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Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Hohenzollerlsche Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

10 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Nummer 1 Gammertingen, Januar <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />

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2 HOHENZOLLEBISCSEHEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />

Bauern und Bettelleut!<br />

Erzählung von H. E g e r - Weildorf (Fortsetzung)<br />

Kaum graute am andern Morgen der Tag, als vor das reste und Unrat aller Art bezeichneten den Platz, wo die<br />

Vogtshaus in Klein-Weildorf ein Reiter sprengte, Es war Bande die letzte Nacht hauste. Von hier aus war die Spur<br />

einer der Hofherren von Henstetten, Vitus mit Namen, nicht mehr zu verlieren. Die Pferde am Zügel, gings durch<br />

Als dieser, ein noch junger Mann, vom Pferde sprang, er- das Walddickicht über den „Winterrain", „Katzenstaig",<br />

schien Vogt Pfeffer, der Lehenhofbauer, unter der Wohn- »Eichwald" nach dem „Beuremer Tal", dem Ort Beuren zu.<br />

haustür und rief dem Ankömmling einen „Guten Morgen" zu. Es mochte etwa um die zehnte Morgenstunde sein, als der<br />

Der Reiter erwiderte den Gruß und brachte zugleich die Reitertrupp auf dem Wege am Eichwald hielt, um wieder<br />

Nachricht, daß seinem Bruder Karl auf den Henstetter Hö- die Pferde zu besteigen.<br />

fen draußen, letzte Nacht der beste Ackergaul gestohlen wor- Eben berieten sie, ob es, nachdem man fremdes Gebiet<br />

den sei. Nun hätten sie erfahren, auch auf dem Lehnhof betreten, nicht tunlich sei, vorerst die Waffen abzulegen, ein<br />

habe vorletzte Nacht ein Einbruch stattgefunden, wobei 2 paar Leute dabei zu lassen und unbewaffnet vorzugehen.<br />

Stück Vieh abhanden gekommen, deretwegen zwischen den Da klangen auf einmal Hifthornrufe von Beuren her durch<br />

Bauern von Weildorf und den Dieben gestern nachmittag den Wald. Gabriel sprengte, die Keule schwingend, vor: „Das<br />

im Holgenwald ein Kampf stattgefunden habe. Hifthorn von der Zinne der Ortsburg ruft, die Bande hat<br />

Die Räuber werden, so vermuten die Henstetter, in beiden Beuren überfallen", rief er aus, und in gestrecktem Galopp,<br />

Fällen die gleichen sein. ! / einer hinter dem andern* wie es der schmale Weg zuließ,<br />

1 Da die Höfe von Henstetten, wie der Besitz von Klein- stürmten die Reiter dem Tale zu.<br />

Weildorf, dem Frauenkloster Kirchberg gehörten, waren die Sie sprengten über den Rohrbach und vernahmen von<br />

von • Henstetten und Klein-Weildorf gute Bekannte; denn ferne wildes Geschrei und Hilferufe,<br />

man traf sich jedes Jahr bei der Ablieferung der Zinsen und Als man das Tal überblicken konnte, wo zwischen Rohr-<br />

Zehnten auf Kirchberg im Klosterhof, ' bach ..und Rindelbach gelegen der' kleine Flecken.Beuren<br />

: Der Vogt lud Vitus vorerst ein, in die. Stube zu kommen. stand, schlugen bereits die Flammen aus mehreren Häusern.<br />

Gabriel versorgte inzwischen sein Pferd/ v - Vom „Schloßberg" herab erklangen immer stürmischer die'<br />

: Der Lefröbhofbauer, Vögt Pfeffer, erzählte, .als sie in. der Hornsignale in den klaren Herbstmorgen hinaus, weithin<br />

Stube beisärnmensäßen, den fiergang des Diebstahls,bei ihm hörbar.<br />

und wäs nachher folgte; er schloß: „Es ist" k'ein'Zweifel,'daß • Als die Reiter im Dorf anlangten, wütete der Kampf in<br />

es die gleiche Bande ist, die gegenwärtig unsere Gegend un- allen Häusern, auf die sich die Banditen plündernd zerstreut,<br />

sicher macht, die auch bei deinem-Bruder den -Raub Jvoll- hätten, - •<br />

führte. Den Fährten wird sieh folgen lassen und solltet ihr Der Herr von Steinhaus in Bittelbronn sprang vom Pferde<br />

dabei auch auf fremdes Gebiet übertreten müssen, geht' den und feuerte seine Muskete ab. Der gewaltige Knall dei'<br />

Spüren nach, legt aber, wenn ihr in "die Nähe bewohnter Feüerbüchse trieb die Plünderer aus den Häusern. Wohl war<br />

Orte kommt, die Waffen, ab, ,


Jahrg^nfe 96(1 HOHEN ZO tEBISCHÜ HEIMAT 3<br />

Der schwarze Peter, welcher des Henstetters Pferd gestohlen<br />

und in der Morgenfrühe stolz seinen Kameraden<br />

vorgeführt hatte, stürzte mit einem Wutschrei dem Reiter<br />

entgegen. Schnell hatte Gabriel die Situation erfaßt, hier<br />

galt nur schleunige Flucht dem Talausgang Zimmern zu.<br />

Dieses Vorhaben wäre auch gelungen und für sämtliche<br />

Banditen, die sich abgetrennt, verhängnisvoll geworden, aber<br />

der Ackergaul scheute vor dem Rindelbach. Weder durch<br />

ermunternde Worte noch durch Schläge mit dem Stiel seiner<br />

Waffe konnte Gabriel das Pferd veranlassen, das Hindernis<br />

zu nehmen, da war alle Mühe umsonst. Rasch entschlossen<br />

riß Gabriel das Pferd herum und galoppierte direkt den<br />

Banditen entgegen. Der schwarze Peter sprang mit katzenartiger<br />

Geschwindigkeit auf den Reiter los und faßte das<br />

Pferd am Zügel, doch ein wuchtiger Hieb Gabriels mit seiner<br />

Keule traf ihn derart über den Rücken, daß er mit einem<br />

Albbuche im Rauhreil<br />

Schmerzenslaut zu Boden sank. Jetzt kamen die andern,<br />

aber der Gaul, durch das wüste Geschrei wild geworden,<br />

schlug nach allen Seiten aus und drehte sich im Kreise. Gabriel<br />

hatte alle Mühe, sich auf dem ungesattelten Tier zu<br />

halten. Hiebei war ihm seine Waffe entfallen; lange konnte<br />

diese Situation nicht mehr dauern, bis es den Burschen gelang,<br />

sein Pferd zu fassen und ihn herunter zu zerren.<br />

Doch Vitus hatte das Fehlen des Freundes auf dem<br />

Kampfplatz bemerkt, und den fliehenden Gegnern folgend,<br />

sah er Gabriel aus der Waldschlucht reiten, sah aber auch<br />

eine Anzahl Banditen den Pferden zuströmen. Hier tat Hilfe<br />

not!<br />

Sein Pferd stand direkt am Ortseingang, von einer<br />

Bauerntochter mit Not im Zaum gehalten. Mit einem Satz<br />

war Vitus im Sattel und sprengte das Wiesental entlang dem<br />

hart bedrängten Freund entgegen. Es war höchste Zeit, denn<br />

Photo und Klischee Eigentum von Herrn Christian Maute-Bisingen


4 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

eben hatten zwei das Pferd am Zügel gefaßt, und andere<br />

wollten den seiner Waffe Beraubten vom Gaul herunterreißen,<br />

während die übrigen die eigenen Pferde nach dem<br />

Walde trieben.<br />

Trotzdem der weiche Wiesengrund den Hufschlag dämpfte,<br />

hatten die Räuber noch rechtzeitig den Reiter, der mit einem<br />

Ritterschwert bewaffnet war, bemerkt, sahen auch, daß andere<br />

der Bauern, die den neu ausgebrochenen Kampf beobachtet,<br />

auf ihren Pferden folgten. Sie ließen von Gabriel<br />

ab und wandten sich zu ihrem abseits am Boden liegenden<br />

Führer. Ihre Absicht, ihn hochzuheben und nach dem Walde<br />

zu schleppen, mußten sie jedoch aufgeben, denn er wehrte<br />

sich, vor Schmerz heulend, gegen jede Bewegung seines<br />

Körpers.<br />

Um der Gefahr zu entgehen, selber gefangen zu werden,<br />

ließen die Spießgesellen den Häuptling liegen und verschwanden<br />

in der Waldesschlucht des Kirnbergs.<br />

Den gestohlenen Gaul hatte man wieder und an eine<br />

Verfolgung war angesichts der Not der Leute in dem brennenden<br />

Dorf nicht zu denken. Auch der schlimmste der<br />

Bande, der schwarze Peter, war in den Händen der Bauern.<br />

Bei ihm ließen sie eine Wache und ritten nach dem jetzt<br />

überall brennenden Dorf zurück. Das Feuer, welches von<br />

Strohdach zu Strohdach übergesprungen, von einem leichten<br />

Wind geschürt, alle, etwa 30 Häuser des Dorfes, erfaßte, war<br />

nicht mehr zu löschen. Nur von der Habe konnte noch dies<br />

und jenes gerettet werden. Das einzige Glück für die 100<br />

Personen zählenden Beuremer blieb bei all dem Elend, daß<br />

sie ihr Vieh auf der Weide in den Waldungen hatten.<br />

Nachdem bei dem rauchenden Trümmerhaufen von Beuren<br />

nichts mehr zu tun war, nahmen die Vöhringer den Gefangenen<br />

trotz seines Geschreies mit sich und lieferten ihn<br />

beim Gericht in Sulz a. N. ein.<br />

Jammernd und weinend trieben die um ihre Heimat Gebrachten<br />

das Vieh aus dem Walde zurück, zogen damit in<br />

die benachbarten Flecken, wo Bekannte und Verwandte<br />

wohnten. Das Dorf wurde nie mehr aufgebaut.<br />

An den einstigen Bestand dieses damals so schön im Wiesengrund<br />

gelegenen Ortes erinnert heute nur noch der Flurname<br />

„Beuremertal" und an seine Ortsburg der hohe<br />

„Schloßberg".<br />

Voll Befriedigung darüber, daß ihr Streifzug nach dem<br />

Pferd Karls von Henstetten von Erfolg gewesen, ritten die<br />

Weildorfer, Bittelbronner und Henstetter, begleitet von<br />

denen von Zimmern, deren Hilfe man so notwendig gebraucht,<br />

durch das Beuremer Tal hinaus über Zimmern der<br />

Heimat zu.<br />

Wohl blieben von dem Kampfe her, bei dem und jenem<br />

Teilnehmer noch Wunden zu heilen und Schmerzen zu stillen.<br />

Die Mittel hiefür besorgte die Kräuterannl von des<br />

Vogts Hütte in Klein-Weildorf.<br />

Ein Erfolg der Kämpfe mit den Landstreichern blieb: ihrer<br />

Führer und Anstifter, des schwarzen Peter und des Fuchs<br />

beraubt, ließ sich die Bande in der Gegend nicht mehr sehen.<br />

Der Winter zog ins Land. Aus den Scheunen erklang der<br />

Takt des Dreschens. Mit Tagesanbruch wurde begonnen, bei<br />

Einbruch der Dunkelheit aufgehört.<br />

Der Getreideanbau hatte in jenen Zeiten eine viel größere<br />

Bedeutung als heutzutage.<br />

Durch die Weidewirtschaft, welche bis Anfang des vorigen<br />

Jahrhunderts in unserer Gegend überall betrieben wurde,<br />

war das Vieh die längste Zeit des Jahres draußen. Nur im<br />

Winter bei vielem Schnee, der das Abweiden des Waldgrases<br />

nicht zuließ, blieben die Tiere im Stall. Nicht alle Waldgebiete<br />

durften als Weide benutzt werden, dort jedoch, wo<br />

Weiderecht bestand, kamen weder Unterholz noch Moos auf,<br />

und langes Waldgras bedeckte den Boden, das den Tieren<br />

auch im Winter zur Nahrung diente, falls Schnee den Auftrieb<br />

nicht unmöglich machte. Nur für diese Zeit war durch<br />

den Wiesenbau Vorsorge zu treffen.<br />

Infolge dieses umfangreichen Getreidebaues dauerte die<br />

Arbeit des Flegeldrusches fast den ganzen Winter, und<br />

manche armen Leute konnten als Drescher monatelang Beschäftigung<br />

finden.<br />

Also ging der Winter von 1565 auf 1566, nach damaligen<br />

Begriffen, für die Landbewohner unserer Gegend ziemlich<br />

ungestört vorüber.<br />

Die ersten Frühlingsboten der Tier- und Pflanzenwelt<br />

stellten sich ein, und der Jugend frohe Lieder klangen über<br />

Tal und Hügel hin.<br />

In Haigerloch hatten sie inzwischen dem gefangenen Räuber<br />

Fuchs durch hochnotpeinliches Verhör nachzuweisen vermocht,<br />

daß er nicht nur am Viehraub in Klein-Weildorf,<br />

sondern auch an vielen Morübrennereien der Räuberbande<br />

des Franz Kugel aus dem Allgäu beteiligt gewesen.<br />

Als die Bauern von Weildorf die ersten Samenkörner für<br />

die Frühjahrsbestellung in die Furchen streuten, wurde der<br />

Bandit Fuchs als eine des Galgens hochreife Frucht befunden.<br />

Ende März 1566 wurde auf dem Galgenberg im Südwesten<br />

von Weildorf. die Hinrichtung vollzogen. Eine große Menschenmenge<br />

hatte sich zusammengefunden, denn so ein<br />

Schauspiel war nicht oft zu sehen.<br />

Nachdem das Urteil verlesen, übergab der Richter den<br />

Verurteilten den Händen des Scharfrichters. Ohne Reue über<br />

sein verfehltes Leben und die verübten Schandtaten, welche<br />

schon so vielen Mitmenschen Schmerz und Kummer, Elend<br />

und Not bereitet, bestieg Fuchs die Leiter. Der Henker legte<br />

ihm die Schlinge um den Hals und stieß den Verurteilten<br />

von den Sprossen herab. Ein kurzes Röcheln, ein Zucken<br />

des Körpers, und die Todesstrafe war vollstreckt. Das Begräbnis<br />

überließ man den Raben und den Tieren des Waldes.<br />

Wochenlang hing so der Leib des Gehenkten zwischen Himmel<br />

und Erde.<br />

Die Zuschauer zerstreuten sich wieder, als das Strafgericht<br />

vollzogen war und gingen ihren täglichen Arbeiten nach.<br />

Im Walde droben aber stand einer und schaute mit brennenden<br />

Augen und wutverzerrtem Gesicht nach der Richtstätte.<br />

- Es war der schwarze Peter. -<br />

Nach dem Brande von Beuren, von den Vöhringern dem<br />

Sulzer Gericht abgeliefert, lag er von dem Keulenschlag Gabriels<br />

schwer verletzt unter großen Schmerzen im Turm.<br />

Wieder hergestellt, sollte ihm der Prozeß gemacht und aller<br />

Voraussicht nach ein ähnliches Schicksal bereitet werden<br />

wie seinem Spießgesellen, aber er entwich und trieb sich seit<br />

einigen Wochen bettelnd auf zollerischem Gebiet umher. Der<br />

schwarze Peter hatte vorläufig bei dem Handel noch nichts<br />

verloren als sein rechtes Ohr, das ihm gleich zu Beginn der<br />

Untersuchung „dessen Bezeichnung halber" abgehauen worden<br />

war. Auf seinen Bettelreisen erhielt er Kenntnis von der<br />

Hinrichtung seines Genossen, und so schaute er vom Walde<br />

aus dem Vorgang zu. Den letzten Liebesdienst, der bei solchen<br />

Anlässen sonst unter Freunden üblich, sich dem Gehängten<br />

an die Beine zu klammern, wagte Peter nicht. Dazu<br />

war er im Lande und bei den Leuten zu gut bekannt, auch<br />

der im Gerichtsbezirk von Haigerloch begangene Viehraub<br />

in Klein-Weildorf war noch ungesühnt.<br />

Rache für sich, Rache für den Spießgesellen, der dort am<br />

Galgen hing! Mit diesen Gedanken zog sich der schwarze<br />

Peter in den Wald zurück. —<br />

Wochen vergingen. Nachdem die Frühjahrsbestellung beendet,<br />

trat für die Landwirtschaft eine Ruhepause ein. Von<br />

der Brache im heutigen Sinn, wo in dieser Zeit Klee, Kartoffeln,<br />

Rüben gebaut werden, wußten die Bauern damals<br />

nichts, sie kannten nur die schwarze Brache. Die Aecker in<br />

diesem Esch, den Sommer über gedüng* und einigemal umgeackert,<br />

sämte man im Herbst mit Winterfrucht an.<br />

Das Vieh, auf die Weide getrieben, machte auch keine<br />

Arbeit mehr. Nur die Hirten und „Schützen" waren draußen,<br />

die ersteren das ihnen anvertraute Vieh zu überwachen,<br />

letztere darauf acht zu geben, daß kein Vieh von anderen<br />

Orten auf die gemeindeeigenen Weideplätze aufgetrieben<br />

wurde. Was Wunder, wenn sich unsere Vorfahren dagegen<br />

wehrten, als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die hohe<br />

Obrigkeit den Bauern befahl, die Stallfütterung einzuführen.<br />

Bis zur Hauptarbeitszeit, der Getreideernte, hatten es die<br />

Landbewohner gut, wenn nicht gerade der Lehensherr zum<br />

Frondienst rief. —<br />

Der blinde Dominikus saß mit seiner Geige in der Frühlingssonne<br />

und spielte Volks- und Kirchenlieder. Seine<br />

Schwester Barbara und des Vogts Luzia begleiteten mit<br />

ihrem Gesang das Spiel des schönen, armen Musikanten.<br />

Ave Maris Stella, dei Mater Alma jubelte, trotz all seines<br />

Unglücks seine Geige hinaus in die herrliche Gotteswelt. Die<br />

ganze Dorfjugend fand sich an so schönen Lenztagen, an<br />

denen es sonst nicht viel zu tun gab, beim Lehnhof des<br />

Vogts in Klein-Weildorf zusammen und, einmal mit Text<br />

und Melodie vertraut, sangen bald alle in froher Begeisterung<br />

mit.<br />

Die Aengste und Beschwerden des Winters waren vergessen.<br />

Die Jugend lebte dem Tage, wenn auch die Alten<br />

nicht ohne Sorgen an die Zukunft dachten.<br />

Es war am ersten Sonntag im Mai. In der Kirche Klein-<br />

Weildorfs hielt der Pfarrer Nikolaus Neg Gottesdienst. Wohl<br />

war der Mai-Monat damals kirchlich noch nicht für die Marienverehrung<br />

bestimmt, denn erst 1815 hat Papst Pius VII.<br />

Ablässe hierfür gewährt, aber im Volk wurde schon einige<br />

Jahrhunderte früher zu dieser Zeit der Himmelsmutter gehuldigt.<br />

Was die jungen Leute unter Anleitung des Geigenspielers<br />

unter der Woche gelernt, mußte zur Verschönerung des Gottesdienstes<br />

dienen, und zum erstenmal klang das Ave Maris


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 5<br />

Stella durch den Raum der Kirche Klein-Weildorfs. So weit<br />

zurück im Kirchengesang, wie man heutzutage vielfach annimmt,<br />

waren unsere gläubigen Vorfahren nicht, hatte doch<br />

schon Karl der Große verordnet, „daß die Gläubigen Gloria<br />

Patri et Filio et Spiritui Sankto singen und der Priester<br />

mit dem Volk in das Sanktus der Engel einstimmen solle."<br />

An jenem schönen Maien-Sonntag zog die Jugend des<br />

Dorfes hinaus ins Freie, zur großen schattigen Eiche. Frohe<br />

Lieder widerhallten in den Tannen des Holgenwaldes, und<br />

lustige Reigen tanzten sie, einander die Hände reichend, um<br />

den Stamm des alten Baumriesen. Frühling wars im Leben<br />

derer, die hier frohe Spiele machten, Frühling in der Natur,<br />

warum sollte man da nicht lustig sein. Im Osten lag geschützt<br />

der größere Teil des Dorfes, stolz auf der Anhöhe<br />

Kirche und Gehöfte von Klein-Weildorf. Weit dehnten sich<br />

die dunkelgrünen Felder der Ortsmark, ein schönes Stück<br />

Gotteserde, —• ihre Heimat.<br />

Lange Schatten warf der Wald über die „Reute", als die<br />

Spiele abgebrochen wurden und alle singend und jubelnd<br />

dem Dorf zugingen.<br />

Am Abend zog ein Gewitter herauf, doch ohne zu regnen<br />

jagte der Westwind die schweren Wolkenballen über das<br />

Firmament. Dem hellen Tage folgte eine tiefdunkle Nacht.<br />

Vom Sturm getrieben, suchte in der Finsternis ein Mann<br />

vom Walde her den Weg Weildorf zu. Im Lehnhof verschaffte<br />

er sich durch Einstoßen einer Wickelwand Eingang in einen<br />

mit Stroh gefüllten Schuppen. Dort wartete der Eindringling<br />

ab, bis der Nachtwächter um Mitternacht ins Horn geblasen.<br />

Alles lag in tiefem Schlaf, als er mit Feuerstein und Zunder<br />

im Stroh sich eine Glut verschaffte. Von ihm zur hellen<br />

Flamme angeblasen, ward das Stroh in Brand gesetzt. Jetzt<br />

verließ der Mann sein Versteck, wartete aber ruhig außerhalb<br />

des Schuppens ab, bis die Flammen hoch emporloderten<br />

und das Strohdach von Scheuer und Wohnhaus des Vogts ergriffen<br />

hatten.<br />

Die Kräuterannl saß wie gewöhnlich noch die halbe Nacht,<br />

Kräuter siedend und Salben kochend in ihrer Hütte und bemerkte,<br />

durch den hellen Feuerschein aufmerksam gemacht,<br />

den Brand im Lehnhof.<br />

Laut schrie sie auf und rannte dem Hofe zu. Fast stieß die<br />

Annl mit dem Brandstifter zusammen, der eben die Brandstätte<br />

verließ.<br />

Beim hellen Feuerschein erkannte sie den Verbrecher und<br />

rief aus: „Du, Peter, hast das Feuer gelegt!" Hohnlachend<br />

erwiderte dieser: „Jawohl, Gräfin, sag denen von Klein-<br />

Weildorf, der schwarze Peter sei hier gewesen und habe sich<br />

und seinen Kameraden, dessen Reste noch droben am Galgen<br />

hängen, gerächt. Sie sollen sich bei deinem Schützling,<br />

dem langen Vogtsohn bedanken."<br />

Kaum vernahm die Kräuterannl noch die letzten Worte.<br />

„Feuer, Feuer!" gellten ihre Rufe durch die Gassen.<br />

Der Vogt, von dem Geschrei erwacht, stürzte halb bekleidet<br />

aus dem Haus. Mesner Huber sprang, ebenfalls wach<br />

geworden, der Kirche zu und begann, Sturm zu läuten. Bald<br />

rannten die Bewohner Klein-Weildorfs von allen Seiten<br />

herbei.<br />

Schon brannte der Lehenhof lichterloh, als der blinde<br />

Dominikus mit seiner Geige im Arm und von seinem Hund<br />

begleitet, vor das Vogtshaus trat.<br />

Im allgemeinen Lärm schrie die Mutter vom Lehnhof laut<br />

auf: „Wo ist die Luzia?" Niemand hatte sie gesehen, also<br />

weilte die Tochter noch im brennenden Hause. Keiner getraute<br />

sich mehr hinein in Rauch und Feuer.<br />

Doch kaum vernahm der Blinde die Rufe nach Luzia, als<br />

er seine Geige an der Kirchhofmauer niederlegte und, von<br />

seinem Hunde begleitet, durchs Haustor schritt. „Heilige<br />

Mutter Gottes von Einsiedeln hilf", hörten die Umstehenden<br />

den Blinden noch rufen, dann war er ihren Blicken entschwunden.<br />

Von Jugend auf mit Weg und Steg im Lehnhof vertraut,<br />

fand er sich mit seinem feinen Tastgefühl da zurecht, wo ein<br />

Sehender vom Rauch geblendet, keinen Schritt mehr vorwärts<br />

gekommen wäre. Händeringend und jammernd umstanden<br />

die Leute das Haus. War das Opfer des Blinden<br />

umsonst, mußten zwei junge Menschenleben in den Flammen<br />

des Lehnhofes untergehen? Wie ein Wahnsinniger rannte<br />

Gabriel umher, hilflos, trotz seiner Riesenstärke, stand er<br />

diesem furchtbaren Element gegenüber.<br />

Doch wo blieb Zeit zum Klagen! Schon schlugen in einem<br />

anderen Haus von Klein-Weildorf die Flammen auf.<br />

Jetzt, die Minuten schienen zu Stunden geworden, schoß<br />

mit lautem Gebell der Hund des Blinden aus Rauch und<br />

Flammen des Haustores, ihm folgte Dominikus mit der bewußtlosen<br />

Luzia in den Armen. Gabriel und sein Vater, der<br />

Vogt stürzten herbei und nahmen dem Blinden seine teure<br />

Last ab, doch auch dieser brach jetzt, von Rauch und Hitze<br />

betäubt, bewußtlos zusammen und mußte hinweggetragen<br />

werden. Es war höchste Zeit, denn gleich darauf stürzte mit<br />

mächtigem Funkenregen der hohe Giebel und damit der<br />

ganze Oberbau des Lehnhofs zusammen.<br />

Die Funkengarben, die aus dem Vogtshaus sprühten, setzten,<br />

vom Wind über den ganzen Ortsteil getragen, fast<br />

gleichzeitig die Strohdächer von allen Gebäuden Klein-Weildorfs<br />

in Brand.<br />

Die Glocken von den beiden Kirchen klagten und jammerten<br />

indessen das schreckliche Unglück ohne Unterlaß in die<br />

Nacht hinaus.<br />

Der bewußtlose Dominikus wurde in das Haus seines Vetters,<br />

des Saalhofers nach Groß-Weildorf gebracht, das bei<br />

der heutigen Pfarrkirche stand, und des Vogts Tochter Luzia<br />

nahmen die Dominikanerinnen von der Klause in ihre Obhut.<br />

Als erste stürmten die von der Oberstadt Haigerloch herbei.<br />

Dort hatte der Wächter vom Stadtturm das vom Westwind<br />

getragene Sturmgeläute gehört und den Feuerschein<br />

am sonst nachtdunklen Himmel bemerkt. Auch in Trillfingen<br />

sah man das Flammenmeer von Klein-Weildorf. Durch<br />

Boten und Feuerreiter herbeigerufen, kamen die Leute von<br />

Bittelbronn und Henstetten, von Gruol und Zimmern auf<br />

den Brandplatz.<br />

Die Haigerlocher brachten als ein neues Hilfsmittel zur<br />

Bekämpfung des Feuers Ledereimer mit, die schon zu Beginn<br />

eines Brandes vorhanden, mit Wasser gefüllt von Hand zu<br />

Hand gereicht, gute Dienste leisten konnten. Hier kam die<br />

Hilfe zu spät. Es fehlten alle Mittel technischer Art, einen<br />

größeren Brand zu löschen, darum sind auch in jenen Jahrhunderten<br />

ganze Ortschaften zerstört worden, deren Namen<br />

wir nur noch aus der Geschichte kennen.<br />

Die Quelle, welche dem Ort Klein-Weildorf sonst das notwendigste<br />

Wasser lieferte und heute noch vorhanden ist,<br />

kam für größere Mengen Wasser nicht in Frage, und die<br />

starken Quellen im Unterdorf von Groß-Weildorf waren zu<br />

weit entfernt. So konnte nicht einmal der Versuch zum Löschen<br />

des Brandes gemacht werden, denn auch Jauchegruben<br />

und Güllenfässer waren damals noch unbekannte Dinge.<br />

Ratlos umstanden, nachdem das Notwendigste gerettet, die<br />

Hunderte von Menschen den Brandplatz, als auf einmal der<br />

Schreckensruf ertönte: „Die Kirche brennt", und gleich sah<br />

man aus dem hölzernen Turmaufbau der Klein-Weildorfer<br />

Kirche die Flammen herausschlagen.<br />

Entsetzt schrien all die Leute von Weildorf und der Umgebung,<br />

denen, sowie deren Vorfahren die Kirche jahrhundertelang<br />

gemeinsames Heiligtum gewesen, ihre Klage zum<br />

Himmel empor.<br />

Bald brannte auch der Dachstuhl lichterloh, und über all<br />

den Flammen der Kirche und der brennenden Häuser bildete<br />

der Turm eine mächtige Feuersäule.<br />

Jäh verstummte der Glocke Klang, die immer noch um<br />

Hilfe gerufen, bis das abgebrannte Seil in den Händen des<br />

Läutenden blieb. Sie, welche die Geschicke der Bewohner<br />

Weildorfs zu frohen und betrübten Zeiten mit ihrem Lied<br />

begleitete, war auf ewig verstummt.<br />

Unter Führung des Pfarrers Neg wurde aus dem Schiff<br />

und Chor noch gerettet, was zu retten war. Nochmals betrat<br />

der Mesner Huber das Heiligtum, da stürzte die Decke ein<br />

und begrub ihn unter den Trümmern. — Ein Menschenleben<br />

hatte der Brand verschlungen.<br />

Auf der Höhe drüben unter dem Galgen stand der Brandstifter,<br />

der schwarze Peter und schaute dem Untergang des<br />

Dorfes zu. „Wir sind gerächt", rief er noch zu den Ue'ierresten<br />

seines Freundes empor und verschwand, als der Tag<br />

graute, in der Richtung auf Kirchberg.<br />

Majestätisch stieg im Osten die Sonne hoch und warf ihre<br />

goldenen Strahlen vom jetzt wieder wolkenlosen Himmel<br />

über die rauchenden Ueberreste Klein-Weildorfs.<br />

Wie ein riesiger Sarg standen nur noch die Umfassungswände<br />

der Kirche, unter den fast durchweg aus Holz gebauten<br />

und daher bis zum Grunde zerstörten Bauernhöfen.<br />

Weinend schauten die Bewohner auf ihre einst so sonnig<br />

gelegenen, jetzt von des Feuerswut vernichteten Heimstätten.<br />

War es möglich, daß die paar Stunden der Nacht solches Unheil<br />

anrichten konnten? Wie betäubt von dem Unglück, wußten<br />

sie keinen Rat, bis der Vogt unter die Leute trat und<br />

sie aufforderte, jetzt nach Groß-Weildorf zu kommen.<br />

Aeltere Leute und die Kinder waren schon gleich nach<br />

Ausbruch des Brandes dorthin gebracht und von Verwandten<br />

versorgt worden.<br />

Auch die anderen Familienangehörigen verteilte der Vogt<br />

auf die einzelnen Höfe. Er und die Seinen fanden Unterkunft<br />

bei seinem Bruder, dem Schmied, den das Unheil dieser<br />

Schreckensnacht ärger mitgenommen als den Vogt selber.<br />

Von der Kräuterannl hatte man ja erfahren, wer den Brand<br />

im Lehnhof gelegt, und Schmied Pfeffer maß sich ein Teil


Schuld "zu, weil er der Mahnung des Bruders nicht gefolgt,<br />

als dieser vöh einem Kampf mit den Banditen abgeraten mit<br />

den Worten: „Die Landstreicher haben weiter nichts zu verlieren,<br />

bei uns aber stehen Haus und Hof auf dem Spiel."<br />

Auch der Sohn des "Vogts saß gedrückt in der Stube, in<br />

seinen Ohren klangen die Worte des Vaters: „Wohl kannst<br />

Du mit deiner Riesenstärke zehn darniederschlagen, doch<br />

gegen Hinterlist und Tücke schützen keine Menschenkräfte."<br />

Unbeugsam stand der Vogt, jetzt war keine Zeit, über das<br />

Gewesene zu sinnen, und schließlich war er auch nach dem<br />

Pferderaub in Henstetten mit bewaffnetem Eingreifen einverstanden<br />

gewesen.<br />

Ihren Viehstand hatten die Abgebrannten gerettet, denn<br />

um diese Jahreszeit lief das Vieh schon auf der Weide und<br />

war auch nachts draußen in den „Stellen", den nächtlichen<br />

Viehlagen.<br />

Des bewußtlosen Dominikus nahm sich schon die ganze<br />

Nacht über die „Kräuterannl" an. Am Morgen, aus der Betäubung<br />

erwacht, galt, als er sich der Begebnisse wieder erinnern<br />

konnte, seine erste Frage jener, die er mit höchster<br />

Lebensgefahr, aber sich selber dessen kaum bewußt, aus den<br />

Flammen des Lehnhofs getragen.<br />

Man hatte von der Klause drüben, wo Luzia lag, noch<br />

nichts erfahren. Tiefbekümmert standen die Leute vom<br />

Saalhof umher. Auch Barbara saß, still für sich hinweinend,<br />

in einer Ecke. Wie konnte man dem armen Bruder sagen,<br />

daß er heute nacht nicht nur die Heimat, sondern auch den<br />

Vater verloren hatte.<br />

Unter den unermüdlichen Diensten der Klosterfrauen war<br />

bald, nachdem Luzia einige Zeit dort in der Klause gelegen,<br />

das Bewußtsein wiedergekehrt. Ueber das Schicksal ihres<br />

Lebensretters, von der Mutter, die am Bett saß, beruhigt,<br />

schlief sie wieder ein. Mit Tagesanbruch erwacht, konnte<br />

Luzia von ihrer Mutter und einer Klausnerin begleitet, nach<br />

dem Saalhof gehen, um Dominikus, den Lebensretter zu<br />

besuchen.<br />

Geräuschlos traten sie in die Stube, wo dieser lag.<br />

Voll Dank kniete Luzia an seinem Ruhelager nieder, ergriff<br />

die Hand des Blinden und rief mit tränenerstickter<br />

HOHENZOttTTAtanar HIIKAt Jahrgang 3P60<br />

Stimme: „Vergelts Gott, Dominikus, mein Angelus, — ohne<br />

dich läge ich jetzt verbrannt in den Trümmern des Lehnhofs<br />

draußen."<br />

„Danke nicht mir, Luzia, danke dem lieben Gott und der<br />

Himmelsmutter, der ich eine Wallfahrt nach Einsiedeln versprochen,<br />

wenn ich dich lebend aus dem Feuer bringe."<br />

„Aber Dominikus, du kannst doch den Weg zur Muttergottes<br />

nach Einsiedeln nicht finden", meinte Luzia.<br />

Da trat die Kräuterannl ans Bett, legte ihre Hand aufs<br />

weiche, vom Feuer versengte Lockenhaar des Blinden und<br />

sprach: „Dafür werde ich schon soigen, mir sind Weg und<br />

Steg dorthin bekannt."<br />

Dominikus lächelte: „Des Lebens Unterhalt für uns verdien'<br />

ich mit dem Geigenspiel. •—• Doch wo ist der Vater, seine<br />

Stimme hörte ich noch nicht, wo ist meine Schwester?"<br />

Barbara kam näher und sagte: „Hier bin ich, guter Bruder,<br />

auch deine Geige habe ich auf dem Kirchhof unversehrt<br />

gefunden und mitgebracht", — der Schmerz übermannte sie<br />

und laut weinend schrie Barbara hinaus: — „Der Vater,<br />

unser guter Vater kommt nicht mehr."<br />

Mit einem Ruck erhob sich der Blinde. Seine glanzlosen<br />

Augen öffneten sich weit, als ob sie die Finsternis, die ihn<br />

umgab, durchdringen müßten: „Der Vater kommt nicht<br />

mehr?" Keines der Anwesenden wagte mehr, eine Antwort<br />

auf die Frage zu geben.<br />

Pfarrer Neg, der inzwischen eingetreten war, hatte die<br />

letzten Worte des Blinden gehört. Hilfesuchend schauten alle<br />

nch dem Seelenhirten hin.<br />

Der Priester ergriff beide Hände des Armen und sprach:<br />

„Wir alle haben einen himmlischen Vater und auch eine<br />

Mutter dort oben über den Sternen, wo deine liebe Mutter<br />

schon lange und auch dein Vater jetzt weilt, denn er hat in<br />

treuer Pflichterfüllung in seinem Heiligtum das Leben eingebüßt.<br />

Der Pfarrer erzählte den Hergang und tröstete, so gut er<br />

konnte. Auch ihm brach fast das Herz über all dem Unglück<br />

und Weh, das über seine Gemeinde gekommen. — Menschenschicksale,<br />

•—• bei denen nur der Hinweis auf das Jenseits<br />

Trost gewähren konnte. (Fortsetzung folgt.)<br />

Volksleben in Steinhilben vor 50 Jahren<br />

Sitten und Bräuche im Volksleben eines Albdorfes<br />

In der Jubiläumsausgabe „50 Jahre Lauchert-Zeitung"<br />

schrieb Oberlehrer Widemann in Steinhilben:<br />

In den letzten Jahren hat man sich viel mit der Erforschung<br />

der Eigenart, dem inneren Wesen und den Charakterzügen<br />

unseres Volkes und einzelner Volksteile beschäftigt,<br />

um einerseits das oft „neuartig" Erscheinende dem Zugewanderten<br />

verständlich zu machen, andererseits den wertvollen<br />

„Altbesitz" in unserer raschlebigen Zeit, mit ihrem<br />

Hasten und Drängen, mit ihrem Hang zum Neuen, nicht<br />

untergehen zu lassen.<br />

Auöh unsere Albbewohner haben sich so gut wie jeder<br />

andere deutsche Stamm aus den Tagen des germanischen<br />

Heidentums, wie aus dem christlichen Altertum und Mittelalter,<br />

trotz Aufklärung und politischen Zeitenwechsel, sehr<br />

vieles bewahrt, was ihr arbeitsames, eintönig prosaisches<br />

Leben zu verschönern und poetisch anzuhauchen imstande<br />

ist. Von der Wiege bis zum Grabe, im Laufe des kirchlichen<br />

und bürgerlichen Jahres, an Glaube, Sitten und Redensarten,<br />

an bestimmte Arbeiten in Haus und Feld, an Naturereignisse<br />

und allerlei Vorkommnisse des menschlichen Lebens knüpfen<br />

sich eine Unsumme von Bräuchen und Sprüchen, Handlungen<br />

und Redensarten an, die kennen zu lernen, eine Herzensfreude<br />

sein kann.<br />

Im folgenden seien uns die Sitten und Bräuche unseres<br />

Volksteiles geboten, so wie sie das Leben uns täglich vor<br />

Augen führt.<br />

A) Sitten und Bräuche im menschlichen Lebenslauf<br />

1. Taufe<br />

Ist ein künftiger Mitbürger oder eine Mitbürgerin zur<br />

Welt gekommen, so beeilen sich die sorgenden Eltern, daß<br />

dem kleinen Erdenbürger möglichst rasch die Taufe gespendet<br />

und er in die Gemeinst',aft der Kirche aufgenommen<br />

werde. Die Taufe findet gewohnlich am ersten Sonntag, der<br />

auf den Geburtstag folgt, nach dem Nachmittagsgottesdienst<br />

statt. „Dota" und „Döte", in Begleitung des Vaters und der<br />

Hebamme, bringen den Täufling zur Kirche. Schreit der<br />

kleine Knirps bei der hl. Handlung tüchtig, so ist das für<br />

seine weitere Entwicklung ein gutes Zeichen, er bekommt<br />

eine kräftige Lunge und wird später einmal „bestimmt" ein<br />

guter Sänger. Während des Heimgangs wird tüchtig geschossen,<br />

besonders wenn die Ehre einem „Erbprinzen" gilt. Die<br />

Burschen oder Männer, die dies Ehrenamt vollziehen, erhalten<br />

vom glücklichen Vater einige Glas Bier als Erkenntlichkeit.<br />

Früher leisteten die Kinder, indem sie sich bei den<br />

Händen faßten, vor der Kirchtür „Vorspann" und erhielten<br />

einige Pfennige. Dieser Brauch scheint erstorben zu sein. Die<br />

mit dem getauften Kinde Heimkehrenden bekommen Kaffee<br />

mit Hefenkranz, Kuchen und Wein, oder was heutigen Tages<br />

mehr und mehr üblich geworden, begeben sich ins Wirtshaus,<br />

wo dieser Tag bei Wein und Bier gefeiert wird. Von<br />

einem „Taufschmaus" kann kaum die Rede sein. In früheren<br />

Zeiten wurde der sog. „Gevattertrunk" gehalten: „Dota" und<br />

„Döte", die Eltern des Kindes und die Hebamme, begaben<br />

sich nach etwa 3 A Jahren ins Wirtshaus, wo bei „Braten und<br />

Wein" gefeiert wurde.<br />

Ein schöner Brauch ist, daß fast aus jedem Haushalt eine<br />

„Fraunam" auf „d' Weisat goht", d. h. der Wöchnerin ein<br />

Geschenk bringt. Die nächsten Verwandten (d' Nähschte")<br />

bringen einen Hefenkranz, Kaffee und Zucker.<br />

Die Frage: „Wie soll das Kind heißen?", macht im allgemeinen<br />

kein großes Kopfzerbrechen. Der erste Bub wird<br />

benamst nach dem „Ehne", das erste Mädchen nach der<br />

„Ahne" väterlicherseits, das zweite Pärchen nach den Großeltern<br />

mütterlicherseits, das dritte Pärchen nach „Döte" und<br />

„Dota" oder den Eltern. Ist dieser Brauch erfüllt und hat er<br />

sich als unzureichend erwiesen, so werden andere Namen<br />

aus der Verwandtschaft gewählt oder auch im Kalender<br />

nach einem passenden Namen gesucht. In manchen Fällen<br />

wird auch dem Orts- bzw. Kirchenpatron die Ehre gegeben.<br />

Der erste Gang der Wöchnerin gilt der Kirche, wo sie „ausgesegnet"<br />

wird.<br />

Kommt die Mutter mit dem Kinde zum erstenmal in ein<br />

anderes Haus, so schenkt man letzterem ein Ei, damit es<br />

besser sprechen lerne. Lacht ein Kind in frühem Alter, so<br />

„lachts" en Hemmel nei", das heißt, es stirbt bald.<br />

Kinder lernen das Stehlen, wenn man sie zum Fenster<br />

hinaus hält, oder wenn man innen in den ersten sechs Lebenswochen<br />

die Nägel schneidet.<br />

Kinder werden nicht groß, wenn sie unter eine Deichsel<br />

schlüpfen.<br />

Kinder bekommen eine gute Singstimme, wenn sie schimmeliges<br />

Brot essen.


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 7<br />

2. Hochzeit<br />

Eine Hochzeit ist ein hochwichtiges Ereignis für die ganze<br />

Einwohnerschaft des Dorfes. Die meisten Hochzeiten finden<br />

in der Zeit von Dreikönigstag bis Fastnacht oder auch im<br />

Wonnemonat Mai, spätestens aber vor der Ernte statt, wodurch<br />

eine neue, hochwillkommene Arbeitskraft gewonnen<br />

wird. Als Tag der Hochzeit, die stets am künftigen Wohnort<br />

abgehalten wird, wählt man womöglich den Montag, Dienstag<br />

oder Donnerstag. Hochzeiten am Freitag und Samstag sind<br />

unbekannt, ebenso am Mittwoch, wo nur die „augschickta<br />

ond domma heiret".<br />

Auswärtige werden vom Brautpaar mündlich oder mittels<br />

gedruckter Karte eingeladen. Neuerdings kommt auch der<br />

Brauch auf, die Hochzeitseinladung in den Nachbarorten<br />

durch Schellenruf bekannt zu geben. Die Einheimischen werden<br />

durch das Brautpaar persönlich eingeladen, oder aber<br />

der Pfarrer ladet bei Verkündung der Trauung von der Kanzel<br />

zur Hochzeitsfeier ein. Pfarrer, Lehrer und Bürgermeister<br />

des Dorfes werden von den Brautleuten persönlich eingeladen<br />

und erhalten als Geschenk ein weißes „Sacktuch".<br />

Die Altersgenossen, nächsten Verwandten und Nachbarn<br />

der Brautleute, fertigen zur Schmückung des Hochzeitshauses<br />

und des Eingangs des Wirtshauses, in dem die Hochzeit<br />

stattfindet, Kränze an und werden am Sonntagabend dafür<br />

zu einem Trunk eingeladen.<br />

Am Samstag vor der Hochzeit ist der Einzugstag der<br />

Braut. Die Altersgenossen der Brautleute schießen mit „Böllern"<br />

und Gewehren.<br />

Den eigentlichen Einzug, die Unterbringung der Möbel<br />

und Hausgeräte besorgen die Verwandten der Braut. Früher<br />

bekamen die teilnehmenden Kinder einen „Wecken". Nach<br />

dem Einzug werden die geöffneten Kasten, Truhen und<br />

Zollerlandschaft bei Weilheim Photo und Klischee Eigentum von Herrn Christian Maute-Bisingen


8 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Laden eingehend besichtigt und ihr Inhalt gebührend bewundert,-<br />

auch wenn es daran nachher manches auszusetzen<br />

gibt. Die Altersgenossen geben der Braut eine „Schenke".<br />

Früher war es üblich, eine Kunkel zu schenken, an die allerlei<br />

Dinge, wie „Kendia", Kinderkittelchen, Kinderlätzchen<br />

usw. angehängt waren. Waren viele Kittelchen daran, so war<br />

das Gelächter groß, denn je mehr Kittelchen an der Kunkel<br />

hingen, desto mehr Kinder hatte die Braut zu erwarten. Zur<br />

Zeit, als die „Kunkel- oder Liachtstuben" noch üblich waren,<br />

durften die Mädchen, die mit der Braut im Laufe des Winters<br />

die gleiche Kunkelstube besucht hatten, den Strohsack<br />

stopfen, wobei er nicht nur mit Stroh, sondern auch mit<br />

Dreschflegel, Rechen, Besen und anderen einladenden Dingen<br />

gestopft wurde. Auch heute, nach Abschaffung des Strohsackes,<br />

wird noch ähnlicher Schabernack bei Errichtung des<br />

Brautbettes getrieben.<br />

Dem Einzug folgte früher der Polterabend, wobei Burschen<br />

und Mädchen ein Faß Bier erhielten.<br />

Falls die Braut von auswärts kommt, bringt ihre Aussteuer<br />

der mit Kränzen geschmückte „Brautwagen". Gewöhnlich<br />

auch am Samstag hält die Braut ihren Einzug. Am<br />

Mittwoch, als einem Unglückstag, soll kein Einzug stattfinden.<br />

Recht reichen Mädchen werden sogar zwei oder drei<br />

Wagen ausgestattet. Wehe der Brautausrüstung, wenn der<br />

Himmel seine Schleusen öffnet! Der Brautwagen, von zwei<br />

oder vier Pferden mit Schellengeläute gezogen, ist außer<br />

dem Fuhrmann vom Schreiner und der Näherin der Braut<br />

besetzt. Der Brautwagen, die Geißel des Fuhrmanns, und die<br />

Pferde, ,,d' Schwänz und d' Mähna", sind mit Schleifen aus<br />

roten und blauen Bändern geschmückt. Rot und blau sind<br />

die Farben der Liebe und Treue. Der Brautwagenführer erhält<br />

von der Braut als Geschenk ein Hemd, das ihm die<br />

Braut in einem Päckchen ans Kummet eines Pferdes hängt.<br />

Früher leisteten Kinder mit Seilen Vorspann, wenn der<br />

Brautwagen kam, und erhielten Pfennige ausgeworfen.<br />

Früher war es Sitte, daß die Braut beim „Einzug" selbst<br />

Hand anlegte. Sie nahm alsdann die „Zudecke" (das Oberbett)<br />

und trug sie und damit das „Glück" ins Haus. Dabei<br />

mußte sie acht geben, daß sie die Türpfosten nicht berührte,<br />

denn dann gab es in der Ehe keinen Anstoß oder Streit.<br />

Die bürgerliche Eheschließung findet gewöhnlich am Vorabend<br />

oder morgens am Tage der Trauung statt. Am Hochzeitmorgen<br />

versammeln sich die Brautleute, die Verwandten<br />

und Teilnehmer des Hochzeitszuges im Wirtshause, in dem<br />

die weltliche Feier stattfindet. Hier werden die Gäste und<br />

Brautzugsteilnehmer gegen ein Trinkgeld von der Brautnäherin<br />

mit dem Hochzeitsstrauß geschmückt. Den sich bildenden<br />

Zug eröffnet die Musik. Es folgen die teilnehmenden<br />

Vereine, „Gsell und Gspiel", die Brautleute, männliche und<br />

weibliche Hochzeitsgäste. Sich führen, Arm in Arm gehen, ist<br />

im allgemeinen nicht Sitte.<br />

Nach der Trauung besuchen das Brautpaar und die nächsten<br />

Verwandten die Gräber verstorbener Eltern oder Anverwandten.<br />

Der Brautzug wird anschließend wie zuvor zur<br />

Wirtschaft zurückgeführt. Der Eingang zur Wirtschaft, sowie<br />

die Haustür der Wohnung des Brautpaares sind von den<br />

Altersgenossen des „Hochzeiters" und vom „Gsell" mit Kränzen<br />

und Tannen geschmückt worden,<br />

Nach der Rückkehr von der Kirche beginnt sogleich der<br />

Brauttanz. Dabei hat der Bräutigam das Zusehen. Es tanzt<br />

nämlich der Bruder der Braut oder ein naher Verwandter<br />

derselben mit der Braut, die ihrem Tänzer ein „Sacktuch"<br />

verehrt. Darauf folgt der Tanz der Brautführer. Erst jetzt<br />

beteiligen sich auch andere Paare am Tanz. Während des<br />

Tanzes wechseln die sog. Vortänze ab für Altersgenossen<br />

und Gespielen der Braut und des Bräutigams, des „Gsell"<br />

und der „Gspiel". Ist der Bräutigam Mitglied irgend eines<br />

oder gar mehrerer Vereine, so beteiligen sich diese Vereine<br />

mit Fahnen an der Trauungsfeier. Sie erhalten ein Faß Bier<br />

und einen „Vortanz" für ihre Mitglieder. Deklamierende<br />

Kinder, kleine Vorträge und „poesievolle" Wünsche sorgen<br />

für Abwechslung.<br />

Am Hochzeitsessen beteiligen sich außer dem Brautpaar<br />

und dessen Eltern und Geschwister nur die nächsten<br />

Verwandten und aus besonderen Gründen geladene Gäste.<br />

Kranke Personen und Wöchnerinnen erhalten an diesem<br />

Tage das Mittagessen gebracht. Früher war das Essen ziemlich<br />

reichlich bemessen, so daß von dem Rindfleisch,<br />

Schweinefleisch und Kalbfleisch, von den Würsten, Kuchen<br />

und anderen Dingen noch ziemlich viel in das ohne Aufforderung<br />

gereichte Papier gewickelt werden konnte. Nach<br />

dem Hochzeitsmahle füllt sich der Saal mit einheimischen<br />

und fremden Gästen, die zur „Schenke" kommen.<br />

Für die Brautleute ist die Hochzeit je nach dem Ansehen,<br />

das sie selbst oder ihre Eltern genießen, oder nach der Zeit,<br />

in der sie ihre Hochzeit halten, ein „einträglich Geschäft".<br />

Sie sitzen in der Nähe der Türe und nehmen die in Geld<br />

gereichte „Hochzeitsschenke" in Empfang. Die Braut sagt:<br />

„I bedank me, i will's au wieder wett macha."<br />

Ist der Hochzeitstag seinem Ende nahe und wollen die<br />

Brautleute aufbrechen, so tanzen sie den „Ehrentanz". In<br />

früheren Zeiten wurde dieser so gehandhabt, daß in die<br />

Mitte des Tanzplatzes drei brennende Kerzen gestellt wurden.<br />

Man gab acht, daß keine Kerze ausgelöscht wurde. Wer<br />

beim Tanzen von den Brautleuten zuerst ein Licht auslöschte,<br />

mußte vor dem anderen Teil sterben. Gewöhnlich werden<br />

die Brautleute von den Eltern, den Gespielen und Altersgenossen<br />

nach Hause begleitet. Auf dem Heimweg wird oft<br />

gesungen. Zu Hause angekommen, wird zur Erfrischung Kaffee<br />

herumgereicht. Bald nehmen die „Heimbegleiter" fröhlichen<br />

Abschied unter allerlei wohlgemeinten Glückwünschen,<br />

von denen einer folgen möge:<br />

Jetz isch halt so ganga, Jetz hoscht du halt gheirat,<br />

Jetz hot ses so gschickt, Jetz bischt du a Weib,<br />

Jetz wensch i d'r Braut Jetz siehscht du koim lediga<br />

Ond deam Bräutigam Glück! Mädle meh gleich.<br />

Jetz hoscht du halt gheiret, Jetz wensch i d'r Braut<br />

Jetz bischt du a Ma, Ond deam Bräutigam Glück,<br />

Jetz bsieht di koi ledigs Ond daß 's älle Johr<br />

Schöns Mädle meh a! A Kendergschrei geiht.<br />

Auf einige besondere Umstände hat der Volksglaube sein<br />

Augenmerk gerichtet.<br />

Regnets am Einzugstag der Braut, so haust sie nicht gut.<br />

Regnets am Hochzeitstage, werden die Brautleute reich. Wer<br />

zuerst ins Brautbett kommt, hat künftig die Oberhand im<br />

Hause.<br />

Eine Beerdigung am Hochzeitstage oder ein offenes Grab<br />

deuten auf eine baldige Auflösung der Ehe durch den Tod.<br />

3. Beerdigung<br />

Im allgemeinen ist der Menschenschlag auf der Alb zäh<br />

und langlebig. Leute mit 80 und mehr Jahren sind nicht<br />

selten. Klopft der Tod an, so wird frühzeitig der Pfarrer<br />

gerufen, daß er den vom Tod Gezeichneten „ausfertigt", das<br />

heißt, die Sterbesakramente spendet. Ist der Eintritt des Todes<br />

bald zu erwarten, so wird die „Zugglocke" geläutet. Dem<br />

in den letzten Zügen Liegenden stehen Angehörige, Nachbarn<br />

und Verwandte bei, indem sie den Rosenkranz beten<br />

und die Sterbegebete verrichten. Die Fenster werden geöffnet,<br />

„daß die Seele entfliehen kann."<br />

Nach dem Tode werden dem Verstorbenen die Augen geschlossen,<br />

denn wenn er sie offen behält oder wenn sie sich<br />

wieder öffnen, stirbt jemand aus der Verwandtschaft. Nachbarn<br />

und Verwandte halten die Totenwache. Frauen, oder in<br />

Ausnahmefällen auch Männer, gehen in die umliegenden<br />

Orte zum „Leichsagen". Früher war dies ein ganz einträgliches<br />

Geschäft. Heute bedient man sich zur Mitteilung des<br />

Todesfalls der Zeitungsanzeige oder der Trauerbriefe.<br />

Bis zum Beerdigungstag wird jeden Abend der Rosenkranz<br />

für den Verstorbenen gebetet, und zwar meistenteils im<br />

Trauerhause selbst, manchmal auch in der Kirche. Letzteres<br />

ist jedenfalls aus verschiedenen Gründen vorzuziehen.<br />

Bei der Beerdigung tragen die Nachbarn den Sarg, Kirchenkreuz,<br />

Fahne und Kerzen. Sie begeben sich mit den<br />

männlichen Verwandten zur Kirche, wo der Pfarrer abgeholt<br />

wird. Im Leichenzug gehen die männlichen Verwandten<br />

direkt hinter dem Sarge, während die weiblichen Angehörigen<br />

als Letzte den Zug beschließen.<br />

Nach erfolgter Beerdigung spricht der Pfarrer auf Wunsch<br />

den Dank aus für die Teilnahme am Leichenbegängnis und<br />

für Besuche, die dem Verstorbenen während der letzten<br />

Krankheit erwiesen wurden.<br />

Die Teilnahme am Leichenbegängnis ist in vielen Fällen<br />

eine allgemeine. Oft richtet sie sich teils nach der Zeit, in der<br />

die Beerdigung stattfindet oder nach dem Ansehen, das der<br />

Verstorbene oder seine Angehörigen in der Gemeinde und<br />

Umgebung genießen. Sehr oft bewahrheitet sich allerdings<br />

auch der allgemeine Spruch:<br />

Ischt ma reich, no goht ma mit d'r Leich,<br />

Ischt ma arm, daß Gott erbarm!<br />

Anschließend an die Beerdigung, die an Werktagen immer<br />

in den Vormittagsstunden gehalten wird, findet der Seelengottesdienst<br />

für den Toten statt. Ist die „Leich" am Sonntagnachmittag,<br />

so hält man den Gottesdienst meistens am<br />

folgenden Tage. Bei der Opferung wird ,,z' Opfer ganga",<br />

wobei jeder Teilnehmer ein Scherflein auf den aufgestellten<br />

Opferteller legt. Es soll schon vorgekommen sein, daß von<br />

besonders „sparsamen" Leuten vorher ein „Zweier" gewechselt<br />

wurde, um „standesgemäß" opfern zu können. Nach dem<br />

Gottesdienst begeben sich die Anverwandten, sowie auswärtige<br />

Teilnehmer ins Wirtsnaus. Hierbei wird der Verstorbene<br />

manchmal recht tüchtig „beweint".


Jahrgang <strong>1960</strong> HOFlIiKZOLLEXISCIZ HEIMAT 9<br />

Auch beim Tode spielt der Aberglaube keine geringe Rolle.<br />

Außer dem schon genannten Falle wird der baldige Tod<br />

eines Mitbürgers angemeldet durch den Schrei des Käuzchens:<br />

„Komm mit". Springt die Türe von selber auf, oder<br />

hört man ein rätselhaftes Geräusch im Hause, so hat der<br />

Tod angeklopft. Ist am Freitag ein Grab offen, oder schlägt<br />

die Uhr am Sonntag während der Wandlung die volle<br />

Stunde, so stirbt bald jemand im Dorfe. Desgleichen wird ein<br />

baldiger Todesfall angezeigt, wenn beim Betläuten die Glokken<br />

surren, oder wenn im „Totenhäuschen" das Geschirr<br />

klirrt.<br />

Tritt bei einem Toten keine richtige Totenstarre ein, so<br />

stirbt bald wieder jemand. Der Tod meldet sich weiter an<br />

durch die sog. Wanduhr, durch Klopfen und das Stillestehen<br />

der Uhr. Wenn im Hause jemand stirbt, so muß man den<br />

Most umleeren und die Blumenstöcke verstellen, sonst werden<br />

sie unbrauchbar oder sterben ab.<br />

Warzen kann man vertreiben, wenn man sie mit drei<br />

Speckbrocken überstreicht und diese ins Grab wirft.<br />

B) Sitten und Bräuche<br />

im Laufe des kirchlichen und bürgerlichen Jahres<br />

Am Nikolausabend kommt der Santiklos. Vermummte<br />

Burschen durchziehen das Dorf, mit Schellen und Ketten<br />

rasselnd. Sie kommen in die Häuser und teilen den Kindern<br />

und ledigen Mädchen Rutenstreiche aus, werfen wohl auch<br />

Aepfel und Nüsse unter die Kinderschar, um dann, wenn<br />

sich die Kinder darum balgen, umso besser dreinhauen zu<br />

können. Die Kinder rufen schon tagsüber:<br />

„Santikloos, Butterfidla, laß mer au en Epfel liega!"<br />

Die Kinder erhalten am folgenden Tag von „Döte" und<br />

„Dota" da Kloosa: Aepfel, Nüsse, Lebkuchen und Hanselmanna",<br />

vielleicht auch noch Spielsachen und Gebrauchsgegenstände.<br />

Auf Weihnachten wird da, wo Kinder sind, ein Christbaum<br />

beschert. Die eigentliche Bescherung durch „Dota und<br />

„Döte" ist erst am Christtag selbst. Sie besteht aus Hefekranz,<br />

Sprengerle, Aepfeln und Nüssen, Spielsachen und Kleidungsstücken.<br />

In vielen Häusern darf zu Weihnachten das<br />

„Hutzel- oder Schnitzbrot" nicht fehlen.<br />

Von Bedeutung sind die zwölf „Maunetstäg" (Monatstage).<br />

So werden die Tage von Weihnachten bis Dreikönig genannt,<br />

denn wie das Wetter in den zwölf Nächten dieser<br />

Tage ist, so wird es in den Monaten des kommer-ien Jahres<br />

sein. Für manche Leute ist in dieser Hinsicht die Christnacht<br />

maßgebend. Sie stellen zwölf Zwiebelschalen mit Salz<br />

auf. Wird das Salz feucht oder schmilzt es gar, so wird der<br />

betreffende Monat, für den die Schale bestimmt war, ein<br />

feuchter, ein regenreicher sein.<br />

An Weihnachten wünschen sich die Leute bereits „a glückseligs,<br />

leichts, gsonds Johr"; während am Neujahrstage selbst<br />

der Wunsch lautet: „I wensch dr a nuis gsonds Johr!"<br />

An Sylvester ist das Neujahrsanschießen der ledigen Burschen<br />

noch üblich. Früher wurde an diesem Abend in den<br />

Wirtshäusern um Hefekränze und Brezeln gewürfelt.<br />

An Dreikönigstag ist es üblich, Salz und Kreide weihen zu<br />

lassen. Voi. dem Salze gibt man dem Vieli, um es vor Krankheiten<br />

und Seuchen zu bewahren Mit der Kreide schreibt<br />

man auf den Türbalken der Stube die Anfangsbuchstaben<br />

der drei Weisen und die Jahreszahl 19 + K + M + B + 26).<br />

Das Haus steht damit unter dem Schutze der drei hl. Männer,<br />

die es bewahren sollen vor Feuer und Blitzgefahr.<br />

Der Lichtmeßtag ist der Tag der Kerzen- und Wachsweihe,<br />

zugleich ein Lostag:<br />

„Lichtmeß hell und klar, deutet auf ein gutes Jahr!"<br />

Am folgenden Tag, Fest des hl. Blasius, wird die Halsweihe<br />

in der Kirche vorgenommen zum Schutze gegen Halskrankheiten.<br />

An St. Agathatag (4. Februar) werden Brot und Wein geweiht.<br />

Vom Brote erhält auch das Vieh zum Schutze gegen<br />

Krankheiten. Ein Stückchen des geweihten Brotes wird bis<br />

zum nächsten Jahr aufbewahrt zum Schutze gegen Blitzschlag.<br />

Früher wurde an diesem Tage auch noch ein Wachsstock<br />

geweiht, der bei Gewittern angezündet wurde. Die<br />

Familie versammelte sich beim Schein des Wachslichtes und<br />

betete um Bewahrung vor Blitz- und Hagelschlag, vor<br />

Sturm- und Wetterschäden.<br />

Bald naht die Fastnacht. An „dr Fasnet" geht es teilweise<br />

auch im Albdorf lustig her.<br />

Frühmorgens, direkt nach dem Betläuten, wird die „Fasnet"<br />

geweckt. Dies besorgen die „Zaunstecken Ledigen", d. h.<br />

diejenigen, die im Vorjahre aus der Volksschule entlassen<br />

wurden, indem sie mit Peitschen knallen, pfeifen, schreien<br />

und johlen und durch einen heillosen Lärm die Schläfer<br />

wecken.<br />

Die Kinder rufen auf den Straßen:<br />

,,D' Fasnat muaß an Wedel hau, an Wedel hot se schau."<br />

Da und dort finden sich „pudelnärrische" Leute zusammen.<br />

Der „Hanswuschtel" weiß in Reimen allerlei Spaßhaftes, so<br />

sich das Jahr über ereignet, zum besten zu geben, zum<br />

Spott der Betroffenen und zum Gelächter seiner Zuhörer.<br />

Abends ist in den Wirtschaften Tanz und „Theater". Dienstag<br />

abend 12 Uhr ist Schluß dieser Belustigungen.<br />

Am kommenden Morgen teilt man in der Kirche Asche<br />

aus. „Memento homo..." und mit dem Aschermittwoch beginnt<br />

die ernste Fastenzeit.<br />

Auf den Palmsonntag machen sich Buben und Mädchen<br />

ihre Palmen. Sie bestehen aus Palmkätzchen, Buchenzweigen<br />

mit dürrem Laub, Tannenzweigen und Kreuzchen aus Holunder.<br />

Nach der kirchlichen Weihe erhalten sie im Hause<br />

ihren Platz im „Herrgottswinkel" der Stube, im Stall oder<br />

auf der Bühne des Hauses. Sie bewahren vor Feuersgefahr<br />

und Seuchen. Wer am Palmsonntag beim Aufstehen der<br />

Letzte ist, oder mit seinem Palmen zuletzt die Kirche verläßt,<br />

ist der „Palmesel" das ganze Jahr hindurch.<br />

Die nun kommende Karwoche dient der Vorbereitung auf<br />

das Osterfest. Vom Gründonnerstag bis Karsamstag schweigen<br />

die Glocken, an deren Stelle ertönen die „Ratschen".<br />

Abends werden die „Metten" gehalten.<br />

Die Karwoche mit ihrem ernsten, stillen Charakter ist<br />

leider auch nicht frei von abergläubischen Meinungen. Regen<br />

am Karfreitag hat man nicht gern, weil sonst der Regen das<br />

ganze Jahr nicht ausgibt. Wenn ein Mann am Karfreitag ein<br />

Gansei ißt, bekommt er das ganze Jahr das Rückenweh nicht;<br />

desgleichen ein Knabe keinen Bruch.<br />

Leute, die am Karfreitag trinken, haben das ganze Jahr<br />

Durst.<br />

Eine schwarze Henne, am Karfreitag ausgebrütet, wird im<br />

folgenden Jahre weiß.<br />

Ein am Karfreitag gelegtes Hühnerei hält sich ein ganzes<br />

Jahr frisch.<br />

Wie der Wind am Karsamstag, so bleibt er bis Pfingsten.<br />

Ostern! — Auferstehung! „Fröhliche Auferstehung!" ruft<br />

sich jung und alt zu. Eine schöne Sitte, die mit der Auferstehungsfeier<br />

am Karsamstag abend ihren Anfang nimmt<br />

und an den Osterfeiertagen von Mund zu Mund geht —<br />

„Osterfreude, Osterhoffnung, bei jung und alt vermittelnd.<br />

Und die Kinder erst! Wie freuen sie sich auf den „Osterhas".<br />

Dota und Döte richten die Ostereier, die von ihren Patenkindern<br />

mit glänzenden Augen und frohen Herzen in Empfang<br />

genommen werden, namentlich, wenn sie der „Osterhas"<br />

„blau und rot, braun und gelb" gefärbt und mit „Heuschlaufen<br />

und Gätterleskraut" verziert hat. Und nun gehts<br />

auf die Wiese zum fröhlichen Eierwurf. Da und dort wird<br />

auch ein lustiges Eierlesen veranstaltet. Am Ostermontag<br />

gehen die Leute nach „Emmaus", Es ist der Tag der Ausflüge,<br />

um Freunde und Bekannte in den Nachbarorten<br />

aufzusuchen, um auch dort „fröhliche Auferstehung" zu<br />

wünschen.<br />

Bald naht der „Weiße Sonntag", der Tag der Kinder. Mit<br />

freudigem Herzen rüstet sich die Kinderschar, ihren Gott und<br />

Herrn zu empfangen. Bei manchen allzu weltlich gesinnten<br />

Herzen spielen allerdings das neue Kleid und das Kränzlein<br />

im Haar, der neue Anzug und die Tatsache, nun bald den<br />

„Großen" beigezählt zu werden, keine geringe Rolle.<br />

Der April mit seinen Wetterlaunen, mit seinem Winterund<br />

Frühlingsahnen hat seinen Einzug bei manchen Buben<br />

und Mädchen auf gar schelmische Art gehalten. Zum Krämer<br />

und Beck, zum Schmied oder Schneider wird gar mancher<br />

dienstbeflissene Bube geschickt, um „I-be-domm" und<br />

„aubrennte Aescha", „Ochs-dreh-de-omm" und „grade<br />

Häckla" oder „s' Begleisa mit em gläserne Griff" zu holen.<br />

Gar groß ist der Aerger auf der einen, das Hallo auf der<br />

anderen Seite, wenn die „Spaßvögel" wieder um einen Erfolg<br />

reicher sind.<br />

In diesem Monat rüsten sich die A-B-C-Schützen zu ihrem<br />

ersten Schultage, und mancher kleine Held, dem die Mutter<br />

allzuoft mit dem Worte drohte: „Wart no, d'r Lehrer weat<br />

d'r schau da Moister zoiga", und damit in recht unpädagogischer<br />

Weise ihren eigenen „Erziehungskünsten" Nachdruck<br />

verleihen suchte, sieht diesem ereignisvollen Tage mit gespannter<br />

Erwartung entgegen.<br />

Am ersten Mai stecken die Burschen ihren Mädchen den<br />

„Maien", während am letzten Mai die „Spottmaien" umgehen,<br />

wobei „Mischkärra", Eggen und Pflüge versteckt<br />

werden.<br />

Das hl. Fronleichnamsfest wird als „Herrgottstag" überall<br />

feierlich begangen. An diesem Tage soll das Wetter schön<br />

sein, denn so wie das Wetter am „Herrgottstag", so ist es<br />

im Heuet.<br />

An Maria Himmelfahrt wird die „Weisang" geweiht. Sie<br />

besteht aus Feld- und Gartenfrüchten, die Mitte überragt<br />

eine prächtige „Königskerze".


