof. 9 J.;<br />
Sr. M. Rosa Kolbin, Köchin, 27 J., Prof. 8 J.; Sr. M. Cres-<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
40 Jahrgang <strong>1960</strong><br />
centia Ebürtmayrin, Sakristanin, 25 J., Prof. 7 J.; Sr. M.<br />
Johanna Wagusin, 23 J. alt, Prof. 2. J. Zusammen 10. J.A.K.<br />
1491 8. April Frau Ottilia von Bubenhofen, Witwe, geborene<br />
von Bach macht eine Stiftung, eingedenk des Wortes<br />
„Wer seget (sät) in Triebsaligkait würdt in Froüden schniden",<br />
sowie der Tatsache, daß nichts „erschrecklicheres ist<br />
dan der Tod und nichts ungewissers dan die Stunde des<br />
Tods", für sich und ihren verstorbenen Gatten Hans von<br />
Bubenhofen weiland Landhofmeister des Gr. Eberhard von<br />
Wirtemberg. Nämlich alle Freitage soll in der Pfarrkirche zu<br />
Hettingen nach dem gesungenen Amt vom Mesner ein Zeichen<br />
mit der großen Glocke zum Gedächtnis des Sterbens<br />
Christi gegeben werden, wovon er jeden Freitag 1 Heller<br />
bekommt. Kirchherr und Kapläne sollen anschließend das<br />
Responsorium singen „Tenebrae factae sunt" mit Vers und<br />
Gloria und VersiKel „Proprio filio suo" samt der Kollekte Quesumus<br />
Domine". Sie erhalten dafür als Präsenzgeld von<br />
den St. Martinspflegern zu Hettingen: der Kirchherr 4 Hlr.,<br />
die Kapläne je 3 Hlr. Dabei sollen die zwei Kerzen auf dem<br />
Hochaltar brennen, bis Edles vollbracht ist. Die Heiligenpfleger<br />
erhalten 10 Heller. Die Witwe stiftet dazu 50 rheinische<br />
Gulden, die jährlich 3 Pfd. 8 Hlr. Zins tragen. Siegler:<br />
die Stadt Hettingen und der Kirchherr Heinrich Bittel daselbst.<br />
Die Bestätigung dieser Stiftung durch den Bischof Thomas<br />
von Konstanz erfolgte am 14. Mai 1492 (Pfa. Hettingen).<br />
Burgherr zu Ringingen war nach dem Tode des Kleinhans<br />
Schwelher sein Tochtermann Friedrich von Ow, der die<br />
Tochter Agnes geheiratet hatte. An völlig unerwarteter<br />
Stelle, nämlich dem von Dr. Franz Haug verfaßten und<br />
nun von seiner Tochter Dr. Irmentraud Haug in Ellwangen<br />
herausgegebenen „Marbacher Dorfbuch" (Krs. Saulgau, 346<br />
S. mit vielen Bildern) findet sich S. 302 die Nachricht, daß<br />
Friedrich von Aw zu Ringingen mit Ulrich von<br />
Schinan zu Gamerschwang und Walter Näglin zu Riedlingen<br />
einen Weidebrief von Marbach am Donnerstag nach Lätare<br />
1456 bestätigen. Das Jahr ist zwar nicht ganz sicher (im Druck<br />
heißt es irrig 1546), aber sicher kommt die Zeit nach 1450 infrage,<br />
wo der Schwiegervater tot und Friedr. v. Ow bis 1457<br />
in engsten Beziehungen zu den Zollergrafen stand (Hhz. JH.<br />
1938 S. 129). Im Jahre 1464 wohnte noch am 15. April die<br />
Schwiegermutter Anna v. Freiburg, Schwelhers Kleinhansen<br />
Witwe, auf der Burg und erhielt vom Bischof von Konstanz<br />
die Erlaubnis, einen Tragaltar zur Durchführung von Exequien<br />
(Totengottesdiensten) zu benützen (Krebs, Invest.-Protokoll<br />
S. 708). Die Nachricht der Zimmerischen Chronik,<br />
Burg Ringingen sei unlängst nach Kleinhans Schwelhers Tod<br />
(also nach 1450) in einem Krieg zerstört worden, dürfte somit<br />
nicht allzu wörtlich genommen werden. Allerdings würde<br />
die Fehde des Hans von Rechberg vom 4. September 1464<br />
günstig liegen, der die Werdenbergischen Besitzungen plünderte,<br />
Melchingen, Feldhausen und Harthausen verbrannte<br />
und Benzingen 400 fl Schätzung auflegte. (E. W. Kanter, Hans<br />
von Rechberg, Zürich 1903 S. 101; Zimmerische Chronik I.<br />
400.) Krs.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-•<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbe-<br />
stellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deut-<br />
liche Schrift wird gebeten.<br />
Heimatliteratur<br />
Umsonst abzugeben, gegen Ersatz des Portos und der Verpackung,<br />
je 1 Exemplar: Eb. Gönner, Wappenbuch des<br />
Kreises Sigmaringen 1958, brosch. mit farbigen Bildern, 62 S.,<br />
und Blätter des Schwäb. Albvereins 1892—95 und Reste<br />
von 96—98, in einem Band gebunden. Nachrichten an die<br />
nicht Berücksichtigten unmöglich.<br />
Joh. Adam Kraus, Freiburg i. Brsg., Herrenstr. 35.<br />
Die Hohenzollern einst und jetzt, von Heinrich von Massenbach,<br />
Verl. Tradition und Leben, 5. Aufl. 1959, 2 DM, 52<br />
Seiten, behandelt in Kürze: Burg Hohenzollern, Herkunft des<br />
Hauses, Kurfürsten bis Kaiser, Haus Doorn, Nachfahren Wilhelms<br />
II., Seitenlinien des preußischen Hauses, die schwäbischen<br />
Hohenzollern. Leider sind nicht alle Kinder des<br />
jetzigen Fürsten und seines Bruders aufgenommen, was wohl<br />
durch die fürstliche Hofkammer ergänzt werden könnte! Das<br />
Bild des Sigmaringer Schlosses S. 49 datiert vor 1893, die<br />
Unterschrift unter dem ersten Bild ist reichlich unklar bzw.<br />
wirklichkeitsfremd!<br />
Deutscher Glockenatlas: Württemberg-Hohenzollern, bearbeitet<br />
von Sigrid Thurm, 715 S.; 476 Abb. Dtsch. Kunstverlag<br />
München-Berlin 1959, gebunden 53 DM. Das glänzend ausgestattete<br />
Werk bringt die Beschreibung und viele Bilder der<br />
alten Glocken des Gebiets, ohne Rücksicht auf Ton und Harmonie.<br />
Dadurch sind erstmals ganze Glockenfamilien datierter<br />
und undatierter Werke greifbar und bestimmten Geschlechtern<br />
zugewiesen. Register und Gießerverzeichnis mit<br />
Stammbäumen sind beigegeben. Als älteste datierte Glucke<br />
findet man S. 6 die von Melchingen 1273, deren Inschrift<br />
bekanntlich erstmals im „Zollerländle" 1926 S. 40 und S. 4<br />
gedeutet wurde, was schamhaft verschwiegen ist. Undatierte<br />
Glocken findet sich eine ganze Reihe, auch älterer. Zu S. 22<br />
sei bemerkt: Die Glocke von Tigerfeld, die ich um 1926 noch<br />
sah, ist tatsächlich 1509 von Jos Egen, (nicht Josef, und nicht<br />
Eger!). Eine Gleichsetzung mit Eger wird sich schwerlich<br />
halten iassen. Der in Reutlingen 1496—1509 (aber 1515 tote)<br />
Jodokus Egen (S. 22, 24) scheint nicht zu den Egern zu gehören,<br />
wenn er auch die Werkstatt des Hans Eger weiterführte<br />
und ihm 1510 der jüngere Hans Eger gefolgt sein<br />
dürfte. Egen hat die Glocken für Linsenhofen, Melchingen,<br />
Kingingen, Ennabeuren, Kirchentellinsfurt, Undingen usw.<br />
gegossen. Der jüngere Hans Eger dagegen wirkte 1511 für<br />
Harthausen b. Feldh. und 1512 für Steinhofen.<br />
Man möchte wünschen, daß auch bald die Nachbargebiete<br />
ähnliche Werke erhalten. Daß die Wallfahrtskirche Mariazell<br />
am Zoiler tatsächlich je dem hl. Fridolin geweiht war,<br />
wie hier und im Derikmälerwerk behauptet wird, ist schwer<br />
glaubhaft. Die Schematismen von 1863 und 1910 nennen vielmehr<br />
richtig die hl. Dreifaltigkeit und St. Gallus, weich letzterer<br />
zweifellos der ältere Patron ist, der auf das Kloster<br />
St. Gallen hinweist. Wie in dem Kunstdenkmälerwerk ist<br />
nicht erwähnt, daß der Glockenguß Trochtelfingen 1724 am<br />
Orte selbst stattfand, wie s. Zt. Pfarrer Güntner aus den<br />
Pfarrakten bezeugte.<br />
Im Verlag Tübinger Chronik erscheint das Buch: Joseph Christian,<br />
der Bildhauer des schwäbischen Rokoko. 320 Seiten mit 110 schwarzweißen<br />
und mehreren farbigen Tafeln. Preis 45.— DM; Subskriptionspreis<br />
49.— DM. Dr. Huber, der Verfasser, schuf mit dieser Veröffentlichung<br />
ein ganz hervorragendes Werk.<br />
Museen und Sammlungen in Württemberg und Hohenzollern. Unter<br />
diesem Titel erschien im Silberburg-Verlag in Stuttgart in Taschenformat<br />
ein Führer durch die Museen und Sammlungen. Seitenzahl:<br />
89; 112 Bilder. Preis 5.80 DM. Herausgeber: Württembergischer<br />
Museumsverband. Das vorliegende Buch soll den Besuch der Museen<br />
erleichtern. Von Hohenzollern finden wir: Museum im Schloß<br />
Sigmaringen, die Sammlungen auf der Zollerburg und<br />
das Heimatmuseum Veringenstadt. Angegeben sind: Museumsleiter,<br />
seine Telephonnummer, Besichtigungszeiten, Entstehung und<br />
Aufbau, die hauptsächlichsten Bestände, Eintrittspreise. Dem gediegenen<br />
Buch wünschen wir weiteste Verbreitung.<br />
Illustriertes Bestimmungsbuch für Wiesen- und Weidepflanzen des<br />
mitteleuropäischen Fla blandes. Teil C: Schmetterlingsblütler vPapilionatae).<br />
Von Dipl.-Landwirt Rudolf Ki.l'mann, Freising-We'renstephan<br />
1957. — 38 Seiten • t und 27 Tafeln mit 130 Abbildungen.<br />
Zu beziehen durch den Verfasser, Dipl.-Landw. Rudolf Riffmann<br />
(13b) Freising/Obb., Dr. v. iller-Str. 20/1.). — Der Teil C dieses<br />
Werkes enthält praktisch alle Schmetterlingsblütler d,er Wiesen und<br />
Weiden, sowohl der natürlichen wie auch r ?r künstlich angelegten,<br />
außerdem sind alle kleeartigen Pflanzen des Ackerfutterbaues berücksichtigt.<br />
Die Bestimmung ist im nichtblühenden, blühenden und<br />
fruchtenden Zustand möglich, die Anordnung des Textes ist ebenso<br />
übersichtlich wie bei Teil A und B, auch die zahlreichen Abbildungen<br />
sind wiederum feinste Federzeichnungen.<br />
Sämtliche Bildklischees hat uns -er Verlag „Schwarzwälder Bote"<br />
unentgeltlich zur Verfugung gestellt. Besten Dank!
Hohenzollerische Heimat<br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
10 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 3 Gammertingen, Juli <strong>1960</strong> 110. Jahrgang<br />
Bauern und Bettelleut<br />
6. Kapitel (Schluß)<br />
In der fernen Heimat wurde indessen emsig gebaut. Eine<br />
ganze Reihe von Häuschen erstand unter tatkräftiger Mithilfe<br />
der ganzen Umgebung. Auch die Beifuhr des Holzes<br />
und der Steine betätigten sie gemeinsam.<br />
Die Arbeiten der Getreideernte, welche damals, als noch<br />
alles mit der Sichel geschnitten wurde, zwei Monate in Anspruch<br />
nahm, verzögerten das Baugeschäft. Die gleich darauf<br />
folgende Herbstsaatzeit, ließ ebenfalls keine Nebenbeschäftigung<br />
zu. Doch waren schon im Vorsommer die Bauten soweit<br />
gefördert worden, daß, als nach der Herbstbestellung<br />
wieder alle Kräfte tätig waren, mit dem ersten Schnee die<br />
Abgebrannten wieder je ein armseliges, aber doch eigenes<br />
Heim im „Kleinhäusle" hatten.<br />
An den blinden Dorfgenossen, der in der Ferne weilte, den<br />
armen Dominikus, hatten sie ebenfalls gedacht. Auch er<br />
sollte nach seiner Rückkehr von der Wallfahrt wieder ein<br />
Obdach haben. Nächst der heutigen Pfarrkirche wurde ihm<br />
eine bescheidene Wohnung erstellt. Der Mesnerdienst sollte<br />
ihm und seiner Schwester Barbara, die noch auf Kirchberg<br />
weilte, ihnen Auskommen gewähren und damit Musik und<br />
Gesang, die seither verstummt, wieder Einkehr beim Gottesdienst<br />
halten.<br />
So entstand im Herbst 1566 für den blinden Dominikus ein<br />
Bau, der später die Grundlage für das Mesnerhaus — das<br />
heutige Kinderhaus — bildete.<br />
Währenddessen die Bewohner Weildorfs neue Wohnstätten<br />
für die durch das Brandunglück obdachlos gewordenen Familien<br />
errichteten, hauste in einer Höhle der Felswände vom<br />
Eyachtal, im sogenannten Backofenloch, der schwarze Peter.<br />
Bei Tag konnte er sich nirgends mehr sehen lassen, deshalb<br />
führte er bei Nacht seine Raubzüge aus. Besonders Imnau,<br />
Trillfingen und die Oberstadt von Haigerloch bildeten den<br />
Schauplatz seiner Tätigkeit. Den ganzen Sommer über kamen<br />
Diebstähle vor und niemand wußte, wer der Räuber war.<br />
Es war für ihn, der schon soviel auf dem Kerbholz hatte, ein<br />
gefährliches Unterfangen, sich überhaupt noch in der Gegend<br />
aufzuhalten. Die Gräfin, welche der schwarze Peter fürchtete<br />
und liebte, hielt ihn am Platz, ihre Rückkehr wollte er abwarten.<br />
Zu spät hat er von der Reise erfahren, sonst wäre<br />
er den Wandernden gefolgt.<br />
Es war anfangs Winter tagsüber Schnee gefallen, als Peter<br />
abends sein Versteck verließ, um in Imnau einen längst geplanten<br />
Einbruch auszuüben. Gegen Mitternacht hellte sich<br />
das Wetter auf, ein kalter Luftzug kam vom Norden her<br />
durchs Eyachtal und brachte den Scnnee zum Gefrieren.<br />
Die volle Mondscheibe hob sich über den östlichen Wald,<br />
als der schwarze Peter vom Nachtwächter überrascht, der<br />
Halde zu die Flucht ergriff. Am anderen Morgen in aller<br />
Frühe machten sich fünf Burschen von Imnau auf den Weg<br />
und folgten, der vorerst gut sichtbaren Fährte durch die Halden<br />
in der Richtung gegen Bittelbronn. Jetzt schienen die<br />
Spuren im weichen Buchenlaub verloren, aber immer wieder<br />
bemerkten die Verfolger Fußeindrücke, die endlich zum<br />
Schlupfwinkel des Verbrechers führten.<br />
Doch auch Peter erkannte die Gefahr, welche ihm durch<br />
den Schnee drohte und war auf der Hut, verließ sein Versteck,<br />
als er die von Imnau kommen hörte und eilte immer<br />
der Halde entlang, bis er durch die Butzengrabenschlucht in<br />
das freie Feld geriet. Dem Wiesental folgend, führte ihn sein<br />
Weg an dem durch seine Schuld zerstörten Klein-Weildorf<br />
von H. E g e r - Weildorf f<br />
vorbei. Zäh folgten die Imnauer und jubelten laut auf, als<br />
sie aus dem Walde tretend, den Verfolgten über das Schneefeld<br />
dahineilen sahen.<br />
Ungefährdet hätte der schwarze Peter noch den Holgenwald<br />
erreichen können, der ihm dann durch das daran<br />
stoßende riesige Waldgebiet tagelang Schutz geboten, wenn<br />
die Verfolger keine Hilfe erhalten hätten. Aber der Brandplatz<br />
von Klein-Weildorf, den er in wildem Rachedurst geschaffen,<br />
wurde Peter gefährlich. Auf ihm waren an jenem<br />
Wintermorgen schon Leute beschäftigt, die aufräumten, nachdem<br />
bisher wegen der Neubauarbeiten keine Zeit dazu gewesen.<br />
Die Bauern aus der Nachbarschaft arbeiteten immer<br />
noch mit, darunter auch der Hofbauer Vitus von Henstetten<br />
mit seinem Gespann. Er und des Vogts Sohn Gabriel luden<br />
halbverkohlte Balken auf einen Wagen.<br />
Kaum hörten sie das Geschrei der Imnauer und sahen den<br />
Mordbrenner über die schneebedecken Felder eilen, als Vitus<br />
seinem Freunde zurief: „Die Pferde los!" — Mit einem Blick<br />
hatte auch Gabriel gesehen, was vorging. Schnell lösten sie<br />
die Stricke und befestigten diese am Geschirr, beseitigten<br />
die Halsketten und schwangen sich auf die Gäule.<br />
Wer der Verfolgte war, hatten beide auf die kurze Entfernung<br />
gleich erkannt. Gabriel, dem bald klar war, was der<br />
geriebene Verbrecher beabsichtigte, rief den anderen, die<br />
schon zu Fuß dem Flüchtling folgten, noch nach: „Der<br />
schwarze Peter strebt der Freistatt Kirchberg zu, treibt ihn<br />
vom Wald ab, der Halde entlang, dann werden wir ihm,<br />
durch die Maike reitend, den Weg nach dem Kloster absperren."<br />
Unter Freistatt-Rechten oder dem Asylrecht verstand man<br />
schon bei den alten Griechen Tempel und Heiligtümer, wo<br />
die Verfolgten und Bedrängten, ja selbst Verbrecher Schutz<br />
gegen gewaltsame Wegführung fanden.<br />
So wurde auch, nach christlichem Rechtsgebrauch Kirchberg<br />
eine Freistätte, und unsere Vorfahren erzählten aus der<br />
Ueberlieferung oft, wie der und jener von da und dort, welcher<br />
etwas verbrochen, in die schützenden Klostermauern<br />
von Kirchberg geflüchtet sei.<br />
Für den schwarzen Peter gab es also ein Wettrennen um<br />
Leben und Tod, denn das, was er schon verschuldet, konnte,<br />
falls er in die Hände der Richter geriet, nur am Galgen gesühnt<br />
werden.<br />
Mit frischen Kräften nahmen die Weildorfer die Verfolgung<br />
auf. Schon hatten einige vor dem Flüchtling den Waldrand<br />
erreicht, so daß er notgedrungen nur nach der Gruoler<br />
Weinberghalde, damals Krafthalde genannt, ausbiegen<br />
konnte. Ganz außer Atem stürzte der Verbrecher vorwärts<br />
durch die Wirrnisse der abgeernteten Weinberge. Oben am<br />
Waldrand liefen die Weildorfer, unten im Tal die von Imnau.<br />
Die beiden Reiter hatte, ohne weitere Notiz von dem Verfolgten<br />
zu nehmen, ihren Weg durch den Wiesengrund der<br />
Weildorfer Halde eingeschlagen, ritten den alten Waldweg<br />
der Maik hinunter und parierten ihre Pferde erst, als sie<br />
an der Waldecke, von wo aus man die schmale Ebene, die<br />
gegen Kirchberg bis zum Fuß der Anhöhe führt, überblicken<br />
kann. —<br />
Sie brauchten nicht lange zu warten, bis der auf zwei Seiten<br />
Bedrängte von der Halde herkam. Die Bahn nach dem<br />
westlichen Tor in den Mauern Kirchbergs war noch frei.<br />
Die zwei Reiter, welche mit ihren aufgeschirrten Pferden<br />
durch die Lehngasse, auf der andern Seite des Wiesentals
42 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
der Maike zustrebten, hatte er nicht beachtet. Die Flucht<br />
nach der Freistatt gelang — mußte vollends gelingen. Der<br />
schwarze Peter schaute zurück, er lachte, die dummen Bauern<br />
wußten jedenfalls nicht, was er vorhatte, sonst müßten sie<br />
mehr Eile zeigen. —• Da, er schaute wieder vor sich, brachen<br />
die Reiter aus dem Wald und stellten sich dem Flüchtling<br />
entgegen. Kaum sah er die von den früheren Kämpfen her<br />
wohlbekannten gefährlichen Gegner vor sich, als er sich umwandte<br />
und gegen Gruol auszubrechen suchte.. Hier standen<br />
ihm aber schon die Imnauer im Weg. Jetzt wollte Peter zurückfliehen,<br />
da war der Weg von den in breiter Linie daherkommenden<br />
Weildorfern gesperrt. —•<br />
Noch einige wilde verzweifelte Sprünge machte der Verbrecher,<br />
nach rechts und links, vorwärts und rückwärts. Seines<br />
Atems von der bald mehr als eine Stunde währenden<br />
Jagd beraubt, stürzte er wie vom Blitz getroffen nieder. Alle<br />
kamen herbei und fielen über den am Boden Liegenden her.<br />
Auch die zwei Reiter, welche der Sache noch nicht trauten,<br />
kamen langsam näher. Doch, — zu spät. •—• Von der weiten<br />
Flucht und der schrecklichen Aufregung bis zum äußersten<br />
erschöpft, war der in der ganzen Umgegend gefürchtete<br />
schwarze Peter tot zusammengebrochen, — der strafenden<br />
Gerechtigkeit auf Erden entzogen.<br />
Erschüttert von diesem Ende eines Menschenlebens umstanden<br />
die Bauern und Bauernsöhne den Toten. Auch ihm<br />
war einst, als er bei dem kinderlosen Schmied Pfeffer in<br />
Weildorf von der Straße aufgelesen und in die Lehre genommen,<br />
ein ehrlicher, rechtschaffener Lebensweg gewiesen. —•<br />
Er hatte ihn nicht verfolgt, —• dies war das Ende. —• Die<br />
zwei Reiter, Vitus und Gabriel, trabten Weildorf zu, luden<br />
auf dem Brandplatz von Klein-Weildorf das verkohlte Holz<br />
vom Wagen, schirrten die Pferde wieder davor und fuhren<br />
unter der Gruoler Halde nach dem Platz, wo der Tote lag.<br />
Auf den Wagen geladen, folgten alle dem Fuhrwerk, — es<br />
war immerhin ein Mensch, der auf so schreckliche Weise<br />
geendet. Am Abend noch schaufelten sie dem schwarzen<br />
Peter im „Schelmengärtle" sein Grab. Andern Tags in aller<br />
Frühe wurde er dort ohne Sang und Klang hineingebettet.<br />
Einige Wochen später errichteten die Weildorfer an der<br />
Stelle, wo dieses Leben eines Verbrechers geendet, einen<br />
Erdhügel, auf den sie ein Sühnekreuz stellten. Im Verlauf<br />
der Jahrhunderte ist es fast bis an die Arme im Boden versunken,<br />
gibt aber heute noch Zeugnis von dem, was hier<br />
geschah, wenn auch all die, welche die Waldungen der Maike<br />
oder nach dem Kloster Kirchberg wandern, achtlos daran<br />
vorüber gehen. —<br />
In der ganzen Umgebung atmete die Bevölkerung auf, als<br />
bekannt wurde, daß der, welcher bisher die Gegend unsicher<br />
gemacht, nicht mehr unter den Lebenden weile.<br />
7. Kapitel<br />
Auf der Hochschule zu Basel hatte inzwischen Dr. Platter<br />
unsern blinden Dominikus seit Monaten eingehend beobachtet.<br />
Dem Arzt fehlte damals noch der erst drei Jahrhundert<br />
später hergestellte Augenspiegel, den 1851 Professor Helmholtz<br />
in Berlin erfand. Mit ihm konnte das menschliche Auge<br />
genau beobachtet und eine einigermaßen sichere Diagnose<br />
gestellt werden. Wohl hatten schon der griechische Arzt Hippokretus<br />
410 vor Christus, die Römer Celsus, 30 vor Christus<br />
und Galenos 200 nach Christus operative Eingriffe ins<br />
menschliche Auge gemacht, den Star gestochen, aber Felix<br />
Platter war ein zu gewissenhafter Arzt, als daß er ohne vorherige<br />
gründliche Studien der Augenkrankheit des Blinden<br />
etwas unternommen hätte.<br />
Der Winter hielt seinen Einzug in die Berge und Täler der<br />
Schweiz. Den Gästen wurde die Zeit nicht allzulang, denn<br />
was hatten sie in der fernen Heimat zu suchen? Des Blinden<br />
Pflegerin war von Jugend auf an keinen festen Wohnsitz<br />
gewohnt, ihr war es gleichgültig, wo sie lebte, und auch<br />
Dominikus besaß nach dem Brand von Klein-Weildorf vorerst<br />
kein eigenes Heim mehr, nach dem er sich gesehnt<br />
hätte. Musik und Gesang waren ihnen alles. Der Einfluß Dr.<br />
Platters öffnete Dominikus alle Türen Basels, wo es auf<br />
dem Gebiet etwas zu hören und lernen gab. Sein Führer auf<br />
diesen Wegen war meistens der Arzt selber.<br />
Die Kenntnisse der Kräuterannl von den Pflanzen und<br />
ihrem Wert für die Heilkunde hatte man auf der Hochschule<br />
bald schätzen gelernt. Jede freie Stunde, die ihr neben der<br />
Pflege ihres Schützlings freiblieb, verbrachte sie in der Apotheke.<br />
—•<br />
Bald war ein Jahr verflossen, seitdem die beiden zur<br />
Wallfahrt nach Einsiedeln von zu Hause fortgegangen, und<br />
schon schaute wieder der Frühling ins Land. Endlich sollte<br />
die Operation gewagt werden, denn für Dr. Platter stand<br />
jetzt, nach den langen Beobachtungen fest, daß, wenn überhaupt,<br />
nur auf diesem Wege Heilung möglich war. Domini-<br />
kus, den der Arzt wie einen Sohn liebgewonnen, fand sich<br />
mit allem ab und meinte: „Macht's wie ihr glaubt, daß es<br />
recht ist, im schlimmsten Falle bleib ich, was ich bisher war,<br />
ein armer Blinder."<br />
Mit äußerster Ruhe und sicherer Hand nahm der Meister<br />
den Eingriff in die Augen des Blinden vor. Bei ihm stand<br />
als Assistent sein Kollege Theodor Zwinger, Zuschauer waren<br />
acht Studenten.<br />
Die Operation war vorüber, dem Patienten wurden die<br />
Augen gut verbunden. Er konnte wieder auf sein Zimmer<br />
oder je nach Belieben im großen Garten der Hochschule spazieren<br />
gehen. Mit Angst und Sorgen hatte seine Pflegemutter,<br />
die Kräuterannl, in einem Winkel des Raumes stehend, der<br />
Operation zugesehen. War es recht, daß sie den ihr anvertrauten<br />
Schützling dem Messer der Aerzte ausgeliefert?<br />
Auch sie war ein Kind ihrer Zeit und hatte mehr Vertrauen<br />
zu Salben und Kräuterkuren, als solchen Gewaltmitteln<br />
für eine Krankenheilung. Ihr einziger Trost blieb die<br />
Muttergottes von Einsiedeln, die ihnen sicher den guten Meister<br />
der Heilkunde zugeführt.<br />
Vierzehn Tage waren seit der Operation vorüber, als Dr.<br />
Platter zu seinem Liebling in den Garten trat, wo dieser in<br />
Begleitung seiner Beschützerin die üblichen Spaziergänge<br />
machte.<br />
„Dominikus, jetzt wollen wir die Binde von Deinen Augen<br />
nehmen", sprach der Arzt. Beinahe erschrocken trat die Begleiterin<br />
zurück. Dies war der Moment, den sie schon all die<br />
Tage her erhofft und auch gefürchtet. Licht oder lebenslängliche<br />
Nacht für Dominikus, den sie hierhergeführt. Ihre Hand<br />
hatte ihn durch Felder und Wälder, über Berge und Täler<br />
geleitet, sollte es jetzt anders werden? Seine Augen hatten<br />
sie noch nie gesehen, denn ihren Aufenthalt in Weildorf<br />
nahm die Kräuterannl erst, als Dominikus schon blind war.<br />
Lieb war er ihr wie einer Mutter ihr Sohn, dessen Lebenswege<br />
sie von der Jugend an bewacht. Wird der kräftige<br />
schöne junge Mann, sehend geworden, dankbar sein für das,<br />
was sie für ihn getan oder seine Wege gehen, vielleicht sich<br />
der armen Kräuterannl schämen? Schon viele Demütigungen<br />
hatte sie erlebt, aber stets den Kopf hoch gehalten, Undankbarkeit<br />
oder gar Verachtung von Seite des liebsten Menschen,<br />
der ihr auf Erden blieb, könnte sie kaum ertragen.<br />
Dann wollte sie lieber wieder ihre Hand in die seinige legen<br />
und so mit ihm fortwandern bis ans Grab.<br />
Dr. Platter hatte den Verband gelöst, tief schaute er in<br />
zwei helle blaue Augen. —• Einen Moment sprachlos stand<br />
der junge Mensch, dann sank er auf die Knie nieder und<br />
streckte die Arme zum Himmel empor: „Ich sehe, Herr, ich<br />
sehe wieder! O Gott, wie schön ist doch die Welt!"<br />
Auch Dr. Platter und die Kräuterannl knieten auf den<br />
Rasen nieder und falteten die Hände.<br />
Lang schaute Dominikus hinunter ins frühlingsgrüne Rheintal,<br />
hinüber auf die fernen Berge.<br />
Die beiden erhoben sich, und weich legte sich die Hand<br />
des Arztes auf das Haupt des Knienden. Jetzt sprang Dominikus<br />
auf, legte seine Arme um den Hals des Retters aus<br />
Nacht und Dunkel, und die ersten Freudentränen flössen aus<br />
den Augen.<br />
Dann schaute er die Frau, mit einem Aufschrei der Freude<br />
fiel ihm seine treue Reisebegleiterin in die erhobenen Arme:<br />
„Mutter, meine liebe Mutter warst Du",, rief der bisher<br />
Blinde. „Ja, und Du mein guter Sohn", schluchzte sie, die<br />
Dominikus mit strahlenden Augen Mutter nannte. „Danken<br />
wir der lieben Mutter Gottes von Einsiedeln, die uns zusammengeführt",<br />
sagte Dr. Platter.<br />
Der Geheilte eilte fort, lächelnd schaute ihm der Arzt nach.<br />
Nach kurzer Zeit kehrte er mit seiner Geige wieder, und<br />
hinaus ins Rheintal und die Schweizerberge erklangen seine<br />
Dankeslieder.<br />
Jetzt kamen auch Professor Zwinger und die Studenten<br />
herbei und gratulierten dem Meister zu seinem herrlichen<br />
Erfolg. —<br />
Noch einige Wochen gingen vorüber, bis Dr. Platter die<br />
Heimreise der beiden, ihm so liebgewordenen Menschen gestattete.<br />
Er war aber ein zu guter Menschenkenner, als daß<br />
er nicht verstanden hätte, wie der bisher Blinde sich darnach<br />
sehnte, die heimatlichen Fluren, Hügel, Berge und Täler<br />
wiederzusehen. Schon schrieb man das Jahr 1567. Fast war<br />
der Maimonat zu Ende, als die Gäste mit herzlichstem Dank<br />
für das große Glück, welches ihnen hier zuteil geworden,<br />
von Basels Hochschule und dem großen Meister schieden.<br />
Reich beschenkte sie der Arzt, so daß sie nicht zu betteln<br />
brauchten. Rüstiger konnten die Wanderer ausschreiten,<br />
nachdem Dominikus keine Führung mehr nötig hatte. Freudig<br />
bellend sprang der Hund voraus. Von Basel folgten sie<br />
dem schönen Rheintal bis Breisach und ging am Kaiserstuhl<br />
vorbei, dem Elztal zu. Ueberall herrliche Frühlingszeit, blu-
Jahrgang i960 HOHENZO .LERISCHE HEIMAT 43<br />
mengeschmückte Wiesentäler, grünende Wälder. Jede armselige<br />
Hecke am Weg prangte in Blütenpracht. „Ist dies alles<br />
für uns allein?", fragte Dominikus, wenn er sah, wie die<br />
Menschen, denen sie begegneten, kaum einen Blick hatten für<br />
die Schönheiten der Natur. Er, der sechs Jahre lang in Nacht<br />
und Dunkel gewandelt, hätte aus unendlicher Dankbarkeit<br />
gegen den Schöpfer all dieser Herrlichkeiten, bei jedem<br />
Blümlein niederknien und es küssen mögen.<br />
Vom Elztal nahmen die beiden glücklichen Menschen ihren<br />
Weg nach Gutach und von da ins Tal der Kinzig.<br />
Immer wieder, wenn die Wanderer an einem herrlichen<br />
Fleck Erde Rast hielten, nahm Dominikus in tiefster Dankbarkeit<br />
die Hand der Frau an seiner Seite, welche er jetzt<br />
Mutter nannte. Wie schön war doch die Welt für ihn, der<br />
blind gewesen, wie selbstverständlich all das Blühen und<br />
Sprossen denen, die ihr Lebtag sehend durchs Leben wandelten.<br />
— Bei Alpirsbach bogen sie ab und nahmen ihren<br />
Weg über Dornhan, Bergfelden, Kirchberg zu.<br />
Es war anfangs Juni, ein schöner Sommernachmittag, als<br />
die zwei Wandersieute dort eintrafen. Des Lenzes Pracht<br />
hatte sich auch in der Heimat zur höchsten Blüte entfaltet.<br />
Im Refektorium, dem alten Speisesaal des Kirchberger<br />
Frauenklosters, dessen Fenster gegen Süden weit geöffnet,<br />
übten die sangeskundigen Klosterfrauen und Mägde Lieder<br />
fürs kommende Fronleichnamsfest. Vom erstaunten Schaffner,<br />
dem beide wohlbekannt, sah er sie doch vor Jahresfrist<br />
hier Abschied nehmen, in den Klostergarten geführt, hörten<br />
Dominikus und seine Pflegemutter den fernen Weisen zu. Als<br />
jetzt eine Pause einsetzte, nahm er seine Geige auf und Lauda<br />
Sion Salvatorem, Lauda ducem et pastorem sang Dominikus<br />
mit seiner herrlichen Stimme vom Klostergarten in Gottes<br />
schöne Welt hinaus. Droben im Refektorium war tiefe Stille<br />
eingetreten, andächtig falteten sie die Hände, Nonnen und<br />
Mägde. Wohl hatten sie diesen Hymnus, welcher aus dem<br />
13. Jahrhundert stammt, schon gehört und selber gesungen,<br />
aber noch nie mit solcher Inbrunst vorgetragen und von<br />
solch wunderbarem Spiel begleitet.<br />
Als der Musikant beendet, schauten sich die beiden Mädchen<br />
Barbara und Luzia an, das war ihr Dominikus. Sie<br />
baten, in den Garten gehen zu dürfen, was die Priorin gern<br />
gestattete, denn auch sie selber wunderte es, wer der Sänger<br />
wäre. Die Klausur der Dominikanerinnen von Kirchberg war<br />
damals notgedrungen gemildert, denn von Pforzheim nach<br />
Kirchberg gekommen, fanden sie hier ganz verwahrloste Zustände<br />
vor. Die Chronistin des Klosters schreibt darüber:<br />
„Welch armes, unerbautes, zerrissenes Kloster haben wir in<br />
Kirchberg gefunden, daß es zum Erbarmen gewesen ist."<br />
Deshalb mußten die Nonnen, wenn sie fernerhin überhaupt<br />
da leben und wohnen wollten, selber das Feld bestellen helfen<br />
und bei den Bauarbeiten tätig sein.<br />
Drunten im Klostergarten war Barbara auf den Spielmann<br />
zugeeilt, während Luzia am Tore stehen blieb. „Mein Bruder,<br />
mein lieber Bruder ist wiedergekommen", rief sie aus und<br />
eilte in seine ausgestreckten Arme. „Ja, und schau, ich bin<br />
nicht mehr blind, ich sehe nach langen Jahren wieder", und<br />
seine strahlenden Augen blickten nach dem Gartentor, „auch<br />
jenes Mädchen kenne ich von früher her, wo's noch klein<br />
war, es ist des Vogts Luzia."<br />
„Ja", schrie diese auf, eilte herzu und schlang in stürmischer<br />
Freude ihre Arme um seinen Hals, wie damals, als<br />
sie Abschied nahmen, nur jetzt in Freude und Glück, vor<br />
einem Jahr in Trauer und Weh.<br />
„Ja, deine Luzia bin ich, die du aus den Flammen des<br />
Lehnhofs getragen."<br />
Voll Freude und Dankbarkeit zeigte Dominikus auf seine<br />
Begleiterin: „Ohne sie, die mich wie eine Mutter geleitet,<br />
wäre ich noch blind."<br />
Jubelnd umarmten die Mädchen auch sie, die abwehrte und<br />
sprach: „Danket dem lieben Gott und der Mutter Gottes, die<br />
uns in Einsiedeln mit dem Doktor zusammengeführt, der<br />
dann Dominikus geheilt."<br />
Auch die Priorin und die Klosterfrauen traten herzu, um<br />
staunend zu hören, was in Einsiedeln und beim Arzt in Basel<br />
geschehen.<br />
Dominikus griff zu der abseits gelegten Geige. Bei ihm<br />
mußte alles Freud und Leid in Musik ausklingen. Te Deum<br />
laudamus tönte es in den nahen Wäldern wieder.<br />
Von den beiden Klostermägden erfuhr Dominikus, daß<br />
man auch in der Heimat seiner gedacht und für ihn gesorgt<br />
habe. Doch heute durften die Wallfahrer noch nicht heimkehren,<br />
so war es der Wunsch und Wille der Priorin.<br />
Andern Tags sollten dann die beiden Mädchen frei haben,<br />
um sich mit Dominikus und seiner Pflegemutter des Wiedersehens<br />
im Heimatdorf freuen zu können.<br />
Die Kräuterannl hatte noch einen besonderen Wunsch. Hier<br />
in diesem stillen Erdenwinkel möchte sie, die in ihrer Ju-<br />
gendzeit des Lebens Wirbelwind hinausgeführt in weite<br />
Fernen, ihr Dasein beschließen. Kräuter wollte sie den Sommer<br />
über sammeln für die Klosterapotheke und im Wihter<br />
daselbst mitarbeiten an der Bereitung der Arzneien, wie sie<br />
es in Basel gelernt.<br />
Mit Freuden stimmte die alte Klosterfrau, welche die<br />
Apotheke besorgte, zu, und auch die Priorin war einverstanden.<br />
Dominikus wehrte sich dagegen, er wollte seine gute Führerin<br />
durchs Schweizerland ständig bei sich haben. Auch<br />
Barbara bat, solange beim Bruder zu bleiben, bis sie im<br />
Herbat heimkehrte. Damit war die Pflegemutter einverstanden.<br />
Am anderen Morgen schickte die Priorin einen Boten nach<br />
Weildorf und ließ dem Vogt Pfeffer sagen, daß Dominikus,<br />
der Mesnersohn, wieder sehend geworden von der Wallfahrt<br />
zurückkehre, gegen Mittag werde er dort eintreffen. Mit<br />
Riesenschritten eilte Gabriel gleich darauf Kirchberg zu.<br />
Nicht weit noch waren Dominikus und seine Begleiterinnen<br />
vom Kloster entfernt und wanderten das Tälchen entlang<br />
nach der Gruoler Halde, als sie Gabriel daher kommen<br />
sahen. Er eilte auf den Freund zu, schaute in dessen klare<br />
Augen, und als der Jugendgenosse seine Hände faßte und<br />
sagte: „Gabriel, Freund und Beschützer während der Jahre<br />
meiner Blindheit, sei gegrüßt", brach der starke Mann in<br />
Tränen aus, voll Freude über das Glück, welches seinem<br />
Kameraden zuteil geworden. Als Dominikus erzählte, wie die<br />
Kräuterannl seine Führerin auf der Wallfahrt nach Einsiedeln,<br />
ihn von dort durch die Wälder und Berge der Schweiz<br />
zum Doktor nach Basel geleitet habe, nahm er die Frau,<br />
welche jahrelang fast kaum beachtet die Hütte seines Vaters<br />
bewohnte, in seine Arme und rief: „Du gute Annl warst die<br />
Aermste im Dorf, hast meinem Freund wieder zum Augenlicht<br />
verholfen und mir selbst damals im Holgenwald draußen<br />
das Leben gerettet, unser Lebtag wollen wir dir dankbar<br />
sein. —•<br />
Erzählend wanderten sie heimwärts. Als sie zu dem Kreuz<br />
kamen, das an dem Platz stand, wo der schwarze Peter geendet<br />
und Gabriel berichtete, was hier geschehen, faltete die<br />
Kräuterannl in stummem Gebet die Hände und eine Träne<br />
rann aus den Augen der stolzen Frau. Vielleicht wäre auch<br />
ihr einmal ein so trauriger Lebensabschluß beschieden gewesen,<br />
wenn sie sich nicht rechtzeitig von dem wilden Wanderleben<br />
zurückgezogen hätte. Durch das Wiesental der Weildorfer<br />
Weinberghalde schritten die Heimkehrer und ihre Begleitung<br />
dem Dorfe zu. Von der Lehngasse her kam ihnen<br />
jung und alt entgegen. Die Jugend hatte sich mit Blumen<br />
geschmückt, wie sie am Wege blühten, und alles umringte<br />
die Ankömmlinge. Vogt Pfeffer begrüßte sie aufs herzlichste,<br />
um ihn war der Rat der Vierer, dem seit des Mesners Tod<br />
der Saalhofer angehörte.<br />
Staunend schaute Dominikus in all die freudig erregten<br />
Gesichter, von denen er, soweit die Kinder in Frage kamen,<br />
viele noch nie gesehen. Dominikus mußte erzählen, bescheiden<br />
wollte sich seine Führerin weg nach ihrer Hütte wenden,<br />
die beim Brand unversehrt geblieben, aber Gabriel nahm sie<br />
an der Hand und hielt sie fest. Sie und Dominikus wurden<br />
von der Jugend mit Blumen bekränzt und so im Triumpf<br />
ins Dorf geleitet. —•<br />
Ein Jahr war seit der Heimkehr der Wallfahrer verflossen,<br />
da standen vor dem Altar der Pfarrkirche in Weildorf zwei<br />
Brautpaare, Dominikus mit seiner Luzia und Gabriel der<br />
Vogtsohn mit des Mesners Barbara, die sich fürs Leben angehören<br />
wollten, nachdem sie soviel Leid und Freud mitsammen<br />
erlebt.<br />
Gabriel hielt im „Kleinhäusle" Einzug mit seiner jungen<br />
Frau, und Dominikus bezog das Mesnerhaus.<br />
Die Kräuterannl hatte sich von ihrem Wunsch, nach Kirchberg<br />
zu gehen, nicht abbringen lassen und ward in der<br />
Apotheke dort fernerhin eine Wohltäterin für die ganze Umgebung.<br />
Musik und Gesang zogen im Gotteshaus von Weildorf wieder<br />
ein, die verstummten, als Dominikus fortgewesen. Er bildete<br />
sich weiter im Lesen und Schreiben und teilte diese<br />
Kenntnisse den jungen Leuten mit, so daß diese einen Lehrer<br />
hatten.<br />
An schönen Frühlings- und Sommertagen wanderten sie<br />
hinaus in Feld und Wald, über Hügel und Täler des Heimatlandes,<br />
und der Lehrer zeigte ihnen all die Schönheiten der<br />
Natur, die reich und arm genießen können und für die Dominikus<br />
nach langen Jahren der Blindheit soviel Verständnis<br />
hatte.<br />
Das Unglück, welches dem Dorf widerfahren, lastete wohl<br />
noch schwer auf den Gemütern der älteren Leute, aber bei<br />
der Eiche draußen tanzte die Jugend wieder lustige Reigen<br />
und sang mit den Vögelein im Walde drinnen um die Wette.