10 HOHEttZOLLE IS HE HEIMAT Jahrgang'llfttO<br />

Erntezeit — strenge Zeit, besonders für den Bauern auf<br />

der Alb. Frühmorgens beginnt der Mäher sein Tagewerk. Die<br />

Ernte sollte auch auf der Alb rasch von statten gehen, denn<br />

eine sich lang hinziehende Ernte „battet" nichts. Nach Einbringung<br />

der Ernte feiert man die „Sichelhenke".<br />

Auf ,,d' Kirbe" werden schon eine Woche vorher Kuchen<br />

und Weißbrot gebacken, so daß der Gemeindebäcker keinen<br />

„Schwarzlaib" mehr zu sehen bekommt. Das Essen an der<br />

„Kirbe" ist besonders reichhaltig: Nudel- oder Flädlesuppe,<br />

Bratwürste und zweierlei Fleisch, worunter sich früher<br />

manchmal auch „Bockfleisch" befand; daher noch der Spruch:<br />

„Wenn d' Kirbe ischt, wenn d' Kirbe ischt,<br />

No schticht mei Vatter an Bock,<br />

Ond wenn mei Muater danza duat,<br />

No wacklat ihra Rock."<br />

Früher war am Kirchweihnachmittag und am Kirchweihmontag<br />

Tanz.<br />

Mehr noch als auf ,,d' Kirbe" freut sich die Jugend und<br />

namentlich der Dienstbote auf den „Maatesmärkt" im nahen<br />

„Städtle". Neben den Herrlichkeiten des Jahrmarktes winkt<br />

der lustige Tanz. An diesem Tage hat man ja Geld in der<br />

Tasche, denn heute war „Zahltag". Dienstboten wechseln an<br />

diesem Tage vielfach ihre Stelle.<br />

Während des „Seelenmonats" beten die Leute in vielen<br />

Häusern abends den Rosenkranz für die Verstorbenen.<br />

Nach dem „Ausdraschen" beginnen die „Hock- und Liachtstuba"<br />

und damit eine ruhige Zeit. Der Winter mit seinen<br />

Stürmen und seinem Schneetreiben beginnt, in den Stuben<br />

schnurren und surren die Rädchen und drehen flinke Finger<br />

den Faden. Das Spinnen ist auch heute noch von vielen<br />

Frauen eine Lieblingsbeschäftigung an kalten Wintertagen,<br />

wenn im Ofen das Feuer knistert und im Rohre der Kessel<br />

summt.<br />

C) Volksglaube<br />

Schon im bisherigen ist auf manchen Volksglauben hingewiesen<br />

worden, ich erinnere an die Scheu vor Mittwoch und<br />

Freitag, an den Hochzeits- und Einzugstag der Braut, an die<br />

Furcht vor dem Lichtauslöschen beim „Ehrentanz", an den<br />

Volksglauben bei Todesfällen und anderes. Altgermanische<br />

Sitten und Bräuche haben sich im Schwabenlande und insbesondere<br />

auf der Alb noch viele erhalten. Wenn auch nicht<br />

zu leugnen ist, daß es noch Menschen gibt, die wirklich an<br />

derartigen abergläubischen Dingen festhalten, so ist doch andererseits<br />

zu betonen, daß die meisten abergläubischen<br />

Sprüche und Redensarten eben lediglich als solche gewertet<br />

und angewandt werden, um die betreffende Handlung oder<br />

das augenblickliche Ereignis mit einem Schimmer des Interessanten,<br />

der Poesie zu umkleiden. Immerhin ist es nicht<br />

ohne Reiz, Sprüche und Redensarten, uia den alten Volksglauben<br />

kennzeichnen, zu sammeln und der Nachwelt zu<br />

überliefern. Es möge daher noch einiges folgen, was bisher<br />

unerwähnt blieb.<br />

Der Hexenglaube ist tretz Aufklärung noch immer nicht<br />

ganz verschwunden, und es finden sich immer noch vereinzelt<br />

Leute, die sich davon nicht frei zu machen vermögen.<br />

Eine Kreuzspinne soll man nicht töten, sonst bringt sie<br />

Kreuz ins Haus.<br />

Wer beim ersten Kuckucksruf Geld in der Tasche trägt,<br />

hat das ganze Jahr Geld.<br />

In ein von Schwalben bewohntes Haus schlägt der Blitz<br />

nicht ein.<br />

Putzt sich die Katze, so kommt Besuch.<br />

Wer ein seidenes Bändchen mit drei Knoten auf einen<br />

Kreuzweg legt, wird seine Warzen los durch den, der das<br />

Bändchen aufhebt.<br />

Krachen die Schuhe, so hat der Schuhmacher kein Trinkgeld<br />

bekommen.<br />

Kracht das Feuer im Ofen, so gibt es Händel; desgleichen<br />

wenn einer das Salzfaß umwirft oder verschüttet.<br />

Muß jemand niesen, nachdem er etwas erzählt hat, so<br />

ist das Erzählte wahr.<br />

Vergißt man etwas, was man sagen wollte, so war's eine<br />

Lüge.<br />

Den „Gluckser" vertreibt man, indem man an drei alte<br />

Weiber denkt, oder indem man in einem Atem spricht:<br />

„Hacker — Gang über d' Aecker<br />

Gang über d' Schtoi (Stein) — Komm nemme hoi!"<br />

und dreimal unter einen Stein spuckt.<br />

Wenn morgens ein Hase über den Weg läuft, oder wer<br />

einem alten Weibe begegnet, hat am selben Tage Unglück.<br />

Wenn die Leute am Sonntag beim Kirchgang naß werden,<br />

ist eine regnerische Woche in Aussicht.<br />

Bessert sich das Wetter am Freitag oder Sonntag, folgt<br />

eine heitere Woche.<br />

Freitagswetter — Sonntagswetter.<br />

„Wie der Freitag am Schwanz,<br />

So das Wetter am Sonntag ganz."<br />

Regnets am ersten Freitag im Monat, so regnet es jeden<br />

Freitag.<br />

Märznebel, welche nicht gleich Regen bringen, werden im<br />

Kalender aufgeschrieben, denn nach 100 Tagen kommen sie<br />

im Gewitter herab.<br />

Regnets an St. Veit, so gerät der Flachs.<br />

Blüht der Holder vor Johanni, so schneidet man vor Jakobi.<br />

Haare sollen bei zunehmendem Monde geschnitten werden.<br />

Zu dieser Zeit sollen auch die Zimmerpflanzen versetzt werden<br />

und ,,d' Heala" (junge Huhner) ausschlüpfen.<br />

Rettiche sind bei abnehmendem Monde zu stecken, da sie<br />

abwärts wachsen.<br />

Im „Schützen" darf man sie nicht „stupfen", sonst schießen<br />

sie.<br />

An Fronleichnam gesteckte Rettiche schießen jedoch nicht.<br />

Bohnen sollen an Bonifaz (14. Mai) gesteckt werden.<br />

„Emrn dreißigschta" gesammelte Eier kann man lange aufbewahren.<br />

Das Gnadenbild der „Schmerzhaften Mutter" zu Laiz oder Maria-Laiz<br />

„Ich gehe, wenn ich traurig bin, zur lieben Mutter Gottes<br />

hin. Und alle Leiden allen Schmerz, vertrau ich ihrem<br />

Mutterherz!"<br />

Es ist Tradition geworden, dieses innige Lied zur Schmerzensmutter,<br />

wenn an den Freitagen des Monats März die<br />

Pilger zur Gnadenmutter von „Maria-Laiz" bei Sigmaringen<br />

wallfahren, um ihr alle Nöten und Anliegen vorzutragen<br />

und um Hilfe und Beistand zu flehen für die " _ raft »lie<br />

Ueberwindung der täglichen Sorgen und seelischen Nöte<br />

unserer Zeit. Seit April 1945, als Laiz und Sigmaringen in<br />

größter Gefahr schwebten, von den alliierten Bombengeschwadern<br />

vernichtet zu werden, stellte die katholische Gemeinde<br />

Laiz, dem Aufruf ihres Pfarrherrn folgend, sich<br />

von neuem unter den wirksamer Schutz Mariens.<br />

Von dieser Zeit an ist die Jahrhunderte alte Wallfahrt<br />

zur Gnadenmutter von Laiz wieder neu belebt und bekräftigt<br />

worden, so daß an den genannten Tagen und am Fest der<br />

„Sieben Schmerzen Maria" die Kirche fast die Gläubigen<br />

nicht zu fassen vermag, die größtenteils zu Fuß, einzeln<br />

und in Gruppen, den Rosenkranz betend, zur Helferin in<br />

allen Nöten pilgern.<br />

Nicht immer ist die gotische Pietä von Laiz im heutigen<br />

Gotteshause beheimatet gewesen. Sie ist ein Flüchtling wTe<br />

so viele Zeitgenossen unserer Tage. Vor Fast 400 Jahren ist<br />

das heute so verehrte Gnadenbild aus Ebingen nach Laiz<br />

„geflüchtet". Wie kam das?<br />

In der Stadt Ebingen beherbergte die Kapellkirche „Unserer<br />

lieben Frau" ein Altarbild, das um 1420 entstanden und<br />

Gegenstand hoher Verehrung war. Bei diesem Kirchlein<br />

stand ein altes Kloster. Um 1535 war in Ebingen die Reformation<br />

eingeführt worden. Das Kloster wurde aufgehoben.<br />

In der protestantisch gewordenen Kapellkirche hatte<br />

das Gnadenbild keine Berechtigung mehr. Nun lebten aber<br />

noch fünf Schwestern vom III. Orden des hl. Franziskus,<br />

die zwar ihre Tracht hatten ablegen müssen, die aber in der<br />

ihnen angewiesenen „Alten Klause" an der Stadtmauer noch<br />

ihr gemeinsames Leben führen durften. Durch Weben, Spinnen<br />

und Nähen bestritten sie ihren Lebensunterhalt. Diese<br />

ehemaligen Klosterfrauen hatten urr 1540 die Pietä vor dem<br />

Bildersturm jener Zeit gerettet und das Gnadenbild in einer<br />

Truhe verborgen. Heimlich nur wurde von ihnen und anderen<br />

Verehrerinnen von Zeit zu Zeit las „Vesperbild' hervorgeholt<br />

und davor gebetet. Dies blieb jedoch nicht verborgen.<br />

Als diese geheime Verehrung dem evangelischen<br />

Pfarrer bekannt wurde, gab es einen schlimmen Auftritt.<br />

Es wurde verlangt, das „Götzenbild", wie es benannt wurde,<br />

innerhalb drei Tagen zu entfernen und wahrscheinlich auch<br />

zu vernichten. Man schrieb das Jahr 1568. Die älteste der<br />

fünf ehemaligen Klosterfrauen stammte aus Frohnstetten in<br />

Hohenzollern. Sie hatte eine Nichte, die als Novizin im<br />

gleichaltrigen Kloster zu Laiz eingetreten war. Diese ließ sie<br />

rufen. Abends nach Dunkelwerden traf dieselbe mit einer<br />

Magd ein. Mit ihrer Hilfe sollte die Flucht der Schmerzensmutter<br />

bewerkstelligt werden. Die verschnürte Pietä<br />

wurde an einem Seil über die Stadtmauer am Wassergraben<br />

hinabgelassen. Dort nahmen die beiden .Jungfrauen das Gna-


Jahrgang, <strong>1960</strong> HOHF NZD II(P^;SCTIBHEIMAT 11<br />

denbild in Empfang und traten auch sofort an der Mauer<br />

entlang den Rückweg an. Als sie aber am oberen Tor die<br />

Zugbrücke erkletterten, wurde der Wächter aufmerksam und<br />

nahm die Verfolgung auf. Die beiden Jungfrauen rannten<br />

nun mit ihrer Last den sogenannten Grüngraben hinunter,<br />

wateten durch einen Weiher und die Schmeie und konnten<br />

in der Dunkelheit dem Verfolger entkommen. Noch in derselben<br />

Nacht kamen sie schlammbedeckt und fast ganz erschöpft,<br />

aber mit dem wohlbehaltenen Gnadenbild im Kloster<br />

zu Laiz an. Dort wurden sie freudigst empfangen. Die Pietä<br />

wurde feierlich aufgestellt und verehrt. Das Kloster gab sich<br />

den Namen „Maria-Laiz".<br />

Das sogen. „Vesperbild" aus dem Kapellkirchlein in Ebingen<br />

genoß nun in seiner neuen Heimat weiterhin große Verehrung.<br />

Zuerst im Kloster, dann aber in der Pfarrkirche, die<br />

zugleich auch Klosterkirche war, aufgestellt, zog es besonders<br />

an den Freitagen der Fastenzeit viele fromme Pilger an.<br />

Votivtafeln erzählen von wunderbaren Gebetserhörungen<br />

bis auf unsere Tage.<br />

1671 erhielt das Gnadenbild von den Künstlern Hobs und<br />

von Ow einen würdigen Barock-Rahmen und Altar. Dieser<br />

wurde wiederholt erneuert und renoviert. Die letzte Renovierung<br />

erfolgte im Zusammenhang mit der umfassenden<br />

Restaurierung der Laizer Pfarrkirche in den letzten Jahren.<br />

1954 hat Kunstmaler Lorch von Sigmaringen die ursprünglich<br />

leuchtenden Farben grün-gold neu erstehen lassen und<br />

damit dem Gnadenbild wieder eine würdige Fassung gegeben.<br />

Laiz - Hedingen<br />

Das Verhältnis der Lehensleute von Hedingen zur Gemeinde Laiz.<br />

(F. Widemann, Oberlehrer i. R. - Sigmaringen)<br />

Wenn man die Geschichte unserer Heimat erforscht, stößt<br />

man immer wieder auf Dinge und Tatsachen, die im Laufe<br />

der Zeit in Vergessenheit geraten sind, und es ist höchst interessant,<br />

längst verblichene Erinnerungen wieder wachzurufen.<br />

Wer erinnert sich wohl noch der Zeit, da die heutige<br />

Hedinger Straße in Sigmaringen und deren Fortsetzungen in<br />

der Feld- und Roystraße, sowie der Feldweg hinab zum<br />

Strandbad und entlang der Donau nach Laiz, Kirchweg für<br />

die Bauern von Hedingen nach Laiz waren? Nicht nur die<br />

Bewohner der Stadt Sigmaringen, sondern auch die Lehensbauern<br />

von Hedingen gehörten einst zur Pfarrei Laiz. Als<br />

die Stadt längst von Laiz aogetrennt und selbständige Pfarrei<br />

und Gemeinde geworden war, gehörten die Lehensbauern<br />

von Hedingen immer noch nach Laiz, ja, sie waren<br />

wirkliche Bürger der Gemeinde Laiz. Im Laufe der Jahre<br />

und mit der Entwicklung der Stadtgemeinde Sigmaringen<br />

schien es wohl den Bauern von Hedingen wie auch den Bürgern<br />

von Laiz nicht ganz praktisch zu sein, den weiten Weg<br />

nach Laiz, sowohl am Sonntag zur Kirche wie auch zu den<br />

Gemeindeversammlungen auf das Rathaus unternehmen zu<br />

müssen. Aus diesem Empfinden heraus und weil man sich<br />

im Laufe der Zeit auch etwas fremder geworden war, entstanden<br />

zwischen den Bürgern von Laiz und den Bauern<br />

von Hedingen ab und zu Meinungsverschiedenheiten, die<br />

dann auf dem Rathause, spätestens aber im Wirtshause,<br />

wenn die Geister durch „Freund Alkohol" angeregt waren,<br />

zum Austrag kamen.<br />

Streitigkeiten und Ungehörigkeiten unter den Bürgern<br />

einer Gemeinde duldete aber die bestehende Landesordnung<br />

der Grafschaft und des späteren Fürstentums Sigmaringen<br />

nicht. Sie wurden streng geahndet.<br />

Es war im Jahre 1811, als zwischen den Laizern Bürgern<br />

Johann Dollenmaier, Josef Stehle, Sebastian Wolf, Mathias<br />

Fuhrmann und Mathias Mors auf der einen und den Hedinger<br />

Bauern Jakob Glas und Georg Nolle auf der andern<br />

Seite Streitigkeiten entstanden und sie sich in gegenseitigen<br />

Beschimpfungen ergingen.<br />

Alle Beteiligten wurden nach dem Oberamtsprotokoll vom<br />

22. Januar 1811 zu herrschaftlicher Strafarbeit nach Sigmaringen<br />

beschieden. Außerdem nahm das Oberamt Sigmaringen<br />

Veranlassung, die Verfügungen vom 17. Jan. 1652, vom 9. Juni<br />

'705 und vom 7. Febr. 1708, die teils außer Beobachtung gekommen<br />

waren und teils auch in ihren Bestimmungen zu<br />

verschiedenen Streitigkeiten Anlaß gegeben hatten, wieder<br />

in Erinnerung zu rufen und ihnen durch Neufassung und<br />

Neuordnung wieder Geltung zu verschaffen.<br />

Laut O.A.-Protokoll vom 22. Januar 1811 wurde folgendes<br />

bestimmt:<br />

Damit nun künftigen Irrungen ein Ziel gesetzt, und das<br />

Verhältnis, in welchem sich die Lehensleute zu Hedingen<br />

gegen die Gemeinde Laiz befinden, keiner ferneren Unge-<br />

Auch in der Stadt Ebingen ist das Interesse _fürt -ijjre einstige<br />

„Pietä" wieder erwacht. Von Kunstfreunden angeregt,<br />

wurde auf Grund einer Stiftung im Jahre 1951 von dem<br />

Bildhauer Anton Seßler-Straßberg und dem Restaurator<br />

Andreas Knupfer-Jungnau von der wertvollen Skulptur eine<br />

genaue Nachbildung geschaffen und in der wieder hergestellten<br />

Kapellkirche zu Ebingen aufgestellt.<br />

Zu dem Originalbildnis in Laiz aber pilgern die frommen<br />

Wallfahrer auch weiterhin aus der ganzen Umgebung an den<br />

Märzfreitagen und am Feste der „Sieben Schmerzen Mariä".<br />

Und wenn am zweiten Bittag in der Bittwoche die Pfarrgemeinde<br />

Sigmaringen ihren Bittgang nach „Maria-Läiz"<br />

unternimmt, dann ist die Beteiligung der Gläubigen an der<br />

Prozession immer stärker als an den andern Tagen. Dann<br />

gilt, wie es in dem Liede heißt:<br />

„Alle Leiden, allen Schmerz<br />

vertraun die Beter ihrem Mutterherz!<br />

Denn trösten ist ihr süße Pflicht,<br />

ihr Mutterherz vergißt uns nicht!"<br />

Nachschrift: Im Zusammenhang mit den Wallfahrtstagen<br />

im März hat sich in Laiz noch ein alter Brauch erhalten<br />

bzw. herausgebildet. Nur an den Märzfreitagen werden vom<br />

Bäcker des Dorfes die sogenannten „Fasten-Dennetle" gebacken.<br />

Das sind dünne Fladen aus Brotteig mit Fett bestrichen<br />

und mit Salz und Kümmel bestreut. Sie sind sehr<br />

beliebt. Man muß sich beeilen, wenn man sie kaufen will,<br />

denn sie finden reißenden Absatz.<br />

F. Widemann - Sigmaringen<br />

wißheit ausgesetzt bleibe, hat man zu endlicher Austragung<br />

der Sache eine Tagfahrt auf heute anberaumt und zwischen<br />

den unterzeichneten Ausschüssen der Gemeinde Laiz und<br />

den beiden erschienenen Bauern zu Hedingen, folgende verbindliche<br />

Uebereinkunft abgeschlossen:<br />

1. Die Lehensleute zu Hedingen sind als wirkliche Bürger der<br />

Gemeinde Laiz anzusehen, in welcher Eigenschaft ihnen<br />

der • Beitritt zu allen Gemeindeversammlungen gebühret.<br />

Sie haben aber dagegen, wenn ihnen geboten wird, gleich<br />

anderen Bürgern bei der Gemeinde zu erscheinen und<br />

sind ferner schuldig, in Hinsicht der Conscription (d. h.<br />

Kekrutenaushebung) und der Brandassecuranz (d h. Brandversicherung)<br />

bei der Gemeinde Laiz einzutreten, weswegen<br />

sie ihre Söhne bei der Recrutenanhebung zu der<br />

Gemeinde Laiz zu stellen und an den Recrutierungskosten<br />

mitzuleiden haben.<br />

2. Den Lehensleuten zu Hedingen gehört als Bürgern zu<br />

Laiz der Anteil von Bürgergeldern und anderem bürgerlichen<br />

Einkommen, welches ai den Kopf ausgegeben<br />

wird. Sie haben hiervon den nämlichen Anteil wie andere<br />

Bürger zu beziehen und auf gleiche Weise an den Gemeindsgütern,<br />

welche für die Zukunft auf den Kopf ausgeteilt<br />

werden, Anteil zu nehmen.<br />

Sollten derlei Güter oder sonstige bürgerliche Nutzungen<br />

nach der Steuer ausgegeben werden, so haben die Lehensleute<br />

nur nach ihrer einfachen Steuer, nicht nach dem<br />

erhöhten Ansatz teil zu nehmen.<br />

3. Die Lehensleute zu Hedingen haben von der Gemeinde<br />

Laiz das Brennholz wie andere Bürger zu erhalten. In dessen<br />

Gemäßheit gebührt ihnen sowohl der bürgerliche Holzteil,<br />

als der gleiche Anteil an dem verkäuflichen Quantum<br />

Holz, solange solches anderen Bürgern gegeben wird. In<br />

Hinsicht des Zaunholzes ist man neuerlich auf folgende<br />

Bestimmungen übereingekommen:<br />

Das Zaunholz zu denjenigen Gütern, welche in der Laizer<br />

Bahn gelegen sind, muß den Lehensleute ri unentgeltlich<br />

verabfolgt werden, solange solches den Bürgern unentgeltlich<br />

gegeben wird<br />

Das Zaunholz zu denjenigen Lehen?gütern, welche außer<br />

dem Bahne der Gemeinde Laiz elegen sina, muß den<br />

Lehensleuten in einen bürgei liehen Anschlage, daher<br />

wenigstens um die Hälfte wohlfeiler überlassen werden,<br />

als solches den Auswärtigen nach dem geringsten Preise<br />

verkauft wird.<br />

Für diejenigen eigenen Güter, welche die Lehensleute<br />

außer dem Bahn der Gemeinde Laiz besitzen, haben sie<br />

kein Zaunholz zu empfangen. Die Zaunholzabgabe hat<br />

überhaupt aufzuhören, wenn auch den Bürgern kein<br />

Zaunholz mehr gegeben werden kann.<br />

Sollte in Hinsicht der Preisbestimmungen zwischen der<br />

Gemeinde Laiz und den Bauren zu Hedingen ein Anstand


12 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

obwalten, so wird die oberamtliche Entscheidung vorbehalten.<br />

4. Die Bauren zu Hedingen haben gleich anderen Bürgern<br />

Anteil an der Schafweide und dem Pferchertrage zu beziehen.<br />

Auch bei vorkommenden Holzverkäufen muß<br />

gleicherweise einzutreten und den Aeggerichnutzen, auch<br />

Anteil an zahmen und wildem Obste gleich anderen Bürgern<br />

zu erhalten.<br />

5. In Hinsicht des Triebes bleibt es bei der vertragsmäßigen<br />

Bestimmung vom 7. Februar 1708, vermöge welcher die<br />

Bauern alle 8 Tage auf die Laizer (Weide) zu treiben<br />

haben, jedoch wird nach Erfordernis ein Viehanschlag<br />

vorbehalten.<br />

Gegen die vorstehenden Begünstigungen sind die Lehensleute<br />

zu Hedingen schuldig:<br />

1. Nach Maßgabe des Vergleiches vom 7. Februar 1708 die<br />

erhöhte Steuer fortan zu der Gemeinde Laiz zu bezahlen.<br />

2. Zu den öffentlichen Straßen und Brückenbau dergestalt<br />

beizutragen, daß sie an den zu Geld angerechneten Kosten<br />

nach ihrem Steuerfuß Concessionen bei den Fuhrfronen,<br />

aber so vieles übernehmen, als einem einzigen Bauren zu<br />

leisten betrifft, dergestalt, daß beide Lehensleute in Hinsicht<br />

dieser Prästation (Leistung) für einen einzigen<br />

Bauern gerechnet werden; was die Handfronen zu dem<br />

Straßen- und Brückenbau, wie auch zu dem Haueinmachen,<br />

den Waldarbeitern betrifft, so sollen die Lehensleute<br />

gleich andern Bürgern die Fronleistung übernehmen.<br />

3. Dagegen sind aber die Lehensleute zu Hedingen nicht<br />

schuldig, der Gemeinde Laiz zu den bloßen Ortsfronen,<br />

oder zu den Fronen bei gemeinen Wegen und Stegen, zu<br />

dem Bahnen in der Winterzeit oder zu den Jagdfronen<br />

beizutragen; von welcher Teilnahme sie durch das Herkommen<br />

bisher enthoben geblieben sind.<br />

4. Da die Lehensleute zu Hedingen Militär-Quartiere und<br />

Militär-Vorspanne von der Stadt Sigmaringen angewiesen<br />

erhalten, so sind sie zu der Gemeinde Laiz mit einem<br />

Natural-Concurrenz an Militär-Quartieren und -Vorspannen<br />

nicht verpflichtet, jedoch aber schuldig, den ihnen<br />

betreffenden Anteil an derlei Kosten nach ihrem Steueransatze<br />

der Gemeinde Laiz zu vergüten.<br />

5. Da die Bauern zu Hedingen von der Gemeinde Laiz kein<br />

Bauholz zu empfangen haben, so bleiben sie auch von<br />

allem Anteil an Bau-, Säg- oder Lattholze, falls dergleichen<br />

unter die Burgerschaft ausgeteilt würde, gänzlich<br />

ausgeschlossen.<br />

6. In Hinsicht des Triebes, welchen die Hedinger Lehensleute<br />

alle 8 Tage auf die Laizer Bahn zu nehmen haben,<br />

wurde noch bedungen, daß hierunter die Laizer Felder<br />

und Wiesen, wie auch die Nachtweide nicht begriffen sein<br />

sollen.<br />

Daß nun vorstehende Uebereinkunft nach weislicher Ueberlegung<br />

der Sache und vorläufiger Einvernahme der Ge-<br />

Das Gesicht des Menschen ändert sich von Jahr zu Jahr,<br />

und mit Wehmut betrachten der gealterte Greis und das alte<br />

Mütterlein Photographien aus der Jugendzeit. Auch unsere<br />

Heimat besitzt ein Gesicht, das sich langsam, aber stetig,<br />

mitunter in schnellem Tempo ändert. Was hat sich doch in<br />

den letzten 60 Jahren in unseren Dörfern alles geändert?<br />

Damals schnitt der Bauer sein Getreide noch mit Sicheln<br />

und Habergschirr, band es dann mit Wieden zu Garben.<br />

Heute fahren Selbstbinder und Mähdrescher über die Aecker.<br />

Ich kannte vor 60 Jahren einen Kleinbauern, der seine gedroschene<br />

Frucht noch mit der Wurfschaufel reinigte. Ueber<br />

geteerten Straßen strahlen heute Neonlampen. Ueberall wird<br />

kanalisiert, und zwar so gründlich, daß die Hausschwalben<br />

bald kein Material für ihren Nestbau finden. Bei Straßenbauten<br />

fallen oft ganze Baumreihen. Leider wird nur in<br />

wenigen Gemeinden diese Umgestaltung des Dorfantlitzes<br />

schriftlich festgehalten. Sitzungsprotokolle über Gemeinderatssitzungen<br />

stellen noch keine Ortsgeschichte dar. Wir<br />

haben heute so viel Liebhaberphotographen. Ihnen sollten<br />

die Herren Bürgermeister alljährlich (oder mindestens alle<br />

drei Jahre) den Auftrag geben, das Gesicht der Heimat für<br />

spätere Zeiten in einer Lichtbildserie festzuhalten. Alle Bilder<br />

müßten mit dem Aufnahmedatum versehen sein. Ich<br />

meinde Laiz verbindlich abgeschlossen worden, wird durch<br />

nachstehende Unterschriften bezeuget:<br />

Ausschüsse der Gemeinde Laiz:<br />

Adam Pfaff, Schultheiß,<br />

Josef Kienle,<br />

Johannes Dollenmaier,<br />

Josef Stehle,<br />

Sebastian Wolf.<br />

Beschlossen:<br />

Das Gesicht der Heimat<br />

Lehensleute zu<br />

Hedingen:<br />

Jacob Glas,<br />

Georg Nolle,<br />

Vorstehende Uebereinkunft Hochfürstlich Hochlöblicher<br />

Regierung zur Einsicht und Genehmigung vorzulegen, sodann<br />

aber beiden Teilen einen Auszug gegenwärtiger Verhandlung<br />

zu verabfolgen.<br />

O./A.-Protokoll vom 22. Januar 1811. S. 104—120.<br />

Folgen eines „Bürgerlrunkes"<br />

Die Uebereinkunft zwischen der Gemeinde Laiz und den<br />

Lehensbauern von Hedingen hatte auch in späteren Tagen<br />

nicht den Erfolg, wie die getroffenen Bestimmungen vom 22.<br />

Januar 1811 in Aussicht gestellt hatten.<br />

„Am Sonntag, den 21. März 1813 veranstaltete die Gemeinde<br />

Laiz einen Bürgertrunk, weil Peter Buck einen Stockteil<br />

der Gemeinde gegen 22 fl (Gulden) an Geld und einen<br />

Trunk für die ganze Gemeinde eingehandelt hatte.<br />

Bei Veranlassung dieses Bürgertrunkes haben sich „Unhändel"<br />

dadurch ergeben, daß<br />

1. Mathias Fuhrmann den Bauren Georg Nolle von Hedingen<br />

mit Beschimpfungen angefallen; dieser aber dagegen<br />

den Fuhrmann mit blutrünstigen Schlägen mißhandelt hat.<br />

Beineben hat<br />

2. Mathias Fuhrmann sowohl als Mathias Mors dem Schultheißen<br />

und (Orts-)Gerichte mutwillige Vorwürfe gemacht und<br />

3. Fidel Waibel den Hedinger Bauern, welche durch oberamtliches<br />

Erkenntnis zu der Gemeinde Laiz beschieden worden,<br />

vorgeworfen, daß man sie nicht bei der Gemeinde gebraucht<br />

hätte."<br />

Auf diese Vorkommnisse hin erfolgte am Dienstag den 22.<br />

März 1813 eine Verhandlung beim Oberamt Sigmaringen, die<br />

folgenden<br />

Strafbescheid<br />

zur Folge hatte:<br />

„Es sey wegen ungebührlich und landesverordnungswidrig<br />

verstattetem Bürgertrunke der Schultheiß Pfaff zu Laitz um<br />

1 fl 30 xr, jeder der 9 Gerichtsleute zu Laitz um 45 xr (Kreuzer),<br />

daher das Gericht zusammen um 6 fl 45 xr zu bestrafen.<br />

Der Bauer Georg Nolle zu Hedingen habe 3 fl herrscnaftliche<br />

Strafe und 1 fl Anzeigegebühr zu bezahlen.<br />

Mathias Fuhrmann habe die erhaltene Mißhandlung auf<br />

sich zu leiden und sey von morgen abend bis künftig Freitag<br />

früh, Fidel Waibel aber von morgen abend bis künftigen<br />

Donnerstag früh einzuthürmen."<br />

(Protokoll vom 23. März 1813.)<br />

will nur einige Hinweise geben, was alles photographiert<br />

werden sollte: Dorflinden, wichtige Bauplätze vor Baubeginn,<br />

alte Sitzbänkle, Inschriften, Sühnekreuze, schmiedeiserne<br />

Grabkreuze, Grabhügel in den Wäldern, Grenzmarken,<br />

Bildstöckle, Feldkreuze, Fachgiebel, Ueberschwemmungsmarken,<br />

Inschriften, Meisterzeichen, Kirchen, Kapellen,<br />

Schnitter auf dem Felde, der Schmied beim Hufbeschlag, seltene<br />

Pflanzen mit Angabe des Standortes, Arbeitsgeräte, alte<br />

Gassen, wichtige Gemeindebauten, Zehntscheuer, Hochzeitsbräuche.<br />

Wenn dann der Lichtbildserie noch ein Text zugeteilt<br />

würde, so besäße das Dorf eine Kostbarkeit von unersetzlichem<br />

Wert.<br />

Leider läßt sich die Veränderung des geistigen Gesichts<br />

nicht in gleicher Weise festhalten. Wo singen die Ledigen<br />

noch die alten Volkslieder? Wieviel geistiges Erbe ging in<br />

den letzten Jahrzehnten unrettbar verloren!<br />

Eine alte griechische Sage erzählt von dem Riesen Anthäus,<br />

der so lange unbesiegbar war, so lange seine Füße<br />

den Erdboden berührten. Im übertragenen Sinne gilt dies<br />

auch für uns in der Heimat. Wenn wir mit beiden Füßen in<br />

der Heimat stehen, wird uns kein Sturm entwurzeln. In der<br />

Heimat wohnen zu dürfen, ist ein Geschenk Gottes.<br />

Wir bitten, die „Hohenzollerische Heimat" bei der Post zu bestellen.


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 13<br />

Südlich von Neufra liegen auf einer weiträumigen Hochfläche<br />

die uralten Höfe Birkhof, Stollbeck und Lieshof. Die<br />

große Fläche, auf der einst in frühester Zeit ein lichter Birkenwald<br />

stand, diente den Kelten als Weideplatz für ihre<br />

zahlreichen Viehherden. Westlich vom Birkhof erstreckt sich<br />

ein größeres Waldstück, das in seinem nördlichen Gebiet<br />

noch heute den Namen „Birkenwald" trägt. Die Kelten<br />

konnten täglich ihr Vieh zur Tränke ins Fehlatal treiben,<br />

und die Fehlawiesen gaben bei langanhaltender Trockenheit<br />

noch ausreichend Weidefutter. Der Keltenfriedhof mit seinen<br />

etwa 300 gut erhaltenen Hügelgräbern im Gammertinger<br />

Waldteil (an das Birkhofgelände angrenzend) Stollbeck zeugt<br />

von längerer Besiedlung und Benutzung der weitgedehnten<br />

Hochfläche. Sicherlich bauten die Kelten einfache Holzhütten<br />

und Holzställe, um Menschen und Vieh gegen Winterkälte<br />

und Schneestürme zu schützen. Aus solchen Weidehöfen<br />

sind wohl die 3 Höfe entstanden und haben in ihrer abgelegenen<br />

Lage die Jahrhunderte überstanden. Von jeher gehörten<br />

die 3 Höfe zur Herrschaft Gammertingen. Die Brüder<br />

Hans und Konrad von Bubenhofen kauften i. J. 1468 vom<br />

Grafen Ulrich von Württemberg um 14 500 fl. die Herrschaft<br />

Gammertingen, die damals ein Mannlehen des Klosters Reichenau<br />

war. Konrad von Bubenhofen verzichtete i. J. 1471<br />

auf seinen Anteil gegen Erstattung der halben Kaufsumme.<br />

Hans von Bubenhofen erwarb i. J. 1508 vom Kloster Reichenau<br />

die ganze Herrschaft Gammertingen als Eigentum<br />

und gab an das Kloster dafür: „Hettingen, Schloß und Stettlen,<br />

Hermatingen samt den Höfen genannt Bürkhen." Dies<br />

ist die erste urkundliche Erwähnung des Birkhofes. In späteren<br />

Urkunden trägt der Hof den Namen Birkach, d. h. an<br />

einem Gewässer (Fehla) liegender Hof. Hans von Bubenhofen<br />

verkaufte die Herrschaft Gammertingen und das<br />

Reichenauer Lehen (Hettingen, Hermentingen und den Birkhof)<br />

im Jahre 1524 an Dietrich Speth von Zwiefalten um<br />

30 640 Goldgulden. Der gesamte Besitz blieb bis zum Jahre<br />

1827 in den Händen der reichsritterschaftlichen Familie Speth.<br />

In einem Familien-Erbteilungsvertrag im Jahre 1658 bildeten<br />

das Dorf Neufra und der Birkhof einen Erbteil, der<br />

durch das Los an den Junker Hans Dietrich Speth fiel. In<br />

dem Vertrage finden wir eine ausführliche Beschreibung des<br />

Birkhofes. Durch den 30jährigen Krieg war die Familie Speth<br />

stark verschuldet. Auf dem Erbteil Neufra-Birkhof im Werte<br />

von 39 841 fl. lasteten 36 919 fl. Schulden.<br />

In dem Vertrag stehen über den Birkhof folgende Angaben:<br />

Der Bürkhof, so dißem anderen Haubttheil zugeschriben<br />

stehet, Ist ein Lehen von dem Bistumb Konstanz<br />

(Aufsichtsbehörde über das Kloster Reichenau), ist zwar der<br />

Zeit ohne verlihen, außerhalb der Waiden, so auf drey Jahr<br />

Hanß Jakob Grieninger von Herrenberg bestanden, gibt darauß<br />

95 Gulden, darzue gehören aigene güether.<br />

Erstlich Behausungen: Das neugebauene Wohnhauß sambt<br />

der Scheuer und Stallungen, so zimblich wohl erbauen, deren<br />

drey gebäu seindt, solche werden dermahlen angeschlagen<br />

umb 750 Gulden.<br />

Item die Scheuer an der Fehlen ist angeschlagen 130 Gulden.<br />

Aeckher: Darzu gehören in allen drey öschen ohngefahr<br />

500 Jaucherten ackhers, weillen aber von denselben mit<br />

großen uncosten dermahlen nur etwas mit einer Mähne<br />

gebauen würdt und in anno 1657 alda eingeschnitten und<br />

an gedroschenen Früchten empfangen alß Veeßen 60 Malter<br />

2 Viertel, Haber 24 Malter 2 Viertel, Schwachvesen 8 Malter,<br />

Erbsen 3 Malter. Summa 95 Malter 4 Viertel. Künfftig auch<br />

zu mehreren besserung zu verhoffen ist, dahero für allerhandt<br />

früchten gesetzt 90 Malter pro 1 Gulden 40 Kreuzer<br />

thuet 150 Gulden zu 20 Geldern in das Haubtgueth 3 100<br />

Gulden. (Anmerkung: In dem Vertrag wurde 1 Gulden aus<br />

Ernteertrag von eigenen Gütern mit 25 fl. und 1 Gulden<br />

von Lehengütern mit 20 fl Kapitalwert angeschlagen.<br />

Ahn Wißen: Zu diesem hof gehören ohngefähr 37 Manßmadt<br />

wisen, darauß ist anno 1657 Zinß erhalten und empfangen<br />

Familienkundliches über die „Wänker v. Dankenschweil"<br />

bringt Ludw. Finckh, Gaienhofen, in der Zeitschrift HEGAU,<br />

Heft 1, 1959. Als Ortsadel von Danketsweiler bei Ravensburg<br />

wird das Geschlecht bereits 1145 genannt. 1740 heiratet<br />

als letzter Sproß die Tochter Anna Maria in Freiburg i. Br.<br />

den aus Oberbayern stammenden Dr. jur. Johann Martin<br />

Wänker, der Kaiserlicher Amtmann und Prokurator des<br />

Klosters St. Klara war. Der beiden Sohn, Anton Xaver Re-<br />

Der Birkhof<br />

worden 75 Gulden 40 Kreuzer, den Gulden zu 20 angeschlagen<br />

macht 1513 Gulden 20 Kreuzer. Item sind die Waiden<br />

auf drey Jahr .verlyhen, haben anno 1657 ertragen 31 Gulden<br />

40 Kreuzer, den Gulden pro 20, thuen 633 Gulden 20 Kreuzer.<br />

Der Röhr Brunnen, welcher etlich hundtert gülden gekostet,<br />

so bereits mit Deuchel etwas gefaßt und laufet, ist<br />

angeschlagen worden zu 500 Gulden. Der Kapitalwert betrug<br />

demnach rund 6 626 Gulden. (1 Gulden in damaliger<br />

Zeit dürfte mit etwa 8 Goldmark bewertet werden. Vergl.<br />

Hohz. Heimat Jahrgang 1953 Seite 15.)<br />

Hans Dietrich war vermählt mit Anna Eleonora von<br />

Bolsweil. Das gemeinsame Grabdenkmal befindet sich auf<br />

der Epistelseite der Pfarrkirche in Neufra. Die Sandsteinplatte<br />

trägt folgende Inschrift:<br />

Fragst Leser wer doch liegt allhier<br />

den dieser Trauerstein zaige<br />

Steh still und hör ich sage dir<br />

nach wem er sich dann neige.<br />

Demut, Andacht, Freigebigkait<br />

O was vor seiter Gaben<br />

Samt einer wahren Redligkait<br />

Beisammen hier begraben.<br />

Den Armen Trost, auch Feinden, Fraindt<br />

ein jeden zu ermanen<br />

Hier liegt under der Totten Gemeindt<br />

Mit hochberiehmten Namen.<br />

Den Birkhof, Neufra legt er hin<br />

Mit Schilt und Underthanen.<br />

In deren genus war nur sein Sinn<br />

der Seel die Ruh zu bahnen.<br />

Drei Wappenschlisel miet sen sein<br />

Ja. (Johann) Dietrich abgegeben<br />

zu lassen ihn in Himmel ein<br />

und schließen auf das Leben.<br />

Er ist da schier das halbe Land<br />

In Feuer und Schwert verschieden<br />

Nach abgelegtem Lebensband<br />

Entschlafen in dem Frieden.<br />

Den 6. Okt. 1704 seines Alters 73 Jahr.<br />

Bald nach seinem Tode fielen Neufra und der Birkhof<br />

an den Ritter Marquard Rudolph Speth von Gammertingen.<br />

Ludwig Carl Johann Speth von Gammertingen, der ohne<br />

männliche Nachkommen blieb, verkaufte 1827 die Herrschaft<br />

Gammertingen mit Neufra, Birkhof, Harthausen und Feldhausen<br />

um 510 500 Gulden an den Fürsten Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen.<br />

Der jährliche Pachterlös vom Birkhof<br />

betrug damals 2 600 Gulden. Die Anbaufläche ist bei den<br />

Verkaufverhandlungen mit 2 Jauchert 2 Viertel Hanfgärten,<br />

31 Jauchert 2 Viertel Wiesen und 304 Jauchert Ackerfeld angegeben.<br />

Das fürstliche Rentamt kaufte im Jahre 1893 die Mühle<br />

am Gallusbrunnen in Hermentingen und baute sie für ein<br />

Pumpwerk um, welches das kostbare Wasser auf den Birkhof<br />

hinaufpumpte. Die Teuchelleitung von Harthausen a. d.<br />

Scher, die nur spärlich Wasser lieferte, hatte damit ausgedient.<br />

Die alte Hüle blieb bis heute erhalten. Durch die Versorgung<br />

mit bestem Quellwasser konnten die Pächter des<br />

Birkhofes eine mustergültige Viehwirtschaft betreiben.<br />

Wie durch wiederholte Versuche festgestellt wurde, kommen<br />

die auf dem Birkhofgelände versickerten Niederschläge<br />

in der größten Quelle Hohenzollerns, dem Gallusbrunnen in<br />

Hermentingen, als kristallklares Wasser zum Vorschein und<br />

wird dann wieder teilweise auf den Birkhof hinaufgepumpt.<br />

W.<br />

gulat Wänker, Jurist und Kaufmann, zeitweise in St. Petersburg<br />

lebend, erhielt 1796 den Reichs-Adelsbrief als „Wänker<br />

v. Dankenschweil". Er wurde der Stammvater einer Reihe<br />

bedeutsamer Familien, aus denen Kaufleute und Aerzte,<br />

hohe Beamte und Militärs und Minister hervorgingen. Der<br />

letzte Krieg hat das Geschlecht im Mannesstamme ausgelöscht;<br />

nur weibliche Linien blieben erhalten, deren eine<br />

in Sigmaringen ihren Wohnsitz hat. M. Sch.


14 HOHENZOL^E.Rig.CHE: HJ11MAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />

Bruno Gern<br />

ein schwäbischer Heimatdichter aus Hohenzollern — Würdigung eines Fünfzigjährigen<br />

von Bruno Ewald Reiser<br />

Bruno Gern ist nicht nur ein echter Schwabe, sondern<br />

auch ein echter Sohn unserer hohenzollerischen Heimat. Vor<br />

50 Jahren stand seine Wiege in der reizvollen Schmeientalgemeinde<br />

Storzingen. In einer Landschaft also, die in ihrer<br />

vielfältigen Schönheit dazu angetan ist, einen poetisch veranlagten<br />

Grübler zum Dichter werden zu lassen. Es war jedoch<br />

nicht nur diese Landschaft mit ihrer reizvollen Romantik,<br />

die Bruno Gern formte, es war vor allem seine natürliche<br />

Begabung, die im Laufe der Jahre mehr und mehr zum<br />

Durchbruch drängte und ihn zum Dichter heranreifen ließ.<br />

So kamen schon während der Schulzeit die ersten Versuche<br />

in Versen zur Niederschrift, und später finden wir noch<br />

manchen Vers, der trotz seiner Unbeholfenheit schon auf<br />

eine wirkliche Berufung schließen läßt.<br />

Wollen wir uns in der Folge nun im Hinblick auf diese Berufung<br />

mit Gerns dichterischem Schaffen und dabei im besonderen mit<br />

seiner Mundartdichtung befassen, so scheint uns ein kurzer biographischer<br />

Ueberblick, der wenigstens in groben Zügen den Werdegang<br />

und das Lebenswerk dieses Fünfzigjährigen aufzeigt, unumgänglich.<br />

Heimatdichter Bruno Gern<br />

In den einfachen Verhältnissen einer kleinbäuerlichen<br />

Familie ist Bruno Gern als Aeltester von sechs Geschwistern<br />

aufgewachsen. Die tiefgründig-grüblerische Veranlagung, die<br />

ihn schon als Junge stark über das kindlich geistige Niveau<br />

hinaus zum Nachdenken drängte, wies neben diesem ernsten<br />

Wesenszug auch eine auflockernd heitere Seite auf, Gerns<br />

musikalische Begabung, deren Ursprung wohl in der außerordentlichen<br />

musikalischen Erbanlage der ganzen Familie zu<br />

suchen sein dürfte.<br />

Nicnt wundern braucht es uns auch, wenn es Gern infolge<br />

seiner dichterischen Neigung mehr noch als manchen anderen<br />

jungen Menschen während der Reifezeit hinausgetrieben<br />

nat, andere Länder und deren Menschen mit ihren<br />

Sitten und Gebräuchen kennen zu lernen. So durchwanderte<br />

er auf Schusters Rappen das Allgäu und dt rcnquerte die<br />

Alpenländer Oesterreichs bis hinunter nach Kärnten. In dieser<br />

Zeit der Reife entstanden Gerns erste schriftdeutsche<br />

Gedichte, die in Form und Inhalt eine persönliche Prägung<br />

aufweisen, Gerns lyrisches Moment kräftig hervorheben und<br />

sich neben den heimatlichen Motiven, aus der entwicklungsbedingten<br />

Auseinandersetzung mit den Dingen heraus, auch<br />

mit religiösen und sozialen Problemen befassen. Zwei Beispiele<br />

hiervon auszugsweise:<br />

„Unerbittlich hat mich dein Faust geschüttelt,<br />

Herr, und donnervoll im rgendampf<br />

Meine junge Seele wachgerüttelt —<br />

Auf zum Kampf.<br />

Dunkle Schicksalsschläge hielten mich umdüstert,<br />

Und es hat die Flut der Leidenschaft<br />

Mir den schweren Traum der Lust geflüstert.<br />

Aber immer wieder war es deine Kraft,<br />

Herr, die meinen Wankelmut bezwungen<br />

Und den Sieg der Ewigkeit errungen!"<br />

„Ich" klage in heiligem Zorn wider euch,<br />

Ihr, die ihr satt seid, gefräßig und reich!<br />

Ihr, die ihr arbeitsfremd feiert und festet<br />

Und Drohnen der schaffenden Menschheit gleich<br />

die Leiber verkommener Seelen mästet —<br />

Ich klage in heiligem Zorn wider euch!"<br />

Im Zuge seiner Weiterbildung und durch einen glücklichen<br />

Zufall begünstigt, lernte Gern um diese Zeit während<br />

eines Aufenthalts in Paderborn den Volksschriftsteller und<br />

Pädagogen Anton Heinen kennen und daselbst zugleich auch<br />

den schwäbischen Heimatschriftsteller Hans Reyhing aus<br />

Ulm. Während sich die Einflußnahme Heinens mehr auf die<br />

Persönlichkeitsbildung Gerns bezog, war er besonders die Begegnung<br />

mit Reyhing, die sich für Gerns späteres Schaffen<br />

fruchtbar auswirkte. Er war es, der das Wildreis veredelte,<br />

der vor allem Gerns Mundartgedichte unter die kritische<br />

Lupe nahm und ihn wegweisend und richtunggebend auf das<br />

Wesentliche und Besondere dieser Dichtungsart verwies.<br />

Eine Prozedur, der sich Gern heute noch dankbar erinnert.<br />

Gern, der bis dahin seinen Lebensunterhalt durch Mitarbeit<br />

in der elterlichen Landwirtschaft und als Gelegenheitsarbeiter<br />

bestritten hatte, schien endlich im Frühjahr 1928<br />

ein Sprungbrett zur weiteren Entwicklung gefunden zu<br />

haben, das ihm auch gleichzeitig eine Existenzgrundlage zu<br />

werden versprach. Es war die Redaktionstätigkeit an der<br />

„Ebinger Volkszeitung", bei der er nicht nur als stellvertretender<br />

Lokalredakteur, sondern auch als Musikkritiker fungierte.<br />

Viele Veröffentlichungen zeugen von der Produktivität<br />

Gerns in jener Zeit, während der ihn in einer Beurteilung<br />

auch Josef Karlmann Brechenmacher einmal als „ein<br />

dichterisches Natur-Phänomen" bezeichnete, das „Beachtung<br />

und Pflege verdient." Auch Dichterabende und Vorlesungen<br />

fanden großen Anklang und weiteten den Kreis der Anerkennung<br />

von Gerns dichterischem Schaffen. Verbindungen<br />

mit dem Arbeiterdichter Max Barthel, Berlin, führten sogar<br />

zu Veröffentlichungen in einer Monatsschrift der damaligen<br />

Reichshauptstadt, in deren Sparten unter dem Titel „Lyrik<br />

des 20. Jahrhunderts" im Anhang unter „vielversprechenden<br />

Talenten" auch Gern mit einem Beitrag erwähnt wurde.<br />

Im Zuge der damals dann einsetzenden nationalsozialistischen<br />

„Bereinigung" führte die Gleichschaltung der „Ebinger<br />

Volkszeitung" auch zu Gerns Entlassung, vor der ihn weder<br />

seine Begabung, noch sein inzwischen erlangtes, sehr gutes<br />

Abgangszeugnis an der Sozialen Hochschule in München<br />

(Leohaus 1931) bewahren konnte.<br />

Gern, der nach vorübergehender Arbeitslosigkeit auf dem<br />

Bau wieder eine Tätigkeit gefunden hatte, verlegte sich nun<br />

in seiner kargen Freizeit mehr auf die Pflege der Mundartdichtung,<br />

was dann auch im Verein mit seiner schwäbischen<br />

Musik- und Gesangsgruppe zur Abhaltung jener „Schwäbischen<br />

Heimatabende" führte, die für viele unvergessen geblieben<br />

sind.<br />

Wie viele andere wurde auch Gern damals zum Schweigen<br />

gezwungen. Doch dieses Abseitsgestelitsein führte zu einer<br />

Selbstbesinnung, die sich für seine dichterische Entfaltung<br />

sehr fruchtbar auswirkte. Wie er sich mit diesem Zustand<br />

auseinandersetzte, mag folgendes Gedient klarlegen:<br />

Vereinsami gutlos, arm un3 nacl .<br />

Hat mich der Stunde Wahn gepackt.<br />

Verlorne ist, was mein einst war —<br />

Verloschen Tag und Nacht und Jahr.<br />

Mein Name ist ^erblüht, und stumm<br />

Steh ich vor deinem Hei [tum,<br />

O Ewigkeit, und sehnsuchtsgroß<br />

] ieht all mein Glück in deinen Schoß,<br />

Flieht meine !ng , meine Qual<br />

In deine Weite, deinen Gral.<br />

In dich verwurzelt sich mein Sinn,<br />

In dir verglüht mein Anbegi n<br />

Un'" was mir einst dein Geist gebar,<br />

Bring ich geläutert wieder dar.<br />

Aus jener Zeit sini uns seine stf'^ns" n schriftdf"its"hen Gedichte,<br />

wie „Heimat", „Du £ ut in uns", „L 1 le Stunde", „Letzte Gewißheit<br />

, „Sommerwiese", „Segen c - Liebe", „Einsamkeit" und ziele<br />

ardere erhalten geblieb -• . Sie überschreiten den I »riff Heimatdi'ä<br />

tung b< i weitem, miisser er doch entwicklungshalber hier erwe<br />

Int werden. In der Hauptsache sind sie unter der drei Sammelbegriffen:<br />

,.Lob der Heimat", „Segen der Liehe" und „Reifender<br />

Ring zusammengefaßt. Hier lur eine bescheidene Prob- aus „Lob<br />

der Heimat":<br />

Wie Weihrajch stei"?* sin blauer Schimmer<br />

Um deiner Serge __ochaltar,<br />

Und Wälder wogen ir Geflimmer,<br />

Im Glanz ums vollerblühte Jahr.<br />

Kornrot gererfte Aehrenbuchten<br />

jr" auf, der goldnen Fülle schwer,<br />

Und [Uftden Erblichkeiten wuchten<br />

Durch deine Morgenweite her.


JahrgöTri* .'960 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 15<br />

Und warm umflutet von den Wellen<br />

Des Lichtes, heil'ge Erde du,<br />

Strömt wieder, wie aus Gottes Quellen,<br />

Mir deines Segens Atem zu.<br />

Tiefe Verbundenheit mit der heimischen Welt spricht aus<br />

diesen wenigen Zeilen, die uns mit all den anderen Gedichten<br />

von der Heimat wie ein Hoheslied erscheinen und<br />

aufhorchen lassen, wie nahe hier ein Ausersehener dem<br />

Pulsschlag seiner Mutererde ist. Noch tiefer und inniger sind<br />

folgende Verse, die den Auftakt bilden zu „Segen der Liebe":<br />

Segen der Liebe ist alles,<br />

Was mich erfüllt und bewegt.<br />

Segen das Leid, das mich heimsucht,<br />

Segen die Lust, d f e sich regt.<br />

Segen der Kampf, den ich kämpfe,<br />

Segen das Streuen der Saat.<br />

Segen das Brot, das ich breche,<br />

Segen die tägliche Tat.<br />

Segen der Liebe die Seele,<br />

Die mich voll Flamme und Flut<br />

Innigst der deinen verbindet —<br />

Segen das rauschende Blut.<br />

Segen der Hunger nach Heimat,<br />

Segen der Traum um ein Kind.<br />

Segen das selige Wissen,<br />

Daß wir uns lieben und sind.<br />

Segen der Liebe ist alles.<br />

Segen voll Fülle und Kraft.<br />

Segen, der nimmermehr endet,<br />

Segen, der Ewigkeit schafft!<br />

Wenn wir diese Verse auf uns wirken lassen, wird uns ohne<br />

weiteres klar, was Bruno Gern meint, wenn er von den unter diesem<br />

Titel zusammengefaßten Aussagen erklärt, daß das keine Liebesgedichte,<br />

sondern Gedichte einer Liebe sind.<br />

„Reifender Ring" jedoch ist letzthin nichts anderes, als<br />

eine Zusammenfassung von Bekenntnissen eines um seine<br />

Berufung Ringenden. Gerns Weg als Dichter, ein weiter,<br />

mühsamer und schwerer, liegt darin aufgezeigt. Es ist der<br />

Weg eines Autodidakten, mit vielen Zeichen des Zweifels,<br />

harter Selbstüberwindung und nur wenigen Lichtblicken uneingeschränkter<br />

Anerkennung versehen. So wie in „Wahn<br />

und Wahrheit" drängt sich daher immer wieder die Frage<br />

hervor:<br />

Bin ich wirklich so begeistert,<br />

Ohne daß ich nur vermein.<br />

Einer, der das Wort bemeistert,<br />

Der Berufenen zu sein? ....<br />

Oder weisen mir die Zeichen<br />

Meines Könnens, meiner Kraft<br />

Nur den unerschöpflich reichen<br />

Aufruhr einer Leidenschaft? . . .<br />

Ist es nicht nur eines Spieiei<br />

Wilder Taumel, der mich treibt,<br />

Und mir ohne eines Zieles<br />

Letzte Wesenheit verbleibt? . . .<br />

Nur die Sendung einei Seele,<br />

Die sich unersättlich satt<br />

Dem befruchtenden Befehle<br />

Ihrer Zeit verschrieben hat? . . .<br />

Oder ist es eines Wahnes<br />

Willkür, die mein Hirn entfacht —<br />

Mir zuinnerst Angetanes<br />

Einer unbewußten Macht? . . .<br />

Ist es Liebe oder Leben,<br />

Das sich heiß dahinter birgt,<br />

Und mich drängt, dies Werk zu weben<br />

Und mir dieses Wunder wirkt? . . .<br />

Und mir so voll Fülle flutet<br />

' id aus e igem Jeric ;<br />

Sich unsterblich hinverblutet<br />

Im Gedicht? . , .<br />

Alle die scbriftdeutschen Gedichte, die sich trotz einheitlicher<br />

Dynamik in Auffassung, Anlage und Aussage grundlegend<br />

von Gerns Mundartgedichten unterscheiden, liegen<br />

jetzt Jahre zurück. Keinen Geringeren als den großen Josef<br />

Weinheber jedoch, veranlaßten sie, ihm die Antwort auf<br />

diese Fragen zu geben, ihn als Dichter zu bestätige; Weil:<br />

heoer schreibt damals: „Gern ist Dichte", das steht für mich<br />

außer Zweifei, ein vielversprechendes Talent sogar, nur ist<br />

er in manchen seiner Arbeiten noch zu redeseiig und muß<br />

sich noch stär kerer Konzentration befleißigen" ... Ein begeisterter<br />

Förderer Gerns war unter anderen auch Dr. E.<br />

Feederle aus Oberndorf a. N., der ihn nicht nur mit Weinheber<br />

zusammengeführt hat, sondern ihn auch im Rundfunk<br />

publizieren wollte, was jedoch durch den Kriegsausbruch<br />

verhindert wurde. Feederle, wohl der beste Kenner Gerns<br />

auf dem Gebiete der Prosa und der Dialektdichtung, ist<br />

dann leider als Kriegsberichterstatter in Rußland gefallen.<br />

Gern, 1940 ebenfalls zur Luftwaffe einberufen und später beim<br />

nugl ^itungspersona 1 tätig, beteiligte sich nich nur a EL- d ar. der<br />

Wehrbetreuung, sondern a. auch an einem künstlerischen Wettbewerb,<br />

aus dem er mit -einen Arbeiten als Preist c'c :-r hervorgi<br />

1944 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wur ie<br />

nach E'lorida verschickt. Im Rahmen der von den Amerikanern a f-<br />

- 'zogeflefl Gefan,Innenweite, bildung wurde er dort ebenfalls wieder<br />

zur Schulungsarbeit mit herangezogen und später mit noch zwei<br />

Kameraden mit dei Herausgabe einer Lagerzeitschrift beauftragt,<br />

die ebei 3 wie di Schulungspl^ri. noch in allen Exemplaren vorlieg-<br />

H a Februa • 1946 kam er zurück nach Frankreich und war dort<br />

ais Gegangener der Franzosen weitere zwei Jahre als Landarbeiter<br />

tätig. Auch in diesen vier Jahren war Gern sehr produktiv und<br />

schrieb etwa über hundert Gedichte, von denen wir sozusagen das<br />

erste und das letzte aufschlußhalber anführen wollen. Besonders<br />

das erste, zehn Tage nach der Gefangennahme geschrieben, bestätigte<br />

den geradlinigen Weg Gerns und den festen Standpunkt in<br />

seiner Berufung, von dem aus es nurmehr ein Auseinandersetzen<br />

mit den Dingen und so auch mit den Problemen hinter dem Stacheldraht<br />

geben konnte. Mit Recht gab er diesem Gedicht daher auch<br />

den Namen „Zwischenbilanz":<br />

Alles wird Stückwerk bleiben,<br />

Was ich bis jetzt getan.<br />

Kräfte erwachsen und treiben<br />

Mich die beschrittene Bahn.<br />

Gottes Gewalten erheben<br />

Mich aus den Tiefen ins Licht<br />

Und in ein besseres Leben,<br />

Aus dem die Ewigkeit bricht.<br />

Ewigkeit, die ich zu wenig<br />

Fast noch nur dunkel erahn,<br />

Heute Gestalter und König —<br />

Morgen gestürzter Titan.<br />

Aber in reifendes Ringen<br />

Eingespannt, nimmer zu ruhn:<br />

Immer noch mehr zu vollbringen,<br />

Immer noch Bessres zu tun!<br />

In Frankreich waren es dann mehr die schöne Landschaft,<br />

das Naturerlebnis und die Arbeit, die ihm über alle unguten<br />

Zustände hinweghalfen.<br />

Daß mich die Amsel weckt,<br />

Früh schon der Kuckuck neckt,<br />

Und aus dem Trubel der Töne<br />

Sieghaft ein neuer Tag<br />

Steigt mit dem Lerchenschlag —<br />

Das ist das schöne! . . .<br />

Daß mir der Erde Kraft<br />

Sorgen und Segen schafft,<br />

Und mit dem brausenden Blute<br />

Tätig die Adern treibt,<br />

Bis nur noch Arbeit bleibt —<br />

Das ist das Gute! . . .<br />

Daß jedoch fern der Pein<br />

Um mein Gefangensein<br />

Freiheit mich ladet zum Feste,<br />

Und mir jetzt wie ein Licht<br />

Wieder ins Leben bricht —<br />

Dast ist das Beste! . . .<br />

Nur zaghaft nahm er nach seiner endgültigen Heimkehr<br />

im Frühjahr 1948 wieder Fühlung mit Zeitungen und Zeitschriften.<br />

Während in den dreißiger Jahren Gerns Veröffentlichungen<br />

über seine hohenzollerische Heimat hinaus bis ins<br />

Rheinland und nach München hinübergriffen, war es jetzt<br />

mehr eine stille Beschränkung auf ein gutdisponiertes und<br />

wohldiszipliniertes dichterisches Schaffen, bei dem die Mundartgedichte<br />

dominierten. Gern, wieder im Baugewerbe tätig,<br />

begründete das mit folgenden Worten: „Daß ich in den<br />

letzten Jahren nurmehr oder fast ausschließlich die Mundart<br />

gepflegt habe, liegt daran, daß sie neben der schweren körperlichen<br />

Arbeit nicht soviel Kraftaufwand und Konzentration<br />

erfordern. Auch liegen ihre Motive mehr im Anschauungskreis<br />

des Tagtäglichen, und wird ein Mensch, der sich<br />

ernsthaft mit ihr befaßt, mehr und mehr von ihrer Eigenart<br />

und ihren Reizen gefangen genommen."<br />

Bruno Gerns völliges Hinwenden zur Mundartdichtuni entspricht<br />

seinem Wesen und seiner Eigenart. Er will nicht nur ' is Jichterische<br />

Erlebnis seiner 'leimat festhalten, sondern auch las ül" -lieferte<br />

Erbgut des Dialektes wenigstens in seinen Arbeiten vor der Verflachung<br />

und dem. Jntergang ^-wahren. Sein Schwäbisch ist uaher<br />

bew", die urwüchsige Mundart des Schmelfentales, der noch bodenständige<br />

f-irzinger Dialekt, -hn. jedes Zugeständri; i _ das „Allgemeinschwäbische".<br />

iern will auch in der Formgebung 'einer Gedichte<br />

immer ni r Bilder verwenden, die c n einfachen br .erlichen<br />

Denken entsprechen, ohne daß iadurch ' as Gehobene t dichteriscl<br />

en Sprache herabgeschmälert wird. Mit anderen Worter und<br />

volkstümlicher ausgedrückt: er versteht es, en Bauern aufs Maul<br />

zu gucken! Der Bauer ist für Gern die einfachste und natürlichste<br />

Personifizierung ~ des schwäbischen "nschen, und so zieht er stets<br />

nur Vergleiche und verwendet Bilder, die 1 n nahe liegen und<br />

seinem Anschauungskreis entsprechen. Ein einfaches Beispiel hierfür,<br />

wenn es irge iwo heißt:<br />

Wias aber gnachtet hot ond duschter<br />

dr Tag da letschta Schnaufer dao<br />

hu' zmols dr Herr sei' stennanuschter<br />

am Himmel fumghenkt ond da Mao<br />

raus aus seim Wolkakeefeg glao.<br />

Was Gerns Dialek T gedich*. . — Gott ei Daim — ganz abgeht,<br />

ist di- bei vielen Munda idichtern übliche Sucht der Ar. kdotenreirr.erei,<br />

mit der sie auf billig \rt Iffekte erzielen wollen. Lr.<br />

Bentele ii Ravensburg, ^ er ebenfalls Gerns unve*. 0 ichtes Hohenzollernsch'<br />