44 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Reise zu Gottes schönen Häusern im Felsenstädtchen Haigerloch<br />
Haigerloch, eine beglückende Begegnung von Natur und Glaube<br />
„Wohlauf in Gottes schöne Welt!" Wieviele haben in diesen<br />
schönen Sommermonaten dieses frohe Wanderlied in<br />
Ferien und Freizeit in die Tat umgesetzt und sind hinausgeströmt<br />
in die Fremdenverkehrsgebiete des Schwarzwaldes,<br />
des Rheinlands, des Bodenseegebiets, des Allgäus, nach Oberbayern<br />
oder gar in den sonnigen Süden. Wohl dem, der das<br />
Glück hat, solche Touren zu unternehmen. Sie seien ihm<br />
von Herzen vergönnt. Aber wer in den heimatlichen Gefilden<br />
zu bleiben gezwungen ist, wird auch hier nicht Langeweile<br />
bekommen. Jeder, der das Auge auftut, der ein Herz<br />
Von Josef Schneider<br />
Haigerloch ist nicht nur der kunstreiche Mittelpunkt der Umgebung, sondern ganz<br />
Hohenzollerns. „Ein Laudamus Domino", wie es wirkungsvoller und jubelnder kaum zum<br />
Ausdruck kommen kann; einen Triumph vollendeter Architektur, die lebendig zu werden<br />
scheint, vermittelt dieser Blick vor dem Renaissance-Chorgitter der Schloßkirche zum<br />
Deckengemälde. Man muß hier einmal den Hochaltar im Glänze flutenden Lichtes gesehen<br />
und dem festlichen Gottesdienst beigewohnt haben, um diese herrlichen sakralen Räume,<br />
die zur Vorahnung paradiesischer Seligkeit werden, zu verstehen. (Foto Weber.)<br />
und einen Sinn für die Schönheiten der Natur hat, der wird<br />
in diesen Sommertagen auch bei Wanderungen und Fahrten<br />
reich entlohnt. Immer wieder kann man es erleben, daß<br />
viele in die Ferne strömen und dabei die Kleinodien der<br />
Heimat, die Denkmale der Schöpfung und Kunst in Gottes<br />
schönem Garten übersehen. Der Verfasser dieser Zeilen darf<br />
selbst von sich behaupten, daß er schon die weite Welt gesehen<br />
hat, vor den Kathedralen von Reims, Notre Dame in<br />
Paris und Chartres gestanden, vor dem Grabe des hl. Petrus<br />
in Rom kniete und schon reiche Eindrücke der europäischen<br />
Landschaft und Architektur<br />
erfahren durfte, nie aber<br />
von der Landschaft so entzückt<br />
war, nie eine solche<br />
Liebe zu ihr empfand, als<br />
zur Heimatlandschaft unseres<br />
schönen Zollerlandes.<br />
Gerade unsere engere Heimat<br />
im hohenzollerischen<br />
Unterland vermittelt alle<br />
Reize eines geologisch und<br />
kulturgeschichtlich gleich<br />
interessanten Gebietes. Einsame,<br />
tief eingeschnittene<br />
Täler zwischen bewaldeten<br />
Höhen, lichtgrünen Wäldern<br />
und zerklüfteten Felswänden,<br />
liebliche Wiesengründe<br />
und verträumte Dorfidylle,<br />
aus deren Kirchen oder<br />
Kapellen immer wieder der<br />
Hauch großer geschichtsreicher<br />
Vergangenheit entgegenschlägt.<br />
Was den Fremden<br />
besonders anspricht,<br />
das ist auch jene seltsame<br />
Ausprägung der Frömmigkeit<br />
in vielen Gotteshäusern<br />
unserer Heimat, vor<br />
allem aber in Haigerloch,<br />
dem kunstreichen Mittelpunkt<br />
und der Perle des<br />
Zollerlandes, wie es Fürst<br />
Friedrich vor einigen Jahren<br />
selbst nannte. Es ist<br />
eine Art heiterer Weltinnigkeit,<br />
die besonders in<br />
der Barockzeit die Festlichkeit<br />
und Schönheit der<br />
Erde und der Natur erfühlte<br />
und einen tiefsinnigen<br />
Niederschlag in den<br />
Kostbarkeiten unseres<br />
Ländchens fand. Maler und<br />
Zeichner haben diese innige<br />
Verbindung von Natur<br />
und Kunst schon lang<br />
für sich entdeckt. Viele<br />
Fremde haben in den letzten<br />
Jahren, seitdem Haigerlochs<br />
Kirchen dank der<br />
verdienstvollen Bemühungen<br />
von Dekan Stadtpfarrer<br />
Guide im Glanz und Schönheit<br />
ihrer Entstehungszeit<br />
wieder erstanden sind, in<br />
den hiesigen Gotteshäusern<br />
geweilt, haben sich von<br />
ihrer Stimmung einfangen<br />
lassen und sind mit reichen<br />
Eindrücken wieder nach<br />
Hause gegangen. Die Wallfahrten<br />
und die Besichtigungen<br />
überhaupt haben<br />
ihre Kreise in den ganzen<br />
südwestdeutschen Raum gezogen.<br />
Hohe kirchl. Würdenträger<br />
haben in den letzten<br />
Jahren das Wort Gottes<br />
von ihren Kanzeln verkün-
Jah*"?:>ng 19P" H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 45<br />
Wallfahrer in der Schloßkirche in Haigerloch. Immer ist eine Andachtsstunde in einer der<br />
Haigerlocher Kirchen ein beglückendes Erlebnis für alle, die mit gläubigem Herzen,<br />
offene Augen und Sinn für Schönheit und Jubel der Architektur mitbringen. Eine<br />
Wallfahrt nach Haigerloch ist ein bleibendes religiöses Erlebnis. (Foto Josef Scheider.)<br />
Die Orgel der St. Annakirche, ein echtes Kind des Barock, läßt heute noch jene festlichen<br />
Klänge in voller Reinheit und Schönheit erschallen und gibt Kunde von einer<br />
glaubensgroßen Vergangenheit, in der neben der Baukunst auch die Musik den höchsten<br />
schöpferischen Geist verkörperte und in kunstsinnigen frommen Fürsten frohe Huldigung<br />
fand. So wie einst blüht auch heute die Kirchenmusik in diesen Räumen, wo sich Architektur<br />
und Musik zu innerer Harmonie verschmelzen.<br />
det und viele Menschen vor<br />
den ergreifenden Gnadenbildern<br />
Trost und seelische<br />
Bereicherung gefunden.<br />
Viele junge Paare beginnen<br />
am Gnadenaltar von St.<br />
Anna ihren gemeinsamen<br />
Lebensweg. Das Geheimnis<br />
des alten Fürstenstädtchens<br />
Haigerloch, dessen Kirchen<br />
wir in nachfolgender Betrachtung<br />
im Geiste besuchen<br />
wollen, ruht in einer<br />
wundersamen Verbindung<br />
von Großartigkeit und Reiz<br />
der Landschaft und seinem<br />
Reichtum an wertvollem<br />
kulturellem Besitz und geschichtlicher<br />
Tradition. Das<br />
Städtchen darf mit Recht<br />
auf diese wertvollen Kirchen<br />
stolz sein. Sie sind in<br />
dieser Landschaft die Höhepunkte.<br />
Mit ihrer lichtvollen<br />
Schönheit winken sie<br />
aus dem milden Grün der<br />
Natur, als laden sie dazu<br />
ein, sie zu betreten, um ja<br />
keine Stätte dieser Welt<br />
des Barock und Rokoko<br />
oder der glaubensfrommen<br />
Zeit der Gotik zu versäumen.<br />
Man kommt immer<br />
wieder auf jenes frohe<br />
Empfinden, daß sich hier<br />
Gottes Schöpfung mit einstmals<br />
tiefer Gläubigkeit baulustiger<br />
Grafen und Fürsten<br />
und begnadeter genialer<br />
Künstler zu einer innigen<br />
Harmonie verband. Die<br />
Meister der Stukkaturen<br />
vom ehrwürdigen Wessebrunner<br />
Kreis schufen in<br />
Oberschwaben und Donauraum<br />
viele Kunstwerke und<br />
Gnadenstätten, und sie haben<br />
hier in Haigerloch ihr<br />
Können zu höchster Blüte<br />
entwickelt. Die Freude am<br />
Schönen und am Gestalten,<br />
am Dekorativen, an Formen<br />
und Farben fanden<br />
ihren Niederschlag in reich<br />
ausgestatteten Gotteshäusern,<br />
in der sich die Glut<br />
des süddeutschen Barock<br />
entfaltet und hineinmündet<br />
in des Himmels Höhen, so<br />
wie es die herrliche Triumpfarchitektur<br />
im Hauptgemälde<br />
der St. Annakirche<br />
in ergreifender Weise dartut.<br />
Es setzt jeden Kunstfreund<br />
immer wieder in<br />
Erstaunen, daß in Haigerloch<br />
fast alle Baustile<br />
der Vergangenheit vertreten<br />
sind. In der herrlich<br />
gelegenen Schloßkirche sind<br />
sogar drei Baustile: Gotik,<br />
Renaissance und Barock in<br />
einer vollendeten künstlerischen<br />
Musterleistung zu<br />
einem eindrucksvollen Gesamtbild<br />
zusammengefaßt<br />
worden. 143 Stufen führen<br />
hinauf zu diesem Gotteshaus<br />
mit einer Vorahnung<br />
paradiesischer Seligkeit,<br />
und wenn man zu dem mittelalterlich<br />
anmutenden<br />
Eingang hinaufblickt, meint<br />
man fast ein schalkhaftes<br />
Schwabenlachen des hinter
46 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
der »Durchgangslaube hervorguckenden<br />
Turmes zu<br />
bemerken. Die Bauzeit der<br />
Schloßkirche, vor deren Eingang<br />
zu Füßen des ergreifenden<br />
Kriegerdenkmals<br />
sich ein schöner Blick zum<br />
altersgrauen Römerturm<br />
bietet, erstreckte sich auf<br />
über 25 Jahre. Die Alten<br />
bauten offenbar nach dem<br />
Grundsatz „Gut Ding will<br />
Weile". Und sie bauten<br />
schön. Das Aeußere dieses<br />
Gotteshauses, zu dem allein<br />
die Fundamentierungsarbeiten<br />
7 Jahre in Anspruch<br />
nahmen, trägt ganz die<br />
Züge der Spätgotik. Im<br />
Innern aber sind zu einem<br />
prächtigen Hochaltar,<br />
einem herrlichen Werk<br />
der Renaissanceplastik, sieben<br />
barocke Seitenaltäre<br />
gefügt, während sich in der<br />
reich stukkierten Decke mit<br />
Gemälden des Hofmalers<br />
Meinrad von Ow schon die<br />
Spielformen des Rokoko<br />
geltend machen. Während<br />
man das alles mit freudigen<br />
Sinnen aufnimmt, blickt<br />
vom Hochaltar das Geheimnis<br />
der Heiligsten Dreifaltigkeit<br />
auf uns nieder, und<br />
unsere Gedanken wandern<br />
zurück zu dem Erbauer, dem<br />
Grafen Christoph von Haigerloch<br />
und seiner frommen<br />
Gemahlin Katharina<br />
von Welsperg und Prizmor,<br />
deren Frömmigkeit in die-<br />
1 1<br />
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sem Gotteshaus weiterlebt, in einem Haus, in dem man nicht<br />
nur die herrlichen Melodien der großen Meister der Barockzeit<br />
neu zu Ehren kommen läßt, sondern wo auch alljährlich<br />
fromme Beter verweilen und zur Haigerlocher Schmerzensmutter<br />
wallfahren. Dieses ergreifende Bildnis vor dem Chorgitter<br />
der Kirche schuf der begnadete Bildhauer Johann<br />
Georg Weckenmann von Haigerloch, einer der begabtesten<br />
Bildhauer des schwäbischen Rokoko.<br />
St. Annakirche, ein Stück Himmel auf Erden<br />
Tiefer Glaube und ausgeprägter Kunstsinn schufen ein<br />
weiteres Gotteshaus in Haigerloch, die St. Annakirche, „ein<br />
Stück Himmel auf Erden". Der fromme Fürst Joseph von<br />
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Kaum ein Bild vermag das menschliche Gemüt so warm zu stimmen,<br />
wie die nächtlich erleuchtete Schloßkirche auf dem kühnen, in den<br />
Talgrund ragenden Felsen. Das Elektrizitätswerk Haigerloch hat die<br />
Belichtung des Schlosses und des Römerturms in den letzten Jahren<br />
technisch hervorragend verbessert, so daß sie lichttechnisch der<br />
Stimmung dieser Bauwerke auch gerecht wird. (Foto Weber.)<br />
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Das geschlossene Weltbild des Barock und die Universalität der Kirche erhalten sichtbaren<br />
Ausdruck in der Baukunst jener glaubensgroßen Epoche. Ein Beispiel dafür bietet<br />
das herrliche Barock-Kleinod unserer Heimat, die St. Annakirche in Haigerloch, ein<br />
Kunstwerk von europäischem Format. Sie kündet heute noch die große Begeisterung<br />
ihres fürstlichen Bauherrn und der gläubigen Künstler und Baumeister.<br />
Sigmaringen, dessen Ehe kinderlos blieb, machte das Gelübde<br />
an St. Anna, wenn ihm ein Sohn geschenkt werde,<br />
lasse er eine Kirche bauen, wie sie schöner in der näheren<br />
und weiteren Umgebung nicht zu sehen sei. Fürst Josephs<br />
Bitte wurde erhört, und er hat sein Versprechen wahrgemacht.<br />
Anstelle der alten baufälligen St. Annakapelle ließ<br />
der Fürst, der sich Haigerloch als Lieblingsresidenz erwählte,<br />
eine Wallfahrtskirche zur Mutter Anna erbauen. Er berief<br />
führende Künstler und Baumeister, die uns eine Kirche von<br />
höchstem Rang und seltener Vollkommenheit schenkten, ein<br />
Bauwerk, das sich neben die besten Schöpfungen des Barock<br />
stellen kann. Die lange gehegte Vermutung, daß kein anderer<br />
als der große Barockbaumeister Johann Michael Fischer<br />
die Pläne lieferte, hat sich in der Zwischenheit durch lange<br />
baustatische Untersuchungen namhafter Fachleute als zutreffend<br />
erwiesen. Die St. Annakirche ist vom zuständigen Landeskonservator<br />
Genzmer als ein Bauwerk mit europäischem<br />
Format bezeichnet worden. Die volkstümliche Wallfahrt zieht<br />
von Jahr zu Jahr weitere Kreise, und es ist immer ein ergreifendes<br />
Bild, wenn sich innerhalb des heiligen Bezirks<br />
der großen Umfassungsmauer mit den Büsten und Vasen<br />
die zahllosen Gläubigen um den im Freien aufgestellten<br />
Altar zum festlichen Pontifikalamt scharen oder den Predigtworten<br />
lauschen. Wer dieses Bild einmal geschaut, behält es<br />
in unvergeßlicher Erinnerung. Und was uns noch anspricht,<br />
das ist jene heimatliche Betonung dieser Kirche nicht allein<br />
im Deckenbild, das die hohenzollerischen Künstler und den<br />
Bauherrn zeigt, sondern daß auch die Seitenaltäre den beiden<br />
hohenzollerischen Heiligen Fidelis von Sigmaringen und<br />
Meinrad von Einsiedeln gewidmet sind. Die künstlerisch gestaltete<br />
Orgel schmückt die Empore mit den wiederentdeckten<br />
alten Farben.<br />
Bei der Fülle der hiesigen Kirchen wäre man vielleicht<br />
geneigt, der Unterstadtkirche weniger Bedeutung beizumessen.<br />
Das wäre schon insofern falsch, als gerade auch die Unterstadtkirche<br />
kulturhistorisch ebenso von großer Bedeutung<br />
ist, eine stadtgeschichtliche große Vergangenheit, durch ihre<br />
Nähe zum Marktplatz und innerhalb des Friedhofes stehend,<br />
nachweisen kann und übrigens zu den ältesten gotischen<br />
Kirchen des Landes gehört. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert<br />
und war die eigentliche Pfarrkirche und ältestes<br />
Haigerlocher Gotteshaus. Wegen der starken Tallage und<br />
öfteren Ueberschwemmungen hat Graf Christoph auf der<br />
Höhe die Schloßkirche erbauen lassen. Diese Feuchtigkeit
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 47<br />
hat der Unterstadtkirche auch in den letzten Jahren zugesetzt.<br />
weshalb Stadtpfarrer Guide auch hier entsprechende<br />
Maßnahmen einleitete und zusammen mit der Entfeuchtung<br />
eine grundlegende Neurenovation veranlaßte, umso mehr als<br />
die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten unglücklich restauriert<br />
wurde. Kirchenmaler Lorch-Sigmaringen, der auch<br />
die übrigen" Kirchen glücklich renovierte, vollbrachte in der<br />
Unterstadtkirche wieder eine Meisterleistung und schenkte<br />
der altehrwürdigen Kirche ihre ergreifende gotische Stimmung<br />
wieder. Der Raum strahlt eine sakrale Feierlichkeit<br />
und geschlossene Harmonie aus, wie man sie selten vorfindet.<br />
Gegenüber der barocken Pracht und Fülle der beiden<br />
übrigen Kirchen ist mit diesem Gotteshaus ein Gegenpol<br />
kl •<br />
< U K<br />
Zeuge alter gotischer Baukunst ist die Unterstadtkirche in Haigerloch, die durch eine<br />
vorzüglich gelungene Renovation wieder im Sinne ihrer Entstehungszeit erstanden ist.<br />
Unser Bild gewährt einen Blick in das Innere, ein Bild sakraler Stille und Schönheit.<br />
(Foto Weber.)<br />
Die St. Annakirche in Haigerloch als Mittelpunkt einer volkstümlichen, seit Jahrhunderten<br />
in unserer Gegend tief verwurzelten Wallfahrt. Im Vordergrund der Eingang zum<br />
St. Annahof, wo alljährlich der große Festgottesdienst am St. Annafest stattfindet.<br />
(Foto Weber.)<br />
entstanden, der trotz seiner Einfachheit im Sinne des gotischen<br />
Raumideals sakrale Stille, Feierlichkeit und Schönheit<br />
ausstrahlt und den Gläubigen zur Andacht stimmt. Wie<br />
ergänzt sich bei den Wallfahrten der letzten Jahre alles so<br />
wunderbar". Droben in der Schloßkirche die Mitfeier des hl.<br />
Geheimnisses der Eucharistie im Meßopfer, in der St. Annakirche<br />
die Andacht zur hl. Mutter Anna in Gebet und Betrachtung<br />
und als Ausklang die Stille und Erbauung der<br />
Unterstadtkirche. Zu allen Jahreszeiten ergeben sich immer<br />
wieder neue Erlebnisse. Wer noch nie in der ergreifenden<br />
Mitternachtsmette in der Hl. Nacht bei den herrlichen Kinderchören,<br />
bei festlicher Weihnachtsmusik im mystischen<br />
Dunkel des nur mit Kerzen erleuchteteten Kirchenschiffes<br />
das Wunder der Hl. Nacht<br />
mitgefeiert hat, der soll<br />
sich dieses hochbeglückende<br />
religiöse Erlebnis einmal<br />
gönnen.<br />
Während man all die beglückende<br />
Schönheit, diese<br />
weihevolle Stimmung in<br />
sich aufnimmt u. am Abend<br />
den Heimweg antritt, verkündet<br />
die Abendglocke die<br />
Großtat der Menschwerdung<br />
Gottes. Sie selbst trägt<br />
den Mariengruß „Bei deiner<br />
Geburt bist du, o Maria,<br />
unversehrt geblieben. Bitte<br />
für uns den Vater, dessen<br />
Sohn du uns geschenkt<br />
hast." Ja, frohe Künder<br />
aus allen Stilepochen rufen<br />
täglich die Frohbotschaft<br />
hinaus aus ihren Glockenstuben,<br />
rufen zu Gebet und<br />
Gottesdienst, mahnen und<br />
jubeln. Es ist das beglükkende<br />
Gefühl für den gläubigen<br />
Menschen: So schön<br />
wie diese Kirchen ist unser<br />
katholischer Glaube. Daran<br />
wird man immer wieder<br />
beim Betreten dieser Gotteshäuser<br />
erinnert. Wäh-<br />
rend die Abendglocke im<br />
letzten Schimmer des scheidenden<br />
Tages verklungen<br />
ist, das Lob der Herrin des<br />
Himmels verkündet hat, erfüllt<br />
sich unser Herz mit<br />
der schönsten und innersten<br />
Freude: Die Welt ist<br />
schön in Haigerloch. Ein<br />
Segensstrahl der Schöpfung<br />
liegt auf ihm; wer ihn aufnimmt,<br />
behält eine fortzeugende<br />
Lebenskraft in<br />
sich.<br />
Sämtliche Klischees in dieser<br />
Nummer stellte uns der Verlag<br />
„Schwarzwälder Bote" unentgeltlich<br />
zur Verfügung. Besten Dank!
48 HOHENZOL,L,ERISCHEHEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />
„Wer holt uns über ans andere Ufer?"<br />
Wie oft mag wohl dieser Ruf, diese Frage erklungen sein,<br />
zu einer Zeit, da noch keine Brücke bei Laiz über die Donau<br />
führte. Als noch die römischen Kohorten von Vilsingen-Inzigkofen<br />
herunter kamen, bei Laiz die Furt in der Donau<br />
durchwateten, um am andern Ufer über die damaligen Römerstraßen<br />
die Alb zu ersteigen!<br />
„Wer holt uns über?" riefen die Wanderer, zur Zeit, da<br />
die Donau Hochwasser führte, das andere Ufer erstrebten.<br />
Darf es uns wundern, wenn die gläubigen Dorfbewohner des<br />
Mittelalters den Patron der Wanderer und Reisenden, der<br />
Schiffer und Fährleute, St. Christophorus zuerst in die Kirche<br />
und später an deren Außenwand malten?<br />
Wer kennt nicht die Legende von St. Christophorus, dem<br />
Riesen unter den Heiligen, dem an Körperkraft und Wuchs<br />
keiner gleicht und der doch demütigen Sinnes das Gotteskind<br />
auf seinen Schultern durch die Fluten trägt? Wenn das<br />
römische Martyrologium auch nicht viel von diesem Manne<br />
zu erzählen weiß, und die Heiligenlegende uns nur berichtet,<br />
daß er unter dem römischen Kaiser Decius im 3. Jahrhundert<br />
(251 n. Chr.) in Lykien (Klein-Asien), das Martyrium erlitten<br />
habe, so hat der christliche "Volksglaube diesen Heiligen doch<br />
in den Mittelpunkt eines Geschehens gestellt und ihn so<br />
hervorgehoben unter den heiligen Gestalten.<br />
Nach der Legende erschien ihm, dem Heiden, Christus in<br />
Kindsgestalt und ließ sich von ihm über einen Fluß tragen.<br />
Dabei wuchs Christus mehr und mehr, drückte seinen Träger<br />
in die Flut hinab und taufte ihn auf den Namen Christophorus,<br />
d. h. Christusträger. Diese Legende ist Gegenstand unzähliger<br />
Bilder und Plastiken geworden, deren älteste der<br />
Buxheimer (Bayern) Holzschnitt von 1423 ist. Dieser trägt in<br />
lat. Sprache die Unterschrift bzw. Erläuterung, daß der, der<br />
am Morgen des Tages seinen Blick gläubig zu St. Christophorus<br />
erhebt, bis zum Abend vor jähem Tode bewahrt<br />
werde.<br />
Oft und oft haben unsere Vorfahren sein Bild angebracht,<br />
sei es als Plastik an Brücken und Torbogen, an Vorhallen<br />
von Kirchen, an Erkern und Giebeln der Häuser oder als<br />
gemaltes Bild in Kirchen oder an deren Außenwänden.<br />
So erblicken wir den Heiligen an der Südostecke des fürstlichen<br />
Schlosses zu Sigmaringen, hoch über der rauschenden<br />
Donau. Wir sehen seine mächtige Figur an einem der ersten<br />
Pfeiler des Südchores im Dome zu Köln, wie auch am Südportal<br />
des Chores im Münster zu Freiburg i. Br. Auch in<br />
den Domen zu Münster i. W., zu Osnabrück, zu Frankfurt<br />
a. M., im Stephansdom zu Wien und vielen anderen ist er<br />
zu sehen. Der sogenannte Schlüsselfelder'sche Christophorus<br />
an der Sebalduskirche zu Nürnberg mag einem der größten<br />
deutschen Maler, Albrecht Dürer, die Anregung gegeben<br />
haben, den Heiligen wiederholt in seinen Gemälden darzustellen.<br />
Aber auch bei den Meistern Konrad Witz, A. Altdorfer,<br />
Hans Baidung, bei den Niederländern van Eyck, Hans<br />
Memling, Dirk Bouts im 14. und 15. Jahrhundert, bei Edward<br />
von Steinle, Matthäus Schiestl, Josef von Führich u.<br />
v. a. im 19. Jahrhundert finden wir den Heiligen dargestellt.<br />
Nicht vergessen sei das Glasgemälde von Albert Figel in der<br />
Münchner Frauenkirche vom Jahre 1929 und das im Jahre<br />
1913 aufgedeckte riesige Wandgemälde in der alten Kirche<br />
zu Garmisch, das um 1320 entstanden ist.<br />
Das gläubige Volk dachte sich den Christusträger in seiner<br />
fürbittenden Macht riesengroß, und die Kirche reihte ihn<br />
unter die 14 hl. Nothelfer ein. Christophorus wurde angerufen<br />
bei vielen menschlichen Nöten, bei Feuer- und Wassergefahr,<br />
gegen Hungersnot und jähen Tod, gegen Unwetter,<br />
Blitz- und Hagelschlag, bei Seuchen und Pestgefahr, an der<br />
Mosel gegen gefährlichen Eisgang und Ueberschwemmung.<br />
Aus solch gläubig vertrauenden Erwägungen heraus mag<br />
St. Christophorus auch Eingang in die Kirche zu Laiz gefunden<br />
haben. In der alten Kirche, vor dem Brande von 1426,<br />
soll nach der mündlichen Ueberlieferung ein Christophorusaltar<br />
und eine Christophorusbruderschaft bestanden haben.<br />
Wenn dies aktenmäßig auch nicht nachzuweisen ist, wäre<br />
dies aber nicht ausgeschlossen, da z. B. in Vorarlberg und<br />
in Tirol die 1386 von Heinrich von Kempten gestiftete Christophorus-Bruderschaft<br />
verbreitet und Laiz, bzw. die Grafschaft<br />
Sigmaringen den Habsburgern zu eigen war. Das Bild<br />
des Heiligen war ursprünglich am südlichen Chorbogenpfeiler<br />
in der Kirche angebracht.<br />
Im Jahre 1618 wurde das Bild an die Außenseite der südlichen<br />
Chorwand gemalt. Die Verlegung des Bildes läßt auf<br />
eine bauliche Veränderung schließen, es sei denn, daß der<br />
Ausbruch des 30jährigen Krieges, die drohenden Pestnöte<br />
jener Zeit, zuletzt im Jahre 1611, die immer sich wieder-<br />
St. Christophorus in Laiz<br />
holenden Hochwasser- und Ueberschwemmungsgefahren die<br />
gläubige Gemeinde veranlaßte, St. Christophorus weithin<br />
sichtbar anzubringen, um den Verehrern des hl. Nothelfers<br />
den Weg zur Kirche zu ersparen. Urkundliches Material<br />
konnte über das Anbringen des St. Christophorusbildes an<br />
der Außenseite der Kirche bis jetzt nicht gefunden werden.<br />
Das gegenwärtige Bild des Heiligen wurde von P. Gabriel<br />
W ü g e r, O.S.B., aus Beuron, einem Schüler des Gründers<br />
der Beuroner Kunstschule, Desiderius Lenz, gemalt. P. Wüger<br />
renovierte oder erneuerte das seit 1618 an der Kirchenwand<br />
befindliche Bild im Jahre 1900. Der Heilige durchschreitet<br />
einen Strom, das Gewand hochgerafft, den rechten<br />
Arm in die Seite gestemmt, der linke stützt sich auf einen<br />
baumlangen, kräftigen Ast als Wanderstab. Auf der rechten<br />
Schulter sitzt der Jesusknabe, in der Rechten die Weltkugel<br />
haltend, die Linke auf das Haupt des Heiligen gestützt. —•<br />
Leider ist dieses erst 60 Jahre alte Bild schon wieder erneuerungsbedürftig<br />
und dessen Renovation edlen Christophorus-Verehrern<br />
als gütigen Spendern anempfohlen.!<br />
Die Verehrung des hl. Christophorus fand in mannigfaltiger<br />
Form ihren Ausdruck. Es gab Münzen, Dukaten und<br />
Taler im 16. und 17. Jahrhundert, die sein Bild trugen. Es<br />
bestand ein Orden der Mäßigkeit und eine Bruderschaft von<br />
der christlichen Liebe, die Reisenden und Wanderern ihren<br />
Schutz beim Uebergang über Flüsse, Berge und Alpenpässe<br />
bot und deren Mitglieder St. Christophorus als Vorbild in der<br />
Nächstenliebe diente. Frankreich verehrt ihn auch als Patron<br />
der Festungen, z. B. in Beifort; in England ist er Schützer<br />
gegen Gewitter und Hagelschlag. Nach der Legende trieb der<br />
Wanderstab des Heiligen zum Zeichen göttlicher Weisung<br />
Blätter, Blüten und Früchte. Auf manchen Bildern ist dies<br />
auch dargestellt. Aus diesem Grunde wurde der Heilige der<br />
Patron der Gärtner.<br />
Als nach Beendigung des zweiten Weltkrieges die Hakenkreuzzeichen<br />
aus dem öffentlichen Leben verschwanden und<br />
die Gemeindebehörde sich nach neuen Siegeln umsah, erinnerte<br />
man sich dieses örtlich vertrauten Heiligen, und bald<br />
erschien sein Bild auf den Gemeindestempeln. Gar manches<br />
Schriftstück der Nachkriegszeit trägt St. Christophorus als<br />
„Sigillum". Leider entbehrte dieses Stempelbild der geschichtlichen<br />
Grundlage, und es mußte bei Einführung der<br />
allgemein gültigen Stempel im Jahre 1952 dem neuen Wappenstempel<br />
wieder weichen.<br />
Auch auf Fahnen und Wimpeln wurde das St. Christophorusbild<br />
eingestickt, so auf dem Banner der Pfarrjugend und<br />
dem Wimpel der Ortsgruppe Laiz des Schwäbischen Albvereins.<br />
Die Entwürfe dazu stammen von Malermeister Hans<br />
Henselmann in Laiz. Die Ausführung übernahm die Paramentenwerkstätte<br />
der Schwestern im Kloster Habstal. Der<br />
Musikverein Laiz trägt das Bild des Heiligen seit dem Jahre<br />
1952 als Abzeichen auf den linken Aermeln ihrer Uniformen,<br />
und im Jahre 1959 zierte beim 50jährigen Jubiläum des Mä.iner-Gesang-Vereins<br />
Laiz sein überlebensgroßes Bild die<br />
Rückwand des Festzeltes.<br />
Heute, in der Zeit der Technik und des immer mehr wachsenden<br />
Verkehrs, ist St. Christophorus Schirmherr und<br />
Schutzpatron der Eisenbahner, der Kraftfahrer und Flieger<br />
geworden. In manchen Autos sieht man Christophorus-Plaketten.<br />
Sie werden an den Stoßstangen und Kühlern der<br />
Autos und am Steuer von Flugzeugen angebracht. Das Bild<br />
des Heiligen trägt die Umschrift: „Sancte Christophore, protege<br />
nos!" d. h. „Heiliger Christophorus, beschütze uns!" Für<br />
einen gläubigen Christen bedeutet die Anrufung des Christusträgers<br />
einen sicheren Schutz als der Verlaß auf sog.<br />
Amulette, Puppen Aeffchen oder Hanswurste, wie man sie<br />
oftmals als „Talisman" in Autos baumeln sieht.<br />
Ueber der Einfahrt einer großen Kölner Garage ist zu lesen:<br />
„Allen, die hier fahren aus und ein.<br />
Christophorus soll Beschützer sein!"<br />
Mancherorts wird am Festtag des Heiligen, am 25. Juli,<br />
oder an einem beliebigen Tag, die Segnung der Motorräder,<br />
Autos, Lastwagen, Traktoren und sonstiger Kraftfahrzeuge<br />
aller Art vorgenommen. Seit die Königin Margherita von<br />
Italien in ihrem Auto einen Unfall erlitt, ohne verletzt zu<br />
werden, hat sich die Verehrung von St. Christophorus als<br />
Schutzpatron der Kraftfahrer auch in Italien eingebürgert.<br />
Alljährlich werden in Rom auf dem St. Petersplatz am Feste<br />
des Heiligen die Autos feierlich gesegnet.<br />
In Laiz fand erstmals eine Segnung der Landmaschinen<br />
und Kraftfahrzeuge am Sonntag, den 8. Mai 1955 statt. Nachdem<br />
im Hauptgottesdienst die Bedeutung, das Wesen und<br />
der Sinn der kirchlichen Weihen und Segnungen erklärt<br />
worden war, zogen die Gläubigen in Prozession mit Kreuz,
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 49<br />
und Fahnen unter Teilnahme der Musikkapelle, des Männergesangvereins<br />
und der Freiwilligen Feuerwehr zum Rathausplatz,<br />
wo durch den Ortspfarrer die Segnung vollzogen<br />
wurde. Mit Begeisterung stimmten die Teilnehmer am<br />
Schlüsse der Zeremonien in das von der Musikkapelle intonierte<br />
„Te Deum" ein.<br />
Was vor 5 Jahren begonnen wurde, wäre einer baldigen<br />
Wiederholung wert. Es wäre begrüßenswert, wenn diese Segnung<br />
zu einem sich immer wiederholenden Brauch würde.<br />
Nicht nur die Kraftfahrer der Pfarrei Laiz-Inzigkofen wären<br />
darüber erfreut, auch die weitere Umgebung zeigte sich interessiert.<br />
Die Zahl der Kraftfahrzeuge vermehrt sich dauernd<br />
oder wird durch neue ersetzt. Aber auch die Zahl der Unfälle<br />
steigt an. Mancher Autobesitzer würde sich gern unter<br />
den Schutz des orientalischen Riesen stellen, wenn ihm Gelegenheit<br />
dazu geboten wäre. Der neben der Donaubrücke<br />
vor der neuen Turnhalle geschaffene große Platz könnte als<br />
„Christophorusplatz" eine geeignete Parkstätte für viele<br />
Fahrzeuge bei Anlaß einer solchen Segnung sein.<br />
Ein ganz bedeutendes Wahrzeichen zu Ehren des hl. Christopherus<br />
erstand der Gemeinde Laiz in den Jahren 1949/50<br />
durch den Bau der neuen Brücke über die Donau, die bei der<br />
Weihe am 1. Oktober 1950 den Namen „Christophorusbrücke"<br />
erhielt. Dieser Weihetag war ein Festtag für die Gemeinde<br />
Laiz. Die vielfachen Ueberschwemmungen, die den Verkehr<br />
von Ufer zu Ufer manchmal für Wochen unterbrachen, die<br />
Lasten und Schäden, die mit den Ueberschwemmungen verbunden<br />
waren, sollten nun ein Ende haben. Darum war<br />
es verständlich und zu begrüßen, daß man sich bei der Weihe<br />
und Namensgebung der Brücke auf den Heiligen einigte,<br />
der wie keiner sonst nach Würde und Tradition berufen ist,<br />
für den Schutz dieser stattlichen Brücke und des darüber<br />
flutenden Verkehrs seine schützende Hand zu halten und um<br />
Gottes Schutz zu bitten.<br />
Zwei, eigens zur Brückenweihe verfaßten Gedichte, von<br />
O. W. mögen hier verzeichnet, die Leitgedanken wiedergeben,<br />
die die Aufgaben der neuen Brücke darlegen:<br />
Der Brücke zum Geleit!<br />
Ueber Wellen, über Wogen<br />
leuchte uns der Eintracht Band.<br />
Stolzer Brücke weiter Bogen<br />
bringe Frieden unserm Land.<br />
Blauer Wasser stilles Rauschen,<br />
grüne Fluren, Wald und Höh'n,<br />
o wie wohl tut's euch zu lauschen!<br />
Alles ist so wunderschön.<br />
Frieden! — läuten Glockenklänge. —<br />
Eintracht und Zusammenhalt<br />
Ist der Ruf der Chorgesänge,<br />
der zum andern Ufer schallt!<br />
Trag die Botschaft über Wasser, —<br />
wie die Glocken über Land, —<br />
Brücke! — Schling um Feind und Hasser<br />
dein versöhnend Friedensband!<br />
Nach dem Weiheakt durch den Priester, unmittelbar vor<br />
Eröffnung der festlichen Ueberfahrt und dem Durchschnitt<br />
des Brückenbandes sprachen zwei Jugendliche (A und B) abwechselnd<br />
folgenden<br />
Weihespruch !<br />
A. Schöpfer aller Welt und Weiten<br />
unser Bau sei Dir geweiht.<br />
Allen, die darüber schreiten,<br />
gib ein sicheres Geleit!<br />
B. Wir, die wir hier zusammenkamen,<br />
Christopherus! — Wir rufen deinen Namen!<br />
Christopherus! — Du starker Arm in Flut und Wellen!<br />
Christopherus! — Wollst deine Schultern drunter stellen!<br />
A. Wenn die Wasser schäumend wogen,<br />
an den Pfeilern brandend reißen,<br />
dann stütz mächtig ihren Bogen, —<br />
„Christopherus!" — So soll sie heißen!<br />
B. Wir rufen Gott als Schutzherrn an<br />
zur Tauf' und Weihe dieser Brücke.<br />
Ihm zur Ehre, uns zum Glücke<br />
öffne dich, du neue Bahn! (A. und B.)<br />
Möge die St. Christophorusbrücke recht lange zum Segen<br />
der Gemeinde Laiz und der Heimat das Nord- und Südufer<br />
der Donau verbinden! Noch fehlt der Brücke ein Standbild<br />
von St. Christopherus, das ihr als Wahr- und Schutzzeichen<br />
dienen soll. Der Platz für dasselbe ist am Südufer schon vorgesehen.<br />
Vielleicht erinnert sich die Gemeinde nach Abschluß<br />
und Bereinigung der augenblicklichen Bauvorhaben auch<br />
dieser ideellen Aufgabe, oder es finden sich großherzige<br />
Spender, die sich ein immerwährendes Denkmal setzen, sowohl<br />
durch Finanzierung dieses fehlenden Standbildes oder<br />
durch Renovierung des St. Christophorusbildes an der Pfarrkirche.<br />
Ersteres müßte um so leichter und für die Gemeinde<br />
Laiz erstrebenswerter sein, als sie für Entwurf und Ausführung<br />
eines Christophorus-Standbildes einen hervorragenden,<br />
einheimischen Künstler zu ihren Ehrenbürgern zählt.<br />
Möge der hl. Christophorus nicht nur als Wahrzeichen und<br />
Schützer des Dorfes Laiz dienen, sondern zum Beschützer<br />
aller werden gegen die rote Flut des Ostens! Für uns alle<br />
aber gelte der Spruch, den ich auf einem St. Christophorus-<br />
Gebetszettel fand und der uns einmal begleiten soll, wenn<br />
wir die letzte große Reise antreten:<br />
„Siehe, es führt weder Brücke noch Weg hier herüber,<br />
und viele erreichen nie das Ziel ihrer Reise!<br />
Sei du ihnen Brücke und Weg, damit künftig<br />
alle an das Ziel ihrer Wanderschaft gelangen!<br />
Hole uns über ans andere Ufer!<br />
Heiliger Christophorus, — wir bitten dich darum!<br />
F. Widemann.<br />
In einem Seitentälchen des Stunzachtales zwischen Gruol und Heiligenzimmern liegt<br />
Bernstein, das früher von Klosterbrüdern bewirtschaftet und vor allem durch die große<br />
Ziegelei bekannt wurde. Bernstein ist heute Staatsdomäne und wird von einer Heimatvertriebenenfamilie<br />
bewirtschaftet. Im Dritten Reich dienten die Räumlichkeiten für ein<br />
Landjahrlager. Nach dem Kriege hatte sich die inzwischen wieder eingegangene Kunstschule<br />
hier etabliert. Bernstein ist ein Ort beschaulicher Ruhe inmitten einer romantischen,<br />
reizvollen Landschaft, die zu erholsamen Spaziergängen einlädt. Von der einstigen<br />
Kirche sind noch einige Deckenstukkaturen erhalten. (Foto. J. Schneider.)
50 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Aus der Geschichte des Klosters Habstal<br />
(Nach einem Auszug des bayer. Regierungsdirektor von<br />
Raiser in Augsburg, aus dem habstalischen Fundationsbuch,<br />
aus den Klosterurkunden zusammengetragen von P. Eusebius<br />
Reutmayer, Regularkanoniker s. Augustini in Waldsee,<br />
Beichtiger und Pfarrer zu Habstal 1681.)<br />
Das Kloster Habstal, dem Dominikanerorden zugehörig,<br />
hatte ursprünglich seinen Sitz in Mengen in dem jetzt<br />
sogenannten Amtshause. Noch heutzutage bezieht es Gefälle<br />
in Mengen. Die ersten Stiftungsurkunden zu Mengen sind verloren<br />
gegangen. Im Jahre 1259 hat Konrad von Bodman,<br />
welcher von dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen den Ort<br />
Habistal lehnbar besaß, solchen zur Vergabung an die Nonnen<br />
in Mengen dem Lehensherrn zurückgegeben, mit den<br />
Worten: „Seinem verehrungswerten Herrn Hugo von Gottes<br />
Gnaden Pfalzgraf von Tübingen versichert Conrad von Bodman<br />
in allem seine Ergebenheit. Werke sterblicher Menschen<br />
pflegen schriftlich niedergelegt zu werden, damit sie nicht<br />
vergessen werden. Daher beschließe ich, meine Besitzungen<br />
in „Habestal" mit allen Rechten und Zubehör, die ich bisher<br />
als Lehen von Eurer gütigen Gnade besaß, hiermit Euch<br />
bzw. in die Hand des Fraters Johannes von Ravensburg,<br />
Predigerordens hiermit frei zurückzugeben, damit die Priorin<br />
und der Konvent zu Mengen sie ohne Beunruhigung durch<br />
mich oder meine Erben besitzen können, zu meinem und<br />
Eurem und unserer Vorfahren Seelenheil!"<br />
Am Dienstag in der Bittwoche 1259 hat dann der genannte<br />
Pfalzgraf die Güter zu „Habestal" dem genannten Frater Johannes<br />
und dem Convent übergeben. Die Urkunde ist zu<br />
Altheim ausgestellt in Gegenwart des Fraters Johannes, seines<br />
Gefährten Konrad von Ueberlingen, des Kirchherrn Kraft<br />
von Altheim, des Herrn Marquard genannt Müller von Ihelingen,<br />
seines Bruders Werner, Wolfram Vogts von Altensteig<br />
und Eberhards, des Edlen von Jungingen. Vormittags<br />
9 Uhr."<br />
Im nämlichen Jahr 1259 hat Rudolf Graf zu Tübingen und<br />
Herr zu Scheer diese Stiftung seines Bruders bestätigt, und<br />
durch Urkunde von Weissenburg vom 16. Mai 1276 hat König<br />
Rudolf von Habsburg die Schenkung nochmal bekräftigt, wobei<br />
die Güter auf 20 Mark Silber geschätzt sind, und für frei<br />
eigen erklärt werden.<br />
Ehe die Nonnen zu Mengen nach Habstal übersiedelten,<br />
hat schon am 1. 6. 1257 der Bischof Eberhard von Konstanz<br />
ihnen die Regel des hl. Augustinus gegeben und sie in seinen<br />
Schutz aufgenommen. Der Ort heißt hier Vrie-Mengen d. h.<br />
Freies Mengen. Dieses letztere ist die Zweitälteste Urkunde<br />
des Klosters. Es war, wie aus folgendem hervorgeht, ohne<br />
Zweifel anfänglich eine gewöhnliche Beginen-Sammlung<br />
und erhielt hier durch den Bischof die klösterliche Form. Im<br />
Jahre 1254 hatte Graf Hugo von Montfort den Schwestern<br />
zu Mengen ein Gut zu Weckhofen (am Weg von Rosna nach<br />
Mengen) geschenkt und 1257 den Hof (curia) zu Mengen<br />
samt Zubehör ihnen zu eigen gegeben. 1283 haben die Herren<br />
der Stadt das Haus zu Mengen von aller Steuer, Anlage<br />
und Wacht befreit, und 2 Jahre drauf erteilte Herzog Rudolf<br />
in Schwaben dem Haus in Mengen besondere Privilegien, die<br />
Herzog Albrecht 1292 bestätigte.<br />
Das Stiftungsgut des Klosters in Habstal vermehrte sich<br />
allmählich durch Schenkungen und Käufe. Wir bemerken<br />
darunter folgende:<br />
1281 stiftete Graf Mangold von Nellenburg einen Hof und<br />
Gut zu Enzkofen, vor alters „das Gravengut" genannt,<br />
das die von Ramunk als Lehen besessen hatten. Dazu wurden<br />
später noch Güter da zugekauft.<br />
Ebenfalls 1281 verkauften Graf Mangold von Nellenburg<br />
und Heinrich von Magenbuch, wohl sein Vasall, zwei große<br />
Höfe in Jettkofen an Habstal. Die Güter hießen „Aufsitzen".<br />
Andere Grundstücke und die Mühle daselbst erwarb<br />
das Kloster 1371 und 1402.<br />
Im Jahre 1286 gab Albert von Ruolflngen ein seit uralter<br />
Zeit als Lehen besessenes Gut zu Herbertingen an<br />
den Grafen Heinrich von Veringen zurück, worauf dieser es<br />
um seiner und seiner Voreltern Seelenheil willen an Habstal<br />
stiftete. Die Uebergabe geschah zu Grüningen auf dem<br />
Kirchhof im Beisein vieler Grafen, Ritter und Edlen, die<br />
auf einer Hochzeit derer von Liebenstein zusammengekommen<br />
waren. Andere Güter daselbst wurden 1360 von Walter<br />
von Büren (Beuren), 1377 von Konrad Schorp zu Ochsenbach,<br />
1473 von Peter von Beuren zu Mengen an das Kloster teils<br />
gestiftet, teils verkauft. Zu Repperweiler wurde 1287<br />
ein Gut von dem Grafen Heinrich von Montfort, Herrn zu<br />
Scheer, gestiftet. Einen andern Hof daselbst erwarb das<br />
Kloster 1386 um 255 Pfd. Hlr. und wieder andere Güter<br />
1475 und 1508 vom Kloster Salem.<br />
Zu Völlkofen stiftete Johannes Gottsritter zu Pfullendorf,<br />
der eine Tochter im Kloster hatte, 1406 ein Bauerngut.<br />
Ein zweites Gut daselbst kaufte Frau Agnes Luitingerin<br />
von Meßkirch, Nonne zu Habstal, von Kunz von Landau mit<br />
Zustimmung des Grafen Hermann von Sulz. Nach ihrem Tod<br />
fiel es an den Konvent. Der erwähnte Gottsritter stiftete<br />
auch die Birkhaider Waldung ans Kloster. Gleichfalls zu<br />
Völlkofen besaß Menloch von Leinstetten den halben Großund<br />
Kleinzehnten als Nellenburger Lehen und verkaufte ihn<br />
mit lehensherrlicher Bewilligung 1401 um 465 Pfund Heller<br />
an Habstal. (Die andere Hälfte des Zehnten gehörte dem<br />
Spital in Mengen.)<br />
Zu Günzkofen kaufte das Kloster im Jahre 1415 ein<br />
Drittel des Groß- und Kleinzehnten von Frau Berta Ganserin<br />
um 450 Pfund Heller mit Zustimmung des Lehensherrn,<br />
des Grafen von Nellenburg. ('/a des Zehnten gehört<br />
der Pfarrei Scheer, Vs dem Spital Mengen.) Ein kleines Gütle<br />
daselbst wurde 1360 und 1419 von Katharina Huntüblin und<br />
Konrad Bosch, Kirchherrn zu Habstal, gestiftet.<br />
Zu Hohentengen wurde 1360 ein Gut von Walter von<br />
Büren um 142 Pfund Hlr. gekauft, wozu 1503 und 1505 noch<br />
mehrere Grundstücke kamen.<br />
Zu Bremen kaufte das Kloster Habstal 1352 von zwei<br />
Bürgern zu Mengen ein Gut um 45 Pfund. Durch Vertrag vom<br />
Jahre 1527 wurde der Gemeinde Bremen das Fischrecht in<br />
der Ostrach abgesprochen.<br />
Zu B o m s stiftete 1363 Hartnit Kröwel, Kastenvogt der<br />
Kirche in Boms den Kirchensatz (d. h. Patronatsrecht) mit<br />
allem Zubehör an Habstal, und Rudolf Kröwel, Altbürger zu<br />
Saulgau. bestätigte mit seinen Söhnen diese Stiftung 1363.<br />
Dieses Patronatsrecht kam nachher an Altshausen. Wir übergehen<br />
andere kleinere Stiftungen.<br />
Die Hauptbesitzungen Habstal waren außer Habstal selbst<br />
noch Bernweiler und Rosna. Bernweiler wurde 1266<br />
um 16 Mark Silber von Salem käuflich erworben. Ursprünglich<br />
nur ein Hof, wurde es in der Folge mit mehreren andern<br />
Gütern vergrößert und 1680 einige Wohnungen für Tagwerker<br />
und Handlanger dahin gesetzt. Rosna, ein Dorf,<br />
gehörte vor Zeiten den Edlen von Rosenau, welche auf der<br />
Höhe des Berges eine Burg hatten. Der letzte des Namens,<br />
Rudger von Rosenau, hinterließ eine Tochter namens Ursula;<br />
der Pfleger Wolf von Jungingen veräußerte im Jahre<br />
1373 den Burgstall (Burgstelle) Rosenau samt allem Zubehör<br />
für sie um 434 Pfund Heller an Habstal. Von dieser Zeit<br />
an hatte das Kloster auch die niedere Gerichtsbarkeit über<br />
Rosna, das übrigens früher Talheim hieß. Im Jahre<br />
1432 stifteten die Gebrüder Konrad und Frick von Magenbuch<br />
die Kapelle von Rosna samt Zubehör, auch was sie<br />
sonst zu Rosna an Leuten, Grund und Boden besaßen, an<br />
Habstal. Die Zehnten gehörten größtenteils (so wie die zu<br />
Habstal) nach Buchau. 1490 wurde mit dem Stift Buchau<br />
ein Vertrag errichtet, wonach dieses aus Rosna den Zehnten<br />
bezog mit Ausnahme aus den 32 Jauchert, die zum Pfarrwidum<br />
gehörten, und nach Habstal zehnteten. Wegen der<br />
Neubruchzehnten verglich man sich 1681 dahin, daß dieselben<br />
zwischen den Pfarrern zu Ennetach und Habstal in 2 Hälften<br />
geteilt sein sollen. Güter und Leute zu Rosna waren sämtliche<br />
nach Habstal lehnbar und leibeigen. Die Landeshoheit<br />
war strittig. Die Steuer ging zum Schwäbischen Kreis. Die<br />
Regalien waren sigmaringisch, von dem Zoll aber bezog<br />
Sigmaringen nur ein Drittel, und Oesterreich zwei Drittel.<br />
Auch die Appellationen gingen in ihrem letzten Zuge an die<br />
österreichischen Behörden.<br />
(Nachtrag: Sämtliche Einkünfte des Klosters Habstal wurden<br />
im Jahre 1803 zu 12 356 fl, seine <strong>Ausgabe</strong>n zu 11 982 fl<br />
berechnet. Es enthielt damals 14 Frauen und 2 Novizinnen<br />
und 4 Laienschwestern.)<br />
Schirmherren des Klosters waren seit den Zeiten der Grafen<br />
von Werdenberg die Herren zu Sigmaringen. Der Ursprung<br />
dieser Vogtei ist wahrscheinlich aus dem alten Grafenbann<br />
abzuleiten. Als 1534 Sigmaringen an das Haus Hohenzollern<br />
kam, wurden als Schirmrecht gefordert: a) iährlich<br />
auf Martini 18 fl, b) ein Ochs mittlerer Größe und c) 5 Malter<br />
Roggen und 5 Malter Haber, d) das Recht der Hundsiege<br />
zweimal im Jahr, so daß etliche Wochen die Jagdhunde und<br />
der dazu gehörige Bub ernährt werden mußten, e) eine Rüde<br />
und gar großer Hund mußten immer gehalten werden,<br />
f) zweimal im Jahr mußten Jäger und Hunde einige Tage<br />
mit Speise und Trank ernährt werden. Jeder Jäger forderte<br />
IV2 Maß Wein, g) Wenn der Graf mit Gefolge kam, mußte<br />
ihn das Kloster unentgeltlich verköstigen, h) jährlich zweimal<br />
sollte ein Fuhrmann mit 2 Pferden nach Sigmaringen<br />
kommen, um einige Wochen lang Mist zu führen, wozu er
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 51<br />
das kurze Futter mitzunehmen hatte, i) während der Saat
52 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
wechselnd 1324 und nach 1454 Mundelstein und dazwischen<br />
gelegentlich den Ausdruck „Kiverlins Burg" benützt! Die Kiverli,<br />
ein Zweig der Herren von Liechtenstein, saßen 1292<br />
und später in Gammertingen, auch noch 1347 wird Dietrich<br />
von Liechtenstein zu Gammertingen seßhaft erwähnt. Aber<br />
wo saßen sie? Vermutlich in der Stadtburg anstelle des späteren<br />
Schlosses und jetzigen Rathauses!<br />
Aus dem Mariaberger Zinsbuch von 1454 geht klar hervor,<br />
daß obige Kiverlins Burg von 1338 mit der sog. Burghalde<br />
gleichgesetzt ist, wo Vi Stunde südlich von Mariaberg auf<br />
einem Felsen eine Burgstelle liegt, die vermutlich auch der<br />
Stifterin des Klosters, einer Gräfin von Gammertingen um<br />
1166 gehörte, d) Zum Ueberfluß heißt nach J. Wiest auch die<br />
Flur zwischen der Necke und dem Neckental südöstlich von<br />
Gammertingen heute „Schloßberg", doch ohne Spuren eines<br />
ehemaligen Wehrbaues, e) Dagegen lag ein sog. „Altes<br />
Schloß sicher auf dem 711 m hohen Berg südwestlich von<br />
Gammertingen, noch auf seiner Markung an der Fehla.<br />
Es wurde 1933 von Heimatfreunden ausgegraben. Ob hier<br />
auch Kiverli wohnten? Oder war dies die Burg Schirmb<br />
e r g, die wir oben unter Nr. 1 und 3 als Sitz des Heinr. Spät<br />
erwähnten? M. Walter suchte den Schirmberg zwar in Nähe<br />
von Mayingen über der Burladinger Mühle, ohne einen Beweis<br />
anführen zu können. Ein Berg, „der Schirm gewährt",<br />
war für Gammertingen zweifellos das „Alte Schloß" an der<br />
Fehla!<br />
f) Vor einigen Jahren machte der Unterzeichnete mit Oberlehrer<br />
Wiest, dem verdienten Schriftleiter der Hohenzollerischen<br />
Heimat, einen Spaziergang zu den Grabhügeln über<br />
dem Weihtäle westlich der Stadt, unweit der ersten Straßenschleife<br />
gegen Neufra. Unmittelbar nördlich über dem<br />
Weihtäle fiel ein künstlich zugerichteter Felsen (715,7 m)<br />
mit einem modernen Pavillontürmchen auf.<br />
Hier stand sicher einmal eine Ritterburg! Natürlich von bescheidenem<br />
Umfang, wie der Mundelstein.<br />
Bei dieser großen Anzahl von Burgstellen rings um die<br />
Stadt war es freilich völlig ausgeschlossen, ohne weitere<br />
Hinweise die Burg Huesteneck zu finden.<br />
Eine Notiz Sebastian Lochers von 1880 wies den Weg zur<br />
Lösung! In den Güter- bzw. Zinsbeschreibungen des Klosters<br />
Mariaberg (Stuttgart B 477) von den Jahren 1454, 1472, 1474,<br />
1495—97 finden sich unter Gammertingen und Bronnen<br />
mehrere Erwähnungen der Flur Huostneck-<br />
Huschnegg:<br />
1. Gammertingen: 1454 heißt es: Tudel Anna gibt<br />
Vit Schilling Heller aus einer Wies unter Hustnek. 1472 und<br />
1474 gibt Peter Duduler aus derselben Wiese 8 ß hl; 1495<br />
aber „Auberlin Benrat gibt 8 ß hl. aus der Wies<br />
unter Huschnegh an der Lauchert nach der<br />
Länge gelegen, sind bei 6 Juchart.<br />
2. Bronnen: a) 1454 hat Heinz Syler des alten Strangers<br />
Hof, dazu gehören u. a. ein Jauchert unter<br />
Huostnek, und 1 J. in der Ow.<br />
Im Jahre 1472 heißt dieser Hof des Heinz Syler „des alten<br />
Staygers Hof", 1474 hat Konrad Syler des alten Staigers Hof,<br />
wie 1454: 1 J. unter Huostneck. 1497 hat Endres Magenbuch<br />
(später Theiß Lorch) des alten Staigers Hof, darin im Esch<br />
Uf Schwende: 1 J. unter Hustnegkh, anwandet<br />
auf Peter Viseis Acker und Benrat Auberlins Wies (s. oben!).<br />
b) 1454 hat das Maigerlin des Kayben Gut und darin: 1 J.<br />
Acker im Louch, 1 J. unter Huostnek am Wasser.<br />
1472 hat Hans Mayer des Kayben Gut: 1 J. im Louch, 1 J.<br />
Acker unter Hostnegg am Wasser, ebenso 1474.<br />
1497 hat Kunrad Schnitzer des Knaben (d. i. Kayben!) Gut,<br />
darin im Esch Uf Schwende: 1 J. Acker unter der Burg<br />
in der Ow am Wasser hinab, anwandet, uf Hans<br />
Hodlers Acker (d) und Peter Viseis Wiesen (c) 1 J. im Louch<br />
(Loch). Ferner hat in diesem Jahr Simon Gucker des Treyzers<br />
Gut: 1 Jauchert im Eschlin unter Hustneck<br />
im Esch Uf Schwende, zwischen Peter Viseis und<br />
Konrad Schnitzlers Acker.<br />
c) 1472 hat Klaus von Brunnovo einen Acker under<br />
Hustnegg, daraus gibt er die vierte Garbe ans Kloster.<br />
Im Jahre 1474 hat Bärbel die Härrin IV2 J. Acker unter<br />
Huschnek, anwandet auf den Syler (oben 2a), und gibt<br />
daraus die 4. Garbe. Im Jahre 1497 heißt es: Peter Visel hat<br />
Schälkiis Gut, gibt die 4. Garbe aus l'/ä J. unter Hustneck<br />
h, anwandet auf Endres Magenbuch (oben 2a) und<br />
der Länge nach an Simon Guckers Acker (oben 2b).<br />
d) Im J. 1472 heißt es: Burkart Benrat hat Heinzen Hodlers<br />
Gut, darin 1 Jauchert Acker unter der Burg<br />
am Wasser, stoßt auf Hans Mayers Acker (oben 2b). Im Jahre<br />
1497 hat Hans Hodler diese J. Acker unter der Burg<br />
am Wasser (Esch Uf Schwende) an Konrad Schnitzers Acker<br />
(oben 2b) und an Endes Magenbuch noch eine weitere Jauchert<br />
daselbst unter der Burg.<br />
Die Aecker und Wiesen unter Hustneck in der Ow lagen<br />
somit an der Lauchert. Hustneck und die Burg sind 1497<br />
gleichbedeutend gebraucht. Der Esch „Uf Schwende" muß<br />
westlich der Lauchert zwischen Gammertingen und Bronnen<br />
gelegen haben, da darin auch Grundstücke an der Gauselfinger<br />
Dicke erwähnt sind!<br />
In dieser Gegend in Nähe der Lauchert gibt es unmittelbar<br />
südlich am Weiler Bronnen über der Höhle „Eulenloch"<br />
den Namen Hochwacht bzw. Kleiner Stein (1497), aber keine<br />
Spuren einer Burg. Auch ist hier unten an der Lauchert<br />
kein Platz für mehrere Aecker und eine große Wiese. Da<br />
bleibt nur der Felsen weiter südlich am Weihtäle<br />
(früher Weittäle) übrig, der alle Bedingungen<br />
für Huschneck erfüllt! Zum Ueberfluß bestätigt<br />
Oberlehrer Wiest-Gammertingen eine meiner verblaßten<br />
Erinnerungen, daß die Wiesen unterm Weihtäle<br />
heute noch die B e z e i c h n u ng „in der Au" tragen. Am<br />
Weihtäle stand somit zweifellos die Burg<br />
Hustneck. Wann sie abging, wissen wir nicht. Vielleicht<br />
stand sie noch im Jahre 1497.<br />
Nebenbei wird durch obige „Kiverlins Burg" auf der Burghalde<br />
bei Mariaberg ein Irrtum der Oberamtsbeschreibung<br />
Reutlingen berichtet, die hier eine frühgeschichtliche Fliehburg<br />
annahm. Dazu ist zudem der Burgplatz viel zu klein!<br />
Zum Namen Husteneck-Hostnegg können nur Vermutungen<br />
vorgebracht werden. Es dürfte gewagt sein, Hostnegg<br />
mit dem lat. hostis = Feind zusammenzustellen. Mittelhochdeutschen<br />
„huste Heuhaufen, Getreideschochen" scheidet<br />
wohl aus. Vielleicht darf man Hurst voraussetzen, wobei<br />
das schwäbische Wuuscht — Wurst und Duuscht = Durst<br />
beizuziehen wäre. Ein Albert Hurst der Schiltauer<br />
begegnet uns 1305 im Fürstb. UB. 5, 240, 3. Doch wissen wir<br />
nicht, ob er um Gammertingen lebte, geschweige denn eine<br />
Burg hatte. Hurst ist sonst gleich Gebüsch, in übertragenem<br />
Sinne (nach Lexer) auch Kampfgewühl. Da das<br />
mhd. Zeitwort hürsten, hursten so viel wie abwehren,<br />
abschirmen bedeutet und das Eck ein beliebter<br />
Burgen-Ausdruck ist, hätten wir eine typisch ritterliche Burg<br />
„Schirm eck" vor uns.<br />
Joh. Adam Kraus.<br />
Ueber 500 Jahre Gammertinger Schollenkäppele<br />
Ob viele Gammertinger Einwohner eigentlich wissen, daß<br />
das anspruchslose Schollenkäppele unweit des Weges nach<br />
Feldhausen mit dem Bild des weinenden Apostelfürsten Petrus<br />
aus dem vorigen Jahrhundert, wohin die „Kunstdenkmäler"<br />
auch den Bau datieren möchten, schon über 500 Jahre<br />
zu den Vorübergehenden spricht? Zwar mag in diesem halben<br />
Jahrtausend schon manchmal eine Erneuerung nötig gewesen<br />
sein. Tatsache ist jedenfalls, daß schon im Mariaberger Zinsbuch<br />
(Stuttgart) vom Montag nach Lätare des Jahres 1454<br />
das „Cäppeli am Feldhauser Weg" genannt wird,<br />
ohne daß man weiß, wann es eigentlich erstmals erbaut<br />
wurde. Auch der Namen Schollenkäppele, der im 18. Jahrhundert<br />
gelegentlich als Stollenkäppele erscheint, erklärt sich<br />
aus obigem Zinsbuch zwangslos durch die Grundstücke eines<br />
Bauern namens Scholl, die dort und im Gamenloch usw.<br />
erwähnt werden. Auch der Heiligenbühl wird damals<br />
schon aufgeführt, auf dem im Jahre 1932 einige Heimatfreunde<br />
die Fundamente einer Kapelle ausgruben.<br />
Von einer Erneuerung und sozusagen rechtlichen Neustiftung<br />
scheint auch nicht mehr viel bekannt zu sein. Aber<br />
da liegen in Freiburg zwei förmliche Urkunden vor. Danach<br />
hat die Stadt Gammertingen am 13. August 1713 ao den<br />
Bischof von Konstanz urkundlich das Versprechen gerichtet,<br />
zur Ehre Gottes und Mariens, auch des Apostels Petrus und<br />
der Büßerin Magdalena die Kapelle am Feldhauser Weg<br />
nicht nur mit einem Tragaltar auszustatten, sondern selbe<br />
auch mit Dach und Gemäuer aus dem städtischen Einkommen<br />
(ohne Präjudiz des Pfarrkirchenpatrons St. Leodegar)<br />
jetzt und zu ewigen Zeiten erhalten zu wollen. Der<br />
Herr der Stadt, Ludwig Friedrich Freiherr S p e t h von<br />
Zwiefalten (Herr zu Gammertingen, Feld- und Harthausen,<br />
und Kammerer der kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz)<br />
hatte die Zustimmung dazu gegeben. Und der Gammertinger<br />
Bürger Dietrich Knupfer, Barbier und Wundarzt, hatte diese<br />
uralte ziemlich ruinös gewesene Feldkapeile zwischen Gammertingen<br />
und Feldhausen auf eigene Kosten renoviert und
Jahrgang i960 HOHENZOIiLEHISCHS HEIMAT 53<br />
mit allen zum Gottesdienst nötigen Paramenten versehen.<br />
Unter der Urkunde sieht man das aufgedrückte große Stadtsiegel<br />
und eine kleine Ringpettschaft (Mann mit Spazierstock<br />
(?), um den sich eine Schlange (?) windet.<br />
Am gleichen Tage schrieben der Schultheiß, die Burgermeister<br />
und gesamte Bürgerschaft der Stadt an den Generalvikar<br />
nach Konstanz: Sie hätten mit Zustimmung der Obrigkeit<br />
die besagte Feldkapelle mit allem Nötigen ausgestattet,<br />
damit „unsere einige Jahre her von dem Hochgewitter<br />
leider sehr hart getroffenen Felder durch die<br />
starke Fürbitte der erwähnten Patrone vor dergleichen hoch-<br />
empfindlichen und die äußerste Armut nach sich ziehenden<br />
Schäden künftig bewahrt werden möchten." Sie bitten um<br />
Erlaubnis, den in der Pfarrkirche vorhandenen Tragaltar in<br />
der Kapelle zum Gottesdienst benützen zu dürfen. Der Generalvikar<br />
erlaubte dies für drei Jahre, jedoch nur außerhalb<br />
der Tage, die zur Ehre Gottes gefeiert wurden, am 19.<br />
August 1713. (Ordinariatsregistratur Freiburg: Gammertingen,<br />
Seelsorge).<br />
Im Pfarrarchiv Gammertingen ist aus dem Jahre 1675 eine<br />
Kostenaufstellung für die Auferbauung der Schollenkapelle.<br />
Kraus.<br />
Burladingen und das Killertal vor 60 Jahren<br />
Im Jahre 1899 hat Professor Eugen Nägele-Tüblngen eine<br />
Wanderung durchs Killertal auf die Alb gemacht und diese<br />
dann in den von ihm redigierten „Blättern des Schwäbischen<br />
Albvereins" 1900, S. 49—55 und 1901, S. 1—8 geschildert. Der<br />
Bericht ist nach Verfluß von zwei Menschenaltern noch<br />
lesenswert. Notwendige Anmerkungen setzen wir hier in<br />
Klammern:<br />
Burladingen liegt an einem interessanten, bedeutenden<br />
Albpaß. Etwa 1 km westlich befindet sich die Wasserscheide,<br />
737 m. Dort gehen einerseits die Wasser, wie die des Neubrunnens,<br />
westlich zur Starzel, deren Teil zwischen Hausen<br />
und Hechingen nach dem in der Mitte gelegenen Oertchen<br />
Killer (Kilchwiller) Killertal genannt wird, anderseits die<br />
Fehla, in deren Tal Burladingen liegt, östlich zur Lauchert<br />
und Donau. (Nägele wußte also noch nichts von dem greulichen<br />
Unsinn unserer neueren Karten, die im Weilertal ob<br />
Hausen einen Bach Killer verzeichnen! (Albvereinsblätter<br />
1955, S. 28).<br />
Bis Burladingen wird eben die Bahn durchs Killertal<br />
von Hechingen her (16 km) gebaut, der Anfang eines<br />
hohenzollerischen Bahnnetzes, das nicht ohne nachhaltige<br />
Folgen sein wird. Der Bahnhof kommt etwa zwischen Dorf<br />
und den links draußen sichtbar werdenden Friedhof zu stehen.<br />
Darüber erhebt sich die Kuppe der aussichtsreichen<br />
Hohen Wacht, 893 m. (N. schrieb irrig 907 m.) Auf dem<br />
beigegebenen Foto von Fotograph Mayer in Burladingen<br />
ist irrig das Lindenhörnle 897,9 m als Hohe Wacht bezeichnet.<br />
Das Bild ist oben am Waldrand ob der Nebenstaig aufgenommen<br />
und zeigt genau auf die (alte) Kirche. Im Vordergrund<br />
sieht man eine weißgekleidete Frau neben einem<br />
Tännchen, dann folgt überm Brühl und Wasen gleich der<br />
Bogen der Straße „Im Wasen", links ist gerade noch der<br />
Anfang des Ringinger Sträßles zu sehen, nördlich der Hauptstraße<br />
sucht man vergebens die spätere Bahnhof- und Bie-<br />
nerstraße. Der Friedhof ist tatsächlich weit im Feld draußen!<br />
Zur Hohen Wacht und den Falkenburgen vergl. Albvereins-<br />
Blätter 1933, S. 12—13.<br />
Es ist ein freundliches und großes Dorf (1880 mit 1846<br />
Einwohnern) mit Industrie und Landwirtschaft, mit Arzt und<br />
Apotheke, mit zweimaligem Postverkehr und einem guten<br />
Gasthof, dem Reichsadler (gegenüber dem Rathaus). Prächtige<br />
Berge und schöne Wälder umgeben das Dorf, dessen<br />
Baumgärten sich gegen das Ackerland angenehm abheben.<br />
Auch hochinteressante Altertümer finden sich hier. Doch<br />
von diesen und auch anderen Herrlichkeiten später! Ist die<br />
Bahn eröffnet, so wird die ganze Umgebung rasch „erschlossen"<br />
werden und manche der bisher seltener gewagten Wanderungen<br />
hinüber nach Bitz und Ebingen, nach Onstmettingen<br />
oder am Trauf hin zum Zeller Horn, ferner nach Ringingen,<br />
Salmendingen oder Stetten u. H., nach Neufra,<br />
Gammertingen und Veringen durchs Laucherttal häufiger<br />
ausgeführt werden.<br />
Machen wir heute einmal zu Fuß den Weg von Hechingen<br />
nach Burladingen. Der „Killertal" genannte Teil der Alb<br />
beginnt am Starzeltal inmitten der stark entwickelten<br />
Braunjura-Landschaft bei Hechingen nicht eben als ausgeprägtestes<br />
der Albtäler. Während diese sonst zwischen<br />
zwei scharfkantigen, steilwandigen Bergreihen schmal einschneiden<br />
und der Fluß innerhalb des Gebirges fast jede<br />
Erhebung beseitigt hat, ist hier zwischen der Trauf und<br />
dem Dreifürstenstein einerseits der (nicht gerade) hohe Neuberg<br />
stehen geblieben, dessen waldiger Rücken das Tal zu<br />
einem Zwillingstal macht, drüber der Reichenbach, hüben<br />
die Starzel. Andrerseits streckt sich am Fuß des Dreifürstenstein<br />
die Beurener Höhe mit dem Hechinger Stadtwald weit<br />
vor, nahe zu unserer Linken.<br />
Sommer im Vorland der Schwäbischen Alb. Weit schweift der Blick vom Kirchberg<br />
hinunter in Stur.zachtal, und hier öffnet sich dem Wanderer und Naturfreund ein Panorama<br />
unserer engeren Heimat mit der Kulisse der Schwäbischen Alb, wie man es<br />
selten irgendwo schöner sehen kann. Im Talgrund liegt Gruol, eingerahmt von den<br />
nahen Höhenzügen und Wäldern. Es ist sicher nicht verwunderlich, wenn hier oben<br />
auf dieser Landschaftskanzel einst die Grafen von Hohenberg ein Kloster gründeten.<br />
Kirchberg ist eine Begegnung von Natur und Glaube und hat bis heute eine Anziehungskraft<br />
beibehalten. Belebt wird die reizvolle Landschaft von den weidenden Schafherden.<br />
(Foto Josef Schneider.)