Ibisch lobend erw int, schrieo einmal ii seiner Abhandlung<br />

über Mundart, es sei tief bedauerlich, daß fast j ;der Diale<br />

tdlchter ; f die gereimte V -ergäbe teils geistreicher, teils einfältiger<br />

Anekdoten abhebe. Er hab unter 20 vorliegende) . B indchen<br />

sc_ väbischer Gedichte willkürlicl ' * ieingreifen können und immer<br />

wieder die Behauptung t itätigt bekommen. Sebastian Blr-i sagt<br />

azu einmal treffend: ,. cht jeder, der eine Anekdote gereimt er<br />

zählen kann, ist ein Dichter."<br />

„Wenn auch meine Mundartgedichte ganz impulsiv aus<br />

der Heimatliebe heraus entsteh a", sagt Bruno Gern von<br />

sich selber, .immer wieder muß ich unerbittlich an mich<br />

die Frage richten: Denkt und fühlt, oder handelt so der einfache<br />

Mensch meiner Heimat? Ich muß aTso dem einfachen<br />

Mann nicht nur „scharf aufs Maul, sondern auch liebevoll


16 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

ins Herz schauen. Ich muß mir dabei aber auch des grundlegenden<br />

Unterschiedes zwischen hoher Lyrik und schlichtem,<br />

unpathetischen, ganz und gar lebens- und volksnahen<br />

Mundartvers bei jedem Gefühlston mit aller Deutlichkeit<br />

bewußt bleiben. Darüber hinaus muß ich auch die Mundart<br />

selbst in Betracht ziehen; offenbart sie doch das echte, noch<br />

unverfälschte Volkstum viel unmittelbarer als die Schriftsprache.<br />

Sie widerspiegelt die Dinge viel bezeichnender und<br />

aus der Urwüchsigkeit des Lebens heraus, so ihrer Eigenart<br />

entsprechend, wie es der noch unverbildet bodenständige<br />

und heimatverwurzelte Mensch natürlich empfindet. Mir<br />

scheint aber auch das Nachlauschen in die Vergangenheit<br />

der Mundart wichtig zu sein. Das Zurücktasten in die<br />

Quellgründe ihrer Urwüchsigkeit, ihrer alten unverwässerten<br />

Originalität. Unsere Mundart ist nämlich, eben weil sie<br />

etwas Einmaliges ist, auch etwas Unwiederbringliches. Sie ist<br />

zugleich beseelter Ausdruck unseres persönlichen Empfindens<br />

und der besonderen Eigenart unseres stammesbedingten<br />

Wesens. Man ist fast versucht zu sagen, wortgewordene<br />

Prägung unseres Persönlichen, unserer Landschaft und all<br />

der Dinge, die wir unter dem Begriff „Heimat" zusammengefaßt<br />

und zu eigen wissen." ...<br />

„Obwol ' wie schon gesagt, all die vielen Mundartgedichte Gerns<br />

ein impulsiv gestalten ; Erlebnis der Heimat sind, ein wortgewordenes<br />

Bekenntnis zu ihr, drängt sich doch da und dort aus seinen<br />

Arbeiten auch hier die Frage nach der Berufung zum Dichter hervor.<br />

Sie findet so z. B. in „Mei' Lebenslaui als eine Tatsache, die<br />

unabänderlich hingenommen werden muß, ihren Abschluß:<br />

So isch halt ond so wiads wohl bleiba,<br />

denn des ischt nimme zum Vertreiba! . . .<br />

Noi, was ma' au drgega duet,<br />

's nützt alles noitz, des leit im Bluet<br />

ond duet oin so mit seira koga<br />

Gottvattergwalt halt oifach ploga,<br />

bis daß ma' nogeit, nasitzt, lachet<br />

ond so des Zuig, des komisch, machet.<br />

Drum duet ms au bloß, wenn man schreibt,<br />

WE 's Herz oin druckt dabei ond treibt<br />

ond froget ist lang no em Laoh —<br />

('s duets freile manchmol fascht it drao)<br />

doch 's goht mr au halt wia so Villa,<br />

i schaff mei Sach ond denk, gottswilla,<br />

wenns nu reacht Seaga bringt ond Guts<br />

ond d' Leut weng besser machet, duets,<br />

denn 's graischte Glück goht mir aischt a',<br />

wenn andere sich freuet dra'! . . .<br />

Dann rückt die Heimat ganz ins Blickfeld des Erlebens und oft<br />

ist es neben der reinen Naturbeschreibung das alltägliche Leben<br />

selbst, das i seiner Vielfalt aus diesen Versen spricht. In „Johrausjohrei'"<br />

ist hi-.r das Geschehen des Jahres festgehalten und naturbedingt<br />

e ngeordnet. Hier nur ein Beispiel, mit einem weitausholenden,<br />

beschreibenden „Blick über 's Ländle":<br />

Acker, a' Acker, Feald, a' Feald.<br />

Drzwischet do ond det an Wald<br />

Ond Weag ond Wässrewiesa<br />

ond Bäch ond Bückele ond Bearg,<br />

mit Dörfle, wia so kleine Zwearg,<br />

ond Kirchtürm, wia d' Riesa.<br />

Drübert helt sei 'blo Himmelstuech,<br />

als wärs sei 'vürneamschts Bilderbuech,<br />

dr Hearrgett drei 'verwoba.<br />

D' Sonn müeht sich drum, wia so a Hiit<br />

ond wo ma des klei' Ländle bsieht<br />

mueß mas halt oifach loba!" . . .<br />

In diesem reizvollen Rahmen offenbart sich dann das Dorf als<br />

ein ruhender Pol, als eine Stätte des Friedens und des Geborgensein,<br />

das unberührte Dorf, mit seiner urwüchsigen Schönheit, seinen<br />

alteingesessenen Sitten und Bräuchen noch, in vielen Variationen<br />

aufklingend, aus denen wir nur ein Gedicht noch als abschließendes<br />

und zusammenfassendes Bekenntnis herausgreifen wollen:<br />

Du H o i m e t !<br />

Du Bearg, du verwasener,<br />

du Tale so grea,<br />

du Wald, guck, i mueß de<br />

halt ällaweil bseah.<br />

Du Felsa, du groer,<br />

du dupfeter Hang,<br />

du Wies mit deim Bächle<br />

's ganz Täle entlang.<br />

Du Acker, du brauner,<br />

du fruchtschwerer Grund,<br />

du Himmel, du Hoimet<br />

so herb ond so gsund.<br />

Du ewig jungs Leaba,<br />

du Dorf ond drzua<br />

du Kirchhof, du alter —<br />

du ewige Ruah!<br />

Eine Würdigung des Malers Theodor Waldraff bringt Eckhart,<br />

Jahrbuch für das Badner Land, 1959." Waldraff wurde<br />

geboren am 28. Juni 1876 in Ostrach, "tohenzollern,<br />

als Sohn des Kirchenmalers Wilhelm Waldraff. Nach dem<br />

Besuch der Volksschule in Ostrach und des Lehrerseminars<br />

in Meersburg, bezog der junge Waldraff die Kunstgewerbeschule<br />

Karlsruhe und anschließend die Akademie für bildende<br />

Künste ebenda. Vierzig Jahre lang wirkte unser<br />

Landsmann als Zeichenlehrer und frei schaffender Künstler<br />

in Heidelberg. Auf allen Gebieten der Malerei hat Waldraff<br />

Aber auch der Kreislauf des Jahres pulst auf und darin eingewirkt<br />

der bäuerliche Alltag:<br />

März<br />

Wenn aber wild in Wälder duß<br />

dr Meezluft singt, dr aischt warm Guß<br />

dia Wiesa woicht bis auf da Grund,<br />

wenn d' Sonn scheint ond um Kunigund,<br />

so, wia im Baura des dick Bluet,<br />

au 's Erdreich wieder ploga duet,<br />

könnt oifach ond mit aller Gwalt<br />

d' Meezwärme wieder über d' Wealt.<br />

Bringt wieder Arbeit nu grad gnueg;<br />

dr Acker watet auf da Pflueg<br />

ond, wenn guet Weatter drübert stoht,<br />

um Benedikt auf d' Sommersoot.<br />

Im Winterösch, do gruenet 's Korn,<br />

schlupft 's Aokraut ond dr Disteldorn.<br />

D' Wies machet d' Bluamaäugle auf,<br />

d' Lerch zwitschret bis in Himmel nauf,<br />

denn über ällem hot halt schao<br />

dr Meez da aischta Schnaufer dao.<br />

So stehen in diesem Rhythmus die Monate festgefügt, und jeder<br />

Tag bringt ein neues Geschehen. „Dr Schnailuft döberet um 's Haus"<br />

und „Dr Baur im Winter" pflegt sein geruhsames Dasein. Altes<br />

Brauchtum tritt uns entgegen, denn:<br />

Ar Liachtmeaß, do nimmt d' Gettebas<br />

zwua gweihte Keeza ond a Waas . . .<br />

Entzündet sie, eine nach der andern, denn jeder davon kommt eine<br />

besondere Bedeutung zu:<br />

De zwoit Keez soll mit ihrer Kraft,<br />

ällz stärke, was jetzt steigt im Saft.<br />

Solls hüeta 's Haus dur Johr ond Tag<br />

voarm Fuier ond voarm Weatterschlag.<br />

Voarm Wasser d' Wies, voarm Wurm da Wald,<br />

voar Dürre ond voarm Hagel s' Feald.<br />

Ond so da Hof ond 's Vieh im Stall<br />

voai i Aoglück ond voarm gäha Fall.<br />

Da Lim im Stock ond no drzua<br />

voarm Zorn da Vatter ond da Bua,<br />

daß Frieda bleibt ond Sach bei Sach<br />

beianander nauf bis unter 's Dach!<br />

Bald aber schwindet die Herbe des Winters, und die Amsel singt<br />

wieder:<br />

Sieba tuife Orgeltriller<br />

stimmt se a ond lot se laos<br />

ond schickts dur dia alta Fohra<br />

über s' Schmeiatäle naus.<br />

Ond im sorgaschwersta Herza<br />

wiad es wia vo' sealber guet,<br />

wenn es loset, wia dia Amsel<br />

wieder z' Morgabeatta duet!<br />

Der reichen .'-


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 17<br />

Die Kunst des Kohlenbrennens, von der wir in Nr. 3 des<br />

Jahrgangs 1959 berichteten, ist noch nicht ausgestorben: Im<br />

Schwarzwald und im Tal der Fils in Württemberg findet der<br />

Wanderer noch gelegentlich Köhlerhütten. So war auf der<br />

Holzmesse in Freiburg Mitte September 1959 auch der Aufbau<br />

eines solchen Meilers in drei Stufen zu sehen. Er war<br />

iba.eu(My<br />

Querschnitt durch einen Meiler<br />

4 m groß und 1,5 m hoch. Der Ringinger Altmeister Josef<br />

Dorn, jetzt 76 Jahre alt, von dem wir damals erzählten und<br />

den der Unterzeichnete in der Zwischenzeit nochmals sprechen<br />

konnte, hat die seinen gut 2 Meter hoch und nur mit<br />

aufrecht stehenden Harthölzern (vor allem Prügeln von etwa<br />

10 cm Stärke) gebaut. Er benötigte dafür 20 Raummeter Buchenholz.<br />

Im Mittelpunkt bildeten vier Pfähle das „Füllloch",<br />

in das man zum Anzünden Gluten hineinwarf. Diese<br />

setzten das Holz wegen der Luftzufuhr vor allem oben in<br />

Brand, und von oben nach unten glostete der „Kohlhaufen"<br />

(nicht Kohl e n häufen sagte man in Ringingen<br />

und auch Pfeffingen!) langsam flammenlos nach unten,<br />

was man durch Einstechen von Luftlöchern in die Abdekkung<br />

regulierte. Letztere bestand, wie damals schon gesagt,<br />

aus Moos, Erdwatzen und Abraum früherer Meiler, der sog.<br />

„Lösche". Diese großen Ringinger Meiler, die gemäß der<br />

alten Tradition der Schmiede gefertigt waren, brannten gegen<br />

6 Tage. Nachts durfte der Schmied auch nicht eine einzige<br />

volle Stunde schlafen, denn das Herausbrechen der<br />

Flamme hätte alle Mühe illusorisch gemacht. Um den Meiler<br />

hat man ein Gräblein gezogen, in dem sich etwas Wasser<br />

(d. h. Holzessig und Teer) sammelte. Am Schluß hat der<br />

Josef das Feuer lieber durch Schließen aller Oeffnungen<br />

erstickt, als mit Wasser gelöscht. Dieses diente vielmehr nur<br />

als letztes Hilfsmittel. Das unterste Holz am Boden verkohlte<br />

gewöhnlich nicht mehr ganz.<br />

Der Kohlenmeiler<br />

Feueri^/adjt<br />

Im Freiburger Meiler waren nicht alle Hölzer aufgestellt,<br />

sondern außen herum die Meterroller gelegt, nur innen<br />

die Prügel gestellt, das Ganze mit Tannenästen und dann<br />

mit sandiger Erde bedeckt. Damit letztere nicht herabrutschte,<br />

waren außen herum kleine Holzpfähle angelehnt,<br />

die in 1 k Höhe Querbrettchen trugen. Der etwa 30 cm weite<br />

Kamin (Fülloch) war von drei Stangen gebildet, die mit 2<br />

Eisenreifen zusammengehalten wurden.<br />

Die Meiler im Filstal sind nur 1 m hoch und brennen 2<br />

bis 3 Tage. Als Abdeckung dienen feuchtes Heu und Erde.<br />

Da das sich entwickelnde Holzgas leicht brennt, bildet sich<br />

bei zu starker Luftzufuhr statt Kohle allgemein Kohlendioxyd,<br />

so daß nur die mineralischen Bestandteile als Asche<br />

übrig bleiben. Bei moderner Verkohlung in eisernen Retorten<br />

erhält man außer Kohle Holzteer, Essigsäure, Methylalkohol,<br />

Azeton u. a. m. und kann außerdem den Rest<br />

des Holzgases zum Beheizen der Retorte verwenden. Beim<br />

alten Kohlenmeiler dagegen verbleibt als Ertrag etwa 30 %><br />

der Holzmenge als wertvolle Holzkohle (Albvereinsblätter<br />

1957, S. 5—6).<br />

Von den beiden Bildern, die von der Hauptgeschäftsstelle<br />

des Schwäbischen Albvereins (Stuttgart-N, Hospitalstr. 21 B)<br />

freundlich zur Verfügung gestellt wurden, wofür herzlich<br />

gedankt sei, zeigen einen Kohlenmeiler im Aufriß bzw. im<br />

Betrieb. J. Ad. Kraus.<br />

Abziehende Gase am Kohlenmeiler<br />

Von der Flößerei auf dem Neckar<br />

In unsern Tagen wird durch den Einfluß der Technik im<br />

Leben und Arbeiten auch unserer Landbevölkerung soviel<br />

Althergebrachtes aufgegeben und eine völlig neue Arbeitsweise<br />

und Lebenshaltung übernommen, daß der jungen Generation<br />

das Wissen um die Verhältnisse unserer Vorfahren<br />

noch vor wenigen Jahrzehnten vielfach verloren gegangen<br />

ist. Da ist es wohl angebracht, ab und zu einiges in Erinnerung<br />

zu bringen. In folgendem sei die Flößerei auf unserem<br />

Neckar aus der Vergangenheit herausgeholt. Sind<br />

doch im Oktober dieses Jahres 60 Jahre verflossen, seitdem<br />

sie endgültig aufgegeben wurde.<br />

In unserer waldreichen Gegend wurden schon seit Jahrhunderten<br />

die Flüsse für den Holztransport benützt. Das war<br />

auf unserem Neckar ab Neckarhausen der Fall. Weiter oberhalb<br />

wurden nur einzelne lose Stämme vom Ufer aus zu<br />

Tal geschafft. Erst 1829 wurde der Neckar ab Rottweil floßbar<br />

gemacht. Die letzte amtliche Regelung der Flößerei in<br />

Württemberg datiert vom 26. 4. 1877. Danach durfte ein Floß<br />

bis 344 m lang, aber höchstens 3,70 m breit sein. Es mußte<br />

zwei Sperren aufweisen und von 4 bis 7 Flößern bemannt<br />

sein. Vier bis sieben gleich lange entrindete Stämme wurden<br />

an den Enden durchbohrt und mit Wieden nebeneinander<br />

gebunden. Man nannte das ein Gestör. Ein Floß wies oft<br />

über 10 solcher Gestöre auf, die beweglich hinter einander<br />

befestigt wurden. Das Herrichten eines Floßes geschah auf<br />

dem Einbindeplatz. Dettingen hatte deren zwei, unweit der<br />

Neckarbrücke am linken Ufer und gegenüber der Einmündung<br />

des Dießenbachs. Diese Lagerplätze standen den Holzhändlern<br />

zur Verfügung. Sie zahlten von jedem Gestör 15<br />

Kreuzer an die Gemeindekasse. Das Einbinden des Floßes<br />

dauerte 8 bis 14 Tage. Auf jedem Floß war eine Hütte für<br />

das Werkzeug wie Säge, Axt, Bohrer, Wendhaken, Flößersack,<br />

Wetterkittel usw. Die größeren Wieden wurden zum<br />

Teil vom Schwarzwald bezogen. Sie wurden aus etwa 5 m<br />

langen entasteten Tannenstämmehen hergestellt. Diese wurden<br />

in besonderen Oefen erhitzt, auf dem Amboß geklopft,<br />

dann um einen Pfahl gewunden und kreisförmig zusammengerollt.<br />

Zu kleineren Wieden nahm man lange Tannenäste,<br />

die ähnlich bearbeitet wurden. Eine Floßfahrt bis Heilbronn<br />

dauerte 4 bis 5, bis Mannheim 7 bis 8 Tage. Eine halbe<br />

Stunde vor Sonnenaufgang durfte die Fahrt beginnen und<br />

mußte eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang beendet<br />

sein. Des Nachts wurde das Floß an genau bestimmten<br />

Halteplätzen mit Ketten an Uferplätzen festgemacht. Die<br />

Flößer zechten und schliefen stets in den gleichen Wirtschaften.<br />

Oft gab es auch unfreiwilligen Aufenthalt, so an<br />

Krümmungen, Kiesbänken, Engstellen und Brücken. Es kam<br />

auch wohl vor, daß ein Floß zerbracht und die einzelnen<br />

Teile übereinander geschoben wurden. Dann gab es schwere<br />

Arbeit, bis die Fahrt weitergehen konnte. Manchmal mußte<br />

gestaut werden. Wenn es durch die Floßgasse der Wasserwerke<br />

ging, war besondere Vorsicht geboten. Da konnten<br />

leicht Männer vom Floß geschwemmt werden. So ertrank<br />

bei Neckartailfingen der Dettinger Flößer Xaver Kronenbitter.<br />

Ab Cannstatt wurde jedem Floß ein Bote mit 16feldriger<br />

schwarzroter Flagge vorausgeschickt. Er mußte<br />

Wasserwerksbesitzer, Brücken- und Schleusenaufseber von<br />

der Ankunft des Floßes in Kenntnis setzen, damit die erforderlichen<br />

Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden konnten.<br />

Nicht jedes Floß fuhr bis Mannheim. Vielfach wurde<br />

Holz unterwegs an Zimmerleute und Händler abgesetzt. Die<br />

Floße gehörten teils den Floßführern, teils Holzhändlern.


18 HOHENZOLL RISCHE HEIMAT dahrfJar>y 196<br />

Floßführer aus Dettingen und Betra kauften Wälder in der<br />

Umgebung und stellten eigene Floße zusammen. Ein Flößer<br />

verdiente bis Cannstatt 15 Mark, bis Heilbronn 30 Mark, bis<br />

Mannheim 35 Mark. Davon gingen lediglich die Kosten der<br />

Heimfahrt ab, die mit dem Wagen, später mit der Bahn<br />

erfolgte. Das Flößen durfte nur von März bis November erfolgen.<br />

Auch im August wurde eine Ruhepause eingelegt, um<br />

Uferschäden zu beheben und Ausbesserungen an Wasserwerken<br />

vorzunehmen.<br />

Die Flößer waren kräftige, wetterharte Gestalten, die mit<br />

Laib und Seele an ihrem schweren, gefährlichen Beruf hingen.<br />

Erwähnt sei noch ihr Verhältnis zu den Tübinger Studenten.<br />

Dort trafen sich lange, grobschlächtige Wasser- und<br />

elegante Reitstiefel, flößerische und akademische Bildung.<br />

Es war alter Brauch, daß die Studenten die biederen Flößer<br />

foppten und zu ärgern suchten. Zeigte sich ein Floß beim<br />

Spitzberg, so ließ der erste Student, der es erblickte, sein<br />

„Jockele spe - a - e - a - er" erschallen, um die Insaßen des<br />

Stiftes und die vielen Studenten in der Neckarhalde, in der<br />

Münz- und Neckargasse zu benachrichtigen. Alle gaben den<br />

Ruf weiter, eilten auf die Brücke, auf den Hirschauer Steg<br />

und in die Platanenallee. Sobald das Floß erschien, gingen<br />

die Spottrufe hinab und gleicherweise von den Flößern auch<br />

hinauf. Etwaige Verärgerungen wurden von den Studenten<br />

Zwischen Ebingen und dem Killertal bestanden früher<br />

selten besonders enge Beziehungen. Herrschaftliche Grenzen<br />

schieden schon seit dem frühen Mittelalter die beiden Bereiche.<br />

Immerhin kauften die Ebinger des öfteren Holz in<br />

den hohenzollerischen, vor allem den Burladinger Wäldern.<br />

Und vor 200 Jahren gab es einen anderen Anlaß zu einem<br />

lebhaften Hin und Her im Handel und Verkehr. Das war die<br />

Herstellung von Florrücken, wollenen Halstüchern oder<br />

Halsbändeln. Sie sind anscheinend zuerst in der Schweiz getragen<br />

worden; von dort verbreitete sich ihre Kenntnis auch<br />

in unsere Gegend. Man interessierte sich aber hier weniger<br />

für die Vorteile beim Tragen als vielmehr für die Erzeugung.<br />

Sie lernten die Ebinger von den Killertälern. Die Herstellung<br />

der Florrücke war leicht; Frauen, Kinder, gebrechliche<br />

Personen machten sie mit Hilfe von Steckein, wie es<br />

in den Akten heißt. Ich denke, es war eine Art Stricken<br />

bzw. Sticken.<br />

Nun aber gab es in Ebingen um die Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

Streit zwischen den Bortenmachern, die nach längerem<br />

Gewährenlassen plötzlich den Anspruch erhoben, sie<br />

müßten ailein das Recht haben, diese Florrücke herzustellen,<br />

und den vielen armen Leuten hier, die mit dieser Tätigkeit<br />

eine willkommene Einnahmequelle gefunden hatten. Die Armen<br />

wiesen darauf hin, man könne ihnen wohl die Anfertigung<br />

verbieten, von einem solchen Verbot aber würden<br />

nicht die hiesigen Bortenwirker den Vorteil haben, sondern<br />

die Killertäler, die sich umso mehr auf diese Arbeit legen<br />

würden, desgleichen andere nichtwürttembergische Leute.<br />

Der Streit wurde nicht bloß in Ebingen mit Haussuchungen<br />

und Vernichtung von Handwerkszeug, mit Klagen und<br />

Widerklagen ausgetragen, sondern auch mit zahlreichen Beschwerdeschriften<br />

beider Seiten bei der Stuttgarter Regie -<br />

rung. Schließlich verwandte sich auch der Stadtpfarrer für<br />

die Armen. Ihm verdanken wir eine ausführliche Darlegung<br />

der Verhältnisse, aus der ich das, was die Beziehungen zwischen<br />

Ebingen und den Killertälern betrifft, wörtlich wiedergeben<br />

werde. Er berichtet zuerst von vier sogen. Verlegern,<br />

die andere für sich arbeiten lassen und dann für den<br />

Absatz der Ware sorgen. Dann fährt er fort:<br />

Außer diesen Verlegern gibt es noch sehr viele andere,<br />

die zusammen ebenso viele Florrücke machen wie jene. Sie<br />

teilten sich in zwei Klassen: einige machten etliche Dutzend<br />

zusammen, kauften etwa auch noch mehr hinzu, und weil<br />

sie in der Herbst- und Winterszeit nichts zu werken wußten,<br />

trugen sie solche hin und wieder zu Markt oder hausierten<br />

damit. Die anderen, wenn sie keine Feldgeschäfte<br />

oder aber eine Schuld zu bezahlen hatten, kauften ein, zwei<br />

oder auch mehr Pfund Wolle, manche sogar nur ein halbes<br />

Pfund, spannen sie und machten Florrücke daraus, ließen<br />

sie färben und trugen sie denen zu, die damit Handel trieben.<br />

Das sind die zollerischen Untertanen, die oberhalb der<br />

Stadt Hechingen gegen die Alb zwei Stunden von hier wohnen.<br />

Von diesen bekamen sie die bare Bezahlung und damit<br />

Die Killertäler und Ebingen<br />

von Dr. Stettner, Ebingen<br />

mit hinabgereichtem Bier und ähnlichem wieder aus der<br />

Welt geschafft. Oft durften junge Herren von Tübingen - sofern<br />

sie ausreichend für den Flößerdurst aufkamen - von<br />

Rottenburg als Fahrgäste mitreisen. Manche Studentenverbindung<br />

hat eine solche Floßfahrt zu einer feuchtfröhlichen<br />

Festlichkeit ausgestaltet, so bei der letzten Floßfahrt; bildete<br />

sie doch den Abschluß eines schönen Teiles studentischen<br />

Lebens.<br />

1860 fuhren noch 146 Flöße den Neckar hinunter, 1892 noch<br />

14. Die Eisenbahn (1868 eröffnet) nahm den Flößern die so<br />

lieb gewordene Arbeit ab. Das letzte Floß fuhr am 20. Oktober<br />

1899 von Sulz nach Eßlingen. Es war reich geschmückt.<br />

Die Flößer zogen - daß Flößerlied singend - mit Fahne und<br />

Inschrifttafel vom „Ritter" zum Einbindplatz. Der Floßherr<br />

und der Bürgermeister der Stadt sprachen Abschiedsworte.<br />

Unter Böllerschüssen, Tücherschwenken, Händewinken und<br />

lebhaften Zurufen begann die letzte Reise. Im „Ochsen" zu<br />

Eßlingen war dann eine schöne, aber wehmütige Abschiedsfeier,<br />

bei der die letzten Flößer noch ein Kameradschaftsbild<br />

anfertigen ließen.<br />

In Neckarhausen wurde der Neckarflößerei ein schlichtes<br />

Denkmal erstellt. Beim Bau des dortigen Sägewerkes nach<br />

dem 1. Weltkrieg mußte es entfernt werden. Seine Inschrift<br />

wurde nach Sigmaringen gebracht. St. Keßler.<br />

auch den Lohn für ihre Arbeit und konnten sich damit helfen.<br />

Einige trugen's alle Wochen, andere in 14 Tagen weg,<br />

andere warteten, bis jene herkamen und sie abholten. Dabei<br />

konnten wir nicht verhindern, daß manchmal der Sonntag<br />

dazu mißbraucht wurde.<br />

Der Pfarrer berichtet dann über den Absatz an die Killertäler:<br />

Es ist bekannt, daß die zollerischen Untertanen, besonders<br />

die in dem oberen und rauheren Teil des Ländles<br />

wohnenden durch einen mit ihrem Fürsten vor Jahren wegen<br />

der freien Pirsch geführten hartnäckigen Prozeß in die<br />

größte Armut gerieten, so daß sie fast alle betteln gegangen<br />

sind. Diese Armut hat sie mit allerhand kleinen Sachen<br />

handeln gelehrt. Sie ziehen allein schon mit Obst und<br />

Schnitzen, von denen hier sehr wenig wäcnst und die sie<br />

im Steinlacher und Pfullinger Tal aufkaufen und das ganze<br />

Jahr hindurch fast täglich hieher tragen, viel Geld von hier<br />

ab, bringen aber auch den Bäckern, Kaufleuten und Handwerkern,<br />

besonders denen, die Florrücke machen, vieles<br />

herein. Diejenigen unter diesen Leuten, die es vermögen,<br />

kaufen die Florrücke von denen, die sich nichs borgen können<br />

und ihnen solche wöchentlich zutragen, um bares Geld<br />

etwas wohlfeiler ab; andere nehmen sie auf drei, sechs und<br />

mehr Monate Nachsicht. Je mehr diese Händler in der Ferne<br />

absetzen können, je mehr sie dieser Ware nachfragen, desto<br />

mehr nehmen unsere hiesigen Armen und andere Leute,<br />

denen es an Gelegenheit fehlt, sich fuglich zu ernähren, Anlaß<br />

zu verfertigen und sich darauf zu legen. Durch diesen<br />

täglichen Umsatz ist demnach dieser klein scheinende Handel<br />

so groß und erträglich geworden, daß die Bortenwirker<br />

meinen, es würden jährlich für 8—10 000 Gulden verkauft.<br />

Der Amtmann jedoch meint, das sei höchst unverschämt, es<br />

seien nur etwa 1 000 Gulden.<br />

Der weitere Streit, der schließlich mit dem Sieg der Armen<br />

endet, interessiert in diesem Zusammenhang nicht mehr.<br />

Aber es tut vielleicht manchen Killertälern wohl zu erfahren,<br />

daß einmal sie gegenüber der Stadt Ebingen mehr<br />

die Gebenden als die Nehmenden gewesen sind, in Zeiten,<br />

da es noch wirkliche Not gab, gegen die man sich gemeinsam<br />

gewehrt hat.<br />

Nacftwort: Wer von den Lesern kann den Ausdruck Florrücke<br />

sprachlich erklären? Wenn die erste Silbe wohl an<br />

unsere Trauerflore, Vorhänge und Taufwindeln erinnert, in<br />

die früher die Frauen Figuren und Zieraten hineinstickten,<br />

und auch einmal davon die Rede ist, ein Bauer<br />

habe im Streit den andern am Flor (Halstuch) gepackt, so<br />

ist doch die zweite Worthälfte „R ü c k" nicht recht verständlich.<br />

Sollte d e i Rick gemeint sein, in den Wolle, sowie<br />

Näh- und Webfaden gewöhnlich vor dem Aufwinden auf<br />

einen Bobbel in den Handel kam? Als Kinder mußten wir<br />

immer der Mutter den Rick oder Strang Wolle mit beiden<br />

ausgestreckten Armen halten, damit sie die Fäden abwickeln<br />

konnte. Oder wurden die fertigen Flöre in Ricke aufgewickelt?<br />

Krs.


Jahrggftg "i960 HOHENZO ERISCHE HEIMAT 19<br />

Die Ueberschrift stellt keinen Irrtum dar! Es gab tatsächlich<br />

zwti Burgen namens Schalksburg. Die eine ist als einstiger<br />

Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft um Burgfelden<br />

weitbekannt, die andere stand nicht allzuweit von<br />

ihr entfernt auf der Markung des hohenzollerischen Straßb<br />

e r g, unweit der Ebinger Grenze auf einem Felsen des<br />

linken Schmeientales. Beide waren mittelalterliche Ritterburgen,<br />

freilich von verschiedener Größe und Bedeutung.<br />

Die Burgfelder Schalksburg hat jedoch eine Besonderheit:<br />

Sie ist als Doppelburg innerhalb einer gewaltigen, 20 Morgen<br />

umfassenden frühgeschichtlichen Fliehburg<br />

angelegt, von der das Dörflein Burgfelden seinen<br />

Namen hat. Merkwürdigerweise sind diese beiden Teilburgen<br />

nicht unmittelbar am schmalen Felsgrat errichtet gewesen,<br />

der die Berginsel vom Albmassiv trennt, sondern in<br />

der südlichen, bzw. westlichen Ecke, während das Burggelände<br />

selbst gegen den Berggrat durch drei Gräben und<br />

eine lange, in der Mitte mit einem Bergfried verstärkte<br />

Mauer abgeschlossen war. Dieser Bergfried wurde neuestens<br />

teils wieder aufgebaut, wobei amerikanische Hubschrauber<br />

das Material von Burgfelden herschafften. Schon die merkwürdig<br />

große Anlage scheint darauf hinzudeuten, daß der<br />

Erbauer schwerlich nur ein kleiner unbedeutender Ritter gewesen<br />

sein kann, vielmehr im Schatten eines größeren hochadligen<br />

Herrn gestanden haben wird, der dann die Burg<br />

selber weiter ausbaute. So wundern wir uns nicht, wenn seit<br />

1266 bis 1403) als Herren der Burg die Grafen von Zollern<br />

erscheinen neben einem ritterlichen Geschlecht von<br />

Edelknechten, die sich ebenfalls „von Schalksburg" nannten.<br />

Aehnlich war dies auch bei anderen Grafenburgen der Fall:<br />

Grafen neben Niederadel von Urach, von Haigerloch, von<br />

Hohenberg u. s. f.<br />

H. H. Pfarrer Krau s, Erzbischöfl. Archivar in Freiburg<br />

Es sind lediglich folgende Edelknechte des Namens „von<br />

Schalksburg" bekannt: 1226 17 August H(einrich) de Shalchispurch<br />

bei dem Grafen Albert von Rotemburg-Hohenberg<br />

zu Ulm (WUB 3, 198). 1252 Herr H(einrich) Ritter<br />

von Salkesburch ist Zeuge der Grafen von Veringen<br />

(WUB 4, 282). 1262 4. Januar: Hein rieh von Shalkesburk<br />

erscheint bei Rechtsgeschäften in "'eringendorf<br />

(Cod. dipl. Salem I, 403). 1266 derselbe Ritter H.(einrich) v.<br />

S. mit seinem Sohn N. ist auf der Schalksburg Zeuge<br />

für den Grafen von Zollern (Mon. Zoll. I, 85f), 1306<br />

9. Febr.: Walter von Schalksburg ist Zeuge für die Zollern<br />

(MZ I, 121) 1317 26. Juni: kauft derselbe von den Schenken<br />

von Staufenberg Güter. Zeuge ist Gr. Albrecht d. j. von<br />

Zollern (MZ I.) 1319 Walter von S. (MZ I. 133) 1320 Heinrich<br />

und Walter von Schalksburg mit Leutpriester Johannes<br />

von Burgfeld aus Wolfach (MZ I, 136). 1333 dieselben von<br />

Wissmann erwähnt. 1347 27. April: Burkart und Heinrich<br />

von Schalksburg verkaufen Güter zu Streichen (MZ I, 169).<br />

Die beiden Schalksburgen<br />

1363 1. Mai Burkart und Brudersohn Heinrich v. S. mit<br />

Gütern zu Engstlatt (MZ I, 201). 1372 26. Dezb.: Burkart v.<br />

S. mit Gütern zu Streichen (MZ I, 224). 1383 24. Mai: Werner<br />

von Rosenfeld nennt seinen Vater „Burkart von Schalksburg"<br />

(Wissmann 110). Ihr Wappen zeigte in Rot ein weißes<br />

Tor zwischen zwei bezinnten weißen Türmen. Einige Frauen<br />

von Schalksburg finden sich im Urkundenbuch des Klosters<br />

Stetten (Hohenz. Jahreshefte 1955—1957).<br />

Im Gegensatz zur großen Schalksburg stellte die kleinere,<br />

die 900 m nördlich der Burg Straßberg lag, nur einen bescheidenen<br />

Rittersitz mit Turm, Haus und vielleicht Nebengebäuden<br />

dar. Dies mag einen Fingerzeig dafür geben, daß<br />

sie die ältere Burg dieses Namens war, deren Besitzer<br />

um 1226 als Vasall der Grafen von Hohenberg erscheinen,<br />

der Herren des Scherragaues, aber dann seit 1266 mit den<br />

stammverwandten Grafen von Zollern in der Burgfelder Gegend<br />

genannt werden, ihren Namen somit auf den neuen<br />

Sitz mitgenommen haben dürften! Vermutlich<br />

haben dann diese letztgenannten Grafen die große Schalksburg<br />

ausgebaut. Vorher kennen wir einen Ritter C u n r a t v.<br />

Burcvelt, der 1244—1254 als Bürger zu Vilsingen genannt<br />

ist (Wissmann, An der Eyachquelle, 1959, S. 68), der vermutlich<br />

seinen ursprünglichen Sitz auf der späteren großen<br />

Schalksburg hatte, denn im Dörflein Burgfelden ist sonst<br />

keine Burgstelle bekannt! Das Dorf selbst war vor 1064<br />

durch einen Grafen Rudolf (wohl von Habsburg) an das<br />

Kloster Ottmarsheim im Elsaß geschenkt worden, das dann<br />

die berühmte Kirche anstelle einer älteren umbaute und<br />

von Reichenauer Künstlern ausschmücken ließ.<br />

Schon bald nach 1300 wird dann auch die Straßberger<br />

Schalksburg als Ödenburg (später Edenburg) bezeichnet,<br />

muß also in Trümmern gelegen haben! (Hohz. JHft. 1959.)<br />

Die große Schalksburg dagegen spielte bekanntlich noch bis<br />

ins 16. Jahrhundert eine bedeutende Rolle, wie Wissmann im<br />

genannten Werk (S. 110 ff) ausführlich dartut.<br />

Ueber den Namen Schalksburg ist viel gerätselt<br />

worden. Ein Schalk im heutigen Sinne darf ausscheiden. Das<br />

mittelhochdeutsche Wort bedeutet in Marschalk oder Seneschalk<br />

soviel wie „Diener, Hofbeamter, Knecht"<br />

eines Hochadeligen. Da die große Schalksburg, seit man von<br />

ihr weiß (1266), in Hand des Hochadels war, wollte der<br />

Name Diener- oder Vasallenburg nie recht passen. Jänichen<br />

vermutet darin die Bedeutung „sehr alte Burg", ohne dies<br />

näher zu begründen. (Zeitschr. f. württ. Landesgesch. 1952<br />

S. 43—44.)<br />

In Straßberg dagegen bestand die Höhenburg gegen Winterlingen<br />

wohl schon seit dem 12. Jahrhundert als Eigentum<br />

des hochadeligen Stifts Buchau, das hier vermutlich<br />

schon durch Irmgard, die Tochter Ludwigs des Deutschen<br />

vor 857 Besitz bekam und bis 1802 behielt (Hohz. JHft. 1959,<br />

1—182). Leider wird dieser Buchauer Besitz (ohne die Pfarrei<br />

und einem Hof) urkundlich erst um 1340 als Lehen in Hand<br />

der Grafen von Hohenberg greifbar, die jedoch schon 1287<br />

(und wohl auch 1226) als Herren daselbst nachzuweisen sind.<br />

Da der Ortskern von Straßberg unter dem Namen „Uf Burg"<br />

1005 bis 1559 im Besitz des Klosters Stein am Rhein erscheint,<br />

nehmen manche an, der Name Straßberg für die<br />

Burg links der Schmeie samt dem Burgweiler darunter sei<br />

durch die Schweizerischen Grafen von Straßberg-Neuenburg<br />

(Neufchätel) aufgekommen, die vor 1226 dieses Buchauer<br />

Lehen besessen haben müßten, wovon man jedoch urkundlich<br />

nichts weiß! Nach Buchauer Ueberlieferung von<br />

1470 sollen die Straßberger Edelleute einst Schenken des<br />

Stifts gewesen sein. Eine Vasallenburg bei Straßberg<br />

wäre somit nicht ausgeschlossen. Wie gesagt<br />

ist die älteste Schreibweise 1226 „Shalchisburc h".<br />

Noch im Jahre 1535 erhielt ein Johannes Salch aus Ebingen<br />

die Pfarrei Burg-Straßberg verliehen! Man meinte irrig,<br />

es könnte ein Personenname zugrunde liegen, der sicher<br />

das Schloß eindeutiger bezeichnen würde als das allgemein<br />

klingende „Schalk". Man hat auch schon an Salweide gedacht<br />

(ahd. salhe), was in der Grundbedeutung „g r a u" anzeigen<br />

soll, wozu Weißenburg, Liechtenstein und ähnliche<br />

Burgennamen zu vergleichen wären. Aber beide Ansichten<br />

sind zu wenig begründet.<br />

Eine Merkwürdigkeit muß hier noch angeführt werden:<br />

Die älteren Siegel der freien Herren und Grafen von Straßberg-Neuenburg<br />

in der Schweiz zeigen das gleiche Siege<br />

1 b i 1 d wie es die spätei-en niederadligen Edelknechte<br />

von Schalksburg bei Burgfelden führten: Zwischen zwei bezinnten<br />

Türmen ein Tor, meist noch mit einem Hausgiebel<br />

dahinter. Man deutet dieses Siegelbild als .Burg", im speziellen<br />

Falle also als Neuenburg (Neufchätel). Ob dabei die


20 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

alte Burg die von Straßberg war? Das spätere Wappen<br />

(nach 1230) der Grafen von Straßberg-Neuenburg in der<br />

Schweiz zeigte dann einen (oder mehrere) mit 3 Firsten belegten<br />

Pfahl, der nach dem Aussterben des Geschlechts im<br />

14. Jahrhundert an den Wappenschild der Markgrafen von<br />

Baden-Hachberg überging.<br />

Ist angesichts dieser Tatsache der Gedanke zu kühn, die<br />

Herren von Shalchisburg-Schalksburg seien Vasallen der<br />

Grafen von Straßberg gewesen, die mit Rückgabe ihrer älteren<br />

Burg in die Hand der Aebtissin von Buchau um 1230<br />

auch das alte Wappenbild aufgaben, das dann wie anderwärts<br />

ihre vermutlichen Vasallen weiter benützt haben? Krs.<br />

Zollerisches aus den St. Georger Stiftungsakten<br />

Aus den Notitiae fundationis des Klosters St. Georgen im<br />

Schwarzwald (Mon. Germ. Script. 15, 2; S. 1007—1023) seien<br />

diejenigen Stellen ausgehoben, die sich sicher oder vermutlich<br />

auf nohenzollerische Orte beziehen, wobei freilich nicht<br />

alle Deutungen unanfechtbar sein können.<br />

1083 4. Jan.: Bei der ursprünglichen Gründung des Klosters<br />

zu Königseggwald im Gebiet des Grafen Mangold von Aleshausen<br />

(Altshausen-V e r i n g e n) durch den hochadligen H ez<br />

e 1 o (Hermann) mit seinem Sohne Hermann, sowie den<br />

Edlen Hesso waren außer obigem Grafen zugegen: Konrad<br />

und seine Söhne Eberhard und Heinrich von Heiligenberg,<br />

Arnold von Binzewangen (Ahnherr 1er Grafen<br />

von Gammertingen), Heinrich und sein gleichnamiger<br />

Brudersohn von Hirschzungen (angeb. Hirscheck bei Saulgau),<br />

Mangold und sein Bruder Ludwig von<br />

Sigmaringen; Ulrich, Siegfried und sein Brudersohn<br />

Hermann von Weiler (Wolfratsweiler bei Hohentengen),<br />

Berthold von Butelscieß


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 21<br />

Zelle (d. i. im Kloster St. Georgen) in Gegenwart von Cuono<br />

und Walker und Mangold von Ahausen, Arnold von Kilchberg<br />

und seiner obigen beiden Söhne.<br />

1095 2. Februar: Ritter Kuono von Gisingen (Geisingen)<br />

und seine Söhne Berthold und Konrad schenken ihren Besitz<br />

bei Parma (wohl verschrieben für Beroa-B ärenthal) im<br />

Felsengebiet, das wegen seiner Zerrissenheit „Serrae" genannt<br />

wird, d. i. Sägen oder Scheer.<br />

1132 29. Mai: Der Edelfreie Ritter Heinrich von Stouphenberg<br />

(militaris homo libertate nobilis) macht sich<br />

zum Mönch im Kloster St. Georgen und übereignet über dem<br />

Altar des genannten Heiligen seine Güter (praedia) in<br />

Owingen (bei Haigerloch) und Uesingen (Isingen bei<br />

Horb?), nämlich 15 Mansen, ferner in Beckhofen (bei Villingen),<br />

Mimmenhausen, Bräunlingen, Klengen, Ueberauchen,<br />

zusammen 41 Mansen. Zeuge ist u. a. Arnold von Wolfach.<br />

(Der Bearbeiter der Mon. Germ, deutet Stauffenberg ins<br />

Oberamt Balingen, was Hechingen heißen müßte, Müller<br />

dagegen in Zeitschr. Oberrhein 1893 S. 419 rät auf Staufenberg<br />

in der Ortenau. (Vgl. Georgskirche in Oberowingen!)<br />

1139 ist ein Rudolf von Tetingen (Dettingen) Zeuge.<br />

1139 14. April: Papst Innozens II. nimmt das Kloster St.<br />

Georgen samt seinen Gütern in Schutz, darunter auch das<br />

Dorf Stetten (bei Haig.), Ehestetten (bei Ebingen), das<br />

Gut (praedium) zu Ouwingen (Owingen bei Haigerloch),<br />

Leidringen, Täbingen, Wilvlingen (bei Rottweil?)<br />

und Magerbein ; (?Magershein-Magolsheim?) (Wirtb. Urkb.<br />

II. 10—12).<br />

1148 Gottfried von Empfingen ist u. a. Zeuge für<br />

Friedrich von Wolfach betr. Kirche in Husen (H a u s a c h ?).<br />

Dabei ist auch Rudolf von Wildorf (Weildorf b. Haig.)<br />

genannt.<br />

1155 der hochedle (vir illustris) Berthold von Husen<br />

(welches?) und seine Frau wurden Conversen (d. h. Laiendiener)<br />

im Kloster St. Georgen.<br />

1179 26. März: Papst Alexander III. bestätigt den Besitz<br />

von St. Georgen, darunter die Zelle Urspringen, das Dorf<br />

Steten samt Kirche, Ehestetten mit Kirche, das Gut<br />

zu Owingen, Leidringen mit Kirche und dem halben<br />

Zehnten, Täbingen und Magerbein (WUB II. 198).<br />

Da aus jener frühen Zeit sonst fast keine Urkunden mehr<br />

erhalten sind, glaubten wir, obige Nachrichten in unserem<br />

Heimatblatt abdrucken zu sollen, und so auf eine seltene<br />

Quelle hinzuweisen. J. Ad. Kraus.<br />

Eine Urkunde vom Hennenstein bei Trochtelfingen<br />

Die Kapelle auf dem Heiner-, Hennen- oder Hünenstein<br />

bei Trochtelfingen wird nach Eisele schon in einem Ablaßbrief<br />

vom 21. Mai 1322 erwähnt, und war der Muttergottes<br />

(ehrenhalber) und dem hl. Nikolaus geweiht. Dabei bestand<br />

eine Brüderniederlassung von sog. Begharden, die schon<br />

1322 in der Kapelle ihren Begräbnisplatz gehabt zu haben<br />

scheinen (Mitt. Hohz. 32, 1908, S. 114). Die lateinische Urkunde<br />

über Stiftung einer Kapianei daselbst vom 5. November<br />

1422 hat Eisele ebenda auch erwähnt, hier soll der genauere<br />

Inhalt gegeben werden, da er für die Geschichte von<br />

Trochtelfingen und Umgebung von Wichtigkeit ist. Das Original<br />

liegt im Staatsarchiv Sigmaringen, eine Kopie auch<br />

in G 599, Seite 103—108 in der Heimatbücherei Hechingen.<br />

„Sigmaringen, den 5. November 1422: Die Grafen Heinrich<br />

und Johannes von Werdenberg, Herren zu<br />

Sigmaringen, schreiben an den Bischof Otto von Konstanz:<br />

Angesichts der Eitelkeit des Ruhmes dieser Welt<br />

und der Kürze des menschlichen Lebens und Unsicherheit der<br />

Todesstunde wollen wir eine Kaplaneipfründe stiften zu unserem<br />

und aller Verstorbenen Seelenheil in die Kapelle bei unserer<br />

Stadt Trochtelfingen, genannt Hünenstein. Sie ist schon<br />

lange zu Ehren des hl. Bischofs Nikolaus gegründet<br />

und konsekriert, aber noch nicht dotiert und war mit<br />

dem anliegenden von Wald umgebenen Haus von Begharden<br />

bzw. Laien als Waldeinsiedelei bewohnt (fuit!). Sie soll<br />

dem Allerhöchsten, seiner jungfräulichen Mutter Maria, dem<br />

hl. Nikolaus und dem himmlischen Heere dienen, mit Zustimmung<br />

des Herrn Eberhard Bräly, Kirchrektor in<br />

Trochtelfingen. Der Kaplan soll uns, bzw. dem Geschlechtsälteten<br />

dem Bischof präsentiert werden. Er soll wöchentlich in<br />

der Kapelle 4 Messen lesen (eine de Beata Maria Vig., 1 für die<br />

Verstorbenen, 2 von den Heiligen oder de tempore). Er soll<br />

die Kapelle besorgen ohne Beeinträchtigung der Pfarrkirche,<br />

aber auch daselbst mithelfen. Die eingehenden Opfergaben<br />

soll er dem Pfarrer abliefern, durch seinen Gottesdienst den<br />

in der Pfarrkirche nicht stören, und soll bei der Kapelle<br />

wohnen.. . Dazu stiften wir: Ein Drittel des Kleinzehntens<br />

zu Trochtelfingen vom Oberen Tor an<br />

beim Zimmermanns bis zur unteren Bucht oder Lache<br />

(estuarium inferius) der Stadt. Ferner Vs des Drittenzehntens<br />

in W i 1 s i n g e n, 10 Jauchert Acker auf Schopfenloch, 6 J.<br />

auf Gattenberg und 2 J. noch dabei, 6 J. beim Brüwensbühl,<br />

17 J. beim Bützhart, 3 J. uf Wilhalmsbühl, 4 J. beim<br />

Uotenberg, 6 J. im Kleinöschle, 2 J in der Bützi, 1 J. in der<br />

Lachen, 3 J. im Dirnental, 4 J. uf Dettenloch, 2 J. retro antiquum<br />

Castrum vulgo hinter der Burg, 2 J. im Tüffental,<br />

1 J. ebendort, 14 J im Süessen, 4 J in dem Brand, 4 J.<br />

bei Süessen, 4 J. an Langen Halden, 3 J. ebenda, ferner alle<br />

Felder und Wiesen von Mägrichinger (Mägerkinger) Brühl<br />

zwischen dem Wasser und der Stadt Trochtelfingen, die<br />

hierher zur Stadt gehören. 15 J. bei der genannten Nikolauskapelle<br />

am Brühl genannt die Gebrait. 4 J. beim Wetterkreuz,<br />

4 J. vor Sumerau, 2 J. in der Ow, 2 J. in Winckebi<br />

oder Boumkeby!<br />

Ferner an Wiesen: 5 Mannsmad in Schopfenloch, 5 Mm. uf<br />

Gattenberg, 3 Mm., die gegen den Rütlinger (Reutlinger) Weg<br />

und Schlottegger Dryne (Katharine?) strecken, 6<br />

Mm. am Rütlinger Weg, 4 Mm. im Hasental, 8 Mm. uf Hüntun<br />

(!) genannt Wechselwies, 1 Mm. in Uffhofen, 3 Mm.<br />

unter Hünenstein, 3V2 Mm. vor dem Hoff. Ferner den Wald<br />

um die Kapelle mit Obstgarten dabei, 2 Mm. genannt<br />

Yringsgut, 2 Mm. im Wickental und 4 J. Feldäcker daselbst.<br />

Ferner 6 Schilling Jahreszinsen aus dem Haus des B i 1 a -<br />

fing, das an den Herrn Pfauen an Unteren Tor stößt.<br />

Aus dem Haus dieses Pfauen 2 ß (Schilling) hlr., ferner<br />

6 hlr. aus dem Haus des Kunz Bader am Markt, das<br />

an der Stöllinen Haus stößt. 15 hlr. aus dem Haus genannt<br />

des Pfaff Dachs an der Friedhofmauer. 2 ß<br />

hlr. aus Schwaigers Haus nächst dem Haus des Nikolaus<br />

Herzog in der Neckarhalde. 18 hlr. aus dem Haus<br />

Jakobs rückwärts von Heinrich Rufen Haus in der<br />

Neckarhalde an der Mauer. Werner Süner gibt aus seinem<br />

Garten in Uffhofen 3 ß hlr.; der Garten fällt nach<br />

seinem Tod an die Kapianei. Derselbe Süner gibt aus<br />

seinem Garten in Uffhofen 1 ß hlr., grenzt an die Wiese des<br />

Prolis. Konrad Schanz gibt aus seinem Garten in<br />

Uffhofen neben des gen. Süners Garten 10 ß hlr. Auch dieser<br />

Garten fällt später an die Kapianei, nach des Inhabers<br />

Tod. Nikolaus Gretzinger gibt aus seinem Garten<br />

in Uffhofen neben obigem Süner 10 ß hlr. auf Lebenszeit.<br />

W i e 1 a n d gibt aus 2 Gärten in Uffhofen auf Lebenszeit<br />

8 ß hlr, S c h e r i und seine Frau geben aus ihrem Garten<br />

ebendort auf Lebenszeit 13 ß hl. Dieselben geben aus 1<br />

Wiese im Tannenhart auf Lebenszeit 13 ß hl. Die Wiese<br />

fällt dann an die Kapianei. Der Pfau gibt aus seinem<br />

Garten in Uffenhofen neben S c h e r i s Garten jährlich 8<br />

ß hlr., auch dieser Garten fällt nach seinem Tod an die<br />

Kapianei. Konrad Arian gibt aus seinem dem Pfauen<br />

benachbarten Garten 5 ß hlr. auf Lebenszeit. Der Hetlinger<br />

gibt aus seiner Wiese in Uffhofen 5 ß hlr. und<br />

aus 1 Wiese in Langenhalden 4 ß hlr. Item Benzo Wurm,<br />

Vogt zu Sigmaringen, gibt aus 1 Wiese am Gressiberg, die<br />

Albert Hoffer baut, 8 ß hlr. Derselbe Wurm gibt aus<br />

1 Garten in Nidlingen (Flur jenseits der Seckach) jährlich<br />

8 ß hlr. Der Arnold und der Elser geben aus 1<br />

Wiese unterm Hünenstein, grenzend an Widenen Wiese<br />

(Widdumswiese?) an dem T a c h s (obig m Geistlichen),<br />

jährlich 18 ß hlr. Cuntzo Smölzly und seine 5 Genossen<br />

geben aus ihrem Lehengut 31 ß hlr. und 1 Viertel (120)<br />

Eier. Nikolaus Gretzinger gibt aus 1 Wiese beim<br />

Hagbrunnen 2 ß hlr. Die Zimbermännin gibt aus 1<br />

Garten in Rümelins Gäßlin (vicellum) jährlich 30 hlr.<br />

an die Kapianei und an den hl. Martin (den Kirchenpatron)<br />

ebensoviel. Die A m 1 u n g i n gibt aus 1 Garten neben der<br />

Erhardskapelle und aus 1 Wiese, genannt Holzwies,<br />

in Hüntim gelegen, jährlich 5 ß hlr. Hermann Müller<br />

gibt aus 1 Wiese an dem Graben jährlich 1 Viertel Hanfsamen,<br />

Trochtelfinger Maß. Der K ä m 1 i von S t e i n h ü 1 -<br />

b e n gibt aus seinem Gut, genannt des Wildneckers, zu<br />

Steinhilben, jährlich 5 ß hlr. Der Heinzelmann gibt aus<br />

des genannten Wildneckers Gütern jährlich 5 ß ilr. und aus<br />

1 Hof daselbst 1 Pfd. hlr. Der F i s e 1 von Steinhülwen<br />

gibt aus 1 Wiese an dem Bühel jährlich 12 ß hlr. Petrus<br />

D r e y e r (wohl Dreher) von Steinhilben gibt aus 1 Wiese<br />

ebenda 1 Pf. 5 ß hlr. Benzo von Engstingen gibt<br />

aus 1 Gut zu „Frigen Engstingen" (—Kleinengstingen) jährlich<br />

1 Pfd. 8 ß hlr. und 1 Vtl. Eier Nach seinem Tod fällt<br />

das Gut an die Kapianei. Der Fliner von Engstingen<br />

gibt aus 1 Wiese im Brüel jährlich 1 Pfd. hlr., dann fällt sie<br />

an die Kapianei. Ruflinus Müller von Stetten (u.


22 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Holst.) gibt aus 1 Wiese bei seiner Mühle 8 ß hlr., nach<br />

seinem Tod fällt sie an die Kaplanei. Der Tösch von<br />

Stetten gibt aus seinem Acker gegen das Dorf R i n g i n -<br />

gen jährlich 4 Simri Getreide, was er trägt.<br />

Aus dem Haus des Kranz zu Trochtelfingen zwischen<br />

Konrad Stoll und Johannes Höwly (Häule) gibt man<br />

jährlich 5 ß hlr. Der G ö 1 d 1 y von Mägrichingen (Mägerkingen)<br />

gibt aus 1 Wiese unterm Hünnenstein 14 ß hlr. Der<br />

Holzelfinger gibt aus den Gütern der Brunnerin<br />

von Epfingen (wohl Erpfingen!) 6 ß hlr. Aus 1 Wiese bei der<br />

genannten Hünensteinkapelle in Größe von IV2 Mm. gibt<br />

man jährlich 1 Pfd. 5 ß hlr: Macht alles zusammen<br />

4 6 P f d. h 1 r (= 2 760 Goldmark), die für den Unterhalt des<br />

Kaplans hinreichen sollen. Bitte um Bestätigung der Stiftung.<br />

Siegler: die beiden Grafen. Auch der Pfarrektor Eberhard<br />

Brely siegelt zustimmend." (S. fehlen heute.)<br />

Die Kopie in der Heimatbücherei enthält manche Namenfehler.<br />

Sie stammt vom 10. Mai 1785 von der Hand des Hofkammerrats<br />

und fürstenbergischen Archivrats Karl Josef<br />

Friedrich Döpfer. Das Original war damals in Hand des<br />

Kaplans.<br />

Nach Gratianus hat im Jahre 1331 das Kloster Zwiefalten<br />

das Vogtrecht über die Mühle im Wickental bei Trochtelfingen<br />

dem Dietrich von Liechtenstein verliehen, wobei<br />

Swigger und Eberhard von Liechtenstein Zeuge waren (Sulger<br />

D. 278). Für Einheimische müßte es reizvoll sein, den<br />

einzelnen Flurnamen um Trochtelfingen nachzuspüren.<br />

Joh. Adam Kraus.<br />

Kurznachrichten<br />

Bischofsmutter Ursula von Holnstein<br />

Sicher hätte sich das Edelfräulein Ursula auch nicht träumen<br />

lassen, als sie die heimatliche Burg Holnstein über<br />

Stetten an der Laudiert verließ, um den Lebensbund mit<br />

dem helfensteinischen Vasallen Heinrich von Nenningen (bei<br />

Geislingen a. d. Staig) zu schließen, daß sie einst Mutter<br />

eines Bischofs würde. Der Vater Anselm II. von Holnstein<br />

hatte schon vor 1370 das Zeitliche gesegnet und die Mutter<br />

Ursel von Reischach in zweiter Ehe den edlen Konrad von<br />

Magenbuch geheiratet. Die Söhne Konrad, Ernst und Anselm<br />

III. von Holnstein furnierten und handelten mit den Nachbarrittern,<br />

wie es damals höfischer Brauch war. Pie Schwester<br />

Ursula bekam von dem Nenninger drei Söhne: Hans,<br />

der später mit Richardis von Freyberg vermählt wurde,<br />

Wölflin, der in den Deutschorden eintrat und Anselm.<br />

Die Mutter Ursula v. H. verkaufte im Jahre 1388 mit ihrem<br />

Stiefbruder Friedrich von Magenbuch ihren Teil an der väterlichen<br />

Burg Holnstein, nämlich je ein Drittel des Turmes,<br />

des Hauses, der Scheuer und der Grundstücke, 1 /a des Gerichts<br />

zu Stetten samt Gütern zu Genkingen, Erpfingen,<br />

Hörschwag, Steinhilben, Meidelstetten, Mägerkingen und<br />

Wurmlingen bei Rottenburg. Schon 1399 war sie wiedervermählt<br />

mit Konrad Gremiich von Pfullendorf und verkaufte<br />

Güter zu Eberhardsweiler.<br />

Ihr Sohn Anselm von Nenningen wird etwa 1360<br />

geboren sein, studierte 1375 zu Prag Rechtswissenschaft, ist<br />

1382 Chorherr zu Wiesensteig, leiht 1383 dem Fritz von Westerstetten<br />

36 Gulden, ist mindestens seit 1392 Domherr zu<br />

Augsburg, 1407 Domkustos und läßt als solcher den Ostchor<br />

des dortigen Domes einwölben. Am 24. September 1414<br />

wählte ihn das Domkapitel zum Bischof, doch mußte er 1423<br />

nach einer stürmisch bewegten Regierung zurücktreten und<br />

starb 1428, wie auf dem Grabstein zu lesen steht, der im<br />

Kapitelssaal des Klosters Blaubeuren erhalten ist. Friedrich<br />

Zöpfl schildert sein kämpferisches Leben in seinem neuen<br />

Werk „Das Bistum Augsburg im Mittelalter" (1955, S. 360<br />

bis 379) und bringt ein Bild der Grabplatte S. 368. Ein<br />

Schwager Anselms war Heinrich von Hörningen (Herrlingen)<br />

dessen Schwester Ursula der Truchseß Jörg von Ringingen<br />

heimführte. Ein anderer Verwandter war Ital von Westernach,<br />

dessen Familie 1740 in Ringingen begütert ist. Wenn<br />

Zöpfl den Geschlechtsnamen der Bischofsmutter mit Holnstein<br />

oder Hollenstein wiedergibt, so ist letztere Lesart zu<br />

streichen, denn bei unsern Hölnsteinern an der Laudiert<br />

kommt der Name Anselm mindestens viermal vor. Der Bischof<br />

war seinem mütterlichen Großvater nachgetauft (Mitt.<br />

Hohz. 26, 12 ff). Wann die Mutter Ursula von Holnstein<br />

starb, scheint nicht überliefert zu sein.<br />

Dagegen sei noch erwähnt, daß Zöpfl im genannten Werk<br />

auch die aus Hohenzollern stammenden Augsburger Bischöfe<br />

Johann von Werdenberg und Friedrich von Zollern meisterhaft<br />

darstellt! J. A. Kraus.<br />

Annakapelle und Bruderschaft zu Veringenstadt<br />

Am 5. Oktober 1786 wurde vor dem Geistlichen Rat zu<br />

Konstanz verhandelt: Die kaiserliche Regierung von Freiburg<br />

habe am 4. September einen Schenkungsbrief der Anna<br />

Lacherin vom Jahre 1463 samt einem Reversbrief de anno<br />

1545 über Spende und Almosen an den vier Quatember in<br />

Betreff der (neulich) zu Veringenstadt aufgehobenen St.<br />

Anna-Bruderschaft hergeschickt. Dabei stellte sie das gehorsamste<br />

Ersuchen, weil die gestifteten 80 Pfund Heller an<br />

Reichswährung jetzt nur 53 fl 20 kr betragen, sei der Fond<br />

zur Bedeckung der jährlich bisher verausgabten 25 fl 52 kr<br />

für Stiftungsschuldigkeiten nicht genügend, reiche vielmehr<br />

bei 3V2 0/0 Zins nur für fünf Messen aus. Man solle also<br />

kirchlicherseits die Verbindlichkeiten auf fünf Messen herabsetzen<br />

und die gar wohl entbehrliche St. Annakapelle<br />

exekrieren und abbrechen, den Platz<br />

veräußern und den Erlös fruchtbringend anlegen.<br />

Man beschloß: Da nach der Stiftung vom J. 1545 der Fond<br />

nur 80 Pfund Heiler oder jetzt 53 fl 20 kr betrage, wovon<br />

nicht viermal vier Messen an den Fronfasten und ein abzusingendes<br />

Amt bezahlt werden könnten, weil ja für 16 Messen<br />

6 fl 24 angesetzt werden müßten and für 4 Aemter mit<br />

Almosen insgesamt 25 fl 52 kr. (nämlich dem Priester für die<br />

Aemter 1 fl 12 kr., den Choralisten 48 kr., dem Mesner 48 kr.,<br />

für Wachs 40 kr., den Armen 16 fl Summe 25 fl 52 kr.) und<br />

der Zins von obigen 53 fl der derzeit 1 fl 52 kr. betrage, so sei<br />

die Reduzierung auf 5 Messen angebracht. Nachdem die Annabruderschaft<br />

(noch nicht so lange) aufgehoben sei und zur<br />

Rettung der für sich entbehrlichen Kapelle kein<br />

Grund vorliege, könne man die Erlaubnis zur Entweihung<br />

dem Ortspfarrer geben und die Regierung in Freiburg<br />

entsprechend verständigen. (Erzb. Archiv Freiburg Ha<br />

251, S. 664).<br />

Reichten nun Kapelle und Bruderschaft bis 1463 oder nur<br />

bis 1545 zurück? Die Verehrung der hl. Anna nahm im 15.<br />

Jahrhundert einen großen Aufschwung. Die Kapelle lag auf<br />

dem Berg etwas oberhalb der Burg. Krs.<br />

Die Stammburg Bubenhofen stand im oberen Stunzachtal,<br />

das auch Bubenhofertal heißt, auf einem kleinen Hügel<br />

zwischen Rosenfeld und Binsdorf gegenüber der Parzelle<br />

„Neue Burg". Im Jahre 1275 ist dort eine Pfarrkirche genannt,<br />

die zum Weiler Bubenhofen gehörte, und noch 1487<br />

wurde ein Priester Nikolaus Witzmann aus Gammertingen<br />

auf die Pfarrei von Johann Caspar von Bubenhofen präsentiert.<br />

Um diese Zeit hatte das Geschlecht sich längst in<br />

Gammertingen und Grosselfingen eine neue Heimat gesucht.<br />

Es starb im Jahre 1814 mit Johann Wilhelm Freiherrn v. Bubenhofen<br />

zu Bamberg aus. Als erster der Familie erscheint<br />

um 1190 ein Volchard von Buwinhovin, welcher Name vielleicht<br />

auf einen Bauhof zurückgeht? Ueber das Geschlecht<br />

wäre zu vergleichen Kindler von Knobloch, Oberbad. GeschO<br />

echterbuch I, 172 und Zeitschr. für württb. Landesgesch.<br />

1937, S. 335—369. Hier möge eine Urkunde vom 5. Oktober<br />

1386 folgen, die eine deutliche Zersplitterung des Heimatbesitzes<br />

erkennen läßt, wie sie bei vielen Burgen vorkam.<br />

1386 Freitag nach St. Michaels Tag: Conrad von Bubenhofen,<br />

Sohn des Herrn (Ritters!) Wernher des<br />

älteren, verkauft an die Stadt Rosenfeld und die Gemeinde<br />

Isingen seinen Halbteil am Bann (Gemarkung)<br />

und Wald zu Bubenhofen mit Wasser und Weide,<br />

Wegen und Straßen um 100 Pfund Heller. Dagegen gehört<br />

nicht zum Verkauf sein Teil der Burg Bubenhofen, soweit<br />

die Gräben und der äußere Zaun um die Bomgärten umfassen.<br />

Und was jetzt Garten in dem Weiler B. ist, das<br />

soll alles Gartenrecht behalten. Ausgenommen vom Verkauf<br />

sind auch die Fischenzen (Fischereirechte). Der Verkäufer<br />

verpflichtet sich auch für seine Nachfolger, nicht über 24<br />

Stück Vieh zu halten, die dann in den Bann von Bubenhofen,<br />

Rosenfeld und Isingen zur Weide dürfen. Auch dürfen<br />

die späteren Käufer seines Burgteils zu Bubenhofen nur 24<br />

Stück haben, aber nur auf den Bann Bubenhofen, nicht mehr<br />

den Rosenfelds und Isingens fahren. Sollte Konrads Teil an<br />

der Burg an seinen Vetter Heinrich v. B, den Besitzer<br />

der anderen Hälfte oder dessen Erben kommen,<br />

so sollen sie in dieser jetzt verkauften Hälfte des Bannes<br />

nichts zu suchen haben. Will Konrad gen RosenfelJ ziehen<br />

und dort wohnen, so soll er dort mit Weib und Kind frei<br />

sein, solange sie unverändert (unverheiratet) sind. In den<br />

Verkauf willigt auch Konrads Frau Adelheid die<br />

Tanneckerin (Tanneck im bad. Amt Bonndorf) mit<br />

Tochter Anna für alle ihre Kinder und Geschwister ei/,<br />

da ihnen auf dem Landgericht zu Rottweil dieser genannte<br />

Teil vermacht worden ist. Neben Konrad siegelt auf ihre<br />

Bitten Burkart von Neuneck und Hans der


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 23<br />

Ewattinger. (Kopie von 1726: Heimatblätter vom oberen<br />

Neckar Mai 1933, S. 1540). Ueber die Bubenhofen zu Gammertingen<br />

usw. findet sich Material in der Geschichte der<br />

Stadt Gammertingen von J. Wiest. Krs.<br />

Karl Nehrlich in Hechingen<br />

In der „Zollerheimat" 1. Jahrgang (1932) Nr. 6 S. 32 bat<br />

das Deutsche Volksliederarchiv in Freiburg um Mitarbeit<br />

zur Aufklärung des Lebensweges von Karl Nehrlich. Es<br />

wurde darauf hingewiesen, daß Nehrlich um 1808 anscheinend<br />

einige Jahre als Hofzeichnungsmeister in Hechingen<br />

gelebt habe. Nun ergaben sich bei Durchsicht der Taufbücher<br />

konkrete Hinweise, daß Nehrlich während der angegebenen<br />

Zeit hier gewirkt hat. Es wurden ihm hier folgende 4 Kinder<br />

geboren: 1) Gustavus Crescens, geb. 24. 10. 1805; 2) Carolus<br />

Wilhelmus, geb. 12. 8. 1808; 3) Carolus Wilhelmus, geb. 14.<br />

4. 1810; 4. Augusta Maria Francisca, geb. 17. 1. 1814. Als<br />

Eltern werden angegeben: Dominus Carolus Nehrlich, Miniaturmaler,<br />

Sohn Martin Nehrlichs, Tuchhändler in Sachsen-<br />

Eisenach et Domina Susanna Maria nata Ritsch ex Helvetia.<br />

In dem unter 1) aufgeführten Gustav haben wir wohl seinen<br />

ebenfalls als Miniaturmaler bekannten Sohn zu erblicken.<br />

Karl Nehrlich, der Vater, benützte seine Hechinger Zeit u. a.<br />

dazu, für die durch Arnim und Brentano veranstaltete Volksliedersammlung<br />

„Des Knaben Wunderhorn" in 2V2 Jahren<br />

ca. 400 Liedtexte im Hechinger Raum zu sammeln und wurde<br />

damit zum erfolgreichsten Mitarbeiter an diesem bedeutenden<br />

Werk der deutschen Literaturgeschichte. F. St.<br />

Frauenkloster Gorheim, sowie Groggental, Villingen und<br />

Freiburg. Die vorderösterreichische Regierung zu Freiburg<br />

hatte sich am 20., 26. und 30. März 1782 an den Bischof von<br />

Konstanz wegen Abstellung der Gottesdienste und Verlegung<br />

der Stiftsmessen aus den aufgehobenen Frauenklöstern Groggental<br />

bei Ehingen a. D., Villingen, Freiburg und Gorheim<br />

bei Sigmaringen. Bezüglich des letzteren beschloß nun der<br />

bischöfliche Geistliche Rat in Konstanz am 27. April 1782:<br />

Da in diesem Kloster (Gorheim) meistens alte und bresthafte<br />

Klosterschwestern sich befinden, welche auf Lebenszeit<br />

beisammen gelassen zu werden wünschen, so möchte auf den<br />

Fall, wo sie die allerhöchste Gnad dahin erhalten würden,<br />

alles in statu quo (wie bisher) einstweil zu belassen sein. Im<br />

andern Fall aber wäre die Fortsetzung der Gottesdienste<br />

umso weniger notwendig, weil dahin niemand pfärrig ist<br />

und die Dienstleute ohnehin in die Pfarrkirche Laiz gehören,<br />

wo die Stiftungsmessen und Anniversaria dorthin übersetzt<br />

und mit der dortigen Kaplanei vereinigt werden könnten.<br />

Dabei ist wegen des Klosters Gorheim insbesondere noch<br />

zu erinnern, daß ehemals ein Weltpriester als Kaplan allda<br />

gewesen, der wegen seiner Pfründe die Erstfrüchte an das<br />

bischöfliche Siegelamt entrichten mußte. Diese Pfründe ist<br />

hernach aus bischöflicher Gnade dem zeitlichen Beichtvater<br />

zum Unterhalt überlassen worden, weswegen das Kloster<br />

Gorheim anstatt der Erstfrüchte jährlich einen Gulden ans<br />

Sigill-Amt zu bezahlen gehabt. Wenn dieses Benefizium<br />

daher nun dem Kaplan zu Laiz übertragen werden sollte,<br />

so wäre dafür zu sorgen, daß der Kaplan diesen jährlichen<br />

Gulden zu geben hat. (Erzb. Arch. Freiburg Ha 246, 181.)<br />

Hans A. Kraus.<br />

Die Hennensteinkapelle bei Trochtelfingen wäre im Jahre<br />

1789 beinahe abgerissen worden. Dies wäre umso mehr zu<br />

bedauern gewesen, als neuestens darin sehr alte Freskogemälde<br />

aus der Zeit der Ausmalung der Pfarrkirche gefunden<br />

wurden, die sich über beide Teile des Kirchleins erstrecken.<br />

Man hat nämlich irrig gemeint, der hintere Teil<br />

sei viel jünger. Am 3. September 1789 hat der Geistliche Rat<br />

zu Konstanz den Bericht des Trochtelfinger Dekans Engelhard<br />

beraten, wonach die Herrschaft Fürstenberg den Antrag<br />

gestellt hatte, die Kapelle auf dem Hennenstein zu<br />

demolieren. Heute wundern wir uns, was _'ie Obrigkeit damals<br />

auf diesem rein kirchlichen Gebiet sich anmaßte! De'<br />

Geistliche Rat antwortete: „Da die Kapelle konsekriert sei<br />

und auf solcher ein eigenes Benefizium hafte, auch auf<br />

Grund einer Stiftung wöchentlich eine hl. Messe daselbst<br />

gehalten werde, so lasse sich leicht voraussi :hen, daß das<br />

an die Besuchung der Kapelle gewöhnte Volk über die gfeplante<br />

Zerstörung einen großen „Miß-trost" fassen dürt" e,<br />

der in dem gegenwärtigen sehr kritischen Zeitpr i*t für die<br />

Ruhe der fürstenbergischen Lande umso bedenkli' ler werden<br />

könnte, als auch den Österreichs tien und andern G<br />

genden wirklich über die allgemeine Mißstimmung des Volkes<br />

mehrfach Daten vorliegen, welche eben auch aus Anlaß<br />

gesperrter und abgebrochener Kapellen entstand und ir gefährliche<br />

Gärung ausgebrochen ist. Die Besorgnis ähnlicher<br />

Aufstände, verbunden mit dem besonderen Verhältnis er-<br />

wähnter Kapelle, wolle daher die Demolition (Zerstörung)<br />

derselben als vollkommen untunlich darstellen, und könnte<br />

sofort auch von Ordinariats wegen darunter niemal mitgewirkt<br />

werden." (Erzb. Archiv Freiburg Ha 254, 537.) Die angedeuteten<br />

Unruhen herrschten vor allem in Dornbirn. Krs.<br />

Die Herren von Melchingen sind von Theod. Schön in den<br />

„Mitteilungen des Vereins für Geschichte Hohenzollerns, Jg.<br />

33, S 1 ff behandelt. Herr Studienrat Dr. Walter S t e 11 -<br />

n e r - Ebingen hatte die Freundlichkeit, einige Berichtigungen<br />

bzw. Ergänzungen zu schicken: Am 23. August 1429<br />

haben Jörg, Hans, Märklin von Haulfingen (Hailfingen), Gebrüder,<br />

sowie Wolf von Hailfingen, Auberlins sei. Sohn, um<br />

400 fl an Renhard von Melchingen ihren Teil des Zehnten zu<br />

Melchingen verkauft, so wie sie ihn von ihrem Vater<br />

(Vetter?) Conrad von Hailfingen selig als Lehen der Herrschaft<br />

Eberstein ererbten. Es siegelten die Aussteller, sowie<br />

Ruff von Gomaringen und Ruf von Ehingen. Am 3. November<br />

1448 hat dann der genannte Renhard von Melchingen<br />

Va des Kornzehnten und X U des Heuzehnten zu Melchingen<br />

von Johann und Bernhard den Grafen von Eberstein als freies<br />

Eigentum erhalten, worauf er am 16. Nov. diese Zehnten<br />

an die Martinskirche in Ebingen verkaufte. —• Der gleiche<br />

Heimatfreund berichtet auch aus einem Zinsregister der<br />

Nikolauspfründe Ebingen (Württbg. Reg. 8324) um 1420 von<br />

einem hellstainischen Jahrtag dieser Pfründe, die auf<br />

Laurentientag dazu 8 Schilling Heller empfing aus dem<br />

Hundshof zu Truchtelfingen, dessen Inhaber waren: Auberlin<br />

Waltz, Bernhard Reck, Peter Heinrich zu Truchtelfingen. Der<br />

Jahrtag dürfte wohl gestiftet gewesen sein für den edlen<br />

Conrad von Hölnstain, der 1419 in Ebingen ansässig<br />

war. Krs.<br />

1380 23. April Götz von Burladingen siegelt mit und für<br />

Ritter Berchtold v. Stein zum Rechtenstein, der der Heiligenpflege<br />

der Kirche U. Lb. Frau und St. Joh. Bapt. und<br />

S. Joh. Evang. des Dorfes Hundersingen (OA. Ehingen) bei<br />

Stadion für 1 Pfd. Hlr. seine Hofstatt mit Garten verkauft.<br />

Siegel abgef. (St. Arch. Stuttg. B. 163, Nr. 84.)<br />

Der Pfarrer von Dießen wollte am 10. Mai 1719 das Hofstättlein,<br />

worauf ehedem der Pfarrhof zu Bettenhausen<br />

gestanden, zu größerem Nutzen der Pfründe für<br />

20 fl verkaufen, wozu der Geistl. Rat in Konstanz seine Zustimmung<br />

gab. (Erzb. Arcb Freiburg, Ha 220, 303.) Bettenhausen<br />

ist jetzt Filiale von Leinstetten.<br />

Neu erschienen: Illustriertes Bestimmungsbuch für Wiesen- und<br />

Weidepflanzen. Teil B Sauergräser. 199 Abbildungen. Preis 9.80 DM.<br />

Zu beziehen vom Verfasser Rudolf Kiffmann (13b) Freising/Obb.<br />

Mit Hilfe des Buches können auch Nichtbotaniker Sauergräser und<br />

Binsengewächse leicht und sicher bestimmen.<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


24<br />

Weiler bei Tailfingen. Am 7. April (Montag) 1113 schenkte<br />

Walcho von Waldeck mit Zustimmung seiner Gattin Mächtild<br />

und seines Sohnes Gerung dem Kloster St. Blasien mit<br />

dessen Abt Rustenus all seinen Besitz, außer 3 Jauchert<br />

im Dorf Steina im Breisgau in Graf Hermanns Grafschaft.<br />

Er gibt auch alle Güter und Höfe, die er in den namentlich<br />

genannten Dörfern am Oberrhein und Südschwarzwald besitzt,<br />

sowie in Ebingen, Tagelfingen (Tailfingen)<br />

und Wiler in Graf Friedrichs Grafschaft (Mones<br />

Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins II, S. 195). Es<br />

handelt sich um den Grafen Friedrich von Zollern,<br />

und an Weiler erinnert noch das Weilertal mit<br />

dem oben entstandenen Neuweiler zwischen Tailfingen und<br />

Hausen im Killertal. Mit der Zugehörigkeit zur Grafschaft<br />

Friedrichs ist natürlich über die Besitzverhältnisse nichts gesagt.<br />

Krs.<br />

Alamannenfuncle in Frohnstetten sind im letzten Jahr erneut<br />

in Nähe der „Krone" gemacht worden. Ein älterer genauer<br />

Bericht über solche mit Abbildungen findet sich in<br />

Blättern des Schwäb. Albvereins IV, 1892, S. 41—42. Dabei<br />

wird auch in Nähe der Hülbe eine bis dahin unbekannte<br />

Quelle erwähnt, von der eine alte Wasserleitung mittels<br />

Tonröhren zur Gegend der Kirche und vielleicht weiter<br />

führte. Die Röhren waren etwa Va m lang und in der Mitte<br />

verdickt, ohne daß das Alter derselben festgestellt wäre.<br />

Eine ähnliche Röhrenleitung mit sehr schönen Muffen zur<br />

Verbindung der Einzelteile fand sich 1933 auch in Burladingen.<br />

Sie führte von der Quelle oberhalb der Straße nach<br />

Stetten in Richtung des ehemaligen Schlößle, wo im 16.<br />

Jahrhundert sicher ein Röhrenbrunnen stand, den der Zollergraf<br />

durch den Bildhauer verschönern ließ. Krs.<br />

Sigmaringendorf und Mehrerau. Am 3. Januar 1778 verhandelte<br />

der bischöfliche Geistl. Rat zu Konstanz die Bitte<br />

des Gotteshauses Mehrerau bei Bregenz um die Erlaubnis,<br />

den Zehnten zu Sigmaringendorf samt dem dortigen Kirchensatz<br />

(Patronatsrecht) an das Kloster Zwiefalten zu verkaufen.<br />

Aus dem Erlös wollten die Patres den höchst nötigen<br />

und von der Regierung aufgetragenen Kirchenbau finanzieren.<br />

Der Pfarrvikar, P. Columban Handegätinger zu Sigmaringendorf<br />

erklärte sich damit einverstanden. Man beschloß,<br />

dem Bischof davon Kenntnis zu geben und die Erlaubnis<br />

zu erteilen. Allein der Verkauf kam nicht zustande.<br />

Nach Aufhebung des Klosters 1806 nahm zuerst Bayern,<br />

und dann Oesterreich den Zehnten mit Patronat in Anspruch.<br />

Letzteres verkaufte beide im Jahre 1827 an das Fürstenhaus<br />

Hohenzollern-Sigmaringen.<br />

Weiler bei Tailfingen. Am 7. April (Montag) 1113 schenkte<br />

Walcho von Waldeck mit Zustimmung seiner Gattin Mächtild<br />

und seines Sohnes Gerung dem Kloster St. Blasien mit<br />

dessen Abt Rustenus all seinen Besitz, außer 3 Jauchert im<br />

Dorf Steina im Breisgau in Graf Hermanus Grafschaft. Er<br />

gibt auch alle Güter und Höfe, die er in den namentlich<br />

genannten Dörfern am Oberrhein und Südschwarzwald be-<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

Jahrgang lSfifl<br />

sitzt, sowie in Ebingen, Tagelfingen (Tailfingen)<br />

und Wiler in Graf Friedrichs Grafschaft<br />

(Mones Zeitschr. für Geschichte des Oberrheins II, S. 195).<br />

Es handelt sich um den Grafen Friedrich von Zollern,<br />

und an Weiler erinnert noch das Weilertal mit dem<br />

oben entstandenen Neuweiler zwischen Tailfingen und Hausen<br />

im Killertal. Mit der Zugehörigkeit zur Grafschaft<br />

Friedrichs ist natürlich über die Besitzverhältnisse nichts<br />

gesagt. Kr.<br />

1380 23. April Götz von Burladingen siegelt mit<br />

und für Ritter Berchtold von Stein zum Rechtenstein, der<br />

der Heiligenpflege der Kirche U. Lb. Frau und St. Joh. Bapt.<br />

und S. Joh. Evang. des Dorfes Hundersingen (OA. Ehingen)<br />

bei Stadion für 1 Pfd. Hlr. seine Hofstatt mit Garten verkauft<br />

Siegel abgef. (St. Arch. Stuttgart B 163, Nr. 84.)<br />

Carl Schoy, der zweifache Doktor und Lehrerssohn aus<br />

Bittelschieß, Aratoist und Geograph, Philologe und Astronom,<br />

1955 hier gewürdigt von Jos. Mühlebach, hat eine späte<br />

Ehrung erfahren. Seine Grabstätte auf dem Friedhof in<br />

Meersburg, wo seine Urne beigesetzt ist, wurde von der<br />

Stadt Meersburg in Obhut und Pflege genommen. X. Sch.<br />

Die Urkunden betr. Eberhard von Burladingen von 1268<br />

und 1272, die H. Rischert in der letzten Nummer der Hohenz.<br />

Heimat nicht ausmachen konnte, finden sich im „Wirtenbergischen<br />

Urkundenbuch", Band 6 und 7, sowie in Lochers Regesten<br />

der Grafen von Veringen-Nellenburg in „Mitteilungen<br />

des Vereins für Geschichte Hohenzollerns, Band 3." Doch<br />

ist der Genannte in beiden nur als Zeuge aufgeführt. Krs.<br />

Zur Familie der Herren von Burladingen macht mich Dr.<br />

Stettner-Ebingen nochmal auf „Alemannisches Jahrbuch"<br />

1958 aufmerksam S. 174, wo Dr. Jänichen einen Aufsatz<br />

über die Landgerichte in Schwaben bringt. Jän. möchte im<br />

1307, 1309 und 1312 genannten Landrichter einen Sohn des<br />

anderen Gottfried von Burladingen sehen, was wohl richtig<br />

sei, wenn er Vertreter und Nachfolger des Swigger von<br />

Deggenhausen sei.<br />

St. Annakapelie Vilsingen. Das Protokoll des Geistl. Rates<br />

zu Konstanz berichtet unterm 15. Mai 1715: Der Herr Pfarrer<br />

von Gutenstein habe vor, das schon vorher gestandene und<br />

auch processionaliter besuchte Kapelichen St. Annae zu Vilsingen<br />

auf seine eigne Kosten von Grund auf neu zu bauen<br />

und zu erweitern. Der Herr Pfarrer zu Meßkirch aber habe<br />

sich dagegen gesperrt, weil dadurch der Wallfahrt zu Engelswies<br />

praejudiciert werde, weswegen auch schon ein Bauverbot<br />

abgegangen. Der Pfarrer von Gutenstein hat schon<br />

seine Beweggründe schriftlich eingeschickt, daß der Engeiswieser<br />

Wallfahrt kein Schaden geschehe. Darauf versuchte<br />

der Pfarrer von Meßkirch eine juristische Deduktion. Was<br />

weiter geschah, ist nicht ersichtlich. U. W. ist die kleine Kapelle<br />

erst um 1920 abgegangen. (Frbg. Ha 219, 100.) Krs.<br />

„An der Eyachquelle", Heimatbuch von Pfeffingen und Burgi fielen<br />

von Friedr. Wißmann, 558 S. auf bestem Papier mit vieier Glidern,<br />

1959, Verl. der Gemeinde Pfeffingen, gebunden 25 DM. Man<br />

muß staunen, wie die beiden kleinen Gemeinden, die jetzt eine<br />

prot. Pfarrei bilden, ein solch umfangreiches, ja überreiches Werk<br />

sich leisten konnten, das wohl im Tailfinger 1953 von H. Bizer ein<br />

Vorbild gehabt hat. Der Verfasser trug in echter Heimatliebe jahrzehntelang<br />

den Stoff zusammen und behandelt die Ortslagen, Geologie,<br />

Naturereignisse, Pflanzenwelt, Klima, Ort, Gemarkung, Vorgeschichte,<br />

Landnahme, fränkische und staufische Zeit, Schalksb<br />

u T g, Dorf und dörfl. Mensch, Maße, Kirchengeschichte, Schule,<br />

Freipirsch (wobei ihm der Aufsatz im Hohz. JHeft 1940 entging),<br />

Brauchtum, Mundart, Familienkunde, Politisches 19./20. Jahrhundert,<br />

Erinnerungen aus der Jugend, Gegenwart. Gelegentlich hätte man<br />

straffere Gestaltung und Unterabteilung gewünscht. Neben der<br />

Schalksburg mit ihren Schicksalen (108) interessiert vor allem die<br />

berühmte Kirche von Burgfelden. Ob die Töpfe im Malgrund (233)<br />

tatsächlich einen „Aufhängeapparat" der Bilder darstellen und nicht<br />

einfach die durch das Herausziehen der Gerüsthölzer entstandenen<br />

Mauerlöcher füllen sollten? Die Flurnamendeutung (74) wird gelegentlich<br />

Zweifel hervorrufen. Ist „Heim" als Zuchtstier schwäbisch?<br />

Und die Bede als Steuer? Ob tatsächlict Rottweil die Oberaufsicht<br />

der Freipirsch um Burgfelden (118) je hatte? Man bezweifelt auch,<br />

ob die Bewohner tatsächlich 1403 es begrüßten, württembergisch und<br />

1534 protestantisch zu werden! Die Bubenhägele heißen bei uns<br />

Bubennägele! Das morgendliche Gebetläuten heißt in diesen prot.<br />

Gemeinden heute noch (317) „Ofamärga" (= Ave Maria)-Läuten! Ein<br />

Vergleich mit den hohenzoll. Nachbargemeinden ist überaus reizend.<br />

Hatten Steinhofen, Thanheim und Bisingen an der Grenze gemeinsame<br />

Wälder? Eine Notiz über das hübsche neue Wappen von<br />

Burgfelden (schräg links verlaufende Zinnenmauer, über der ein<br />

Falke schwebt), fand ich nicht, wie es überhaupt schwierig ist, sich<br />

rasch zurechtzufinden! Pfeffinger Wappen S. 526. Ebringen im Breiseau<br />

S. 67 (nicht Ebingen), ebenda Inkelteswles = Engelswies. Krs.<br />

Die Klischees zu den Bildern Seite 3 und 7 stellte uns Herr Chri-<br />

stian Maute-Bisingen unentgeltlich zur Verfügung. Herzlichen Dank!


Hohenzollerlsche Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

10Y 3828F<br />

-Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 2 Gammertingen, April <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />

5. Kapitel (Fortsetzung.)<br />

Acht Tage waren seit dem Brand von Klein-Weildorf verflossen.<br />

Auf der Brandstätte hatten sich, vom Vogt zusammengerufen,<br />

die Bewohner Weildorfs versammelt. Es mußte<br />

wieder gebaut werden. Eine Brandversicherung gab es damals<br />

noch nicht, und man war auf die Hilfe des ganzen<br />

Dorfes, sowie auch die der Nachbarschaft angewiesen. Die<br />

Lehnherrschaft stellte nach altem Brauch das nötige Bauholz,<br />

in diesem Falle das Kloster Kirchberg, aus dem Klosterwald.<br />

Auf dem früheren Platz wieder Gebäude zu errichten, war<br />

niemand willens, besonders deshalb, weil an einen Wiederaufbau<br />

der Kirche nicht gedacht werden konnte, nachdem<br />

Gruol sowie die Oberstadt von Haigerloch eigene Pfarreien<br />

hatten.<br />

Auch die Wasserverhältnisse in Klein-Weildorf ließen<br />

schon längst zu wünschen übrig, und so einigte man sich<br />

auf Vorschlag des Vogts dahin, nicht gar weit des alten<br />

Wohnplatzes notdürftig Wohnungen zu erstellen, damit<br />

wenigstens bis zum Herbst alle wieder ein Obdach hatten.<br />

Die Ernte mußte, soweit sonst im Dorfe kein Platz vorhanden,<br />

im Freien gelagert werden. Dreschen konnten die Abgebrannten<br />

den Winter über in den Scheunen der Bauern<br />

von Groß-Weildorf.<br />

Dieser Beschluß, von den früheren Bewohnern Klein-<br />

Weildorfs einstimmig gefaßt, führte zum Bau des heute noch<br />

bestehenden Ortsteiles „Kleinhäusle".<br />

Der Vogt war bereits auf Kirchberg gewesen und hatte<br />

mit der Priorin Anna Juliana Kirscher über die Lieferung<br />

des Holzes verhandelt. Er fand größtes Entgegenkommen.<br />

Im „Altenhau" konnte das Bauholz geschlagen werden,<br />

außerdem ward Befreiung von allen dem Kloster als Lehnsherrschaft<br />

schuldigen Abgaben bis auf weiteres zugesagt.<br />

Auch die Kirchenverwaltung hatte nichts dagegen einzuwenden,<br />

daß die zu den Bauten erforderlichen Steine im<br />

„Holgenwald" gebrochen wurden. Die Bauleitung erhielt<br />

Maurer Kirn.<br />

Die Holzfällerarbeiten begannen, im Walde draußen wurden<br />

bei den Trichtergruben neue Steinbrüche angelegt.<br />

Doch der Menschen, die in Weildorf bis zur kommenden<br />

Ernte ernährt werden sollten, waren es zu viele. Mehr als<br />

vier Monate gings noch, bis der erste Flegeldrusch beginnen<br />

konnte. Dies wußten die Leute wohl, welche bei den<br />

Verwandten ein Unterkommen gefunden. An eine Versorgung<br />

von auswärts war nicht zu denken, und wenn im<br />

Dorfe selber das Brot ausging, mußten alle hungern. Daher<br />

gab es nur eins, um dieses Unheil abzuwenden, man mußte<br />

betteln gehen. Hand in Hand, die Kleinsten, welche kaum<br />

laufen konnten, nachschleppend, zogen die Kinder Weildorfs<br />

hinaus in die benachbarten Dörfer und flehten, ein Vaterunser<br />

betend, um Brot.<br />

Auch die älteren Männer und Frauen, die beim Bauen<br />

nicht mehr helfen konnten, wanderten Tag für Tag nach<br />

Kirchberg, wo eine Klostersuppe stets zu haben war. Ein<br />

hartes Los in alten Tagen, für Leute, die bisher nur das<br />

Geben und nicht das Nehmen gewohnt waren. Doch diese<br />

Not war noch zu tragen gegenüber dem Elend, das in jenen<br />

Zeiten einsetzte, wenn solch ein Brand im Herbst zum Ausbruch<br />

kam, wenn das Getreide noch ungedroschen in den<br />

Scheunen lagerte.<br />

Ende Mai 1566, ein Sonntagmittag. Der blinde Dominikus<br />

verließ, von seiner Schwester Barbara begleitet, den Saal-<br />

Bauern und Bettelleut!<br />

Erzählung von H. E g e r - Weildorf f<br />

hof von Weildorf, wo beide seit dem Brande weilten. Im<br />

ganzen Dorf war bekannt, daß der Blinde heute die Wallfahrt<br />

nach Einsiedeln antreten wollte, in jenen Zeiten immerhin<br />

ein Wagnis. Auch seine Schwester trug ein Bündel<br />

in der Hand, ebenso des Vogts Luzia. Die beiden Mädchen<br />

hatten, um wenigstens das Essen zu verdienen, in Kirchberg<br />

um Arbeit gebeten. Heute zogen auch sie dorthin.<br />

Auf Kirchberg wollte der Blinde übernachten und am andern<br />

Morgen, von der Kräuterannl abgeholt, weiterwandern.<br />

Als treuer Reisebegleiter folgte des Blinden Hund.<br />

Nochmals betraten die Scheidenden die ausgebrannte<br />

Kirche, nochmals den Kirchhof, wo die Mutter schlief und<br />

an ihrer Seite ein frisches Grab, das die aus Schutt und Asche<br />

geborgenen Ueberreste des Vaters barg. Weinend zogen sie<br />

dann über das Trümmerfeld Klein-Weildorf, vom ganzen<br />

Dorf begleitet, dem Walde zu.<br />

Bei der mächtigen Eiche, dem alten Spielplatz der Weildorfer<br />

Jugend, nahm man Abschied. Der blinde Dominikus<br />

lehnte sich, von seinem Freund Gabriel geführt, an den<br />

Stamm des Riesenbaumes, nahm seine Geige zur Hand und,<br />

von seiner herrlichen Stimme begleitet, hallte sein Abschiedslied<br />

im Walde wieder.<br />

Der Blinde sang:<br />

Einst sah ich Blumen blühen, Aehren sprießen,<br />

des Herbstes bunte Pracht, des Winters Eis und Schnee,<br />

Im Wiesengrund das klare Bächlein fließen.<br />

Sah auf der Menschen Antlitz Freud und Weh.<br />

Ich sah der Sonne Glanz, des Mondes Silberschein,<br />

der Sterne Licht am dunklen Himmelszelt;<br />

da brach die Krankheit über mich herein.<br />

In Nacht und Trauer liegt vor mir die Welt.<br />

Jetz zieh ich fort, zu halten ein Versprechen,<br />

das ich in höchster Not und Angst gegeben.<br />

Der Himmel helf, es wäre ein Verbrechen,<br />

war ich nicht dankbar für ein Menschenleben.<br />

Lebt wohl, ihr treuen Schwestern, guten Brüder!<br />

Wir müssen lange voneinander gehen.<br />

Schau ich die Erdenheimat nicht mehr wieder,<br />

Im Jenseits gibts ein ewig Wiedersehen.<br />

Still weinten die Leute vor sich hin, laut aufschreiend<br />

schlang, als das Lied beendet, Luzia ihre Arme um den Hals<br />

des schönen Blinden, der ihr das Leben gerettet und jetzt<br />

fortzog in die ferne Schweiz, der Himmelsmutter Dank zu<br />

sagen.<br />

Doch Dominikus wehrte ab: „Luzia, ich tat es gern, denn<br />

ihr ward immer so lieb und gut zu mir. Laßt uns jetzt weitergehn."<br />

Alle kamen herbei und ergriffen die Hände des<br />

Scheidenden. Auch die Kinder, welche der Blinde so oft mit<br />

seinem Geigenspiel und Gesang erfreut, legten, von der allgemeinen<br />

Trauer erfaßt, schluchzend ihre Händchen in die<br />

Hand des lieben Musikanten.<br />

Nur Gabriel begleitete die drei bis zum Klostertor von<br />

Kirchberg, welches damals noch auf der Ostseite angebracht<br />

war, jetzt aber schon lange zugemauert ist.<br />

Ein letzter, langer Händedruck dem treuen, guten Freund,<br />

und das Tor, vom Schaffner längst geöffnet, schloß sich hinter<br />

ihnen und dem Hunde.<br />

Im Kloster fanden die Weildorfer freundlichste Aufnahme.<br />

Die Ordensfrauen, welche kaum zwei Jahre früher, 39 an der<br />

Zahl, aus ihrer früheren Heimat Pforzheim vertrieben wurden<br />

und am 19. und 25. September 1564 bei Nacht und Nebel<br />

nach Kirchberg kamen, wußten das Leid und Wehe der Gäste<br />

zu würdigen. Auch sie waren einst obdachlos gewesen und<br />

standen, um Einlaß bettelnd, vor Kirchbergs Klosterpforte.


26 HOHZNZOZ.L1SRISCHE UEtHAT T&fargaiig <strong>1960</strong><br />

Am andern Morgen, kaum graute der Tag, stellte sich die<br />

Kräuterannl ein, welche vorher noch ihre Salben und heilsamen<br />

Kräuter in die Klause der Dominikanerinnen in Weildorf<br />

gebracht, wo sie von jedermann im Bedarfsfall geholt<br />

werden konnten.<br />

Bevor die beiden Wallfahrer den Klosterhof verließen,<br />

überreichte die Priorin Anna Juliana Kirscher der Begleiterin<br />

des Blinden noch ein mit dem Prioratssiegel versehenes<br />

Begleitschreiben mit der Weisung, fall sie auf der Reise in<br />

Not geraten zu einem Kloster kommen, sollen sie dies Schriftstück<br />

vorweisen. In dem Pergament waren die Frau, der Blinde<br />

und sein Hund der Barmherzigkeit empfohlen. Das anhängende<br />

Wachssiegel trug die Inschrift: Sigillum prioratus in Kilperge.<br />

Das Siegelfeld zeigte eine gekrönte Madonna mit<br />

dem Kind und eine betende männliche Gestalt. Mit herzlichem<br />

Dank für alles Gute und dem Versprechen, in Einsiedein<br />

des Klosters im Gebete zu gedenken, verließen sie in<br />

der Richtung gegen Zimmern die gastliche Stätte. Luzia und<br />

Barbara gaben noch ein Stück weit das Geleite, dann kehrten<br />

auch sie ms Kloster zur Arbeit zurück.<br />

Einsam zogen die beiden unter Begleitung des Hundes ihre<br />

Wege. Die kräuterannl führte den Blinden an der Hand.<br />

Mitleidige Bücke folgten den zwei, der stolzen Mutter und<br />

dem schonen armen Sohn, wie sie meinten. Als Mutter und<br />

Sohn wurden sie uberall aufgenommen, und wenn Dominikus<br />

spielte und sang:<br />

O, seid nicht hart und habt Erbarmen,<br />

mit einem Blinden, der um Gaben fleht;<br />

der liebe Gott, er will, daß in dem Armen<br />

ihr einen Boten von dem Himmel seht,<br />

dann gab es Brot und anderes, was für des Lebens Unterhalt<br />

von Nöten, wieder auf mehrere Tage.<br />

Nur langsam kamen sie vorwärts, denn die Begleiterin war<br />

vorsichtig und schlug nur solche Wege ein, die sicher waren,<br />

auch wenn sie große Umwege zu machen hatten. Eine leibliche<br />

Mutter konnte kaum liebender für ihr Kind sorgen, als<br />

es die Annl für den Blinden tat.<br />

Für die Wanderschaft tat auch der Geleitsbrief vom<br />

Frauenkloster Kirchberg gute Dienste, besonders für die<br />

nächtliche Herberge. Anfangs Juli war es geworden, als die<br />

Wallfahrer endlich in Einsiedein anlangten. In der Klosterwirtschaft<br />

fanden sie Unterkunft und Verpflegung. Geld besaßen<br />

die Gäste genügend, denn wenn sie betteln mußten,<br />

gab es da und dort als Gabe blanke Münzen.<br />

Da ihre Ankunft am Abend erfolgte, konnten sie erst andern<br />

Tags den Gnadenort besuchen.<br />

Von seiner treuen Beschützerin hingeführt, warf sich der<br />

Blinde in tiefem Dank an den Stufen des Altares nieder zu<br />

stillem Gebet. Auch die Kräuterannl, die von ihren Lebensschicksalen<br />

ganz verbittert, kaum mehr ihre Hände zum Gebete<br />

gefaltet, kniete neben ihrem Schützling nieder.<br />

Der Blinde nahm seine Geige auf und sang sein Lieblingslied<br />

durch die weiten Räume des Gotteshauses. Ave maris<br />

Stella dei mater Alma klang aus den Hallen der Gnadenkirche<br />

wieder.<br />

Besonders flehend wurde sein Gesang bei der Strophe:<br />

„Sünder Heil laß finden, sehend mach die Blinden,<br />

nimm uns unser Wehe, alles Gut erflehe."<br />

Staunend hatte ein Besucher des Gotteshauses dem schönen<br />

Spiel und Gesang zugehört. Als dann nach einiger Zeit<br />

die Kräuterannl mit ihrem Schützling an der Hand die<br />

Kirche verließ, stand der Fremde am Portal, hielt die beiden<br />

an und fragte: „Mutter, was fehlt eurem Sohn, dessen wunderbarem<br />

Lied ich eben gelauscht?"<br />

„Herr, er ist blind", gab die Annl Auskunft.<br />

„Von Geburt oder erst später erblindet?", war die weitere<br />

Frage des vornehmen Mannes, und dabei schaute er Dominikus<br />

prüfend in die Augen. Dieser antwortete selber: „Vor<br />

fünf Jahren bin ich durch Krankheit blind geworden."<br />

„Kannst du gar nichts mehr sehen?"<br />

„Nur noch einen ganz leichten Schein."<br />

„Woher kommt ihr und warum seid ihr hier?" fragte der<br />

Fremde weiter.<br />

Die Gestalt der Kräuterannl reckte sich. Der Ausfrager<br />

wurde ihr lästig, und in ihre dunklen Augen trat jenes Feuer,<br />

das die Banditen in Schach gehalten. Doch der Mann, welcher<br />

ihr gegenüberstand, hielt den Blick aus und sagte: „Ich<br />

mein es nur gut mit euch beiden, ihr könnt mir ruhig vertrauen."<br />

Dominikus erzählte, daß sie vom fernen Schwabenland<br />

kommen und er hier ein Versprechen zu erfüllen habe, das<br />

er in höchster Drangsal gegeben.<br />

„Habt ihr keine Hoffnung mit dieser Wallfahrt verknüpft,<br />

daß die Mutter Gottes von Einsiedeln auch in eurer Not<br />

helfe, denn es schien mir vorhin, als ich das fromme Lied<br />

hörte, in dem es heißt,, „sehend mach die Blinden", daß ihr<br />

der Himmelsmutter auch euer Leid klagen wollt und Heilung<br />

von der Blindheit hofft?"<br />

„Ja, dies schon, wenns Gottes Wille wäre", sagte bescheiden<br />

Dominikus.<br />

„Dann mein ich doch, die Muttergottes von Einsiedeln hat<br />

uns zusammengeführt", sagte hierauf der Fremde. —<br />

Der, welcher sich um die beiden armen Leute, die schöne<br />

stolze Mutter und ihren blondlockigen Sohn, wie er meinte,<br />

vor dem Kirchtor des Gotteshauses von Einsiedeln bekümmerte,<br />

war auf dem Gebiet der ärztlichen Wissenschaft wohl<br />

der Größte seiner Zeit, Felix Platter, der Anatom von Basel.<br />

„Wenn euch die Reise nicht zu beschwerlich, wandert zu<br />

mir nach Basel, vielleicht kann ich noch helfen", setzte der<br />

Arzt sein Gespräch fort: „Kommt ihr dort hin, so fragt nach<br />

der Hochschule und dem Meister."<br />

„Herr, wir sind arm und können nichts bezahlen. Das<br />

Zehrgeld hierher verdiente Dominikus mit dem Geigenspiel"<br />

sagte Annl."<br />

„Dies braucht euch nicht zu kümmern, von armen Leuten<br />

nehm ich nichts, ich habe noch andere Kunden, und damit<br />

ihr mir nicht mißtraut, will ich euch ein paar nennen, die<br />

Herzöge von Lothringen und Sachsen, die Markgrafen von<br />

Baden und Brandenbarg and aus euerem schönen Schwabenland<br />

die Herzöge von Württemberg."<br />

Die Kräuterannl, deren letzte Bedenken jetzt zerstreut<br />

waren, sagte zu, sie wollten nach 8 Tagen, von Einsiedeln<br />

aus, den Weg nach Basel antreten.<br />

„Bis dahin bin auch ich wieder zu Hause", sprach Dr. Platter<br />

und verabschiedete sich mit den besten Wünschen für die<br />

Reise.<br />

Die beiden Wallfahrer kehrten nochmals ins Gotteshaus<br />

zurück. Ein neuer Hoffnungsstern war ihnen durch das Gespräch<br />

mit dem freundlichen Mann aufgegangen, und hiefür<br />

mußten sie der Himmelsmutter danken. —<br />

Durch das Geigenspiel und den Gesang des schönen jungen<br />

Mannes aufmerksam geworden, erkundigte sich auch der damalige<br />

Abt von Einsiedeln, Joachim Eichhorn, nach den Verhältnissen<br />

der Wallfahrer und vernahm hocherfreut, daß sie<br />

vom Land der Herren von Zollern kommen, deren Sproß St.<br />

Meinrad gewesen.<br />

Als sie erzählten, ihr Weg führe von da nach Basel zum<br />

Meister der dortigen Hochschule, empfahl der Abt dringend,<br />

dorthin zu gehen. Dem Geleitbrief des Klosters Kirchberg<br />

fügte er ein Schreiben bei ans Kloster Muri, das an ihrem<br />

Weg nach Basel lag. Vom Kloster reich mit Lebensmitteln<br />

versorgt, verließen die Wallfahrer acht Tage später die<br />

Stätte, wo sie soviel Liebe und Trost gefunden.<br />

Hand in Hand wanderten die beiden über schlechte Wege<br />

und dunkle Wälder langsam fort der Stadt Zug entgegen.<br />

Noch waren sie kaum 4 Stunden unterwegs, als sie auf<br />

engem Gebirgsweg von einem Mann angehalten wurden, der<br />

um ein Stück Brot bat. „Wir haben selber noch eine weite<br />

Reise vor und sind arm, doch etwas kann ich geben. Damit<br />

nahm Annl den Sack, der ihre Vorräte enthielt, von der<br />

Schulter, um ihn zu öffnen. Schnell griff der Bettler zu und<br />

entriß ihr den Sack, um damit im Walde zu verschwinden.<br />

Mit einem Satz sprang ihm jedoch 1er Wolfshund des Blinden<br />

nach, den der Dieb vorher nicht beachtet, und riß den<br />

Fliehenden nieder. Der Hund hätte ihm die Kehle durch- *<br />

bissen, wenn die Kräuterannl nicht schnell hinzugeeilt wäre.<br />

Heulend lief er, von dem Hund befreit, davon, so daß Annl<br />

den Sack wieder aufnehmen und mit dem Blinden an der<br />

Hand, der kaum ahnte was geschehen, weiterwandern konnte.<br />

Nach drei Tagen erreichten sie das Kloster Muri. Dem<br />

Schaffner an der Klosterpforte zeigte die Annl den Geleitbrief<br />

des Abts von Einsiedeln, und der damalige Abt von<br />

Muri, Hieronymus Frei, verfügte die unentgeltliche Verpflegung<br />

der Gäste vom Schwabenland in der Klosterherberge.<br />

Sie alle hatten damals noch keine Ahnung davon, daß kaum<br />

anderthalb Jahrhunderte später der Fürstabt von Muri, Besitzer<br />

der Herrschaft Glatt, nicht fern der Heimat der Gäste,<br />

werden sollte.<br />

Zwei Tage verbrachten die Wanderer in der Herberge,<br />

denn Dominikus hatte das unsichere Gehen auf den schlechten<br />

Wegen sehr ermüdet, dann zogen sie wieder weiter<br />

Aarau zu. Es dauerte aber immerhin noch zehn Tage, bis die<br />

Stadt Basel erreicht war.<br />

Bald wußte die kluge, unerschrockene Führerin des Blinden<br />

Bescheid, und in der Hochschule anj, kommen, wurden<br />

sie von Dr. Platter aufs herzlichste begrüßt.<br />

In den Gebäuden der Schule schaffte der Meister Unterkunft<br />

für beide.<br />

Gleich andern Tages nahm der berühmteste Arzt seiner<br />

Zeit die Behandlung bei dem blinden Dominikus auf.<br />

(Fortsetzung folgt.)


Jahrgang <strong>1960</strong> HÖHENZOLL ERISCHE HEIMAT 27<br />

Die Passion des Herrn in den Kunstwerken des Bezirks Haigerloch<br />

Haigerloch. Unschätzbar ist die kulturelle und<br />

religiöse Bedeutung vieler alter Wallfahrtsorte<br />

und Kunstdenkmäler unserer hohenzollerischen<br />

Heimat. Wenn sie auch nie ein Kulturzentrum<br />

mit weit ausstrahlender Wirkung war, so besitzt<br />

sie doch Kunstwerke aus fast allen Bauepochen<br />

der Geschichte. Unsere engere Heimat ist von<br />

diesen alten Zeugen einer glaubensgroßen Vergangenheit<br />

besonders gesegnet, und die Kunstwerke<br />

im Raum Haigerloch sind vor allem von<br />

den reifen Formen der Gotik und des Barock bestimmt.<br />

Die gegenwärtige stille Zeit möge uns<br />

Anlaß geben für einen Rundblick zu diesen<br />

Kunststätten, die das Volk seit Jahrhunderten<br />

schätzt und verehrt und die es wert sind, auch in<br />

unserer Zeit wieder mehr in den Gesichtskreis<br />

gerückt zu werden.<br />

Dies scheint umso notwendiger, weil wir in unserer so<br />

ruhelos bewegten Welt und vor lauter Augenblicksinteressen<br />

vielfach achtlos und ohne Ehrfurcht an ihnen vorübergehen,<br />

uns dieser Werte nicht immer bewußt sind und die jahrhundert<br />

alte segensreiche Verbindung zu ihnen immer mehr<br />

lösen. Dabei wissen wir aus alten Funden und Schriften,<br />

welche Bedeutung schon vor Jahrhunderten der Karwoche<br />

im Ablauf des Jahres auch außerhalb der kirchlichen Gottesdienste<br />

zugemessen wurde. Die Leidensgeschichte des Welterlösers<br />

hat in ihrem ganzen Ablauf vom letzten Abendmahl<br />

bis zum Kreuzestod und der Grablegung das Schaffen<br />

und Wirken der Künstler aller Bauepochen inszeniert, und<br />

die Erinnerung an das Heilsgeschehen fand in vielen Bräuchen,<br />

Bildern, Plastiken und anderen Formen seinen Niederschlag.<br />

Hierbei haben es vor allem die Künstler der Gotik zu großer<br />

Meisterschaft gebracht. Das Wirken der Bettelorden und<br />

die glühende Gottessuche der Mystiker bereiteten damals den<br />

Boden zu einer realistischen Kunst. Aus ihren Predigten und<br />

Legendensammlungen entstanden neue Bildinhalte. Die gotische<br />

Plastik stellt den Gekreuzigten in aller Furchtbarkeit<br />

des Martertodes dar. Auf dem Antlitz Christi liegen Pein<br />

und Not. Die Gotik will den Menschen am Leiden teilnehmen<br />

lassen und die Größe des Erlösungswerkes in seinem ganzen<br />

Ausmaß darstellen. In dieses Stilempfinden gehört auch die<br />

gotische Pietä. Sie ist eine Komposition gramerfüllter Klage<br />

und Trauer. Die Künstler warer. fähig, starke Gefühlskraft<br />

in ihre Werke zu legen. Sie wurde vom Volke erwidert, das<br />

Mater Dolorosa - Schloßkirche Haigerloch Foto Weber<br />

von Jo?ef Schneider<br />

Triumpfkreuz in der Schloßkirche Haigerloch<br />

Foto Marburg<br />

diese Bildwerke aufnahm und verehrte. Daher auch die Vielzahl<br />

dieser Bilder auf Grab- und Kriegerdenkmälern und<br />

Bildstöcken.<br />

In unserer Heimat nehmen eine ganze Anzahl bedeutender<br />

gotischer Kunstwerke auf die Leidensgeschichte Bezug. In Haiderloch,<br />

dem kunstreichen Mittelpunkt Hohenzollerns, ist eine<br />

Reihe ergreifender Bildwerke, die seit Jahrhunderten vom<br />

gläubigen Volk verehrt werden und durch die glücklich durchgeführten<br />

Renovationsarbeiten wieder zu neuen Ehren kamen.<br />

Hoch über dem Chorgitter der Schloßkirche mit seiner ornamentalen<br />

Klarheit schwebt das monumentale Triumpfkreuz,<br />

gleichsam den Sieg des Kreuzes über Nacht und<br />

Tod verkündend. Dieses Kreuz stammt aus dem 15. Jahrhundert.<br />

Zu seinen Füßen steht das ergreifende Bildnis der<br />

Mater Dolorosa, die 1755 von dem begabten Haigerlocher<br />

Bildhauer Weckenmann geschaffen wurde Dieses Bildnis<br />

mit seiner eindringlichen Aussage und Empfindsamkeit<br />

ist die einzige Darstellung dieser Art der schmerzhaften<br />

Mutter Gottes im Bezirk Haigerloch. Nur liebevolle Versenkung<br />

in die Seelengröße Mariens konnte die Idee eines<br />

solchen Bildes schaffen, nur höchstgesteigerte Anteilnahme<br />

an ihrem Leid die Künstlerhand führen. Jahr für Jahr bildet<br />

dieses Bildnis den Mittelpunkt der großen Wallfahrt am<br />

Schmerzensfreitag. Von bedeutendem Kunstwert ist auch die<br />

aus dem 15. Jahrhundert stammende Pietä in der Unterstadtkirche,<br />

welche nach der Renovation auf dem linken<br />

Seitenaltar einen neuen Ehrenplatz erhielt. Andachtsstimmend<br />

und zur beschaulichen Betrachtung ist auch der neue<br />

Kreuzweg, welcher im vergangenen Jahre beschafft wurde.<br />

Fast wird man auch hier erinnert an das Wort Paul Wilhelm<br />

Kepplers, das dieser einmal für Weggental prägte:<br />

„Der besondere Seelenmagnet dieser Wallfahrtsstätte ist das<br />

Leid der Schmerzensmutter; Leid weckt Leid, Leid lockt Leid<br />

und Leid ruft dem Leid ..." Dies trifft für Haigerlochs Wallfahrtsstätten<br />

in vollem Umfange zu. Ein Blick gilt hier auch<br />

der Kreuzigungsgruppe an der St. Annakirche. Bevor man<br />

Haigerloch verläßt, wird man es auch nicht versäumen, der


28 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />

Der kreuztragende Christus - Weilerklrche Owingen<br />

Foto Weber<br />

Rekonstruktion des Leonardo-Abendmahls in der evangelischen<br />

Kirche zu besuchen. Derjn mit dem Abendmahl begann<br />

die Passion, und sie erhielt ihre Fortsetzung im Garten<br />

Gethsemanl. Diese Darstellung finden wir über dem Baigei-locher.<br />

Kriegerdenkmal an der Schloßkirche, und wir finden<br />

sie noch ergreifender am Hochaltar der Friedhofskapelle in<br />

Gruol, einem der ältesten Kunstdenkmäler Hohenzollerns.<br />

Man hat beim Betreten dieses trauten Kirchleins den Eindruck,<br />

als schließe sich hier der Kreis des ganzen Leidens,<br />

denn von den hauptsächlicnsten Stationen des Leidens finden<br />

sich hier Darstellungen. Es ist dies neben dem aus dem<br />

Kloster Binsdorf stammenden Oelberg eine Darstellung des<br />

Gegeißelten aus der nachgotischen Zeit, aus dei' Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts, auf dem Seitenaltar eine weitere solche Darstellung<br />

und naturgetreue Nachbildung aus der Wieskirche,<br />

das Kreuz mit Maria und Johannes über dem Chorbogen<br />

aus der Zeit der Hochgotik Mitte des 15. Jahrhunderts und<br />

schließlich der ergreifende Mittelpunkt des Kirchleins, die<br />

aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammende Pietä. Dieses<br />

Bildnis, ein echtes Kind der Gotik, war im späten Mittelalter<br />

Ziel einer großen Volkswallfahrt, welche ihre Kreise<br />

bis ins Neckargebiet zog. Die Darstellung ist so innig und<br />

klageeerfüllt, daß man sich das Vertrauen der Bevölkerung<br />

zu diesem Gnadenbild leicht erklären kann, Das Vesperbild<br />

stammt sicher noch aus der Entstehungszeit des Kirchleins,<br />

einer Stiftung der Grafen von Hohenberg und im Erbauer<br />

der Haigerlocher Schloßkirche Graf Christoph und seiner<br />

frommen Gemahlin Katharina von Welsperg und Primo<br />

warmherzige Förderer hatte. Bildhauer Klink, der Vater des<br />

verstorbenen Pilgrim-P.farrers renovierte das Bild vor einigen<br />

Jahrzehnten, und seitdem steht es immer noch im Mittelpunkt<br />

der Verehrung,<br />

Hören wir, was der Melchinger Ortspfarrer Waldenspul<br />

über die Kirchberger Pietä, welche heute noch in der<br />

Klosterkirche zu sehen ist, sagt: „Es ist, als ob der Meister<br />

dieses Werkes, die Muttergottes im Augenblicke ihres größten<br />

Heldenkampfes im Palmenstande ihrer seelischen .Kräfteentfaltung<br />

geschaut, in ihrer mütterlichen Hingabe an den<br />

Sohn geistige Labung gefunden und in ihrem Starkmut<br />

selbst Seelenstärke gefunden hätte .. " Von dem Bildnis, das<br />

bezüglich seines seelischen Gehalts seinesgleichen sucht, berichten<br />

Zeitgenossen, daß man es mehrmals weinen sah, wie<br />

das andere Bild, das über Wurmlingen nach Rottenburg kam<br />

und dort heute noch zu sehen ist, Das Bildnis, das durch den<br />

herabhängenden Arm viel Aehnlichkeit mit dem Haigerlocher<br />

Vesperbild hat, stammt aus dem 15. Jahrhundert und gehört<br />

dem Oberrheinischen Kunstkreis an.<br />

In Gruol finden wir in der Nähe des Pfarrhofes eine<br />

Barock-Kreuzigungsgruppe, welche von der Familie Münzer<br />

gestiftet wurde, und auch in, der Heiligkreuzkapelle ist noch<br />

ein wertvolles altes Kreuz, das mehrere Jahrhunderte alt<br />

ist, vorhanden.<br />

Ein Höhepunkt: »Mc O w i n g e r W c i I e r k i r c h e<br />

Wer Kunstwerke sucht, wer sich durch sie in das Leiden<br />

Christi versenken will, darf es nie versäumen, die Weilerkirche<br />

in Owingen, dem letzten Resl der abgegangenen Siedlung<br />

Oberowingcn, zu besuchen. Sinnend steht man vor dem<br />

romanischen Portal, rechts davon das alte, bemooste Steinkreuz,<br />

vermutlich eine Weckenmann'sche Arbeit. Wer durch<br />

das Gitter das Langhaus betritt, dessen Blick wird unwillkürlich<br />

an der alten gotischen Holzplastik des kreuztragenden<br />

Christus haften, ein Bild, das die Grausamkeit<br />

und das Menschliche des Leidens öffnet und einen Kunstgriff<br />

bester Form darstellt. Zu Tausenden ist das Bild auch<br />

auf Trauerbildchen und Gebetsandenken verbreitet. Ortspfarrer<br />

Riegger, der sich das Kirchlein sehr angelegen sein<br />

läßt, hat dieser Plastik, die vorher in der Pfarrkirche war,<br />

bei der Renovation wieder einen Ehrenplatz gegeben. Zur<br />

anderen Seite steht in unmittelbarer Beziehung zum Kreuzweg<br />

auch die B e w e i n u n g sg r ü p p e mit einer ebenfalls<br />

erschütternden Aussage, Wie der Kreuztragende stammt<br />

diese Gruppe ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert. Johannes,<br />

umgeben von vier Frauen, hilft clie zusammenbrechende Gottesmutter<br />

stützen.<br />

Durch den Chorbügen, der den schlichten, mit einer Hokdecke<br />

versehenen Innenraum beherrscht, geht der Blick zum<br />

Hochaltar mit dem spätgotischen Kreuz als dem<br />

Höhepunkt, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das gedämpfte<br />

Licht des Langhauses gleitet hier in aufdringliche<br />

Helle über und läßt diese Gruppe überaus gut und ansprechend<br />

zur Wirkung kommen. Während man sich anschickt,<br />

diese alte Glaubensstätte, von welcher der derzeitige<br />

Pfarrer von Owingen so schön sagt, daß sich hier das wertvolle<br />

Alte pietätvoll mit dem Neuen verbindet, gleitet unser Blick<br />

noch zum alten Vesperbild, das ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert<br />

stammt und lange Jahre seitlich des Kreuzes angebracht<br />

war. Im Zuge der Renovation erhielt es Aufstellung<br />

am Hochaltar. Diese Renovation, welche Fehler der Vergangenheit<br />

korrigierte, hat die Weilerkirche zu einer beschaulichen<br />

Andachtsstätte gemacht.<br />

Nicht erschöpft sind die Darstellungen der Leidensgeschichte,<br />

wenn wir über den Rahmen dieser Betrachtung<br />

hinausgreifen und auch den alten Volksandachtsstätten, vor<br />

allem den Kreuzwegstationen, einen Ehrenplatz einräumen.<br />

Wir denken hier an Loretto und an Höfendorf, und ein Akt<br />

dankbarer Pietät ist es auch, des Kunstmalers Pfister aus<br />

Gruol zu gedenken, dessen Pietä von der Gesellschaft für<br />

christliche Kunst erworben wurde. Auch er hat einen Kreuzweg<br />

gemalt. Mögen alle diese Werke uns zu mehr Ehrfurcht<br />

vor den großen Meistern und unserer glaubensgroßen Vergangenheit<br />

zwingen, unser Sinnen und Trachten, das doch so<br />

sehr säkularisiert ist, immer 'wieder an die Existenz einer<br />

höheren Wirklichkeit erinnern. Mögen sie dem Leidtragenden<br />

und Niedergebeugten sagen: „Im Kreuz ist Heil, und<br />

alles Leid endet im Jubel und Triümpf des Auferstehungsmorgens."<br />

So gesehen, haben diese Werte neben ihrer kulturellen<br />

Bedeutung vor allem ihren tiefen religiösen Sinn.<br />

Beweinungsgruppe - Weilerklrche Owingen<br />

Foto Jos. Schneifler.


iTqhrgang i960 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 29<br />

Eröffnung der Killertalbahn am 17. März 1901<br />

Am Sonntag, den 17. März 1901 fuhren etwa 120 geladene<br />

Gäste in sechs mit Fähnchen und Gewinden gezierten Wagen<br />

unter Vorspann von zwei Lokomotiven von dem festlich geschmückten<br />

„Kleinbahnhof" in Hechingen ab. Die Fahrt war<br />

von herrlichstem Frühlingswetter begünstigt. In Schlatt<br />

wurde der Zug von der Bevölkerung und der Schuljugend<br />

freudig begrüßt. Vogt Schuler (so hieß bis 1901 im altzollerischen<br />

der heutige Bürgermeister!) hielt im Namen<br />

der Gemeinde eine begeisterte Ansprache, die in ein<br />

Hoch auf den Kaiser ausklang. Der Regierungspräsident<br />

erwiderte in freundlichen Worten und brachte ein<br />

Hoch auf die Gemeinde Schlatt aus. In zwei Kurven bewegte<br />

sich nun der Zug weiter über die Weilerwiesen und an der<br />

„Uneck-Halde" vorüber nach Jungingen. Bei der Einfahrt<br />

in den Bahnhof wurde er von einer kleinen Wachtparade<br />

empfangen. Vogt Kohler sprach den Dank der Gemeinde<br />

für den Bahnbau aus und ließ den Vertreter der<br />

Kgl. Regierung und die Insassen des Zuges hochleben. Der<br />

Regierungspräsident feierte die Gemeinde Jungingen als diejenige<br />

Gemeinde des Killertals, die von jeher am meisten<br />

Industrie und Handel gepflegt habe und daher auch von<br />

dem neugeschaffenen Verkehrsweg die meiste Förderung zu<br />

erwarten habe. Der bekannte Volksredner, Metzger Heiß,<br />

sprach noch seine Freude darüber aus, daß nun all der Streit<br />

und Hader, all die Unannehmlichkeiten, die der Bahnbau<br />

verursachte, ein Ende erreicht habe. Am Bahnhof in Killer<br />

überraschte ein besonders schöner Empfang. Der Militärverein<br />

war in Reih' und Glied aufgestellt. Auch der Gesangverein<br />

hatte es sich nicht nehmen lassen, an dem Feste teilzunehmen.<br />

Die Bahnhofsanlage war reich geschmückt mit<br />

Tannenbäumen, und auf dem Giebel des Gebäudes thronte<br />

das Bild des Kaisers. Vogt Simmendinger begrüßte in wohlgesetzter<br />

Rede und dankte der Kgl. Regierung, der Kommunalverwaltung,<br />

dem Kgl. Oberamtmann, Stadtschultheiß<br />

Mayer (Hechingen) und allen denen, die den Bau der Bahn<br />

gefördert haben. Auch der Gemeinde Killer widmete der Regierungspräsident<br />

freundliche Worte und hob hervor, daß<br />

der Ort dem ganzen gewerbereichen Tal seinen Namen gegeben<br />

habe. Nur 1 km weiter liegt der Bahnhof Hausen-<br />

Starzeln, jetzt mit Zufahrtsweg. Der Regierungspräsident<br />

unterhielt sich hier mit Vogt Flad von Hausen und diensältesten<br />

Vogt des Oberamtsbezirks (Hechingen), Diebold. Mit<br />

einer Steigung 1 :36 fährt die Bahn an der Wasserscheide<br />

vorbei durch die „Schlichte" nach Burladingen. Die Zahl<br />

der Insassen des Zuges hat sich bisher auf jeder Station um<br />

die Gemeindevorstände der an der Bahn liegenden Orte<br />

(auch Ringingen) vermehrt. Alle bewillkommnete die am<br />

Bahnhof Burladingen versammelte große Menschenmenge<br />

mit lautem Hurrarufen(!) Alles schien hier schon im<br />

richtigen Betrieb zu sein. Der Stationsvorsteher hatte seine<br />

neue schmucke Uniform angezogen. Vogt Mauz sprach auf<br />

den Regierungspräsidenten, und dieser dankte, indem er der<br />

Hoffnung Ausdruck gab, daß die Bahn hier nicht dauernd<br />

ihren Endpunkt haben werde, mit einem Hoch auf die Gemeinde.<br />

Auf der ganzen Fahrt krachten die Böllerschüsse.<br />

Die Musikkapelle spielte auf der Fahrt und an jeder Station<br />

heitere und vaterländische Weisen. Nach kurzem Aufenthalt<br />

wurde die Rückfahrt angetreten. In Hechingen begann<br />

um 3 Uhr im Gasthaus zum Löwen das Festessen, das in<br />

recht zufriedenstellender Weise für 141 Personen hergerichtet<br />

war. Die lange Reihe der Trinksprüche eröffnete Regierungspräsident<br />

Graf von Brühl mit einem Hoch auf den Kaiser.<br />

Außerdem sprachen Landgerichspräsident Reck auf den Fürsten<br />

Leopold von Hohenzollern. Landesbaurat Leibbrand<br />

übermittelte das Bedauern des Fürsten, der Einladung wegen<br />

Unwohlseins der Fürstin nicht Folge leisten zu können. Der<br />

Vorsitzende der Kommunalverwaltung, Hofkammerrat Hülsemann<br />

rühmte die Fürsorge Preußens, das die Hälfte der<br />

Aktien für die Hohenzollerische Kleinbahn übernommen habe;<br />

dies sei nicht zuletzt dem Regierungspräsidenten zu verdanken.<br />

Landesbaurat Leibbrand sprach auf die Mitarbeiter, auf<br />

Oberamtman Longard und die Bauleiter: Betriebsinspektor<br />

Köbke, Teissen und Hirschfeld. Erster Staatsanwalt Wuthenow<br />

brachte ein Hoch auf die Damen aus, Fabrikant Jakob Levy<br />

auf Handel, Industrie und Landwirtschaft, Stadtschultheiß<br />

Mayer dankte namentlich dem Baurat Leibbrand, und dieser<br />

der württembergischen Regierung.<br />

Ungefähr gleichzeitig mit dem Abschluß der Feierlichkeiten<br />

fuhr zum letzten Male der trauerumflorte Postwagen,<br />

nachdem er und alles, was zu ihm gehört, vorab<br />

Paul, der letzte Killertalpostillion, durch ein photographisches<br />

Bild festgehalten worden war, von hier (Hechingen) ins<br />

Killertal. Fast niemand begleitete sie, die bis heute so treue<br />

Dienste geleistet, auf ihrem traurigen Wege. Schon führte<br />

ein Sonderzug der Killertalbahn einen Teil der Gäste, unter<br />

denen auch solche aus Gammertingen und Ringingen waren,<br />

nach Hause (d. h. höchstens bis Burladingen). (Albv,-Blätter<br />

1901, 322 und Hohenz. Blätter, Hechingen).<br />

Zur Abschaffung des Namens Vogt im Hechingischen<br />

schreiben die Albvereinsblätter ebenda aus Schillers W. Teil:<br />

„Mach Deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, Fort mußt<br />

Du, Deine Uhr ist abgelaufen!" Kr.<br />

Von Wanderern und Naturfreunden vielbesucht ist der Kornbühl bei<br />

Salmendingen, ein markanter Punkt der Hohenzollernalb. Von seiner<br />

Höhe, die mit der altehrwürdigen Kapelle und drei Kreuzen gekrönt<br />

ist, erschließt sich ein wundervoller Blick über die Umgebung.<br />

Bärenhöhle, Lichtenstein, Burg Hohenzollern und andere beliebte<br />

Ziele sind von hier aus leicht zu erreichen. Foto J. Schneider.<br />

Auf dem Kornbühl Foto Jos. Schneider


30 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Ti^b Das Dorf Laiz vor 150 Jahren<br />

Wer heute durch das Dorf und die Gemeinde Laiz geht,<br />

der gewinnt den Eindruck, in einem wirtschaftlich und kulturell<br />

aufgeschlossenen Wohnbezirk zu sein. Zur Zeit des<br />

Schichtwechsels strömt die Arbeiterschaft von und zu ihren<br />

Arbeitsstätten. Auch eine bäuerliche Bevölkerung geht noch<br />

landwirtschaftlichen Arbeiten nach. Teils zu Fuß, zu Rad<br />

oder motorisiert, sieht man die Menschen ihren Arbeitsstätten<br />

zueilen. Das Pferdefuhrwerk, das früher die Straßen<br />

und Feldwege beherrschte, ist zur Seltenheit geworden; statt<br />

dessen erfüllen Traktoren und Zug- und Lastwagen mit<br />

ihrem Geknatter die Stille des Dorfes. Frühere schmale,<br />

nicht kanalisierte Dorfwege mußten breiteren, asphaltierten<br />

Straßen weichen. Das abendliche Dorfidyll mit seinen Dämmerstunden<br />

auf den Hausbänkchen und den plaudernden<br />

Menschen, die sich gegenseitig ihre Tageserlebnisse austauschten,<br />

ist verschwunden; statt dessen leuchten frühzeitig<br />

helle Neonlampen in alle Gassen und stören selbst die Schäferstündchen<br />

der Liebenden. Die Neuzeit hat den höheren<br />

Ansprüchen und dem heutigen Lebensstandard der Menschen<br />

in der Geschäftswelt durch großzügige Ausgestaltung der<br />

Geschäftsräume und der Arbeitsstätten Rechnung getragen.<br />

Das frühere Dorf Laiz hat seinen Charakter als reines<br />

Bauerndorf verloren und das Aussehen eines geschäftigen<br />

Industrieortes erhalten. Es ist daher nicht uninteressant zu<br />

lesen, auf welchen Grundlagen das Dorf Laiz vor ca. 150<br />

Jahren fußte und wie damals seine Lebensbedingungen<br />

waren.<br />

Ein Auszug aus der Haupttabelle über die Bevölkerung,<br />

die Geburten und Todesfälle, die Schulkinder, die<br />

Gebäude, die landwirtschaftlichen Haustiere und Güter, sowie<br />

den Waldbestand des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen<br />

für die Jahre 1806 und 1812 gibt uns einigen Aufschluß<br />

über das Dorf Laiz. Den Zahlen aus der vorgenannten<br />

'Haupttabelle sind noch einige Angaben aus den<br />

Jahren 1930, 1939 und 1959 bzw. <strong>1960</strong> beigefügt und sollen<br />

dem Vergleiche dienen.<br />

Tabellarische Uebersichten:<br />

Bevölkerungsstand: 1806 1812 1930 1939 1959 bzw. <strong>1960</strong><br />

Gesamt-Seelenzahl: 278 362 745 780 1585<br />

Zahl der Geburten: 13 18 4 22 30<br />

Zahl der Todesfälle: 10 8 5 11 10<br />

Zahl der Schulkinder : 40 41 102 134 154<br />

Bemerk.: Geburt, prozentual<br />

z. Einwohnersch. : 4,7 % 5% 0,53 % 2,8 % 1.3 »/o<br />

1806 gab es in der Gemeinde Laiz 19 Handwerksmeister und 3 Gesellen.<br />

Unter der Einwohnerzahl vom 1. 1. <strong>1960</strong> befinden sich 112<br />

Soldaten. Von den Schulkindern des Jahres 1812 wurden 7 Knaben<br />

geimpft. Damals war das Impfen noch freiwillig. Mädchen wurden<br />

nicht geimpft, da es noch kein Impfgesetz gab.<br />

Uebersicht über die Gebäude<br />

Wohngeb. Kirchen Pfarrhäuser Sonstige Insges.<br />

1806 51 1 1 8 61<br />

1806 57 1 1 10 69<br />

1.1.<strong>1960</strong> 320 1<br />

Viehbestand<br />

26 348<br />

Pferde<br />

1806 1812<br />

1959 bzw. <strong>1960</strong><br />

Hengste «<br />

Stuten 4;<br />

Wallachen 24<br />

Fohlen 14<br />

Gesamtzahl 83<br />

Rindvieh:<br />

Wucherrind. (Farren) 2<br />

Ochsen 35<br />

Kühe 95<br />

junge Zugtiere<br />

sog. Kalbinnen 29<br />

Jungvieh<br />

von 3 Mt. b 1. Jahr —<br />

Kälber 47<br />

Gesamtzahl 208<br />

Schafe (Pachtschafe:<br />

Hammel<br />

Mutterschafe<br />

Lämmer<br />

Gesamtzahl<br />

Ziegen:<br />

Schweine:<br />

Eber<br />

Mutterschweine<br />

Mastschweine<br />

Ferkel<br />

Mastschweine<br />

Gesamtzahl<br />

3<br />

75<br />

75<br />

153<br />

keine<br />

1<br />

3<br />

20<br />

24<br />

5<br />

57<br />

25<br />

17<br />

104<br />

3<br />

70<br />

129<br />

48<br />

286<br />

veredelte 10<br />

gemeine 14<br />

24<br />

keine<br />

2<br />

2<br />

21<br />

48 35<br />

nur noch 8 Pferde<br />

4<br />

202<br />

32<br />

122<br />

64<br />

nur noch 11<br />

11<br />

1<br />

24<br />

72 = schlachtreife<br />

48<br />

231 = von 8 Wochen<br />

bis 1/2 Jahr alt<br />

376<br />

Der Felderbestand<br />

Zahl der Jauchert 1806 1812<br />

Insgesamt Ackerland 429 J. 429 J.<br />

davon im Winteresch: 122 122<br />

angebaut mit Vesen 100<br />

angebaut mit Roggen 22<br />

davon im Sommeresch: 136 136<br />

angebaut mit Gerste 50<br />

angebaut mit Haber 70<br />

angebaut mit Erbsen 16<br />

Oede —<br />

das Brachfeld: Gesamtzahl 115 115<br />

hiervc.i angebaut:<br />

mit Klee<br />

mit Kartoffeln<br />

mit. Rüben<br />

mit Hanf<br />

mit Flachs<br />

öde liegend<br />

20<br />

2<br />

1<br />

1/2<br />

2<br />

89i/2<br />

251/2<br />

891/2<br />

Stockfelder, heute Stockteile 56 56<br />

darunter angepflanzt 18 49<br />

bloß ausgereutet 31 —<br />

öde liegend 7 7<br />

Wi e s e n : Gesamt:<br />

Mannsmahden 128 128<br />

davon einmähdige Wiesen 65 65<br />

davon zweimähcMge Wiesen 63 63<br />

Der Waldbestand<br />

Der Wald 1806 1812<br />

Zahl der J. mit L a u b h 0 1 z 957 957<br />

schlagbarer Wald 97<br />

geöffnet aber nicht schlagbar 114<br />

in den Bau gelegt 180<br />

öde liegend 566<br />

Zahl der Klafter an Brennholz,<br />

die jährlich abgegeben werden = 388 Klafter.<br />

Nadelholz: insges. 79 J.<br />

geöffnet aber nicht schlagbar —<br />

in den Bau gelegt 21<br />

schlabarer Wald 58<br />

öde liegend —<br />

an Brennholz wird abgegeben: —<br />

<strong>1960</strong><br />

167,3 ha<br />

<strong>1960</strong><br />

gesamt 404 ha<br />

Gesamtwald 1036 J. 1036 r 404 ha<br />

Die vorstehenden Tabellen zeigen das Wachsen der Gemeinde<br />

Laiz. Aus der ehemaligen fast rein bäuerlichen Dorfgemeinschaft<br />

ist ein industrieller, aufstrebender Wohnort geworden,<br />

dessen Strukturwandel der Industrialisierung sowie<br />

der Umgliederung der Bevölkerung der Nachkriegszeit zuzuschreiben<br />

ist. Nur so war es möglich, daß die Einwohnerzahl<br />

heute auf das fast sechsfache der Zahl von 1806 angestiegen<br />

ist.<br />

Die Zahlen aus der Landwirtschaft vor 150 Jahren verglichen<br />

mit dem jetzigen Stand derselben beweisen, daß die<br />

heutige Generation der Landwirte mit Fleiß, bestem Wissen<br />

und Können, das ihr zugemessene Feld, das umfangmäßig<br />

das gleich geblieben ist, zu bebauen und die Erträge zu<br />

steigern weiß. Die Erträge der Aecker und Wiesen haben<br />

sich dank der neuzeitlichen Erkenntnisse und Bebauungsweisen<br />

gemehrt und verbessert. Wenn u. a. sich die Zahl der<br />

Pferde vom Jahre 1812 auf nur noch 8 Pferde im Jahre<br />

<strong>1960</strong> verringert hat, so liegt der Grund in der Motorisierung<br />

der Betriebe.<br />

Dafür hat sich die Rinderzucht erweitert und vermehrt.<br />

Die intensivere Bewirtschaftung der Felder und Wiesen,<br />

der Rückgang der Pferdezucht und manche andere Umstände<br />

begünstigen dies. Man denke nur an die heutige<br />

Milchwirtschaft und deren Erträge, ein Ansporn für die Rinderzucht!<br />

Der Brachesch ist verschwunden und eine gewinnbringendere<br />

Felderbewirtschaftung hat die Dreifelderwirtschaft<br />

abgelöst. Die Anwendung des Kunstdüngers, die Bekämpfung<br />

der Pflanzenkrankheiten und die Vertilgung des Unkrautes<br />

ermöglichen höhere Gewinnerträge.<br />

Dasselbe gilt von der Schweinezucht. Der Anbau<br />

der Kartoffeln stak zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch in<br />

den Kinderschuhen. Milch und deren Erzeugnisse dienten<br />

vor 150 Jahren neben der Brotfrucht als Hauptnahrungsmittel<br />

für die bäuerliche Familie, und die Schweinezucht war<br />

meistens nur auf den eigenen Bedarf eingestellt. Jetzt ist der<br />

Kartoffelanbau riesig angewachsen, und manche weiteren<br />

Erzeugnisse aus dem Getreideanbau stehen auch für diesen<br />

Zweig der Landwirtschaft zur Verfügung.