54 «OH " N Z O L L B R I S C ä r HEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />
Vom Bahnhof Hechingen kommt man, wenn ma<br />
keine verbotenen Wege wandeln will, am Löwen vorbei,<br />
nach einigen Bögen endlich auf die gradlinige Straße ins<br />
Killertal. Wie ich letzten Herbst hinaufmarschierte, vergoldete<br />
die aufgehende Sonne eben die Zollerburg, von<br />
Schlatt her sah ich sie über das ganze Tal hereinleuchten.<br />
Der blaue Himmel, die herbstlichen Wälder, der dunkle<br />
Schatten, talabwärts die leicht umflorte Stadt Hechingen<br />
boten zusammen ein reizendes Herbststück. Je höher ich<br />
kam, desto klarer war die Luft. Es war einer jener Tage,<br />
wo man unter 700 m im Nebel steckt, darüber aber den<br />
schönsten Sonnenschein genießt.<br />
Die Kante links oben, die so sehr scharf abfällt, nennt<br />
die Karte „Schild", wohl nach dem Sprachgebrauch der Salmendinger<br />
(und Ringinger), denen die ganze Ebene bis zur<br />
Kante gehört. In Jungingen hörte ich dafür „Zigeunerkapf".<br />
Den nächsten Vorsprung rechts davon, auf der Karte Hörnle,<br />
heißen die Junginger Weilerwaldkapf, die große Risse: Weilerwaldrisse.<br />
(Die Ringinger sagen „Hörnlesrutsch".) Weiler war<br />
eine unterhalb Jungingens gelegene, jetzt abgegangene Siedlung.<br />
(Kapelle wurde 1806 abgebrochen). Im Hintergrund des<br />
Tales, rechts des neuen Kirchturmes von Schlatt, taucht der<br />
„Obere Berg" auf, jener so weithin sichtbare und meist unbekannte<br />
Fels- und Waldberg ob Starzein und Hausen, rechts<br />
auch die vorderste Kuppe des Homberg. Wo es über den Bach<br />
bergan geht nach Schlatt, kommt links vorn der Dreifürstenstein<br />
in Sicht. Dort hinauf greift das hübsche Tälchen<br />
des Heiligenbaches, in das sich die zerstreuten Häuser Schlatts,<br />
von Obstbäumen umgeben, malerisch hineinziehen. Auf dem<br />
höchsten der Vorhügel steht das alte K i r c h 1 e i n (mit<br />
Friedhof von Schlatt), von dem ein steiler Weg (Hechinger<br />
Staig) nach dem Heufeld und Ringingen führt. Die neue<br />
Kirche, ein schmucker Backsteinbau in frühgotischem Stil,<br />
steht zwischen der alten und neuen Straße und gleich dabei,<br />
rechts der letzteren, wird der Bahnhof Schlatt seine Stelle<br />
haben. Die Starzel hat sich bei Schlatt ein tiefes Bett gegraben.<br />
Hinter Schlatt steigt man wieder beträchtlich höher. Trotz<br />
des tiefen Bacheinschnitts, trotz der Rissen (Rutschen) am<br />
Hörnle links und am Trauf rechts behält das Tal seinen<br />
milden Charakter bei, dank der mannigfaltigen Gliederung<br />
der Vorberge, deren Baumwuchs heute in den buntesten<br />
Farben leuchtet. Rückwärts über Schlatt hoch thronend Beuren!<br />
Die Bahn bleibt von uns aus rechts auf dem linksseitigen<br />
Berghang. Auf der höher laufenden Straße hat man gleich<br />
rechts vom „Hörnle" den Vorsprung des Köhlbergkapfes<br />
(oben „Lauen" genannt). Zur Rechten kommt der Hangende<br />
Stein zum Vorschein. Vor sich hat man ein ebenes Wiesental,<br />
dahinter liegt Jungingen. Das Dörfchen macht einen<br />
recht städtischen Eindruck, hat eine Kirche von 1819, einige<br />
Fabriken (Trikot, Peitschen, Waagen), viel Landwirtschaft,<br />
einige Landwirte liefern einen berühmten Käse, Reste des<br />
früher größeren Handels, gute Wirtschaften - Bumiller zur<br />
Post - und einige alte Holzhäuser. (Gute Plastiken von 1590<br />
aus der Hechinger Schloßkapelle! (Vgl. Kunstdenkmäler 1939.)<br />
Von der Höhe des Wasserstandes bei der Ueberschwemmung<br />
vom 6. und 7. Juni 1895 .zeugt eine Inschrift bei Phil. Bumiller.<br />
Im Weichbild des in ein Ober-, Mittel- und Unterdorf zerfallenden<br />
Dorfes finden sich Namen wie Thomas-, Jonas-,<br />
Stoffels-, Mesner- und Weilergarten. Die am Weilerwaldkapf<br />
(Hörnle) ihnen zugekehrten Risse heißen die Junginger<br />
Geißackerrisse, die jenseitigen Weilerwaldrisse. Nach dem<br />
Weilerwald führt der Gänsstaig, daneben der Geißacker, die<br />
Schlucht dahinter heißt Vornagel (früher ein Hof). Den<br />
Namen Gamsstaig (Gänstaig) hat die Flurkarte gegen den<br />
Köhlerbergkapf. Doch habe ich schon öfters im Hohenzollerischen<br />
gefunden, daß die Flurnamen der Meßtischblätter<br />
nicht recht stimmen wollen (vgl. den Bach „Killer"!).<br />
Von den zwei Burgställen bei Jungingen haben wir Ruine<br />
Affenschmalz (richtiger Bürgle unter Hemberg oder Hohenjungingen)<br />
früher einmal besucht. Heute machen wir einen<br />
kleinen Abstecher auf das Bürgle östlich und auf den Seeheimerberg.<br />
Es gilt zugleich, die „Junginger Schwedenschanze"<br />
näher ins Auge zu fassen. Ueber sie hat<br />
nämlich Gewerbelehrer Anton Bumiller von Sigmaringen<br />
(geb. in Jungingen) in den Hohenzollerischen Blättern-Hechingen<br />
vom 30. April 1899 Nr. 66 genau berichtet.<br />
Hier folgt Albv.-Blätter 1900 S. 52 ein genauer Abdruck<br />
samt Kärtchen der Schanzen, die Bumiller irrig mit der<br />
Front nach Norden ansah, während Nägele nun auf die<br />
Aehnlichkeit mit den andern Schanzen von 1704 vom Kornbühl<br />
bis Ohnastetten hinweist. Sie laufen vom Himberg bis<br />
an den Ringinger Kapf „Eineck" und von dort zurück zum<br />
östlichen Bürglehügel. Das Rätsel ist inzwischen endgültig<br />
von Kraus in der Zollerheimat 1939 Seite 33 und 41 gelöst<br />
worden: sie stammen aus dem spanischen Erbfolgekrieg. Mit<br />
den Schweden haben sie nichts zu tun. Nägele fährt dann fort:<br />
Dagegen betreten wir vorgeschichtlichen Boden mit dem<br />
Bürgle und mit dem Seeheimerberg (Heufeld), und es ist<br />
allerdings das Zusammenkommen so vieler verschiedener<br />
Erdwerke auffallend. Zum Bürgle führt ein sanft ansteigender<br />
Weg empor. Oben keine Mauerreste, sondern bloßer<br />
Felsboden (Beta-Schieferbänke, mit einem tiefen Querdurchschnitt<br />
durch den Kegel!) Nun hinauf zum Seeheimerberg.<br />
Die Schanze hört allmählich auf. Es geht über eine steile<br />
Halde hinauf bis zur Bergnase. Wir haben den ersten Graben<br />
erreicht. (Diese Anlage auf Va des Abhanges ist kein Graben,<br />
sondern eine Ebene, wie sie sich oft bei mittelalterlichen<br />
Burgen finden. Nägele hält sie für eine Art Abschnittschanze,<br />
Das ehemalige Dominikanerinnenkloster, das Hauskloster der Grafen von Hohenberg, von<br />
denen eine Anzahl hier dem ewigen Auferstehungsmorgen entgegenharren. Das schöne<br />
Rokokoportal. (Foto Josef Schneider.)
Jahrgang i960 HOHENZOLI, ERISCHE HEIMAT 55<br />
die unsere Ringwälle kennzeichnen.) Höher hinauf folgt ein<br />
zweiter Graben. Aber ob dieser so weit herumgeht, wie<br />
Bumiller schreibt, „er bildet eine Ellipse von etwa 80 qm",<br />
das habe ich nicht beobachtet. Wenn aber Bumillers Schilderung<br />
und Zeichnung richtig ist, so haben wir nur noch<br />
mehr Anlaß, hier eine prähistorische Ringburg zu sehen.<br />
Mit der Schanzenlinie hat diese jedoch nichts zu tun.<br />
(Bumiller: „Nach dem Abhänge zu hat diese Ellipse geringere<br />
Dimensionen, gegen das Heufeld zu jedoch eine Breite von<br />
etwa 5 m.) Ueberreste von Mauern sind weder auf dem Kapf<br />
noch auf dem Bürglekegel zu finden. Auch ist bis heute nicht<br />
der geringste Fund in der Nähe der Schanze gemacht worden.<br />
Nachgrabungen an Ort und Stelle sind bis heute nicht<br />
gemacht". Allein Nägele irrte sich: Die von den Ringingern<br />
„Eineck" genannte Bergnase stellt zweifellos einen mittelalterlichen<br />
Burgplatz dar; der Bürglekegel darunter dürfte<br />
davon seinen Namen haben. (Vergl. Albv.-Blätter 1950 S.3<br />
und zu Ringingen ebenda 1930, 205—211 und 237—246; 1929,<br />
73—76; 1935, 107—108 Eineck.)<br />
Ein Bauer, den ich traf, wollte wissen, daß dort vorn einmal<br />
eine Kapelle „Maria Eineck" gestanden habe (wovon<br />
jedoch keine Rede sein kann). Es folgt das topf ebene Ringinger<br />
Heufeld (838 m). Ringinger Berge, wie Hälschloch,<br />
Nehberg, Kirchholz werden sichtbar, auch Kornbühl, Köbele<br />
und Roßberg. Nördlich auf Markung Salmendingen stehen<br />
mehrere Grabhügel (an der Grenze am Heufelder Kreuz).<br />
Aber auch hier in unmittelbarer Nähe hat Dorn von Weiler<br />
Haid schon prähistorische Funde gemacht, wie er mir noch<br />
selbigen Abend sagte. In der Tat befinden wir uns, wie wir<br />
später sehen werden, hier oben in unmittelbarer Nähe eines<br />
in der Urzeit wichtigen Landstriches. Vorbei an der idyllisch<br />
gelegenen Seeheimermühle, zu der ein steiler Waldweg hinabführt,<br />
kehren wir durch das anmutige Seeheimertal zurück<br />
ins Killertal. (Fortsetzung folgt.) Krs.<br />
Pfarrer Albert Waldenspul in Melchingen<br />
Die Tagespresse hat zum 25. 4. des Jahres dem rüstigen<br />
Pfarrherrn in Melchingen zu seinem 75. Geburtstage die<br />
Glückwünsche ausgesprochen. Wenn die „Hohenzollerische<br />
Heimat" an dieser Stelle ebenfalls seiner gedenkt, erfüllt<br />
sie nur eine Dankespflicht. Schon vor dem Feste will sie ihm<br />
gleichzeitig zum goldenen Priesterjubiläum gratulieren, das<br />
er am 6. Juli feiern darf. Pfarrer Waldenspul hat eine Reihe<br />
interessanter Beiträge in der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
veröffentlicht. Er darf wohl als bester Kenner mittelalterlicher<br />
Kunstgeschichte in unserer engeren Heimat angesprochen<br />
werden. In seiner Studie: Die gotische Holzplastik des<br />
Laucherttales (Tübingen 1923) wies er weitere Kreise auf die<br />
wertvollen Zeugen blühenden Glaubenslebens in der gotischen<br />
Zeit hin. Für den Kreis Haigerloch hat er seiner Zeit<br />
die „Kunstdenkmäler" bearbeitet. In vielen Lichtbildervorträgen<br />
suchte er die Liebe und Wertschätzung unserer Heimat<br />
weiten Kreisen nahezubringen. Das Kriegergedächtnisbuch<br />
1914—1918 für Hohenzollern hat er mitbearbeitet. Möge<br />
Gott ihm noch lange Kraft geben, als Pfarrer zu wirken<br />
und aber auch von seinem Wissen der heutigen Generation<br />
mitzuteilen.<br />
Kurznachrichten<br />
Wolfgangskäppele zu Benzingen 1575. Eine Veringer Urkunde<br />
berichtet vom Jahre 1575 über Güter zu Benzingen:<br />
Schultheiß Hans Gaugkel daselbst hat 2 Gütle inne, daraus<br />
er jährlich giltet 1 Mit. Vesen, 2 Mit. Haber, 10 Schilling Heller,<br />
4 Herbsthühner und 60 Eier. Dazu gehört auch die Wiese,<br />
wo St. Wolfgangs Kapellin darauf steht. Auch Peter<br />
Stauß und Hans Grenzinger hatten damals dort Güter.<br />
S. Locher.<br />
Badstube Grosselfingen: Im Verzeichnis der Einkommen<br />
sämtlicher Heiligenpflegschaften der Grafschaft Zollern von<br />
1591 heißt es S. 275: Ludwig Ziegler, Bader zu Grosselflngen,<br />
hat die Badstube bei der Schmittin und Weyerwuhr<br />
gelegen mit allem Zubehör und Rechten als Erblehen inne.<br />
Der Heilig besitzt davon einen besiegelten Reversbrief, anfangend:<br />
Ich Friedrich Koch, der Bader von Grosselfingen,<br />
vom Montag nach Johannes Baptista des Jahres<br />
1530. Ziegler gibt dem Heiligen daraus 1 Pfund Schilling<br />
und 3 Heller oder 1 Gulden, im Jahre 1591. Friedrich Koch,<br />
der Bader zu Gr. erscheint auch 1532 (ebenda S. 289). Erzbisch.<br />
Archiv Ha 82, Freiburg. Dies als Ergänzung zu Hohz. J.-Heft<br />
1951, S. 94. Krs.<br />
Uf der Schär hieß einst das Gebiet zwischen Laudiert,<br />
Donau, Spaichingen, Schömberg, Zellerhorn, Starzel, Fehla.<br />
Man erinnert an die Schären am Meeresstrand, die Felszacken<br />
bedeuten. Auch das Städtchen Scheer wird wegen der<br />
Felsengebilde zu diesem Wort gerechnet. Interessanterweise<br />
heißt man in Rohrbach bei Triberg im Schwarzwald die<br />
Gräbchen, die beim Schoren oder Umspaten des Gartens<br />
oder Krautlandes entstehen, einfach S c h ä r 1 e, also kleine<br />
Schären oder Furchen und Einschnitte. Auch die Schere der<br />
Hausfrau oder des Schneiders zeigt ja im offenen Zustand<br />
einen „Einschnitt" oder Furche! Bei der Landschaft „Uf der<br />
Schär" ist somit nicht nur an die Felsen des Donautales zu<br />
denken, sondern überhaupt auch an die tiefdurchfurchten<br />
Berge! Vermutlich gehört auch die Schore<br />
und Umschoren zum gleichen Stamm, wie auch Pflug schar<br />
und Schermaus vom Zeitwort „einschneiden, durchfurchen."<br />
Passions-Spiele waren 1808 noch in Trochtelfingen üblich.<br />
Das aufgeklärte Konstanzer Ordinariat unter dem bekannten<br />
rührigen Domherrn Wessenberg bezeichnete sie als Komödien<br />
und drang auf Abschaffung, während die Regierung<br />
in Sigmaringen sie erhalten wissen wollte. (Notiz im Protok.<br />
der Kirchenregierung im Erzb. Archiv 1808).<br />
1454 24. Juni. Die Brüder Aßmus und Konrad Vogt, beide<br />
Bürger zu Veringen, verkaufen für 200 rh. fl an die Hettinger<br />
Bürger Klaus Metzger und Hans Ernst 11 Mit. Vesen und 5<br />
Mit. Haber, Veringer Meß, jährlich gilt aus des gen. Aßmus<br />
Vogtrecht das der Kirchherr von Benzingen mit 8 Mit.<br />
Vesen und 4 Mtl. Haber aus dem Zehnten gibt, und 3 Mit. Vesen<br />
und 1 Mit. Haber aus des gen. Konrad Vogts Hof zu Langenenslingen,<br />
den der alte Suter baut, und daraus<br />
jährlich insgesamt 9 Mit. Vesen 3 Mit. Haber, 15 ß Hlr., 12<br />
Hühner gibt, wovon die Heiligen zu L. 2 Mit. Vesen (ablösig<br />
mit 40 fl) und die Bürger von Veringen 4 fl (ablösig<br />
mit 80 rh. fl) erhalten. Bürgen: Ihre Brüder Friedrich Vogt,<br />
Kirchherr zu Veringen und Hans Vogt, Kirchherr zu Nürtingen.<br />
Geiselschaft mit 1 Mann und 1 Pferd gen Ebingen<br />
oder Gammertingen ausgemacht. Alle vier Vögte siegeln,<br />
und dazu der veste Konrad Huser von Renquishausen. (Pfa.<br />
Hettingen.)<br />
1476 4 Nov. Die Heiligenpfleger von Hermptingen (Hermentingen)<br />
an der Lochat verkaufen mit Zustimmung des<br />
Kirchherrn und der Nachbarschaft daselbst dem Dietrich<br />
Terrer zu Hermentingen 7 ß Hlr. Zins aus dem Einkommen<br />
des Heiligen, um 7 Pfd. Hlr. Für diese 7 ß sind Kerzen zu<br />
brennen in der Pfarrkirche Hermentingen zu Gottes und<br />
Mariä Lob vor Unser lb. Frauen Vesperbild zum<br />
Seelenheil von Terrer und dessen Geschlecht. - Siegler: Stadt<br />
Hettingen (Pfa. Hettingen. Vgl. Freibg. Diöz.-Arch. 1916 S.<br />
241; Kunstdenkmäler Hohenzollerns II. S. 14ti).<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
56 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Von der Speth'schen Familie zu Gammertingen-Hettingen<br />
ließen sich folgende im Jahre 1593 in die Sebastiansbruderschaft<br />
der Deutschordenskirche in Beuggen am Oberrhein<br />
einschreiben: Junker Kaspar Bernhard Spät von Zwiefalten<br />
zu Hettingen und Gammertingen und seine Frau Ursula,<br />
geb. von Westerstetten, Junker Ludwig Friedrich Spet, Albrecht<br />
Speth, Jungfrau Anna und Kunigunda (wohl ihre 4<br />
Kinder). Schon voraus stehen: Frau Dorothea Spetin von<br />
Zwiefalten, geb. von Hohenrechberg Witwe. Junker Hans<br />
Philipp von Mittelbiberach zu Warthausen und Obersulmentingen<br />
und seine Gattin Margaretha, geb Spetin von Zwiefalten.<br />
Junker Bernhard Schad usw. und seine Frau Veronika,<br />
geb. Speth von Zwiefalten, und (offenbar deren 2 Töchter)<br />
Dorothea und Effrosina Schädin von Mittelbiberach usw.<br />
(Bruderschaftsbuch im Erzb. Archiv Freiburg.) Krs.<br />
Der Ringinger Spruch „Bar le ban" ist in Weilheim bei<br />
Hechingen noch nicht so stark verstümmelt, wie Herr Oberlehrer<br />
F. X. Pfeffer mitzuteilen die Güte hatte. Er heißt<br />
dort und in Rottenburg: „Baß le dan" und das bedeutet<br />
im Französischen „Pour passer le temps" = Zum Zeitvertreib.<br />
Das St. Fidelisbild der Familie von Stotzingen im Schloß<br />
zu Steißlingen bei Stockach, von dem viele Nachbildungen<br />
existieren, ist nach der Familienüberlieferung noch zu Lebzeiten<br />
des Heiligen angefertigt worden, und zwar als der<br />
Rechtsgelehrte Markus Roy aus Sigmaringen den<br />
Junker Wilhelm von Stotzingen durch Italien, Frankreich<br />
und Spanien begleitet hatte. Roy wurde bald darauf Kapuzinerpater<br />
mit dem Namen Fidelis „der Getreue" und<br />
später in Seewies in der Schweiz bei einer Glaubenspredigt<br />
von Prätigauern ermordet. Man fand nun kürzlich bei einer<br />
genauen Untersuchung des Bildes heraus, daß es ursprünglich<br />
einen jungen Mann in weltlicher Kleidung dargestellt<br />
hat und etwa 10 Jahre später mit dem Ordenshabit, Kreuz,<br />
Märtyrerpalme und blutiger Stirnwunde übermalt worden<br />
ist. Bericht Gertruds von Stotzingen im Heft „Hegau"<br />
1959. S. 232.<br />
Die Glockeninschrift von Waldkirch i. Br. in der letzten<br />
Nummer dieser Zeitschrift „Turba! Orior. Quieta! Morior"<br />
spielt auf das Klingen der Glocke an. Da beide Satzhälften<br />
offenbar gleich gebaut sind, wären turba und quieta als<br />
Befehlsformen aufzufassen. Turbare bedeutet „In Unruhe<br />
und Bewegung setzen, verwirren, anstoßen", quietare<br />
= „beruhigen". Somit heißt der Spruch zu deutsch: „Stoß<br />
a n (die Glocke und) ich entstehe (nämlich der Klang,<br />
Halt an (die Glocke und) ich vergehe! (nämlich der<br />
Klang). Dagegen dürfte die Inschrift der Angelusglocke nicht<br />
zu schwer zu übersetzen sein.<br />
Die Melchinger Glocke vom Jahre 1273 enthält außer dem<br />
Gußjahr, den Namen JHESUS NAZ. und der Evangelisten<br />
die Buchstaben AGLA. Diese werden als kabbalisti-<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
scher (geheimer) Gottesname aus dem Hebräischen gedeutet:<br />
„Attah Gibbor Leolam Adonai" =Du bist mächtig in Ewigkeit,<br />
Herr!" • (Zollerländle 1926, 40 und S. 4). Warum wurden<br />
nun gerade diese vier Buchstaben auf der Glocke angebracht?<br />
Die Erklärung fand sich an unvermuteter Stelle, nämlich<br />
in einem zweibändigen handschriftlichen Sammelwerk von<br />
Rezepten und meist abergläubischen Zauberformeln des 18.<br />
Jahrhunderts im Erzbischöflichen Archiv Freiburg (Ka 18,3).<br />
Es heißt hier in Bd. I, 141: „Gegen Hagel und Donnerwetter<br />
machen ettliche ein Kreuz auf einen (Holz-)<br />
Teller und schreiben in die vier Ecken je einen Buchstaben<br />
von AGLA, stecken ein Messer mit der Schärfe gegen den<br />
Wind in das Kreuz und so weichen die Wette r."<br />
Letzteres ist natürlich heller Unsinn, aber das Ganze zeigt<br />
doch, daß man AGLA auf der Glocke als Gebet<br />
zur Abwehr von Ungewitter auffaßte, etwa in<br />
der Form: „Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr; Dir dienen<br />
auch Blitz und Hagel, Donner und Sturm; so erbarme dich<br />
unser!" „Die Blitze brech ich" stand ja auf der Glocke, die<br />
Schiller zu seinem Gedicht veranlaßte. Und noch auf der Metelglocke<br />
in Ringingen von 1717 steht aufgegossen: „Jesus<br />
von Nazareth, befreie uns von allem Uebel!") Zu AGLA vgl.<br />
K. Walter, Glockenkunde 1913. S. 1 9.) Krs.<br />
Berichtigungen: S. 38 <strong>1960</strong>: Die Geiselschaft kam nach 1500<br />
allmählich a b ! Uolrich von Liechtenstein 13 9 6 Abt zu Elchingen.<br />
Georg Simmendinger bis 22. April 1 6 6 5 Müller in<br />
Veringenstadt. Der Dekan und Kirchherr zu Veringendorf<br />
1436 hieß Johannes Jocher (nicht Locher), der siegelnde Junker<br />
„Konrad Huser von Renquishusen". Seite 39: Die Rangendinger<br />
Priorin Regenspergerin muß mindestens schon 35<br />
Jahre alt gewesen sein, wenn sie vor 14 Jahren Profeß gemacht<br />
hatte. Zu S. 36: Kaplan Fischer scheint sich übrigens<br />
getäuscht zu haben, wenn er als Hausfrau Jörgs des Jüngeren<br />
von Hohenrechberg eine Agnes Speth angibt. Seb. Locher<br />
wenigstens kannte ein Verzeichnis der „Frau Agnes Spethin<br />
geborene von Rechberg", Witwe zu Ehingen, über ihre Güter<br />
zu Veringenstadt von 1583, darunter das Haus und ein<br />
Häusle an der Kirchenmauer, die Jörg von Hohenrechberg<br />
im Jahre 1564 gekauft hatte. Sie muß also seine Schwester<br />
oder Tochter gewesen sein! Im Jahre 1587 werden auch Veringer<br />
Güter genannt, die von Jörg von Rechberg selig auf<br />
seine Schwester Anna übergegangen waren, eine verehelichte<br />
von Wöllwarth. Zu 1959 S. 41: Die Plastik „Letztes Abendmahl"<br />
vom Hochalter der alten Kirche in Burladingen befindet<br />
sich jetzt in der Pfarrkirche in Jungingen!<br />
Berichtigung: Siehe letzte Nummer Seite 31: Fahr ist ein<br />
ehemaliges, 1130 gegründetes Benediktinerinnenkloster....<br />
W.<br />
Ein Werk des Rokokomalers F. A. Rebsamen (Hohenz.<br />
Heimat, 2. Heft <strong>1960</strong>, S. 31) kann nun auch in Süddeutschland<br />
nachgewiesen werden. Dr. J. Schupp, Mariahilfkaplan in<br />
Neudingen, Amt Donaueschingen, erwähnte ihn in seiner<br />
Veröffentlichung über „K ü n s 11 e r und Kunsthandwerker<br />
der Reichsstadt Pfullendorf" und machte<br />
mich auf dessen Namen in dankenswerter Weise aufmerksam.<br />
In der sehr aufschlußreichen Publikation ist Seite 12<br />
zu lesen: „Dem Sigmaringer Maler Rebsam wurde<br />
1748 ein Bild, Unbefleckte Empfängnis Mariä, für die Maria-<br />
Schraykapelle bezahlt." — In den Anmerkungen berichtet<br />
Dr. Schupp weiter: „Rech. Brud. UEK von 1748. Der Lohn<br />
betrug nur 4 Gulden 16 Kreuzer Die Rechnung von 1770 erzählt,<br />
das in Rahmen gefaßte Bild der Unbefleckten Empfängnis<br />
Mariä werde an Bruderschaftsfesten an die Kirchentüre<br />
gestellt. Damals mußte ein ungenannter Maler den<br />
Rahmen fassen und das Bild ausbessern. Wohin es gekommen<br />
ist, weiß ich nicht." — Auch Archivar J. A. Kraus,<br />
Freiburg, machte mich auf obige Veröffentlichung aufmerksam.<br />
Pf.<br />
Bestimmungsatlas für Sämereien der Wiesen- und Weidepflanzen<br />
des mitteleuropäischen Flachlandes. - Teil A: Echte Gräser (Gramineae),<br />
15 Seiten Text und 10 Tafeln mit 46 Abbildungen, brosch.<br />
DM 1,50. — Teil C: Schmetterlingsblütler (Papilionatae), 18 Seiten<br />
Text und 11 Tafeln mit 79 Abbildungen, brosch. DM 1,85. — Von<br />
Dipl.-Landwirt Rudolf Kiffmann, Freising-Weihenstephan 1955 bzw.<br />
1956. Als Manuskript gedruckt, zu beziehen durch den Verfasser<br />
Dipl.-Landwirt Rudolf Kiffmann, (13b) Freising/Obb., Dr. v. Daller-<br />
Str. 20/1.) — Parallel zu dem in Nr. 4/49, Nr. 1/60 und Nr. 2/60 dieser<br />
Zeitschrift besprochenen „Illustrierten Bestimmungsbuch für<br />
Wiesen- und Weidepflanzen des mitteleuropäischen Flachlandes" erscheint<br />
vom gleichen Verfasser auch ein entsprechendes Bestim<br />
mungswerk für die Samen und Früchte dieser Pflanzengruppe. Die<br />
beiden ersten Bändchen dieser Reihe ermöglichen das Bestimmen<br />
von Gras- und Kleesaaten. Die Anordnung des Textes und der zahlreichen<br />
Abbildungen ist sehr übersichtlich und leicht verständlich.
Hohenzollerlsche Heimat<br />
Viertel jahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
10 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 0.80 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 4 Gammertingen, Oktober <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />
Bauern pilgern zur St. Wendelinskapelle<br />
Verwurzeltes bäuerliches Brauchtum zwischen Starzel und Neckar<br />
Haigerloch. Das frühere Oberamtsgebiet Haigerloch, eine<br />
zwischen Starzel und Neckar eingebettete Landschaft von<br />
seltener Schönheit und lieblicher Romantik, ist umgeben<br />
vom zarten Hauch längst vergangener Tage. Zahlreiche zerfallene<br />
und noch gut erhaltene wehrhafte Gebäulichkeiten<br />
künden heute noch vom Werden und Vergehen ehemaliger<br />
Adelsgeschlechter, deren Spuren wir heute noch überall<br />
verfolgen können.<br />
Wer durch das felszerklüftete Eyachtal abwärts wandert,<br />
ist bald in dem Stahlbad Imnau, wo durch fürstliche Gründung<br />
Anno 1733 den Kranken ein Gesundbrunnen geschenkt<br />
wurde. In diesem Raum waren auch begütert die Herren<br />
von Neuneck in Glatt, die Herren von Wehrstein in Fischingen<br />
und noch eine Anzahl oft nur noch im Reiche der Sage<br />
fortlebender Geschlechter und Burgherren. Wenn man diese<br />
gesegnete Landschaft einmal durchwandert und richtig erlebt<br />
hat, seine Blicke über die Felder und Fluren schweifen<br />
ließ, wo fleißige Bauernhände werken und wo man heute<br />
noch das erhabene Bild des hinter dem Pfluge einherschreitenden<br />
Bauern erlebt, so wird man unwillkürlich hingelenkt<br />
auf eine glaubensreiche Vergangenheit. Zahlreiche, oft kunstvoll<br />
gefertigte Feldkreuze, Bildstöckle und Kapellen schmükken<br />
und beleben das Landschaftsbild und verleihen ihm<br />
jenen abwechslungsvollen Reiz, der jeden gläubigen und<br />
für Naturschönheiten aufgeschlossenen Menschen beglücken<br />
muß. Schlichte Feldblumen, irgendwo flüchtig gepflückt,<br />
zieren vielleicht da und dort eine solche Andachtsstätte, der<br />
wir uns ehrfurchtsvoll nähern und unsere Gedanken zurückgehen<br />
lassen in jene große Glaubensepoche, die diese Stätten<br />
geboren hat.<br />
Gerade diese oft unscheinbaren Kreuze oder Bildstöckle<br />
haben uns Menschen der gehetzten Gegenwart so viel zu<br />
erzählen und können uns zur Besinnung rufen. Zur Besinnung<br />
an unsere Vorfahren, die einst vor uns dieses Land bebaut<br />
und ihm das tägliche Brot abgerungen haben. Ihre<br />
tiefen Beziehungen zur Schöpfungsordnung Gottes fanden<br />
ihren Niederschlag in einem reichen Brauchtum und ebenso<br />
in einem tiefen Gauben. Dieser wiederum kam zum Ausdruck<br />
in der Entfaltung starken religiösen Lebens, vor allem<br />
von Wallfahrten und Flurgängen.<br />
Wir denken hierbei nicht allein an die reiche Wallfahrtstradition<br />
der herrlichen Haigerlocher Kirchen mit ihren<br />
berühmten Gnadenbildern, sondern blättern wir einmal in<br />
den Büchern, die von Wallfahrten auf den Landorten rund<br />
um Haigerloch erzählen. Wir hören von den Prozessionen<br />
aus Fischingen und Dettingen zum Marienheiligtum, der<br />
Liebfrauenkapelle ins Stunzachtal bei Gruol, wir hören<br />
von den Flurgängen am Urbanstag zu den Weinbergen, und<br />
man ist Zeuge der Bauernwallfahrt nach Trillfingen zur<br />
St.-Wendelins-Kapelle.<br />
Unter den wenigen noch heute erhaltenen bäuerlichen<br />
Wallfahrten im Bezirk Haigerloch hat sich der sogenannte<br />
„Schäferjahrtag" in Trillfingen, der seit über 200 Jahren<br />
als Bauernwallfahrtstag im weiten Umkreis von Haigerloch<br />
seine Kreise zog, bis auf den heutigen Tag erhalten. Noch<br />
heute grüßt die auf einer Anhöhe in reizvoller landschaftli-<br />
Josef Schneider<br />
cher Lage erbaute St.-Wendelins-Kapelle weit übers Land,<br />
und wenn alljährlich am 20. Oktober ihr Glöcklein zum<br />
Gottesdienst ruft, dann ist im Dorf Feiertag. Die Bauern<br />
vertauschen ihr „Werktagshäs" mit dem Sonntagsrock und<br />
ziehen hinauf zur Kapelle, um den Segen des Bauernheiligen<br />
Wendelin für Haus und Hof zu erflehen. Es sind aber nicht<br />
nur Trillfinger Bauern, es sind auch solche aus Hart, Höfendorf,<br />
Bittelbronn, Imnau, Weildorf und Gruol, sie kommen<br />
aus Wachendorf, Bierlingen und Felldorf zum Bauernheiligen,<br />
und was dürfte wohl näher liegen, als daß sie im 17.<br />
Jahrhundert in Anlehnung an die handwerklichen Zünfte<br />
gegründeten Bruderschaften den Bauernheiligen Wendelin<br />
zum Patron erwählten.<br />
Echte, verwurzelte Tradition stand hier von jeher mit der<br />
Liebe zu den echten, sittlichen Werten in harmonischem Einklang,<br />
und so hat die Gemeinde, die auch Pflegestätte der<br />
Musik und des Gesanges ist und die durch ihre Bauernkapelle<br />
Deuringer weithin berühmt wurde, dieses tätige Leben<br />
immer wieder reich befruchtet. Träger aber waren<br />
vielfach die bäuerlichen Bruderschaften, die dem religiösen<br />
Leben neuen Impuls gaben. Sie bezweckten vor allem den<br />
Schutz des Viehes vor Krankheiten und Seuchen, wobei die<br />
Mittel zur Erreichung dieser Ziele ausschließlich auf religiösem<br />
Gebiet liegen. Die Trillfinger Bruderschaft, „Schäferzunft"<br />
war ihr offizieller Name, der auch Bauern aus Hart,<br />
Höfendorf, Gruol, Imnau, Wiesenstetten, Felldorf, Wachendorf<br />
und Bierlingen angehörten; sie zählte gegen Ende dea<br />
19. Jahrhunderts 263 Mitglieder.<br />
Der religiöse Brauch, den diese Bruderschaft (deren Zunftbrief<br />
eine besondere Verehrung des hl. Wendelin vorschrieb)<br />
ausübte, ist in seiner Art einmalig. Alljährlich acht Tage<br />
nach dem St.-Wendelinstag wurden in der Kapelle drei Gottesdienste<br />
abgehalten. Diese begannen mit einem Lobamt,<br />
dem eine stille Messe mit Vigil und Vesper folgte, und<br />
schließlich rundete ein Seelenamt für die verstorbenen<br />
Zunftmitglieder den kirchlichen Teil des Wallfahrtstagea<br />
ab. In der Herberge, dem heutigen Gasthof zum Rößle, fanden<br />
sich die Zunftbrüder zum Frühschoppen und Vesper ein.<br />
Hier fand dann auch im Rahmen der Jahresversammlung<br />
die Einschreibung neuer Zunftbrüder statt. Dieser in seiner<br />
Art einmalige Brauchtums- und bäuerliche Wallfahrtstag<br />
konnte vor drei Jahren sein 175jähriges Bestehen feiern.<br />
Die Einschreibung vierzehn neuer Mitglieder und darüber<br />
hinaus eine starke Beteiligung am Jubiläumstag ließen erkennen,<br />
daß der „Schäferjahrtag" zu Trillfingen in der Gemeinde<br />
selbst, wie in der Umgebung, ebenso wie der St.-<br />
Wendelinstag, ein fester Begriff ist, daß die tragenden Kräfte<br />
verdienstvoll bemüht sind, dieses Erbe einer glaubensgroßen<br />
Zeit auch kommenden Generationen zu überliefern zum<br />
Nutz und Frommen der Bauern, ihrer Felder und Viehherden.<br />
Sie sind in dieser bäuerlichen Landschaft ein fester<br />
Bestandteil, sie gehören hinein wie der Baum oder der<br />
Strauch, und sie runden so eindrucksvoll jenes Bild ab, das<br />
sich hier von diesem Bauernheiligen der St.-Wendelins-Kspelle<br />
zu Trillfingen auch in so überwältigender Schönheit<br />
und Erhabenheit erschließt.
58 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Erinnerungen eines „Nobelhäftigen"<br />
Vor kurzem kam er mir wieder zu Gesicht. Ueberrascht<br />
und erfreut stand ich plötzlich vor ihm, dem fast in völlige<br />
Vergessenheit geratenen lieben alten Bekannten aus der<br />
„Kleinbubenzeit", von dem ich wähnte, daß er schon längst<br />
den Weg alles Irdischen gegangen sei.<br />
Es war ein frohes Wiedersehen, stand er doch da, so wie er<br />
immer gewesen ist — stolz, behäbig, unnahbar —<br />
nobelhäftig. Doch es schien mir, als sei er traurig und<br />
träume in seiner finsteren Ecke von längst vergangenen<br />
besseren Tagen.<br />
Teilnahmsvoll strich ich sanft über sein verstaubtes Lederzeug<br />
und begann mit ihm zu reden aus jenen Zeiten, da<br />
er noch das allein anerkannte, unbestrittene Gefährt der<br />
vornehmen Leute war. Für uns Buben gab es keinen größeren<br />
Wunsch, als einmal mit ihm fahren zu dürfen. In<br />
scheuer Ehrfurcht und in gemessenem Abstand schauten wir<br />
zu, wenn sein Besitzer sich anschickte, ihn zu einer Fahrt<br />
herzurichten. Gar zu oft kam das zwar nicht vor, und deshalb<br />
war es immer ein Ereignis, wenn der Landauer aus<br />
dem Dorf fuhr. Uns Buben allerdings blieb der Wunsch,<br />
mitzufahren, unerfüllt.<br />
Doch haben wir uns dafür entschädigt. Oft saßen wir am<br />
Sonntagnachmittag heimlich in seinen weichen Polstern und<br />
spielten „große Herren". In ihm machten wir auch die ersten<br />
Rauchversuche. Aus der gemeinsamen Porzellanpfeife, —<br />
sie war wochentags sorgfältig versteckt in der Holzbeige im<br />
„Webgarten" — rauchten wir „Maryland". Einmal rauchten<br />
wir „Burrus". Aber nur ein einziges Mal!<br />
Viele Jahre später, ja, da fuhren wir noch einmal mit ihm.<br />
Es wird wohl eine seiner letzten Fahrten gewesen sein, als<br />
eines Tages vier „fürnehme" Herren, angetan mit Frack<br />
und Zylinderhut, zu einer Fastnachtsveranstaltung über Land<br />
fuhren. Auf dem Bock thronte der Kutscher, die beiden<br />
Rösser waren mit bunten Bändern geziert. Es war eine<br />
lustige Fahrt, — weißt du es noch, guter alter Freund?<br />
Da begann auch er mir aus seinem langen wechselvollen<br />
Leben zu erzählen: „Ich wurde anfangs der achtziger Jahre<br />
des vorigen Jahrhunderts drüben in der schönen Breisgauer<br />
Metropole gebaut. Meine Räder waren mit Glanzlack überzogen<br />
und mit farbigen Linien versehen. In meinem spiegelglatten,<br />
ledernen Dach spiegelten sich die Berge des Schwarzwaldes.<br />
Weich und schwellend waren meine gepolsterten<br />
Sitze, die auf den zukünftigen Besitzer warteten. Eines Tages<br />
verlud man mich auf die Eisenbahn, und ich wurde in einer<br />
großen Stadt am Main ausgestellt. In einer riesigen Halle<br />
verbrachte ich dort mit noch vielen Kameraden Tage und<br />
Wochen. Tausende von Menschen kamen und gingen an uns<br />
vorüber. Hochfeine Damen und vornehme Herren besahen<br />
mich von allen Seiten, doch wollte mich lange niemand<br />
kaufen. Erst als die Ausstellung ihrem Ende zu ging, erschien<br />
eines Tages ein vornehmer Herr mit seiner noch vornehmeren<br />
Frau Gemahlin und zwei betreßten Dienern. Der<br />
Herr besah mich von innen und außen mit kritischen<br />
Blicken, die Dame hielt ihr Lorgnon unablässig vor die<br />
Augen und ging ein paar mal um mich herum. Dann öffnete<br />
sie den Schlag und befühlte meine Polster. Zuletzt kletterte<br />
sie höchst selbst in mein Inneres, wobei ihr die beiden<br />
Diener behilflich waren. Das gleiche tat nun auch der Herr<br />
Gemahl und ließ sich schwer neben seiner Gemahlin in<br />
meinen Sitz fallen, während die zwei Lakaien mit ihren<br />
glatten, steifledernen Gesichtern wie Bildsäulen daneben<br />
standen. Mein bisheriger Herr und Erbauer kam sofort<br />
katzbuckelnd herbei, erklärte den Herrschaften meine besonderen<br />
Vorzüge und lobte mich über das Bohnenlied. Nach<br />
kurzer Zeit war ich ein hochherrschaftlicher Wagen und<br />
kam in den Besitz des Pfälzischen Freiherrn von H.<br />
Nun begann ein flottes, „n o b e 1 h ä f t i g e s" Leben. Täglich<br />
mußte ich am Tor des Freiherrlichen Schlößchens bereitstehen,<br />
um die Dame des Hauses mit ihren zwei lieblichen<br />
Töchtern Ursula und Ingeborg und deren Erzieherin über<br />
Land und in das nahe Städtchen zu fahren. Manchmal blieb<br />
die Frau Mama zu Haus, und die beiden Mädchen durften<br />
allein fahren. Das gab dann immer eine lustige Fahrt. Alsbald<br />
kletterten die beiden auf den Bock, das muntere, übermütige<br />
Fräulein Ursula nahm dem Kutscher die Zügel aus<br />
der Hand und lenkte die Rappen selber, dieweil die Gouvernante<br />
und der Kutscher schwitzend vor Angst in meinem<br />
Innern saßen.<br />
Karl König, Weildorf<br />
So vergingen ein paar Jahre. Da kam ein linder, wundersamer<br />
Maientag. Schon früh am Morgen wurde ich geschmückt<br />
und geziert mit lauter weißem Flieder. Es war<br />
der gemeinsame Hochzeitstag von Ursula und Ingeborg.<br />
Ursula heiratete einen schneidigen Kölner Kürassieroffizier,<br />
Ingeborg wurde die Gemahlin eines ausländischen Diplomaten.<br />
Nun war es lange Zeit still im freiherrlichen Haus. Dann<br />
kam ein Tag, an dem die beiden Rappen mit schwarzen<br />
Tüchern behangen wurden. Ich wurde mit Trauerkränzen<br />
voll beladen und mußte in einem großen Leichenzug fahren.<br />
Mein Herr und Besitzer war tot! Das war meine letzte<br />
Fahrt in freiherrlichen Diensten. Der Haushalt wurde aufgelöst,<br />
die Witwe meines toten Herrn zog zu ihrer Tochter<br />
Ingeborg ins Ausland.<br />
Ich wurde verkauft und kam in den Besitz eines Hotelbesitzers<br />
nach Stuttgart. Dort hatte ich die Aufgabe, ankommende<br />
und abreisende Gäste am Bahnhof abzuholen<br />
bzw. hinzufahren. Diese Tätigkeit aber gefiel mir nicht,<br />
und es war für mich eine Erlösung, als diese Fahrten nach<br />
kurzer Zeit wieder eingestellt wurden.<br />
Lange Zeit stand ich verstaubt und vernachlässigt in einem<br />
Schuppen. Dann kam ein dicker Mann, der zog mich heraus,<br />
reinigte mich von Schmutz und Staub und fuhr mit<br />
zwei schönen „Braunen" mit mir durch die Stadt und weit<br />
über Land. Ich kam jetzt in den Dienst eines Pferde- und<br />
Wagenverleihers in die nahe Universitätsstadt. Jetzt begann<br />
wieder eine fröhliche, lustige Zeit. Im Frühling und Sommer<br />
gab es täglich Ausfahrten der Studenten in die nahe, oft auch<br />
in die weitere Umgebung. Manche tolle Kneiperei und manches<br />
fröhliche Zechgelage habe ich gesehen. Ja, das war so<br />
ein Leben und ein Umtrieb, wenn ich draußen vor dem<br />
Weilheimer Kneiple stand und drin die Becher klangen und<br />
fröhliche Studentenlieder aus den Fenstern tönten. Wenn<br />
dann die „bemoosten Häupter" bei der Rückfahrt in gehobener<br />
Stimmung und weinseliger Laune in den Polstern<br />
saßen — meist nahmen sie noch einen Humpen mit auf den<br />
Weg — und ihr „Gaudeamus igitur" hinausschmetterten,<br />
da ging die lustige Fahrt nochmal so leicht über die<br />
holprigen Pflaster in den engen Gäßlein der Stadt.<br />
Oft fuhr ich die Studenten zur Mensur hinaus ins „Waldhorn",<br />
und manch schwer blessiertes Haupt trug ich wieder<br />
zurück. Dann mußte ich langsam, sachte über das Pflaster<br />
fahren. Bei den Stiftungsfesten der Verbindungen und bei<br />
sonstigen Veranstaltungen der Universität ging es immer<br />
hoch her. In vielen großartigen Festzügen war ich dabei.<br />
Bekränzt mit Tannenreis und gezogen von feurigen Rossen<br />
rollte ich stolz über die Neckarbrücke. Im offenen Wagen<br />
saßen der Bannerträger mit dem Banner seiner Verbindung<br />
und seinen Begleitern in vollem „Wichs". Alle befreundeten<br />
Verbindungen und Burschenschaften nahmen an den Festzügen<br />
teil, die ein eindrucksvolles, farbenprächtiges Bild<br />
boten, das stets Tausende von Zuschauern anzog. Der alljährliche<br />
Festzug der Mediziner war das Großartigste,<br />
was ich je gesehen habe.<br />
Unterdessen war mein Herr alt geworden, er gab sein<br />
Leihgeschäft auf, und wieder wurde ich überflüssig. Ich<br />
wurde in der Zeitung ausgeschrieben und kam so endlich<br />
hierher. Ich war wohl in meiner Studentenzeit etwas mitgenommen<br />
und da und dort verbeult. Aber in meinem<br />
jetzigen neuen Wirkungskreis war ich doch noch ein „nobelhäftiger"<br />
Wagen. Als ich hierher kam, stand ich lange Zeit<br />
untätig im Schuppen. Meine Kundschaft war dünn gesät.<br />
Ab und zu fuhr ich den Herrn Oberamtmann in den „hinteren<br />
Bezirk", auch wenn einmal hier oder in einem Nachbarort<br />
ein neuer Pfarrherr Einzug hielt, holte mich mein<br />
Herr heraus. Einmal fuhr ich den Herrn Regierungspräsidenten<br />
von Sigmaringen von Haigerloch bis nach Dettingen.<br />
Meine schönsten Fahrten, die ich nicht vermissen möchte,<br />
habe ich aber doch hier gemacht. Wenn es eine Hochzeit gab<br />
und die Braut aus einem Nachbardorf stammte, und das<br />
kam hier von jeher nicht selten vor, so mußte ich diese abholen.<br />
Das war immer eine freudige Fahrt. Dann fuhren die<br />
„Ledige n" auf prachtvoll gezierten Leiterwagen mit, um<br />
die Braut in die neue Heimat zu begleiten. Manchmal waren<br />
noch berittene Begleiter dabei, die hoch zu Roß stolz an<br />
meiner Seite einherritten. Einer der Ledigen hielt die „Brautrede".<br />
Ernstes und Heiteres kamen darin zum Ausdruck, wobei<br />
manch heimliches Tränlein der schönen Braut über die<br />
Wangen tropfte.
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 59<br />
Nun bin ich alt geworden, man braucht mich nicht mehr.<br />
Seit mehr als einem Jahrzehnt stehe ich untätig, völlig<br />
nutzlos hier in meiner Ecke. Mein ehemals blinkendes und<br />
spiegelblankes Aeußeres ist längst verblaßt, und meine Polstersitze<br />
sind verstaubt und unansehlich, alles „Nobelhäftige"<br />
habe ich abgestreift. Verklungen sind die fröhlichen Studentenlieder<br />
und verstummt die Reden, die einst zu Ehren<br />
einer glücklichen Braut gehalten wurden. Verrauscht sind<br />
die glänzenden Feste, die ich in der freiherrlichen und Studentenzeit<br />
mitgefeiert habe. Manchmal kam noch ein heimliches<br />
Liebespärchen, das Zuflucht bei mir suchte und fand,<br />
aber auch diese sind ausgeblieben — und ich war doch so<br />
verschwiegen! — Das Auto — mein größter Feind — hat<br />
mich an die Wand gedrückt. Alles ist aus!<br />
Vielleicht kommt einmal jemand auf den Gedanken und<br />
macht aus mir einen Leichenwagen. Der Herrgott möge mich<br />
aber vor solchem Schicksal bewahren."<br />
Da schien es mir, als gehe ein Zittern durch seinen schwarzen<br />
Leib, und ergriffen sprach ich ihm Trost und Mut zu.<br />
„Gemach, gemach guter Freund, noch ist es nicht so weit.<br />
Vielleicht kommt die Zeit, *wo man sich deiner wieder<br />
erinnert, wo nur die ganz feinen und vornehmen Leute<br />
mit dir fahren werden — man wird dich wieder herrichten<br />
wie neu, du wirst neue Polster und glänzendes Leder bekommen,<br />
und du wirst stolz aus deiner finsteren Ecke herauskommen<br />
und von feurigen Rossen über die glatten Straßen<br />
gezogen werden. Wenn du auch die rauschenden Feste<br />
nicht mehr mitfeiern kannst, so wirst du doch dann und<br />
wann als Hochzeitskutsche die glücklichen Bräute in ihre<br />
neugewählte Heimat fahren.<br />
Die kleinen Buben werden Wieder in respektvollem Abstand<br />
dich bewundern, wenn dein Herr und Besitzer sich<br />
zu froher Fahrt auf den Bock schwingt. —<br />
Sicherlich kommen dann auch die heimlichen Liebespärchen<br />
wieder zu dir und suchen Zuflucht bei dir, denn sie<br />
wissen ja, du bist verschwiegen . . . ! Dann wirst du<br />
wieder sein, was du dein ganzes Leben lang gewesen bist —<br />
stolz, — unnahbar, — nobelhäftig!"<br />
Jahrhundertelang das religiöse Leben der Heimat geformt<br />
Rosenkranzmonat Oktober noch heute stark betont / Wertvolle alte Andachtsbilder<br />
Haigerloch. Kaum eine Andachstform hat das religiöse<br />
Leben der vergangenen Jahrhunderte so fruchtbar und<br />
segensreich durchwirkt wie der Rosenkranz, dem im religiösen<br />
Brauchtum vor allem der Monat Oktober gewidmet<br />
ist. Mit seiner Geschichte verbindet sich auch für unsere<br />
Heimat eine lebendige glaubensgroße Epoche. Verhalten<br />
strahlt aus ihr die klösterliche Blüte unserer heimatlichen<br />
Konvente und das Bruderschaftswesen. Nicht zuletzt waren<br />
es auch Maler und Künstler der vergangenen Jahrhunderte,<br />
die dem Rosenkranz einen beachtlichen Raum in ihrem<br />
Schaffen gaben. Die noch bei uns erhaltenen Rosenkranzbilder<br />
stammen vor allem aus der Barockzeit, wo der Rosenkranz<br />
eine besondere Stellung unter den Volksandachten<br />
einnahm. Sie strahlen noch den Abglanz dieser glaubensfreudigen<br />
Zeit aus und künden von einem lebendigen religiösen<br />
Leben, das von den ehemaligen Klöstern, einer<br />
Wenn das Jahr zur Neige geht und die letzten Ertrage der Felder<br />
eingeheimst werden, dann ist das Erntedankfest. An diesem Tage<br />
entstehen in unseren Heimatkirchen viele schöne Erntealtäre, auf<br />
denen die Gaben Gott dem Schöpfer geweiht werden. Kunstfertige<br />
und liebevolle Hände entfalten oft wahre Wunderwerke. Hier der<br />
Erntealtar in der Schloßkirche in Haigerloch zu Füßen des Gnadenbildes,<br />
der Mater Dolorosa, von J. G. Weckenmann. Foto Weber<br />
iron Josef Schneider<br />
gläubigen Herrschaft und nicht zuletzt von den damals ins<br />
Leben gerufenen Rosenkranzbruderschaften beeinflußt und<br />
mitgeformt wurde.<br />
Es ist also schon in wenigen Sätzen die Weite und Schönheit<br />
dieser sinnigen Gebetsverbrüderung umrissen. Die Anfänge<br />
reichen schon in das Jahr 800 zurück in die Gebetsverbrüderungen<br />
der Mönche von St. Gallen und Reichenau.<br />
Der glänzende Sieg über die Türken bei Lepanto 1571, die<br />
Siege des Prinzen Eugen und des Markgrafen Ludwig von<br />
Baden, im Volksmund Türkenlouis genannt, bei Peterwardein<br />
1706 förderten den Rosenkranz ganz besonders. In der Barockzeit,<br />
einer Periode starker kirchlicher Erneuerung und<br />
frommer Gottesverehrung, hat der Rosenkranz auch in unserer<br />
Heimat jene Form erhalten, die ihn zum beliebten<br />
Gemeinschaftsgebet machte und seiner Pflege in besonderen<br />
Bruderschaften, in der Entstehung von Andachtsbildern<br />
weiten Raum gegeben hat. Seine Entstehung reicht aber<br />
bis in die Zeit des hl. Dominikus zurück, dessen Orden zu<br />
einer der einflußreichsten geistigen Mächte des Mittelalters<br />
wurde und als besonderer Förderer des Rosenkranzes in die<br />
Kirchengeschichte einging. Papst Pius V., selbst ein Angehöriger<br />
dieses Predigerordens, gab durch die Bulle „Consueverunt"<br />
vom 17. September 1569 dem Rosenkranz seine<br />
heutige Form. Man hat in der ganzen abendländischen Welt<br />
damals den glänzenden Sieg über die Türken bei Lepanto<br />
der Wirkung des Rosenkranzes zugeschrieben.<br />
Der Rosenkranz hat seitdem den ganzen christlichen Erdkreis<br />
erobert und ist aus den Volksandachten nicht mehr<br />
Eine lokale Betonung hat das GRUOLER ROSENKRANZBILD in<br />
der Vituskapelle, das ebenfalls als ein bedeutendes Werk von dem<br />
Münchener Maler und Leiter der Kunstakademie Bergmüller stammt<br />
und ursprünglich dem Kloster Binsdorf gehörte. Der Künstler wollte<br />
mit der Andeutung des Binsdorfer Klosters den Schutz der Gottesmutter<br />
über das Haus andeuten.
60<br />
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
DAS HAIGERLOCHER ROSENKRANZBILD in der Schloßkirche DAS RANGENDINGER ROSENKRANZBILD in der ehemaligen<br />
stellt mit seiner Komposition eine himmlische und irdische Zone, Klosterkirche schenkte uns F. C. Lederer 1754. Es bildet mit der<br />
mit seiner Bewegtheit und farblichen Gestaltung ein Kunstwerk virtuos geschnitzten Umrahmung eine eindrucksvolle Komposition,<br />
dar, das uns Hofmaler Meinrad von Aw schenkte.<br />
DIE ROSENKRANZGRUPPE in der Pfarrkirche in Gruol, welche<br />
erst in unserer Zeit Aufstellung fand, ist ein beglückender Beweis<br />
für die Fortführung einer segensreichen und gläubigen Tradition.<br />
Fotos: J. Schneider<br />
KIRCHBERG war schon seit dem 12. Jahrhundert eine Niederlassung<br />
der Dominikanerinnen und Hauskloster der Grafen von<br />
Hohenberg. Auf dem Hochaltar sehen wir von Säulenpaaren<br />
flankiert, ebenfalls ein altes Rosenkranzbild, das wohl bei der<br />
Barockisierung der Kirche, die bekanntlich ursprünglich eine Bauanlage<br />
der Hochgotik war, angebracht wurde.
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 61<br />
wegzudenken. Wegen seiner Schlichtheit wurde er volkstümlich,<br />
wegen seiner beschaulichen Kraft zu einer wertvollen<br />
Gebetsschule und nicht zuletzt zu einem Gebet in<br />
Notzeiten. In unserer engeren Heimat fand er seine besondere<br />
Pflege in der Tiefe der klösterlichen Frömmigkeit, welche<br />
die Klöster Kirchberg, Gruol, Binsdorf, Stetten bei Hech.<br />
und Rangendingen auszeichnete, und er fand eine starke<br />
Förderung durch die im 15. Jahrhundert entstandenen Rosenkranzbruderschaften,<br />
die auch im Raum Haigerloch-<br />
Dettingen eine starke religiöse Bewegung darstellten und<br />
vor allem an den Marienfeiertagen mit Prozessionen an die<br />
Oeffentlichkeit traten, wie überhaupt dann auch die Barockzeit<br />
mehr als andere Epochen die ihrem Wesen eigentümliche<br />
Religiosität durch viele Wallfahrten und Prozessionen<br />
sichtbar zu machen verstand. Dabei wurden Muttergottesstatuen<br />
mitgetragen sowie die damaligen heute noch vielfach<br />
erhaltenen Vortragsstäbchen mit Medaillons der fünfzehn<br />
Geheimnisse. Rosenkranzbruderschaften gab und gibt es<br />
teilweise heute noch in Haigerloch, Gruol, Höfendorf, Heiligenzimmern,<br />
Empfingen, Glatt und Dießen, die Bruderschaft<br />
„Lebendiger Rosenkranz" in Weildorf, Fischingen und<br />
Dettensee. In Betra und Höfendorf gingen diese Bruderschaften<br />
ein, wie überhaupt die Aufklärungszeit des 19. Jahrhunderts<br />
die nach dem Dreißigjährigen Krieg stark aufgelebten<br />
Bruderschaften vor harte Bewährungsproben stellte.<br />
Mehrere fielen den von Konstanz ausgehenden Reformen<br />
zum Opfer. Daß manche die Zeit noch überdauerten, spricht<br />
für den religiösen Eifer und Sinn unserer Vorfahren. Eine<br />
Anzahl Bruderschaften verfügte auch über namhafte Pfründen,<br />
wie Lehrer Pfeffer von der Weilheimer Bruderschaft zu<br />
berichten weiß. Sogar in unserer Zeit ist der Rosenkranzgedanke<br />
neu belebt worden. Das zeigt uns eine um 1900 in<br />
der Pfarrkirche in Gruol aufgestellte Rosenkranzgruppe und<br />
die Gründung einer Bruderschaft in Bad Imnau im vergangenen<br />
Jahr, wo über 50 Personen beitraten. Papst Pius<br />
XII. hat auch während seines Pontifikates den Rosenkranz<br />
wieder stark empfohlen.<br />
Interessant ist auch die Entwicklung des Rosenkranzes<br />
als Gebrauchsgegenstand. Kannte man früher schon die<br />
Zählschnüre, so hat später der fromme Sinn vor allem<br />
auch des Handwerks kostbare Rosenkränze z. T. aus wertvollem<br />
Material entstehen lassen. Man kannte Rosenkränze<br />
aus Zedernholz, Granitstein und Perlmutter, ja sogar aus<br />
Gold und Silber, reich verziert mit Hüllen und Kreuzen aus<br />
feinster Filigranarbeit. Der Rosenkranz, der heute noch den<br />
Menschen bis zum Totenbett begleitet und bei vielen<br />
Männer- u. Frauenorden einen Teil des Ordenskleides bildet,<br />
war neben seiner Bedeutung als Gebrauchsgegenstand auch<br />
ein Schaustück, das die festliche Kirchentracht früherer Zeiten<br />
wirksam unterstützte.<br />
Wertvolle Andachtsbilder im Raum Haigerloch<br />
In unserer engeren Heimat findet sich noch eine Anzahl<br />
z. T. bedeutender Rosenkranzaltäre und Bilder, die Anteil<br />
haben an der Schönheit barocker Kunst und aus denen<br />
noch der Hochgesang jener gläubigen Zeit erklingt. Alle<br />
Bilder haben einen Bildaufbau, eine Aussage: Die Gottesmutter<br />
übergibt Dominikus den Rosenkranz. Was diese Bilder<br />
darstellen, ist als Sinnbild zu verstehen. Durch Gnadeneinsprechung<br />
hat die Gottesmutter Dominikus zu dieser<br />
Art des Gebets geführt. Durch diese Form der Marienverehrung<br />
soll der alte Glaube an die Gottheit Christi lebendig<br />
erhalten werden. Engel reichen den Rosenkranz weiter zur<br />
Erde, der er als Gebet empfohlen wird. Mit im Bild ist<br />
Katharina von Siena, die größte Heilige des Dominikanerinnerordens,<br />
der geistigen Großmacht des 14. Jahrhunderts.<br />
Die brennende Fackel auf den Bildern in Haigerloch, Rangendingen<br />
und Kirchberg ist das Symbol für die Irrlehren<br />
der Waldenser und Albigenser, welche damals die Welt<br />
bedrohten, aber durch das Wirken und Beten von Dominikus<br />
erfolgreich überwunden wurden. In Pfarreien ohne ausgesprochene<br />
Rosenkranzaltäre bildet gewöhnlich der Marienaltar<br />
den Mittelpunkt der Verehrung. Der Rosenkranzmonat<br />
möge uns Anlaß sein, einmal wieder über die Weite und<br />
Tiefe dieser Andachtsform nachzudenken, mit der auch soviel<br />
heimatliches religiöses Brauchtum verbunden ist.<br />
Dem Freskomaler Hermann Anton Bantle zum Gedächtnis<br />
Am 27. Juli dieses Jahres waren es 30 Jahre, daß Hermann<br />
Anton Bantle aus diesem Leben schied.<br />
Johannes Mumbauer, der Pfarrer von Piesport an der<br />
Mosel, der anerkannte Kunstkenner, der unbestechliche und<br />
gefürchtete Kunstkritiker seiner Zeit, schrieb damals im<br />
„Heiligen Feuer": „Hermann Anton Bantle der letzte Freskomaler.<br />
— Mag sein, daß mein Titel nicht wörtlich stimmt<br />
— aber eine gewisse Monumentalmalerei und vielleicht die<br />
echteste, ist mit ihm zu Ende gegangen . . . Jetzt sprechen<br />
nur noch seine Werke zu uns, und ich denke, sie werden<br />
einmal laut genug reden." —<br />
Sein Geburtsort war Straßberg in Hohenzollern. Er war<br />
das zweite von sechs Kindern des Schreiners Josef Anton<br />
Bantle und seiner Ehefrau Theresia, geb. Schilling.<br />
Die Kunstneigung des begabten Knaben zeigte sich früh.<br />
Sie war Erbteil vom Großvater Josef Schilling, Maler und<br />
Bildhauer, in enger beruflicher und persönlicher Beziehung<br />
zur Abtei Beuron und deren Gründerin, der Fürstin Katharina<br />
von Hohenzollern.<br />
Der Großvater gab dem Enkel den ersten Zeichenunterricht.<br />
Die Tante Kreszentia Schilling, in Vertrauensstellung<br />
bei der Fürstin Katharina, nahm den i3jährigen Neffen zum<br />
ersten Mal mit nach Beuron. Wie entzündete sich sein junges<br />
Herz, als er die Mauruskapelle erlebte! „Ich bekam einen<br />
alles Maß übersteigenden Eindruck. In leuchtender Pracht<br />
standen die Malereien, nein —• was sage ich — die farbige<br />
Architektur vor meinen staunenden Augen. Konnten denn<br />
Menschen so etwas schaffen? War das kein Gebilde von<br />
Engelshänden? Die weiße Madonna im Giebelfeld mit ihrem<br />
eindringlichen Mutterauge, in dem alles Wissen und alle<br />
Milde ruht, zog mich aus mir selbst in überirdische Welten.<br />
Einen beseligenderen Eindruck hat seitdem nichts mehr in<br />
mir erwirkt."<br />
Die Hand Gottes hatte ihn berührt. Er empfing die Berufung<br />
und den Auftrag, mit all seinen seelischen, geistigen<br />
und körperlichen Kräften im Dienste des Höchsten zu stehen.<br />
Ein dornenvoller Weg lag vor ihm. Unter den größten<br />
Opfern der lieben Mutter — der Vater war früh gestorben —<br />
besuchte Hermann Anton die städtische Zeichenschule in<br />
Ebingen unter Professor Ziegler mit Auszeichnung. Dann<br />
führte ihn die Sehnsucht zu Pater Desiderius Lenz, dem<br />
Begründer der Beuroner Kunstschule. Dort spürte er „den<br />
absoluten Bau der Kompositionen und ihre Raumgliederung,<br />
die zarte Lyrik der Feierlichkeit seiner Farben, die seelische<br />
Innerlichkeit und Grundhaltung seiner Gestalten." Ein Jahr<br />
in St. Gabriel, Prag, folgte. Aber die Arbeit befriedigte den<br />
Oblaten nicht. Die Beuroner Kunstrichtung schien ihm begrenzt.<br />
Sein Standpunkt war freier. Er wollte „im Formalen<br />
die Möglichkeit der individuellen (nicht subjektivistischen)<br />
Entwicklung bestehen lassen."<br />
Ueber dem Malen in Eitempera schwebte ihm die Königin<br />
der monumentalen Wandmalerei, die Freskotechnik vor.<br />
Das Malen auf nassen Kalk wollte er lernen.<br />
Innerlich bedrängt, verließ er Beuron. Er siedelte studienhalber<br />
nach München in das ihm lebenslänglich verbliebene<br />
Atelier in der Theresienstraße 75 über.<br />
Von dort zog es ihn nach der Geburtsstätte des Fresko,<br />
nach Italien, Rom. Viermal fuhr er über die Alpen. Sieben<br />
Jahre des Darbens, aber der inneren Beglückung verbrachte<br />
er dort. Johannes Mumbauer besuchte ihn oft: „In<br />
seinem Studio in der Via Margutta waren die Wände bedeckt<br />
mit Entwürfen aller Art. Dort hatte er auch sein Modell für<br />
seinen berühmten Christuskopf gefunden, einen jungen,<br />
blondhaarigen Friesen, der auch das Entzücken des Rembrandtdeutschen<br />
gewesen wäre."<br />
Er rang um seinen eigenen, monumentalen Stil. Es gelang<br />
ihm. Er kehrte in seine Heimat zurück. Die Restaurierung<br />
und Ergänzung der Wandfresken in der Haigerlocher Schloßkirche<br />
waren schon 1907 fertiggestellt. Altarblätter in der<br />
Pfarrkirche in Mittelbexbach/Saar, der Kreuzweg in Dhron<br />
a d. M., Wandfresken im Wilhelmsstift in Tübingen, Ausmalung<br />
und Kreuzwegbilder in Oeflingen b. Säckingen,<br />
farbige Einstimmung der Kirche in Dunningen b. Rottweil<br />
und Stationen al Fresko, Ausmalung der Kirche in Hinwil<br />
(Schweiz), Wandfresken in Friedrichshafen, Lautlingen, Kaiseringen,<br />
Chorapside in Freiburg „Maria-Hilf", Chorapside<br />
und Wandfresken in „Herz-Jesu" in Stuttgart-Gaisburg,<br />
Dekoration und Bemaiung der Stadtpfarrkirche in Ebingen,<br />
vier Kreuzwegbilder in Köln „Herz-Jesu" folgten. Aber auf
62 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT ri^aflUgang jggo<br />
der Höhe seines Schaffens, in der endlichen Anerkennung,<br />
nahm Gott ihm den Pinsel. aus der Hand.<br />
„Wir wollen ernstlich lernen, jeden Tag im Geiste zu sterben,<br />
auf daß uns das Sterben des Leibes nichts mehr anhaben<br />
kann. Sterbe ich, so beginnt erst mein Leben. Ich<br />
komme dann zu Christus, für den ich ja wirkte, so gut es in<br />
meinen Kräften lag" (Letzter Brief an seine Schwester).<br />
Am 27. Juli 1930 schloß er, 58jährig, die Augen für immer.<br />
Auf dem Waldfriedhof in München fand er seine letzte Ruhestätte.<br />
Seine Heimatgemeinde Straßberg ehrte ihren großen Sohn<br />
mit einer Bronzetafel an der Außenwand der Pfarrkirche,<br />
gegenüber dem Grabhügel seiner Mutter. „Kreuz, Palette<br />
und Pinsel symbolisieren zusammen mit einem kraftvollen<br />
ornamentalen Schriftbild das Schaffen des Freskomalers<br />
Hermann Anton Bantle. Seine Palette lag unter dem Kreuz."<br />
Verantwortungsbewußt und treu hütete seine betagte<br />
Schwester, Frau Johanna Bubser, den Nachlaß, bis sie ihn<br />
dem neuerrichteten Heimatmuseum der Heimatstadt Gammertingen<br />
übergab, 452 Bilder, Kartons, Skizzen, Pausen,<br />
Gemälde, darunter der wertvolle Christuskopf, allein seinerzeit<br />
eine Ausstellung für sich, als ein seltenes Bild menschlich<br />
göttlicher Hoheit und Reinheit von auserlesener künstlerischer<br />
Prägung. Höchste Angebote trug es Bantle ein.<br />
Aber er konnte sich trotz tiefster Not nie davon trennen.<br />
Der Pfarrherr von Piesport a. d. M., Philipp Koll, hat das<br />
Verdienst, den Dhroner Kreuzweg broschürt in Schwarz-<br />
Weiß-Druck mit innigem zeitnahem Text der Oeffentlichkeit<br />
im letzten Jahr übergeben zu haben. (Verlag Kaldenkirchen.)<br />
Was hätte dieser Mann leisten können, wenn ihm zur<br />
rechten Zeit Kirchenwände zur Verfügung gestellt worden<br />
wären! Welchen Verlust sein Tod bedeutete, mag man schon<br />
an der verhältnismäßig äußerlichen Tatsache ermessen, daß<br />
er einer der ganz, ganz wenigen war, die ihre Farben in der<br />
alten schwierigen Technik wirklich auf feuchten, vom Künstler<br />
selbst angelegten Kalkmörtel malten, so gewissenhaft<br />
war er dabei, daß er den feinen, geschlämmten Sand und<br />
den vor mindestens 10 Jahren gelöschten Kalk jedesmal<br />
selbst mitbrachte — was man sonst heute Fresko nennt,<br />
ist meistens Täuschung.<br />
„. . . Es brennt mir noch heute im Herzen, wenn ich an<br />
die bitteren Tränen denke, die er als Mann vor mir darüber<br />
weinte, daß man seine besten Kraftjahre hatte dahingehen<br />
lassen, ohne von seiner begnadeten Kunst rechten Gebrauch<br />
zu machen." (So Johannes Mumbauer in „Das Heilige Feuer",<br />
Oktober 1930).<br />
Hermann Anton Bantle ging seinen Weg ohne marktschreierische<br />
Propaganda, einsam und herb: „Was in meinem<br />
Wollen eine ganz besondere Tragik hat, ist der Umstand,<br />
daß ich gegen die Renaissance, gegen die Divino des so<br />
nichts sagenden Raffael, gegen die klassische Tradition, gegen<br />
das Romanische ankämpfen will, gegen die Schönheit, gegen<br />
das Glatte, das Süße, das Verstandhafte . . . . dann noch<br />
das Ringen mit dem spröden Material, dem Kalk und den<br />
Erdfarben, und hier ist mir ein ganz gewaltiger Vorsprung<br />
gelungen." — Den farbbeschränkten Tonwert des Fresko<br />
hat Bantle gebrochen, die Tradition des sprichwörtlich Kalktönigen<br />
im Fresko genommen. Welch gewaltige Leistung!<br />
Vorberechnung der Farbwirkung ist auf nassem Kalk unmöglich!<br />
Prima und fertig! Unerhört die Glutigkeit, die er<br />
hervorbringt. Die Kreuzigung in Dunningen ist das Großartigste,<br />
was bisher in Freskotechnik an Farbtiefe und Wärme<br />
des Kalkkolorites erreicht werden konnte. — Wenig<br />
Figuren, wesentlich konzentriert, einfach, schlicht, doch mit<br />
großem überraschenden Zug der Komposition, einzigartiger<br />
Linienführung, niegesehener Farbgebung: so sind seine<br />
Passionsbilder! Dhron ist das Stammeln!<br />
Bantles Leitidee kam kaum in einer anderen Arbeit so<br />
rein und klar zum Ausdruck. Einige Bilder sind durch<br />
Kriegseinwirkung beschädigt und harren der kundigen<br />
Restauration. Das Grün der neuen Fenster schluckt teilweise<br />
die Glut der Bilder, leider!<br />
Die Passion in Oeflingen, geboren aus dem Schrecken<br />
des Krieges 1914/18: noch glutiger die Farben, noch wuchtiger<br />
die Linien, noch größer der Zug der Komposition. Wie<br />
sich die Farbskala der Dekoration und der figürlichen Bemalung<br />
oberhalb des Hochaltars feinfügig bindet! Welche<br />
Kompositionskraft der vierten, fünften und sechsten Station!<br />
Nicht Bild an Bild! Als Fries zusammengebaut — Simon<br />
Cyrene gerade in der Mitte auf dem Türbalken, fließt die<br />
Linienrythmik der drei Bilder ineinander! „Eine ars perennis<br />
tut sich uns hier auf; ein Künstler von Gottes Gnaden im<br />
Literalsinn des Wortes, der uns Werte bietet, die eine Höhe<br />
der Kunst unzweifelhaft darstellen." (Badischer Beobachter<br />
18. 12. 1917.)<br />
Dunningen! So mächtig klangen Farbtöne noch nie in uns<br />
hinein. Mit dem Höhepunkt des dramatischen Geschehens<br />
begonnen! Welches Vertrauen! Bantle verläßt den neutralblauen<br />
Hintergrund von Dhron und Oeflingen. Zu jedem Bild<br />
tönt er den Stimmungsgehalt durch farbigen Grund. Das<br />
heißt kein Verlieren der Monumentalität: das ist wirkungsvolles<br />
Verstärken der Eindringlichkeit jeder aufgelegten<br />
Komposition. Die elfte und dreizehnte Station ein liegendes,<br />
ein hochaufgerichtetes Rechteck, die zwölfte in doppelter<br />
Größe; alle drei ein Ideenzug.<br />
„Jesus wird ans Kreuz genagelt", zwei Welten! Daher<br />
scheinbare Dissonanz in Farbe und Aufbau, Horizontal liegt<br />
das Kreuz mit Christus. Christus ist gerichtet; er ist tiefer<br />
erniedrigt als ein Mensch. Eine Klage, weh und groß, daß<br />
sie die Welt erschüttern müßte, bricht stumm aus dem weitgeöffneten<br />