Jahrgang i960 HOU£NZDLL£Ri5CH£ HEIMAT 31<br />

Noch wäre etwas zu bemerken zu dem Feldmaß „Jauchert".<br />

Jauchert ist ein Feld, das ein Joch Ochsen an einem Tag<br />

pflügen kann - jugerum - (nach Kraus). Im Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen unterschied man nach „Kraus"<br />

nicht weniger als 4 verschiedene Jauchertmaße. I Jauchert<br />

= 320 qRuten = 46 080 qSchuh = 42,48372 ar, war das gebräuchlichste<br />

Maß. Die andern Jauchert-Maße waren teils<br />

größer, teils kleiner. Wenn man den Waldbestand der Ge-<br />

In der Fernausgabe der „Neuen Züricher Zeitung" vom<br />

29. Oktober 1959, Blatt 21, berichtet der schweizerische<br />

Restaurator Linus Birchler in einer Abhandlung über die<br />

Freilegung und Restaurierung von künstlerisch wertvollen<br />

Fresken in der Schloßkapelle von Hilfikon bei Villmergen,<br />

deren Entstehung einem wenig bekannten Freskomaler aus<br />

Sigmaringen, Franz Anton Rebsamen, zugeschrieben wird.<br />

Die Kapelle wurde im Jahre 1742 als Heiliggrabkapelle, also<br />

in Form einer Rotunde, neu erstellt und dann Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts von dem genannten Künstler mit kühn gemalten,<br />

bewegten Fresken ausgestattet, wie eine der Abhandlung<br />

beigefügte Abbildung erkennen läßt.<br />

Der diesbezügliche Teil des Restaurationsberichtes sei nun<br />

im Wortlaut wiedergegeben.<br />

„Bei einer unglücklichen Restaurierung im Jahre 1901<br />

wurden sämtliche Decken- und Wandbilder der H i 1 f i k o -<br />

n er Grabkapelle dick überpflastert, im ganzen rund 82<br />

Quadratmeter trefflicher Fresken. Sie sind das Werk eines in<br />

der Mitte des 18. Jahrhunderts im Aargau tätigen Malers,<br />

Franz Anton Rebsamen aus Sigmaringen, der auch<br />

in der Klosterkirche von Fahr nachweisbar ist (siehe Anm.).<br />

Ich stieß zum erstenmal auf ihn, als ich vor Jahrzehnten die<br />

am Aeußeren sehr bescheidene Kirche von Goslikon<br />

(Gemeinde Fischbach), nördlich von Bremgarten, zu restaurieren<br />

hatte, einen Bau von 1670, der um 1750 eine ganz<br />

raffinierte Ausstattung mit Stuck und Malerei erhielt.<br />

In Hilfikon hat dieser süddeutsche Maler die gesamte<br />

Decke über der Heiliggrabkapelle illusionistisch ausgemalt,<br />

eine Allerheiligendarstellung mit der Dreifaltigkeit als Zentrum,<br />

alles höchst effektvoll „di sotto in su" gesehen. Das<br />

Bild ist so angelegt, daß ein großes Kruzifix, das im Chorbogen<br />

hängt, der vielfigurigen Komposition den festen Halt<br />

gibt. Auf die überweißelten Flächen malte 1901 ein Dekorationsmaler<br />

goldene Kartuschen mit Bibelsprüchen. Der<br />

gleiche Barbar hat auch sämtliche originalen Wandbilder in<br />

Chor und Schiff überstrichen. Jetzt wird alles sorgfältig<br />

freigelegt."<br />

Soviel aus Birchlers Bericht in der „Neuen Züricher Zeitung."<br />

Am Ende seiner Abhandlung reiht er den hohenzollerischen<br />

Künstler in die Reihe der damaligen Bodenseemaler<br />

der Rokokozeit ein.<br />

Franz Anton Rebsamen<br />

ein Sigmaringer Freskomaler des 18. Jahrhunderts<br />

meinde Laiz von einst mit 1036 Jauchert mit dem heutigen<br />

Maß von 404 ha vergleicht, so berechnet sich der Jauchert<br />

nur auf 39 ar, denn 1036 mal 39 = 40 405 ar = 404 ha.<br />

1 Mannsmahd ist ein Wiesenstück, das 1 Mann an einem Tag<br />

mähen kann; sie entspricht dem Jauchertmaß. 1 Klafter Holz<br />

= ; 3,5 rm; darnach wären 388 Klafter = 1358 Raummeter<br />

Brennholz. Widemann.<br />

In den Personenverzeichnissen des Hechinger und Sigmaringer<br />

Bandes der Kunstdenkmale Hohenzollerns ist der<br />

Name Rebsamen nicht zu finden. Vielleicht weiß dieser oder<br />

jener Leser der „Hohenz. Heimat" ergänzende Angaben zur<br />

Persönlichkeit und den Werken des Sigmaringer Freskomalers<br />

zu machen.<br />

Anmerkung: Fahr ist ein ehemaliges, 110 gegründetes<br />

Benediktinerinnenkloster, dessen Kirche 1743 bis 1746 neu<br />

erbaut und mit üppiger Rokokoausstattung versehen wurde.<br />

F. X. Pfeffer, Weilheim.<br />

Krankheiten, Seuchen, Mißjahre, Naturereignisse<br />

in früherer Zeit in der Gemeinde Neuira<br />

In der Geschichte einer Gemeinde kommen neben<br />

glücklichen Tagen auch manche traurige Zeiten vor, und<br />

diese bleiben meist viel länger in Erinnerung als die guten<br />

Tage. So mögen auch hier einige Tatsachen von traurigen<br />

Vorkommnissen Erwähnung finden. Im Jahre 1814 war unter<br />

den Bewohnern Neufras ein bösartiges Nervenfieber<br />

ausgebrochen, dem gar viele Personen zum Opfer fielen.<br />

Weist doch das Totenbuch dieses Jahres nicht weniger als<br />

84 Sterbefälle auf, gewiß eine erschreckende Zahl. Zu gleicher<br />

Zeit herrschte unter dem Vieh eine grassierende Seuche,<br />

welche manchen Stall lichtete. —• Aus dem Jahre 1834 berichtet<br />

der Chronist, daß hier und in der Umgegend eine<br />

Krankheit, rote Ruhr genannt, herrschte, wobei viele Menschen<br />

starben. Das Vieh bekam die Lungenseuche und fiel<br />

massenhaft. —- Aus dem Jahre 1859 wird ein Todesfall infolge<br />

Cholera berichtet. — Am 5. November 1862 wallfahrtete<br />

die ganze Gemeinde nach Maria Deutstetten, um die Hilfe<br />

Mariens anzurufen wegen des hier herrschenden Nervenfiebers,<br />

dem sehr viele Leute zum Opfer fielen; starben doch<br />

in den Jahren 1862 und 1863 in hiesiger Gemeinde 136 Personen.<br />

- Im Jahre 1871 herrschten hier die schwarzen Pocken,<br />

an denen 5 Personen starben, darunter die beiden Totengräber<br />

und der Polizeidiener. — 14 aufeinanderfolgende Hageljahre<br />

veranlaßten den Bau der Hochbergkapelle. Auch<br />

sonst ist des öfteren die Rede von bedeutenden Hagelschäden,<br />

Pietä: Friedhofkapelle Gruol<br />

Foto Jos. Schneider.<br />

so besonders vom Jahre 1890, wobei der Schaden auf 60 000<br />

Mark geschätzt wurde. —• Interessant dürfte auch noch der<br />

Bericht über einen gewaltigen Wildschaden sein. Die Chronik<br />

berichtet darüber wie folgt: „1730 bis 1798 waren die traurigen<br />

Jahre, in denen die Fürsten von Hechingen rechts vom<br />

Fehlaflusse, also im Tiergarten, Hinterfeld, auf de Höhe,<br />

Stollbeck usw. so starken Wildstand hegten, daß alle Erzeugnisse<br />

auf Wiesen, Feld und Wald gefressen, zerstört und<br />

zertreten wurden. Es kam öfters vor, daß einhundert Hirsche<br />

in einem Gewann gezählt wurden. 1732 hatten die Wildschweine<br />

den Tiergartenösch so durchwühlt und verwüstet,<br />

daß die Eigentümer jede fernere Bearbeitung und Aussaat<br />

für nutzlos erachteten. In diesem Notjahr schätzte Neufra<br />

seinen erlittenen Schaden auf 68 380 Gulden. Auf verschiedene<br />

vorgebrachte Klagen wurde 1736 der K. K. Notar Andreas<br />

Viehäuser zur Ermittlung und Einschätzung des Wildschadens<br />

nach Neufra gesendet. Nach genauer Besichtigung<br />

schätzte er den bisher erlittenen Schaden auf 102 122 Gulden.<br />

Der beim Kreisgericht in Wetzlar und beim Hofkammergericht<br />

in Wien geführte Prozeß kam nicht zum Abschluß, da<br />

der Fürst inzwischen selbst die Hand zum Frieden bot und<br />

mit seinen Untertanen den berühmten Stadt- und Landesvergleich,<br />

das Staatsgrundgesetz für Hechingen abschloß.<br />

Doch hatte man in späterer Zeit, wie die Volksüberlieferung<br />

berichtet, noch vielfach über Wildschaden zu klagen.


32 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

Bruno Gern, ein schwäbischer Heimatdichter aus Hohenzollern<br />

Damit ist aber Gerns dichterisches Heimaterlebnis noch<br />

lange nicht erschöpft. Am Unscheinbaren, Kleinen, kaum<br />

Beachteten nämlich entzündet sich seine schöpferische Schau<br />

fast am stärksten. Ist es dort vorwiegend der große beschreibende<br />

Ueberblick, so ist es hier mehr die wohlbeachtete<br />

Einzelheit. Eine stille Beschaulichkeit und ein liebevolles Befassen<br />

mit dem, was uns oft im Trott des Alltags so unbedeutend<br />

erscheint und doch so vertraut nahe steht. „Kraut<br />

ond Aokraut" rückt uns plötzlich in unser Blickfeld, und<br />

wir finden es hervorgehoben ins Beachtenswerte. Gerns<br />

„Bauragaata" mit seiner Fülle und seinem Reichtum mag<br />

diesen Reigen eröffnen:<br />

Bauragaata<br />

Heaz ond deaz an alta Pfoschta,<br />

Latta drum aus Tannaschwaata<br />

ond drzwischet etlich Aata<br />

guete Sacha zum Verkoschta. —<br />

Ma', des ischt an Bauragaate.<br />

Retich hot es drin ganz mure,<br />

Baohna butterwoich ond mitta<br />

dur dia maschta Beetle dure<br />

goht an Altaweibertritta.<br />

Gällerüaba und Kohlräble,<br />

Kopfsalot ond extra feine<br />

Gurka ima bsondra Gräble,<br />

aber grauseg, grauseg kleine.<br />

Guck, ond glei drneabet dana<br />

Dausetguldakraut ond Gretle,<br />

Pfeafferminz zu Tee für d'Nahna,<br />

Mürbele ond Margeretle.<br />

Kapuziner und Kamilla,<br />

Rosmarin, Rhabarber, Räutle,<br />

Sornmerbluetscht, so ganz im stilla<br />

ond an Haufa suscht so Kräutle.<br />

Akelei ond Goldlack, Glöckle,<br />

Hearrgettsbärt ond wilde Rösle,<br />

Nägele, mit raota Röckie<br />

ond mit grüana Sonntegshösle.<br />

Sonnabluamarusla scheinet,<br />

Löwemäuler spitzet d' Mäule<br />

ond im Eck dahinda heinet<br />

ganz vergeassa no paar Veile.<br />

Dahlien ond Kürbiskeanna,<br />

Aschterblüata ganze Wolka,<br />

grad als het ma vo' da Steanna<br />

do ond det oin druntert gmolka.<br />

Ringele drum rum ond Spendla,<br />

Bairabüsch ond Holderhecka<br />

ond Resedle ond Lavendia —<br />

Ha, des ka'ma kaum verschmecka.<br />

'S wur wohl eisa Hearrgett könna<br />

kaum maih oibes schöner macha,<br />

als wia e deam Gaate denna<br />

äll dia knuschperfeine Sacha!<br />

Auch wenn wir der Sommerwiese begegnen, verstärkt sich<br />

dieser erste Eindruck:<br />

Sonnawirbel haufaweis —<br />

d' Wies ist kaum maih zum verkenna:<br />

Himmelschlüssel — Ehrapreis<br />

ond a Zitterle, a klei's<br />

do ond det drzwischet denna.<br />

Sauerampfle ond Salbei,<br />

geale Dotterblumadoscha,<br />

Margeritle, weiß wia 5ehnäl,<br />

braune Dolda, roater Klai,<br />

Wollgrasgruscht ond grüene Boscha.<br />

Sicher läßt sich auch hier an diesen beiden Beispielen anwenden,<br />

was einmal Josef Karlmann Brechenmachcr (vor 25<br />

Jahren schon) in einer Beurteilung über einige schriftdeutsche<br />

Gedichte Gerns meint, wenn er unter anderem sagt: „Auch<br />

die Bildkraft Gerns ist sehr entwickelt. Es ist ein unersättliches<br />

Schauen in den Versen . .. ."<br />

Vielleicht schleicht sich, eben auf Grund dieser Tatsache,<br />

manchmal beim Lesen gerade dieser Gedichte das kritische<br />

Gefühl ein, als würde Gern manchmal von dem inneren<br />

Drang, der ihn bestürmt, noch zu sehr überwältigt.<br />

Draußen aber an den unrentablen Rainen und im rauhen<br />

Ackerfeld gibt ein unerwünschter Geselle Anlaß zu humorvollen<br />

Vergleichen:<br />

von Bruno Ewald Reiser (Schluß)<br />

Der Klappertopf<br />

Dia Klaffa do, dr Klappertopf,<br />

dear klappret mit seim hohla Kopf<br />

ond weil dear des vo' jehear schao<br />

hat gmachet, mueß mn macha lao —<br />

ka's it maih anderscht richta.<br />

Doch was gäb des für Gschichta<br />

ond für a baise Klapperei<br />

im Ländle rum bei graoß ond klei'<br />

so Tag für Tag von früeh bis spät,<br />

wenn jeder Hohlkopf klappre dät?<br />

Von der „Heuschiauf" übers „Heekaraisle" bis zur „Herbstzeitlose"<br />

blüht uns der ganze Sommer entgegen. Ein köstliches<br />

Herbarium wurde hier angelegt. Ein ganz neuer Weg<br />

wird hier beschritten und die Welt des Unscheinbaren aufgezeigt,<br />

wie sie wahrscheinlich von keinem Mundartdichter<br />

noch so treffend und originell eingefangen wurde. Mit einer<br />

Probe aus einer größeren Arbeit wollen wir das Außergewöhnliche<br />

dieser Gedichte noch einmal hervorheben:<br />

„Dr Kornbluem fehlts wohl kaum am Korn,<br />

doch d' Lerch vermißt dr Lerchasporn.<br />

Im Wundklai seine Waiha.<br />

sind au it grad zum Schreia.<br />

Ond zittret au des Zittergras<br />

ond sitzt im Hasaklai dr Has,<br />

duet schnaickra dra' und schnocka,<br />

s' hot manchs no seine Hooka.<br />

Ond fehlt im Scharbockskraut dr Bock,<br />

im Goißbart d' Goiß ond dr Rock<br />

dr Gret im Busch ond leider<br />

im Fingerhuet dr Schneider.<br />

Mag der Wacholder als ein besonderes Wahrzeichen unserer<br />

Heimat diesen Gang durch ihre Pflanzenwelt beschließen:<br />

Wacholder<br />

Ganz duß ond wo' suscht gar noitz geit<br />

stohscht du am Hang im stilla.<br />

Dr Himmel wölbt se drübert weit,<br />

a Schofhead ziaht, dr Schäfer schreit<br />

ond 's Schäfers Hond duet billa.<br />

D' Luft schwatteret um dei' grauplets Kloid<br />

ganz blo, drzwischet denna<br />

goht glitzeg d' Sommersonn auf d' Woid<br />

ond d' Luft ond d' Sommersonn, allboid,<br />

deand goldne Fäda spenna.<br />

A Wachtel schlet ond wipplet drei'<br />

ond mit deim Bausch, deim greana,<br />

loscht du a so johraus, johrei,<br />

mir d' Hoimet wieder d' Hoimet sei',<br />

ganz noh ond wia suscht neana!<br />

Letzten Endes aber steht doch auch der Mensch im Mittelpunkt<br />

all dieser Betrachtungen. Seltsamerweise findet man bei Gern weniger<br />

die sonst bei Mundartdichtern üblichen Charakterschilderungen<br />

einzelner Originale oder anekdotenhafte Ausweitungen.<br />

Als scharfer Beobachter greift er nehr die einzelnen Wesenszüge<br />

heraus. Er schnipfelt sozusagen an den Dingen herum und das, was<br />

dabei herauskommt, sine' ";en seine „Schnipfel". Kleinigkeiten also,<br />

aber üoen immer ein Stück vom Ganzen. Blitzlichter, die hineinleuchten<br />

in das Leben und dabei is heraus zu greifen versuchen,<br />

was die Erfahrung lehrt und die Reife der Jahre mit sich bringt:<br />

Er Jugend. . .<br />

Er Jugend möcht ma oft mit Gwalt<br />

vill älter sei' ond wiad ma alt<br />

treibts grad so wieder Stuck für Stuck<br />

oin nomal nei e d' Jugend z'ruck.<br />

Ma merkt sog^ 1, manchmol drbei,<br />

wenn ma' so überlait ond schätzt,<br />

des, was oim seallmol z'vill ischt gsei,<br />

ischt Mangelwar ond fehlt oim jetzt.<br />

Doch aischt reacht mit da Wexeljohr<br />

Wiads einseht ond wiad dear Wexel wohr.<br />

Es ist aber nicht nur die menschliche Dürftigkeit, die hier<br />

Federn lassen muß, auch viel Aufmunterung zur Lebensfreude<br />

atmet uns daraus entgegen:<br />

Denk äwei dra'! ....<br />

Denk äwei dra' e deim Verdruß<br />

wenn ällz im .tfeabel sitzt,<br />

daß überm Bearg vielleicht weit duß<br />

schao d' Sonna wieder glitzt!<br />

Ond daß es, wenn im Dunkla au<br />

dr Kauz so traurig schreit,<br />

doch no da Himmel ond da Mao<br />

ond dauset Steanna geit!<br />

Ond so, wenn du di brichta loscht,<br />

no jeder baisa Gwalt<br />

äwei an Ausweag ond an Troscht<br />

für di auf deara Wealt!


Jahrgang <strong>1960</strong> H O H E N Z O L L, E R I S C H E HEIMAT 33<br />

Das Leben zwingt uns aber auch seinen Ernst auf, denn<br />

auch das Sterben gehört mithin dazu und ist etwas Unumgängliches<br />

:<br />

„So also leit ma ond verlöscht,<br />

koi Mensch ka' Hilf maih bringa.<br />

Ma' moit, ma' müeßt im letschta Jäscht<br />

ällz nomal hear verzwinga."<br />

Eine andere Feststellung darüber lautet:<br />

„Wear stearba mueß ischt maischt it gricht<br />

ond descht grad 's dtlmmscht bei deara Gschicht.<br />

Genau so, wia's bei deam wo gricht ischt<br />

ond It stirbt überhaupt koi Geschieht ischt!<br />

Interessehalber soll jedoch hierauf gesagt sein, daß es auch<br />

eine Zusammenfassung von Gedichten gibt, deren Titel<br />

„Mädle" lautet. Sie enthält sogar Gerns größte Mundartdichtung:<br />

„Die Geschieht um eis Zwoi". Eine nicht weniger<br />

als etwa 3000 Zeilen umfassende Fabel, hinter der die Lebens-<br />

und Liebesgeschichte zweier Liebender steht. Nur<br />

zwei Auszüge:<br />

„Denn grad drum ischt doch eisa Leaba<br />

faschtgar an Kreizweag, weil mr eaba<br />

halt zemahaltet ond it deand,<br />

was all dia guate Bäsa weand<br />

ond all dia buzerbaisa Vetter<br />

mit ihrem Geschealt ond ihrem Gschetter<br />

ond ihrem Dausetsappermaa. —<br />

Bloß, weil dr Herr beim Sachvergeah<br />

's Bue's Vatter häb maih Batza gschenkt<br />

ond meim a Armetei s'ghenkt."<br />

Es müßten nun auch noch die anderen großen Mundartgedichte<br />

Gerns, wie „Muetter" - „Früeher" - „Dorfbildle" -<br />

„Schö wärs schao" - „Altbacha, aber echt" und andere mehr<br />

angeführt werden, um das Ausmaß von Gerns dichterischem<br />

Schaffen auf dem Gebiete der Mundart ins rechte Licht zu<br />

rücken. ''<br />

Auch müssen wir seine einfachen Heimatlieder, seine<br />

witzigen Couplets und vor allem sein vielen bodenständigen<br />

Schnadahüpfl erwähnen, um dieses Bild zu vervollständigen.<br />

Hier kommt der Satiriker, der schalkhafte Beobachter des<br />

Alltäglichen und somit oft auch des Allzumenschlichen zu<br />

Wort. Der Mensch, der hinter die Kulissen sieht, der die<br />

Dinge an sich herankommen läßt, um ihnen auf humorvolle<br />

und manchmal sogar besinnliche Art die heiterste Seite abzugewinnen.<br />

In seine Arbeit „Altbacha, aber echt", bringt Gern zusammenfassend<br />

das zum Ausdruck, was er in allen seinen<br />

Gedichten vorzugsweise zu verwirklichen sucht: die Anwendung<br />

unserer noch unverfälschten alten Mundart, mit vielen<br />

Ausdrücken und überlieferten Begriffen, die bereits verlorengegangen,<br />

oder aber im Schwinden sind. Viele Worte,<br />

wie „feand" (voriges Jahr), „hinerscht" (gestern abend), „bäareg"<br />

(vorhin), der Jugend bereits fremd, weisen noch ihre<br />

ungeschmälerte Daseinsberechtigung auf. Echte Mundart<br />

muß immer lokal bedingt und ohne jedes Zugeständnis an<br />

das Allgemeinverständliche auf das Herkömmliche bedacht<br />

sein. Aus dieser Art nur ein Beispiel:<br />

Am 28. Mai dieses Jahres sind es 100 Jahre, seitdem im<br />

Namen Sr. Majestät des Königs von Preußen mit Zustimmung<br />

der beiden Häuser des Landtages der Monarchie das<br />

„Gesetz betreffend die Ablösung der Reallasten<br />

in den Hohenzollern'sehen Landen"<br />

verkündet wurde. Dieses Gesetz war für die landwirtschaftliche<br />

Entwicklung unserer engeren Heimat von allergrößter<br />

Bedeutung, denn erst hierdurch wurden die Voraussetzungen<br />

geschaffen, auf Grund deren die heimische Landwirtschaft<br />

im Laufe des 19. Jahrhunderts den anerkannt hohen Stand<br />

erreichen konnte.<br />

Zu den Reallasten, d. i. Belastungen eines Grundstückes,<br />

vermöge derer an den Berechtigten wiederkehrende Leistungen<br />

zu entrichten waren, zählte neben den Grundzinsen oder<br />

Gülten vor allem der Zehnte. Es war dies eine Abgabe in<br />

Höhe von einem Zehntel des Ertrags der landwirtschaftlichen<br />

Erzeugung. Der Zehnte war schon in der mosaischen<br />

Gesetzgebung begründet und wurde übernommen, als das<br />

Christentum zur Staatsreligion erklärt worden war. Im fränkischen<br />

Reich erhielt der Zehnte seine gesetzliche Grundlage<br />

auf der Synode von Macon im Jahre 585 und dann<br />

wieder unter Karl dem Großen. Der Zehnte war ursprünglich<br />

Vor 100 Jahren<br />

Ablösung des Zehnten in Hohenzollern<br />

„Tresget, g'aosket, gjapst ond gmaozet,<br />

kneepret, booberet ond knaozet<br />

ond da Mäser ond da Deez<br />

vola Mucka ghet im Meez,<br />

hot ma'; gjaonret, gjaicht ond gjusket,<br />

pforret, pfutteret ond pfusket,<br />

sich vermohnet - geemleg dao<br />

ond da Rambaß füre glao."<br />

Und der Googeler, dr Glunker,<br />

d' Lauskrott ond dr Lumpadunker<br />

haod gschlampamblet ond gschlabutzt,<br />

Luseng kriagt und d' Lataa butzt."<br />

Um einen schönen Abschluß herbei zu führen, jetzt aber<br />

noch das liebreizende Kapitel vom Kind in seinen Kinderliedern.<br />

Sie sind unter dem Titel „Guggusele" zusammengefaßt<br />

und gehören mithin zu Gerns besten Gedichten.<br />

Guggusele<br />

„Guggusele - Guggusele,<br />

schlupf gotteg, gotteg neu,<br />

du Zamsele, du Zusele<br />

ond laß dei zaabla sei'!<br />

Mach zua dia liaba Lädele,<br />

dia Aeugle gar so blo!"<br />

saits Müetterle zum Mädele<br />

ond laits anander no.<br />

Und bettet 's Dockabäbele<br />

no weng drneabet na<br />

ond sait: „Jetzt heltscht dei Schnäbele,<br />

weils suscht it schlofa ka."<br />

Du Liabs, du Butziwackele,<br />

ond geischt mur no an Schmatz,<br />

no kriagscht du moan a Gaggele<br />

ond bischt du s' Mammes Schatz!"<br />

Drauf beattet se a bissele<br />

no etlich Mäule vool<br />

ond druckts gar nei e's Kissele:<br />

„Schlof wohl, du Liabs, schlof wohl!"<br />

Ii gendwie drängt sich bei Einsichtnahme in Gerns Mundartdichtung<br />

die Ueberzeugung auf, daß hier ein ganz Eigener<br />

unbekümmert seine eigenen Wege ging. Daß hier ein<br />

Naturtalent am Werk ist, getrieben von der Liebe zu der<br />

Heimat, immer wieder gepackt von ihrer Eigenart und<br />

Schönheit, und aus dieser Begeisterung heraus ganz ihrem<br />

Erlebnis verschrieben, das ist auch das, was gepaart mit<br />

einem guten handwerklichen Können und mit der Strenge<br />

seiner Anschauung über unsere Mundart als überliefertes<br />

Sprachgut, alles Unechte ausschaltet und zu diesen natürlich<br />

gewachsenen reizvollen Versen führt. Mag bei Gern als<br />

Außenseiter auch ein Schuß Eigenbrötelei dabei sein, sie ist<br />

mit ein Beweis für das Unmittelbare von Gerns Gestaltungskraft<br />

und so mithin auch ein wesentlicher Faktor seiner<br />

Originalität. „Auch sind die Arbeiten Gerns in ihrer Gesamtheit<br />

nicht nur die Gelegenheitsprodukte eines von seinen<br />

Stimmungen und Gefühlen Ueberwältigten, sondern das<br />

zielbewußte verpflichtende Lebenswerk eines zum Dichter<br />

Berufenen", dem man noch viele Jahre erfolgreichen Schaffens<br />

wünschen darf.<br />

eine Abgabe an die Kirche bzw. Pfarrei zur Bestreitung des<br />

Unterhalts der Geistlichen, der Kultausgaben und der Baulasten.<br />

Im Laufe der Jahrhunderte gelangte der Zehnte durch<br />

Kauf, Schenkung, Verpfändung oder auf irgendwelchen anderen<br />

Wegen sehr häufig in weltliche Hände. Er wurde so<br />

zum Laienzehnten und seit der Reformation in protestantischen<br />

Ortschaften zur Staatsabgabe. Daß übrigens die Reichung<br />

des Zehnten im Bewußtsein der Bauern bis in die<br />

Neuzeit herein als eine gerechte Sache galt, muß daraus<br />

geschlossen werden, daß nicht einmal die 12 Artikel der<br />

Bauernschaft im Bauernkrieg des Jahres 1525 daran zu rütteln<br />

wagten.<br />

Zum Großzehnten gehörten die Hauptfrüchte Dinkel,<br />

Roggen, Gerste und Hafer, während Erbsen, Linsen, Rüben,<br />

Kraut, sowie Hanf und Flachs zum Kleinzehnten<br />

zählten. Von Weingärten wurde einstens der Weinzehnt<br />

erhoben und von jungen Tieren bis zu den Bienen, da und<br />

dort, der Blutzehnt. Wurde neues Ackerfeld angelegt,<br />

also eine Oedung, Weide oder Wiese umgebrochen, so war<br />

der Neubruchzehnt oder Novalzehnt (novus =<br />

neu) zu entrichten. Welche Zehnten in den einzelnen Gemeinden<br />

unserer Heimat erhoben wurden und wer die Zehnt-


34 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

berechtigten waren, wäre eine eigene Erhebung wert, kann<br />

aber hier nicht angegeben werden.<br />

Daß die Reichung des Zehnten für den Bauernstand eine<br />

drückende Last war, kann nicht bezweifelt werden. Schon<br />

die Art der Erhebung mußte ständig zu Streit und Zank<br />

Veranlassung geben. So durften die Früchte in der Regel erst<br />

dann vom Feld gefahren werden, wenn der Zehntknecht<br />

selbst die zehnte Garbe oder den zehnten Teil ausgesondert<br />

hatte. Bald war die zehnte Garbe nicht groß genug, dann<br />

wieder war minderwertiges Getreide oder zuviel Unkraut<br />

beigegeben. Vielleicht zog ein Gewitter auf, der Bauer konnte<br />

aber die Garben nicht einfahren, weil noch nicht gezehntet<br />

war. Die röschen Garben, vom Gewitterregen durchnäßt,<br />

mußten wieder von neuem zum Trocknen auseinander genommen<br />

und das Getreide auf dem Boden ausgebreitet werden.<br />

So blieb die Frucht weitere Tage auf dem Felde liegen,<br />

nur weil der Zehntknecht nicht rechtzeitig seines Amtes gewaltet<br />

hatte. Wieviel Aerger und Verdruß, Mehrarbeit und<br />

Ernteverlust die Reichung des Zehnten in Naturalien für den<br />

Bauern, wie für den Zehntberechtigten brachte, kann man<br />

sich heute kaum mehr vorstellen.<br />

Es kann daher auch nicht wundernehmen, wenn in den<br />

Revolutionsjahren 1948/49 die Abschaffung der Grundlasten<br />

mit zu den wichtigsten Forderungen unserer Bauern gehörte.<br />

Im Fürstentum Hechingen wurde durch Regierungsverfügung<br />

vom 6. 6. 1848 bereits die Anordnung getroffen,<br />

daß es den Zehntpflichtigen freigestellt sei, im laufenden<br />

Jahre den Heuzehnten mit 45 Kr. je Mannsmahd<br />

Wiesen in Geld zu entrichten. Nur müßte sich die ganze<br />

Bauernschaft eines Dorfes für die eine oder andere Form<br />

der Zehntleistung, also Geld oder Naturalien, entscheiden.<br />

Noch im gleichen Jahre erschien unter dem 28. September<br />

das Gesetz die „Fixierung der Zehnten im Ftirstenthume<br />

betreffend." Infolge der politischen Ereignisse, die langsam<br />

dem Bürgerkriege zutrieben, gingen die Arbeiten nicht vorwärts.<br />

Die fürstliche Regierung selbst gab bekannt, daß die<br />

Festsetzung der Zehnten in Geld voraussichtlich noch geraume<br />

Zeit in Anspruch nehmen werde. Auch im Fürstentum<br />

Sigmaringen, wo die Revolutionsjähre stürmischer<br />

als in Hechingen verliefen, erschien unter dem 9. 7. 1848 eine<br />

Verordnung über den vorläufigen Zehntbezug. Durch die Gesetze<br />

vom 20. 7. und 24. 8. 48 wurden der Blutzehnte und<br />

der Neubruchzehnte ohne Entschädigung aufgehoben. Im übrigen<br />

konnten aber auch im Fürstentum Sigmaringen die<br />

Arbeiten über die Errechnung der Zehnten nicht zum Abschluß<br />

gebracht werden, da mit dem Gesetz vom 12. März<br />

1850 die beiden Hohenzollern'schen Fürstentümer in das<br />

Preußische Staatsgebiet eingegliedert wurden. Nochmals vergingen<br />

10 Jahre, bis das preußische Gesetz betreffend die<br />

„Ablösung der Reallasten in den Hohenzollern'schen Landen"<br />

mit seinen 24 Paragraphen verkündet wurde. Hiernach blieben<br />

von der Ablösung ausgeschlossen die öffentlichen Lasten<br />

mit Einschluß der Gemeindelasten, Gemeindeabgaben und<br />

Gemeindedienste, so wie der auf eine Entwässerungs- oder<br />

ähnliche Genossenschaft sich beziehenden Lasten, sofern dieselben<br />

nicht aus allgemeinen Rechtsverhältnissen oder dem<br />

Zehntrechte, entstanden waren. Ausgeschlossen blieben auch<br />

alle Abgaben und Leistungen zur Erbauung oder Unterhaltung<br />

der Kirchen-, Mesnerei- und Schulgebäude, die nicht<br />

als Lasten oder Gegenleistungen auf Zehnten oder anderen<br />

ablösbaren Reallasten ruhten oder auf dem aufgehobenen<br />

Allmand- und Kleinzehnten im Fürstentum Hechingen geruht<br />

haben. Ausgeschlossen blieben ferner solche Abgaben<br />

und Leistungen, die vertragsmäßig auf den einseitigen Antrag<br />

des Berechtigten oder Verpflichteten gegen einen im<br />

voraus bestimmten Ablösungssatz abgelöst werden durften.<br />

Zwecks Errechung des jährlichen Geldwertes des Zehnten,<br />

mußte zuerst der Geldwert der Früchte oder Naturalien ermittelt<br />

werden. Dies geschah in der Weise, daß man den<br />

Marktpreis nach demjenigen Martini-Marktpreis ermittelte,<br />

der sich im Durchschnitt der letzten 24 Jahre vor Erlaß<br />

dieses Gesetzes ergab, wenn die zwei teuersten und zwei<br />

wohlfeilsten von diesen Jahren außer Ansatz blieben. Unter<br />

Martini-Marktpreis wurde der Durchschnittspreis derjenigen<br />

15 Tage verstanden, in deren Mitte der Martinimarkt<br />

fiel. Als maßgebliche Marktplätze wurden im übrigen folgende<br />

Orte bestimmt:<br />

1) die Stadt Sulz a. N. für den Oberamtsbezirk Haigerloch,<br />

2) die Stadt Reutlingen für den Oberamtsbezirk Trochtelfingen<br />

und der Oberamtsbezirk Gammertingen in den bei<br />

Erlaß der Verordnung v. 18. 1.1854 bestandenen Grenzen,<br />

3) die Stadt Lindau a. B. für das Obervogtei-Amt Achberg,<br />

4) die Stadt Ueberlingen a. B. für den übrigen Teil des<br />

Oberamtsbezirks Sigmaringen und<br />

5) die Stadt Balingen für den Oberamtsbezirk • Hechingen<br />

mit Ausnahme der Ortschaft Wilflingen, für die der<br />

Marktpreis von Rottweil ausschlaggebend war.<br />

War der Wert des Naturalzehnten berechnet, so wurde<br />

noch ein bestimmter Betrag für die Erzeugungskosten, wie<br />

Ackern, Säen, Ernten, in Abzug gebracht. Der so ermittelte<br />

Geldwert des Zehnten konnte auf zweierlei Weise abgelöst<br />

werden, nämlich entweder 1. durch die Zahlung einer Geldrente,<br />

die 673 Monate zu reichen war oder aber 2. durch<br />

Barzahlung des 18. fachen Betrages des festgesetzten Geldwertes.<br />

Die Ablösung vermittelte eine nach dem Gesetz vom<br />

2. 3. 1850 errichtete Rentenbank, deren Geschäfte für Hohenzollern<br />

die Kgl. Regierung in Sigmaringen wahrnahm. Wer<br />

die Barzahlung wählte, also mit einm Schlage frei wurde, der<br />

konnte bei der Spar- und Leihpasse - heute Hohenzollerische<br />

Landesbank - bei vorgeschriebener Sicherheitsbestellung den<br />

benötigten Kapitalvorschuß zu einem ermäßigten Zinssatze<br />

von 4'/4 %> erhalten. Vielleicht werden sich noch manche der<br />

älteren Generation erinnern können, wie alljährlich bis in<br />

die Jahre des I. Weltkrieges hinein durch Schellenruf der<br />

Amtsgehilfe zur Zahlung der fälligen „Zinsen und Zieler"<br />

aufforderte.<br />

Zu bemerken wäre noch, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen<br />

die Ablösung der Reallasten ohne besonderen<br />

Antrag der Beteiligten von Amts wegen erfolgte. Die Auseinandersetzungsbehörde<br />

war die Regierung in Sigmaringen,<br />

bei der ein Spruchkollegium errichtet wurde, dem drei zum<br />

Richteramte qualifizierte Mitglieder und zwei landwirtschaftliche<br />

Sachverständige angehörten. Die Kosten des Verfahrens<br />

wurden vom Staate übernommen, nur die eventuellen<br />

Prozeßkosten hatten die Parteien zu tragen.<br />

Das Gesetz vom 28. Mai 1860 war für unsere Heimat,<br />

deren Bewohner einstens ja fast ausschließlich eine Landwirtschaft<br />

betrieben, von außerordentlicher Bedeutung. Mit<br />

der Ablösung des Zehnten und der übrigen Reallasten war<br />

das letzte Hindernis gefallen, das den Bauern vor der freien<br />

Entfaltung seiner Kräfte zurückgehalten, ja ihm jeden Anreiz<br />

und jede Lust zur Berufsarbeit genommen hatte. Der<br />

Boden und seine Erzeugnisse waren nun freies Eigentum,<br />

und der fortschrittlichen Bewirtschaftung von Acker und<br />

Wiese standen künftig keine Schranken mehr im Wege.<br />

M. Schalte 1.<br />

Verkauf Gammertingens mit Zubehör 1447<br />

Im Jahre 1903 erschien in Zürich ein 181 seitiges Büchlein<br />

von Erhart W. Kanter über Hans von Rechberg,<br />

einen echten Haudegen des 15. Jahrhunderts, der die Schweiz<br />

und auch unsere Gegend unsicher machte, die Burgen Hohentwiel,<br />

Schramberg und Schalksburg sein eigen nannte,<br />

auch die Schlösser und Städte Gammertingen und Hettingen<br />

mit verschiedenen Rechten von seinem Vater Heinrich geerbt<br />

hatte. Die Schweizer Händel interessieren hier nicht.<br />

Dagegen war er durch ewige Händel und Fehden in große<br />

Schulden gekommen, so bei Wolf Schilling mit 900 fl, Diepold<br />

von Bernhausen 1000 fl. Konrad vom Stein 2500 fl, Kleinhans<br />

Schwelher 200 fl, dem Vogt von Veringen 735 fl, der Gemahlin<br />

des Hans von Hornstein 666 fl. Daher veräußerte er<br />

am 2. Dezember 1447 um 18 500 fl an den Grafen Ulrich von<br />

Wirtemberg folgende Besitzungen: Gammertingen Burg<br />

und Stadt, die er als Lehen von Reichenau besaß. Hettingen<br />

Burg und Stadt und die Dörfer Ittenhausen,<br />

Hart- mit Feldhausen, Kettenacker, Hermentingen,<br />

das halbe Neufra mit den Weilern, die dazu<br />

gehören. Ferner die Vogtei über das Kloster zum Berg<br />

(M a r i a b e r g), dessen Leute des Weilers Kloster -Bronnen<br />

zum Gericht nach Gammertingen gehören, die Gotteshausleute<br />

zu E n s m a d (Kirchlein gegen Ittenhausen), die<br />

ebenfalls zum Gericht Gammertingen gehören, da? Burgstall<br />

Hinterlichtenstein, des Reinhartsweilers Gut (nämlich<br />

Stadt und Dorf Veringen und die zugehörige Lösung<br />

von 400 fl, die er von Reinhartsweiler gekauft, vom<br />

Herzog von Oesterreich zu Lehen empfangen, die aber jetzt<br />

Graf Hans von Werdenberg pfandweise besitzt) (Württbg.<br />

Reg. 6194). In den Verkauf sind ferner eingeschlossen die<br />

Leibeigenen des Rechbergers in vielen umliegenden Orten<br />

(Württb. Reg. 6192). Da Kanter diese Ortschaften teils nicht<br />

lesen konnte, ließ ich die betr. Stelle im Staatsarchiv Stuttgart<br />

fotographieren. Es heißt:<br />

„Diese nachgeschriebenen Eigenleute gehören zu der Herrschaft<br />

und sitzen außerhalb obiger Orte: Zu Megrichingen<br />

(M ä g e r k i n g e n) ist der Amtmann mein eigen, sowie sein<br />

Weib und 3 erwachsene Söhne und ein Auberly Stickler.<br />

Der Kürsener zu Guckenloch (Mühle zwischei Hörschwag<br />

und Hausen a. d. Laudiert) mit Weib und 4 Kindern.


Jahr^H,.^ i960 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 35<br />

Des; Kürsenes Tochter zu Rottenburg mit Kindern, weiß<br />

nit wie viel. Ferner Machtilds Schwestern, die beiden haben<br />

sich verbrieft. Item zu Salbendingen die 2 jungen<br />

Franken. Item zu Melchingen 2 Frauen und 1 Mann, weiß<br />

nit, wie die heißen. Doch findet man das in den Rodeln und<br />

Registern, als sie Fastnachtshühner geben. Zu Undingen<br />

2 Männer, weiß den Namen nicht. Zu Erpfingen Fricken<br />

Kinder und der Bey (Bry?). Item zu Pfullingen 1 Frau<br />

und 1 Mann. Zu Hönau, Steinhülben und Oedenwaldstetten<br />

je 1 Mann, Name unbekannt. Item zu<br />

Wilsingen 5 Mann, 3 Frauen und deren Kinder, auch<br />

Klöbers (Klaibers!) Kinder. Zu Tigerfeld 1 Frau und des<br />

Röubers Weib mit vielen Kindern. Item zu Pfronstetten<br />

1 Frau und 1 Mann. Item zu R i n g i n g e n, han ich Leute,<br />

ich weiß nit jetzo, wievil das sind. Zu Burladingen 2<br />

Mann und 2 Frauen, hand viele Kinder Item ze Gösselfingen<br />

(Gauselfingen) 1 Frau und deren 2 Söhne. Zu B i t z<br />

1 Frau. Item der Gegkeller im Killertal und sein Bruder<br />

sind mein eigen. Item zu Ebingen des Mesners 2 Töchter,<br />

Jakob Plancken Weib mit 3 gewachsenen Söhnen und die<br />

andern 2 Frauen, hand vil Kinder. Item der Schoye und sein<br />

Bruder, Hainers Weib. Ferner zu Liggersdorf Heinrich<br />

Muner und sein Weib, die hat man zu mahnen.. Item des<br />

Mesners 2 Söhne. Item zu Harthausen uff der<br />

S c h e r r 2 Mann, 4 Frauen und ihre Kinder. Zu Benzingen<br />

2 Mann, 3 Frauen. Zu Winterlingen 2 Frauen. Zu<br />

Straßberg des Metzgers Weib, 2 ausgegebene Söhne und<br />

sonst 3 Kinder. Zu Stetten dem Kaltenmarkt 1<br />

Mann. Item zu Geislingen 1 Mann. Zu Bünge (Bingen)<br />

der Schönbertzschy und sein Bruder. Ferner 2 Mann. Item<br />

1 Mann zu Emerfeld. Zu Egelfingen der Thöuber<br />

mit Weib und 8 Kindern. Zu Veringen dem Dorf 2<br />

Frauen, zu Jungnowe des Sinders Weib, Grafen Eberhards<br />

Concubine, des Gerstenmayers Tochter. Item zu Silmaringen<br />

(vermutlich Sigmaringen) des Grafen Hansen<br />

(von Werdenberg) Schreiber, der Gerstenmayer sein Jäger<br />

und dessen Weib, und sein Sohn ist zu Hächingen.<br />

Item zu Veringen (stadt) der Glattis, der Böler, der<br />

Nopp, Frick Amann und sein Bruder. Conrad Rügker, Faigly,<br />

Rupp, der Bosch, Gegkelers Schwester und des Amanns<br />

Schwester und ihre Kinder. Der Kut. Item zu Gruorn<br />

(G r u o 1) bei Haigerloch, da herum hab ich 4 Mann und<br />

Frauen, weiß nit wie die heißen.<br />

Dies sind meine Eigenleute. Die Kinderzahl kenn ich nicht.<br />

Und die Ower, und der Hälbling, da könnt guter maßen<br />

Claus Böser, Amtmann, sagen, wie es um sie steht. Hier sind<br />

aber die Leibeigenen zu Gammertingen und Hetlingen und<br />

den zugehörigen Dörfern nicht geschrieben. Item ich hab den<br />

Willen gehabt, ein Ungelt zu Hertingen zu hab&n. Mag vielleicht<br />

nit höher dann jährlich 16 Pfund Heller geben."<br />

Die ganze Liste ist datiert vom 22. November 1447. Ein<br />

Vergleich mit dem buntscheckigen Bild der Leibeigenen in<br />

Hagens Lagerbüchern der Grafschaft Zollern von 1544 liegt<br />

nahe. Ein großer Teil der verkauften Güter bez. Leute dürfte<br />

auf den 1415 verstorbenen letzten Grafen Wolf von Veringen<br />

zurückreichen, dessen Erbe ja Hansens Vater Heinrich von<br />

Rechberg war (J. Wiest, Gesch. der Stadt Gammertingen,<br />

1928, 27).<br />

Im Jahre 1450 erhielt Hans von Rechberg vom Reich einen<br />

Teil des Dorfes Salmendingen als Lehen. In der Fehde mit<br />

dem Grafen von Werdenberg zog er am 4. Sept. 1464 mit 300<br />

Reitern und einigen Fußknechten aus, plünderte die werdenbergischen<br />

Besitzungen, verbrannte die Dörfer Feld - und<br />

Harthausen und Melchingen, legte Benzingen<br />

400 fl Schätzung auf. Bald benützte er die Schalksburg, bald<br />

den Hohentwiel, bald Schramberg als Stützpunkt. Am 11.<br />

November 1464 ereilte ihn das Schicksal in Gestalt eines<br />

Bauernpfeiles, der ihm am 13. zu Villingen den Tod brachte.<br />

Man hat schon vermuten wollen, Hans von Rechberg habe<br />

bei seinem Zug 1464 auch das Schloß Ringingen zerstört.<br />

Einen Nachweis besitzen wir nicht. Da vielmehr die Burgherren,<br />

die Schwelher-Erben, mit den Werdenbergern laut<br />

Notiz von 1516 „nit in Einigkeit gestanden", auch der befreundete<br />

Graf von Wirtenberg hier mehrere Leibeigene 1447<br />

von Hans gekauft gehabt, scheint die Zerstörung durch letzteren<br />

nicht sehr wahrscheinlich.<br />

Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß die Grafen<br />

von Wirtenberg den Rechberger hinters Licht geführt<br />

und sich auf Seiten Werdenbergs gestellt hatten. Sonst hätten<br />

ja auch deren Dörfer Feld- und Harthausen nicht den Zorn<br />

des Hans von Rechberg zu fühlen bekommen können!<br />

Schon am Montag nach Sonntag Invocavit 1441 hat Hans<br />

dem Konrad von Stein zu Göffingen Stadt und Schloß Hett<br />

i n g e n verkaufen wollen, samt Herbrechtingen, Ittenhausen,<br />

Feld- und Harthausen mit Leuten und Gütern, ausgenommen<br />

einen Weiher an der V e 1 g (Fehla!) bei Hettingen<br />

um 6540 fl. Der Verkauf scheint jedoch wieder kassiert worden<br />

zu sein (Württ. Reg. 6189). Nach Gabelkofer lösten 1442<br />

die Grafen von Württemberg das Burgstall (Vorder-)Liechtenstein<br />

mit Zubehör von Hans von Rechberg um 1000 fl und<br />

400 Pfund Heller (Kanter S. 127). Kraus.<br />

Philologe, Geograph und Astronom<br />

Dem Andenken von Karl Schoy (1877 bis 1925)<br />

Vor kurzem hat die Stadt Meersburg ein bisher wenig beachtetes<br />

Grab auf ihrem Friedhof in ihre Obhut genommen.<br />

Es liegt in der stadtwärts gelegenen Ecke dicht an der Friedhofmauer<br />

unter einer mächtigen Trauerweide. Auf dem<br />

schlichten Grabstein ist zu lesen:<br />

Carl SCHOY - 1877—1925 - DR. ING. DR. PHIL. - DOZENT<br />

AN DER UNIVERSITÄT FRANKFURT AM MAIN.<br />

Wer war nun. der, der hier seine letzte Ruhe gefunden? Die<br />

Antwort auf diese Frage mögen die Worte des Bonner Professors<br />

Dr. Spies geben, die er am 23. Dezember 1925 im<br />

Essener Anzeiger dem Verstorbenen widmete: „Einer der<br />

besten Kenner der Geschichte der exakten Wissenschaft im<br />

Orient... Seine zahlreichen Arbeiten über mathematische<br />

Geographie und Astronomie bei den Arabern haben die<br />

Wissenschaft ganz erheblich gefördert. Der Verlust, den die<br />

Geschichte der exakten Wissenschaften durch den allzufrühen<br />

Hingang ihres Erforschers Karl Schoy erlitten hat, ist in der<br />

Tat unersetzlich."<br />

Karl Schoy ist geboren am 7. April 1877 in dem Dörflein<br />

Bittelschieß im südlichen Hohenzollern. Dort war sein Vater,<br />

der aus Bisingen am Fuße des Zollerberges stammt, Lehrer.<br />

Wie zwei seiner Brüder sollte auch er den Beruf des Vaters<br />

ergreifen und Volksschullehrer werden. So verzeichnet denn<br />

der Jahresbericht des Lehrerseminars zu Meersbug am Bodensee<br />

auch unsern Karl Schoy im Jahre 1894 als Schüler<br />

und 1896 als Lehramtskandidat. Schon hier hatte er besondere<br />

Begabung in Mathematik und Geographie, aber auch<br />

in Musik gezeigt.<br />

Doch mit dem bisher Erreichten gab sich der Neunzehnjährige<br />

nicht zufrieden. Er lernte Englisch, Französisch, Latein,<br />

verbesserte seine mathematischen Kenntnisse — alies<br />

neben der Schularbeit her —, machte 1901 das Abitur am<br />

Realgymnasium in Karlsruhe und ging sodann nach München,<br />

um Mathematik, Astronomie und Physik zu studieren.<br />

Nachhilfestunden und Rechenarbeit an der dortigen Sternwarte<br />

ergaben dem Studenten den kärglichen Lebensunterhalt.<br />

Staatsexamen für das Höhere Lehramt, für das Land<br />

Bayern zuerst und dann noch für das Land Preußen abgelegt,<br />

sodann Anstellung an höheren Schulen, endlich eine<br />

Studienratsstelle in Essen — das sind die äußeren Etappen<br />

dieses ungewöhnlichen Lebensganges. Sechzehn Jahre verblieb<br />

Karl Schoy in Essen, wenngleich die ganzen Lebensumstände<br />

des Ruhrgebiets dem naturliebenden Schwaben<br />

keineswegs zusagten.<br />

„Ein ungeheurer Wissensdurst durchdrang ihn. Zur Quelle<br />

der Weisheit mußte er." So schreibt Professor Lindow in<br />

seinem Nachruf, „Tragödie des Außenseiters" betitelt. Ja, er<br />

muß ein Außenseiter gewesen sein, wenngleich seine Schüler<br />

die Güte ihres hervorragenden Lehrers rühmten. Der saß,<br />

wenn er abgekämpft nach Hause kam, des Nachts über den<br />

Büchern und orientalischen Manuskripten, die er sich mit<br />

Hilfe guter Freunde, zum Teil aus fernliegenden Bibliotheken<br />

(Kairo, Alexandria) zu verschaffen wußte. Um nicht<br />

erst aus der Hand von Uebersetzern an die Wissensgebiete,<br />

die er bearbeitete, heranzukommen, lernte er, ein hoher<br />

Dreißiger schon, noch Arabisch; dazu dann auch noch Persisch<br />

und Türkisch.<br />

Nach all dem erscheint es nicht gar verwunderlich, daß<br />

der Essener Studienrat Schoy promovieren konnte, und rasch<br />

nacheinander gleich zweimal: zum Dr. ing. an der Technischen<br />

Hochschule München und zum Dr. phil. nat. an der Universität<br />

Heidelberg. Seine Doktorarbeiten wie seine sonstigen<br />

Veröffentlichungen ließen die Wissenschaftler des In- und<br />

Auslandes aufhorchen. Professuren in Deutschland und USA<br />

(Berlin und Columbia University), die ihm angeboten wurden,<br />

konnten der Zeitumstände (Nachkriegszeit, Inflation)<br />

wegen und aus gesundheitlichen Gründen nicht angenommen<br />

werden. Als aber endlich der einsichtige preußische<br />

Minister Becker eine Dozentenstelle für den Dr. Dr. Karl


36 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Schoy an der Universität Frankfurt a. M. einrichtete, waren<br />

seine Kräfte erschöpft. Fünf Wochen nur, auf der Höhe seines<br />

Wissens angelangt, konnte er dort lehren, dann kam<br />

— grausames Geschick — der Tod (1925). Ein Jahr zuvor<br />

noch hatte seine Frau dem kranken Mann einen langgehegten<br />

Wunsch erfüllt, einmal wenigstens die Sonne des<br />

Südens zu schauen, den er Zeit seines Lebens „mit der Seele<br />

gesucht." Doch die Riviera konnte ihm nimmer helfen. —<br />

Zum Schlüsse sei gestattet, einige Sätze aus der wunderbaren<br />

Grabrede des Pfarrers Haag zu zitieren. „Karl Schoy,<br />

so soll denn heute dein sterblicher Teil die letzte Ruhestätte<br />

finden, hier oben auf dem stillen, schönen Friedhof<br />

deines geliebten Meersburg, wo dir in Jugendheiterkeit die<br />

ersten Berufsjahre sich erfüllten, wo du späterhin so manches<br />

Mal an der Seite deiner treuen Lebensgefährtin köstlicher<br />

Ferientage dich erfreutest, in dem stillen, weithin-<br />

Kurznachrichten<br />

Alte Gräber in Veringenstadt. Der in Veringenstadt wohnende<br />

Jörg von Rechberg von Hohenrechberg stellte am 26.<br />

März (Ostermontag) 1554 eine Urkunde aus: „Als Gott meinen<br />

lieben Vater, den Junker Jörg von Rechberg aus dem<br />

Leben abrief, hatten weder er noch meine Vorfahren eine<br />

eigene Sepultur oder Begräbnis in der St. Nikolauskirche zu<br />

Veringenstadt. Auf mein Ansuchen aber haben der derzeitige<br />

Pfarrer Meister Valentin Knaus (Knuß) und<br />

Schultheiß mit Stadtrat mir zugelassen, meinem Vater in der<br />

genannten Nikolauskirche „ein Grebnus" zu machen. Doch<br />

wurde ausbedungen, daß damit kein Anspruch für später<br />

entstehe, wenn wieder einer vom Rechberg-Geschlecht mit<br />

Tod abginge, sondern jeweils das Einverständnis des Pfarrers<br />

(in Veringendorf) und des Stadtrates nötig sei." —•<br />

Mündliche Ueberlieferungen sagten, daß sich zu Veringenstadt<br />

eine Gruft mit den Ueberresten der Grafen von Veringen<br />

befinde. Da die Nikolauskapelle — Vorgängerin der<br />

jetzigen Stadtkirche — die Hofkapelle gewesen sein könnte,<br />

wäre auch daselbst die Gruft zu vermuten. Um sich nun<br />

davon zu überzeugen, ließen der Herr Oberamtmann von<br />

Schütz, der Kassier Schießle von Sigmaringen und der Herr<br />

Pfarrer G o b s von Benzingen durch 4 Männer nachgraben.<br />

Am 17. August 1819 öffnete man zuerst (den Boden) bei dem<br />

Katharinenaltar, der beim Eingang in die Kirche rechts<br />

stand. Nach langem vergeblichem Graben öffnete man weiter<br />

vorn. Die Freude war allgemein, als man auf eine Mauer<br />

stieß, die man zunächst für ein Gewölbe der Gruft hielt.<br />

Allein es war nur eine dicke Mauer, die vom Schwibbogen<br />

bis in die Mitte der Chorstühle ging und sich dann eiförmig<br />

in den anderen Schwibbogen endete (offenbar eine frühere<br />

Apsis oder Chorabschlußmauer), ein Zeichen, daß da früher<br />

eine halbe Rotunde war, deren Grundmauer man gefunden,<br />

und daß man auch an den vorderen Teil an die Kirche anbaute,<br />

da dies hinten (vermutlich wegen des Turmes) nicht<br />

mehr möglich war. Des andern Tages wurde noch an fünf<br />

verschiedenen Orten in der Kirche (der Boden) geöffnet, ohne<br />

jedoch die geringste Spur von einer Gruft zu entdecken.<br />

Oelberg auf dem Hochaltar der Friedhofkapelle Gruol<br />

Foto Jos. Schneider.<br />

schauenden Garten, den du stets gerne besucht hast, und wo<br />

bei einem deiner letzten Besuche die Empfindung dich durchrann:<br />

Hier müßte sich gut ruhen lassen, wenn der große<br />

Feierabend kommt.<br />

So ruhst du sanft und würdig. Nicht der Einzige hier, der<br />

im Leben, Tausende überragend, die Gottessendung in sich<br />

trug, nach Sternen zu greifen. Nicht weit von dir schläft<br />

ebenfalls ein Großer, dem Sterne verborgene Naturkräfte<br />

entschleierten (Anton Mesmer), schlummert die zarte Gestalt<br />

einer Frau, deren Seele eine Harfe war, eine Harfe,<br />

der des Lebens Finger Liederklänge entlockten, die wie helle,<br />

reine Sterne am Himmel der deutschen Dichtung leuchten<br />

werden, weit über Grab und Tod hinaus (Annette v. Droste-<br />

Hülshoff). Auch dir war es ja gegeben, als Stern von eigenartigem<br />

Glanz am Himmel der Wissenschaft aufzusteigen."<br />

Xaver Schilling.<br />

In jenen Tagen wurde auch der Grabstein mitten in der<br />

Kirche gehoben, auf welchem das Wappen der Rechberg<br />

eingehauen war. Man fand bald ein gut gemauertes<br />

Grab, in dem die Gebeine eines Mannes von VU Schuh Länge<br />

lagen. Darauf ruhte ein Schwert von 3V2 Fuß Länge, sowie<br />

ein Dolch und ein Stahl. Das Schwert brachte man aufs<br />

Rathaus, der Dolch und Stahl aber brachen in Stücke. In<br />

dieses Grab zu den Gebeinen legte man einen in ein Glas<br />

verschlossenen Brief, der die Zeit der Eröffnung und die<br />

Namen der anwesenden Personen enthielt.<br />

Schon den 1. August 1819 war das links vom vorgemeldeten<br />

gelegene Grab geöffnet. Nach vieler Mühe und Begießung<br />

des Steines mit Wasser erkannte man folgende Inschrift:<br />

„Anno domini 1. ... 6 starb die edel und tugendsam<br />

irau Catharina von Rechberg (dieses außen am Rand herum:<br />

und in der Mitte des Steines:) Gott sei ihrer Seele gnädig."<br />

Im Grabe selbst fanden sich regelmäßig geordnete Gebeine<br />

von einer Frau. Der Schreiber dieses (H. Kaplan Fischer<br />

zu Veringenstadt 1819) vermutete, diese Katharina<br />

könnte die Gemahlin des 1554 verstorbenen älteren Georg<br />

von Rechberg sein, der 1538 oder 1540 mit seiner Frau und<br />

Sohn Georg d. j. hier seine Wohnung nahm. Die Gemahlin<br />

des jüngeren Georg, der 1570 oder 1571 starb, war Agnes,<br />

eine geborene Spet, die 1575 noch lebte. Pfarrer Sprißler hält<br />

die letzte Ziffer der Jahrzahl für eine umgekehrte 8, der 4<br />

bedeuten soll. Man darf aber dieser Entzifferung nicht zu<br />

viel Glauben schenken, weil es diese Herren überhaupt nicht<br />

genau genommen zu haben scheinen. Beweis: Am 17. August<br />

1819 lasen die obgemelten Herren die Jahrzahl an der großen<br />

Glocke und entzifferten 1405. Diese hab ich auch schon gesehen,<br />

sie heißt mccccliiii, was doch offenbar 1454 heißt. Soweit<br />

Fischer.<br />

Nota: Auf der Kirchenbühne zu Dillstetten stehen in einer<br />

Kiste eingepackt die Gebeine, die 1862 beim Abbruch der St.<br />

Nikolauskirche daselbst ausgegraben wurden. Es sind 4<br />

Schädel, von denen 3 einander auffallend ähnlich geformt<br />

sind, wogegen der vierte eine andere Bildung hat. Es könnten<br />

demnach wohl 3 Rechberg darunter sein, obschon wir nur<br />

von den 2 Georgen wissen. — (Notizen S. Lochers.)<br />

Das Kunstdenkmälerwerk des Kreises Sigmaringen 1948 S.<br />

393 Nr. 20 sieht die Schrift dieses Grabsteins der Katharina<br />

von Rechberg als ins 13. Jahrhundert gehörig an, was offenbar<br />

irrig ist. Es könnte wohl auch eine geborene Rechberg<br />

gewesen sein, denn sonst wäre der Mädchenname au f<br />

dem Stein vermerkt worden. Krs<br />

Der Jahrgang 1 der „Hohenzollerischen Heimat" enthält<br />

die schöne Geschichte von Auguste Salzmann: „Vom Büblein,<br />

das nicht sitzen konnte." Der Vater dieses Bübleins stammt<br />

von Steinhilben, und auch das Büblein selber war ein Steinhilber<br />

Bub: Verele Jäger. Auguste Salzmann, die Verfasserin<br />

und Tochter dieses Xaver Jäger war eine Verwandte<br />

von Frau Jijliana Geiselhart, geb. Pfeiffer. Sie war in den<br />

20er Jahren einmal in Steinhilben, und ihre Kinder waren<br />

bei Juliane Pfeiffer auf Besuch. Wo sie jetzt wohnen, weiß<br />

ich nicht. Durch mich kam die Erzählung s. Zt. ins Lesewerk<br />

des kath. Lehrervereins und war im sog. „Heimatband" abgedruckt.<br />

Von dieser Erzählung sagte s. Zt. der frühere<br />

preußische Kultusminister von Studt, anläßlich eines Besuches<br />

in Sigmaringen, daß dies das schönste Lesestück des<br />

Lesewerkes sei. F. Widemann.<br />

Merkwürdige Jahrzahlen finden sich um 1300 im Kloster<br />

Heiligkreuztal: Zwölfhundert zehn und neunzig Jahr 1300,<br />

oder tausend zweihundert und neunzig Jahr und in dem<br />

zehenden Jahr ja sogar: tausend zweihundert und neunundneunzig<br />

Jahr in dem nächsten Jahr! Warum diese Scheu vor<br />

der Hunderterzahl?


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 37<br />

Götz von Burladingen: Am 11. Juni 1359 urkundet Graf<br />

Heinrich von Veringen, er habe von Götz von Burladingen<br />

dem alten und dessen Sohn Götz (Gottfried)<br />

den Laienzehnten zu Bächingen, d. h. ein Drittel des<br />

dortigen Zehnten, den diese von ihm zu Lehen hatten, angenommen<br />

und dem Kloster Salem zu seinem Seelenheile<br />

geschenkt. Laut Urkunde vom 21. Juni 1359 zu Pfullendorf<br />

berichtet der alte Götz von Burladingen, er habe<br />

seinen dritten Teil des Zehnten von Bächingen, vormals<br />

Lehen des Grafen Heinrich von Veringen, dem Kloster Salem<br />

zu kaufen gegeben, das nun den ganzen Zehnten daselbst<br />

besitze. Kaufpreis des Drittels: 133 Pfd. Hlr. Zu Bürgen<br />

setzt er seinen Sohn Götz von Burladingen und<br />

seinen Tochtermann Cunrad Grämlich den Amtmannn zu<br />

Pfullendorf. (Salemer Archiv in Karlsruhe).<br />

Nach der OA.-Beschreibung Riedlingen 1923 S. 640 hatte<br />

Salem in Bechingen noch bis 1645 mit anderem Besitz<br />

auch den ganzen Zehnten und verkaufte ihn hier ans<br />

Kl. Zwiefalten. Somit kann es sich bei den Urkunden von<br />

1359 nicht um Bächingen (abgeg. bei Volkertshausen-Stockach)<br />

handeln, wie Krieger im Topograph. Wörterbuch und die<br />

Hohenz. Heimat 1959 S. 41 meinten, sondern das heutige<br />

Bechingen im Kreis Riedlingen.<br />

Der ältere Götz von Burladingen kommt auch in einer<br />

Veringer Urkunde vom 5. Februar 1349 vor: Ursel von Gersteneck<br />

(bei Landshut i. Bay.;. Zweig der Herren von<br />

Freyberg), Frau des Heinz Spet von Schirmberg<br />

(wo?), ferner Adelheid und Ursel, Töchter des verstorbenen<br />

Hug v. Tierberg, verkaufen dem Edelknecht Ulrich v. Regnolzweiler<br />

ihr gemeinsames Haus in Veringenstadt nächst bei<br />

der Nikolauskapelle, das ihr Vater Hug v. Tierberg ihnen hinterließ,<br />

um 23 Pfund Heller. Bürgen: Die 2 Ritter und Brüder<br />

Berthold und Heinrich von Stein, und GötzvonBur-<br />

1 a d i n g e n, und Heinrich Spet, ihr Stiefvater und Pfleger.<br />

Geiselschaft nach Sigmaringen oder Veringen ist ausgemacht.<br />

Siegler: die 2 Gebrüder von Stein, Götz von Burladingen und<br />

Heinz Speth (von Schirmberg). — Letztere Burg scheint in<br />

der Gegend der Lauchert-Fehla abgegangen zu sein, M.<br />

Walter vermutete bei Gauselfingen.<br />

Ein Helmsiegel benutzte Gotzo von Burladingen am 23. 4.<br />

1380, indem auf dem Helm eine mehrzackige Krone sichtbar<br />

ist, aus der der schlanke Falke wächst. (Hohenz. Heimat<br />

<strong>1960</strong>, 24 und Abbild bei Alberti.) Somit haben wir hier die<br />

sonst nicht erwähnte Helmzier vor uns. Uebrigens hat schon<br />

der gut bewanderte Seyler festgestellt, daß die Farben<br />

des Burladinger Wappens unsicher seien. Denn nach alter<br />

Wappenregel kann kein weißer Falke in goldenem<br />

Feld sitzen. Man möchte vielmehr, da graubraun<br />

in der Farbenskala einst nicht vorkam, für den Falken die<br />

Farbe schwarz --ermuten. Schließlich fand sich auch noch<br />

im Fürstenbg. Urkb. Bd. VI, S. 238 eine letzte Kunde des<br />

Geschlechtes: Am 16. Mai 1402 empfing C u o n von<br />

Burladingen vom Grafen Eberhard von Wirtemberg zu<br />

Mannlehen den Teil des Kornzehntens zu Trochtelfingen,<br />

den Menloch von Linstetten vorher hatte! Somit hatte<br />

es mit dem Besitz im Städtchen Tr. doch seine Richtigkeit.<br />

Dort findet sich auch am 26. Juli 1406 unter den Bürgern<br />

noch eine B e n t z (Berthold) Burlading, den man mit<br />

mehr Wahrscheinlichkeit für einen unebenbürtigen Nachkommen<br />

halten könnte, als die von Rischert neulich beigebrachten<br />

Wolfe, die aus Burladingen ausgewandert waren.<br />

Götz von Burladingen siegelte auch noch im Jahre 1384<br />

eine Urkunde, die jetzt im Staatsarchiv München liegt. Merz-<br />

Hegi bilden mit der Züricher Wappenrolle 1930 auf Siegeltafel<br />

VI dessen Siegel ab: Helm mit Decke, dessen Zier aus<br />

einem Dreiberg besteht, auf dem ein schlanker Falke nach<br />

heraldisch rechts schaut. Umschrift f S. GOEZEN VON<br />

BVRLADINGEN. Die angebliche Krone auf dem gleichen<br />

Siegel im Staatsarchiv Stuttgart von 1380 (Alberti) dürfte<br />

somit eher als Dreiberg aufzufassen sein. Krs.<br />

Der Ringinger Spruch: „Bar le ban" scheint in der Bedeutung<br />

„Zum Zeitvertreib" offenbar französisch zu sein.<br />

Aber es ist unklar, ob es „Parle banc" oder „Parier ban"<br />

oder wie sonst heißen müßte. Wer von den Sprachkundigen<br />

kann Auskunft geben!<br />

Der Kirchturm in Ringingen ist trotz gegenteiliger Behauptung,<br />

neuestens wieder im Hohenzollerischen Jahresheft<br />

S. 283, nicht gotisch. Denn im Jahre 1714 schreibt der<br />

Schultheiß: „Wir haben keinen Kirchturm und die Glocken<br />

hängen außerhalb an einem Gerüst". Allerhöchstens kann<br />

der unterste Stock des Turmes, der 1714 und bis 1905 als<br />

Sakristei diente, aus älterer Zeit stammen! Das übrige<br />

wurde laut Rechnungen 1720 drauf gebaut. Krs.<br />

Stetten-Gnadental. Am 14. November 1663 hat Frater<br />

Markus Antonius a Carpenedulo, General des Kapuzinerordens,<br />

von Solothurn aus die Priorin und den Konvent der<br />

Dominikanerinnen in Gnadental (bei Hechingen) unter seine<br />

geistlichen Töchter aufgenommen und sie aller Meßopfer,<br />

Gebete und Verdienste etc. teilhaftig gemacht, die in seinem<br />

Orden erlangt werden. Dieser „Gnadenbrief geistlicher<br />

Kindtschaft" wurde vermittelt durch Fr. Lambert, Kapuziner<br />

von Freiburg i. Brsg., derzeit Guardian in Rottenburg a. N.<br />

(Orig. Pap. mit Siegel in der Heimatbücherei Hechingen Nr.<br />

G 867, frdl. mitgeteilt durch Studienrat H. Faßbender.) Kr.<br />

Eremit im Bittelschießer Täle. Am 11. Oktober 1719 wurde<br />

im Geistl. Rat zu Konstanz ein Schreiben des Dekans von<br />

Ostrach verlesen: der Pfarrer von Bingen habe die Hinterlassenschaft<br />

des verstorbenen Eremiten zu Bittelschieß<br />

Fr. Josef Stuffler, 3. Orden S. Francisci, im Namen<br />

des Ordinariats versiegelt. Der Hornsteinische Obervogt jedoch,<br />

Herr Johann Caspar Bechinger, habe jedoch das Siegel<br />

weggerissen und das seinige namens seiner Herrschaft aufgedrückt,<br />

auch das Eremitorium oder Häuslein, in dem der<br />

Bruder gewohnt mit einer Wache umstellt, damit niemand<br />

an das Siegel herankomme. Habe sogar befohlen, alle vor<br />

dem Leichnam annoch in dem Häuslein gebrunnene Kerzen<br />

— da jener hinausgetragen und zu der Erde bestattet werden<br />

wollen — auszulöschen, gleichwie er mit der Wacht eben<br />

darum noch immer continuiere. Beschluß: Es soll der Casus<br />

an seine Hochfürstl. Gnaden (den Bischof) untertänigst gemeldet<br />

werden, daß sie gnädigst geruhen wollten, an den<br />

Herrn Baron von Hornstein ein Schreiben zu richten, damit<br />

seine von seinem Obervogt verübte, so impertinen als den<br />

Rechten des Ordinariats und der kirchlichen Immunität präjudicierliche<br />

Insolenz gänzlich abgestellt und die hierin copetenten<br />

Ordinariatsrechte inconturbate exerziert werden möchten.<br />

Inzwischen aber könne man gegen den Obervogt mittels<br />

Strafmandat vorgehen. (Erzb. Arch. Freib. Ha 220, 365.) Krs.<br />

Gorheim, Instituthaus für Exnonnen. Nach Aufhebung des<br />

Klosters Gorheim und anderer in Vorderösterreich gelegenen<br />

Frauenkonvente um 1782 wurde im Klostergebäude ein Institut<br />

für die ehemaligen Schwestern vieler Orte in Gorheim<br />

eingerichtet. Am 1. Juli 1790 hatte der Direktor Lenzinger<br />

daselbst den Todfall der Oberin dieses königl. erzherzogl.<br />

Versammlungshauses, namens Magdalena Paschach<br />

e r i n nach Konstanz gemeldet und bei der bischöflichen<br />

Behörde angefragt, wie er die Neuwahl vorzunehmen habe.<br />

Man hatte ihm geraten, dies unter Zuzug des Stadtpfarrers<br />

Schwab „ohne Gereüsch oder Feyerlichkeit" vorzunehmen.<br />

Darauf berichtete der Direktor, daß das königl. Oberamt<br />

Stockach ihm eine Regiminalweisung zukommen ließ, er<br />

habe nach § 2 Nr. 2 der Statuten des Instituts einen Vorschlag<br />

der tüchtigsten Exnonne an die Landesstelle zu machen,<br />

die diese dann als Oberin aufstellen werde. Hiermit<br />

war nun auch Konstanz einverstanden. (Erzb. Arch. Ha 255,<br />

Seite 376.) Krs.<br />

Ende der Eremiten-Romantik. Am 23. Februar 1782 verhandelte<br />

der bischöfliche Geistliche Rat zu Konstanz: Am<br />

vergangenen 25. Jänner habe die kaiserliche Regierung an<br />

den Bischof von Konstanz in einem Schreiben die gänzliche<br />

Aufhebung und Abstellung aller Waldbrüder oder Eremiten<br />

im österreichischen Gebiet (natürlich auch Vorderösterreich,<br />

Hohenberg, Rottenburg etc.) mitgeteilt. Hierauf erfolgte der<br />

Beschluß: Weil man überhaupt ab Seiten des bischöflichen<br />

Ordinariats die Eremiten schon längstens aufgehoben<br />

zu sein wünschte, und diese Verordnung<br />

von den königlichen Oberämtern vermutlich schon befolgt<br />

und exequiert worden sein wird, beruhet dieser Vorgang<br />

auf sich. (Erzb. Archiv Freiburg Ha 246, S. 239.) Kraus J. A.<br />

„Die Schrecke" läuten. Um Weihnachten war in irgend<br />

einer Zeitung zu lesen gewesen, in der Baar läute man in<br />

der Frühe des Weihnachtsmorgens „den Schrecken". Nun ist<br />

nicht recht einzusehen, wer da in Angst und Schrecken versetzt<br />

werden soll! In Ringingen sagt man denn auch: Man<br />

läutet „die Schreck e", wobei das e wie in Hecke gesprochen<br />

wird. Es ist offenbar das gleiche Wort, das uns in<br />

„jabber aufschrecka", d. h. aufspringen machen. Dies<br />

ist nämlich die Grundbedeutung des Wortes, das uns auch<br />

in Heuschrecke begegnet. Die Vergangenheitsform lautet<br />

„verschreckt" und „aufgeschreckt". Selbst erschrecken oder<br />

in Schrecken geraten wird in der Mundart „vrschräacke" gesprochen,<br />

die Vergangenheitsform lautet „vrschrocka". Offenbar<br />

sollen die Leute am Weihnachtsmorgen aus dem Schlafe<br />

aufgeschreckt werden, damit sie den Frühgottesdienst des<br />

Engelamtes nicht verschlafen. Kr.


38 Jahrgang 1P^u<br />

Das Wort Fasnet kann nicht von faseln abgeleitet werden,<br />

da jenes schon seit dem Jahre 1200, dieses aber in der Bedeutung<br />

„dummes Zeug reden" erst seit dem 17. Jahrhundert<br />

nachgewiesen werden kann. Fasnet als Faselnacht erklären<br />

zu wollen ergäbe einen fatalen Sinn. Fasel ist nämlich<br />

der alte Name für den Zuchteber, auch Zuchtstier und bezeichnet<br />

die Nachkommenschaft. Das zugehörige Zeitwort<br />

„vasen und faseln" bedeutete im Mittelhochdeutschen: Fasern<br />

bilden, Wurzel fassen, sich vermehren, gedeihen und fruchten.<br />

Gelehrte von Weltruf, wie Math. Lexer (Mittelhochdeutsches<br />

Wörterbuch), Friedr. Kluge (Etymolg. Wörterb.)<br />

und Wasserzieher E. sehen in ihren neuen <strong>Ausgabe</strong>n in Fasnet<br />

lediglich eine Abschleifung aus Fastnacht, der<br />

Nacht bzw. Vortag vor der großen kirchlichen Fastenzeit!<br />

Andere Erklärungsversuche von Fehrle u. a. sind nach obigem<br />

leere Faseleien! Ki.<br />

Die Volksbräuche Steinhilbens, die Widemann um 1910<br />

sammelte (Hohenz. Heimat <strong>1960</strong>, 6 f), reizen geradezu, einen<br />

Vergleich mit anderen Gemeinden anzustellen. Vieles davon<br />

wird auch anderwärts Brauch gewesen sein, neben Verschiedenheiten.<br />

So sagte man z. B. in Ringingen nicht „Vorspann<br />

leisten", sondern „fürspanna", wenn man mit Seilen der<br />

„Täufede" oder dem Brautwagen den Weg versperrte;<br />

bei schweren Wagen dagegen wurde „voargspannet". Auch<br />

den „Hefekranz" kannte man nicht, schon weil Backpulver<br />

unbekannt war und man sonst das Brot meist mit „Hefel" =<br />

Sauerteig, später mit „Heaff = Hefe buk. Man würfelte vielmehr<br />

um „Ring e". In Burladingen fand ich einmal im<br />

Ehebuch die Notiz „Mittwochhochzeit" mit Ausrufezeichen.<br />

Erst später ergab sich die Lösung: Solche, die sich vor der<br />

Hochzeit vergangen hatten, mußten nämlich am sonst<br />

verrufenen Mittwoch heiraten! Ob der Ausdruck „Polterabend"<br />

alt ist, müßte man erst untersuchen. In Ringingen<br />

heißt der Brautführer „Dreitänzer" und das Hochzeitsessen<br />

früher „Zeach". „Weandr in d' Zeach sitza?" Bei uns heißt<br />

es „Monet-", nicht „Maunetstäg". Der „Dreißnegst", in dem<br />

die Eier besonders haltbar seien, war m. W. 30 Tage von<br />

Mariä Himmelfahrt an gerechnet. Ob man die vielen abergläubischen<br />

Bräuche vor 50 Jahren wirklich in altgermanische<br />

Zeit zurückdatieren kann, scheint immerhin gewagt zu sein.<br />

Vieles ist sicher viel jünger und eben aus der Unsicherheit<br />

des menschlichen Lebens und Alltags geboren gewesen. Ergänzungen<br />

zu Steinhilben, besonders aus dem Unter- und<br />

Oberland wären dringend erwünscht! Krs<br />

Eine sonderbare Bürgschaft bezeichnet das Wort Einlager<br />

oder Geiselschaft (obstagium). Die verpflichtete Partei, also<br />

der Verkäufer, Verpfänder, stellte der anderen Partei Bürgen,<br />

die mit ihrer Person dafür einstanden, daß das verabredete<br />

Geschäft auch richtig vollführt würde. Bei Verpfändung<br />

der Herrschaft Mühlheim durch den Grafen Friedrich<br />

von Zollern 1303 gelobte dieser dem Bischof von Konstanz,<br />

falls er dem Vertrag nicht nachkomme, sich zur „giselschaft"<br />

in der Stadt Konstanz zu stellen, Wurde nun die Verpflichtung<br />

nicht ausgeführt, so mußten die Bürgen nach vorausge<br />

gangener Mahnung sich mit den in der Urkunde genau festgesetzten<br />

Anzahl Männer und Pferden am bestimmten Ort<br />

im „gemeinen" öffentlichen Wirtshaus sich einfinden, und<br />

dort so lange auf Kosten des Beklagten leben, bis der Kläger<br />

befriedigt sei. Dieses Einlager hieß man auch Leistung.<br />

Zingeler vermutet, die Bürgen hätten in der Frühzeit auf<br />

eigene Kosten im Einlager gelebt. Nach 1500 kam diese<br />

merkwürdige Bürgschaft alimählich auf. Einzelfälle kämen<br />

noch bis ins 17. Jahrhundert vor (Zingeler in Mitt. Hohenz.<br />

1886, S. 90 f.) Kr.<br />

Fritz Schweiber von Straßberg siegelte mit Konrad von<br />

Hornstein am 13. April 1446 eine Urkunde des Jodok von<br />

Hornstein zu Schatzberg, worin dieser seinen Teil am Hof<br />

zu Egelfingen an den Katharinenaltar zu Veringen verkaufte.<br />

Lo.<br />

Schaltzburg als Familienname. Am 8. August 1372 verkaufte<br />

Graf Wolf rat von Veringen an Heinz den Banholzer<br />

einen halben Hof zu Hermentingen, den Cuntz Maurer<br />

und Albrecht Swiberli bebauten, den aber Schaltzburg bis zu<br />

seinem Tode noch nutznießen darf. (Locher.) — Schaltzburg<br />

ist eine andere Schreibart für Schalksburg, einer Burg bei<br />

Straßberg und eine größere bei Burgfelden. Der Name dürfte<br />

von der Burg genommen sein, ohne daß wir freilich Näheres<br />

wissen. Krs.<br />

Von der Hettinger Badstube, über die M. Walter bei Behandlung<br />

der Badstuben in Hohenzollern (Hohenz. JHeft 1951<br />

S. 101) nichts beibringen konnte, handeln Archivalien von<br />

1520 bis 1625 im fürstl. hohenz. Dom.-Archiv Sigmaringen<br />

R 75, 64; Ka 23,9. Krs.<br />

Von der Mühle zu Laiz<br />

In dem beim Preßverein Konstanz 1911 erschienenen Werk<br />

über: „Die von Hornstein und Hertenstein, Erlebnisse aus<br />

700 Jahren", liest man über die Zugehörigkeit der Laizer<br />

Mühle folgendes:<br />

Johannes I. von Hornstein, von Wüflingen genannt, Ritter,<br />

1282—1323. Nach dem österreichischen Pfandschafts-Verzeichnis<br />

von 1313 besaß Johannes die Burg Schatzberg, viele<br />

Güter zu Enslingen. sieben Bauerngüter und zwei Mühlen zu<br />

Unlingen, einen Hof zu Dietelhofen nebst Kleinzehnten und<br />

Gefälle, einen Hof zu Hedingen und die Mühle<br />

zu Laiz, zwei Höfe zu Bingen und verschiedene Gefälle<br />

zu Unlingen, Kirchhailtingen, Diengen, Sigmaringendorf und<br />

Bingen. Er urkundet meistens als Zeuge bei den umliegenden<br />

Klöstern Heiligkreuztal und Zwiefalten, auch öfters bei<br />

Kloster Salem, letztmals 1322, als er auf dem Gerichte zu<br />

Schattbuch über die Heiligenberger Grafenrechte Zeugenschaft<br />

ablegte. W.<br />

Uolridi von Liechtenstein war 1306 Abt des Klosters Elchingen.<br />

(S. Locher.)<br />

Ein Christoph Ringelstein war am 20. Juli 1543 Untervogt<br />

in Sigmaringen. Ob er mit den ehemaligen Herren von Ringelstein-Affenschmalz<br />

verwandt war? (Urkunde betr. Kleinzehnt<br />

zu Deutstetten im Staatsarchiv Sigmaringen.)<br />

Georg Simmendinger, wohl ein Angehöriger der Familie<br />

im Killertal, war bis 22. April 665 Müller zu Veringenstadt.<br />

(S. Locher.)<br />

Hans Kastner war 1458 Vogt zu Gammertingen, im Jahre<br />

1463 aber Conrad Braitnauer ebenfalls.<br />

Ein Weiler Veringeifeld wird in einer Urkunde von 1360<br />

für die Nikolauskapelle Veringenstadt erwähnt. Darin taucht<br />

auch schon die vordere Badstube auf, woraus man folgern<br />

kann, daß es auch noch eine hintere gab, die folglich nicht<br />

erst 1460 nachzuweisen sind, wie M. Walter bei Behandlung<br />

der hohenzollerischen Badstuben angibt. (Hohz. JHeft 1951,<br />

S. 101).<br />

In einer Reihe von hohenzollerischen Gemeinden werden<br />

von Dr. Hans Jänichen in einer Arbeit: Der Besitz des Klosters<br />

Stein am Rhein (zuvor Hohentwiel) nördlich der Donau<br />

• om 11. bis 16. Jahrhundert (Jahrbücher für Statistik und<br />

Landeskunde von Baden-Württemberg, Jahresband 1958,<br />

Statistisches Landesamt Stuttgart) Besitz und Rechte nachgewiesen.<br />

Im Kreis Hechingen werden die Ortschaften Bisingen,<br />

Dettlingen, Dießen, Fischingen, Grosselfingen und<br />

Steinhofen aufgeführt. Vom Kreis Sigmaringen sind es die<br />

Siedlungen Burg-Straßberg, Frohnstetten und Kaiseringen,<br />

über deren Geschichte und Schicksale Kraus in seiner Abhandlung:<br />

Zur Herrschaft Straßberg an der Schmeie (Hohenzollerisches<br />

Jahresheft, Jahrgang 1959) eingehend geschrieben<br />

hat. M. Sch.<br />

Wochenwerk zu Burladingen. Am 3. November 1423 verkaufte<br />

Aberlin Wochenwerk zu Burladingen mit Zustimmung<br />

seiner Frau Ellin, seines Sohnes Simon und des zu Jungingen<br />

seßhaften Tochtermanns Schiterlin an den Veringer<br />

Kaplan Hans der Broyel 1 Pfund Heller jährlichen Zins aus<br />

seiner Wiese zu Burladingen, gelegen inmitten im Dorf unter<br />

Manzen Haus, genannt des Bücken Wolfen Wiese, um<br />

24V2 Pfund Heller. Die Urkunde siegelten Albrecht von Renhartsweiler<br />

der älter (zu Veringen) und Conrad Vogt, Bürger<br />

ebenda. - Offenbar brauchte dieser Wochenwerk gerade<br />

bares Geld! Der genannte Kaplan verkaufte dann am Donnerstag<br />

vor St. Martinstag 1436 diesen Jahreszins um 30 Pfd.<br />

Heller an den St. Katharinenaltar in der Nikolauskirche<br />

Veringenstadt. Hier siegelten Dekan Johannes Locher, Kirchherr<br />

zu Veringendorf und Junker Konrad von Renquishausen.<br />

(Locher.)<br />

Rätselhafte Glockeninschrift von 1697 in Waldkirch (Brsg.):<br />

TVRBA ORIOR: QVIETA MORIOR. Die Uebersetzung ist<br />

nicht ganz einfach und gute Formulierung noch schwieriger.<br />

Wer wagt das Kunststück?<br />

Auf einer andern Glocke ebendort findet man das Bild<br />

Mariä Verkündigung mit einer Unterschrift, die als Chronogramm<br />

zweimal die Jahreszahl enthält (Großbuchstaben zusammenzählen!)<br />

:<br />

DIC: angeLVs nVntlaVlt Marlae.<br />

DlCatVr hIC et aVe LIberet Maria a Vae!<br />

Wer schafft eine Uebersetzung in annehmbarer Form? Krs.


Jahrgaflg''¥966 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

Ritter Sehwenger von Liechtenstein siegelte am 1. Februar<br />

1395 neben dem Kirchherr Johannes Dachs von Trochtelfingen<br />

eine Urkunde, in der letzterer dem Cuntz Murnhart,<br />

Bürger zu Veringen, sein Gütiein zu • Harthausen auf der<br />

Alb um 11 rh. Gulden verkauft, genannt Friedingers Gütle,<br />

das s. Zt. der Hölzli bebaut und darauf jährlich 7 Scheffel<br />

beiderlei Korn gibt. Zeugen: Heinz Knorr, Kuntz Alber und<br />

Heinz Scherling, alle Bürger zu Trochtelfingen und der Vater<br />

des Verkäufers: Frick der Dachs von Mägerkingen. Später<br />

kam das Gütlein durch Kauf an die Thomaskaplanei Veringenstadt.<br />

(Locher.)<br />

Hedingen und Straßberg. Die Gefälle und Grundzinsen,<br />

die das Kloster Hedingen zu Straßberg bezog, wurden von<br />

ihm im Jahre 1579 um 129 fl an den Leheninhaber Adolf<br />

Dieteg von Westerstetten verkauft. (Randnotiz im Urbar von<br />

1441, erwähnt im Aufsatz über Hedingen von Laßberg in<br />

Württb. Jahrbüchern 1830, S. 130—147!)<br />

Gebietsmission in Benzingen. Am 28. April 1771 (4. Sonntag<br />

nach Ostern) fingen die Jesuitenpatres Josef Passeyrer,<br />

Fidelis Schneider, und Josef Ruoff in Benzingen eine Mission<br />

an, zu der auf Anordnung der Sigmaringer Regierung auch<br />

die Gemeinden Veringendorf und -Stadt, Harthausen und<br />

Storzingen erschienen und die ganze Zeit den Vormittag über<br />

hier blieben. Allen wurde gestattet, ein Missionskreuz zu<br />

errichten. Das Kreuz in Veringenstadt wurde am 6. Mai<br />

(Montag in der Bittwoche) auf dem Berg der alten Burg bei<br />

der Peterskapelle durch P. Passeyrer aufgestellt, wo man die<br />

Missionsablässe gewinnen kann." Lo.<br />

Magnusstab in Veringen. „Im Jahre 1771 haben die Würmer<br />

unseren Winter- und Sommersaaten großen Schaden<br />

getan. Man rief in unsere Gegend den Stab des hl. Abtes<br />

Magnus, der gegen die Schädlinge große Kraft besitzt, wenn<br />

man ihn vertrauensvoll anwendet. Am 23. Juni, einem Dienstag,<br />

kam gegen Abend der Benediktinerpater Michael Lutz<br />

von Zwiefalten, gab den Segen in vier Stationen mit eigenen<br />

Evangelienabschnitten und besprengte die Felder mit Weihwasser<br />

und zur Ehre des hl. Magnus gesegneter Erde, gab<br />

auch den Segen dem Volk und den Aeckern mit den Reliquien<br />

im ehrwürdigen Abtsstab des Heiligen. Da hörte die<br />

Gefahr auf. Vom Stadtrat wurden dem Pater 3 fl (= 12 Goldmark)<br />

gegeben und dessen Diener 1 fl. Gott und dem hl.<br />

Magnus sei Lob und Dank. Seb. Locher.<br />

Nikolauskirche zu Veringenstadt. Im Juli 1754 wurde der<br />

Altar des hl. Apostels Thomas aus der Mitte der alten Nikolauskirche<br />

Veringen weggetan und die darauf ruhende Stiftung<br />

auf den Seitenaltar bei der kleinen Tür verlegt. Der<br />

beseitigte Altar wurde mit größter Mühe ganz in die Kapelle<br />

St. Peter auf dem Berg versetzt in die Burgruine, mit Zustimmung<br />

des Bischofs. In der gleichen Zeit hat man auch<br />

die Orgel, die bisher über dem Hochaltar war, auf das hintere<br />

Portal verbracht. Die Bilder auf dem Altar wurden auf<br />

Kosten von Wohltätern restauriert: Die Marienstatue übernahm<br />

zum Erneuern die Spitalpflege durch Mathias Kohler<br />

und Nikolaus Stauß. St. Peter bezahlte Herr Chrostoph. Andr.<br />

Roth, Kaplan von St. Johann Bapt. und Thomas. St. Nikolaus<br />

zahlte Herr Johann Mich. Lendle, Tuchmacher, i f Johann<br />

Bapt. zahlten Stadtrat Johann Mich. Lieb und Engelwirt<br />

Friedrich Endris. St. Johannes Evang. zahlte Metzger<br />

Fidel Gauggel. S. Locher.<br />

Ein Verzeichnis der Frühmeßeinkünfte zu Hettingen von<br />

1491 berichtet: Der Herr Mathis Kiferlin, der auch<br />

1493 als Kaplan dahier erwähnt ist, habe mit dem Jäger<br />

und dem Knor eine Stiftung gemacht an die Heiligenpfleger<br />

St. Martin, daß sie den Frühmeßaltar „belichten" soll,<br />

wie die andern Altäre. Vorher mußte nämlich der Kaplan<br />

dies jeweils selber tun, was eine große Unrüb (Unruhe)<br />

machte. Dies geschah mit Zustimmung des Kirchherrn Heinrich<br />

Bittel und der Vögte und Heiligenpfleger, laut Heiligenpfleger,<br />

laut Heiligenrodel von 1490. Ferner hat der frühere<br />

Kirchherr Heinrich Harthauser, der 1492 resignierte, im<br />

Jahre 1496 zwei Schilling zu einer Jahrzeit gestiftet. Endlich<br />

stiftete Hans Kaspar von Bubenhofen 2 Mit. 3 Vtl. Korn<br />

oder das Geld dafür jährlich jedem Kaplan zu Hettingen<br />

aus dem Großzehnten von Gammertingen. Dafür sollen die<br />

drei Kapläne dem Kirchherrn helfen jeden Sonntagabend<br />

eine Seelvesper ob dem Grab (Gruft) sprechen, und morgen<br />

darauf ein gesungenes Seelamt mit gesprochener Vigil halten,<br />

und danach abermals eine Seelvesper, und sollen alle<br />

Tage das Grab helfen berouchen (beräuchern). Aktum im<br />

(14)98 Jore. (Pfa. Hettingen.)<br />

Die Klöster Gruol und Rangendingen<br />

Die „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens<br />

in Deutschland" Heft 23, 1927, berichten aus<br />

römischen Quellen:<br />

Conventus Gruelensis 1751<br />

Der Dominikanerinnenkonvent Grüol, Diözese Konstanz,<br />

im Gebiet des Fürsten von Hohenzollern fing 1477 ohne<br />

eigentliche Fundation an, wurde vielmehr von bäuerlichen<br />

Mädchen gebildet, die sich zusammentaten, um unverheiratet<br />

ein jungfräuliches Leben zu führen. Der Konvent hat keine<br />

eigene Kirche, sondern benutzt die Pfarrkirche, betet auch<br />

dort für sich die Tageszeiten. An Kapitalien hat er 4000 fl<br />

ausgeliehen und bezieht jährlich an Fruchtzins verschiedener<br />

Art nur 25 Malter. An Immobilien besitzt er 36 Jauchert<br />

Aecker, 20 Jauchert Wiesen und bezieht auch etwas Wein<br />

aus einem Dorf bei Tübingen. Sonst hat das Klösterlein<br />

weder Guthaben noch Schulden, und kann 12 Schwestern<br />

ernähren, die dem dritten Orden angehören.<br />

Im Jahre 1753 hatte Gruol dann als Priorin Mutter Maria<br />

Theresia Beck, 36 Jahre alt, Profeß 15 Jahre; Subpriorin<br />

Mutter M. Catharina Bürcklin, 45 J. alt, Prof. 21 J.; Schw.<br />

M. Luzia Weglerin, 71 J., 51 Prof.; Sr. M. Fidelitas Alberin,<br />

69 J., Prof. 48; Sr. M. Dominika Byllmayerin, 58 J., Prof. 29;<br />

Sr. M. Theresia Beck, 36 J., Prof. 13; Sr. M. Rosa Ghaugin,<br />

38 J., Prof. 11; Sr. M. Johanna Beckin, 32 J„ Prof. 10; Sr.<br />

M. Josepha Mauchin, 27 J., Prof. 8; Sr. M. Agnes Mayerin,<br />

29 J., Prof. 8; Sr. M. Antonia Luzenbergerin, 27 J., Prof. 6.<br />

Zusammen 11.<br />

Conventus Rangendingensis 1751<br />

(Nach alter Ueberlieferung bestand hier schon früher ein<br />

reguläres Kloster, wurde aber durch verfluchte List von<br />

Neuerern unterdrückt und in eine Räuberhöhle verwandelt,<br />

so daß das Kloster ganz aufhörte. Jedoch 20 Jahre darauf<br />

hat Gr. Eitelfriedrich von Hohenzollern den Ort gereinigt<br />

und anno 1302 ihn Dominikanerschwestern des 3. Ordens<br />

überlassen, weswegen sie ihn als Stifter verehren.) Das Kloster<br />

besitzt 54 Jauchert Aecker, 20 Jauchert Gärten und<br />

Wiesen, 12 Jauchert Wald. Auf Zins sind 4000 fl ausgeliehen.<br />

Schulden sind keine vorhanden. Es ernährt 14 Schwestern.<br />

Im Jahre 1753 hatte diese Schwesternsammlung als Beichtvater<br />

den P. Gottfried Molitor vom Kloster Mergentheim,<br />

40 Jahre alt, Profeß 20 J.; als Priorin Mutter Anna Martina<br />

Regenspergerin, 30 Jahre alt, Prof. 14 J.; Subpriorin Mutter<br />

M. Catharina Klimmin, zugleich Novizenmeisterin, 65 J. alt,<br />

Prof. 42 J.; Mutter M. Catharina Baaderin, Jubilarin, 76 J.<br />

alt, Prof. 55 J.; Sr. M. Dominika Hoffmännin, Kellerin und<br />

Gastschwester, 34 J. alt, Prof. 11J.; Sr. M. Josepha Kasonin<br />

Pförtnerin, 30 J. alt, Prof. 9 J.; Sr. M. Viktoria Hueberin,<br />

Präfektion von Küche und Speicher, 3. J. alt, Prof. 9 J.;<br />

Sr. M. Rosa Kolbin, Köchin, 27 J., Prof. 8 J.; Sr. M. Cres-<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


40 Jahrgang <strong>1960</strong><br />

centia Ebürtmayrin, Sakristanin, 25 J., Prof. 7 J.; Sr. M.<br />

Johanna Wagusin, 23 J. alt, Prof. 2. J. Zusammen 10. J.A.K.<br />

1491 8. April Frau Ottilia von Bubenhofen, Witwe, geborene<br />

von Bach macht eine Stiftung, eingedenk des Wortes<br />

„Wer seget (sät) in Triebsaligkait würdt in Froüden schniden",<br />

sowie der Tatsache, daß nichts „erschrecklicheres ist<br />

dan der Tod und nichts ungewissers dan die Stunde des<br />

Tods", für sich und ihren verstorbenen Gatten Hans von<br />

Bubenhofen weiland Landhofmeister des Gr. Eberhard von<br />

Wirtemberg. Nämlich alle Freitage soll in der Pfarrkirche zu<br />

Hettingen nach dem gesungenen Amt vom Mesner ein Zeichen<br />

mit der großen Glocke zum Gedächtnis des Sterbens<br />

Christi gegeben werden, wovon er jeden Freitag 1 Heller<br />

bekommt. Kirchherr und Kapläne sollen anschließend das<br />

Responsorium singen „Tenebrae factae sunt" mit Vers und<br />

Gloria und VersiKel „Proprio filio suo" samt der Kollekte Quesumus<br />

Domine". Sie erhalten dafür als Präsenzgeld von<br />

den St. Martinspflegern zu Hettingen: der Kirchherr 4 Hlr.,<br />

die Kapläne je 3 Hlr. Dabei sollen die zwei Kerzen auf dem<br />

Hochaltar brennen, bis Edles vollbracht ist. Die Heiligenpfleger<br />

erhalten 10 Heller. Die Witwe stiftet dazu 50 rheinische<br />

Gulden, die jährlich 3 Pfd. 8 Hlr. Zins tragen. Siegler:<br />

die Stadt Hettingen und der Kirchherr Heinrich Bittel daselbst.<br />

Die Bestätigung dieser Stiftung durch den Bischof Thomas<br />

von Konstanz erfolgte am 14. Mai 1492 (Pfa. Hettingen).<br />

Burgherr zu Ringingen war nach dem Tode des Kleinhans<br />

Schwelher sein Tochtermann Friedrich von Ow, der die<br />

Tochter Agnes geheiratet hatte. An völlig unerwarteter<br />

Stelle, nämlich dem von Dr. Franz Haug verfaßten und<br />

nun von seiner Tochter Dr. Irmentraud Haug in Ellwangen<br />

herausgegebenen „Marbacher Dorfbuch" (Krs. Saulgau, 346<br />

S. mit vielen Bildern) findet sich S. 302 die Nachricht, daß<br />

Friedrich von Aw zu Ringingen mit Ulrich von<br />

Schinan zu Gamerschwang und Walter Näglin zu Riedlingen<br />

einen Weidebrief von Marbach am Donnerstag nach Lätare<br />

1456 bestätigen. Das Jahr ist zwar nicht ganz sicher (im Druck<br />

heißt es irrig 1546), aber sicher kommt die Zeit nach 1450 infrage,<br />

wo der Schwiegervater tot und Friedr. v. Ow bis 1457<br />

in engsten Beziehungen zu den Zollergrafen stand (Hhz. JH.<br />

1938 S. 129). Im Jahre 1464 wohnte noch am 15. April die<br />

Schwiegermutter Anna v. Freiburg, Schwelhers Kleinhansen<br />

Witwe, auf der Burg und erhielt vom Bischof von Konstanz<br />

die Erlaubnis, einen Tragaltar zur Durchführung von Exequien<br />

(Totengottesdiensten) zu benützen (Krebs, Invest.-Protokoll<br />

S. 708). Die Nachricht der Zimmerischen Chronik,<br />

Burg Ringingen sei unlängst nach Kleinhans Schwelhers Tod<br />

(also nach 1450) in einem Krieg zerstört worden, dürfte somit<br />

nicht allzu wörtlich genommen werden. Allerdings würde<br />

die Fehde des Hans von Rechberg vom 4. September 1464<br />

günstig liegen, der die Werdenbergischen Besitzungen plünderte,<br />

Melchingen, Feldhausen und Harthausen verbrannte<br />

und Benzingen 400 fl Schätzung auflegte. (E. W. Kanter, Hans<br />

von Rechberg, Zürich 1903 S. 101; Zimmerische Chronik I.<br />

400.) Krs.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-•<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbe-<br />

stellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deut-<br />

liche Schrift wird gebeten.<br />

Heimatliteratur<br />

Umsonst abzugeben, gegen Ersatz des Portos und der Verpackung,<br />

je 1 Exemplar: Eb. Gönner, Wappenbuch des<br />

Kreises Sigmaringen 1958, brosch. mit farbigen Bildern, 62 S.,<br />

und Blätter des Schwäb. Albvereins 1892—95 und Reste<br />

von 96—98, in einem Band gebunden. Nachrichten an die<br />

nicht Berücksichtigten unmöglich.<br />

Joh. Adam Kraus, Freiburg i. Brsg., Herrenstr. 35.<br />

Die Hohenzollern einst und jetzt, von Heinrich von Massenbach,<br />

Verl. Tradition und Leben, 5. Aufl. 1959, 2 DM, 52<br />

Seiten, behandelt in Kürze: Burg Hohenzollern, Herkunft des<br />

Hauses, Kurfürsten bis Kaiser, Haus Doorn, Nachfahren Wilhelms<br />

II., Seitenlinien des preußischen Hauses, die schwäbischen<br />

Hohenzollern. Leider sind nicht alle Kinder des<br />

jetzigen Fürsten und seines Bruders aufgenommen, was wohl<br />

durch die fürstliche Hofkammer ergänzt werden könnte! Das<br />

Bild des Sigmaringer Schlosses S. 49 datiert vor 1893, die<br />

Unterschrift unter dem ersten Bild ist reichlich unklar bzw.<br />

wirklichkeitsfremd!<br />

Deutscher Glockenatlas: Württemberg-Hohenzollern, bearbeitet<br />

von Sigrid Thurm, 715 S.; 476 Abb. Dtsch. Kunstverlag<br />

München-Berlin 1959, gebunden 53 DM. Das glänzend ausgestattete<br />

Werk bringt die Beschreibung und viele Bilder der<br />

alten Glocken des Gebiets, ohne Rücksicht auf Ton und Harmonie.<br />

Dadurch sind erstmals ganze Glockenfamilien datierter<br />

und undatierter Werke greifbar und bestimmten Geschlechtern<br />

zugewiesen. Register und Gießerverzeichnis mit<br />

Stammbäumen sind beigegeben. Als älteste datierte Glucke<br />

findet man S. 6 die von Melchingen 1273, deren Inschrift<br />

bekanntlich erstmals im „Zollerländle" 1926 S. 40 und S. 4<br />

gedeutet wurde, was schamhaft verschwiegen ist. Undatierte<br />

Glocken findet sich eine ganze Reihe, auch älterer. Zu S. 22<br />

sei bemerkt: Die Glocke von Tigerfeld, die ich um 1926 noch<br />

sah, ist tatsächlich 1509 von Jos Egen, (nicht Josef, und nicht<br />

Eger!). Eine Gleichsetzung mit Eger wird sich schwerlich<br />

halten iassen. Der in Reutlingen 1496—1509 (aber 1515 tote)<br />

Jodokus Egen (S. 22, 24) scheint nicht zu den Egern zu gehören,<br />

wenn er auch die Werkstatt des Hans Eger weiterführte<br />

und ihm 1510 der jüngere Hans Eger gefolgt sein<br />

dürfte. Egen hat die Glocken für Linsenhofen, Melchingen,<br />

Kingingen, Ennabeuren, Kirchentellinsfurt, Undingen usw.<br />

gegossen. Der jüngere Hans Eger dagegen wirkte 1511 für<br />

Harthausen b. Feldh. und 1512 für Steinhofen.<br />

Man möchte wünschen, daß auch bald die Nachbargebiete<br />

ähnliche Werke erhalten. Daß die Wallfahrtskirche Mariazell<br />

am Zoiler tatsächlich je dem hl. Fridolin geweiht war,<br />

wie hier und im Derikmälerwerk behauptet wird, ist schwer<br />

glaubhaft. Die Schematismen von 1863 und 1910 nennen vielmehr<br />

richtig die hl. Dreifaltigkeit und St. Gallus, weich letzterer<br />

zweifellos der ältere Patron ist, der auf das Kloster<br />

St. Gallen hinweist. Wie in dem Kunstdenkmälerwerk ist<br />

nicht erwähnt, daß der Glockenguß Trochtelfingen 1724 am<br />

Orte selbst stattfand, wie s. Zt. Pfarrer Güntner aus den<br />

Pfarrakten bezeugte.<br />

Im Verlag Tübinger Chronik erscheint das Buch: Joseph Christian,<br />

der Bildhauer des schwäbischen Rokoko. 320 Seiten mit 110 schwarzweißen<br />

und mehreren farbigen Tafeln. Preis 45.— DM; Subskriptionspreis<br />

49.— DM. Dr. Huber, der Verfasser, schuf mit dieser Veröffentlichung<br />

ein ganz hervorragendes Werk.<br />

Museen und Sammlungen in Württemberg und Hohenzollern. Unter<br />

diesem Titel erschien im Silberburg-Verlag in Stuttgart in Taschenformat<br />

ein Führer durch die Museen und Sammlungen. Seitenzahl:<br />

89; 112 Bilder. Preis 5.80 DM. Herausgeber: Württembergischer<br />

Museumsverband. Das vorliegende Buch soll den Besuch der Museen<br />

erleichtern. Von Hohenzollern finden wir: Museum im Schloß<br />

Sigmaringen, die Sammlungen auf der Zollerburg und<br />

das Heimatmuseum Veringenstadt. Angegeben sind: Museumsleiter,<br />

seine Telephonnummer, Besichtigungszeiten, Entstehung und<br />

Aufbau, die hauptsächlichsten Bestände, Eintrittspreise. Dem gediegenen<br />

Buch wünschen wir weiteste Verbreitung.<br />

Illustriertes Bestimmungsbuch für Wiesen- und Weidepflanzen des<br />

mitteleuropäischen Fla blandes. Teil C: Schmetterlingsblütler vPapilionatae).<br />

Von Dipl.-Landwirt Rudolf Ki.l'mann, Freising-We'renstephan<br />

1957. — 38 Seiten • t und 27 Tafeln mit 130 Abbildungen.<br />

Zu beziehen durch den Verfasser, Dipl.-Landw. Rudolf Riffmann<br />

(13b) Freising/Obb., Dr. v. iller-Str. 20/1.). — Der Teil C dieses<br />

Werkes enthält praktisch alle Schmetterlingsblütler d,er Wiesen und<br />

Weiden, sowohl der natürlichen wie auch r ?r künstlich angelegten,<br />

außerdem sind alle kleeartigen Pflanzen des Ackerfutterbaues berücksichtigt.<br />

Die Bestimmung ist im nichtblühenden, blühenden und<br />

fruchtenden Zustand möglich, die Anordnung des Textes ist ebenso<br />

übersichtlich wie bei Teil A und B, auch die zahlreichen Abbildungen<br />

sind wiederum feinste Federzeichnungen.<br />

Sämtliche Bildklischees hat uns -er Verlag „Schwarzwälder Bote"<br />

unentgeltlich zur Verfugung gestellt. Besten Dank!


Hohenzollerische Heimat<br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

10 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 3 Gammertingen, Juli <strong>1960</strong> 110. Jahrgang<br />

Bauern und Bettelleut<br />

6. Kapitel (Schluß)<br />

In der fernen Heimat wurde indessen emsig gebaut. Eine<br />

ganze Reihe von Häuschen erstand unter tatkräftiger Mithilfe<br />

der ganzen Umgebung. Auch die Beifuhr des Holzes<br />

und der Steine betätigten sie gemeinsam.<br />

Die Arbeiten der Getreideernte, welche damals, als noch<br />

alles mit der Sichel geschnitten wurde, zwei Monate in Anspruch<br />

nahm, verzögerten das Baugeschäft. Die gleich darauf<br />

folgende Herbstsaatzeit, ließ ebenfalls keine Nebenbeschäftigung<br />

zu. Doch waren schon im Vorsommer die Bauten soweit<br />

gefördert worden, daß, als nach der Herbstbestellung<br />

wieder alle Kräfte tätig waren, mit dem ersten Schnee die<br />

Abgebrannten wieder je ein armseliges, aber doch eigenes<br />

Heim im „Kleinhäusle" hatten.<br />

An den blinden Dorfgenossen, der in der Ferne weilte, den<br />

armen Dominikus, hatten sie ebenfalls gedacht. Auch er<br />

sollte nach seiner Rückkehr von der Wallfahrt wieder ein<br />

Obdach haben. Nächst der heutigen Pfarrkirche wurde ihm<br />

eine bescheidene Wohnung erstellt. Der Mesnerdienst sollte<br />

ihm und seiner Schwester Barbara, die noch auf Kirchberg<br />

weilte, ihnen Auskommen gewähren und damit Musik und<br />

Gesang, die seither verstummt, wieder Einkehr beim Gottesdienst<br />

halten.<br />

So entstand im Herbst 1566 für den blinden Dominikus ein<br />

Bau, der später die Grundlage für das Mesnerhaus — das<br />

heutige Kinderhaus — bildete.<br />

Währenddessen die Bewohner Weildorfs neue Wohnstätten<br />

für die durch das Brandunglück obdachlos gewordenen Familien<br />

errichteten, hauste in einer Höhle der Felswände vom<br />

Eyachtal, im sogenannten Backofenloch, der schwarze Peter.<br />

Bei Tag konnte er sich nirgends mehr sehen lassen, deshalb<br />

führte er bei Nacht seine Raubzüge aus. Besonders Imnau,<br />

Trillfingen und die Oberstadt von Haigerloch bildeten den<br />

Schauplatz seiner Tätigkeit. Den ganzen Sommer über kamen<br />

Diebstähle vor und niemand wußte, wer der Räuber war.<br />

Es war für ihn, der schon soviel auf dem Kerbholz hatte, ein<br />

gefährliches Unterfangen, sich überhaupt noch in der Gegend<br />

aufzuhalten. Die Gräfin, welche der schwarze Peter fürchtete<br />

und liebte, hielt ihn am Platz, ihre Rückkehr wollte er abwarten.<br />

Zu spät hat er von der Reise erfahren, sonst wäre<br />

er den Wandernden gefolgt.<br />

Es war anfangs Winter tagsüber Schnee gefallen, als Peter<br />

abends sein Versteck verließ, um in Imnau einen längst geplanten<br />

Einbruch auszuüben. Gegen Mitternacht hellte sich<br />

das Wetter auf, ein kalter Luftzug kam vom Norden her<br />

durchs Eyachtal und brachte den Scnnee zum Gefrieren.<br />

Die volle Mondscheibe hob sich über den östlichen Wald,<br />

als der schwarze Peter vom Nachtwächter überrascht, der<br />

Halde zu die Flucht ergriff. Am anderen Morgen in aller<br />

Frühe machten sich fünf Burschen von Imnau auf den Weg<br />

und folgten, der vorerst gut sichtbaren Fährte durch die Halden<br />

in der Richtung gegen Bittelbronn. Jetzt schienen die<br />

Spuren im weichen Buchenlaub verloren, aber immer wieder<br />

bemerkten die Verfolger Fußeindrücke, die endlich zum<br />

Schlupfwinkel des Verbrechers führten.<br />

Doch auch Peter erkannte die Gefahr, welche ihm durch<br />

den Schnee drohte und war auf der Hut, verließ sein Versteck,<br />

als er die von Imnau kommen hörte und eilte immer<br />

der Halde entlang, bis er durch die Butzengrabenschlucht in<br />

das freie Feld geriet. Dem Wiesental folgend, führte ihn sein<br />

Weg an dem durch seine Schuld zerstörten Klein-Weildorf<br />

von H. E g e r - Weildorf f<br />

vorbei. Zäh folgten die Imnauer und jubelten laut auf, als<br />

sie aus dem Walde tretend, den Verfolgten über das Schneefeld<br />

dahineilen sahen.<br />

Ungefährdet hätte der schwarze Peter noch den Holgenwald<br />

erreichen können, der ihm dann durch das daran<br />

stoßende riesige Waldgebiet tagelang Schutz geboten, wenn<br />

die Verfolger keine Hilfe erhalten hätten. Aber der Brandplatz<br />

von Klein-Weildorf, den er in wildem Rachedurst geschaffen,<br />

wurde Peter gefährlich. Auf ihm waren an jenem<br />

Wintermorgen schon Leute beschäftigt, die aufräumten, nachdem<br />

bisher wegen der Neubauarbeiten keine Zeit dazu gewesen.<br />

Die Bauern aus der Nachbarschaft arbeiteten immer<br />

noch mit, darunter auch der Hofbauer Vitus von Henstetten<br />

mit seinem Gespann. Er und des Vogts Sohn Gabriel luden<br />

halbverkohlte Balken auf einen Wagen.<br />

Kaum hörten sie das Geschrei der Imnauer und sahen den<br />

Mordbrenner über die schneebedecken Felder eilen, als Vitus<br />

seinem Freunde zurief: „Die Pferde los!" — Mit einem Blick<br />

hatte auch Gabriel gesehen, was vorging. Schnell lösten sie<br />

die Stricke und befestigten diese am Geschirr, beseitigten<br />

die Halsketten und schwangen sich auf die Gäule.<br />

Wer der Verfolgte war, hatten beide auf die kurze Entfernung<br />

gleich erkannt. Gabriel, dem bald klar war, was der<br />

geriebene Verbrecher beabsichtigte, rief den anderen, die<br />

schon zu Fuß dem Flüchtling folgten, noch nach: „Der<br />

schwarze Peter strebt der Freistatt Kirchberg zu, treibt ihn<br />

vom Wald ab, der Halde entlang, dann werden wir ihm,<br />

durch die Maike reitend, den Weg nach dem Kloster absperren."<br />

Unter Freistatt-Rechten oder dem Asylrecht verstand man<br />

schon bei den alten Griechen Tempel und Heiligtümer, wo<br />

die Verfolgten und Bedrängten, ja selbst Verbrecher Schutz<br />

gegen gewaltsame Wegführung fanden.<br />

So wurde auch, nach christlichem Rechtsgebrauch Kirchberg<br />

eine Freistätte, und unsere Vorfahren erzählten aus der<br />

Ueberlieferung oft, wie der und jener von da und dort, welcher<br />

etwas verbrochen, in die schützenden Klostermauern<br />

von Kirchberg geflüchtet sei.<br />

Für den schwarzen Peter gab es also ein Wettrennen um<br />

Leben und Tod, denn das, was er schon verschuldet, konnte,<br />

falls er in die Hände der Richter geriet, nur am Galgen gesühnt<br />

werden.<br />

Mit frischen Kräften nahmen die Weildorfer die Verfolgung<br />

auf. Schon hatten einige vor dem Flüchtling den Waldrand<br />

erreicht, so daß er notgedrungen nur nach der Gruoler<br />

Weinberghalde, damals Krafthalde genannt, ausbiegen<br />

konnte. Ganz außer Atem stürzte der Verbrecher vorwärts<br />

durch die Wirrnisse der abgeernteten Weinberge. Oben am<br />

Waldrand liefen die Weildorfer, unten im Tal die von Imnau.<br />

Die beiden Reiter hatte, ohne weitere Notiz von dem Verfolgten<br />

zu nehmen, ihren Weg durch den Wiesengrund der<br />

Weildorfer Halde eingeschlagen, ritten den alten Waldweg<br />

der Maik hinunter und parierten ihre Pferde erst, als sie<br />

an der Waldecke, von wo aus man die schmale Ebene, die<br />

gegen Kirchberg bis zum Fuß der Anhöhe führt, überblicken<br />

kann. —<br />

Sie brauchten nicht lange zu warten, bis der auf zwei Seiten<br />

Bedrängte von der Halde herkam. Die Bahn nach dem<br />

westlichen Tor in den Mauern Kirchbergs war noch frei.<br />

Die zwei Reiter, welche mit ihren aufgeschirrten Pferden<br />

durch die Lehngasse, auf der andern Seite des Wiesentals


42 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

der Maike zustrebten, hatte er nicht beachtet. Die Flucht<br />

nach der Freistatt gelang — mußte vollends gelingen. Der<br />

schwarze Peter schaute zurück, er lachte, die dummen Bauern<br />

wußten jedenfalls nicht, was er vorhatte, sonst müßten sie<br />

mehr Eile zeigen. —• Da, er schaute wieder vor sich, brachen<br />

die Reiter aus dem Wald und stellten sich dem Flüchtling<br />

entgegen. Kaum sah er die von den früheren Kämpfen her<br />

wohlbekannten gefährlichen Gegner vor sich, als er sich umwandte<br />

und gegen Gruol auszubrechen suchte.. Hier standen<br />

ihm aber schon die Imnauer im Weg. Jetzt wollte Peter zurückfliehen,<br />

da war der Weg von den in breiter Linie daherkommenden<br />

Weildorfern gesperrt. —•<br />

Noch einige wilde verzweifelte Sprünge machte der Verbrecher,<br />

nach rechts und links, vorwärts und rückwärts. Seines<br />

Atems von der bald mehr als eine Stunde währenden<br />

Jagd beraubt, stürzte er wie vom Blitz getroffen nieder. Alle<br />

kamen herbei und fielen über den am Boden Liegenden her.<br />

Auch die zwei Reiter, welche der Sache noch nicht trauten,<br />

kamen langsam näher. Doch, — zu spät. •—• Von der weiten<br />

Flucht und der schrecklichen Aufregung bis zum äußersten<br />

erschöpft, war der in der ganzen Umgegend gefürchtete<br />

schwarze Peter tot zusammengebrochen, — der strafenden<br />

Gerechtigkeit auf Erden entzogen.<br />

Erschüttert von diesem Ende eines Menschenlebens umstanden<br />

die Bauern und Bauernsöhne den Toten. Auch ihm<br />

war einst, als er bei dem kinderlosen Schmied Pfeffer in<br />

Weildorf von der Straße aufgelesen und in die Lehre genommen,<br />

ein ehrlicher, rechtschaffener Lebensweg gewiesen. —•<br />

Er hatte ihn nicht verfolgt, —• dies war das Ende. —• Die<br />

zwei Reiter, Vitus und Gabriel, trabten Weildorf zu, luden<br />

auf dem Brandplatz von Klein-Weildorf das verkohlte Holz<br />

vom Wagen, schirrten die Pferde wieder davor und fuhren<br />

unter der Gruoler Halde nach dem Platz, wo der Tote lag.<br />

Auf den Wagen geladen, folgten alle dem Fuhrwerk, — es<br />

war immerhin ein Mensch, der auf so schreckliche Weise<br />

geendet. Am Abend noch schaufelten sie dem schwarzen<br />

Peter im „Schelmengärtle" sein Grab. Andern Tags in aller<br />

Frühe wurde er dort ohne Sang und Klang hineingebettet.<br />

Einige Wochen später errichteten die Weildorfer an der<br />

Stelle, wo dieses Leben eines Verbrechers geendet, einen<br />

Erdhügel, auf den sie ein Sühnekreuz stellten. Im Verlauf<br />

der Jahrhunderte ist es fast bis an die Arme im Boden versunken,<br />

gibt aber heute noch Zeugnis von dem, was hier<br />

geschah, wenn auch all die, welche die Waldungen der Maike<br />

oder nach dem Kloster Kirchberg wandern, achtlos daran<br />

vorüber gehen. —<br />

In der ganzen Umgebung atmete die Bevölkerung auf, als<br />

bekannt wurde, daß der, welcher bisher die Gegend unsicher<br />

gemacht, nicht mehr unter den Lebenden weile.<br />

7. Kapitel<br />

Auf der Hochschule zu Basel hatte inzwischen Dr. Platter<br />

unsern blinden Dominikus seit Monaten eingehend beobachtet.<br />

Dem Arzt fehlte damals noch der erst drei Jahrhundert<br />

später hergestellte Augenspiegel, den 1851 Professor Helmholtz<br />

in Berlin erfand. Mit ihm konnte das menschliche Auge<br />

genau beobachtet und eine einigermaßen sichere Diagnose<br />

gestellt werden. Wohl hatten schon der griechische Arzt Hippokretus<br />

410 vor Christus, die Römer Celsus, 30 vor Christus<br />

und Galenos 200 nach Christus operative Eingriffe ins<br />

menschliche Auge gemacht, den Star gestochen, aber Felix<br />

Platter war ein zu gewissenhafter Arzt, als daß er ohne vorherige<br />

gründliche Studien der Augenkrankheit des Blinden<br />

etwas unternommen hätte.<br />

Der Winter hielt seinen Einzug in die Berge und Täler der<br />

Schweiz. Den Gästen wurde die Zeit nicht allzulang, denn<br />

was hatten sie in der fernen Heimat zu suchen? Des Blinden<br />

Pflegerin war von Jugend auf an keinen festen Wohnsitz<br />

gewohnt, ihr war es gleichgültig, wo sie lebte, und auch<br />

Dominikus besaß nach dem Brand von Klein-Weildorf vorerst<br />

kein eigenes Heim mehr, nach dem er sich gesehnt<br />

hätte. Musik und Gesang waren ihnen alles. Der Einfluß Dr.<br />

Platters öffnete Dominikus alle Türen Basels, wo es auf<br />

dem Gebiet etwas zu hören und lernen gab. Sein Führer auf<br />

diesen Wegen war meistens der Arzt selber.<br />

Die Kenntnisse der Kräuterannl von den Pflanzen und<br />

ihrem Wert für die Heilkunde hatte man auf der Hochschule<br />

bald schätzen gelernt. Jede freie Stunde, die ihr neben der<br />

Pflege ihres Schützlings freiblieb, verbrachte sie in der Apotheke.<br />

—•<br />

Bald war ein Jahr verflossen, seitdem die beiden zur<br />

Wallfahrt nach Einsiedeln von zu Hause fortgegangen, und<br />

schon schaute wieder der Frühling ins Land. Endlich sollte<br />

die Operation gewagt werden, denn für Dr. Platter stand<br />

jetzt, nach den langen Beobachtungen fest, daß, wenn überhaupt,<br />

nur auf diesem Wege Heilung möglich war. Domini-<br />

kus, den der Arzt wie einen Sohn liebgewonnen, fand sich<br />

mit allem ab und meinte: „Macht's wie ihr glaubt, daß es<br />

recht ist, im schlimmsten Falle bleib ich, was ich bisher war,<br />

ein armer Blinder."<br />

Mit äußerster Ruhe und sicherer Hand nahm der Meister<br />

den Eingriff in die Augen des Blinden vor. Bei ihm stand<br />

als Assistent sein Kollege Theodor Zwinger, Zuschauer waren<br />

acht Studenten.<br />

Die Operation war vorüber, dem Patienten wurden die<br />

Augen gut verbunden. Er konnte wieder auf sein Zimmer<br />

oder je nach Belieben im großen Garten der Hochschule spazieren<br />

gehen. Mit Angst und Sorgen hatte seine Pflegemutter,<br />

die Kräuterannl, in einem Winkel des Raumes stehend, der<br />

Operation zugesehen. War es recht, daß sie den ihr anvertrauten<br />

Schützling dem Messer der Aerzte ausgeliefert?<br />

Auch sie war ein Kind ihrer Zeit und hatte mehr Vertrauen<br />

zu Salben und Kräuterkuren, als solchen Gewaltmitteln<br />

für eine Krankenheilung. Ihr einziger Trost blieb die<br />

Muttergottes von Einsiedeln, die ihnen sicher den guten Meister<br />

der Heilkunde zugeführt.<br />

Vierzehn Tage waren seit der Operation vorüber, als Dr.<br />

Platter zu seinem Liebling in den Garten trat, wo dieser in<br />

Begleitung seiner Beschützerin die üblichen Spaziergänge<br />

machte.<br />

„Dominikus, jetzt wollen wir die Binde von Deinen Augen<br />

nehmen", sprach der Arzt. Beinahe erschrocken trat die Begleiterin<br />

zurück. Dies war der Moment, den sie schon all die<br />

Tage her erhofft und auch gefürchtet. Licht oder lebenslängliche<br />

Nacht für Dominikus, den sie hierhergeführt. Ihre Hand<br />

hatte ihn durch Felder und Wälder, über Berge und Täler<br />

geleitet, sollte es jetzt anders werden? Seine Augen hatten<br />

sie noch nie gesehen, denn ihren Aufenthalt in Weildorf<br />

nahm die Kräuterannl erst, als Dominikus schon blind war.<br />

Lieb war er ihr wie einer Mutter ihr Sohn, dessen Lebenswege<br />

sie von der Jugend an bewacht. Wird der kräftige<br />

schöne junge Mann, sehend geworden, dankbar sein für das,<br />

was sie für ihn getan oder seine Wege gehen, vielleicht sich<br />

der armen Kräuterannl schämen? Schon viele Demütigungen<br />

hatte sie erlebt, aber stets den Kopf hoch gehalten, Undankbarkeit<br />

oder gar Verachtung von Seite des liebsten Menschen,<br />

der ihr auf Erden blieb, könnte sie kaum ertragen.<br />

Dann wollte sie lieber wieder ihre Hand in die seinige legen<br />

und so mit ihm fortwandern bis ans Grab.<br />

Dr. Platter hatte den Verband gelöst, tief schaute er in<br />

zwei helle blaue Augen. —• Einen Moment sprachlos stand<br />

der junge Mensch, dann sank er auf die Knie nieder und<br />

streckte die Arme zum Himmel empor: „Ich sehe, Herr, ich<br />

sehe wieder! O Gott, wie schön ist doch die Welt!"<br />

Auch Dr. Platter und die Kräuterannl knieten auf den<br />

Rasen nieder und falteten die Hände.<br />

Lang schaute Dominikus hinunter ins frühlingsgrüne Rheintal,<br />

hinüber auf die fernen Berge.<br />

Die beiden erhoben sich, und weich legte sich die Hand<br />

des Arztes auf das Haupt des Knienden. Jetzt sprang Dominikus<br />

auf, legte seine Arme um den Hals des Retters aus<br />

Nacht und Dunkel, und die ersten Freudentränen flössen aus<br />

den Augen.<br />

Dann schaute er die Frau, mit einem Aufschrei der Freude<br />

fiel ihm seine treue Reisebegleiterin in die erhobenen Arme:<br />

„Mutter, meine liebe Mutter warst Du",, rief der bisher<br />

Blinde. „Ja, und Du mein guter Sohn", schluchzte sie, die<br />

Dominikus mit strahlenden Augen Mutter nannte. „Danken<br />

wir der lieben Mutter Gottes von Einsiedeln, die uns zusammengeführt",<br />

sagte Dr. Platter.<br />

Der Geheilte eilte fort, lächelnd schaute ihm der Arzt nach.<br />

Nach kurzer Zeit kehrte er mit seiner Geige wieder, und<br />

hinaus ins Rheintal und die Schweizerberge erklangen seine<br />

Dankeslieder.<br />

Jetzt kamen auch Professor Zwinger und die Studenten<br />

herbei und gratulierten dem Meister zu seinem herrlichen<br />

Erfolg. —<br />

Noch einige Wochen gingen vorüber, bis Dr. Platter die<br />

Heimreise der beiden, ihm so liebgewordenen Menschen gestattete.<br />

Er war aber ein zu guter Menschenkenner, als daß<br />

er nicht verstanden hätte, wie der bisher Blinde sich darnach<br />

sehnte, die heimatlichen Fluren, Hügel, Berge und Täler<br />

wiederzusehen. Schon schrieb man das Jahr 1567. Fast war<br />

der Maimonat zu Ende, als die Gäste mit herzlichstem Dank<br />

für das große Glück, welches ihnen hier zuteil geworden,<br />

von Basels Hochschule und dem großen Meister schieden.<br />

Reich beschenkte sie der Arzt, so daß sie nicht zu betteln<br />

brauchten. Rüstiger konnten die Wanderer ausschreiten,<br />

nachdem Dominikus keine Führung mehr nötig hatte. Freudig<br />

bellend sprang der Hund voraus. Von Basel folgten sie<br />

dem schönen Rheintal bis Breisach und ging am Kaiserstuhl<br />

vorbei, dem Elztal zu. Ueberall herrliche Frühlingszeit, blu-


Jahrgang i960 HOHENZO .LERISCHE HEIMAT 43<br />

mengeschmückte Wiesentäler, grünende Wälder. Jede armselige<br />

Hecke am Weg prangte in Blütenpracht. „Ist dies alles<br />

für uns allein?", fragte Dominikus, wenn er sah, wie die<br />

Menschen, denen sie begegneten, kaum einen Blick hatten für<br />

die Schönheiten der Natur. Er, der sechs Jahre lang in Nacht<br />

und Dunkel gewandelt, hätte aus unendlicher Dankbarkeit<br />

gegen den Schöpfer all dieser Herrlichkeiten, bei jedem<br />

Blümlein niederknien und es küssen mögen.<br />

Vom Elztal nahmen die beiden glücklichen Menschen ihren<br />

Weg nach Gutach und von da ins Tal der Kinzig.<br />

Immer wieder, wenn die Wanderer an einem herrlichen<br />

Fleck Erde Rast hielten, nahm Dominikus in tiefster Dankbarkeit<br />

die Hand der Frau an seiner Seite, welche er jetzt<br />

Mutter nannte. Wie schön war doch die Welt für ihn, der<br />

blind gewesen, wie selbstverständlich all das Blühen und<br />

Sprossen denen, die ihr Lebtag sehend durchs Leben wandelten.<br />

— Bei Alpirsbach bogen sie ab und nahmen ihren<br />

Weg über Dornhan, Bergfelden, Kirchberg zu.<br />

Es war anfangs Juni, ein schöner Sommernachmittag, als<br />

die zwei Wandersieute dort eintrafen. Des Lenzes Pracht<br />

hatte sich auch in der Heimat zur höchsten Blüte entfaltet.<br />

Im Refektorium, dem alten Speisesaal des Kirchberger<br />

Frauenklosters, dessen Fenster gegen Süden weit geöffnet,<br />

übten die sangeskundigen Klosterfrauen und Mägde Lieder<br />

fürs kommende Fronleichnamsfest. Vom erstaunten Schaffner,<br />

dem beide wohlbekannt, sah er sie doch vor Jahresfrist<br />

hier Abschied nehmen, in den Klostergarten geführt, hörten<br />

Dominikus und seine Pflegemutter den fernen Weisen zu. Als<br />

jetzt eine Pause einsetzte, nahm er seine Geige auf und Lauda<br />

Sion Salvatorem, Lauda ducem et pastorem sang Dominikus<br />

mit seiner herrlichen Stimme vom Klostergarten in Gottes<br />

schöne Welt hinaus. Droben im Refektorium war tiefe Stille<br />

eingetreten, andächtig falteten sie die Hände, Nonnen und<br />

Mägde. Wohl hatten sie diesen Hymnus, welcher aus dem<br />

13. Jahrhundert stammt, schon gehört und selber gesungen,<br />

aber noch nie mit solcher Inbrunst vorgetragen und von<br />

solch wunderbarem Spiel begleitet.<br />

Als der Musikant beendet, schauten sich die beiden Mädchen<br />

Barbara und Luzia an, das war ihr Dominikus. Sie<br />

baten, in den Garten gehen zu dürfen, was die Priorin gern<br />

gestattete, denn auch sie selber wunderte es, wer der Sänger<br />

wäre. Die Klausur der Dominikanerinnen von Kirchberg war<br />

damals notgedrungen gemildert, denn von Pforzheim nach<br />

Kirchberg gekommen, fanden sie hier ganz verwahrloste Zustände<br />

vor. Die Chronistin des Klosters schreibt darüber:<br />

„Welch armes, unerbautes, zerrissenes Kloster haben wir in<br />

Kirchberg gefunden, daß es zum Erbarmen gewesen ist."<br />

Deshalb mußten die Nonnen, wenn sie fernerhin überhaupt<br />

da leben und wohnen wollten, selber das Feld bestellen helfen<br />

und bei den Bauarbeiten tätig sein.<br />

Drunten im Klostergarten war Barbara auf den Spielmann<br />

zugeeilt, während Luzia am Tore stehen blieb. „Mein Bruder,<br />

mein lieber Bruder ist wiedergekommen", rief sie aus und<br />

eilte in seine ausgestreckten Arme. „Ja, und schau, ich bin<br />

nicht mehr blind, ich sehe nach langen Jahren wieder", und<br />

seine strahlenden Augen blickten nach dem Gartentor, „auch<br />

jenes Mädchen kenne ich von früher her, wo's noch klein<br />

war, es ist des Vogts Luzia."<br />

„Ja", schrie diese auf, eilte herzu und schlang in stürmischer<br />

Freude ihre Arme um seinen Hals, wie damals, als<br />

sie Abschied nahmen, nur jetzt in Freude und Glück, vor<br />

einem Jahr in Trauer und Weh.<br />

„Ja, deine Luzia bin ich, die du aus den Flammen des<br />

Lehnhofs getragen."<br />

Voll Freude und Dankbarkeit zeigte Dominikus auf seine<br />

Begleiterin: „Ohne sie, die mich wie eine Mutter geleitet,<br />

wäre ich noch blind."<br />

Jubelnd umarmten die Mädchen auch sie, die abwehrte und<br />

sprach: „Danket dem lieben Gott und der Mutter Gottes, die<br />

uns in Einsiedeln mit dem Doktor zusammengeführt, der<br />

dann Dominikus geheilt."<br />

Auch die Priorin und die Klosterfrauen traten herzu, um<br />

staunend zu hören, was in Einsiedeln und beim Arzt in Basel<br />

geschehen.<br />

Dominikus griff zu der abseits gelegten Geige. Bei ihm<br />

mußte alles Freud und Leid in Musik ausklingen. Te Deum<br />

laudamus tönte es in den nahen Wäldern wieder.<br />

Von den beiden Klostermägden erfuhr Dominikus, daß<br />

man auch in der Heimat seiner gedacht und für ihn gesorgt<br />

habe. Doch heute durften die Wallfahrer noch nicht heimkehren,<br />

so war es der Wunsch und Wille der Priorin.<br />

Andern Tags sollten dann die beiden Mädchen frei haben,<br />

um sich mit Dominikus und seiner Pflegemutter des Wiedersehens<br />

im Heimatdorf freuen zu können.<br />

Die Kräuterannl hatte noch einen besonderen Wunsch. Hier<br />

in diesem stillen Erdenwinkel möchte sie, die in ihrer Ju-<br />

gendzeit des Lebens Wirbelwind hinausgeführt in weite<br />

Fernen, ihr Dasein beschließen. Kräuter wollte sie den Sommer<br />

über sammeln für die Klosterapotheke und im Wihter<br />

daselbst mitarbeiten an der Bereitung der Arzneien, wie sie<br />

es in Basel gelernt.<br />

Mit Freuden stimmte die alte Klosterfrau, welche die<br />

Apotheke besorgte, zu, und auch die Priorin war einverstanden.<br />

Dominikus wehrte sich dagegen, er wollte seine gute Führerin<br />

durchs Schweizerland ständig bei sich haben. Auch<br />

Barbara bat, solange beim Bruder zu bleiben, bis sie im<br />

Herbat heimkehrte. Damit war die Pflegemutter einverstanden.<br />

Am anderen Morgen schickte die Priorin einen Boten nach<br />

Weildorf und ließ dem Vogt Pfeffer sagen, daß Dominikus,<br />

der Mesnersohn, wieder sehend geworden von der Wallfahrt<br />

zurückkehre, gegen Mittag werde er dort eintreffen. Mit<br />

Riesenschritten eilte Gabriel gleich darauf Kirchberg zu.<br />

Nicht weit noch waren Dominikus und seine Begleiterinnen<br />

vom Kloster entfernt und wanderten das Tälchen entlang<br />

nach der Gruoler Halde, als sie Gabriel daher kommen<br />

sahen. Er eilte auf den Freund zu, schaute in dessen klare<br />

Augen, und als der Jugendgenosse seine Hände faßte und<br />

sagte: „Gabriel, Freund und Beschützer während der Jahre<br />

meiner Blindheit, sei gegrüßt", brach der starke Mann in<br />

Tränen aus, voll Freude über das Glück, welches seinem<br />

Kameraden zuteil geworden. Als Dominikus erzählte, wie die<br />

Kräuterannl seine Führerin auf der Wallfahrt nach Einsiedeln,<br />

ihn von dort durch die Wälder und Berge der Schweiz<br />

zum Doktor nach Basel geleitet habe, nahm er die Frau,<br />

welche jahrelang fast kaum beachtet die Hütte seines Vaters<br />

bewohnte, in seine Arme und rief: „Du gute Annl warst die<br />

Aermste im Dorf, hast meinem Freund wieder zum Augenlicht<br />

verholfen und mir selbst damals im Holgenwald draußen<br />

das Leben gerettet, unser Lebtag wollen wir dir dankbar<br />

sein. —•<br />

Erzählend wanderten sie heimwärts. Als sie zu dem Kreuz<br />

kamen, das an dem Platz stand, wo der schwarze Peter geendet<br />

und Gabriel berichtete, was hier geschehen, faltete die<br />

Kräuterannl in stummem Gebet die Hände und eine Träne<br />

rann aus den Augen der stolzen Frau. Vielleicht wäre auch<br />

ihr einmal ein so trauriger Lebensabschluß beschieden gewesen,<br />

wenn sie sich nicht rechtzeitig von dem wilden Wanderleben<br />

zurückgezogen hätte. Durch das Wiesental der Weildorfer<br />

Weinberghalde schritten die Heimkehrer und ihre Begleitung<br />

dem Dorfe zu. Von der Lehngasse her kam ihnen<br />

jung und alt entgegen. Die Jugend hatte sich mit Blumen<br />

geschmückt, wie sie am Wege blühten, und alles umringte<br />

die Ankömmlinge. Vogt Pfeffer begrüßte sie aufs herzlichste,<br />

um ihn war der Rat der Vierer, dem seit des Mesners Tod<br />

der Saalhofer angehörte.<br />

Staunend schaute Dominikus in all die freudig erregten<br />

Gesichter, von denen er, soweit die Kinder in Frage kamen,<br />

viele noch nie gesehen. Dominikus mußte erzählen, bescheiden<br />

wollte sich seine Führerin weg nach ihrer Hütte wenden,<br />

die beim Brand unversehrt geblieben, aber Gabriel nahm sie<br />

an der Hand und hielt sie fest. Sie und Dominikus wurden<br />

von der Jugend mit Blumen bekränzt und so im Triumpf<br />

ins Dorf geleitet. —•<br />

Ein Jahr war seit der Heimkehr der Wallfahrer verflossen,<br />

da standen vor dem Altar der Pfarrkirche in Weildorf zwei<br />

Brautpaare, Dominikus mit seiner Luzia und Gabriel der<br />

Vogtsohn mit des Mesners Barbara, die sich fürs Leben angehören<br />

wollten, nachdem sie soviel Leid und Freud mitsammen<br />

erlebt.<br />

Gabriel hielt im „Kleinhäusle" Einzug mit seiner jungen<br />

Frau, und Dominikus bezog das Mesnerhaus.<br />

Die Kräuterannl hatte sich von ihrem Wunsch, nach Kirchberg<br />

zu gehen, nicht abbringen lassen und ward in der<br />

Apotheke dort fernerhin eine Wohltäterin für die ganze Umgebung.<br />

Musik und Gesang zogen im Gotteshaus von Weildorf wieder<br />

ein, die verstummten, als Dominikus fortgewesen. Er bildete<br />

sich weiter im Lesen und Schreiben und teilte diese<br />

Kenntnisse den jungen Leuten mit, so daß diese einen Lehrer<br />

hatten.<br />

An schönen Frühlings- und Sommertagen wanderten sie<br />

hinaus in Feld und Wald, über Hügel und Täler des Heimatlandes,<br />

und der Lehrer zeigte ihnen all die Schönheiten der<br />

Natur, die reich und arm genießen können und für die Dominikus<br />

nach langen Jahren der Blindheit soviel Verständnis<br />

hatte.<br />

Das Unglück, welches dem Dorf widerfahren, lastete wohl<br />

noch schwer auf den Gemütern der älteren Leute, aber bei<br />

der Eiche draußen tanzte die Jugend wieder lustige Reigen<br />

und sang mit den Vögelein im Walde drinnen um die Wette.