Christusauge, dem geöffneten Christusmund hinauf<br />
zu den fünf senkrechten Figuren, die den Heiland nicht<br />
mehr aufkommen lassen, die eine Masse, keinen Vertikalgedanken<br />
ausdrücken: der Scherge mit leidenschaftlich verzerrten<br />
Zügen, der Gelehrte, dem kein Blick bleibt für den<br />
leidenden Gott, der im grauen Rock müßig und protzenhaft,<br />
mit spottender Miene, einer von denen, die nichts tun, schieben<br />
und prassen, die Bauernfamilie, fremd und verständnislos<br />
— bis auf das Kind, das mit staunendem Blick zum<br />
Gottmenschen sich beugt. — Die zwölfte Station: Christus,<br />
erhöht, nicht tot, lebend in übergroßer Qual, doch herrschend<br />
vom Holze aus, spannt die Arme vermittelnd zwischen Himmel<br />
und Erde. Johannes hebt den Kelch und nimmt auf das<br />
kostbare Blut, Maria, die Ornate! Die dreizehnte Station:<br />
Christus gestorben. Die Menschheit bleibt allein. Erdhafte<br />
Ruhe: fast geschlossene Kreisform biegt zu Boden. Eine<br />
Welt ist aus den zwei Welten der elften durch Vermittlung<br />
der zwölften geworden!<br />
Bantle hat Dunningen nicht selbst vollendet. Eine spürbare<br />
Tragik! Der Kreuzweg in ,Herz Jesu' Köln, mit lehrhafter<br />
Absicht, in vier Stationen erst gefertigt, wurde ein Opfer<br />
des Krieges.<br />
Seine Kreuzwege und anderweitigen Wandfresken stehen<br />
ncch heute wie vor Jahren leuchtend in unseren deutschen<br />
Kirchen: durchdacht, durchbetet, durchdrungen, im Lichte<br />
des Tabernakels geklärt, erstanden im Standpunkt der Leute<br />
der Dombauhütte von Chartres: „wer da arbeitet, muß im<br />
Stande der Gnade sein." Sie fordern von uns die Bindung<br />
aus der Zeit in die Ewigkeit. —<br />
Zeugnis von Bantle geben auch heute noch seine freimütigen,<br />
klaren, gottgetragenen Artikel in den kunstnahen Zeitschriften<br />
seiner Zeit. Sie verdienen, in Buchform gesammelt<br />
zu werden.<br />
Ich zitiere: ....<br />
. . . „Wer kann noch Fresko malen, ohne Ubermalung und dauerhaft<br />
wie Caracci? Keine Wissenschaft ist so nervenfordernd wie die Erlernung<br />
und Beherrschung dieser Kunst. Ein ernster Mensch wird<br />
nach 10—15j ähriger Uebung mit unerschütterlicher Geduld und ro-
Jahrgang'*! 960 HOHENZOL L'E R I SCHE HEIMAT 63<br />
buster Gesundheit es vielleicht so weit bringen können, daß er eine<br />
Wand auftragen und bemalen kann. Mit jeder neuen Mauerarbeit<br />
treten neue Rätsel, abhängend von Material und Wetter auf, welche<br />
die Erfahrungen ändern und erweitern. Welcher Maler kann noch<br />
den Kalk beurteilen oder weiß etwas über seine Behandlung, bis er<br />
zum Freskomörtel das erforderliche Alter hat? Oder von der individuellen<br />
Zubereitung, Auftrocknung, Lichtstärke, Mischungsmöglichkeit<br />
jeder einzelnen Farbe, der beschränkten Palette, von der erforderlichen,<br />
pedantischen Reinlichkeit, der delikaten Behandlung<br />
der Pinsel? In weitem Bogen gehen die Maler an Fresko vorbei. . .<br />
Man malt Bilder im Atelier auf Leinwand oder Schiefertafel und<br />
klebt sie als Ersatz für Fresko auf die Mauer. Im Atelier kann<br />
man morgens anfangen, ändern, pausieren, kann dazwischen ins<br />
Kaffeehaus gehen und seine Hände pflegen. Der Freskomaler aber<br />
muß beim Tagesgrauen beginnen und sein Pensum an einem Stück<br />
durchmalen. Er kann niemals korrigieren und er bekommt vom<br />
Kalk rauhe Hände. Wer diese schwierigste Technik bezwingt, legt<br />
schon durch seinen Ernst auch ethische Werte mit ins Werk . . . "<br />
(Werkblatt der Kunst 17. 6. 18.)<br />
. . . Wer mit kostbaren Steinen baut, kann schon mit edler Materie<br />
hohe Wirkung erreichen und mit ornamentaler oder figürlicher Belebung<br />
der Bauform haushalten. Er kann körnen, schleifen, polieren.<br />
Er kann seine Korn- und Farbwerte beliebig erhöhen oder<br />
schwächen, erreicht immer den Ausdruck hoher Solidität, die mit<br />
Bindung harmonischer Gliederung der Bauteile eine wohltuende<br />
Totalität ergibt, die das Kunstwerk bestimmt. In unserem sonnenarmen<br />
Lande aber muß man dem Stein künstliche Sonne geben,<br />
indem man ihn ornamental oder mit Figurenschmuck durchgeistigt.<br />
Ach, wie erkannten und verstanden diese Durchgeistigung unsere<br />
Gotiker ..." (Das heilige Feuer, März 1920.)<br />
„Die Andacht im Kunstwerk von ehedem war vor dem Verstände<br />
nicht mehr sicher, denn die Pflicht siegte. Die einst von den Künstlern<br />
so mächtig erfaßte Liebe, die ihr ganzes Selbst in den Dienst<br />
des Volksganzen warf, legte sich auf die Materie und nur noch<br />
diesseitsbekraftet, entfloh der Kunst die Befruchtung vom Himmel.<br />
Der Rauhreif des berechnenden Verstandes senkte sich über das<br />
Volk, Tugend und Ideale erstarrten. Freude an Macht und Wohlstand,<br />
am Glitzern zog über die Gesamtheit, in die Gemeinden, die<br />
Häuser und Einzelmenschen und leider auch in die Gotteshäuser<br />
hinein und ernüchterte alle ..." (Oberrhein. Pastoralblatt 15. 9. 19.)<br />
Wer vermöchte die logische Notwendigkeit der Barockkuppel<br />
zu begründen? Diese eingekeilte Halbkugel wächst nicht immer aus<br />
ihrem sie tragenden Unterbau heraus wie die Blume aus ihrem<br />
Schaft, wie der gotische Turm aus seinem Fundamente organisch<br />
und sich entmaterialisierend löst. In ihrer wuchtig gigantischen<br />
Größe bleibt diese Kuppel immer nur das zerschnittene Kuppelsymbol<br />
der Ewigkeit und ihre Linie bedeutet trotz ihrer aufgesetzten<br />
Laterne, über die das Auge nach dem anderen Ende des<br />
Halbbogens hinweggleitet, ein Vertikalverzicht. Diesen Verzicht<br />
starker Senkrechten gleichen allerdings in Italien, dem Heimatlande<br />
der Renaissance, die machtvollen Campanilen, die neben den kirchlichen<br />
Bauwerken dieser Perioden stehen, — wieder aus, oder aber<br />
es sind neben profane Architekturgebilde überaus kräftig in die Höhe<br />
akzentuierende dunkle Zypressengruppen angepflanzt. Der Italiener<br />
empfand die Notwendigkeit, neben die Architektur starke Vertikalkräfte<br />
ins Bild zu bringen. Derartige Hilfsmittel aber hat die<br />
deutsche Renaissance und ihre Ausläufer nicht, ihre Kirchtürme<br />
verwoben sich in die Baufassade — dominierten nicht als Vertikale<br />
..." (Deis heilige Feuer, August 1923.)<br />
Als in den beiden Weltkriegen gute Seife nur schwer<br />
oder gar nicht mehr zu bekommen war, wandten unsere<br />
Hausfrauen vielfach jenes alte Waschverfahren an, das schon<br />
unsere Urahnen seit Jahrhunderter geübt hatten. Sie wuschen<br />
in Aschen-Lauge. Über eine Gelte oder einen Zuber<br />
wurden zwei Hölzer gelegt, darauf ein Korb oder Behälter<br />
aus Latten gestellt und mit einem alten Stück Leinwand,<br />
dem „Aschentuch", ausgeschlagen. Wenn der Korb oder Behälter<br />
mit Holzasche gefüllt war, wurde heißes Wasser<br />
darüber gegossen. In der nächsten Stunde wurde die Asche<br />
ausgelaugt, d. h. die wasserlöslichen Stoffe lösten sich auf<br />
und tropften in die unterstellte Helte, während die unlöslichen<br />
Bestandteile im Aschentuch zurückgehalten wurden.<br />
Die so gewonnene Flüssigkeit, die Aschenlauge, benützten die<br />
Frauen dann verdünnt zum Waschen der schmutzigen Wäsche<br />
und auch zum Reinigen der Fußböden. Der Aschenrückstand<br />
diente als Dünger.<br />
Die Pflanzen nehmen aus dem Boden als Nahrungsstoffe<br />
Salze auf. Diese werden beim Verbrennen der Pflanzen-<br />
Die Pottaschengewinnung<br />
Ein abgegangener Gewerbebetrieb in Laiz<br />
Monumentalkunst ist nicht die Vergrößerung von Tafelbildern.<br />
Sie ist der Ausdruck eines ernst empfindenden, arciiitektoniscti<br />
konstruktiv fühlenden Künstlers, der aus vielfachen, differenzierten<br />
Erscheinungen der Naturfülle, die große, die typische Erfassung der<br />
Form, Linie und Farbe in ihrem seelischen Inhalte zu erfassen und<br />
zu durchgeistigen vermag ..." (Das heilige Feuer, Dezember 1918.)<br />
Der Deutsche ist der Mensch, der in seiner kargen Landschaft,<br />
unter so selten sich vollglühend zeigender Sonne kämpfen muß.<br />
Deshalb fragt er, warum muß gerade ich dies alles so qualvoll abringen,<br />
das Leben durch Mühe an Mühe binden und mit leidender<br />
Seele über die düsteren Winternächte nordischer Erde ziehen? Und<br />
wenn dann Tränen über sein leiblich Auge rollen, öffnen sich seine<br />
geistigen und finden das Land der Seele, jener großen gemütstiefen<br />
Welt, die ihm transzendente Werte öffnet, unermeßliche Tiefe, die<br />
über alles Sterben hinweg, Geschlecht nach Geschlecht befruchten . . "<br />
(Das heilige Feuer, August 24.)<br />
Unsere Ermüdung in dieser Schicksalszeit weist uns hoffnungsvoll<br />
mehr denn je an den Gekreuzigten hinauf. So wie er erlöst<br />
von seiner Qual am Marterholz hängt, so ersehnen auch wir der<br />
Diesseitspein — Erlösung. Doch immer wieder überfüllt uns dieselbe<br />
Mutlosigkeit — wir wollen diese Entpeinigung ohne Eigenopfer<br />
von Gott fordern, als ob wir ein verbrieftes Anrecht auf ein<br />
opferloses Leben in der Tasche hätten ..." (Das hl. Feuer, Aug. 21.)<br />
Wach auf aus Deiner Verweichlichung, du Land und Heimat<br />
eines Gottsuchers Seuse, eines Abrahams a Santa Clara, du einst<br />
so herrlich blühendes deutsches Land, das einen Lochner, Erwin<br />
von Steinbach, einen Dürer und einen Grünewald hervorzubringen<br />
vermochte: Geistesgrößen, die einstmals deine Dome und deine<br />
Kirchen so tiefsinnig und minnevoll ausdichteten und ausmalten und<br />
dir in unsterblichen Meisterwerken, die uns immerdar Vorbild<br />
bleiben werden, und uns so hohe Würde verliehen haben ..." (Das<br />
heilige Feuer, Juni 1919.)<br />
Die Gnadenmittel unserer herrlichen Kirche, die Völkerwerden<br />
und -vergehen überdauert, nicht zeitlich gebunden, aber der<br />
Zeit dienend, ihre göttliche Mission immerdar erfüllt, gibt uns die<br />
Kraft. Nur wer innerlich ihre Sendung erfaßt, wird auch den Ernst<br />
mitbekommen, im Zeitgeiste ihr dienen zu können! Der schöpferisch<br />
begabte Künstler könnte ja nicht anders als „modern" in gesittetem<br />
Sinne wirken, wie tiefgläubige Künstler unserer Voreltern<br />
ja stetsfort im Geiste ihrer Zeit die Menschen beglückten. Jedoch,<br />
wer, von dem Glänze der Kirche nur angeschwärmt und eingelullt,<br />
in ihr sich pendeln läßt, als Selbstdeckung seiner Schwäche stets<br />
ein frommes Sprüchlein auf der Zunge führt, unter ihrem schützenden<br />
Dache sich finanziell zu bereichern strebt, der wird zur Verherrlichung<br />
ihres Ewigkeitsmaßes nichts beitragen. Wer aber mit<br />
hungernder Seele ihr verwachsen ist, in ihrem göttlichen Odem<br />
lebt, glüht, zittert, schafft, der muß mit subjektiven Ausdrucksmitteln<br />
und in objektiver Hingabe ihr dienen, wie die Zeit es<br />
fordert ..." (Das heilige Feuer, Dezember 1919.)<br />
Bantles Worte sind heute noch an uns gerichtet: „Die Wissenden<br />
ohne Seele segnet Gott nicht. Kunst ist „Gottvereinigtsein, Bitten<br />
und Beten, Empfangen und Nachstammln, Freude in Gott, Mitleid<br />
mit hungernden Brüdern und armen Schwestern, ist restloses Geben<br />
aus übervollem Herzen."<br />
So strömt seine Kraft als bleibendes Vermächtnis in uns.<br />
W. Schneider-Schwär tzel.<br />
substanz, also des Holzes, in kohlensaure Salze, oder wie<br />
der Chemiker sagt, in Karbonate umgewandelt. Solche Bestandteile<br />
sind vor allem kohlensaures Kali und Natron, die<br />
heute noch im Soda vorhanden sind. Sie werden jedoch heute<br />
nicht mehr aus Holzasche gewonnen, sondern aus Kalilagern,<br />
die bekanntlich in Deutschland reichlich vorhanden sind.<br />
Früher wurde die gesammelte Holzasche in sogenannten<br />
Pottaschensiedereien in großen eisernen Kesseln oder Potten<br />
gesotten, gesiebt und durch Tücher filtriert. Diese so einigermaßen<br />
von den Aschenrückständen gereinigte Lauge wurde<br />
dann in andern Kesseln weiter erhitzt, bis eine trockene<br />
Masse zurückblieb. Es entstand gebrannte oder kalzinierte<br />
Pottasche. Diese war aber verunreinigt und mußte noch geläutert<br />
werden. Durch weiteres Erhitzen wurden die verunreinigenden<br />
organischen Substanzen verbrannt oder schieden<br />
sich beim Behandeln mit wenig Wasser und neuem<br />
Erhitzen aus der konzentrierten Lösung beim Abkühlen aus.<br />
Nach diesem Läuterungsvorgang hatte man ein weißkörniges<br />
Pulver gewonnen, das sich leicht und reichlich im Wasser
64 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
auflöste. An der Luft zog es Feuchtigkeit an, und wenn es<br />
damit gesättigt war, zerfloß es zu einer dicklichen Masse.<br />
Pottasche wurde zu mancherlei Zwecken verwendet. Im<br />
Haushalt, in Bäckereien und Konditoreien diente sie als<br />
Treibmittel. Zur Herstellung von Seife und Glas war Pottasche<br />
unerläßlich. In Färbereien, Bleichereien und Wollwäschereien<br />
fand sie Verwendung. Auch in der Medizin<br />
gebrauchte man sie als Zusatz zu Salben, zu Einreibungen,<br />
als Badezusatz. Auch zur Bereitung des Schnupftabaks wurde<br />
Pottasche gebraucht.<br />
Der ausgelaugte Aschenrückstand fand als Düngemittel<br />
Verwendung. Außer den Laugensalzen enthält die Asche noch<br />
Schwefel-, phosphor- und kohlensauren Kalk, Bittererde,<br />
Eisenoxyd, etwas Ton- und Kieselsäure. Die Pottaschensiedereien<br />
verkauften oder verwendeten die ausgelaugte<br />
Asche unter Zusatz von kohlensaurem Kalk als Düngemittel.<br />
Dieses wurde namentlich zur Düngung von Erbsen verwendet,<br />
wobei für die damalige Zeit erstaunliche Erfolge erzielt<br />
wurden. Daraus erklärt sich vielleicht auch die auffallende<br />
Tatsache, daß z. B. in Laiz im Jahre 1806 bei Aufnahme des<br />
Felderbestandes 16 Jauchert mit Erbsen angebaut wurden.<br />
(Siehe „Hohenzollerische Heimat" N. 2/60 S. 30).<br />
Unausgelaugte Asche fand früher weniger Verwendung,<br />
weil es vorteilhafter erschien, sie an die Aschensiedereien<br />
zu verkaufen. Aschensammeln und Aschensieden waren einträgliche,<br />
gewinnbringende Erwerbszweige, die zu den herrschaftlichen<br />
Regalien zählten. Aus deren Ausübung entrichteten<br />
die Inhaber einen jährlichen Tribut an die herrschaftlichen<br />
Rentamtskassen.<br />
In den Grafschaften Sigmaringen und Veringen waren<br />
1745 dem Adlerwirt und späteren Schultheißen von Laiz,<br />
Johann Philipp Schwab auf Antrag das Aschensammeln<br />
und das „Bodaschen-Sieden" übertragen worden. Er hatte<br />
zunächst jährlich 95 fl (Gulden) sog. Bestandsgeld an die<br />
fürstliche Rentamtskasse in Sigmaringen zu zahlen. Da aber<br />
aus einigen Orten der Grafschaft Veringen an die Salpetergraber<br />
und in der Grafschaft Sigmaringen desgleichen an<br />
den Glasmeister der Glashütte bei Wald Asche abgegeben<br />
werden mußte, stellte Johann Philipp Schwab Antrag auf<br />
Ermäßigung des jährlichen Bestandsgeldes. Die wurde ihm<br />
unter dem 18. November 1747 gewährt und auf jährlich<br />
80 fl, später auf 75 fl und dann auf 60 fl herabgesetzt.<br />
1752 bittet Schwab wiederum, ihm die Aschensammlung<br />
zukommen zu lassen, obwohl die „Bodaschen" in geringem<br />
Wert sei und er den „Bodaschenhandel" aufgeben würde,<br />
wenn es ihm nicht um das Fuhrwerk wäre. Er hoffe, so<br />
führte er aus, daß ihm die Aschensammlung um so eher<br />
übertragen werde, als er der gnädigsten Herrschaft viele<br />
Ritte und Gänge umsonst verrichte, auch öfters starke Forderungen<br />
um Wein und anderes habe und oft lange auf<br />
Bezahlung warten müsse. Am 26. Februar 1752 wurde ihm<br />
das Aschensammeln auf weitere 6 Jahre bewilligt.<br />
Das Bestandsgeld wurde auf 55 fl festgesetzt. Die Konzession<br />
rechnete von Martini 1751 ab, da die vorige damals<br />
aufgehört hatte. Von jetzt ab erhielt Schwab die Aschenkonzession<br />
fortlaufend.<br />
In den Orten Benzingen, Billafingen, Harthausen a. d. Sch.,<br />
Hettingen, Inzigkofen, Laiz, Langenenslingen, Veringendorf,<br />
sowie in Rast b. Meßkirch, in Wilflingen b. Riedlingen und<br />
Egelfingen sorgten Aschensammler für den Ankauf der Holzasche.<br />
In Sigmaringen, Sigmaringendorf und Veringen waren<br />
die Aschensammler zugleich auch Aschensieder und arbeiteten<br />
für Schwab. Aschensammeln und Aschenverkaufen, sowie<br />
Pottaschensieden scheinen einträgliche Geschäfte gewesen zu<br />
sein, denn die Mitarbeiter Schwabs und auch die Aschenverkäufer<br />
versuchten trotz Verbots immer wieder die Asche<br />
anderwärts im Schwarzhandel zu höheren Preisen zu verkaufen.<br />
Auf Schwabs diesbezügliche Beschwerde bei der<br />
fürstlichen Regierung erließ diese unter dem 15. Dezember<br />
1752 unter Androhung strengster Strafe ein Verbot, Asche<br />
außer des Landes zu verkaufen. Doch kam es trotzdem immer<br />
wieder zu verbotswidrigen Handlungen. 1769 kam es<br />
zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Aschensammler<br />
und Pottaschensieder Franz Falkner von Veringen und Philipp<br />
Schwab. Erste er hatte ihm das Pottaschensieden aufgekündigt.<br />
Er wollte die Asche auswärts aufkaufen und auf<br />
eigene Rechnung Pottasche sieden. Dies wurde Falkner verboten.<br />
Auch wurde er aufgefordert, wenigstens bis Georgi<br />
1770 den Kläger Philipp Schwab zu unterstützen, die Pottasche<br />
akkordgemäß getreulich abzuliefern und auch nicht<br />
das mindeste davon bei Vermeidung schwerer Strafe auswärts<br />
zu verkaufen.<br />
1771 beklagte sich Schwab über den Sigmaringer Bürger<br />
Leonhard Henne, der die Pottasche nach dem getroffenen<br />
Akkord zu sieden und zu liefern weigern wollte. Ihm wurde<br />
bedeutet, daß er Schwab die Pottasche auch weiterhin zu<br />
liefern habe und auch keine Pottasche auswärts verkaufen<br />
dürfe, andernfalls es Schwab freistehe, einen andern anständigen<br />
„Bodaschensieder" anzustellen.<br />
1772 kam es am 16. Juni an dem zu Ebingen abgehaltenen<br />
Jahrmarkt wieder zu Zwistigkeiten zwischen Franz Falkner<br />
- Veringenstadt und Philipp Schwab. Ersterer bot Schwab<br />
die in der Grafschaft Veringen gesammelte Asche zum Kaufe<br />
an, das Viertel zu 4 Kr. nebst 1 Kr. Sammelgeld. Schultheiß<br />
Schwab bezahlte die Asche sofort mit 5 fl, was einer Aschenmenge<br />
von 60 Viertel oder 15 Zentnern entsprach.<br />
Bei dieser Gelegenheit bedeutete Schutheiß Schwab dem<br />
Franz Falkner, daß er nun schon über 20 Jahre den Bestand<br />
der Aschensammlung habe und er ihm daher auch die Asche<br />
zu liefern verpflichtet sei. Falkner entgegnete, daß ihm vom<br />
Gericht und Rat zu Veringenstadt die Aschensammlung erlaubt<br />
worden sei und ihm daher die gnädigste Herrschaft,<br />
noch deren Regierung etwas zu befehlen habe.<br />
Philipp Schwab setzte noch bei, daß Falkner verschiedene<br />
Schleichwege benütze, um die Asche außerhalb des Fürstentums<br />
zu verkaufen und sie so dem einheimischen Beständer<br />
zu entziehen. Falkner bestritt auch nicht, daß er die Asche<br />
in Ebingen verkaufe, nur den Ausspruch, daß er gesagt habe,<br />
die gnädigste Herrschaft und die fürstliche Regierung habe<br />
ihm nichts zu befehlen, wollte er dahin deuten, daß er mit<br />
diesen Worten nur den Schultheißen Schwab gemeint habe.<br />
Schwab rief nun das Gericht an und machte verschiedene<br />
Zeugen namhaft. Die Gerichtsverhandlung verzögerte sich<br />
aber, und am 9. Januar 1773 erinnerte Schwab und bat um<br />
endliche Entscheidung und Entschädigung für den ihm durch<br />
Falkner zugefügten Schaden. Der Erfolg dieser Klage konnte<br />
nicht festgestellt werden.<br />
1782 erfolgte neue Klage Schwabs als Aschenbeständer<br />
gegen die Witwe des Philipp Mauz, die von Schwab als<br />
Aschensammlerin aufgestellt war und den Ziegler Niklas<br />
Hirschritter, beide von Harthausen a. d. Sch., weil sie ihre<br />
Asche dem Straßberger Aschensammler Hans Jerg verkauft<br />
hatten, obwohl in der Gemeinde Harthausen schon wiederholt<br />
der Befehl ausgegeben worden war, daß das Ascheverkaufen<br />
an auswärtige Aufkäufer verboten sei. Die Witwe<br />
Mauz wurde um IV2 Pfund, Hirschritter um 1 Pfund Pfennige<br />
bestraft.<br />
Schultheiß Johann Philipp Schwab in Laiz betrieb die<br />
Aschensammlung und das Pottaschensieden bis zu seinem<br />
Tode am 2. Februar 1789. In seinem Hinterlassenschafts-<br />
Verzeichnis werden unter den Eisenwaren vier große eiserne<br />
Platten aus der „Bodaschenhütte" erwähnt. Eine Platte wog<br />
3 Ztr., zwei je IV2 Ztr. und eine 1 Ztr. Als Wert wurde das<br />
Pfund Eisen mit 2 Kr. angegeben, so daß diese Eisenplatten<br />
zusammen 23 fl 20 Kr. galten. Diese eisernen Platten dienten<br />
als Feuerunterlage. Darüber hingen an eisernen Stangen<br />
und Ketten die Siedekessel. Der Holzverbrauch bei der Feuerung<br />
beim Sieden und Läutern der Asche war enorm. Die<br />
verbleibende Asche wurde ebenfalls zur Pottaschenbereitung<br />
verwendet. Als Liefergeschirre für Asche dienten ältere<br />
Wein-, Bier- und Branntweinfässer, sowie Kisten und Säcke.<br />
Zum Verkauf wurde die reine Pottasche in saubere neue<br />
Fässer verpackt.<br />
Die Pottaschenhütte stand im Laizer Unterdorf.<br />
Der ganz genaue Standplatz konnte bis jetzt trotz wiederholter<br />
Nachforschungen nicht ermittelt werden. Als im Jahre<br />
1811 ein Waschhaus gebaut werden sollte, heißt es in einer<br />
Anordnung des Oberamts nur, daß das Waschhaus entweder<br />
hinter der Pottaschenhütte oder bei des Michael Scheirer<br />
Haus aufgestellt werden solle. Da im Unterdorf Laiz mehrere<br />
Waschhäuser stehen und des Scheirer Haus längst abgebrochen<br />
ist, konnten keine näheren Anhaltspunkte gefunden<br />
werden.<br />
Auf Johann Philipp Schwab folgte dessen Sohn Josef<br />
Anton Schwab als Schultheiß, Adlerwirt und Inhaber der<br />
Pottaschensiederei. Ihm war allerdings nur eine kurze Wirkungszeit<br />
vergönnt, da er bereits am 23. Juli 1795 starb.<br />
Nach seinem Tode erfolgte mit den Aschensammlern und<br />
Pottaschensiedern eine Bestandsaufnahme und Abrechnung.<br />
Dabei erfahren wir, was für die Asche bezahlt und wohin<br />
die Pottasche verkauft wurde. Die Abrechnungen geben ein<br />
Bild über die Arbeit, den Umfang, die damaligen Löhne<br />
bei der Pottaschenbereitung und deren Verkauf. Die Abrechnung<br />
mit den Aschensammlern wurde von dem beauftragten<br />
Aschensammler und Pottaschensieder Peter Fischer von Sigmaringendorf<br />
vorgenommen.
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 65<br />
Abrechnung mit den Aschensammlern und Pottaschensiedern:<br />
1. Johann Waibel, Aschensammler zu Hettingen<br />
lieferte am 26. 5. 1795 an Asche 169 Viertel je 5 Kr. = 22 fl 25 Kr.<br />
2. Josef Pfaff, Aschensammler v. Harthausen a. d. Sch.<br />
lieferte an P. Fischer, Sigmaringendorf<br />
300 Viertel je 5 Kr. = 25 fl — Kr.<br />
3. Anton Schmellenmayer von Laiz<br />
lieferte am 8. 10. 1795 300 Viertel je 5 Kr. = 25 fl ~ Kr.<br />
4. Josef Hospach von Benzingen<br />
lieferte am 4. 5. 1795 316 Viertel je 5 Kr. = 26 fl 20 Kr.<br />
4. Matth. Baur von Egelfingen lieferte am 1. 5. 1795<br />
dem P. Fischer, Sigmaringendorf 365 Viertel je 6 Kr. = 36 fl 30 Kr.<br />
6. Josef Mindler von Wilflingen<br />
lieferte am 24. 6. 1795 109 Viertel je 6 Kr. = 10 fl 54 Kr.<br />
7. Josef Lieb von Billafingen hat für Aschenlieferung<br />
vom verstorbenen Jos. Anton Schwab 11 fl Vorschuß<br />
erhalten und bezahlte diese 11 fl, da er keine Asche<br />
lieferte, an die Erbschaftsmasse zurück.<br />
8. Anton Heberle, Veringenstadt<br />
lieferte 249 Viertel je 5 Kr. = 20 fl 45 Kr.<br />
9. Alois Schönbucher, Inzigkofen<br />
lieferte 28 Viertel je 5 Kr. = 2 fl 20 Kr.<br />
ferner 1 Faß Asche für 1 fl 15 Kr.<br />
ferner 1/2 Faß Asche für 37,5 Kr.<br />
Aschensammlerlohn 28 Kr.<br />
10. Anton Blau, Veringenstadt<br />
lieferte 238 Viertel je 5 Kr. = 19 fl 50 Kr.<br />
11. Franz Henne, Aschensieder in Sigmaringen<br />
lieferte am 29. 8. 1795 an Asche 109 Viertel je 6 Kr. = 10 fl 54 Kr.<br />
vom Schönbucher, Inzigkofen 28 Viertel je 5,5 Kr. = 2 fl 20 Kr.<br />
ferner 1,5 Faß Asche = 1 fl 52,5 Kr.<br />
hat geliefert schwarze Bodasche, 6 Ztr. 69 Pfd. je<br />
9 fl und erhalten = 60 fl 48 Kr.<br />
ferner 1 Ztr. 72 Pfd. je 9 fl = 16 fl 16 Kr.<br />
12. Peter Fischer, Pottaschensieder von Sigmaringendf.<br />
hatte zu fordern für 27 Ztr. gelieferte reine Pottasche<br />
je 15 fl = 406 fl 21 Kr.<br />
Lohn von einem Faß schwarze Bodasche zu läutern = 4 fl — Kr.<br />
weiterer Lohn von 1 Stumpen = 1 fl 30 Kr.<br />
Zusammen: 695 fl 26 Kr.<br />
Diese Aufstellung umfaßt nur einen Teil der Aschenanlieferung<br />
eines Jahres. Es ist daraus zu entnehmen, daß der Konzessionsinhaber<br />
an die Helfer im Pottaschensieden für den Zentner ungereinigter<br />
Pottasche 9 fl und für den Zentner reine Pottasche 15 fl<br />
bezahlte.<br />
Es folgt nun eine Abrechnung mit dem Gehilfen beim Pottaschensieden<br />
und den Abtransport der gereinigten Pottasche (Originaltext):<br />
Abrechnung mit Johannes Miller, gewester Oberknecht im Laitzschen<br />
Wirtshaus; von Jungnau gebürtig, nunmehr in Göggingen<br />
verbürgert.<br />
Anno 1791 den 7. November hat derselbe von<br />
Göggingen hierher kommen müssen nachher Laitz und<br />
daselbst 2 Tag und 2 Nächt Bodaschen geleitert und 1<br />
Tag zum Wägen zugebracht, des Tags und für die<br />
Nacht je 40 Kr. = 1 fl 20 Kr.<br />
und wegen dem Tag zum wägen = 20 Kr.<br />
1 Tag die Woll gewogen = 48 Kr.<br />
den 13. Dezember ebenfalls 2 Tag und Nacht geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />
1 Tag beym wägen =. 20 Kr.<br />
den 16ten Dezember nachher Arbon und Sankt Gallen<br />
die Bodaschen zu verwerthen geschickt worden, hierzu<br />
6 Tag gebraucht, über die Zöhrung und Lohn des Tags<br />
je 48 Kr. = 4 fl 48 Kr.<br />
Anno 177 2, den 20. Jänner 2 Tag und 2 Nächt<br />
Bodaschen geleitert, wie oben = 1 fl 20 Kr.<br />
1 Tag solche zu wägen = 20 Kr.<br />
mit 3 Faß nachher St. Gallen geschickt worden, 6 Tag<br />
hierzu gebraucht, für Zöhrung und Lohn = 4 fl 48 Kr.<br />
den 26ten Hornung abermals 2 Täg u. 2 Nächt geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />
1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />
den 6ten März auf Zell am Untersee mit dem „Verstorbenen"<br />
geritten, 3 Tag hierzu gebraucht je 48 Kr. = 2 fl 24 Kr.<br />
Dann mußte derselbe nachher Laitz Marcken zu setzen,<br />
4 Tag hierzu verwendet, je 48 Kr. = 3 fl 12 Kr.<br />
1 Tag darnach die Woll gewogen = 48 Kr.<br />
den 18ten Brachmonat abermals 2 Tag u. Nacht geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />
1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />
mit der Bodaschen nachher St. Gallen gefahren 6 Tag<br />
hierzu gebraucht = 4 fl 48 Kr.<br />
den 12ten Wintermonat abermals 2 Tag und 2 Nächt<br />
geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />
dann 1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />
auf St. Gallen mit 4 Faß per 6 dag = 4 fl 48 Kr.<br />
den lten Dezember nach Winterlingen und Bahlingen<br />
Schulden einzutreiben, per 3 Tag = 2 fl 24 Kr.<br />
Anno 179 3, den 3ten Hornung wiederum 2 Tag<br />
und 2 Nächt geleitert<br />
gewogen 1 Tag<br />
den 26ten April wiederum . . . also<br />
mit der Bodasche auf St. Gallen p. 6 Tag Lohn<br />
den 6ten Heymonat die Woll gewogen per 1 Tag<br />
den 12ten do. wiederum geleitert, wie oben<br />
Anno 179 9, den 1. März abermals geleitert<br />
mit der Bodaschen nachher Schaffhausen p. 5 Tag Lohn<br />
bey Lehren des Bodaschen siedens 4 Tag mit dem<br />
Jakob Käßmann zugebracht, für die Kost allein wird<br />
angesetzt<br />
1 fl 20 Kr.<br />
20 Kr.<br />
1 fl 40 Kr.<br />
4 fl 48 Kr.<br />
48 Kr.<br />
1 fl 40 Kr.<br />
1 fl 40 Kr.<br />
4 fl ~ Kr.<br />
= 1 fl 36 Kr.<br />
Summa"! 56 fl 40 Kr.<br />
hierauf hat Johannes Miller anno 1792 erhalten 44 fl, ab also 44 fl ~ Kr.<br />
verbleiben noch 12 fl 40 Kr.<br />
den Empfang bescheinigt (gez.) T. Johaneß Miller<br />
Aus der vorstehenden Abrechnung ist zu ersehen, daß<br />
Josef Anton Schwab die Pottasche nach Arbon, St. Gallen<br />
und Schaffhausen lieferte. Welche Preise er für die in die<br />
Schweiz verkaufte Pottasche löste, ist nicht verzeichnet.<br />
Bei Josef Anton Schwab finden wir auch eine Bescheinigung<br />
über das Recht zur Aschensammlung in der Herrschaft<br />
Wilflingen, wozu die Orte Wilflingen und Egelfingen gehörten.<br />
Danach bezahlte er an die Rentamtskasse Wilflingen<br />
einen jährlichen Pacht von 12 fl.<br />
Nach dem Tode von Josef Anton Schwab im Juli 1795<br />
scheint Peter Fischer von Sigmaringendorf zunächst das<br />
Aschensammeln und Pottaschengewerbe weiter geführt zu<br />
haben, bis es dann unter dem 9. Mai 1806 an den Kaufmann<br />
Johann Martin Sauter in Ebingen verpachtet wurde.<br />
Eine Verfügung der Kameral-Kanzlei zu Sigmaringen weist<br />
die Ortsvorgesetzten der Grafschaft Veringen und der Herrschaft<br />
Sigmaringen an, der Aschensammlung des J. M. Sauter<br />
von Ebingen auf Erfordern jegliche Unterstützung zu<br />
leisten und zu verhindern, daß „von niemand sonst als nur<br />
dem erwähnten Beständer" die Asche gesammelt und aufgekauft<br />
werde. Als jährliches Pachtgeld hatte Sauter 150<br />
fl zu bezahlen.<br />
Nach Ablauf dieser 6jährigen Pachtperiode bewarb sich<br />
der Glasmeister Jakob Schmidsfeld von der Glashütte bei<br />
Wald um den Aschenbestand. Er begründete seinen Antrag<br />
mit dem Hinweis, daß der Aschenbestand des Fürstentums<br />
Sigmaringen ihm zur Fortführung seiner Glasfabrik unentbehrlich<br />
sei, da ihm alle Akkorde im Großherzogtum<br />
Baden aufgekündigt worden seien. Somit wurde Schmidsfeld<br />
die Aschensammlung im Fürstentum Sigmaringen übertragen,<br />
mit Ausnahme des Ortes Talheim. Er hatte für die<br />
nächsten 6 Jahre einen Pachtbetrag von 150 fl zu entrichten.<br />
1817 wurde es nochmals notwendig, gegen den Schwarzhandel<br />
im Aschenverkauf vorzugehen. Eine diesbezügliche<br />
Verordnung der fürstlichen Regierung vom 11. Juli 1817<br />
wies insbesondere die Polizeisoldaten im Fürstentum an,<br />
dem Aschenhandel besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Die Aschensammlung und Pottaschensiederei bestand im<br />
Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen bis zum Jahre 1848.<br />
Die bisherige Pottaschengewinnung fiel den wissenschaftlichen<br />
und technischen Erungenschaften in der bisherigen<br />
Form zum Opfer und wurde durch die industriellen Fortschritte<br />
überholt. Die Aufhebung der Pachtverträge zum<br />
Sammeln und Ankauf der Holzasche wurde durch landesfürstliche<br />
Verordnung vom 14. März 1848 angeordnet. Damit<br />
wurde der etwaige Weiterverkauf der Holzasche freigegeben.<br />
Ein Jahrhundert alter Erwerbszweig ging zu Ende. Ihm<br />
hatten unsere Ahnfrauen lebenslang ihre Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, denn sie waren es doch meistenteils, die die Asche<br />
aufhoben, in Säcke, Fässer und Kisten füllten und diese<br />
beim Ruf oder der ertönenden Schelle des Aschensammlers<br />
an die Sammelstelle brachten, um dafür die wenigen Kreuzer<br />
einzuheimsen, die dieser ihnen dafür gab. Im 18. Jahrhundert<br />
war die Bevölkerung meistenteils recht arm an geldlichen<br />
Einnahmen. Die „Aschenkreuzer" waren. immer eine willkommene<br />
Nebeneinnahme gewesen. F. Widemann<br />
Irrtümer lassen sich beim geschichtlichen Forschen leider<br />
nie ganz vermeiden. Selbst große Männer haben gelegentlich<br />
sich geirrt! Es wäre daher verfehlt, wenn man mit Veröffentlichungen<br />
warten würde, bis restlos alle Fragen geklärt<br />
und alle Irrtümer ausgeschaltet sind. Ebenso verfehlt war es<br />
aber auch, wenn mir vor Jahren ein bekannter Heimatfreund<br />
den Vorwurf machte, ich sei in einer gewissen Frage vor<br />
einem Jahr anderer Meinung gewesen! Darf man<br />
denn unzufrieden sein, wenn jemand etwas Neues<br />
dazu lernt? Gefährlich ist es, einen Sachverhalt verbessern<br />
zu wollen, meist gibt es eine Verböserung! Die<br />
gröbsten Fehler entstehen dann, wenn man bloße Vermutungen<br />
als bewiesene Tatsachen ausgibt! Krs.
Nach 1 km folgt an der Straße hin das Dörfchen Starzein.<br />
Die Bahn fährt hoch darüber hin, hart über dem<br />
manchem Wanderer bekannten Gasthaus zum Höfle und der<br />
Kirche. Man blickt hier rechts hinauf in das oberste Starzeltal<br />
(Scharlenbachtal), das sich westlich gegen Onstmettingen<br />
hinaufzieht. Trotzige Bergköpfe schauen rechts in das Tal<br />
herein (auf einem die alte Volksburg Starzein über der<br />
Kirchstaig, auf der bis 1612 das Johanniterklösterlein stand.<br />
Zollerheimat 1940. 9 und 1941, 13—17.) Von der andern Seite<br />
grüßte die breite Schnaithalde. Oestlich von Starzein führt<br />
eine steile Steige am Starzler Nehberg hinauf nach Ringingen.<br />
Starzein und Hausen haben eine gemeinsame Haltestelle<br />
der Bahn. Immer näher treten die Berge zusammen, immer<br />
höher fahren wir am Hange hin, hoch über dem ausnehmend<br />
sauberen Hausen, das auch durch etliche schöne<br />
Holzhäuser ausgezeichnet ist, die denen im Steinlachtal, in<br />
Nehren, Mössingen und Ofterdingen gleichen.<br />
Von Hausen laufen Straßen nach Onstmettingen, nach<br />
Tailfingen über Neuweiler (nach Hermannsdorf-Bitz dürfte<br />
ein Irrtum sein, nur ein steiler Bergpfad am Uesterbrunnen<br />
vorbei), und nach Burladingen. Seine Markung greift auf den<br />
Burladinger Talpaß hinauf und umfaßt noch den Hohenrain,<br />
914 m, der das Vergnügen hatte, Heinrich getauft zu werden,<br />
weil Hohenrain und Heinrich schwäbisch Hoara ziemlich<br />
ähnlich klingt. (M. W. hieß der Berg 1544 „Heinrichs Halde",<br />
was das Rätsel lösen dürfte!) Nördlich gegenüber liegt der<br />
„Obere Berg 904 m, der durchs Killertal so weit ins Land<br />
nach Westen schaut. (Oestlich schließt sich an ihn der Hausener<br />
Kapf an mit schwachen Resten einer mittelalterlichen<br />
Burg; Hohz. Heimat 1954, 4—6.).<br />
An der Berghalde hin immer steigend und etwas ostwärts<br />
gewendet, nähert sich die Bahn wieder der Straße, von der<br />
sie schließlich ein Stück der alten Steige zugedeckt hat. In<br />
tiefem Einschnitt fährt sie aufwärts, rechts das Neubrunnentälchen<br />
lassend, und erreicht die Wasserscheide, 737 m. Bei<br />
dem Bahnbau kamen hier herum geologische und noch mehr<br />
archäologische Merkwürdigkeiten zutage, wie ich sie im<br />
Oktober 1899, als ich der Altertümer wegen nach dem Stand<br />
des Bahnbaues sah, zu meiner Ueberraschung entdeckte<br />
(Schwab. Chronik 1899, S. 512).<br />
Der Bahneinschnitt legte zunächst die Bodenverhältnisse<br />
und die Schichtung klar: unten Kalkstein, dann<br />
Geschiebe, darüber Lehm, hierauf schwarzer torfartiger Boden,<br />
dessen Linie an einer Stelle fast trichterförmig verläuft,<br />
wie von einem Sumpf herrührend. Oben fand sich<br />
1 !•> bis 1 m, später IV2 m mächtiger Ackerboden. In jenem<br />
schwarzen Lager fanden sich die dickwandigen Reste eines<br />
römischen gelben Tonkruges von groben Formen, der etwa<br />
60 cm hoch gewesen sein muß. Von dieser Fundstelle an fand<br />
sich zwischen der schwarzen Schicht und dem heutigen<br />
Ackerboden eine dünne Kulturschicht aus Kies, Boden und<br />
Scherben. Das ist die römische Kulturschicht.<br />
Was darüber liegt, ist aufgeschwemmt worden und gewachsen,<br />
stellenweise bis mehr als 1,5 m. Dadurch kam es, daß<br />
Grabhügel, die hier herum sich befanden und die verraten,<br />
daß diese Stelle schon in vorrömischer Zeit ein Wohnort<br />
gewesen sei, ganz in den Boden kamen. Vielleicht wurden<br />
sie z. T. auch schon von den Römern eingeebnet. Nur<br />
fremdartige Felsbrocken, die da und dort den Bauern beim<br />
Pflügen störten, aber selten beseitigt wurden, verrieten<br />
deren Stelle. Am 14. November 1899 wurde ein solcher Felsen<br />
ohne Mühe beseitigt und darunter fand sich eine hübsche<br />
Bronzeschnalle, darin ein Bronzemesser und unfern eine sehr<br />
schöne Fibel aus der Hallstattzeit (S. 234 berichtigt<br />
aus „Bronzezeit), jetzt im Besitz des Landeskonservatoriums.<br />
Auch zwischen Burladingen und dem an Grabhügelfunden<br />
reichen Gauselfingen wurden auf einer Wiese „bei der Gasse"<br />
nach Zingeler bei der Abdeckung des Rasens ganze Töpfe<br />
und bronzene Gegenstände gefunden und scheints verschleudert.<br />
(Platz des ehemaligen Maigingen!)<br />
Längst ging die Sage, hier außen l'A km westlich von<br />
Burladingen (auf der Schlichte) habe eine Stadt gestanden.<br />
Und in der Tat finden sich rechts drüben am nördlichen und<br />
nordöstlichen Hang auf Hausener und auf Burladinger Markung<br />
ausgedehnte Grundmauern römischer Gebäude,<br />
wie der Landeskonservator Laur von Sigmaringen<br />
und der Schriftleiter (unser Nägele) in gemeinsamer<br />
Forschung aufs neue feststellten. Weiter unten am Neubrunnen<br />
(jetzt für eine Brunnenleitung nach Hausen gefaßt)<br />
fand sich schon früher bei der Anlage des neuen Stückes der<br />
TaHrganp <strong>1960</strong><br />
Burladingen und das Killertal (Schluß»<br />
Straße nach Zingeler ein römisches Grab. Diese Siedlung<br />
(auf der Schlichte) war an einer Straßenkreuzung angelegt,<br />
die heute durch das Kreuz bezeichnet ist. Die Talstraße Burladingen—Hechingen—Friedrichstraße,<br />
die selbstverständlich<br />
als römisch bestanden hat, wenn auch die Zurichtung sehr<br />
wenig sorgfältig war, wurde gekreuzt von der Linie Laiz—<br />
Bitz — Hermannsdorf — (Ringinger Kapelle) Salmendingen —<br />
Pfullingen. Auch diese ist nicht durchaus gleichartig gebaut<br />
und vielfach, z. B. zwischen hier und Bitz kaum auffind- und<br />
nachweisbar. Gerade an der Stelle, wo sie über das Tal laufen<br />
und vom Einschnitt durchbrochen werden mußte, zeigte<br />
sich hüben und drüben am Einschnitt, 1,40 m unter der heutigen<br />
Erdoberfläche, ein kräftiger Steinsatz in der Breite<br />
von 5 m und der Stärke von 50 cm, im oberen Teil wie gemörtelt,<br />
rechts und links mit tiefgreifenden Randsteinen.<br />
Obwohl dieser Steinsatz nach Süden und Norden nicht weiter<br />
zu verfolgen war, ja geradezu aufhörte (?), wird er eher die<br />
Straße, als eines der Grundgemäuer gewesen sein. 5V2 m<br />
östlich dieser Stelle beseitigte der Bahnbau eine im Boden<br />
steckende gewaltige Grundmauer von 1 x k auf 9 m.<br />
Die unterste Schicht des noch 1,70 m hohen und 1,20 m starken<br />
Fundaments mit kräftigem Eckstein befand sich in<br />
gleicher Höhe mit jenem Steinsatz. Aber auch 5 m südlich der<br />
Südmauer kam ein Mauerstück zum Vorschein und 60 m östlich<br />
davon noch mehrere querlaufende, 3,5 und mehr m auseinander.<br />
Uebrigens hatte sich jenes bronzezeitliche Grab nur<br />
50 m ostwärts jenes großen Grundgemäuers gefunden, befand<br />
sich also innerhalb der Ansiedlung. Ob jenes Grundgemäuer<br />
von einem römischen Gebäude stammt, oder von der<br />
späteren Kapelle, die hier oder ganz in der Nähe gestanden,<br />
und ob vielleicht diese Kapelle auf römischem Sockel<br />
erbaut wurde, ließ sich nicht feststellen. (Später ist nachgetragen,<br />
Oberlehrer Speidel habe aus Burladingen mitgeteilt,<br />
es müsse sich um die Schlichtekapelle handeln, die am Chor<br />
erkannt wurde. Zur Kapelle vgl. Heimatklänge des Zoller<br />
1934 Seite 51.) Bei der gänzlichen Beseitigung fand sich im<br />
Innern in der Tiefe wieder ein bronzzeitliches Grab, nach<br />
Laur aus der Hallstattzeit, außerdem eine römische Münze<br />
von Trajan. Weiter nach Osten lag auf mehrere hundert<br />
Meter hin alles voll schwarzer, gelber, brauner, und roter<br />
Scherben von der kräftigsten Amphora bis zum feinsten<br />
Siegelerde-Gefäß. Auch viele römische Münzen aus verschiedenen<br />
Zeiten wurden früher und neuerdings gefunden, kamen<br />
aber nie in eine Hand. Und weiter innen, in der Nähe<br />
des Bahnhofes, stieß man auf eine große Anzahl Reihengräber.<br />
Kein Wunder, daß Burladingen zu den frühest genannten<br />
Plätzen Schwabens gehört. Das Kloster Lorch erhielt hier<br />
772 verschiedene Güter. (Das römische Erd- und spätere<br />
Steinkastell rechts der Bahn und Straße östlich des Neubrunnentälchens<br />
wurde dann von Joh. Dorn-Weiler Haid<br />
entdeckt und 1912 ausgegraben, vgl. Hohz. Heimat 1952, S. 43).<br />
Ueber den Namen Burladingen hat ausführlich Oskar von<br />
Ehrenberg in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte<br />
Hohenzoll. 31, 1897, 82 gehandelt. Die älteste Form ist Burdleidingen.<br />
Zu Grunde liegt also de- Personenname Burdleid,<br />
wofern kein Schreibfehler für Burleid vorliegt. Der zweite<br />
Teil kann je nachdem Führer (Leiter), der erste Bürde oder<br />
Schild oder, wenn Bur anzunehmen wäre, Bauwesen oder<br />
Haus bedeuten. Burleid = Haus-Herr ist in der Tat ein mit<br />
gutem Grund annehmbarer Name. Die Markung, in der diese<br />
Ansiedlung lag, mußte nun nach der Angabe von 772 die der<br />
Burichinger gewesen sein, die nach Baumann — er setzte bei:<br />
falls ich richtig verstehe — außer Burladingen noch die Orte<br />
Melchingen, Salmendingen, Genkingen, Gauselfingen sowie<br />
das abgegangene Megingen bei Burladingen und Merioldingen<br />
(Flur Mertingen zwischen Melchingen und Stetten) umfaßte.<br />
Diese Mark scheint zu einem Gau oder Grafschaft<br />
desselben Namens, dem Gau der Burichinger, erhoben worden<br />
zu sein, in dem noch Erpflngen, Meidelstetten, Feldhausen,<br />
Undingen, Bernloch genannt werden, nach Baumann<br />
aber auch noch Gammertingen und wonl auch Oberstetten<br />
und Wilsingen lagen (dazu Trochtelfingen, Willmandingen,<br />
Genkingen, Ringingen, Jungingen, Killer, Hausen, Hettingen,<br />
Kettenacker, Neufra, Mägerkingen usw.)<br />
Als Grafen erscheinen 778 Erkenbert, 841/72 Witpert. Später<br />
gehörte die Herrschaft den Grafen von Gammertingen<br />
und fiel bei deren Aussterben am Ende des 12. Jahrhunderts<br />
an Berthold von Neifen (bzw. den Markgrafen Heinrich von<br />
Ronsperg. Hohz. JHeft 1937, 59—90; 1950, 143—149.) Von da<br />
an wechselten die Besitzer häufig. Vom 14 Tahrhundert an<br />
erscheinen als Teilbesitzer die Zollern. Friedrich von Zollern,
Jahrgang-fcDCD HOHENZOI, 1,'® BISCHE HEIMAT 67<br />
Bischof von Augsburg, baute 1485 (richtiger 1492!) im Ort<br />
Burladingen ein Jagdschlößchen, das später öfters renoviert<br />
wurde, aber 1886 abbrannte (und als Wirtschaft z. „Schlößle"<br />
nochmals 1925. Bild des Schlößle s. Albv.-Blätter 1925, S. 205.<br />
Doch irrt sich Nägele, wenn er an dessen Stelle „das neue<br />
Gebäude des Gasthofs zum „Reichsadler" annimmt, der inzwischen<br />
vor wenigen Jahren in ein Kaufhaus umgeändert<br />
wurde.) Das Merian'sche Bild von der gesamten Zollerlandschaft<br />
führt auch das Killertal vor, doch recht vereinfacht<br />
und stilisiert, vom Standpunkt des heutigen Bahnhofs Hechingen<br />
aus. Man erblickt auf ihm — was ganz unmöglich ist —•<br />
am Ende des geradlinig gezeichneten Tales oben Burladin-<br />
Die Flurnamen<br />
Die Quellenlage gestattet lediglich eine Betrachtung über<br />
die letzten 400 Jahre. Es zeigt sich, daß die Flurnamen wesentlich<br />
standfester waren, als die sie bebauenden Familien,<br />
sind doch von letzteren seit Anfang des 16. Jahrhunderts<br />
nur noch die Maier vorhanden. Allerdings wurden manche<br />
Flurnamen, wenn man sie nicht mehr verstand, geändert<br />
und umgedeutet! (Hilfsmittel: Michel R. Buck, Oberdeutsches<br />
Flurnamenbuch 1880, zweite Aufl. 1931; Remig<br />
Vollmann, Flurnamensammlung 1926; Walther Keinat, Ortsund<br />
Flurnamen in Württemberg 1951; Joseph Schnetz, Flurnamenkunde,<br />
München, 1952. Michel R. Buck, Hohenzollerische<br />
Orts(Flur-)Namen: Mitt. Hohenz. Jg. 5—7, 1871 bis<br />
1873.)<br />
Ringingen selbst, erstmals erwähnt kurz vor 799, wird gewöhnlich<br />
erklärt als „Bei den Leuten des Ringo", eines vermuteten<br />
Sippenhäuptlings. Doch hieß beispielsweise der<br />
bayerische Ort Ober- bzw. Unterringingen im 10. Jahrhundert<br />
Reginingen. Möglich wäre bei uns (mit Rücksicht<br />
auf den Gerichtsplatz im Kreben) die Deutung „Bei den Leuten<br />
am Ring". Ring hieß bis ins 16. Jahrhundert die Zuhörerschaft<br />
bei Gerichts- und Gemeindeversammlungen des<br />
Gebiets zwischen Tübingen-Memmingen-Urach-Augsburg.<br />
(Festschrift zum Kreismusikfest Ringingen 1952, S. 17.)<br />
Die 1296 ha umfassende Gemarkung, zu der noch 300 ha<br />
auf dem Salmendinger Heufeld kommen, war mit Ausnahme<br />
des letzteren seit alters in drei Esche geteilt: Kappel-<br />
Esch oder Uf Haugk zwischen der neuen Killerstraße und<br />
dem alten Salmendinger Weg, Bräuneschmack zwischen<br />
genanntem Weg und der Käppelestaig bzw. Weg nach<br />
Stetten, und Esch Tiefental zwischen Käppelestaig und<br />
der neuen Straße nach Killer. Das Klein-Eschle zwischen<br />
letzterer und Karies Kreuz ob dem Stichle wurde bald zu<br />
Tiefental, bald zum Kappelesch gebaut. Die Dreifelderwirtschaft<br />
wird noch immer im wesentlichen eingehalten, nur<br />
daß im Brach-Esch Kartoffeln, Klee und Rüben gepflanzt<br />
werden.<br />
Abkürzungen: PN = Personenname, so = südöstlich,<br />
nw = nordwestlich, nö = nordöstlich usw.<br />
1. Ackermanns Wies, auf Hälschloch unterhalb der<br />
Quelle.<br />
2. Am Äscherhaufen, 19. Jahrh. zwischen Hc' lweg<br />
und Hilbgasse bzw. Gäßle bei den Häusern 89, 91. Äscher<br />
nannte man die Aschen-Ueberreste vom Waschen mit<br />
Aschenlauge oder „Bauchen".<br />
3. In Äsental südl. der Altegert, 1545 Ensental, wohl<br />
von äsen = weiden. Sonst auch Autmuott-Daudtmuot (1524)<br />
genannt. Hier war 1530 eine Auchtert oder Weide = Auchtert-Mulde.<br />
4. * Ahr us, Ah-Runs, Wasserrinne, 1545, jetzt Wasserrauns.<br />
5. Aloises Schlößle, Burgruine Ringelstein nach den<br />
neuerlichen Besitzern Alois Stözle, bzw. Alois Dorn (Hohz.<br />
JHeft 1954, 103 ff.).<br />
6. Alt-Egert 1530, no an der Salmendinger Grenze.<br />
Egert (Eagert) bezeichnet einen schlechten Grasplatz, der<br />
weder als Wiese, noch weniger als Acker genutzt werden<br />
kann. Vielleicht waren die Egerten früher durch einen Zaun<br />
von der Ackerflur getrennt, ob je umgeackert, ist unsicher.<br />
Die Ableitung ist dunkel. Buck vermutete „Brache", die späteren<br />
sind nicht über Versuche hinausgekommen. Vgl. Saur-<br />
Egert, Mad-Egert.<br />
7. * Bei der A s p 1545, Espenbaum am Hechinger Weg.<br />
8. Im Bach, Gasse mit Wässerlein vom Saumärkt bis<br />
Kreben, seit einigen Jahren kanalisiert. Ein früherer Kanal<br />
unter Pfr. Westhauser war zu eng und bald vernachlässigt.<br />
9. Uf B a c h e n a u, eigentlich oberhalb B., 1488 Holz<br />
genannt Bachnow an des Schwelhers Wiesen, 1545 ob Bachnerstaig,<br />
Nordwestecke der Markung, offenbar von Jungin-<br />
Joh. Ad. Kraus<br />
gen und davor noch das Kirchlein auf der Wasserscheide, auf<br />
der Schlüchten. — Soweit Nägele.<br />
(Das Römerkastell bestand nur vom Jahre 85 nach Christus<br />
bis etwa 110, wo es durch Feuer vernichtet wurde. Da<br />
die Römer inzwischen auch ins Albvorland und Neckargebiet<br />
vorgedrungen waren, erübrigte sich hier eine Paß-<br />
Sperre! Ob später die Franken bei Unterwerfung der Alemannen<br />
nach 500 eine militärische Sicherung hier stationierten,<br />
ist unbekannt. Zur Römerstraße Laiz-Burladingen-<br />
Salmendingen Mittl. Hhz. 1893 S. 92—95 und vor allem zum<br />
„Alblimes" bei Burladingen—Ringingen: Blätt. des Schwäb.<br />
Albvereins 1925 S. 217—224.) Krs.<br />
von Ringingen<br />
ger Gebiet heraufgenommen: Bach und Au. 1488 Bachnower<br />
Weg, unten an die Holstaig uf Sechamer Berg stoßend.<br />
10. In B ä b e 1 o c h, Wald zwischen Kernenwies, Burren,<br />
Hairies Wäldle; 1545 Bebenloch; vielleicht, da an der westl.<br />
Ecke eine Bernharduskapelle stand, die auf Bebenhausen<br />
weist, „Bebenhauser Loch". Loch, heute mit kurzem o, auch<br />
in Eisenloch, Schopfenloch zu loh = lucus — lichter Wald.<br />
11. *Bauren-Egertle 1670; an der Madegert bzw.<br />
Galggruob.<br />
12. 'Bernhardshalden 1694 = Renhartshalden 1530<br />
= Raißles Häldele.<br />
13. *Bernhardskäppele 1694 = Weilerkäppele, um<br />
1834 am westl. Eck des Bäbeloch abgegangen, wo jetzt der<br />
Bildstock steht. Das Erdloch habe um 1850 als Erzwäsche<br />
gedient. 1530 St. Bernharden. Renoviert 1693.<br />
14. *Bilderhäuslin 1524; zwei Bildstöcke: an der<br />
Heerstraße (wohl jetzt Bernhardskreuz) und am Heufelder<br />
Weg (Karies Kreuz).<br />
15. Beim Bilga-Steckle, heute Steinbildstock „Christus<br />
im Kerker", vorher um 1920 Hochkreuz, früher offenbar<br />
Bildstock am Kappelfußweg sö der Kap.<br />
16. *Bildstock 1545 = heute Talwieser Kreuz an der<br />
Weggabel Buoweg-Talwies.<br />
17. An Birenstall, südl. des Saumärkts, hieß 1524<br />
Bürtestal, 1578 Bürdestall, Tal des Birchtilo, Berthold. 1660<br />
Bührenstall.<br />
18. Uf Birklesberg, Heufeld ob Hechinger Staig.<br />
Wohl zum PN Birkle oder Bürkle = Burkart. 1578 Bürglisberg,<br />
jetzt in Romern genannt.<br />
19. U f der Bitze, Ortsausgang gegen Melchingen, 1530<br />
Bitzin bizuna = beim Ortszaun bzw. Hag, dessen Verlauf<br />
im Fleckenbuch 1530 beschrieben ist.<br />
20. Im Boschen (nicht Böschen!), noch um 1800 Weideplatz,<br />
der mit einzelnem Buschwerk bestanden war, heute<br />
Wald der Gemeinde zwischen Kirchholz und Hairawald.<br />
21. In Bräuneschmack, entstand aus Breunismatt<br />
1545 = Matte oder Wiese des Breuning. Ackerflur am Ostrand<br />
der Markung, südl. vom Talwies. Heute ist das Wort<br />
Matte hier nicht volkstümlich! 1578 Breimischmadt.<br />
22. *Breitenstaig, Breitenstroß 1545, heute oberster<br />
reil der Burladinger Straße oder Dannemer Weg an der<br />
Hagenwiese entlang. Oberhalb gegen den Weilerhügel lag<br />
nämlich die „Herrschaftsbreite", eine zweite in Feilen, eine<br />
dritte im Esch Bräuneschmack (Hasengairle). S. Herrenbraite.<br />
23. * D i e Bratwurst, an der Heerstraße, wohl nach<br />
der Form des Ackers.<br />
24. * D a s Brechgrüble unter dem Stichle in Saia,<br />
jetzt durch die Straße überbaut. Zum Trocknen und Brechen<br />
des Hanfes hat man gern Feuerstellen errichtet. Solche sind<br />
nördl. des Nähbergwaldes und an Kernenwies zu vermuten.<br />
25. Der Brühl (Brial), Oberer B. oberhalb des Grabens"<br />
hinter Basties Haus", unterer an Salmdg. Weg und Galggruob.<br />
Uraltes Wiesengelände der Herrschaft. Brolig = Bruch<br />
= Nasse Wiesen. 1524 Priel.<br />
26. * D i e Brunnenstaig, heute Staig oder Alte Staig<br />
am Saumärkt.<br />
27. Die Brunnenstube, Quellfassung am Fuß der<br />
genannten Staig, dabei bis ca. 1630 die Badstube mit<br />
Scheuerle (Hs. 75, 76).<br />
28. Der Büchenbach mit Buchenbrünnle hinter<br />
der ehem. Seemühle, mündet bei Killer in die Starzel.<br />
Buchbach 1488.<br />
29. Das Buckental an der Straße nach Burladingen,<br />
die 1729 Burladinger Straße hieß. Vorher ging der Fahrverkehr<br />
durch Tiefental (Straße). Buck = Burkhart, vermutlich<br />
Burchart von Ringenstein 1294.<br />
30. Im Bugweg = Buochweg, geht 1530 „bis unter das<br />
Buch hinuf", (Buchhalde) 1524 Buochstig. Der Steig war ein<br />
Fußweg, im Gegensatz zur Staig = Fahrweg!
68 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
31. Burladinger Weg, 1729 Neue Burladinger Straß,<br />
jeztzt schön geteerte Kreisstraße.<br />
32. Der Burren mit Burrenhaile = kleiner Hau<br />
oder Wald auf dem Burren. Was ein Burren ist, braucht<br />
man einem Schwaben nicht erklären. Hier 1545 „die Reutinen"<br />
= ausgerodete Stelle, die jetzt wieder teils aufgeforstet<br />
wird.<br />
33. Der Dannemer Weg, Straße zwischen Weiler und<br />
Kernenwies an der Hagwiese entlang. 1530 Dornerweg, nach<br />
den Dornhecken.<br />
34. Der D i e b s t e i g, führte als Fußweg, jetzt Fahrweg<br />
von Breineschmack schräg auf die Höhe. Vermutlich Diet =<br />
Volk, wenn auch schon 1545 Tübsteig. Oben wächst Immergrün,<br />
muß also ein Gärtie bestanden haben!<br />
35. 'Dietrichsgrund 1524 = Feilen an der Heerstraße.<br />
„Dietrichsgut" von 1524 mit Haus Nr. 127 in der<br />
Enggasse verbunden; Ebinger Lehen.<br />
36. «Dodtmuot, Taudtmuot 1524, = Äsental. 1530<br />
eine Auchtert = Weideplatz: D'Aucht-Muot = Mulde!<br />
37. * D r e i Brunnen in Saia am Siechenbrünnle, wo<br />
mehrere Quellen sind. Eine hieß 1545 Sehenbrinlin.<br />
38. Beim Eichle oder Eich, auf Heufeld zw. Pfarrhaken,<br />
Riemen, Klaffensteig und Gastwiesen.<br />
39. 'Der Ehenberg, öhenberg, 1545 Ähenberg, siehe<br />
Nehberg!<br />
40. *Eichhalden 1800, heute Einlanden, Wald ohne<br />
Eichen!<br />
41. In E i n e c k, 833,4 m, Bergnase des Seeheimerberges<br />
gegen Jungingen mit abgegangener Burg, die 1545 Frundspürglin<br />
hieß, vermutlich nach Anna von Neuneck bekannt,<br />
erster Frau des Heinrich von Affenschmalz 1390, oder von<br />
Veronika von Neuneck 1507. (Albvereinsblätter 1950 S. 3.<br />
Hohz. JHeft 1954 S .125.<br />
42. In Einlanden; 1545 Leinlanden, Wald zw. Weilerwiesen<br />
und Buckental. Ob von Lein = Flachs, oder von<br />
Lein-Ahornbaum? Die Endung -landen und alte Ackerbeete<br />
scheinen mehr auf Flachs zu deuten.<br />
43. I n E i s e n 1 o c h, 1530 Ysenloch, Gemeindewald mit<br />
alten und neueren (1850) Bohnerzgruben. Zwischen dem vorderen<br />
und dem hinteren Eisenloch fand sich 1530 ein Gemeindetrieb.<br />
44. Eisenlocher Wasen, nördlich dem genannten<br />
Wald vorgelagert, darauf ein merkwürdiger langgezogener<br />
Damm (ehemaliger Weg?).<br />
45. Eng e, im Unteren Talwies an der Melchinger Grenze,<br />
wo das Tal sich verengt.<br />
46. In Enk 1544, Unter Engkh: Südwestecke der Markung<br />
in Tiefental, wo jedoch keine Enge zu finden ist. Vermutlich<br />
vom Starzeier Feld heruntergenommen. 1400 Unter<br />
Enche.<br />
47. Enggasse von der Kirche zum Kreben. 1545 Enggasse<br />
und Tenggasse! Ob D'Enggaß oder Ding = Thing =<br />
Gericht?<br />
48. *Eh ringsteig, der Mehrensteig, Irensteig, ein alter<br />
Fußweg 1545 in Gegend des Wasserrauns oder Unter Schopfenloch.<br />
Das M entstand aus „Am Ehringsteig", vielleicht<br />
„früherer Steig" = Fußweg.<br />
49. *Erdäpfelteile, 1780 hinter Nähberg in den<br />
Lehmgruben!<br />
50. * E 11 e n b e r g ca. 1400, heute Mettenberg, also „Am<br />
Ettenberg". Vielleicht von Etter = Zaun. Ein Dillzaun ist<br />
noch 1580 an der Burladinger Grenze erwähnt: Füllesgarten!<br />
51. Falken, an der Burladinger Grenze beim Hagweg,<br />
1530 Falck; unweit davon liegt die Burladinger Burgstelle<br />
Falken (Falken im Wappen!).<br />
52. Fegers Kreuz 1530 (804,2 m) = Inneres Kreuz am<br />
Hechinger Weg = Zweikreuzen. Sicher vom FN Feger.<br />
53. In Feilen, Fäulen, Veihlen, südl. des Gallenbühl.<br />
Schwerlich zu Faulwasser, da ganz trocken, eher zu Feil =<br />
Weidefeld.<br />
54. F e 1 s e n h a u, Gemeindewald zw. Burren, Herrenwald,<br />
Tannsamen mit höchstem Punkt der Gemarkung 912,7 m.<br />
55. 'Finstre Teile 1530, auch Hintere Teile; Talschlucht<br />
an der Killer Grenze zw. Hasenbühl und Saia. Hier<br />
unten bis 1847 gemeinsame Egert für Killer und Ringingen.<br />
56. Franzosenhau, seit 1946, wo die Franzosen den<br />
schönen Tannenwald im Boschen umhieben.<br />
57. *Frundspürglin 1545, Altes Schlößle 1548 = Eineck.<br />
Frund • Freund.<br />
58. 'Fuchsloch 1524, = Luchsloch 1751, bei „Uf der<br />
Luus" oder Ufm Ofen (Heufeld).<br />
59. Füllesgarten aufm Burladinger Mettenberg (Ettenberg),<br />
Dillzaun an der Grenze noch 1580; und 1762 heißt<br />
es: Mettenberger Tille am Vohlengarten (Zollerheimat 1937,<br />
6—7).<br />
60. Das Fürchtle, Talwieser periodischer Bach; 1545<br />
Furli.<br />
61. Uf den Fürsamen, Fürsinen 1545, Viesama, Fürsonen,<br />
Fürsaum = Wiesensaum vor Aeckern. An der Markungsgrenze<br />
gegen Heufeld, westl. der Viehweide.<br />
62. Hintern Gärten, Äcker am Ostrand des Dorfes<br />
südlich der Bitze.<br />
63. Beim Gärtie (Gäätle): ehem. Waldpflanzschule östl.<br />
des Tannsamens.<br />
64. In Galggruob, Kalchgruob am Talwieser Weg 1545,<br />
heute nur Steinhaufen.<br />
65. Am Gallenberg, am Westrand des alten Dorfes<br />
mit der 1834 abgebrochenen Galluskapelle.<br />
66. G a 11 e n g a rt e n auf dem Gallenberg, gehörte bis 1535<br />
der Kapianei, dann dem Pfarrer, seit 1874 privat. Die Felder<br />
westlich der Straße heißen richtig: Beim Gallengarten!<br />
67. G a 11 e n b ü h 1 (Ton auf ü) 1530, „Sankt Gallen Bühl"<br />
1562, an der Nordgrenze der Markung. Die Galluskaplanei<br />
besaß dort große Grundstücke.<br />
68. Galt stelle, aufm Burren: Wo man das Galt- oder<br />
Jungvieh bei der Weide ausruhen ließ.<br />
69. Gastwiesen zw. Hechinger Weg und dem Eichle.<br />
Die Junginger hatten hier Grundstücke und auch ein beschränktes<br />
Weiderecht: Gäste.<br />
70. Der Geißacker am Langenrain, streckt auf<br />
Schopfenloch. Name?<br />
71. *Gemeinmärk, gemeinsames Weideplätze 1530 mit<br />
der Nachbargemeinde am Stellflecken, auf Gallenbühl, unter<br />
der Finstern Teile. Ebenso hatte Ringingen die Burghalde<br />
gegen Melchingen mit Trieb und Tratt zu nutzen.<br />
72. Uf Gen steig, eigentlich „Oberhalb G."; nördlich<br />
von Lauen, sö vom Hörnle auf Heufeld: Gangsteig, alter<br />
Fußweg von Jungingen herauf. 1524 Günsteyg, 1578 Gänssteig.<br />
73. U f G o 1 d g r u o b, beim Haken (Heufeld), vermutlich<br />
Kalkgrub?<br />
74. *Goosbrunnen, Gänsebrunnen im Kreben, seit ca.<br />
1881 bis 1930.<br />
75. A m Graben, der große Entwässerungsgraben des<br />
Dorfes, dessen Anschwemmungen den alten Brühl in 2 Teile<br />
teilte. Grabenwiesen sind einfach Wiesen am Graben,<br />
nicht „vergrabene Wiesen", wie Birlinger wollte. 1524 Runs.<br />
76. Graußbrunnen am Kästlesbühl, 1695 Gauchsbrunnen.<br />
Im Jahre 1560 ist ein Ludwig Gauch nachzuweisen.<br />
Kaum von Gauch = Kuckkuk oder einer Krötenart. Groß ist<br />
die Quelle sowieso nicht, obwohl einer 1740 Großbrunnen<br />
schrieb.<br />
77. Im Grund, Niederung hinter dem Nehberg, zw. ihm<br />
und Kohlhalde.<br />
78. *Haberkernengasse 1790, heute Hilbgasse nach<br />
der 1911 zugeschütteten Hilb. Vermutlich auf die ehemalige<br />
Zehntscheuer (Nr. 81) anspielend.<br />
79. An Hägern: Heckenhage an der Dorfseite des<br />
Hälschloch.<br />
80.) Hälschlah, Hälschloch, Hellschloh, 1530 Hälischloch,<br />
1524 Höllischloch, Loch = lucus = lichter Wald. Erste<br />
Silbe unklar. Häl wäre schlüpfrig. Hälisch vielleicht von<br />
Schwäb. Hall? Doch sind keine Beziehungen nachweisbar.<br />
Wurde 1912 von der Schule „Kaiser Wilhelms-Hain" umgenannt,<br />
aber ohne Erfolg! Höllisch zu Höhle? 1524 Hellischlochs<br />
Bronnen.<br />
81. H a g e n w i e s e n: Gemeindewiesen zum Unterhalt der<br />
Zuchtstiere: Hägen.<br />
82. H a g s t a g 1524, stieß an Kirchholzer Staig hinauf.<br />
Muß auf ein Hag hindeuten. Auch „Hauchstaig", „Haugksteig",<br />
was hohe Staig heißen würde!<br />
83. Hag weg, Herrschafts- jetzt seit 935 Staatswald zw.<br />
Hautenwies und Stellflecken. Schon 1545 „Am klain helzlin,<br />
genannt das Hag, gat bis uf den Falken hinab", zwischen<br />
dem Hagweg und Burladingen.<br />
84. H a i r a w a 1 d, 1545 Herrenwald, Herrschafts- jetzt<br />
Staats wald.<br />
85. Hairagarten zwischen Bach und Hilbgasse, von<br />
Familie Dieter 1879 von der Herrschaft erworben.<br />
86. Haira-Rain (Heira Roi) zwischen Kappelfußweg<br />
und Neuem Weg, am ehem. Herrschaftsacker. Herr muß ursprünglich<br />
ein langes e gehabt haben, sonst wäre es in der<br />
Mundart nicht zu ai geworden: hehrer ist Steigerungsform<br />
von hehr.<br />
87. s' H a i r 1 e s W ä 1 d 1 e : Herrle = Pfarrer. Aus diesem<br />
Gemeindewald erhielt der Herr Pfarrer (S. Hairle) sein<br />
Bürgerholz. 1545 Kirchenholz und Pfarrers Holz.<br />
88. Ufm Haken = Pfarrhaken 1545. Pfarrwiese auf<br />
Heufeld zw. Gastwiesen und Klaffensteig. Haken = altes<br />
Wiesenmaß (Buck),
Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 69<br />
89. Ob der Halde, d. i. Seeheimerhalde, östl. von Hasenbühl.<br />
90. * H a r 1 a c h e, Horwlachen 1545, Krautländer beim<br />
ehem. Raißle. Hör = Sumpf.<br />
91. In Hasenbühl (Ton auf ü!) nw vom Killemer Kreuz<br />
an der Grenze 1660. Im Jahre 1583 wohnte in Ringingen<br />
eine Gallus Haas. Flur vom Dorf aus ganz eben, kein Bühl!<br />
92. Im H a s e n g a i 1 e, irrig Hasengagele statt -gayele,<br />
1545 Hasengern. Gaile = kleiner Gair, Geerle = dreieckiges<br />
Landstück. Ob die Endung: Lee : • Grabhügel? Hier ist zu<br />
Menschengedenken beim Pflügen ein Ochse eingebrochen.<br />
Et fand sich eine ausgetäferte (Grab?)Kammer.<br />
93. Uf der Haupt, hieß 1545 und noch lange „Uf der<br />
Haugk" = Hügel, und damit der ganze Esch Uf Haugk. Vom<br />
Dorf her ist die Haupt eine kleine Erhöhung, vermutlich<br />
sind ehem. Grabhügel längst eingeebnet, östl. und südl. der<br />
Kapelle.<br />
94. Uf Hautenwies, östl. über dem Kästlesbühl an<br />
der Burlad. Grenze. Kommt nicht von Hautmannswies, wie<br />
Zingeler meinte, sondern uralte Auten-, Auchtenwiese =<br />
Weidewiese, 1544 Uttenwies. Uochta = Morgenweide; jetzt<br />
Wald.<br />
95. Hechinger-Weg 1788, -Kreuz, -Staig, letztere<br />
auch Schiatterstaig. Uralter nächster Weg nach Hechingen.<br />
96. Heerstraße nach beiden Seiten von der Kapelle<br />
U. Lb. Frau, also zum Killemer Kreuz und von dort als<br />
„Straße" durchs Tiefental zum Burladinger Kastell, ander-<br />
seits gegen Salmendingen nordöstlich. Ebenso hieß die alte<br />
Straße Salmendingen-Hechinger Staig im 16. Jahrhundert.<br />
„Heerstraße" oder „Alt Hechinger Weg", niemals aber Schlatter<br />
Kirchweg" wie heute auf den Karten steht. (Römerstraßen<br />
siehe Mitt. Hohenz. 1893 S. 92.)<br />
97. Herrenwald usw. siehe Haira.<br />
98. *Herrenbraite, -Braike 1524, in Feilen, in<br />
Bräuneschmack und auf dem Weiler überm Dannemer Weg.<br />
99. Heufeld: 1524 Hewfeld, ebenso 1400; 300 ha<br />
Ringinger Felder auf Gemarkung Salmendingen, bis 18.<br />
Jahrh. nur Wiesen, die nach dem Heuet für die Weide<br />
aufgetan und daher kein Oehmd gaben. Weideberechtigt Salmendingen,<br />
Ringingen, Jungingen und Talheim (Mitt. Hohz.<br />
1903, 61 und 78). Die Deutung „Häufeid (Eisele) ist unmöglich,<br />
da dort nur einzelne Weidbäume und Büsche standen, aber<br />
kein Hau oder Wald!<br />
100. Heufelder Weg; -Heufelder Kreuz 890, 1 m, dabei<br />
3 Grabhügel aus der Hallstattzeit als Grenzhügel; 1530<br />
„Büheln": Heunengräber.<br />
101. Heufelder Teichle sö des Kreuzes, früher „Usserer<br />
Grund", od. Raigles-Braitin.<br />
102. 'Heunenäcker 1545, Hünenäcker 1660 beim Heufelder<br />
Kreuz (s. 100).<br />
103. Hexenbäumle, Junginger Bezeichnung für die<br />
Eiche auf Seeheimer Berg in der Mitte.<br />
104. Hilb an der Haberkernengasse (Hilbgasse), seit 1911<br />
zugeschüttet und mit Häusern Nr. 202, 203 überbaut.<br />
105. Himmelberg, 1524 Hemelberg, 1545 Heimelberg,<br />
Flurnamen von Ringingen. Verkleinerter Ausschnitt aus Bl. 7620 d. topogr. Karte 1 :25000 mit Genehmigung des<br />
Landesvermessungsamts Baden-Württemberg.<br />
Die Abkürzungen in der Karte bedeuten: Ad Adarasteich; Bi Bilgerstöckle; Br Graußbrunnen; Bu Buchenbach; Fi Finstre Teile; Gr<br />
Graben; Ha Harlache; Hi Hirschentelle; K Kohlgärtle; Kä KäppeleStaig; Ka Kalkofen; Kai Kalgruob; Ke Kessel; K Staig Kirchholzei-<br />
Staig; La Langenrain; Lein Leinladen; Ma Matheußen Wäldle; Mi äußere und innere Mitzenwinkel-Litzelwinkel; Rüb Rübteilhäldele;<br />
Si Siechenbrünnele; V Viehstellen; W Weilers Käppele-Bernhardskaplle (ehemalige); Zi Ziegelhütte. (Vergl. Blätter des<br />
Schwäbischen Albvereins 1930, S. 237 ff.). Die Straße nach Salmendingen über den Himmelberg, die 1929 gebaut wurde, ist nur angedeutet.