44 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Reise zu Gottes schönen Häusern im Felsenstädtchen Haigerloch<br />

Haigerloch, eine beglückende Begegnung von Natur und Glaube<br />

„Wohlauf in Gottes schöne Welt!" Wieviele haben in diesen<br />

schönen Sommermonaten dieses frohe Wanderlied in<br />

Ferien und Freizeit in die Tat umgesetzt und sind hinausgeströmt<br />

in die Fremdenverkehrsgebiete des Schwarzwaldes,<br />

des Rheinlands, des Bodenseegebiets, des Allgäus, nach Oberbayern<br />

oder gar in den sonnigen Süden. Wohl dem, der das<br />

Glück hat, solche Touren zu unternehmen. Sie seien ihm<br />

von Herzen vergönnt. Aber wer in den heimatlichen Gefilden<br />

zu bleiben gezwungen ist, wird auch hier nicht Langeweile<br />

bekommen. Jeder, der das Auge auftut, der ein Herz<br />

Von Josef Schneider<br />

Haigerloch ist nicht nur der kunstreiche Mittelpunkt der Umgebung, sondern ganz<br />

Hohenzollerns. „Ein Laudamus Domino", wie es wirkungsvoller und jubelnder kaum zum<br />

Ausdruck kommen kann; einen Triumph vollendeter Architektur, die lebendig zu werden<br />

scheint, vermittelt dieser Blick vor dem Renaissance-Chorgitter der Schloßkirche zum<br />

Deckengemälde. Man muß hier einmal den Hochaltar im Glänze flutenden Lichtes gesehen<br />

und dem festlichen Gottesdienst beigewohnt haben, um diese herrlichen sakralen Räume,<br />

die zur Vorahnung paradiesischer Seligkeit werden, zu verstehen. (Foto Weber.)<br />

und einen Sinn für die Schönheiten der Natur hat, der wird<br />

in diesen Sommertagen auch bei Wanderungen und Fahrten<br />

reich entlohnt. Immer wieder kann man es erleben, daß<br />

viele in die Ferne strömen und dabei die Kleinodien der<br />

Heimat, die Denkmale der Schöpfung und Kunst in Gottes<br />

schönem Garten übersehen. Der Verfasser dieser Zeilen darf<br />

selbst von sich behaupten, daß er schon die weite Welt gesehen<br />

hat, vor den Kathedralen von Reims, Notre Dame in<br />

Paris und Chartres gestanden, vor dem Grabe des hl. Petrus<br />

in Rom kniete und schon reiche Eindrücke der europäischen<br />

Landschaft und Architektur<br />

erfahren durfte, nie aber<br />

von der Landschaft so entzückt<br />

war, nie eine solche<br />

Liebe zu ihr empfand, als<br />

zur Heimatlandschaft unseres<br />

schönen Zollerlandes.<br />

Gerade unsere engere Heimat<br />

im hohenzollerischen<br />

Unterland vermittelt alle<br />

Reize eines geologisch und<br />

kulturgeschichtlich gleich<br />

interessanten Gebietes. Einsame,<br />

tief eingeschnittene<br />

Täler zwischen bewaldeten<br />

Höhen, lichtgrünen Wäldern<br />

und zerklüfteten Felswänden,<br />

liebliche Wiesengründe<br />

und verträumte Dorfidylle,<br />

aus deren Kirchen oder<br />

Kapellen immer wieder der<br />

Hauch großer geschichtsreicher<br />

Vergangenheit entgegenschlägt.<br />

Was den Fremden<br />

besonders anspricht,<br />

das ist auch jene seltsame<br />

Ausprägung der Frömmigkeit<br />

in vielen Gotteshäusern<br />

unserer Heimat, vor<br />

allem aber in Haigerloch,<br />

dem kunstreichen Mittelpunkt<br />

und der Perle des<br />

Zollerlandes, wie es Fürst<br />

Friedrich vor einigen Jahren<br />

selbst nannte. Es ist<br />

eine Art heiterer Weltinnigkeit,<br />

die besonders in<br />

der Barockzeit die Festlichkeit<br />

und Schönheit der<br />

Erde und der Natur erfühlte<br />

und einen tiefsinnigen<br />

Niederschlag in den<br />

Kostbarkeiten unseres<br />

Ländchens fand. Maler und<br />

Zeichner haben diese innige<br />

Verbindung von Natur<br />

und Kunst schon lang<br />

für sich entdeckt. Viele<br />

Fremde haben in den letzten<br />

Jahren, seitdem Haigerlochs<br />

Kirchen dank der<br />

verdienstvollen Bemühungen<br />

von Dekan Stadtpfarrer<br />

Guide im Glanz und Schönheit<br />

ihrer Entstehungszeit<br />

wieder erstanden sind, in<br />

den hiesigen Gotteshäusern<br />

geweilt, haben sich von<br />

ihrer Stimmung einfangen<br />

lassen und sind mit reichen<br />

Eindrücken wieder nach<br />

Hause gegangen. Die Wallfahrten<br />

und die Besichtigungen<br />

überhaupt haben<br />

ihre Kreise in den ganzen<br />

südwestdeutschen Raum gezogen.<br />

Hohe kirchl. Würdenträger<br />

haben in den letzten<br />

Jahren das Wort Gottes<br />

von ihren Kanzeln verkün-


Jah*"?:>ng 19P" H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 45<br />

Wallfahrer in der Schloßkirche in Haigerloch. Immer ist eine Andachtsstunde in einer der<br />

Haigerlocher Kirchen ein beglückendes Erlebnis für alle, die mit gläubigem Herzen,<br />

offene Augen und Sinn für Schönheit und Jubel der Architektur mitbringen. Eine<br />

Wallfahrt nach Haigerloch ist ein bleibendes religiöses Erlebnis. (Foto Josef Scheider.)<br />

Die Orgel der St. Annakirche, ein echtes Kind des Barock, läßt heute noch jene festlichen<br />

Klänge in voller Reinheit und Schönheit erschallen und gibt Kunde von einer<br />

glaubensgroßen Vergangenheit, in der neben der Baukunst auch die Musik den höchsten<br />

schöpferischen Geist verkörperte und in kunstsinnigen frommen Fürsten frohe Huldigung<br />

fand. So wie einst blüht auch heute die Kirchenmusik in diesen Räumen, wo sich Architektur<br />

und Musik zu innerer Harmonie verschmelzen.<br />

det und viele Menschen vor<br />

den ergreifenden Gnadenbildern<br />

Trost und seelische<br />

Bereicherung gefunden.<br />

Viele junge Paare beginnen<br />

am Gnadenaltar von St.<br />

Anna ihren gemeinsamen<br />

Lebensweg. Das Geheimnis<br />

des alten Fürstenstädtchens<br />

Haigerloch, dessen Kirchen<br />

wir in nachfolgender Betrachtung<br />

im Geiste besuchen<br />

wollen, ruht in einer<br />

wundersamen Verbindung<br />

von Großartigkeit und Reiz<br />

der Landschaft und seinem<br />

Reichtum an wertvollem<br />

kulturellem Besitz und geschichtlicher<br />

Tradition. Das<br />

Städtchen darf mit Recht<br />

auf diese wertvollen Kirchen<br />

stolz sein. Sie sind in<br />

dieser Landschaft die Höhepunkte.<br />

Mit ihrer lichtvollen<br />

Schönheit winken sie<br />

aus dem milden Grün der<br />

Natur, als laden sie dazu<br />

ein, sie zu betreten, um ja<br />

keine Stätte dieser Welt<br />

des Barock und Rokoko<br />

oder der glaubensfrommen<br />

Zeit der Gotik zu versäumen.<br />

Man kommt immer<br />

wieder auf jenes frohe<br />

Empfinden, daß sich hier<br />

Gottes Schöpfung mit einstmals<br />

tiefer Gläubigkeit baulustiger<br />

Grafen und Fürsten<br />

und begnadeter genialer<br />

Künstler zu einer innigen<br />

Harmonie verband. Die<br />

Meister der Stukkaturen<br />

vom ehrwürdigen Wessebrunner<br />

Kreis schufen in<br />

Oberschwaben und Donauraum<br />

viele Kunstwerke und<br />

Gnadenstätten, und sie haben<br />

hier in Haigerloch ihr<br />

Können zu höchster Blüte<br />

entwickelt. Die Freude am<br />

Schönen und am Gestalten,<br />

am Dekorativen, an Formen<br />

und Farben fanden<br />

ihren Niederschlag in reich<br />

ausgestatteten Gotteshäusern,<br />

in der sich die Glut<br />

des süddeutschen Barock<br />

entfaltet und hineinmündet<br />

in des Himmels Höhen, so<br />

wie es die herrliche Triumpfarchitektur<br />

im Hauptgemälde<br />

der St. Annakirche<br />

in ergreifender Weise dartut.<br />

Es setzt jeden Kunstfreund<br />

immer wieder in<br />

Erstaunen, daß in Haigerloch<br />

fast alle Baustile<br />

der Vergangenheit vertreten<br />

sind. In der herrlich<br />

gelegenen Schloßkirche sind<br />

sogar drei Baustile: Gotik,<br />

Renaissance und Barock in<br />

einer vollendeten künstlerischen<br />

Musterleistung zu<br />

einem eindrucksvollen Gesamtbild<br />

zusammengefaßt<br />

worden. 143 Stufen führen<br />

hinauf zu diesem Gotteshaus<br />

mit einer Vorahnung<br />

paradiesischer Seligkeit,<br />

und wenn man zu dem mittelalterlich<br />

anmutenden<br />

Eingang hinaufblickt, meint<br />

man fast ein schalkhaftes<br />

Schwabenlachen des hinter


46 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

der »Durchgangslaube hervorguckenden<br />

Turmes zu<br />

bemerken. Die Bauzeit der<br />

Schloßkirche, vor deren Eingang<br />

zu Füßen des ergreifenden<br />

Kriegerdenkmals<br />

sich ein schöner Blick zum<br />

altersgrauen Römerturm<br />

bietet, erstreckte sich auf<br />

über 25 Jahre. Die Alten<br />

bauten offenbar nach dem<br />

Grundsatz „Gut Ding will<br />

Weile". Und sie bauten<br />

schön. Das Aeußere dieses<br />

Gotteshauses, zu dem allein<br />

die Fundamentierungsarbeiten<br />

7 Jahre in Anspruch<br />

nahmen, trägt ganz die<br />

Züge der Spätgotik. Im<br />

Innern aber sind zu einem<br />

prächtigen Hochaltar,<br />

einem herrlichen Werk<br />

der Renaissanceplastik, sieben<br />

barocke Seitenaltäre<br />

gefügt, während sich in der<br />

reich stukkierten Decke mit<br />

Gemälden des Hofmalers<br />

Meinrad von Ow schon die<br />

Spielformen des Rokoko<br />

geltend machen. Während<br />

man das alles mit freudigen<br />

Sinnen aufnimmt, blickt<br />

vom Hochaltar das Geheimnis<br />

der Heiligsten Dreifaltigkeit<br />

auf uns nieder, und<br />

unsere Gedanken wandern<br />

zurück zu dem Erbauer, dem<br />

Grafen Christoph von Haigerloch<br />

und seiner frommen<br />

Gemahlin Katharina<br />

von Welsperg und Prizmor,<br />

deren Frömmigkeit in die-<br />

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sem Gotteshaus weiterlebt, in einem Haus, in dem man nicht<br />

nur die herrlichen Melodien der großen Meister der Barockzeit<br />

neu zu Ehren kommen läßt, sondern wo auch alljährlich<br />

fromme Beter verweilen und zur Haigerlocher Schmerzensmutter<br />

wallfahren. Dieses ergreifende Bildnis vor dem Chorgitter<br />

der Kirche schuf der begnadete Bildhauer Johann<br />

Georg Weckenmann von Haigerloch, einer der begabtesten<br />

Bildhauer des schwäbischen Rokoko.<br />

St. Annakirche, ein Stück Himmel auf Erden<br />

Tiefer Glaube und ausgeprägter Kunstsinn schufen ein<br />

weiteres Gotteshaus in Haigerloch, die St. Annakirche, „ein<br />

Stück Himmel auf Erden". Der fromme Fürst Joseph von<br />

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Kaum ein Bild vermag das menschliche Gemüt so warm zu stimmen,<br />

wie die nächtlich erleuchtete Schloßkirche auf dem kühnen, in den<br />

Talgrund ragenden Felsen. Das Elektrizitätswerk Haigerloch hat die<br />

Belichtung des Schlosses und des Römerturms in den letzten Jahren<br />

technisch hervorragend verbessert, so daß sie lichttechnisch der<br />

Stimmung dieser Bauwerke auch gerecht wird. (Foto Weber.)<br />

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Das geschlossene Weltbild des Barock und die Universalität der Kirche erhalten sichtbaren<br />

Ausdruck in der Baukunst jener glaubensgroßen Epoche. Ein Beispiel dafür bietet<br />

das herrliche Barock-Kleinod unserer Heimat, die St. Annakirche in Haigerloch, ein<br />

Kunstwerk von europäischem Format. Sie kündet heute noch die große Begeisterung<br />

ihres fürstlichen Bauherrn und der gläubigen Künstler und Baumeister.<br />

Sigmaringen, dessen Ehe kinderlos blieb, machte das Gelübde<br />

an St. Anna, wenn ihm ein Sohn geschenkt werde,<br />

lasse er eine Kirche bauen, wie sie schöner in der näheren<br />

und weiteren Umgebung nicht zu sehen sei. Fürst Josephs<br />

Bitte wurde erhört, und er hat sein Versprechen wahrgemacht.<br />

Anstelle der alten baufälligen St. Annakapelle ließ<br />

der Fürst, der sich Haigerloch als Lieblingsresidenz erwählte,<br />

eine Wallfahrtskirche zur Mutter Anna erbauen. Er berief<br />

führende Künstler und Baumeister, die uns eine Kirche von<br />

höchstem Rang und seltener Vollkommenheit schenkten, ein<br />

Bauwerk, das sich neben die besten Schöpfungen des Barock<br />

stellen kann. Die lange gehegte Vermutung, daß kein anderer<br />

als der große Barockbaumeister Johann Michael Fischer<br />

die Pläne lieferte, hat sich in der Zwischenheit durch lange<br />

baustatische Untersuchungen namhafter Fachleute als zutreffend<br />

erwiesen. Die St. Annakirche ist vom zuständigen Landeskonservator<br />

Genzmer als ein Bauwerk mit europäischem<br />

Format bezeichnet worden. Die volkstümliche Wallfahrt zieht<br />

von Jahr zu Jahr weitere Kreise, und es ist immer ein ergreifendes<br />

Bild, wenn sich innerhalb des heiligen Bezirks<br />

der großen Umfassungsmauer mit den Büsten und Vasen<br />

die zahllosen Gläubigen um den im Freien aufgestellten<br />

Altar zum festlichen Pontifikalamt scharen oder den Predigtworten<br />

lauschen. Wer dieses Bild einmal geschaut, behält es<br />

in unvergeßlicher Erinnerung. Und was uns noch anspricht,<br />

das ist jene heimatliche Betonung dieser Kirche nicht allein<br />

im Deckenbild, das die hohenzollerischen Künstler und den<br />

Bauherrn zeigt, sondern daß auch die Seitenaltäre den beiden<br />

hohenzollerischen Heiligen Fidelis von Sigmaringen und<br />

Meinrad von Einsiedeln gewidmet sind. Die künstlerisch gestaltete<br />

Orgel schmückt die Empore mit den wiederentdeckten<br />

alten Farben.<br />

Bei der Fülle der hiesigen Kirchen wäre man vielleicht<br />

geneigt, der Unterstadtkirche weniger Bedeutung beizumessen.<br />

Das wäre schon insofern falsch, als gerade auch die Unterstadtkirche<br />

kulturhistorisch ebenso von großer Bedeutung<br />

ist, eine stadtgeschichtliche große Vergangenheit, durch ihre<br />

Nähe zum Marktplatz und innerhalb des Friedhofes stehend,<br />

nachweisen kann und übrigens zu den ältesten gotischen<br />

Kirchen des Landes gehört. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert<br />

und war die eigentliche Pfarrkirche und ältestes<br />

Haigerlocher Gotteshaus. Wegen der starken Tallage und<br />

öfteren Ueberschwemmungen hat Graf Christoph auf der<br />

Höhe die Schloßkirche erbauen lassen. Diese Feuchtigkeit


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 47<br />

hat der Unterstadtkirche auch in den letzten Jahren zugesetzt.<br />

weshalb Stadtpfarrer Guide auch hier entsprechende<br />

Maßnahmen einleitete und zusammen mit der Entfeuchtung<br />

eine grundlegende Neurenovation veranlaßte, umso mehr als<br />

die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten unglücklich restauriert<br />

wurde. Kirchenmaler Lorch-Sigmaringen, der auch<br />

die übrigen" Kirchen glücklich renovierte, vollbrachte in der<br />

Unterstadtkirche wieder eine Meisterleistung und schenkte<br />

der altehrwürdigen Kirche ihre ergreifende gotische Stimmung<br />

wieder. Der Raum strahlt eine sakrale Feierlichkeit<br />

und geschlossene Harmonie aus, wie man sie selten vorfindet.<br />

Gegenüber der barocken Pracht und Fülle der beiden<br />

übrigen Kirchen ist mit diesem Gotteshaus ein Gegenpol<br />

kl •<br />

< U K<br />

Zeuge alter gotischer Baukunst ist die Unterstadtkirche in Haigerloch, die durch eine<br />

vorzüglich gelungene Renovation wieder im Sinne ihrer Entstehungszeit erstanden ist.<br />

Unser Bild gewährt einen Blick in das Innere, ein Bild sakraler Stille und Schönheit.<br />

(Foto Weber.)<br />

Die St. Annakirche in Haigerloch als Mittelpunkt einer volkstümlichen, seit Jahrhunderten<br />

in unserer Gegend tief verwurzelten Wallfahrt. Im Vordergrund der Eingang zum<br />

St. Annahof, wo alljährlich der große Festgottesdienst am St. Annafest stattfindet.<br />

(Foto Weber.)<br />

entstanden, der trotz seiner Einfachheit im Sinne des gotischen<br />

Raumideals sakrale Stille, Feierlichkeit und Schönheit<br />

ausstrahlt und den Gläubigen zur Andacht stimmt. Wie<br />

ergänzt sich bei den Wallfahrten der letzten Jahre alles so<br />

wunderbar". Droben in der Schloßkirche die Mitfeier des hl.<br />

Geheimnisses der Eucharistie im Meßopfer, in der St. Annakirche<br />

die Andacht zur hl. Mutter Anna in Gebet und Betrachtung<br />

und als Ausklang die Stille und Erbauung der<br />

Unterstadtkirche. Zu allen Jahreszeiten ergeben sich immer<br />

wieder neue Erlebnisse. Wer noch nie in der ergreifenden<br />

Mitternachtsmette in der Hl. Nacht bei den herrlichen Kinderchören,<br />

bei festlicher Weihnachtsmusik im mystischen<br />

Dunkel des nur mit Kerzen erleuchteteten Kirchenschiffes<br />

das Wunder der Hl. Nacht<br />

mitgefeiert hat, der soll<br />

sich dieses hochbeglückende<br />

religiöse Erlebnis einmal<br />

gönnen.<br />

Während man all die beglückende<br />

Schönheit, diese<br />

weihevolle Stimmung in<br />

sich aufnimmt u. am Abend<br />

den Heimweg antritt, verkündet<br />

die Abendglocke die<br />

Großtat der Menschwerdung<br />

Gottes. Sie selbst trägt<br />

den Mariengruß „Bei deiner<br />

Geburt bist du, o Maria,<br />

unversehrt geblieben. Bitte<br />

für uns den Vater, dessen<br />

Sohn du uns geschenkt<br />

hast." Ja, frohe Künder<br />

aus allen Stilepochen rufen<br />

täglich die Frohbotschaft<br />

hinaus aus ihren Glockenstuben,<br />

rufen zu Gebet und<br />

Gottesdienst, mahnen und<br />

jubeln. Es ist das beglükkende<br />

Gefühl für den gläubigen<br />

Menschen: So schön<br />

wie diese Kirchen ist unser<br />

katholischer Glaube. Daran<br />

wird man immer wieder<br />

beim Betreten dieser Gotteshäuser<br />

erinnert. Wäh-<br />

rend die Abendglocke im<br />

letzten Schimmer des scheidenden<br />

Tages verklungen<br />

ist, das Lob der Herrin des<br />

Himmels verkündet hat, erfüllt<br />

sich unser Herz mit<br />

der schönsten und innersten<br />

Freude: Die Welt ist<br />

schön in Haigerloch. Ein<br />

Segensstrahl der Schöpfung<br />

liegt auf ihm; wer ihn aufnimmt,<br />

behält eine fortzeugende<br />

Lebenskraft in<br />

sich.<br />

Sämtliche Klischees in dieser<br />

Nummer stellte uns der Verlag<br />

„Schwarzwälder Bote" unentgeltlich<br />

zur Verfügung. Besten Dank!


48 HOHENZOL,L,ERISCHEHEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />

„Wer holt uns über ans andere Ufer?"<br />

Wie oft mag wohl dieser Ruf, diese Frage erklungen sein,<br />

zu einer Zeit, da noch keine Brücke bei Laiz über die Donau<br />

führte. Als noch die römischen Kohorten von Vilsingen-Inzigkofen<br />

herunter kamen, bei Laiz die Furt in der Donau<br />

durchwateten, um am andern Ufer über die damaligen Römerstraßen<br />

die Alb zu ersteigen!<br />

„Wer holt uns über?" riefen die Wanderer, zur Zeit, da<br />

die Donau Hochwasser führte, das andere Ufer erstrebten.<br />

Darf es uns wundern, wenn die gläubigen Dorfbewohner des<br />

Mittelalters den Patron der Wanderer und Reisenden, der<br />

Schiffer und Fährleute, St. Christophorus zuerst in die Kirche<br />

und später an deren Außenwand malten?<br />

Wer kennt nicht die Legende von St. Christophorus, dem<br />

Riesen unter den Heiligen, dem an Körperkraft und Wuchs<br />

keiner gleicht und der doch demütigen Sinnes das Gotteskind<br />

auf seinen Schultern durch die Fluten trägt? Wenn das<br />

römische Martyrologium auch nicht viel von diesem Manne<br />

zu erzählen weiß, und die Heiligenlegende uns nur berichtet,<br />

daß er unter dem römischen Kaiser Decius im 3. Jahrhundert<br />

(251 n. Chr.) in Lykien (Klein-Asien), das Martyrium erlitten<br />

habe, so hat der christliche "Volksglaube diesen Heiligen doch<br />

in den Mittelpunkt eines Geschehens gestellt und ihn so<br />

hervorgehoben unter den heiligen Gestalten.<br />

Nach der Legende erschien ihm, dem Heiden, Christus in<br />

Kindsgestalt und ließ sich von ihm über einen Fluß tragen.<br />

Dabei wuchs Christus mehr und mehr, drückte seinen Träger<br />

in die Flut hinab und taufte ihn auf den Namen Christophorus,<br />

d. h. Christusträger. Diese Legende ist Gegenstand unzähliger<br />

Bilder und Plastiken geworden, deren älteste der<br />

Buxheimer (Bayern) Holzschnitt von 1423 ist. Dieser trägt in<br />

lat. Sprache die Unterschrift bzw. Erläuterung, daß der, der<br />

am Morgen des Tages seinen Blick gläubig zu St. Christophorus<br />

erhebt, bis zum Abend vor jähem Tode bewahrt<br />

werde.<br />

Oft und oft haben unsere Vorfahren sein Bild angebracht,<br />

sei es als Plastik an Brücken und Torbogen, an Vorhallen<br />

von Kirchen, an Erkern und Giebeln der Häuser oder als<br />

gemaltes Bild in Kirchen oder an deren Außenwänden.<br />

So erblicken wir den Heiligen an der Südostecke des fürstlichen<br />

Schlosses zu Sigmaringen, hoch über der rauschenden<br />

Donau. Wir sehen seine mächtige Figur an einem der ersten<br />

Pfeiler des Südchores im Dome zu Köln, wie auch am Südportal<br />

des Chores im Münster zu Freiburg i. Br. Auch in<br />

den Domen zu Münster i. W., zu Osnabrück, zu Frankfurt<br />

a. M., im Stephansdom zu Wien und vielen anderen ist er<br />

zu sehen. Der sogenannte Schlüsselfelder'sche Christophorus<br />

an der Sebalduskirche zu Nürnberg mag einem der größten<br />

deutschen Maler, Albrecht Dürer, die Anregung gegeben<br />

haben, den Heiligen wiederholt in seinen Gemälden darzustellen.<br />

Aber auch bei den Meistern Konrad Witz, A. Altdorfer,<br />

Hans Baidung, bei den Niederländern van Eyck, Hans<br />

Memling, Dirk Bouts im 14. und 15. Jahrhundert, bei Edward<br />

von Steinle, Matthäus Schiestl, Josef von Führich u.<br />

v. a. im 19. Jahrhundert finden wir den Heiligen dargestellt.<br />

Nicht vergessen sei das Glasgemälde von Albert Figel in der<br />

Münchner Frauenkirche vom Jahre 1929 und das im Jahre<br />

1913 aufgedeckte riesige Wandgemälde in der alten Kirche<br />

zu Garmisch, das um 1320 entstanden ist.<br />

Das gläubige Volk dachte sich den Christusträger in seiner<br />

fürbittenden Macht riesengroß, und die Kirche reihte ihn<br />

unter die 14 hl. Nothelfer ein. Christophorus wurde angerufen<br />

bei vielen menschlichen Nöten, bei Feuer- und Wassergefahr,<br />

gegen Hungersnot und jähen Tod, gegen Unwetter,<br />

Blitz- und Hagelschlag, bei Seuchen und Pestgefahr, an der<br />

Mosel gegen gefährlichen Eisgang und Ueberschwemmung.<br />

Aus solch gläubig vertrauenden Erwägungen heraus mag<br />

St. Christophorus auch Eingang in die Kirche zu Laiz gefunden<br />

haben. In der alten Kirche, vor dem Brande von 1426,<br />

soll nach der mündlichen Ueberlieferung ein Christophorusaltar<br />

und eine Christophorusbruderschaft bestanden haben.<br />

Wenn dies aktenmäßig auch nicht nachzuweisen ist, wäre<br />

dies aber nicht ausgeschlossen, da z. B. in Vorarlberg und<br />

in Tirol die 1386 von Heinrich von Kempten gestiftete Christophorus-Bruderschaft<br />

verbreitet und Laiz, bzw. die Grafschaft<br />

Sigmaringen den Habsburgern zu eigen war. Das Bild<br />

des Heiligen war ursprünglich am südlichen Chorbogenpfeiler<br />

in der Kirche angebracht.<br />

Im Jahre 1618 wurde das Bild an die Außenseite der südlichen<br />

Chorwand gemalt. Die Verlegung des Bildes läßt auf<br />

eine bauliche Veränderung schließen, es sei denn, daß der<br />

Ausbruch des 30jährigen Krieges, die drohenden Pestnöte<br />

jener Zeit, zuletzt im Jahre 1611, die immer sich wieder-<br />

St. Christophorus in Laiz<br />

holenden Hochwasser- und Ueberschwemmungsgefahren die<br />

gläubige Gemeinde veranlaßte, St. Christophorus weithin<br />

sichtbar anzubringen, um den Verehrern des hl. Nothelfers<br />

den Weg zur Kirche zu ersparen. Urkundliches Material<br />

konnte über das Anbringen des St. Christophorusbildes an<br />

der Außenseite der Kirche bis jetzt nicht gefunden werden.<br />

Das gegenwärtige Bild des Heiligen wurde von P. Gabriel<br />

W ü g e r, O.S.B., aus Beuron, einem Schüler des Gründers<br />

der Beuroner Kunstschule, Desiderius Lenz, gemalt. P. Wüger<br />

renovierte oder erneuerte das seit 1618 an der Kirchenwand<br />

befindliche Bild im Jahre 1900. Der Heilige durchschreitet<br />

einen Strom, das Gewand hochgerafft, den rechten<br />

Arm in die Seite gestemmt, der linke stützt sich auf einen<br />

baumlangen, kräftigen Ast als Wanderstab. Auf der rechten<br />

Schulter sitzt der Jesusknabe, in der Rechten die Weltkugel<br />

haltend, die Linke auf das Haupt des Heiligen gestützt. —•<br />

Leider ist dieses erst 60 Jahre alte Bild schon wieder erneuerungsbedürftig<br />

und dessen Renovation edlen Christophorus-Verehrern<br />

als gütigen Spendern anempfohlen.!<br />

Die Verehrung des hl. Christophorus fand in mannigfaltiger<br />

Form ihren Ausdruck. Es gab Münzen, Dukaten und<br />

Taler im 16. und 17. Jahrhundert, die sein Bild trugen. Es<br />

bestand ein Orden der Mäßigkeit und eine Bruderschaft von<br />

der christlichen Liebe, die Reisenden und Wanderern ihren<br />

Schutz beim Uebergang über Flüsse, Berge und Alpenpässe<br />

bot und deren Mitglieder St. Christophorus als Vorbild in der<br />

Nächstenliebe diente. Frankreich verehrt ihn auch als Patron<br />

der Festungen, z. B. in Beifort; in England ist er Schützer<br />

gegen Gewitter und Hagelschlag. Nach der Legende trieb der<br />

Wanderstab des Heiligen zum Zeichen göttlicher Weisung<br />

Blätter, Blüten und Früchte. Auf manchen Bildern ist dies<br />

auch dargestellt. Aus diesem Grunde wurde der Heilige der<br />

Patron der Gärtner.<br />

Als nach Beendigung des zweiten Weltkrieges die Hakenkreuzzeichen<br />

aus dem öffentlichen Leben verschwanden und<br />

die Gemeindebehörde sich nach neuen Siegeln umsah, erinnerte<br />

man sich dieses örtlich vertrauten Heiligen, und bald<br />

erschien sein Bild auf den Gemeindestempeln. Gar manches<br />

Schriftstück der Nachkriegszeit trägt St. Christophorus als<br />

„Sigillum". Leider entbehrte dieses Stempelbild der geschichtlichen<br />

Grundlage, und es mußte bei Einführung der<br />

allgemein gültigen Stempel im Jahre 1952 dem neuen Wappenstempel<br />

wieder weichen.<br />

Auch auf Fahnen und Wimpeln wurde das St. Christophorusbild<br />

eingestickt, so auf dem Banner der Pfarrjugend und<br />

dem Wimpel der Ortsgruppe Laiz des Schwäbischen Albvereins.<br />

Die Entwürfe dazu stammen von Malermeister Hans<br />

Henselmann in Laiz. Die Ausführung übernahm die Paramentenwerkstätte<br />

der Schwestern im Kloster Habstal. Der<br />

Musikverein Laiz trägt das Bild des Heiligen seit dem Jahre<br />

1952 als Abzeichen auf den linken Aermeln ihrer Uniformen,<br />

und im Jahre 1959 zierte beim 50jährigen Jubiläum des Mä.iner-Gesang-Vereins<br />

Laiz sein überlebensgroßes Bild die<br />

Rückwand des Festzeltes.<br />

Heute, in der Zeit der Technik und des immer mehr wachsenden<br />

Verkehrs, ist St. Christophorus Schirmherr und<br />

Schutzpatron der Eisenbahner, der Kraftfahrer und Flieger<br />

geworden. In manchen Autos sieht man Christophorus-Plaketten.<br />

Sie werden an den Stoßstangen und Kühlern der<br />

Autos und am Steuer von Flugzeugen angebracht. Das Bild<br />

des Heiligen trägt die Umschrift: „Sancte Christophore, protege<br />

nos!" d. h. „Heiliger Christophorus, beschütze uns!" Für<br />

einen gläubigen Christen bedeutet die Anrufung des Christusträgers<br />

einen sicheren Schutz als der Verlaß auf sog.<br />

Amulette, Puppen Aeffchen oder Hanswurste, wie man sie<br />

oftmals als „Talisman" in Autos baumeln sieht.<br />

Ueber der Einfahrt einer großen Kölner Garage ist zu lesen:<br />

„Allen, die hier fahren aus und ein.<br />

Christophorus soll Beschützer sein!"<br />

Mancherorts wird am Festtag des Heiligen, am 25. Juli,<br />

oder an einem beliebigen Tag, die Segnung der Motorräder,<br />

Autos, Lastwagen, Traktoren und sonstiger Kraftfahrzeuge<br />

aller Art vorgenommen. Seit die Königin Margherita von<br />

Italien in ihrem Auto einen Unfall erlitt, ohne verletzt zu<br />

werden, hat sich die Verehrung von St. Christophorus als<br />

Schutzpatron der Kraftfahrer auch in Italien eingebürgert.<br />

Alljährlich werden in Rom auf dem St. Petersplatz am Feste<br />

des Heiligen die Autos feierlich gesegnet.<br />

In Laiz fand erstmals eine Segnung der Landmaschinen<br />

und Kraftfahrzeuge am Sonntag, den 8. Mai 1955 statt. Nachdem<br />

im Hauptgottesdienst die Bedeutung, das Wesen und<br />

der Sinn der kirchlichen Weihen und Segnungen erklärt<br />

worden war, zogen die Gläubigen in Prozession mit Kreuz,


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 49<br />

und Fahnen unter Teilnahme der Musikkapelle, des Männergesangvereins<br />

und der Freiwilligen Feuerwehr zum Rathausplatz,<br />

wo durch den Ortspfarrer die Segnung vollzogen<br />

wurde. Mit Begeisterung stimmten die Teilnehmer am<br />

Schlüsse der Zeremonien in das von der Musikkapelle intonierte<br />

„Te Deum" ein.<br />

Was vor 5 Jahren begonnen wurde, wäre einer baldigen<br />

Wiederholung wert. Es wäre begrüßenswert, wenn diese Segnung<br />

zu einem sich immer wiederholenden Brauch würde.<br />

Nicht nur die Kraftfahrer der Pfarrei Laiz-Inzigkofen wären<br />

darüber erfreut, auch die weitere Umgebung zeigte sich interessiert.<br />

Die Zahl der Kraftfahrzeuge vermehrt sich dauernd<br />

oder wird durch neue ersetzt. Aber auch die Zahl der Unfälle<br />

steigt an. Mancher Autobesitzer würde sich gern unter<br />

den Schutz des orientalischen Riesen stellen, wenn ihm Gelegenheit<br />

dazu geboten wäre. Der neben der Donaubrücke<br />

vor der neuen Turnhalle geschaffene große Platz könnte als<br />

„Christophorusplatz" eine geeignete Parkstätte für viele<br />

Fahrzeuge bei Anlaß einer solchen Segnung sein.<br />

Ein ganz bedeutendes Wahrzeichen zu Ehren des hl. Christopherus<br />

erstand der Gemeinde Laiz in den Jahren 1949/50<br />

durch den Bau der neuen Brücke über die Donau, die bei der<br />

Weihe am 1. Oktober 1950 den Namen „Christophorusbrücke"<br />

erhielt. Dieser Weihetag war ein Festtag für die Gemeinde<br />

Laiz. Die vielfachen Ueberschwemmungen, die den Verkehr<br />

von Ufer zu Ufer manchmal für Wochen unterbrachen, die<br />

Lasten und Schäden, die mit den Ueberschwemmungen verbunden<br />

waren, sollten nun ein Ende haben. Darum war<br />

es verständlich und zu begrüßen, daß man sich bei der Weihe<br />

und Namensgebung der Brücke auf den Heiligen einigte,<br />

der wie keiner sonst nach Würde und Tradition berufen ist,<br />

für den Schutz dieser stattlichen Brücke und des darüber<br />

flutenden Verkehrs seine schützende Hand zu halten und um<br />

Gottes Schutz zu bitten.<br />

Zwei, eigens zur Brückenweihe verfaßten Gedichte, von<br />

O. W. mögen hier verzeichnet, die Leitgedanken wiedergeben,<br />

die die Aufgaben der neuen Brücke darlegen:<br />

Der Brücke zum Geleit!<br />

Ueber Wellen, über Wogen<br />

leuchte uns der Eintracht Band.<br />

Stolzer Brücke weiter Bogen<br />

bringe Frieden unserm Land.<br />

Blauer Wasser stilles Rauschen,<br />

grüne Fluren, Wald und Höh'n,<br />

o wie wohl tut's euch zu lauschen!<br />

Alles ist so wunderschön.<br />

Frieden! — läuten Glockenklänge. —<br />

Eintracht und Zusammenhalt<br />

Ist der Ruf der Chorgesänge,<br />

der zum andern Ufer schallt!<br />

Trag die Botschaft über Wasser, —<br />

wie die Glocken über Land, —<br />

Brücke! — Schling um Feind und Hasser<br />

dein versöhnend Friedensband!<br />

Nach dem Weiheakt durch den Priester, unmittelbar vor<br />

Eröffnung der festlichen Ueberfahrt und dem Durchschnitt<br />

des Brückenbandes sprachen zwei Jugendliche (A und B) abwechselnd<br />

folgenden<br />

Weihespruch !<br />

A. Schöpfer aller Welt und Weiten<br />

unser Bau sei Dir geweiht.<br />

Allen, die darüber schreiten,<br />

gib ein sicheres Geleit!<br />

B. Wir, die wir hier zusammenkamen,<br />

Christopherus! — Wir rufen deinen Namen!<br />

Christopherus! — Du starker Arm in Flut und Wellen!<br />

Christopherus! — Wollst deine Schultern drunter stellen!<br />

A. Wenn die Wasser schäumend wogen,<br />

an den Pfeilern brandend reißen,<br />

dann stütz mächtig ihren Bogen, —<br />

„Christopherus!" — So soll sie heißen!<br />

B. Wir rufen Gott als Schutzherrn an<br />

zur Tauf' und Weihe dieser Brücke.<br />

Ihm zur Ehre, uns zum Glücke<br />

öffne dich, du neue Bahn! (A. und B.)<br />

Möge die St. Christophorusbrücke recht lange zum Segen<br />

der Gemeinde Laiz und der Heimat das Nord- und Südufer<br />

der Donau verbinden! Noch fehlt der Brücke ein Standbild<br />

von St. Christopherus, das ihr als Wahr- und Schutzzeichen<br />

dienen soll. Der Platz für dasselbe ist am Südufer schon vorgesehen.<br />

Vielleicht erinnert sich die Gemeinde nach Abschluß<br />

und Bereinigung der augenblicklichen Bauvorhaben auch<br />

dieser ideellen Aufgabe, oder es finden sich großherzige<br />

Spender, die sich ein immerwährendes Denkmal setzen, sowohl<br />

durch Finanzierung dieses fehlenden Standbildes oder<br />

durch Renovierung des St. Christophorusbildes an der Pfarrkirche.<br />

Ersteres müßte um so leichter und für die Gemeinde<br />

Laiz erstrebenswerter sein, als sie für Entwurf und Ausführung<br />

eines Christophorus-Standbildes einen hervorragenden,<br />

einheimischen Künstler zu ihren Ehrenbürgern zählt.<br />

Möge der hl. Christophorus nicht nur als Wahrzeichen und<br />

Schützer des Dorfes Laiz dienen, sondern zum Beschützer<br />

aller werden gegen die rote Flut des Ostens! Für uns alle<br />

aber gelte der Spruch, den ich auf einem St. Christophorus-<br />

Gebetszettel fand und der uns einmal begleiten soll, wenn<br />

wir die letzte große Reise antreten:<br />

„Siehe, es führt weder Brücke noch Weg hier herüber,<br />

und viele erreichen nie das Ziel ihrer Reise!<br />

Sei du ihnen Brücke und Weg, damit künftig<br />

alle an das Ziel ihrer Wanderschaft gelangen!<br />

Hole uns über ans andere Ufer!<br />

Heiliger Christophorus, — wir bitten dich darum!<br />

F. Widemann.<br />

In einem Seitentälchen des Stunzachtales zwischen Gruol und Heiligenzimmern liegt<br />

Bernstein, das früher von Klosterbrüdern bewirtschaftet und vor allem durch die große<br />

Ziegelei bekannt wurde. Bernstein ist heute Staatsdomäne und wird von einer Heimatvertriebenenfamilie<br />

bewirtschaftet. Im Dritten Reich dienten die Räumlichkeiten für ein<br />

Landjahrlager. Nach dem Kriege hatte sich die inzwischen wieder eingegangene Kunstschule<br />

hier etabliert. Bernstein ist ein Ort beschaulicher Ruhe inmitten einer romantischen,<br />

reizvollen Landschaft, die zu erholsamen Spaziergängen einlädt. Von der einstigen<br />

Kirche sind noch einige Deckenstukkaturen erhalten. (Foto. J. Schneider.)


50 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Aus der Geschichte des Klosters Habstal<br />

(Nach einem Auszug des bayer. Regierungsdirektor von<br />

Raiser in Augsburg, aus dem habstalischen Fundationsbuch,<br />

aus den Klosterurkunden zusammengetragen von P. Eusebius<br />

Reutmayer, Regularkanoniker s. Augustini in Waldsee,<br />

Beichtiger und Pfarrer zu Habstal 1681.)<br />

Das Kloster Habstal, dem Dominikanerorden zugehörig,<br />

hatte ursprünglich seinen Sitz in Mengen in dem jetzt<br />

sogenannten Amtshause. Noch heutzutage bezieht es Gefälle<br />

in Mengen. Die ersten Stiftungsurkunden zu Mengen sind verloren<br />

gegangen. Im Jahre 1259 hat Konrad von Bodman,<br />

welcher von dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen den Ort<br />

Habistal lehnbar besaß, solchen zur Vergabung an die Nonnen<br />

in Mengen dem Lehensherrn zurückgegeben, mit den<br />

Worten: „Seinem verehrungswerten Herrn Hugo von Gottes<br />

Gnaden Pfalzgraf von Tübingen versichert Conrad von Bodman<br />

in allem seine Ergebenheit. Werke sterblicher Menschen<br />

pflegen schriftlich niedergelegt zu werden, damit sie nicht<br />

vergessen werden. Daher beschließe ich, meine Besitzungen<br />

in „Habestal" mit allen Rechten und Zubehör, die ich bisher<br />

als Lehen von Eurer gütigen Gnade besaß, hiermit Euch<br />

bzw. in die Hand des Fraters Johannes von Ravensburg,<br />

Predigerordens hiermit frei zurückzugeben, damit die Priorin<br />

und der Konvent zu Mengen sie ohne Beunruhigung durch<br />

mich oder meine Erben besitzen können, zu meinem und<br />

Eurem und unserer Vorfahren Seelenheil!"<br />

Am Dienstag in der Bittwoche 1259 hat dann der genannte<br />

Pfalzgraf die Güter zu „Habestal" dem genannten Frater Johannes<br />

und dem Convent übergeben. Die Urkunde ist zu<br />

Altheim ausgestellt in Gegenwart des Fraters Johannes, seines<br />

Gefährten Konrad von Ueberlingen, des Kirchherrn Kraft<br />

von Altheim, des Herrn Marquard genannt Müller von Ihelingen,<br />

seines Bruders Werner, Wolfram Vogts von Altensteig<br />

und Eberhards, des Edlen von Jungingen. Vormittags<br />

9 Uhr."<br />

Im nämlichen Jahr 1259 hat Rudolf Graf zu Tübingen und<br />

Herr zu Scheer diese Stiftung seines Bruders bestätigt, und<br />

durch Urkunde von Weissenburg vom 16. Mai 1276 hat König<br />

Rudolf von Habsburg die Schenkung nochmal bekräftigt, wobei<br />

die Güter auf 20 Mark Silber geschätzt sind, und für frei<br />

eigen erklärt werden.<br />

Ehe die Nonnen zu Mengen nach Habstal übersiedelten,<br />

hat schon am 1. 6. 1257 der Bischof Eberhard von Konstanz<br />

ihnen die Regel des hl. Augustinus gegeben und sie in seinen<br />

Schutz aufgenommen. Der Ort heißt hier Vrie-Mengen d. h.<br />

Freies Mengen. Dieses letztere ist die Zweitälteste Urkunde<br />

des Klosters. Es war, wie aus folgendem hervorgeht, ohne<br />

Zweifel anfänglich eine gewöhnliche Beginen-Sammlung<br />

und erhielt hier durch den Bischof die klösterliche Form. Im<br />

Jahre 1254 hatte Graf Hugo von Montfort den Schwestern<br />

zu Mengen ein Gut zu Weckhofen (am Weg von Rosna nach<br />

Mengen) geschenkt und 1257 den Hof (curia) zu Mengen<br />

samt Zubehör ihnen zu eigen gegeben. 1283 haben die Herren<br />

der Stadt das Haus zu Mengen von aller Steuer, Anlage<br />

und Wacht befreit, und 2 Jahre drauf erteilte Herzog Rudolf<br />

in Schwaben dem Haus in Mengen besondere Privilegien, die<br />

Herzog Albrecht 1292 bestätigte.<br />

Das Stiftungsgut des Klosters in Habstal vermehrte sich<br />

allmählich durch Schenkungen und Käufe. Wir bemerken<br />

darunter folgende:<br />

1281 stiftete Graf Mangold von Nellenburg einen Hof und<br />

Gut zu Enzkofen, vor alters „das Gravengut" genannt,<br />

das die von Ramunk als Lehen besessen hatten. Dazu wurden<br />

später noch Güter da zugekauft.<br />

Ebenfalls 1281 verkauften Graf Mangold von Nellenburg<br />

und Heinrich von Magenbuch, wohl sein Vasall, zwei große<br />

Höfe in Jettkofen an Habstal. Die Güter hießen „Aufsitzen".<br />

Andere Grundstücke und die Mühle daselbst erwarb<br />

das Kloster 1371 und 1402.<br />

Im Jahre 1286 gab Albert von Ruolflngen ein seit uralter<br />

Zeit als Lehen besessenes Gut zu Herbertingen an<br />

den Grafen Heinrich von Veringen zurück, worauf dieser es<br />

um seiner und seiner Voreltern Seelenheil willen an Habstal<br />

stiftete. Die Uebergabe geschah zu Grüningen auf dem<br />

Kirchhof im Beisein vieler Grafen, Ritter und Edlen, die<br />

auf einer Hochzeit derer von Liebenstein zusammengekommen<br />

waren. Andere Güter daselbst wurden 1360 von Walter<br />

von Büren (Beuren), 1377 von Konrad Schorp zu Ochsenbach,<br />

1473 von Peter von Beuren zu Mengen an das Kloster teils<br />

gestiftet, teils verkauft. Zu Repperweiler wurde 1287<br />

ein Gut von dem Grafen Heinrich von Montfort, Herrn zu<br />

Scheer, gestiftet. Einen andern Hof daselbst erwarb das<br />

Kloster 1386 um 255 Pfd. Hlr. und wieder andere Güter<br />

1475 und 1508 vom Kloster Salem.<br />

Zu Völlkofen stiftete Johannes Gottsritter zu Pfullendorf,<br />

der eine Tochter im Kloster hatte, 1406 ein Bauerngut.<br />

Ein zweites Gut daselbst kaufte Frau Agnes Luitingerin<br />

von Meßkirch, Nonne zu Habstal, von Kunz von Landau mit<br />

Zustimmung des Grafen Hermann von Sulz. Nach ihrem Tod<br />

fiel es an den Konvent. Der erwähnte Gottsritter stiftete<br />

auch die Birkhaider Waldung ans Kloster. Gleichfalls zu<br />

Völlkofen besaß Menloch von Leinstetten den halben Großund<br />

Kleinzehnten als Nellenburger Lehen und verkaufte ihn<br />

mit lehensherrlicher Bewilligung 1401 um 465 Pfund Heller<br />

an Habstal. (Die andere Hälfte des Zehnten gehörte dem<br />

Spital in Mengen.)<br />

Zu Günzkofen kaufte das Kloster im Jahre 1415 ein<br />

Drittel des Groß- und Kleinzehnten von Frau Berta Ganserin<br />

um 450 Pfund Heller mit Zustimmung des Lehensherrn,<br />

des Grafen von Nellenburg. ('/a des Zehnten gehört<br />

der Pfarrei Scheer, Vs dem Spital Mengen.) Ein kleines Gütle<br />

daselbst wurde 1360 und 1419 von Katharina Huntüblin und<br />

Konrad Bosch, Kirchherrn zu Habstal, gestiftet.<br />

Zu Hohentengen wurde 1360 ein Gut von Walter von<br />

Büren um 142 Pfund Hlr. gekauft, wozu 1503 und 1505 noch<br />

mehrere Grundstücke kamen.<br />

Zu Bremen kaufte das Kloster Habstal 1352 von zwei<br />

Bürgern zu Mengen ein Gut um 45 Pfund. Durch Vertrag vom<br />

Jahre 1527 wurde der Gemeinde Bremen das Fischrecht in<br />

der Ostrach abgesprochen.<br />

Zu B o m s stiftete 1363 Hartnit Kröwel, Kastenvogt der<br />

Kirche in Boms den Kirchensatz (d. h. Patronatsrecht) mit<br />

allem Zubehör an Habstal, und Rudolf Kröwel, Altbürger zu<br />

Saulgau. bestätigte mit seinen Söhnen diese Stiftung 1363.<br />

Dieses Patronatsrecht kam nachher an Altshausen. Wir übergehen<br />

andere kleinere Stiftungen.<br />

Die Hauptbesitzungen Habstal waren außer Habstal selbst<br />

noch Bernweiler und Rosna. Bernweiler wurde 1266<br />

um 16 Mark Silber von Salem käuflich erworben. Ursprünglich<br />

nur ein Hof, wurde es in der Folge mit mehreren andern<br />

Gütern vergrößert und 1680 einige Wohnungen für Tagwerker<br />

und Handlanger dahin gesetzt. Rosna, ein Dorf,<br />

gehörte vor Zeiten den Edlen von Rosenau, welche auf der<br />

Höhe des Berges eine Burg hatten. Der letzte des Namens,<br />

Rudger von Rosenau, hinterließ eine Tochter namens Ursula;<br />

der Pfleger Wolf von Jungingen veräußerte im Jahre<br />

1373 den Burgstall (Burgstelle) Rosenau samt allem Zubehör<br />

für sie um 434 Pfund Heller an Habstal. Von dieser Zeit<br />

an hatte das Kloster auch die niedere Gerichtsbarkeit über<br />

Rosna, das übrigens früher Talheim hieß. Im Jahre<br />

1432 stifteten die Gebrüder Konrad und Frick von Magenbuch<br />

die Kapelle von Rosna samt Zubehör, auch was sie<br />

sonst zu Rosna an Leuten, Grund und Boden besaßen, an<br />

Habstal. Die Zehnten gehörten größtenteils (so wie die zu<br />

Habstal) nach Buchau. 1490 wurde mit dem Stift Buchau<br />

ein Vertrag errichtet, wonach dieses aus Rosna den Zehnten<br />

bezog mit Ausnahme aus den 32 Jauchert, die zum Pfarrwidum<br />

gehörten, und nach Habstal zehnteten. Wegen der<br />

Neubruchzehnten verglich man sich 1681 dahin, daß dieselben<br />

zwischen den Pfarrern zu Ennetach und Habstal in 2 Hälften<br />

geteilt sein sollen. Güter und Leute zu Rosna waren sämtliche<br />

nach Habstal lehnbar und leibeigen. Die Landeshoheit<br />

war strittig. Die Steuer ging zum Schwäbischen Kreis. Die<br />

Regalien waren sigmaringisch, von dem Zoll aber bezog<br />

Sigmaringen nur ein Drittel, und Oesterreich zwei Drittel.<br />

Auch die Appellationen gingen in ihrem letzten Zuge an die<br />

österreichischen Behörden.<br />

(Nachtrag: Sämtliche Einkünfte des Klosters Habstal wurden<br />

im Jahre 1803 zu 12 356 fl, seine <strong>Ausgabe</strong>n zu 11 982 fl<br />

berechnet. Es enthielt damals 14 Frauen und 2 Novizinnen<br />

und 4 Laienschwestern.)<br />

Schirmherren des Klosters waren seit den Zeiten der Grafen<br />

von Werdenberg die Herren zu Sigmaringen. Der Ursprung<br />

dieser Vogtei ist wahrscheinlich aus dem alten Grafenbann<br />

abzuleiten. Als 1534 Sigmaringen an das Haus Hohenzollern<br />

kam, wurden als Schirmrecht gefordert: a) iährlich<br />

auf Martini 18 fl, b) ein Ochs mittlerer Größe und c) 5 Malter<br />

Roggen und 5 Malter Haber, d) das Recht der Hundsiege<br />

zweimal im Jahr, so daß etliche Wochen die Jagdhunde und<br />

der dazu gehörige Bub ernährt werden mußten, e) eine Rüde<br />

und gar großer Hund mußten immer gehalten werden,<br />

f) zweimal im Jahr mußten Jäger und Hunde einige Tage<br />

mit Speise und Trank ernährt werden. Jeder Jäger forderte<br />

IV2 Maß Wein, g) Wenn der Graf mit Gefolge kam, mußte<br />

ihn das Kloster unentgeltlich verköstigen, h) jährlich zweimal<br />

sollte ein Fuhrmann mit 2 Pferden nach Sigmaringen<br />

kommen, um einige Wochen lang Mist zu führen, wozu er


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 51<br />

das kurze Futter mitzunehmen hatte, i) während der Saat


52 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

wechselnd 1324 und nach 1454 Mundelstein und dazwischen<br />

gelegentlich den Ausdruck „Kiverlins Burg" benützt! Die Kiverli,<br />

ein Zweig der Herren von Liechtenstein, saßen 1292<br />

und später in Gammertingen, auch noch 1347 wird Dietrich<br />

von Liechtenstein zu Gammertingen seßhaft erwähnt. Aber<br />

wo saßen sie? Vermutlich in der Stadtburg anstelle des späteren<br />

Schlosses und jetzigen Rathauses!<br />

Aus dem Mariaberger Zinsbuch von 1454 geht klar hervor,<br />

daß obige Kiverlins Burg von 1338 mit der sog. Burghalde<br />

gleichgesetzt ist, wo Vi Stunde südlich von Mariaberg auf<br />

einem Felsen eine Burgstelle liegt, die vermutlich auch der<br />

Stifterin des Klosters, einer Gräfin von Gammertingen um<br />

1166 gehörte, d) Zum Ueberfluß heißt nach J. Wiest auch die<br />

Flur zwischen der Necke und dem Neckental südöstlich von<br />

Gammertingen heute „Schloßberg", doch ohne Spuren eines<br />

ehemaligen Wehrbaues, e) Dagegen lag ein sog. „Altes<br />

Schloß sicher auf dem 711 m hohen Berg südwestlich von<br />

Gammertingen, noch auf seiner Markung an der Fehla.<br />

Es wurde 1933 von Heimatfreunden ausgegraben. Ob hier<br />

auch Kiverli wohnten? Oder war dies die Burg Schirmb<br />

e r g, die wir oben unter Nr. 1 und 3 als Sitz des Heinr. Spät<br />

erwähnten? M. Walter suchte den Schirmberg zwar in Nähe<br />

von Mayingen über der Burladinger Mühle, ohne einen Beweis<br />

anführen zu können. Ein Berg, „der Schirm gewährt",<br />

war für Gammertingen zweifellos das „Alte Schloß" an der<br />

Fehla!<br />

f) Vor einigen Jahren machte der Unterzeichnete mit Oberlehrer<br />

Wiest, dem verdienten Schriftleiter der Hohenzollerischen<br />

Heimat, einen Spaziergang zu den Grabhügeln über<br />

dem Weihtäle westlich der Stadt, unweit der ersten Straßenschleife<br />

gegen Neufra. Unmittelbar nördlich über dem<br />

Weihtäle fiel ein künstlich zugerichteter Felsen (715,7 m)<br />

mit einem modernen Pavillontürmchen auf.<br />

Hier stand sicher einmal eine Ritterburg! Natürlich von bescheidenem<br />

Umfang, wie der Mundelstein.<br />

Bei dieser großen Anzahl von Burgstellen rings um die<br />

Stadt war es freilich völlig ausgeschlossen, ohne weitere<br />

Hinweise die Burg Huesteneck zu finden.<br />

Eine Notiz Sebastian Lochers von 1880 wies den Weg zur<br />

Lösung! In den Güter- bzw. Zinsbeschreibungen des Klosters<br />

Mariaberg (Stuttgart B 477) von den Jahren 1454, 1472, 1474,<br />

1495—97 finden sich unter Gammertingen und Bronnen<br />

mehrere Erwähnungen der Flur Huostneck-<br />

Huschnegg:<br />

1. Gammertingen: 1454 heißt es: Tudel Anna gibt<br />

Vit Schilling Heller aus einer Wies unter Hustnek. 1472 und<br />

1474 gibt Peter Duduler aus derselben Wiese 8 ß hl; 1495<br />

aber „Auberlin Benrat gibt 8 ß hl. aus der Wies<br />

unter Huschnegh an der Lauchert nach der<br />

Länge gelegen, sind bei 6 Juchart.<br />

2. Bronnen: a) 1454 hat Heinz Syler des alten Strangers<br />

Hof, dazu gehören u. a. ein Jauchert unter<br />

Huostnek, und 1 J. in der Ow.<br />

Im Jahre 1472 heißt dieser Hof des Heinz Syler „des alten<br />

Staygers Hof", 1474 hat Konrad Syler des alten Staigers Hof,<br />

wie 1454: 1 J. unter Huostneck. 1497 hat Endres Magenbuch<br />

(später Theiß Lorch) des alten Staigers Hof, darin im Esch<br />

Uf Schwende: 1 J. unter Hustnegkh, anwandet<br />

auf Peter Viseis Acker und Benrat Auberlins Wies (s. oben!).<br />

b) 1454 hat das Maigerlin des Kayben Gut und darin: 1 J.<br />

Acker im Louch, 1 J. unter Huostnek am Wasser.<br />

1472 hat Hans Mayer des Kayben Gut: 1 J. im Louch, 1 J.<br />

Acker unter Hostnegg am Wasser, ebenso 1474.<br />

1497 hat Kunrad Schnitzer des Knaben (d. i. Kayben!) Gut,<br />

darin im Esch Uf Schwende: 1 J. Acker unter der Burg<br />

in der Ow am Wasser hinab, anwandet, uf Hans<br />

Hodlers Acker (d) und Peter Viseis Wiesen (c) 1 J. im Louch<br />

(Loch). Ferner hat in diesem Jahr Simon Gucker des Treyzers<br />

Gut: 1 Jauchert im Eschlin unter Hustneck<br />

im Esch Uf Schwende, zwischen Peter Viseis und<br />

Konrad Schnitzlers Acker.<br />

c) 1472 hat Klaus von Brunnovo einen Acker under<br />

Hustnegg, daraus gibt er die vierte Garbe ans Kloster.<br />

Im Jahre 1474 hat Bärbel die Härrin IV2 J. Acker unter<br />

Huschnek, anwandet auf den Syler (oben 2a), und gibt<br />

daraus die 4. Garbe. Im Jahre 1497 heißt es: Peter Visel hat<br />

Schälkiis Gut, gibt die 4. Garbe aus l'/ä J. unter Hustneck<br />

h, anwandet auf Endres Magenbuch (oben 2a) und<br />

der Länge nach an Simon Guckers Acker (oben 2b).<br />

d) Im J. 1472 heißt es: Burkart Benrat hat Heinzen Hodlers<br />

Gut, darin 1 Jauchert Acker unter der Burg<br />

am Wasser, stoßt auf Hans Mayers Acker (oben 2b). Im Jahre<br />

1497 hat Hans Hodler diese J. Acker unter der Burg<br />

am Wasser (Esch Uf Schwende) an Konrad Schnitzers Acker<br />

(oben 2b) und an Endes Magenbuch noch eine weitere Jauchert<br />

daselbst unter der Burg.<br />

Die Aecker und Wiesen unter Hustneck in der Ow lagen<br />

somit an der Lauchert. Hustneck und die Burg sind 1497<br />

gleichbedeutend gebraucht. Der Esch „Uf Schwende" muß<br />

westlich der Lauchert zwischen Gammertingen und Bronnen<br />

gelegen haben, da darin auch Grundstücke an der Gauselfinger<br />

Dicke erwähnt sind!<br />

In dieser Gegend in Nähe der Lauchert gibt es unmittelbar<br />

südlich am Weiler Bronnen über der Höhle „Eulenloch"<br />

den Namen Hochwacht bzw. Kleiner Stein (1497), aber keine<br />

Spuren einer Burg. Auch ist hier unten an der Lauchert<br />

kein Platz für mehrere Aecker und eine große Wiese. Da<br />

bleibt nur der Felsen weiter südlich am Weihtäle<br />

(früher Weittäle) übrig, der alle Bedingungen<br />

für Huschneck erfüllt! Zum Ueberfluß bestätigt<br />

Oberlehrer Wiest-Gammertingen eine meiner verblaßten<br />

Erinnerungen, daß die Wiesen unterm Weihtäle<br />

heute noch die B e z e i c h n u ng „in der Au" tragen. Am<br />

Weihtäle stand somit zweifellos die Burg<br />

Hustneck. Wann sie abging, wissen wir nicht. Vielleicht<br />

stand sie noch im Jahre 1497.<br />

Nebenbei wird durch obige „Kiverlins Burg" auf der Burghalde<br />

bei Mariaberg ein Irrtum der Oberamtsbeschreibung<br />

Reutlingen berichtet, die hier eine frühgeschichtliche Fliehburg<br />

annahm. Dazu ist zudem der Burgplatz viel zu klein!<br />

Zum Namen Husteneck-Hostnegg können nur Vermutungen<br />

vorgebracht werden. Es dürfte gewagt sein, Hostnegg<br />

mit dem lat. hostis = Feind zusammenzustellen. Mittelhochdeutschen<br />

„huste Heuhaufen, Getreideschochen" scheidet<br />

wohl aus. Vielleicht darf man Hurst voraussetzen, wobei<br />

das schwäbische Wuuscht — Wurst und Duuscht = Durst<br />

beizuziehen wäre. Ein Albert Hurst der Schiltauer<br />

begegnet uns 1305 im Fürstb. UB. 5, 240, 3. Doch wissen wir<br />

nicht, ob er um Gammertingen lebte, geschweige denn eine<br />

Burg hatte. Hurst ist sonst gleich Gebüsch, in übertragenem<br />

Sinne (nach Lexer) auch Kampfgewühl. Da das<br />

mhd. Zeitwort hürsten, hursten so viel wie abwehren,<br />

abschirmen bedeutet und das Eck ein beliebter<br />

Burgen-Ausdruck ist, hätten wir eine typisch ritterliche Burg<br />

„Schirm eck" vor uns.<br />

Joh. Adam Kraus.<br />

Ueber 500 Jahre Gammertinger Schollenkäppele<br />

Ob viele Gammertinger Einwohner eigentlich wissen, daß<br />

das anspruchslose Schollenkäppele unweit des Weges nach<br />

Feldhausen mit dem Bild des weinenden Apostelfürsten Petrus<br />

aus dem vorigen Jahrhundert, wohin die „Kunstdenkmäler"<br />

auch den Bau datieren möchten, schon über 500 Jahre<br />

zu den Vorübergehenden spricht? Zwar mag in diesem halben<br />

Jahrtausend schon manchmal eine Erneuerung nötig gewesen<br />

sein. Tatsache ist jedenfalls, daß schon im Mariaberger Zinsbuch<br />

(Stuttgart) vom Montag nach Lätare des Jahres 1454<br />

das „Cäppeli am Feldhauser Weg" genannt wird,<br />

ohne daß man weiß, wann es eigentlich erstmals erbaut<br />

wurde. Auch der Namen Schollenkäppele, der im 18. Jahrhundert<br />

gelegentlich als Stollenkäppele erscheint, erklärt sich<br />

aus obigem Zinsbuch zwangslos durch die Grundstücke eines<br />

Bauern namens Scholl, die dort und im Gamenloch usw.<br />

erwähnt werden. Auch der Heiligenbühl wird damals<br />

schon aufgeführt, auf dem im Jahre 1932 einige Heimatfreunde<br />

die Fundamente einer Kapelle ausgruben.<br />

Von einer Erneuerung und sozusagen rechtlichen Neustiftung<br />

scheint auch nicht mehr viel bekannt zu sein. Aber<br />

da liegen in Freiburg zwei förmliche Urkunden vor. Danach<br />

hat die Stadt Gammertingen am 13. August 1713 ao den<br />

Bischof von Konstanz urkundlich das Versprechen gerichtet,<br />

zur Ehre Gottes und Mariens, auch des Apostels Petrus und<br />

der Büßerin Magdalena die Kapelle am Feldhauser Weg<br />

nicht nur mit einem Tragaltar auszustatten, sondern selbe<br />

auch mit Dach und Gemäuer aus dem städtischen Einkommen<br />

(ohne Präjudiz des Pfarrkirchenpatrons St. Leodegar)<br />

jetzt und zu ewigen Zeiten erhalten zu wollen. Der<br />

Herr der Stadt, Ludwig Friedrich Freiherr S p e t h von<br />

Zwiefalten (Herr zu Gammertingen, Feld- und Harthausen,<br />

und Kammerer der kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalz)<br />

hatte die Zustimmung dazu gegeben. Und der Gammertinger<br />

Bürger Dietrich Knupfer, Barbier und Wundarzt, hatte diese<br />

uralte ziemlich ruinös gewesene Feldkapeile zwischen Gammertingen<br />

und Feldhausen auf eigene Kosten renoviert und


Jahrgang i960 HOHENZOIiLEHISCHS HEIMAT 53<br />

mit allen zum Gottesdienst nötigen Paramenten versehen.<br />

Unter der Urkunde sieht man das aufgedrückte große Stadtsiegel<br />

und eine kleine Ringpettschaft (Mann mit Spazierstock<br />

(?), um den sich eine Schlange (?) windet.<br />

Am gleichen Tage schrieben der Schultheiß, die Burgermeister<br />

und gesamte Bürgerschaft der Stadt an den Generalvikar<br />

nach Konstanz: Sie hätten mit Zustimmung der Obrigkeit<br />

die besagte Feldkapelle mit allem Nötigen ausgestattet,<br />

damit „unsere einige Jahre her von dem Hochgewitter<br />

leider sehr hart getroffenen Felder durch die<br />

starke Fürbitte der erwähnten Patrone vor dergleichen hoch-<br />

empfindlichen und die äußerste Armut nach sich ziehenden<br />

Schäden künftig bewahrt werden möchten." Sie bitten um<br />

Erlaubnis, den in der Pfarrkirche vorhandenen Tragaltar in<br />

der Kapelle zum Gottesdienst benützen zu dürfen. Der Generalvikar<br />

erlaubte dies für drei Jahre, jedoch nur außerhalb<br />

der Tage, die zur Ehre Gottes gefeiert wurden, am 19.<br />

August 1713. (Ordinariatsregistratur Freiburg: Gammertingen,<br />

Seelsorge).<br />

Im Pfarrarchiv Gammertingen ist aus dem Jahre 1675 eine<br />

Kostenaufstellung für die Auferbauung der Schollenkapelle.<br />

Kraus.<br />

Burladingen und das Killertal vor 60 Jahren<br />

Im Jahre 1899 hat Professor Eugen Nägele-Tüblngen eine<br />

Wanderung durchs Killertal auf die Alb gemacht und diese<br />

dann in den von ihm redigierten „Blättern des Schwäbischen<br />

Albvereins" 1900, S. 49—55 und 1901, S. 1—8 geschildert. Der<br />

Bericht ist nach Verfluß von zwei Menschenaltern noch<br />

lesenswert. Notwendige Anmerkungen setzen wir hier in<br />

Klammern:<br />

Burladingen liegt an einem interessanten, bedeutenden<br />

Albpaß. Etwa 1 km westlich befindet sich die Wasserscheide,<br />

737 m. Dort gehen einerseits die Wasser, wie die des Neubrunnens,<br />

westlich zur Starzel, deren Teil zwischen Hausen<br />

und Hechingen nach dem in der Mitte gelegenen Oertchen<br />

Killer (Kilchwiller) Killertal genannt wird, anderseits die<br />

Fehla, in deren Tal Burladingen liegt, östlich zur Lauchert<br />

und Donau. (Nägele wußte also noch nichts von dem greulichen<br />

Unsinn unserer neueren Karten, die im Weilertal ob<br />

Hausen einen Bach Killer verzeichnen! (Albvereinsblätter<br />

1955, S. 28).<br />

Bis Burladingen wird eben die Bahn durchs Killertal<br />

von Hechingen her (16 km) gebaut, der Anfang eines<br />

hohenzollerischen Bahnnetzes, das nicht ohne nachhaltige<br />

Folgen sein wird. Der Bahnhof kommt etwa zwischen Dorf<br />

und den links draußen sichtbar werdenden Friedhof zu stehen.<br />

Darüber erhebt sich die Kuppe der aussichtsreichen<br />

Hohen Wacht, 893 m. (N. schrieb irrig 907 m.) Auf dem<br />

beigegebenen Foto von Fotograph Mayer in Burladingen<br />

ist irrig das Lindenhörnle 897,9 m als Hohe Wacht bezeichnet.<br />

Das Bild ist oben am Waldrand ob der Nebenstaig aufgenommen<br />

und zeigt genau auf die (alte) Kirche. Im Vordergrund<br />

sieht man eine weißgekleidete Frau neben einem<br />

Tännchen, dann folgt überm Brühl und Wasen gleich der<br />

Bogen der Straße „Im Wasen", links ist gerade noch der<br />

Anfang des Ringinger Sträßles zu sehen, nördlich der Hauptstraße<br />

sucht man vergebens die spätere Bahnhof- und Bie-<br />

nerstraße. Der Friedhof ist tatsächlich weit im Feld draußen!<br />

Zur Hohen Wacht und den Falkenburgen vergl. Albvereins-<br />

Blätter 1933, S. 12—13.<br />

Es ist ein freundliches und großes Dorf (1880 mit 1846<br />

Einwohnern) mit Industrie und Landwirtschaft, mit Arzt und<br />

Apotheke, mit zweimaligem Postverkehr und einem guten<br />

Gasthof, dem Reichsadler (gegenüber dem Rathaus). Prächtige<br />

Berge und schöne Wälder umgeben das Dorf, dessen<br />

Baumgärten sich gegen das Ackerland angenehm abheben.<br />

Auch hochinteressante Altertümer finden sich hier. Doch<br />

von diesen und auch anderen Herrlichkeiten später! Ist die<br />

Bahn eröffnet, so wird die ganze Umgebung rasch „erschlossen"<br />

werden und manche der bisher seltener gewagten Wanderungen<br />

hinüber nach Bitz und Ebingen, nach Onstmettingen<br />

oder am Trauf hin zum Zeller Horn, ferner nach Ringingen,<br />

Salmendingen oder Stetten u. H., nach Neufra,<br />

Gammertingen und Veringen durchs Laucherttal häufiger<br />

ausgeführt werden.<br />

Machen wir heute einmal zu Fuß den Weg von Hechingen<br />

nach Burladingen. Der „Killertal" genannte Teil der Alb<br />

beginnt am Starzeltal inmitten der stark entwickelten<br />

Braunjura-Landschaft bei Hechingen nicht eben als ausgeprägtestes<br />

der Albtäler. Während diese sonst zwischen<br />

zwei scharfkantigen, steilwandigen Bergreihen schmal einschneiden<br />

und der Fluß innerhalb des Gebirges fast jede<br />

Erhebung beseitigt hat, ist hier zwischen der Trauf und<br />

dem Dreifürstenstein einerseits der (nicht gerade) hohe Neuberg<br />

stehen geblieben, dessen waldiger Rücken das Tal zu<br />

einem Zwillingstal macht, drüber der Reichenbach, hüben<br />

die Starzel. Andrerseits streckt sich am Fuß des Dreifürstenstein<br />

die Beurener Höhe mit dem Hechinger Stadtwald weit<br />

vor, nahe zu unserer Linken.<br />

Sommer im Vorland der Schwäbischen Alb. Weit schweift der Blick vom Kirchberg<br />

hinunter in Stur.zachtal, und hier öffnet sich dem Wanderer und Naturfreund ein Panorama<br />

unserer engeren Heimat mit der Kulisse der Schwäbischen Alb, wie man es<br />

selten irgendwo schöner sehen kann. Im Talgrund liegt Gruol, eingerahmt von den<br />

nahen Höhenzügen und Wäldern. Es ist sicher nicht verwunderlich, wenn hier oben<br />

auf dieser Landschaftskanzel einst die Grafen von Hohenberg ein Kloster gründeten.<br />

Kirchberg ist eine Begegnung von Natur und Glaube und hat bis heute eine Anziehungskraft<br />

beibehalten. Belebt wird die reizvolle Landschaft von den weidenden Schafherden.<br />

(Foto Josef Schneider.)