70 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
über den die neue Straße nach Salmendingen führt. Ob<br />
Heimel Erdmännlein, Geist, Zwerg? Oder Heim = Lagerplatz?<br />
Dort soll ein Dorf abgegangen sein, was eine Erklärung<br />
dafür sein könnte, daß das große Heufeld zu Salmendingen<br />
geschlagen wurde. Die Gegend um den Kornenbühl<br />
hieß lb25 Korningen.<br />
106. 'Hintere Teile = Finstere Teile unter Hasenbühl.<br />
107. »Hinterer Grund 1524 = Heufelder Teichle.<br />
108. 'Hirningswies 1545 mit Raißle (Hanfröße): hinter<br />
des Bachbauern Haus. Offenbar Personenname Hirning.<br />
109. Hirschacker unter Schopfenloch unweit der<br />
„Straße". Ob von Hurst = Gebüsch?<br />
110. Hirschentelle, 1530 Hirsentellin. Teile = kleines<br />
Tal unterhalb des Stichle im Saia. Hirsch.<br />
111. «Hochgesträß 1545 = Altegert mit Äsental.<br />
Meist Name für Römerstraße! Nach Hertlein hätte die Heerbzw.<br />
Römerstraße von Altgert nicht nach Salmendingen, sondern<br />
nach Melchingen übers Bergle geführt!?<br />
112. 'Auf den Höhen 1524 im Esch Hauck: ein Feilen,<br />
aber wo?<br />
113. Hörnle (Heannle) südl. der Hechinger Staig ins Killertal<br />
vorragende Bergnase mit „Hörnlesrutsch" und „Schlatter<br />
Wand". „Kutzes Himmelfahrt" soll dort eine Stelle heißen,<br />
an der ein Salmendinger Mann samt Vieh und Wagen<br />
abstürzte.<br />
114. *Hofäcker, die ins Starzler Johanniterhöfle gehörten,<br />
1612 vom Grafen von Zollern erworben. Hießen 1524<br />
„Priorsäcker": a) Auf hohen Aekern, b) beim Fegerskreuz,<br />
c) in Breineschmäck.<br />
115. Hohe Äcker hinter Hälschloch, auch „Hoher Rain".<br />
Eine „Hau-Egert" = Hohe Egert a) 1545 an der Straße,<br />
stoßt auf den Killerweg, b) an der Salmendinger Viehweide.<br />
116. Uf dem Hohen Teich zw. Fegers Kreuz und Seeheimer<br />
Staig.<br />
117. Hohlweg zwischen Nehberg und Hilbgasse, jetzt<br />
Straße auf die Staig nach Burladingen.<br />
118. Holgawies, die dem „Heiligen" St. Martin) gehörte,<br />
1844 an Private verkauft. Auf Heufeld.<br />
119. Hühneräcker, siehe Heunenäcker.<br />
120. Hühnerbühl (Hearbihl) nördl. der Altegert auf<br />
Salmd. Markung, wohl nach Rebhühnern benannt: 1525 Herbühl.<br />
Von Salmendingen führte darauf her nach Ringingen<br />
ein Fußweg.<br />
Heimatliteratur<br />
Gauselfingen. Aus Anlaß des Kreismusikfestes <strong>1960</strong> in<br />
Gauselfingen gab der festgebende Verein eine Festschrift<br />
heraus, die wertvolle volkskundliche Beiträge aus der Feder<br />
des Oberlehrers a. D. Xaver Schilling enthält. Liebhaber<br />
von Kinderversen werden nicht enttäuscht sein, wenn sie die<br />
Broschüre noch nachträglich kaufen.<br />
Neufra. Eine weitere Festschrift gab der Männergesangverein<br />
Neufra zu seiner Fahnenweihe heraus. Leander Wittner,<br />
der vielbelesene tägliche Wanderer zwischen Neufra<br />
und Gammertingen bietet in einer längeren wertvollen Abhandlung<br />
die geschichtliche und wirtschaftliche Entwicklung<br />
seiner Heimatgemeinde. Interessant ist die Notiz, daß der<br />
Gesangverein jetzt zwei Fahnen besitzt, nachdem vor kurzer<br />
Zeit eine ältere Vereinsfahne gefunden wurde.<br />
D. W. Mayer: Die Grafschaft Sigmaringen und ihre Grenzen<br />
im 16. Jahrhundert. Heft 4 der Arbeiten zur Landeskunde<br />
Hohenzollerns, Sigmaringen 1959, 242 Seiten mit 1<br />
Karte und 4 Kartenskizzen. Endlich ist der Aufsatz in Druck<br />
erschienen, der erstmals die bisher dunkle Geschichte der<br />
Grafschaft weithin aufzuhellen imstande ist. Wer freilich<br />
zur Annahme neigte, der Verlauf der Landes- und Forstgrenzen<br />
und Straßen sei ehemals ziemlich konstant geblieben,<br />
wird durch diese gründliche Doktorarbeit aufgrund<br />
eingehenden Quellen- und Literaturstudiums eines anderen<br />
belehrt. Nicht nur daß die gegnerischen Nachbarn jeweils<br />
andere Grenzpunkte vorschoben, auch die einmal festgelegten<br />
änderten sich im Laufe von 200 Jahren ständig.<br />
Wenn der Forst auf der Scheer um 1400 noch von Inzigkofen<br />
an der Laudiert ins Mühlrad von Gorheim, von dort über<br />
die Donau bei Laiz die alte Straße südwestlich über Vilsingen<br />
hinauf bis Rohrdorf und in die Ziegelhütte von Danningen<br />
zog, so gibt die Beschreibung des Sigmaringer Forsts<br />
in Württembergischer Zeit (1417) den Verlauf folgendermaßen<br />
an; Von Oberschwandorf nach Danningen-Grindelbuch—Kallenberg—Buchheim,<br />
die alte Straße hinaus und<br />
den Trauf (nicht Straße) hinab bis in den Bitelbrunn und<br />
121. 'Hungerrain 1530, jetzt „Wangerfranzen Rain"<br />
nach Franz Maier, Wagner, 1740 in Haus 96. Unfruchtbarer<br />
Rain hinter Nehberg.<br />
122. Hungerbrunnen am Sträßle nach Stetten unweit<br />
des St. Johannes. Läuft nur nach wolkenbruchartigem starkem<br />
Regen.<br />
123. 'Hutzlen-Äcker, vielleicht nach der Form benannt<br />
gewesen.<br />
124. Itzenwinkel, irrig Mitzen-, richtig 1545 L i t z e 1 -<br />
Winkel, d. h. kleiner Winkel. Es gibt einen äußeren und<br />
einen inneren, beiderseits des Mettwinkels. Oestlich des inneren<br />
ist seit 1910 Adlerwirts Keller abgegangen, der erst<br />
im 19. Jahrhundert erbaut war. 1524 Lützelwinkel.<br />
125. Judenbrünnele an der Steilhalde der Hechinger<br />
Staig.<br />
12b. Kälberwasen, östl. an der Burladinger Straße<br />
unter dem Ringelstein. Von einer Kälberweide spricht schon<br />
die Zimmerische Chronik in der Schwelhersage.<br />
127. Käppele-Staig, alte und neue, von den Weilerwiesen<br />
aufs Burrenhäule, benannt nach der 1834 abgeg.<br />
Bernhardskapelle am Bebenlocheck.<br />
128. Kästlesbühl, 1524 Kestlins Pühel, östl. Halde des<br />
Buckentais mit den Privatwäldern und der Ruine Ringeläiein.<br />
Kästle vielleicht FN? Oder castellum = Burg? Kästle<br />
soll auch nach Buck „Felsen" bedeuten!!<br />
129. Beim Kalkofen, kleines Teich zwischen Bäbenlcch<br />
und Hairies Wäldle. Von einem Kalkofen ist 1589 beim<br />
Bau des Pfarrhofes die Rede. Vgl. Galggruob.<br />
130. Uf Kamerun, spaßhafte Bezeichnung der Gegend<br />
oberhalb des Ringelsteins seit 1912, als unsere Kolonien noch<br />
eine Rolle spielten.<br />
131. Kappel, 1545 Unser Frowen Heuslin, Marienkapelle<br />
seit 1507 erwähnt. (Hohz. Heimat 1958, S. 10, 26.)<br />
132. Kappel-Esch = Esch auf Haugk zw. Salmendinger<br />
Weg und Killer Straße.<br />
133. Kappelwegle, Fußweg von der Rauße zur Kapelle,<br />
1530 erwähnt; neuestens, wie alle Fußwege, am Eingehen!<br />
Man fährt jetzt mit dem Schlepper!<br />
134. 'Kappellache, Wasserlache am Weg kurz vor der<br />
Kapelle. Durch Höherlegen der Straße (nach Salmendingen<br />
1932) verschwunden.<br />
135. Karies Kreuz, Feldkreuz oberhalb des Stichle an<br />
der Weggabel Stichle, Hechingerweg, Heufeld. „1524 Pildeinheuslin".<br />
(Schluß folgt.)<br />
von da nach Dietfurt in die Mühle. Und 1460, als das bisherige<br />
Sigmaringer Forstgebiet mit den Rechten einer Grafschaft<br />
ausgestattet wurde — das wichtigste Ereignis der<br />
ganzen Abhandlung! — ging die Grenze von der St. Jörgenkirche<br />
Buchheim die alte Straße hinab vor dem Trauf gen<br />
Kreenheinstetten in den Nußbaum, von dort nach Bittelbiunn<br />
im Krieseloch, dann nach Dietfurt—Donau—Schmeie—<br />
Weckenstein—Isikofen. Ueber den Ursprung dieses<br />
Sigmaringer Forsts ist mangels Urkunden<br />
so wenig auszumachen, wie über den Umfang<br />
der „Grafschaft Sigmaringen" des 13. Jahrhunderts!<br />
Da bei einem Forst, der sich vor allem auf die<br />
Waldgebiete stützt, die angegebenen Grenzpunkte sowieso<br />
nur einen ungefähren Verlauf zeigen, auch die Nachbarn der<br />
Sigmaringer Grafschaft sich durch die Bestimmungen von<br />
14oU eingeengt fühlten, ist es nicht verwunderlich, daß sich<br />
in der Folge endlose Streitigkeiten ergaben mit Pfullendorf,<br />
Salem (wegen Ostrach), Hornstein, Scheer, Königsegg, Heiligenberg,<br />
lMellenburg, Enzberg, Gutenstein, Meßkirch und<br />
Mengen, wenig dagegen mit Jungnau und Veringen. Diese<br />
Grenzhändel werden in epischer Breite fast ermüdend dargestellt.<br />
Der Unterschied zur Entwicklung der alten Grafschaft<br />
Zollern springt klar in die Augen. Ob man jedoch nicht<br />
besser nur vom Forst, nicht aber vom Gau auf der Scheer<br />
(S. 18) reden würde? Hier scheint in den letzten zwei Zeilen<br />
je ein „k" zu viel zu stehen, und auf der folgenden Seite<br />
ist „Buche" unverständlich (statt Baare?). Der Grenze der<br />
drei alten Dekanate dürfte vielleicht doch etwas mehr Bedeutung<br />
zugemessen werden, als es der Verfasser tut. Eine<br />
Burg der Grafen von Pfullendorf ist zu Hausen a. A. (S. 21<br />
und 68) durchaus nicht nachzuweisen (Hohenz. Heimat<br />
1956, S. 9). Auf Seite 22 dürfte die Jahrzahl 1290 heißen<br />
müssen. Der Konrad von Burladingen S. 37 und 226 wird mit<br />
dem 1402 überlieferten letzten Sproß des Geschlechtes, C u n<br />
v. B., gleichzusetzen sein. Das „K ä p p e 1 i n" zu Vilsingen<br />
(57) nicht verwechseln mit der alten Pfarrkirche daselbst,<br />
ist in Hohenz. Heimat <strong>1960</strong>, 24 erwähnt. Als Burg bei<br />
Schmeien (62) kommt schwerlich Weckenstein, sondern eher<br />
die von Willy Baur wiederentdeckte Burg unmittelbar nördlich<br />
von Unterschmeien infrage. Gehörten Bären und Wild-
Jahrgang <strong>1960</strong> HOHENZOLLERISCHEHEIMAT H<br />
sauen (63) wirklich zum kleinen Waidwerk? Die „L a n dstraße"<br />
vom Krieseloch oder Stubersbrunnen am Benzenberg<br />
entlang (197) nach Vilsingen muß einen wunderlichen<br />
Verlauf genommen haben! Kriseloch und Hart<br />
(d. h. Langenhart) sind 1576 und noch in der Kirchenvisitation<br />
1608 als Dörfchen erwähnt, wozu die Zimmerische<br />
Chronik 4, 210 zu vergleichen ist, die sie als Rodungssiedlungen<br />
bezeichnet. Zusammenfassend darf man sagen: der<br />
bis ins einzelne sorgfältig durchgearbeitete Aufsatz stellt<br />
eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnisse dar und<br />
wird den Heimatfreunden wie der großen Wissenschaft weiterhin<br />
wegweisend bleiben. Krs.<br />
Ortsehronik Hayingen, oder Geschichte der Stadt und<br />
Pfarrei Hayingen von Stadtpfarrer Joh. Schwendele in<br />
Riedlingen (99 Seiten mit vielen Bildern, brosch. 3.— DM,<br />
beim Bürgermeisteramt) schildert die Schicksale des Städtchens<br />
vom Urdorf an bis in die neueste Zeit. Die Annahme<br />
eines dreifachen Dorfes einschließlich der später sog. Volksburg<br />
Althayingen wird Bedenken erregen. Das Schwabenland<br />
läßt der Verfasser durch Mönche des Hl. Martin<br />
zum Christentum bekehrt werden. Als Stadtwappen wird das<br />
der Herren von Gundelfingen dargetan. Die Gründungszeit<br />
der Stadtkirche St. Veit ist nicht festzustellen. Einige Orgelbauer<br />
aus Hayingen haben auch in Hohenzollern gearbeitet:<br />
Urban Ritter z. B. in Klosterwald (S. 29), Aegid Schnitzer<br />
in Inzigkofen, Johann Martins Schüler Anton Hechinger in<br />
Kingingen. Daß der Stammsitz der Grafen von Helfenstein<br />
bei Koblenz gelegen habe, ist unbewiesen. Fürstenberg war<br />
seit 1627 Ortsherr, nicht seit 1546 (S. 38). Einige Druckfehler<br />
werden Lateinkenner leicht berichtigen. Das Jesuskind auf<br />
S. 53 dürfte neu ergänzt sein. Im Schwedenkrieg wird auch<br />
Trochtelfingen berührt.<br />
Burg und Herrschaft Mägdeberg von Eberhard Dobler<br />
(Verein für Geschichte des Hegaus 1959, 144 Seiten, geb.<br />
9.— DM). Freunden des Hegaus sei dieses Büchlein, die<br />
Frucht eines 15jährigen Studiums, angelegentlichst empfohlen.<br />
Interessant ist der Tanzplatz auf der Flur „Leberen" oder<br />
„Lebra", entstanden aus lewari = Grabhügel, in Mühlhausen<br />
sowohl als auch in Welschingen (44). Der Mägdeberg hat<br />
seinen Namen von einer Marienkapelle (magadi = Jungfrau<br />
Maria). Der Verfasser möchte zwar noch auf ältere mythologische<br />
drei Jungfrauen Einbet-Worbet-Wilbert zurückgreifen,<br />
mit denen er völlig unglaubwürdig auch die Namen<br />
Bodman und Bodensee und Baitenhausen zusammenstellen<br />
möchte. Der Mythologie räumt er überhaupt etwas zu viel<br />
Vertrauen ein. Espan sei ein Versammlungsplatz? Der Neberg<br />
(S. 86) ein Neuberg? Trotz dieser wenigen Bedenken wird das<br />
Büchlein in seiner vornehmen Aufmachung und grünem<br />
Einband viel Freude machen.<br />
Geschichte des Bodenseeraums von Otto Feger, bisher 2<br />
Bände (Verl. Thorbecke Konstanz), 270, 308 S., behandelt das<br />
weite Gebiet teils bis in unsere Gegend mit ungemeiner<br />
Sachkenntnis für weitere Kreise bis zum Jahr 1350, und<br />
zwar Kirchen-, Kultur-, politische und Verfassungsgeschichte<br />
in gleicher Weise. Eine große Zahl Bilder und Tafeln beleben<br />
den Text, der ungeheures Material verarbeitet und übersichtlich<br />
darstellt. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.<br />
Kurznachrichten<br />
„Die Schrecke" läuten. In der Hohenzollerischen Heimat,<br />
Nr. 2 <strong>1960</strong> — deutet „Kr." diesen Brauch so: „Offenbar sollen<br />
die Leute am Weihnachtsmorgen aus dem Schlafe aufgeschreckt<br />
werden, damit sie den Frühgottesdienst im Engelamt<br />
nicht verschlafen". —<br />
Diese Deutung scheint mir dem tieferen Sinn des „Schrekkeläutens"<br />
nicht gerecht zu werden. Die „Schrecke" wurde<br />
nämlich hierzulande nicht nur in der Frühe des Weihnachtsmorgens,<br />
sondern auch am Hl. Abend, nachmittags um 15.30<br />
Uhr geläutet, also zu einer Zeit, da es niemand vom Schlafe<br />
aufzuwecken galt. Während des Läutens trat dann ein<br />
reiches Brauchtum in Uebung. So bekam beispielsweise in<br />
Rangendingen alles Vieh im Hause zu fressen, Salz wurde<br />
auf das Fütter gestreut, die Hausfrau fegte mit einem neuen<br />
Besen von der Bühne bis in den Hausflur „unbraffelt" und<br />
unter alten Segenssprüchen das „Ungeziefer" zum Hause<br />
hinaus. Im Garten erhielt jeder Obstbaum einen Strohwisch<br />
umgebunden, und die jungen Burschen schössen und knallten<br />
an allen Ecken und Enden. — Nach altem Volksglauben<br />
hatten um Weihnachten herum dämonische Wesen und<br />
Geister freien Lauf. Diese suchte man mit allerlei Lärm,<br />
mit Knallen und Pfeifen zu „verschrecken, abzuschrecken",<br />
zu vertreiben. Das „Schreckeläuten", das mit allen'Glocken<br />
und ganz besonderer Intensität vollzogen wurde, hat sich<br />
wohl zu seiner Zeit diesem althergebrachten, zähen Brauchtum<br />
hinzugesellt, allerdings von Anfang an mit eigener<br />
Zweck- und 'Zielsetzung. Allmählich hat es dann den ursprünglichen<br />
Bräuchen eine höhere Sinngebung zuteil werden<br />
lassen und ist über sie hinausgewachsen. — Dieser Vorund<br />
Werdegang läßt sich auch noch bei anderem alten<br />
Brauchtum deutlich feststellen. J. Wa.<br />
Pfingstdreck hieß bis ins vorige Jahrhundert in Rangendingen<br />
und Wurmlingen bei Rottenburg der Pfingstbutz.<br />
Von ersterem Ort berichtet Anton Birlinger in seinem Büchlein<br />
„Aus Schwaben" II. 105: Ein Reiterzug von 24 bis 30<br />
ledigen Burschen zu Roß sprengte zweimal das Dorf aus und<br />
ein und dem Walde zu. Dort ward gestochen. Der letzte<br />
beim Stechen (d. h. Wettreiten!) mußte Pfingstdreck sein. Er<br />
wurde in Rinden gehüllt und ritt im Zug hereins ins Dorf.<br />
Dort mußte der Pfingstdreck bei jedem der drei Brunnen ins<br />
Wasser stehen und den Gäulen mit dem Schäpfle Wasser<br />
geben. Daneben schüttete er auch Wasser auf die herumstehende<br />
Menschenmenge." — Heute scheint davon in Rangendingen<br />
nichts mehr bekannt zu sein. Ein gleicher oder<br />
ähnlicher Brauch bestand in Frommenhausen, Hirrlingen und<br />
Obernau: Ein Reiter: Pfingstdreck genannt, wurde mit Rinden<br />
einer Tanne umgeben und ritt mit den andern ins Dorf,<br />
wo er in den Brunnen geworfen wurde. In Wurmlingen hieß<br />
der ganze Vorgang (nicht nur der eine Reiter!) Pfingstdreck.<br />
Aber in Waldstetten und Donzdorf bei Geislingen nannte<br />
man den Reiter: Pfingstdreckeler. In Göttelfingen<br />
dagegen wurde der Hirt, der zuletzt mit seiner Herde ausfuhr,<br />
Pfingstdreck genannt. (Noch mehr Beispiele bei H.<br />
Fischer, Schwäb. Wörterbuch I, 1043). Angesichts dieser<br />
Bräuche und Wortformen geht es wohl nicht an, bei dei'<br />
Worterklärung an Dreck und Kot oder an Recke<br />
Held zu denken. Da vielmehr immer der letzte Reiter<br />
Pfingstdreck wurde, könnte das schwäbische Wort drekk<br />
e 1 e n — „zögernd handeln, langsam oder träg sein" beigezogen<br />
werden, denn es handelte sich ja urn volkstümliche<br />
Spiele zur Pfingstzeit! Wir kämen damit nahe an unser hochdeutsches<br />
Wort träge, das heute im Schwäbischen fehlt,<br />
aber im Althochdeutschen t r a g i hieß in Bedeutung von<br />
langsamer Bewegung des Körpers und Geistes. Dagegen<br />
scheint ein Zusammenhang mit dem mhd. trecken = ziehen,<br />
lateinisch trahere nicht vorzuliegen. Krs.<br />
(Der Ausdruck „Pfingstdreck" ist in Rangendingen noch<br />
in Gebrauch.)<br />
Chorgesang in Trochtelfingen bis 1821. Der Dekan des<br />
Kapitels Veringen beantragte in Konstanz im Jahre 1821, die<br />
Erlaubnis zu erteilen, wegen des geringen Personals der<br />
Geistlichen in Trochtelfingen den bisherigen Chorgesang<br />
(Chorgebet) einstellen zu dürfen. Antwort: Kann unterbleiben.<br />
(Erzb. Archiv Freiburg Ha 291, 659).<br />
An das<br />
Postamt
72 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />
Bier-Brauereien zählt das Adreßbuch von Hohenzollern<br />
vom Jahre 1881 (hgg. von Archiv-Assessor K. Th. Zingeler<br />
bei Liehner-Sigmaringen) für ganz Hohenzollern sage und<br />
schreibe einhundertzweiundvierzig auf! Davon<br />
waren in Haigerloch 6; in Gammertingen, Straßberg, Trochtelfingen,<br />
Sigmaringen je fünf, in Inneringen, Veringenstadt,<br />
Empfingen, Bingen je vier. Die heutigen kann man<br />
bequem an den Fingern einer Hand abzählen! So ändern<br />
sich die Zeiten! An Mahlmühlen sind 81 aufgezählt, an<br />
Sägmühlen 27, an Oelmühlen 17, an Hanfreiben 4, an Ziegelhütten<br />
2, an Lohmühlen 2 (je eine in Krauchen wies und<br />
Klosterwald), dazu 1 Malzmühle (wenn es nicht Mahlmühle<br />
heißen soll), 1 Malzfabrik, 1 Hammerwerk in Bingen und 1<br />
in Laucherthal, 1 Pulverkohlenbrennerei in Bingen, 1 Glashütte<br />
in Glashütte bei Walbertsweiler, 8 Gipsmühlen. In jedem<br />
Ort ist auch ein Umgelter erwähnt, der die Getränksteuer<br />
zu verrechnen und einzuziehen hatte. Interessant<br />
ist der genaue Hofstaat des Fürsten von Hohenzollern<br />
und vieles andere. Krs.<br />
Gertrud von Zollern-Hohenberg, erste Gemahlin Rudolfs I.<br />
von Habsburg, ruht seit 1807 mit anderen Habsburgern im<br />
Kloster St. Paul im Lavanttal (Kärnten), wohin sie mit den<br />
urkundlichen und künstlerischen Schätzen von St. Blasien<br />
durch die ausgewiesenen Mönche überführt wurden. (Zeitschrift<br />
für Gesch. d. Oberrheins 43, 1889, S. 48; Genaues in<br />
Mitt. Hohenz. 34, 1900, S. 1—32.) Krs.<br />
Arbogast<br />
August Oswald von Lichtenstein<br />
Bantle-Frescomaler<br />
Bar le ban-Mundart<br />
Bauern und Bettelleut 2. 25<br />
Benzingen-Mission<br />
Benzingen-Wolfgangskäppele<br />
Bettenhausen-Hofstatt<br />
Bierbrauereien<br />
Birkhof<br />
Bitteschießer Täle-Eremit<br />
Bubenhofen-Hettingen<br />
Bubenhofen-Stammburg<br />
Bruno Gern-Heimatdichter 14<br />
Burladingen u. Killertal vor 60 Jahren 53<br />
Burladingen-Wochenwerk<br />
Dachs-Mägerkingen<br />
Eberhard v. Burladingen<br />
Fasnet<br />
Fidelisbild-Steißlingen<br />
Flößerei-Neckar<br />
Friedrich v. Aw/Ringingen<br />
Frohnstetten-Alamannenfunde<br />
Gammertingen-Schollenkäppele<br />
Gammertingen-Speth<br />
Gammertingen Verkauf 1447<br />
Geiselschaft<br />
Gertrud v. Zollern-Hohenberg<br />
Gorheim-Exnonnen<br />
Götz v. Burladingen 23. 24<br />
Gorheim-Fr auenkoster<br />
G rosselfingen-Badslube<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />
postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 80 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs <strong>1960</strong><br />
72<br />
n<br />
ii<br />
'A<br />
'1<br />
39<br />
55<br />
23<br />
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31<br />
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51<br />
5<br />
54<br />
*<br />
TS<br />
n<br />
37<br />
55<br />
Gruol/Rangendingen-Klöster 39<br />
Habstal-Klostergeschichte 50<br />
Haigerloch-seine Gotteshäuser 44<br />
Hayingen-Ortschronik 71<br />
Hennenstein/Trochtelfingen 21. 23<br />
Hermentingen-Pfarrkirche 55<br />
Hettingen-Badstube 38<br />
Hettingen-Frühmesse 39<br />
Hustneck bei Gammertingen 51<br />
Karl Schoy 24<br />
Kastner-Gammertingen 38<br />
Killertalbahn-Eröffnung 29<br />
Killertal-Florrücken 18<br />
Kloster Stein a. Rhein 38<br />
Kohlenm eiler 17<br />
Krauchenwies Prozession 72<br />
Landauer-Fahrzeug 58<br />
Laiz-Gnadenbild 10<br />
Laiz-Lehensleute 11<br />
Laiz-Mühle 33<br />
Laiz-St. Christopherus »C<br />
Laiz vor 150 Jahren 30<br />
Langenenslingen-Hof 55<br />
Mägdeberg-Herrschaft 71<br />
Magnusstab-Veringen 39<br />
Melchinger Adel 23<br />
Melchinger Glocke 56<br />
Nehrlich Karl-Volkslieder 23<br />
Neufra-Mißjahre 31<br />
Passion/Kunstwerke-Bezirk Haigerloch 27<br />
Pflngstdreck 71<br />
Pottaschen-Gewinnung 63<br />
„Arbogast" — „Der sieht aus wie der Arbogast!" Dieser<br />
eigenartige sprachliche Vergleich ist in Bärental bei Beuron<br />
im Volksmund im Gebrauch. Man meint dann damit jemand,<br />
der besonders schlecht aussieht oder fürchterlich aufgeputzt<br />
erscheint. — Arbogast war ein Franke, trat aber früh in<br />
römische Dienste und galt als ein hervorragender Feldherr.<br />
Im Jahre 379 half er Kaiser Theodosius bei der Gotengefahr<br />
und wurde da dann der eigentliche Regent von Gallien.<br />
Später geriet er mit dem Kaiser in Feindschaft. Nach<br />
einer Niederlage gab sich Arbogast 394 selbst den Tod. —<br />
Wie aber kommt nun sein Name in dieser Weise in die<br />
Umgangssprache obig bezeichneten Ortes? Wer könnte hierfür<br />
eine Deutung geben? J. Wa.<br />
Krauchenwieser Prozession nach Hedingen wurde von<br />
Wessenberg 1824, weil sie 4 Stund in Anspruch nahm, verboten.<br />
Dafür solle ein näher liegendes Ziel gewählt werden.<br />
Ebenfalls wurde untersagt, bei der Eschprozession statt des<br />
Wettersegens das Allerheiligste mitzuführen. (Erzb. Archiv<br />
Ha 294, S. 189).<br />
Heimatforscher seien mit Nachdruck auf die „Zeitschrift<br />
für Geschichte des Oberrheins" hingewiesen, besonders die<br />
ersten Bände seit 1850, die noch Mone herausgab. Sie enthalten<br />
eine Unmenge von Urkunden auch aus Hohenzollern<br />
und jeweils ein gutes Register! Viele kulturgeschichtlich<br />
wichtige Themen sind außerdem behandelt. Krs.<br />
Ret isamen-Freskomaler 31. 56<br />
Rin gelstein Christoph 38<br />
Rin gingen Flurnamen 67<br />
Rin gingen-Kirchturm 37<br />
Ros enkranz-Bilder 59<br />
Sch äferjahrtag-Trillfingen 57<br />
Sch alksburgen 19<br />
Sch altzburg 38<br />
Sch Weiher Fritz-Straßberg 38<br />
Sch oy Karl 35<br />
Sch reckeläuten 37. 71<br />
Sig] maringen Grafschaft 70<br />
Sigi maringendorf-Mehrerau 24<br />
St. Georger Stiftungsakten 20<br />
Ste: inhilben-Volksleben 6. 38<br />
Ste tten-Gnadental 37<br />
Str; aßberg/Hedingen 39<br />
Tai: lflngen-Weiler 24<br />
Tro chtelfingen-Chorgesang 71<br />
Tro chtelfingen-Passionsspielc 55<br />
Uf der Schär 55<br />
Uri ch v. Lichtenstein 38<br />
Urs ula v. Holnstein 22<br />
Ver •ingenstadt-alte Gräber 36<br />
Ver ingenstadt-Annakapelle 22<br />
Ver •ingerfeld 38<br />
Ver •ingenstadt-Nikolauskirche 39<br />
Vils iingen-Annakapelle 24<br />
Vor n Büblein, das nicht sitzen konnte 36<br />
Wa: Ldenspul-Pfarrer in Melchingen 55<br />
Zel:<br />
mt-Ablösung in Hohenzollern 33<br />
August Oswald von Lichtenstein haben wir mit der von<br />
ihm gestifteten Kapelle in Gundelsheim a. Neckar im Jahrg.<br />
1953, S. 46 erwähnt. Nun berichtet Graf Adelmann im Nachrichtenblatt<br />
der Denkmalpflege in Baden-Württemberg <strong>1960</strong><br />
S. 6—9 von einem holzgeschnitzten Wappen desselben an der<br />
Kassettendecke der Kreuzkapelle bei Duttenberg a. d. Jagst<br />
unweit Wimpfen und bringt auch ein Bild davon und weitere<br />
Daten. Die auf einem Schriftband befindlichen Initialen<br />
(Anfangsbuchstaben) A. O. V. L. L. C. D. B. W. S. Z. M. T.<br />
OR. D. R. K. M. O. Z. P. konnten entziffert werden als: „Augustin<br />
Oswald von Lichtenstein, Land-Comtur der Ballel<br />
Westfalen, Statthalter zu Mergentheim, Teutsch-Ordens-<br />
Ritters, der Rom. Kaiserlichen Majestät Obrist zu Pferd." Erstarb<br />
am 9. Juni 1663 zu Mergentheim, hatte u. a. auch die<br />
Kapelle mit Oelberg bei Offenau und 1657 obige Kreuzkapelle<br />
zu Gundelsheim erbauen lassen und 1659 seinem<br />
Bruder, dem Kapuzinerpater Friedrich von Lichtenstein, in<br />
die Stadtkirche von Weilderstadt einen Grabstein gesetzt.<br />
Er stammte aus der hohenzollerischen Familie von Lichtenstein<br />
zu Neckarhausen, nicht direkt vom Lichtenstein bei<br />
Hönau, wie Adelmann irrig meint. Von einem andern<br />
Deutschordenskomtur, Heinrich von Neuneck, berichteten wir<br />
1953 S. 47. Krs.<br />
Der Verlag „Schwäbische Zeitung" - Leutkirch stellte uns das<br />
Klischee für das Bild Seite 62, die Klischees zu den übrigen Bildern<br />
gehören dem Verlag „Schwarzwälder Bote". Beiden Verlagen herzlichen<br />
Dank!