54 «OH " N Z O L L B R I S C ä r HEIMAT Jahrgang <strong>1960</strong><br />

Vom Bahnhof Hechingen kommt man, wenn ma<br />

keine verbotenen Wege wandeln will, am Löwen vorbei,<br />

nach einigen Bögen endlich auf die gradlinige Straße ins<br />

Killertal. Wie ich letzten Herbst hinaufmarschierte, vergoldete<br />

die aufgehende Sonne eben die Zollerburg, von<br />

Schlatt her sah ich sie über das ganze Tal hereinleuchten.<br />

Der blaue Himmel, die herbstlichen Wälder, der dunkle<br />

Schatten, talabwärts die leicht umflorte Stadt Hechingen<br />

boten zusammen ein reizendes Herbststück. Je höher ich<br />

kam, desto klarer war die Luft. Es war einer jener Tage,<br />

wo man unter 700 m im Nebel steckt, darüber aber den<br />

schönsten Sonnenschein genießt.<br />

Die Kante links oben, die so sehr scharf abfällt, nennt<br />

die Karte „Schild", wohl nach dem Sprachgebrauch der Salmendinger<br />

(und Ringinger), denen die ganze Ebene bis zur<br />

Kante gehört. In Jungingen hörte ich dafür „Zigeunerkapf".<br />

Den nächsten Vorsprung rechts davon, auf der Karte Hörnle,<br />

heißen die Junginger Weilerwaldkapf, die große Risse: Weilerwaldrisse.<br />

(Die Ringinger sagen „Hörnlesrutsch".) Weiler war<br />

eine unterhalb Jungingens gelegene, jetzt abgegangene Siedlung.<br />

(Kapelle wurde 1806 abgebrochen). Im Hintergrund des<br />

Tales, rechts des neuen Kirchturmes von Schlatt, taucht der<br />

„Obere Berg" auf, jener so weithin sichtbare und meist unbekannte<br />

Fels- und Waldberg ob Starzein und Hausen, rechts<br />

auch die vorderste Kuppe des Homberg. Wo es über den Bach<br />

bergan geht nach Schlatt, kommt links vorn der Dreifürstenstein<br />

in Sicht. Dort hinauf greift das hübsche Tälchen<br />

des Heiligenbaches, in das sich die zerstreuten Häuser Schlatts,<br />

von Obstbäumen umgeben, malerisch hineinziehen. Auf dem<br />

höchsten der Vorhügel steht das alte K i r c h 1 e i n (mit<br />

Friedhof von Schlatt), von dem ein steiler Weg (Hechinger<br />

Staig) nach dem Heufeld und Ringingen führt. Die neue<br />

Kirche, ein schmucker Backsteinbau in frühgotischem Stil,<br />

steht zwischen der alten und neuen Straße und gleich dabei,<br />

rechts der letzteren, wird der Bahnhof Schlatt seine Stelle<br />

haben. Die Starzel hat sich bei Schlatt ein tiefes Bett gegraben.<br />

Hinter Schlatt steigt man wieder beträchtlich höher. Trotz<br />

des tiefen Bacheinschnitts, trotz der Rissen (Rutschen) am<br />

Hörnle links und am Trauf rechts behält das Tal seinen<br />

milden Charakter bei, dank der mannigfaltigen Gliederung<br />

der Vorberge, deren Baumwuchs heute in den buntesten<br />

Farben leuchtet. Rückwärts über Schlatt hoch thronend Beuren!<br />

Die Bahn bleibt von uns aus rechts auf dem linksseitigen<br />

Berghang. Auf der höher laufenden Straße hat man gleich<br />

rechts vom „Hörnle" den Vorsprung des Köhlbergkapfes<br />

(oben „Lauen" genannt). Zur Rechten kommt der Hangende<br />

Stein zum Vorschein. Vor sich hat man ein ebenes Wiesental,<br />

dahinter liegt Jungingen. Das Dörfchen macht einen<br />

recht städtischen Eindruck, hat eine Kirche von 1819, einige<br />

Fabriken (Trikot, Peitschen, Waagen), viel Landwirtschaft,<br />

einige Landwirte liefern einen berühmten Käse, Reste des<br />

früher größeren Handels, gute Wirtschaften - Bumiller zur<br />

Post - und einige alte Holzhäuser. (Gute Plastiken von 1590<br />

aus der Hechinger Schloßkapelle! (Vgl. Kunstdenkmäler 1939.)<br />

Von der Höhe des Wasserstandes bei der Ueberschwemmung<br />

vom 6. und 7. Juni 1895 .zeugt eine Inschrift bei Phil. Bumiller.<br />

Im Weichbild des in ein Ober-, Mittel- und Unterdorf zerfallenden<br />

Dorfes finden sich Namen wie Thomas-, Jonas-,<br />

Stoffels-, Mesner- und Weilergarten. Die am Weilerwaldkapf<br />

(Hörnle) ihnen zugekehrten Risse heißen die Junginger<br />

Geißackerrisse, die jenseitigen Weilerwaldrisse. Nach dem<br />

Weilerwald führt der Gänsstaig, daneben der Geißacker, die<br />

Schlucht dahinter heißt Vornagel (früher ein Hof). Den<br />

Namen Gamsstaig (Gänstaig) hat die Flurkarte gegen den<br />

Köhlerbergkapf. Doch habe ich schon öfters im Hohenzollerischen<br />

gefunden, daß die Flurnamen der Meßtischblätter<br />

nicht recht stimmen wollen (vgl. den Bach „Killer"!).<br />

Von den zwei Burgställen bei Jungingen haben wir Ruine<br />

Affenschmalz (richtiger Bürgle unter Hemberg oder Hohenjungingen)<br />

früher einmal besucht. Heute machen wir einen<br />

kleinen Abstecher auf das Bürgle östlich und auf den Seeheimerberg.<br />

Es gilt zugleich, die „Junginger Schwedenschanze"<br />

näher ins Auge zu fassen. Ueber sie hat<br />

nämlich Gewerbelehrer Anton Bumiller von Sigmaringen<br />

(geb. in Jungingen) in den Hohenzollerischen Blättern-Hechingen<br />

vom 30. April 1899 Nr. 66 genau berichtet.<br />

Hier folgt Albv.-Blätter 1900 S. 52 ein genauer Abdruck<br />

samt Kärtchen der Schanzen, die Bumiller irrig mit der<br />

Front nach Norden ansah, während Nägele nun auf die<br />

Aehnlichkeit mit den andern Schanzen von 1704 vom Kornbühl<br />

bis Ohnastetten hinweist. Sie laufen vom Himberg bis<br />

an den Ringinger Kapf „Eineck" und von dort zurück zum<br />

östlichen Bürglehügel. Das Rätsel ist inzwischen endgültig<br />

von Kraus in der Zollerheimat 1939 Seite 33 und 41 gelöst<br />

worden: sie stammen aus dem spanischen Erbfolgekrieg. Mit<br />

den Schweden haben sie nichts zu tun. Nägele fährt dann fort:<br />

Dagegen betreten wir vorgeschichtlichen Boden mit dem<br />

Bürgle und mit dem Seeheimerberg (Heufeld), und es ist<br />

allerdings das Zusammenkommen so vieler verschiedener<br />

Erdwerke auffallend. Zum Bürgle führt ein sanft ansteigender<br />

Weg empor. Oben keine Mauerreste, sondern bloßer<br />

Felsboden (Beta-Schieferbänke, mit einem tiefen Querdurchschnitt<br />

durch den Kegel!) Nun hinauf zum Seeheimerberg.<br />

Die Schanze hört allmählich auf. Es geht über eine steile<br />

Halde hinauf bis zur Bergnase. Wir haben den ersten Graben<br />

erreicht. (Diese Anlage auf Va des Abhanges ist kein Graben,<br />

sondern eine Ebene, wie sie sich oft bei mittelalterlichen<br />

Burgen finden. Nägele hält sie für eine Art Abschnittschanze,<br />

Das ehemalige Dominikanerinnenkloster, das Hauskloster der Grafen von Hohenberg, von<br />

denen eine Anzahl hier dem ewigen Auferstehungsmorgen entgegenharren. Das schöne<br />

Rokokoportal. (Foto Josef Schneider.)


Jahrgang i960 HOHENZOLI, ERISCHE HEIMAT 55<br />

die unsere Ringwälle kennzeichnen.) Höher hinauf folgt ein<br />

zweiter Graben. Aber ob dieser so weit herumgeht, wie<br />

Bumiller schreibt, „er bildet eine Ellipse von etwa 80 qm",<br />

das habe ich nicht beobachtet. Wenn aber Bumillers Schilderung<br />

und Zeichnung richtig ist, so haben wir nur noch<br />

mehr Anlaß, hier eine prähistorische Ringburg zu sehen.<br />

Mit der Schanzenlinie hat diese jedoch nichts zu tun.<br />

(Bumiller: „Nach dem Abhänge zu hat diese Ellipse geringere<br />

Dimensionen, gegen das Heufeld zu jedoch eine Breite von<br />

etwa 5 m.) Ueberreste von Mauern sind weder auf dem Kapf<br />

noch auf dem Bürglekegel zu finden. Auch ist bis heute nicht<br />

der geringste Fund in der Nähe der Schanze gemacht worden.<br />

Nachgrabungen an Ort und Stelle sind bis heute nicht<br />

gemacht". Allein Nägele irrte sich: Die von den Ringingern<br />

„Eineck" genannte Bergnase stellt zweifellos einen mittelalterlichen<br />

Burgplatz dar; der Bürglekegel darunter dürfte<br />

davon seinen Namen haben. (Vergl. Albv.-Blätter 1950 S.3<br />

und zu Ringingen ebenda 1930, 205—211 und 237—246; 1929,<br />

73—76; 1935, 107—108 Eineck.)<br />

Ein Bauer, den ich traf, wollte wissen, daß dort vorn einmal<br />

eine Kapelle „Maria Eineck" gestanden habe (wovon<br />

jedoch keine Rede sein kann). Es folgt das topf ebene Ringinger<br />

Heufeld (838 m). Ringinger Berge, wie Hälschloch,<br />

Nehberg, Kirchholz werden sichtbar, auch Kornbühl, Köbele<br />

und Roßberg. Nördlich auf Markung Salmendingen stehen<br />

mehrere Grabhügel (an der Grenze am Heufelder Kreuz).<br />

Aber auch hier in unmittelbarer Nähe hat Dorn von Weiler<br />

Haid schon prähistorische Funde gemacht, wie er mir noch<br />

selbigen Abend sagte. In der Tat befinden wir uns, wie wir<br />

später sehen werden, hier oben in unmittelbarer Nähe eines<br />

in der Urzeit wichtigen Landstriches. Vorbei an der idyllisch<br />

gelegenen Seeheimermühle, zu der ein steiler Waldweg hinabführt,<br />

kehren wir durch das anmutige Seeheimertal zurück<br />

ins Killertal. (Fortsetzung folgt.) Krs.<br />

Pfarrer Albert Waldenspul in Melchingen<br />

Die Tagespresse hat zum 25. 4. des Jahres dem rüstigen<br />

Pfarrherrn in Melchingen zu seinem 75. Geburtstage die<br />

Glückwünsche ausgesprochen. Wenn die „Hohenzollerische<br />

Heimat" an dieser Stelle ebenfalls seiner gedenkt, erfüllt<br />

sie nur eine Dankespflicht. Schon vor dem Feste will sie ihm<br />

gleichzeitig zum goldenen Priesterjubiläum gratulieren, das<br />

er am 6. Juli feiern darf. Pfarrer Waldenspul hat eine Reihe<br />

interessanter Beiträge in der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

veröffentlicht. Er darf wohl als bester Kenner mittelalterlicher<br />

Kunstgeschichte in unserer engeren Heimat angesprochen<br />

werden. In seiner Studie: Die gotische Holzplastik des<br />

Laucherttales (Tübingen 1923) wies er weitere Kreise auf die<br />

wertvollen Zeugen blühenden Glaubenslebens in der gotischen<br />

Zeit hin. Für den Kreis Haigerloch hat er seiner Zeit<br />

die „Kunstdenkmäler" bearbeitet. In vielen Lichtbildervorträgen<br />

suchte er die Liebe und Wertschätzung unserer Heimat<br />

weiten Kreisen nahezubringen. Das Kriegergedächtnisbuch<br />

1914—1918 für Hohenzollern hat er mitbearbeitet. Möge<br />

Gott ihm noch lange Kraft geben, als Pfarrer zu wirken<br />

und aber auch von seinem Wissen der heutigen Generation<br />

mitzuteilen.<br />

Kurznachrichten<br />

Wolfgangskäppele zu Benzingen 1575. Eine Veringer Urkunde<br />

berichtet vom Jahre 1575 über Güter zu Benzingen:<br />

Schultheiß Hans Gaugkel daselbst hat 2 Gütle inne, daraus<br />

er jährlich giltet 1 Mit. Vesen, 2 Mit. Haber, 10 Schilling Heller,<br />

4 Herbsthühner und 60 Eier. Dazu gehört auch die Wiese,<br />

wo St. Wolfgangs Kapellin darauf steht. Auch Peter<br />

Stauß und Hans Grenzinger hatten damals dort Güter.<br />

S. Locher.<br />

Badstube Grosselfingen: Im Verzeichnis der Einkommen<br />

sämtlicher Heiligenpflegschaften der Grafschaft Zollern von<br />

1591 heißt es S. 275: Ludwig Ziegler, Bader zu Grosselflngen,<br />

hat die Badstube bei der Schmittin und Weyerwuhr<br />

gelegen mit allem Zubehör und Rechten als Erblehen inne.<br />

Der Heilig besitzt davon einen besiegelten Reversbrief, anfangend:<br />

Ich Friedrich Koch, der Bader von Grosselfingen,<br />

vom Montag nach Johannes Baptista des Jahres<br />

1530. Ziegler gibt dem Heiligen daraus 1 Pfund Schilling<br />

und 3 Heller oder 1 Gulden, im Jahre 1591. Friedrich Koch,<br />

der Bader zu Gr. erscheint auch 1532 (ebenda S. 289). Erzbisch.<br />

Archiv Ha 82, Freiburg. Dies als Ergänzung zu Hohz. J.-Heft<br />

1951, S. 94. Krs.<br />

Uf der Schär hieß einst das Gebiet zwischen Laudiert,<br />

Donau, Spaichingen, Schömberg, Zellerhorn, Starzel, Fehla.<br />

Man erinnert an die Schären am Meeresstrand, die Felszacken<br />

bedeuten. Auch das Städtchen Scheer wird wegen der<br />

Felsengebilde zu diesem Wort gerechnet. Interessanterweise<br />

heißt man in Rohrbach bei Triberg im Schwarzwald die<br />

Gräbchen, die beim Schoren oder Umspaten des Gartens<br />

oder Krautlandes entstehen, einfach S c h ä r 1 e, also kleine<br />

Schären oder Furchen und Einschnitte. Auch die Schere der<br />

Hausfrau oder des Schneiders zeigt ja im offenen Zustand<br />

einen „Einschnitt" oder Furche! Bei der Landschaft „Uf der<br />

Schär" ist somit nicht nur an die Felsen des Donautales zu<br />

denken, sondern überhaupt auch an die tiefdurchfurchten<br />

Berge! Vermutlich gehört auch die Schore<br />

und Umschoren zum gleichen Stamm, wie auch Pflug schar<br />

und Schermaus vom Zeitwort „einschneiden, durchfurchen."<br />

Passions-Spiele waren 1808 noch in Trochtelfingen üblich.<br />

Das aufgeklärte Konstanzer Ordinariat unter dem bekannten<br />

rührigen Domherrn Wessenberg bezeichnete sie als Komödien<br />

und drang auf Abschaffung, während die Regierung<br />

in Sigmaringen sie erhalten wissen wollte. (Notiz im Protok.<br />

der Kirchenregierung im Erzb. Archiv 1808).<br />

1454 24. Juni. Die Brüder Aßmus und Konrad Vogt, beide<br />

Bürger zu Veringen, verkaufen für 200 rh. fl an die Hettinger<br />

Bürger Klaus Metzger und Hans Ernst 11 Mit. Vesen und 5<br />

Mit. Haber, Veringer Meß, jährlich gilt aus des gen. Aßmus<br />

Vogtrecht das der Kirchherr von Benzingen mit 8 Mit.<br />

Vesen und 4 Mtl. Haber aus dem Zehnten gibt, und 3 Mit. Vesen<br />

und 1 Mit. Haber aus des gen. Konrad Vogts Hof zu Langenenslingen,<br />

den der alte Suter baut, und daraus<br />

jährlich insgesamt 9 Mit. Vesen 3 Mit. Haber, 15 ß Hlr., 12<br />

Hühner gibt, wovon die Heiligen zu L. 2 Mit. Vesen (ablösig<br />

mit 40 fl) und die Bürger von Veringen 4 fl (ablösig<br />

mit 80 rh. fl) erhalten. Bürgen: Ihre Brüder Friedrich Vogt,<br />

Kirchherr zu Veringen und Hans Vogt, Kirchherr zu Nürtingen.<br />

Geiselschaft mit 1 Mann und 1 Pferd gen Ebingen<br />

oder Gammertingen ausgemacht. Alle vier Vögte siegeln,<br />

und dazu der veste Konrad Huser von Renquishausen. (Pfa.<br />

Hettingen.)<br />

1476 4 Nov. Die Heiligenpfleger von Hermptingen (Hermentingen)<br />

an der Lochat verkaufen mit Zustimmung des<br />

Kirchherrn und der Nachbarschaft daselbst dem Dietrich<br />

Terrer zu Hermentingen 7 ß Hlr. Zins aus dem Einkommen<br />

des Heiligen, um 7 Pfd. Hlr. Für diese 7 ß sind Kerzen zu<br />

brennen in der Pfarrkirche Hermentingen zu Gottes und<br />

Mariä Lob vor Unser lb. Frauen Vesperbild zum<br />

Seelenheil von Terrer und dessen Geschlecht. - Siegler: Stadt<br />

Hettingen (Pfa. Hettingen. Vgl. Freibg. Diöz.-Arch. 1916 S.<br />

241; Kunstdenkmäler Hohenzollerns II. S. 14ti).<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


56 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Von der Speth'schen Familie zu Gammertingen-Hettingen<br />

ließen sich folgende im Jahre 1593 in die Sebastiansbruderschaft<br />

der Deutschordenskirche in Beuggen am Oberrhein<br />

einschreiben: Junker Kaspar Bernhard Spät von Zwiefalten<br />

zu Hettingen und Gammertingen und seine Frau Ursula,<br />

geb. von Westerstetten, Junker Ludwig Friedrich Spet, Albrecht<br />

Speth, Jungfrau Anna und Kunigunda (wohl ihre 4<br />

Kinder). Schon voraus stehen: Frau Dorothea Spetin von<br />

Zwiefalten, geb. von Hohenrechberg Witwe. Junker Hans<br />

Philipp von Mittelbiberach zu Warthausen und Obersulmentingen<br />

und seine Gattin Margaretha, geb Spetin von Zwiefalten.<br />

Junker Bernhard Schad usw. und seine Frau Veronika,<br />

geb. Speth von Zwiefalten, und (offenbar deren 2 Töchter)<br />

Dorothea und Effrosina Schädin von Mittelbiberach usw.<br />

(Bruderschaftsbuch im Erzb. Archiv Freiburg.) Krs.<br />

Der Ringinger Spruch „Bar le ban" ist in Weilheim bei<br />

Hechingen noch nicht so stark verstümmelt, wie Herr Oberlehrer<br />

F. X. Pfeffer mitzuteilen die Güte hatte. Er heißt<br />

dort und in Rottenburg: „Baß le dan" und das bedeutet<br />

im Französischen „Pour passer le temps" = Zum Zeitvertreib.<br />

Das St. Fidelisbild der Familie von Stotzingen im Schloß<br />

zu Steißlingen bei Stockach, von dem viele Nachbildungen<br />

existieren, ist nach der Familienüberlieferung noch zu Lebzeiten<br />

des Heiligen angefertigt worden, und zwar als der<br />

Rechtsgelehrte Markus Roy aus Sigmaringen den<br />

Junker Wilhelm von Stotzingen durch Italien, Frankreich<br />

und Spanien begleitet hatte. Roy wurde bald darauf Kapuzinerpater<br />

mit dem Namen Fidelis „der Getreue" und<br />

später in Seewies in der Schweiz bei einer Glaubenspredigt<br />

von Prätigauern ermordet. Man fand nun kürzlich bei einer<br />

genauen Untersuchung des Bildes heraus, daß es ursprünglich<br />

einen jungen Mann in weltlicher Kleidung dargestellt<br />

hat und etwa 10 Jahre später mit dem Ordenshabit, Kreuz,<br />

Märtyrerpalme und blutiger Stirnwunde übermalt worden<br />

ist. Bericht Gertruds von Stotzingen im Heft „Hegau"<br />

1959. S. 232.<br />

Die Glockeninschrift von Waldkirch i. Br. in der letzten<br />

Nummer dieser Zeitschrift „Turba! Orior. Quieta! Morior"<br />

spielt auf das Klingen der Glocke an. Da beide Satzhälften<br />

offenbar gleich gebaut sind, wären turba und quieta als<br />

Befehlsformen aufzufassen. Turbare bedeutet „In Unruhe<br />

und Bewegung setzen, verwirren, anstoßen", quietare<br />

= „beruhigen". Somit heißt der Spruch zu deutsch: „Stoß<br />

a n (die Glocke und) ich entstehe (nämlich der Klang,<br />

Halt an (die Glocke und) ich vergehe! (nämlich der<br />

Klang). Dagegen dürfte die Inschrift der Angelusglocke nicht<br />

zu schwer zu übersetzen sein.<br />

Die Melchinger Glocke vom Jahre 1273 enthält außer dem<br />

Gußjahr, den Namen JHESUS NAZ. und der Evangelisten<br />

die Buchstaben AGLA. Diese werden als kabbalisti-<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Verlags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

scher (geheimer) Gottesname aus dem Hebräischen gedeutet:<br />

„Attah Gibbor Leolam Adonai" =Du bist mächtig in Ewigkeit,<br />

Herr!" • (Zollerländle 1926, 40 und S. 4). Warum wurden<br />

nun gerade diese vier Buchstaben auf der Glocke angebracht?<br />

Die Erklärung fand sich an unvermuteter Stelle, nämlich<br />

in einem zweibändigen handschriftlichen Sammelwerk von<br />

Rezepten und meist abergläubischen Zauberformeln des 18.<br />

Jahrhunderts im Erzbischöflichen Archiv Freiburg (Ka 18,3).<br />

Es heißt hier in Bd. I, 141: „Gegen Hagel und Donnerwetter<br />

machen ettliche ein Kreuz auf einen (Holz-)<br />

Teller und schreiben in die vier Ecken je einen Buchstaben<br />

von AGLA, stecken ein Messer mit der Schärfe gegen den<br />

Wind in das Kreuz und so weichen die Wette r."<br />

Letzteres ist natürlich heller Unsinn, aber das Ganze zeigt<br />

doch, daß man AGLA auf der Glocke als Gebet<br />

zur Abwehr von Ungewitter auffaßte, etwa in<br />

der Form: „Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr; Dir dienen<br />

auch Blitz und Hagel, Donner und Sturm; so erbarme dich<br />

unser!" „Die Blitze brech ich" stand ja auf der Glocke, die<br />

Schiller zu seinem Gedicht veranlaßte. Und noch auf der Metelglocke<br />

in Ringingen von 1717 steht aufgegossen: „Jesus<br />

von Nazareth, befreie uns von allem Uebel!") Zu AGLA vgl.<br />

K. Walter, Glockenkunde 1913. S. 1 9.) Krs.<br />

Berichtigungen: S. 38 <strong>1960</strong>: Die Geiselschaft kam nach 1500<br />

allmählich a b ! Uolrich von Liechtenstein 13 9 6 Abt zu Elchingen.<br />

Georg Simmendinger bis 22. April 1 6 6 5 Müller in<br />

Veringenstadt. Der Dekan und Kirchherr zu Veringendorf<br />

1436 hieß Johannes Jocher (nicht Locher), der siegelnde Junker<br />

„Konrad Huser von Renquishusen". Seite 39: Die Rangendinger<br />

Priorin Regenspergerin muß mindestens schon 35<br />

Jahre alt gewesen sein, wenn sie vor 14 Jahren Profeß gemacht<br />

hatte. Zu S. 36: Kaplan Fischer scheint sich übrigens<br />

getäuscht zu haben, wenn er als Hausfrau Jörgs des Jüngeren<br />

von Hohenrechberg eine Agnes Speth angibt. Seb. Locher<br />

wenigstens kannte ein Verzeichnis der „Frau Agnes Spethin<br />

geborene von Rechberg", Witwe zu Ehingen, über ihre Güter<br />

zu Veringenstadt von 1583, darunter das Haus und ein<br />

Häusle an der Kirchenmauer, die Jörg von Hohenrechberg<br />

im Jahre 1564 gekauft hatte. Sie muß also seine Schwester<br />

oder Tochter gewesen sein! Im Jahre 1587 werden auch Veringer<br />

Güter genannt, die von Jörg von Rechberg selig auf<br />

seine Schwester Anna übergegangen waren, eine verehelichte<br />

von Wöllwarth. Zu 1959 S. 41: Die Plastik „Letztes Abendmahl"<br />

vom Hochalter der alten Kirche in Burladingen befindet<br />

sich jetzt in der Pfarrkirche in Jungingen!<br />

Berichtigung: Siehe letzte Nummer Seite 31: Fahr ist ein<br />

ehemaliges, 1130 gegründetes Benediktinerinnenkloster....<br />

W.<br />

Ein Werk des Rokokomalers F. A. Rebsamen (Hohenz.<br />

Heimat, 2. Heft <strong>1960</strong>, S. 31) kann nun auch in Süddeutschland<br />

nachgewiesen werden. Dr. J. Schupp, Mariahilfkaplan in<br />

Neudingen, Amt Donaueschingen, erwähnte ihn in seiner<br />

Veröffentlichung über „K ü n s 11 e r und Kunsthandwerker<br />

der Reichsstadt Pfullendorf" und machte<br />

mich auf dessen Namen in dankenswerter Weise aufmerksam.<br />

In der sehr aufschlußreichen Publikation ist Seite 12<br />

zu lesen: „Dem Sigmaringer Maler Rebsam wurde<br />

1748 ein Bild, Unbefleckte Empfängnis Mariä, für die Maria-<br />

Schraykapelle bezahlt." — In den Anmerkungen berichtet<br />

Dr. Schupp weiter: „Rech. Brud. UEK von 1748. Der Lohn<br />

betrug nur 4 Gulden 16 Kreuzer Die Rechnung von 1770 erzählt,<br />

das in Rahmen gefaßte Bild der Unbefleckten Empfängnis<br />

Mariä werde an Bruderschaftsfesten an die Kirchentüre<br />

gestellt. Damals mußte ein ungenannter Maler den<br />

Rahmen fassen und das Bild ausbessern. Wohin es gekommen<br />

ist, weiß ich nicht." — Auch Archivar J. A. Kraus,<br />

Freiburg, machte mich auf obige Veröffentlichung aufmerksam.<br />

Pf.<br />

Bestimmungsatlas für Sämereien der Wiesen- und Weidepflanzen<br />

des mitteleuropäischen Flachlandes. - Teil A: Echte Gräser (Gramineae),<br />

15 Seiten Text und 10 Tafeln mit 46 Abbildungen, brosch.<br />

DM 1,50. — Teil C: Schmetterlingsblütler (Papilionatae), 18 Seiten<br />

Text und 11 Tafeln mit 79 Abbildungen, brosch. DM 1,85. — Von<br />

Dipl.-Landwirt Rudolf Kiffmann, Freising-Weihenstephan 1955 bzw.<br />

1956. Als Manuskript gedruckt, zu beziehen durch den Verfasser<br />

Dipl.-Landwirt Rudolf Kiffmann, (13b) Freising/Obb., Dr. v. Daller-<br />

Str. 20/1.) — Parallel zu dem in Nr. 4/49, Nr. 1/60 und Nr. 2/60 dieser<br />

Zeitschrift besprochenen „Illustrierten Bestimmungsbuch für<br />

Wiesen- und Weidepflanzen des mitteleuropäischen Flachlandes" erscheint<br />

vom gleichen Verfasser auch ein entsprechendes Bestim<br />

mungswerk für die Samen und Früchte dieser Pflanzengruppe. Die<br />

beiden ersten Bändchen dieser Reihe ermöglichen das Bestimmen<br />

von Gras- und Kleesaaten. Die Anordnung des Textes und der zahlreichen<br />

Abbildungen ist sehr übersichtlich und leicht verständlich.


Hohenzollerlsche Heimat<br />

Viertel jahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

10 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 0.80 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 4 Gammertingen, Oktober <strong>1960</strong> 10. Jahrgang<br />

Bauern pilgern zur St. Wendelinskapelle<br />

Verwurzeltes bäuerliches Brauchtum zwischen Starzel und Neckar<br />

Haigerloch. Das frühere Oberamtsgebiet Haigerloch, eine<br />

zwischen Starzel und Neckar eingebettete Landschaft von<br />

seltener Schönheit und lieblicher Romantik, ist umgeben<br />

vom zarten Hauch längst vergangener Tage. Zahlreiche zerfallene<br />

und noch gut erhaltene wehrhafte Gebäulichkeiten<br />

künden heute noch vom Werden und Vergehen ehemaliger<br />

Adelsgeschlechter, deren Spuren wir heute noch überall<br />

verfolgen können.<br />

Wer durch das felszerklüftete Eyachtal abwärts wandert,<br />

ist bald in dem Stahlbad Imnau, wo durch fürstliche Gründung<br />

Anno 1733 den Kranken ein Gesundbrunnen geschenkt<br />

wurde. In diesem Raum waren auch begütert die Herren<br />

von Neuneck in Glatt, die Herren von Wehrstein in Fischingen<br />

und noch eine Anzahl oft nur noch im Reiche der Sage<br />

fortlebender Geschlechter und Burgherren. Wenn man diese<br />

gesegnete Landschaft einmal durchwandert und richtig erlebt<br />

hat, seine Blicke über die Felder und Fluren schweifen<br />

ließ, wo fleißige Bauernhände werken und wo man heute<br />

noch das erhabene Bild des hinter dem Pfluge einherschreitenden<br />

Bauern erlebt, so wird man unwillkürlich hingelenkt<br />

auf eine glaubensreiche Vergangenheit. Zahlreiche, oft kunstvoll<br />

gefertigte Feldkreuze, Bildstöckle und Kapellen schmükken<br />

und beleben das Landschaftsbild und verleihen ihm<br />

jenen abwechslungsvollen Reiz, der jeden gläubigen und<br />

für Naturschönheiten aufgeschlossenen Menschen beglücken<br />

muß. Schlichte Feldblumen, irgendwo flüchtig gepflückt,<br />

zieren vielleicht da und dort eine solche Andachtsstätte, der<br />

wir uns ehrfurchtsvoll nähern und unsere Gedanken zurückgehen<br />

lassen in jene große Glaubensepoche, die diese Stätten<br />

geboren hat.<br />

Gerade diese oft unscheinbaren Kreuze oder Bildstöckle<br />

haben uns Menschen der gehetzten Gegenwart so viel zu<br />

erzählen und können uns zur Besinnung rufen. Zur Besinnung<br />

an unsere Vorfahren, die einst vor uns dieses Land bebaut<br />

und ihm das tägliche Brot abgerungen haben. Ihre<br />

tiefen Beziehungen zur Schöpfungsordnung Gottes fanden<br />

ihren Niederschlag in einem reichen Brauchtum und ebenso<br />

in einem tiefen Gauben. Dieser wiederum kam zum Ausdruck<br />

in der Entfaltung starken religiösen Lebens, vor allem<br />

von Wallfahrten und Flurgängen.<br />

Wir denken hierbei nicht allein an die reiche Wallfahrtstradition<br />

der herrlichen Haigerlocher Kirchen mit ihren<br />

berühmten Gnadenbildern, sondern blättern wir einmal in<br />

den Büchern, die von Wallfahrten auf den Landorten rund<br />

um Haigerloch erzählen. Wir hören von den Prozessionen<br />

aus Fischingen und Dettingen zum Marienheiligtum, der<br />

Liebfrauenkapelle ins Stunzachtal bei Gruol, wir hören<br />

von den Flurgängen am Urbanstag zu den Weinbergen, und<br />

man ist Zeuge der Bauernwallfahrt nach Trillfingen zur<br />

St.-Wendelins-Kapelle.<br />

Unter den wenigen noch heute erhaltenen bäuerlichen<br />

Wallfahrten im Bezirk Haigerloch hat sich der sogenannte<br />

„Schäferjahrtag" in Trillfingen, der seit über 200 Jahren<br />

als Bauernwallfahrtstag im weiten Umkreis von Haigerloch<br />

seine Kreise zog, bis auf den heutigen Tag erhalten. Noch<br />

heute grüßt die auf einer Anhöhe in reizvoller landschaftli-<br />

Josef Schneider<br />

cher Lage erbaute St.-Wendelins-Kapelle weit übers Land,<br />

und wenn alljährlich am 20. Oktober ihr Glöcklein zum<br />

Gottesdienst ruft, dann ist im Dorf Feiertag. Die Bauern<br />

vertauschen ihr „Werktagshäs" mit dem Sonntagsrock und<br />

ziehen hinauf zur Kapelle, um den Segen des Bauernheiligen<br />

Wendelin für Haus und Hof zu erflehen. Es sind aber nicht<br />

nur Trillfinger Bauern, es sind auch solche aus Hart, Höfendorf,<br />

Bittelbronn, Imnau, Weildorf und Gruol, sie kommen<br />

aus Wachendorf, Bierlingen und Felldorf zum Bauernheiligen,<br />

und was dürfte wohl näher liegen, als daß sie im 17.<br />

Jahrhundert in Anlehnung an die handwerklichen Zünfte<br />

gegründeten Bruderschaften den Bauernheiligen Wendelin<br />

zum Patron erwählten.<br />

Echte, verwurzelte Tradition stand hier von jeher mit der<br />

Liebe zu den echten, sittlichen Werten in harmonischem Einklang,<br />

und so hat die Gemeinde, die auch Pflegestätte der<br />

Musik und des Gesanges ist und die durch ihre Bauernkapelle<br />

Deuringer weithin berühmt wurde, dieses tätige Leben<br />

immer wieder reich befruchtet. Träger aber waren<br />

vielfach die bäuerlichen Bruderschaften, die dem religiösen<br />

Leben neuen Impuls gaben. Sie bezweckten vor allem den<br />

Schutz des Viehes vor Krankheiten und Seuchen, wobei die<br />

Mittel zur Erreichung dieser Ziele ausschließlich auf religiösem<br />

Gebiet liegen. Die Trillfinger Bruderschaft, „Schäferzunft"<br />

war ihr offizieller Name, der auch Bauern aus Hart,<br />

Höfendorf, Gruol, Imnau, Wiesenstetten, Felldorf, Wachendorf<br />

und Bierlingen angehörten; sie zählte gegen Ende dea<br />

19. Jahrhunderts 263 Mitglieder.<br />

Der religiöse Brauch, den diese Bruderschaft (deren Zunftbrief<br />

eine besondere Verehrung des hl. Wendelin vorschrieb)<br />

ausübte, ist in seiner Art einmalig. Alljährlich acht Tage<br />

nach dem St.-Wendelinstag wurden in der Kapelle drei Gottesdienste<br />

abgehalten. Diese begannen mit einem Lobamt,<br />

dem eine stille Messe mit Vigil und Vesper folgte, und<br />

schließlich rundete ein Seelenamt für die verstorbenen<br />

Zunftmitglieder den kirchlichen Teil des Wallfahrtstagea<br />

ab. In der Herberge, dem heutigen Gasthof zum Rößle, fanden<br />

sich die Zunftbrüder zum Frühschoppen und Vesper ein.<br />

Hier fand dann auch im Rahmen der Jahresversammlung<br />

die Einschreibung neuer Zunftbrüder statt. Dieser in seiner<br />

Art einmalige Brauchtums- und bäuerliche Wallfahrtstag<br />

konnte vor drei Jahren sein 175jähriges Bestehen feiern.<br />

Die Einschreibung vierzehn neuer Mitglieder und darüber<br />

hinaus eine starke Beteiligung am Jubiläumstag ließen erkennen,<br />

daß der „Schäferjahrtag" zu Trillfingen in der Gemeinde<br />

selbst, wie in der Umgebung, ebenso wie der St.-<br />

Wendelinstag, ein fester Begriff ist, daß die tragenden Kräfte<br />

verdienstvoll bemüht sind, dieses Erbe einer glaubensgroßen<br />

Zeit auch kommenden Generationen zu überliefern zum<br />

Nutz und Frommen der Bauern, ihrer Felder und Viehherden.<br />

Sie sind in dieser bäuerlichen Landschaft ein fester<br />

Bestandteil, sie gehören hinein wie der Baum oder der<br />

Strauch, und sie runden so eindrucksvoll jenes Bild ab, das<br />

sich hier von diesem Bauernheiligen der St.-Wendelins-Kspelle<br />

zu Trillfingen auch in so überwältigender Schönheit<br />

und Erhabenheit erschließt.


58 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Erinnerungen eines „Nobelhäftigen"<br />

Vor kurzem kam er mir wieder zu Gesicht. Ueberrascht<br />

und erfreut stand ich plötzlich vor ihm, dem fast in völlige<br />

Vergessenheit geratenen lieben alten Bekannten aus der<br />

„Kleinbubenzeit", von dem ich wähnte, daß er schon längst<br />

den Weg alles Irdischen gegangen sei.<br />

Es war ein frohes Wiedersehen, stand er doch da, so wie er<br />

immer gewesen ist — stolz, behäbig, unnahbar —<br />

nobelhäftig. Doch es schien mir, als sei er traurig und<br />

träume in seiner finsteren Ecke von längst vergangenen<br />

besseren Tagen.<br />

Teilnahmsvoll strich ich sanft über sein verstaubtes Lederzeug<br />

und begann mit ihm zu reden aus jenen Zeiten, da<br />

er noch das allein anerkannte, unbestrittene Gefährt der<br />

vornehmen Leute war. Für uns Buben gab es keinen größeren<br />

Wunsch, als einmal mit ihm fahren zu dürfen. In<br />

scheuer Ehrfurcht und in gemessenem Abstand schauten wir<br />

zu, wenn sein Besitzer sich anschickte, ihn zu einer Fahrt<br />

herzurichten. Gar zu oft kam das zwar nicht vor, und deshalb<br />

war es immer ein Ereignis, wenn der Landauer aus<br />

dem Dorf fuhr. Uns Buben allerdings blieb der Wunsch,<br />

mitzufahren, unerfüllt.<br />

Doch haben wir uns dafür entschädigt. Oft saßen wir am<br />

Sonntagnachmittag heimlich in seinen weichen Polstern und<br />

spielten „große Herren". In ihm machten wir auch die ersten<br />

Rauchversuche. Aus der gemeinsamen Porzellanpfeife, —<br />

sie war wochentags sorgfältig versteckt in der Holzbeige im<br />

„Webgarten" — rauchten wir „Maryland". Einmal rauchten<br />

wir „Burrus". Aber nur ein einziges Mal!<br />

Viele Jahre später, ja, da fuhren wir noch einmal mit ihm.<br />

Es wird wohl eine seiner letzten Fahrten gewesen sein, als<br />

eines Tages vier „fürnehme" Herren, angetan mit Frack<br />

und Zylinderhut, zu einer Fastnachtsveranstaltung über Land<br />

fuhren. Auf dem Bock thronte der Kutscher, die beiden<br />

Rösser waren mit bunten Bändern geziert. Es war eine<br />

lustige Fahrt, — weißt du es noch, guter alter Freund?<br />

Da begann auch er mir aus seinem langen wechselvollen<br />

Leben zu erzählen: „Ich wurde anfangs der achtziger Jahre<br />

des vorigen Jahrhunderts drüben in der schönen Breisgauer<br />

Metropole gebaut. Meine Räder waren mit Glanzlack überzogen<br />

und mit farbigen Linien versehen. In meinem spiegelglatten,<br />

ledernen Dach spiegelten sich die Berge des Schwarzwaldes.<br />

Weich und schwellend waren meine gepolsterten<br />

Sitze, die auf den zukünftigen Besitzer warteten. Eines Tages<br />

verlud man mich auf die Eisenbahn, und ich wurde in einer<br />

großen Stadt am Main ausgestellt. In einer riesigen Halle<br />

verbrachte ich dort mit noch vielen Kameraden Tage und<br />

Wochen. Tausende von Menschen kamen und gingen an uns<br />

vorüber. Hochfeine Damen und vornehme Herren besahen<br />

mich von allen Seiten, doch wollte mich lange niemand<br />

kaufen. Erst als die Ausstellung ihrem Ende zu ging, erschien<br />

eines Tages ein vornehmer Herr mit seiner noch vornehmeren<br />

Frau Gemahlin und zwei betreßten Dienern. Der<br />

Herr besah mich von innen und außen mit kritischen<br />

Blicken, die Dame hielt ihr Lorgnon unablässig vor die<br />

Augen und ging ein paar mal um mich herum. Dann öffnete<br />

sie den Schlag und befühlte meine Polster. Zuletzt kletterte<br />

sie höchst selbst in mein Inneres, wobei ihr die beiden<br />

Diener behilflich waren. Das gleiche tat nun auch der Herr<br />

Gemahl und ließ sich schwer neben seiner Gemahlin in<br />

meinen Sitz fallen, während die zwei Lakaien mit ihren<br />

glatten, steifledernen Gesichtern wie Bildsäulen daneben<br />

standen. Mein bisheriger Herr und Erbauer kam sofort<br />

katzbuckelnd herbei, erklärte den Herrschaften meine besonderen<br />

Vorzüge und lobte mich über das Bohnenlied. Nach<br />

kurzer Zeit war ich ein hochherrschaftlicher Wagen und<br />

kam in den Besitz des Pfälzischen Freiherrn von H.<br />

Nun begann ein flottes, „n o b e 1 h ä f t i g e s" Leben. Täglich<br />

mußte ich am Tor des Freiherrlichen Schlößchens bereitstehen,<br />

um die Dame des Hauses mit ihren zwei lieblichen<br />

Töchtern Ursula und Ingeborg und deren Erzieherin über<br />

Land und in das nahe Städtchen zu fahren. Manchmal blieb<br />

die Frau Mama zu Haus, und die beiden Mädchen durften<br />

allein fahren. Das gab dann immer eine lustige Fahrt. Alsbald<br />

kletterten die beiden auf den Bock, das muntere, übermütige<br />

Fräulein Ursula nahm dem Kutscher die Zügel aus<br />

der Hand und lenkte die Rappen selber, dieweil die Gouvernante<br />

und der Kutscher schwitzend vor Angst in meinem<br />

Innern saßen.<br />

Karl König, Weildorf<br />

So vergingen ein paar Jahre. Da kam ein linder, wundersamer<br />

Maientag. Schon früh am Morgen wurde ich geschmückt<br />

und geziert mit lauter weißem Flieder. Es war<br />

der gemeinsame Hochzeitstag von Ursula und Ingeborg.<br />

Ursula heiratete einen schneidigen Kölner Kürassieroffizier,<br />

Ingeborg wurde die Gemahlin eines ausländischen Diplomaten.<br />

Nun war es lange Zeit still im freiherrlichen Haus. Dann<br />

kam ein Tag, an dem die beiden Rappen mit schwarzen<br />

Tüchern behangen wurden. Ich wurde mit Trauerkränzen<br />

voll beladen und mußte in einem großen Leichenzug fahren.<br />

Mein Herr und Besitzer war tot! Das war meine letzte<br />

Fahrt in freiherrlichen Diensten. Der Haushalt wurde aufgelöst,<br />

die Witwe meines toten Herrn zog zu ihrer Tochter<br />

Ingeborg ins Ausland.<br />

Ich wurde verkauft und kam in den Besitz eines Hotelbesitzers<br />

nach Stuttgart. Dort hatte ich die Aufgabe, ankommende<br />

und abreisende Gäste am Bahnhof abzuholen<br />

bzw. hinzufahren. Diese Tätigkeit aber gefiel mir nicht,<br />

und es war für mich eine Erlösung, als diese Fahrten nach<br />

kurzer Zeit wieder eingestellt wurden.<br />

Lange Zeit stand ich verstaubt und vernachlässigt in einem<br />

Schuppen. Dann kam ein dicker Mann, der zog mich heraus,<br />

reinigte mich von Schmutz und Staub und fuhr mit<br />

zwei schönen „Braunen" mit mir durch die Stadt und weit<br />

über Land. Ich kam jetzt in den Dienst eines Pferde- und<br />

Wagenverleihers in die nahe Universitätsstadt. Jetzt begann<br />

wieder eine fröhliche, lustige Zeit. Im Frühling und Sommer<br />

gab es täglich Ausfahrten der Studenten in die nahe, oft auch<br />

in die weitere Umgebung. Manche tolle Kneiperei und manches<br />

fröhliche Zechgelage habe ich gesehen. Ja, das war so<br />

ein Leben und ein Umtrieb, wenn ich draußen vor dem<br />

Weilheimer Kneiple stand und drin die Becher klangen und<br />

fröhliche Studentenlieder aus den Fenstern tönten. Wenn<br />

dann die „bemoosten Häupter" bei der Rückfahrt in gehobener<br />

Stimmung und weinseliger Laune in den Polstern<br />

saßen — meist nahmen sie noch einen Humpen mit auf den<br />

Weg — und ihr „Gaudeamus igitur" hinausschmetterten,<br />

da ging die lustige Fahrt nochmal so leicht über die<br />

holprigen Pflaster in den engen Gäßlein der Stadt.<br />

Oft fuhr ich die Studenten zur Mensur hinaus ins „Waldhorn",<br />

und manch schwer blessiertes Haupt trug ich wieder<br />

zurück. Dann mußte ich langsam, sachte über das Pflaster<br />

fahren. Bei den Stiftungsfesten der Verbindungen und bei<br />

sonstigen Veranstaltungen der Universität ging es immer<br />

hoch her. In vielen großartigen Festzügen war ich dabei.<br />

Bekränzt mit Tannenreis und gezogen von feurigen Rossen<br />

rollte ich stolz über die Neckarbrücke. Im offenen Wagen<br />

saßen der Bannerträger mit dem Banner seiner Verbindung<br />

und seinen Begleitern in vollem „Wichs". Alle befreundeten<br />

Verbindungen und Burschenschaften nahmen an den Festzügen<br />

teil, die ein eindrucksvolles, farbenprächtiges Bild<br />

boten, das stets Tausende von Zuschauern anzog. Der alljährliche<br />

Festzug der Mediziner war das Großartigste,<br />

was ich je gesehen habe.<br />

Unterdessen war mein Herr alt geworden, er gab sein<br />

Leihgeschäft auf, und wieder wurde ich überflüssig. Ich<br />

wurde in der Zeitung ausgeschrieben und kam so endlich<br />

hierher. Ich war wohl in meiner Studentenzeit etwas mitgenommen<br />

und da und dort verbeult. Aber in meinem<br />

jetzigen neuen Wirkungskreis war ich doch noch ein „nobelhäftiger"<br />

Wagen. Als ich hierher kam, stand ich lange Zeit<br />

untätig im Schuppen. Meine Kundschaft war dünn gesät.<br />

Ab und zu fuhr ich den Herrn Oberamtmann in den „hinteren<br />

Bezirk", auch wenn einmal hier oder in einem Nachbarort<br />

ein neuer Pfarrherr Einzug hielt, holte mich mein<br />

Herr heraus. Einmal fuhr ich den Herrn Regierungspräsidenten<br />

von Sigmaringen von Haigerloch bis nach Dettingen.<br />

Meine schönsten Fahrten, die ich nicht vermissen möchte,<br />

habe ich aber doch hier gemacht. Wenn es eine Hochzeit gab<br />

und die Braut aus einem Nachbardorf stammte, und das<br />

kam hier von jeher nicht selten vor, so mußte ich diese abholen.<br />

Das war immer eine freudige Fahrt. Dann fuhren die<br />

„Ledige n" auf prachtvoll gezierten Leiterwagen mit, um<br />

die Braut in die neue Heimat zu begleiten. Manchmal waren<br />

noch berittene Begleiter dabei, die hoch zu Roß stolz an<br />

meiner Seite einherritten. Einer der Ledigen hielt die „Brautrede".<br />

Ernstes und Heiteres kamen darin zum Ausdruck, wobei<br />

manch heimliches Tränlein der schönen Braut über die<br />

Wangen tropfte.


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 59<br />

Nun bin ich alt geworden, man braucht mich nicht mehr.<br />

Seit mehr als einem Jahrzehnt stehe ich untätig, völlig<br />

nutzlos hier in meiner Ecke. Mein ehemals blinkendes und<br />

spiegelblankes Aeußeres ist längst verblaßt, und meine Polstersitze<br />

sind verstaubt und unansehlich, alles „Nobelhäftige"<br />

habe ich abgestreift. Verklungen sind die fröhlichen Studentenlieder<br />

und verstummt die Reden, die einst zu Ehren<br />

einer glücklichen Braut gehalten wurden. Verrauscht sind<br />

die glänzenden Feste, die ich in der freiherrlichen und Studentenzeit<br />

mitgefeiert habe. Manchmal kam noch ein heimliches<br />

Liebespärchen, das Zuflucht bei mir suchte und fand,<br />

aber auch diese sind ausgeblieben — und ich war doch so<br />

verschwiegen! — Das Auto — mein größter Feind — hat<br />

mich an die Wand gedrückt. Alles ist aus!<br />

Vielleicht kommt einmal jemand auf den Gedanken und<br />

macht aus mir einen Leichenwagen. Der Herrgott möge mich<br />

aber vor solchem Schicksal bewahren."<br />

Da schien es mir, als gehe ein Zittern durch seinen schwarzen<br />

Leib, und ergriffen sprach ich ihm Trost und Mut zu.<br />

„Gemach, gemach guter Freund, noch ist es nicht so weit.<br />

Vielleicht kommt die Zeit, *wo man sich deiner wieder<br />

erinnert, wo nur die ganz feinen und vornehmen Leute<br />

mit dir fahren werden — man wird dich wieder herrichten<br />

wie neu, du wirst neue Polster und glänzendes Leder bekommen,<br />

und du wirst stolz aus deiner finsteren Ecke herauskommen<br />

und von feurigen Rossen über die glatten Straßen<br />

gezogen werden. Wenn du auch die rauschenden Feste<br />

nicht mehr mitfeiern kannst, so wirst du doch dann und<br />

wann als Hochzeitskutsche die glücklichen Bräute in ihre<br />

neugewählte Heimat fahren.<br />

Die kleinen Buben werden Wieder in respektvollem Abstand<br />

dich bewundern, wenn dein Herr und Besitzer sich<br />

zu froher Fahrt auf den Bock schwingt. —<br />

Sicherlich kommen dann auch die heimlichen Liebespärchen<br />

wieder zu dir und suchen Zuflucht bei dir, denn sie<br />

wissen ja, du bist verschwiegen . . . ! Dann wirst du<br />

wieder sein, was du dein ganzes Leben lang gewesen bist —<br />

stolz, — unnahbar, — nobelhäftig!"<br />

Jahrhundertelang das religiöse Leben der Heimat geformt<br />

Rosenkranzmonat Oktober noch heute stark betont / Wertvolle alte Andachtsbilder<br />

Haigerloch. Kaum eine Andachstform hat das religiöse<br />

Leben der vergangenen Jahrhunderte so fruchtbar und<br />

segensreich durchwirkt wie der Rosenkranz, dem im religiösen<br />

Brauchtum vor allem der Monat Oktober gewidmet<br />

ist. Mit seiner Geschichte verbindet sich auch für unsere<br />

Heimat eine lebendige glaubensgroße Epoche. Verhalten<br />

strahlt aus ihr die klösterliche Blüte unserer heimatlichen<br />

Konvente und das Bruderschaftswesen. Nicht zuletzt waren<br />

es auch Maler und Künstler der vergangenen Jahrhunderte,<br />

die dem Rosenkranz einen beachtlichen Raum in ihrem<br />

Schaffen gaben. Die noch bei uns erhaltenen Rosenkranzbilder<br />

stammen vor allem aus der Barockzeit, wo der Rosenkranz<br />

eine besondere Stellung unter den Volksandachten<br />

einnahm. Sie strahlen noch den Abglanz dieser glaubensfreudigen<br />

Zeit aus und künden von einem lebendigen religiösen<br />

Leben, das von den ehemaligen Klöstern, einer<br />

Wenn das Jahr zur Neige geht und die letzten Ertrage der Felder<br />

eingeheimst werden, dann ist das Erntedankfest. An diesem Tage<br />

entstehen in unseren Heimatkirchen viele schöne Erntealtäre, auf<br />

denen die Gaben Gott dem Schöpfer geweiht werden. Kunstfertige<br />

und liebevolle Hände entfalten oft wahre Wunderwerke. Hier der<br />

Erntealtar in der Schloßkirche in Haigerloch zu Füßen des Gnadenbildes,<br />

der Mater Dolorosa, von J. G. Weckenmann. Foto Weber<br />

iron Josef Schneider<br />

gläubigen Herrschaft und nicht zuletzt von den damals ins<br />

Leben gerufenen Rosenkranzbruderschaften beeinflußt und<br />

mitgeformt wurde.<br />

Es ist also schon in wenigen Sätzen die Weite und Schönheit<br />

dieser sinnigen Gebetsverbrüderung umrissen. Die Anfänge<br />

reichen schon in das Jahr 800 zurück in die Gebetsverbrüderungen<br />

der Mönche von St. Gallen und Reichenau.<br />

Der glänzende Sieg über die Türken bei Lepanto 1571, die<br />

Siege des Prinzen Eugen und des Markgrafen Ludwig von<br />

Baden, im Volksmund Türkenlouis genannt, bei Peterwardein<br />

1706 förderten den Rosenkranz ganz besonders. In der Barockzeit,<br />

einer Periode starker kirchlicher Erneuerung und<br />

frommer Gottesverehrung, hat der Rosenkranz auch in unserer<br />

Heimat jene Form erhalten, die ihn zum beliebten<br />

Gemeinschaftsgebet machte und seiner Pflege in besonderen<br />

Bruderschaften, in der Entstehung von Andachtsbildern<br />

weiten Raum gegeben hat. Seine Entstehung reicht aber<br />

bis in die Zeit des hl. Dominikus zurück, dessen Orden zu<br />

einer der einflußreichsten geistigen Mächte des Mittelalters<br />

wurde und als besonderer Förderer des Rosenkranzes in die<br />

Kirchengeschichte einging. Papst Pius V., selbst ein Angehöriger<br />

dieses Predigerordens, gab durch die Bulle „Consueverunt"<br />

vom 17. September 1569 dem Rosenkranz seine<br />

heutige Form. Man hat in der ganzen abendländischen Welt<br />

damals den glänzenden Sieg über die Türken bei Lepanto<br />

der Wirkung des Rosenkranzes zugeschrieben.<br />

Der Rosenkranz hat seitdem den ganzen christlichen Erdkreis<br />

erobert und ist aus den Volksandachten nicht mehr<br />

Eine lokale Betonung hat das GRUOLER ROSENKRANZBILD in<br />

der Vituskapelle, das ebenfalls als ein bedeutendes Werk von dem<br />

Münchener Maler und Leiter der Kunstakademie Bergmüller stammt<br />

und ursprünglich dem Kloster Binsdorf gehörte. Der Künstler wollte<br />

mit der Andeutung des Binsdorfer Klosters den Schutz der Gottesmutter<br />

über das Haus andeuten.


60<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

DAS HAIGERLOCHER ROSENKRANZBILD in der Schloßkirche DAS RANGENDINGER ROSENKRANZBILD in der ehemaligen<br />

stellt mit seiner Komposition eine himmlische und irdische Zone, Klosterkirche schenkte uns F. C. Lederer 1754. Es bildet mit der<br />

mit seiner Bewegtheit und farblichen Gestaltung ein Kunstwerk virtuos geschnitzten Umrahmung eine eindrucksvolle Komposition,<br />

dar, das uns Hofmaler Meinrad von Aw schenkte.<br />

DIE ROSENKRANZGRUPPE in der Pfarrkirche in Gruol, welche<br />

erst in unserer Zeit Aufstellung fand, ist ein beglückender Beweis<br />

für die Fortführung einer segensreichen und gläubigen Tradition.<br />

Fotos: J. Schneider<br />

KIRCHBERG war schon seit dem 12. Jahrhundert eine Niederlassung<br />

der Dominikanerinnen und Hauskloster der Grafen von<br />

Hohenberg. Auf dem Hochaltar sehen wir von Säulenpaaren<br />

flankiert, ebenfalls ein altes Rosenkranzbild, das wohl bei der<br />

Barockisierung der Kirche, die bekanntlich ursprünglich eine Bauanlage<br />

der Hochgotik war, angebracht wurde.


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 61<br />

wegzudenken. Wegen seiner Schlichtheit wurde er volkstümlich,<br />

wegen seiner beschaulichen Kraft zu einer wertvollen<br />

Gebetsschule und nicht zuletzt zu einem Gebet in<br />

Notzeiten. In unserer engeren Heimat fand er seine besondere<br />

Pflege in der Tiefe der klösterlichen Frömmigkeit, welche<br />

die Klöster Kirchberg, Gruol, Binsdorf, Stetten bei Hech.<br />

und Rangendingen auszeichnete, und er fand eine starke<br />

Förderung durch die im 15. Jahrhundert entstandenen Rosenkranzbruderschaften,<br />

die auch im Raum Haigerloch-<br />

Dettingen eine starke religiöse Bewegung darstellten und<br />

vor allem an den Marienfeiertagen mit Prozessionen an die<br />

Oeffentlichkeit traten, wie überhaupt dann auch die Barockzeit<br />

mehr als andere Epochen die ihrem Wesen eigentümliche<br />

Religiosität durch viele Wallfahrten und Prozessionen<br />

sichtbar zu machen verstand. Dabei wurden Muttergottesstatuen<br />

mitgetragen sowie die damaligen heute noch vielfach<br />

erhaltenen Vortragsstäbchen mit Medaillons der fünfzehn<br />

Geheimnisse. Rosenkranzbruderschaften gab und gibt es<br />

teilweise heute noch in Haigerloch, Gruol, Höfendorf, Heiligenzimmern,<br />

Empfingen, Glatt und Dießen, die Bruderschaft<br />

„Lebendiger Rosenkranz" in Weildorf, Fischingen und<br />

Dettensee. In Betra und Höfendorf gingen diese Bruderschaften<br />

ein, wie überhaupt die Aufklärungszeit des 19. Jahrhunderts<br />

die nach dem Dreißigjährigen Krieg stark aufgelebten<br />

Bruderschaften vor harte Bewährungsproben stellte.<br />

Mehrere fielen den von Konstanz ausgehenden Reformen<br />

zum Opfer. Daß manche die Zeit noch überdauerten, spricht<br />

für den religiösen Eifer und Sinn unserer Vorfahren. Eine<br />

Anzahl Bruderschaften verfügte auch über namhafte Pfründen,<br />

wie Lehrer Pfeffer von der Weilheimer Bruderschaft zu<br />

berichten weiß. Sogar in unserer Zeit ist der Rosenkranzgedanke<br />

neu belebt worden. Das zeigt uns eine um 1900 in<br />

der Pfarrkirche in Gruol aufgestellte Rosenkranzgruppe und<br />

die Gründung einer Bruderschaft in Bad Imnau im vergangenen<br />

Jahr, wo über 50 Personen beitraten. Papst Pius<br />

XII. hat auch während seines Pontifikates den Rosenkranz<br />

wieder stark empfohlen.<br />

Interessant ist auch die Entwicklung des Rosenkranzes<br />

als Gebrauchsgegenstand. Kannte man früher schon die<br />

Zählschnüre, so hat später der fromme Sinn vor allem<br />

auch des Handwerks kostbare Rosenkränze z. T. aus wertvollem<br />

Material entstehen lassen. Man kannte Rosenkränze<br />

aus Zedernholz, Granitstein und Perlmutter, ja sogar aus<br />

Gold und Silber, reich verziert mit Hüllen und Kreuzen aus<br />

feinster Filigranarbeit. Der Rosenkranz, der heute noch den<br />

Menschen bis zum Totenbett begleitet und bei vielen<br />

Männer- u. Frauenorden einen Teil des Ordenskleides bildet,<br />

war neben seiner Bedeutung als Gebrauchsgegenstand auch<br />

ein Schaustück, das die festliche Kirchentracht früherer Zeiten<br />

wirksam unterstützte.<br />

Wertvolle Andachtsbilder im Raum Haigerloch<br />

In unserer engeren Heimat findet sich noch eine Anzahl<br />

z. T. bedeutender Rosenkranzaltäre und Bilder, die Anteil<br />

haben an der Schönheit barocker Kunst und aus denen<br />

noch der Hochgesang jener gläubigen Zeit erklingt. Alle<br />

Bilder haben einen Bildaufbau, eine Aussage: Die Gottesmutter<br />

übergibt Dominikus den Rosenkranz. Was diese Bilder<br />

darstellen, ist als Sinnbild zu verstehen. Durch Gnadeneinsprechung<br />

hat die Gottesmutter Dominikus zu dieser<br />

Art des Gebets geführt. Durch diese Form der Marienverehrung<br />

soll der alte Glaube an die Gottheit Christi lebendig<br />

erhalten werden. Engel reichen den Rosenkranz weiter zur<br />

Erde, der er als Gebet empfohlen wird. Mit im Bild ist<br />

Katharina von Siena, die größte Heilige des Dominikanerinnerordens,<br />

der geistigen Großmacht des 14. Jahrhunderts.<br />

Die brennende Fackel auf den Bildern in Haigerloch, Rangendingen<br />

und Kirchberg ist das Symbol für die Irrlehren<br />

der Waldenser und Albigenser, welche damals die Welt<br />

bedrohten, aber durch das Wirken und Beten von Dominikus<br />

erfolgreich überwunden wurden. In Pfarreien ohne ausgesprochene<br />

Rosenkranzaltäre bildet gewöhnlich der Marienaltar<br />

den Mittelpunkt der Verehrung. Der Rosenkranzmonat<br />

möge uns Anlaß sein, einmal wieder über die Weite und<br />

Tiefe dieser Andachtsform nachzudenken, mit der auch soviel<br />

heimatliches religiöses Brauchtum verbunden ist.<br />

Dem Freskomaler Hermann Anton Bantle zum Gedächtnis<br />

Am 27. Juli dieses Jahres waren es 30 Jahre, daß Hermann<br />

Anton Bantle aus diesem Leben schied.<br />

Johannes Mumbauer, der Pfarrer von Piesport an der<br />

Mosel, der anerkannte Kunstkenner, der unbestechliche und<br />

gefürchtete Kunstkritiker seiner Zeit, schrieb damals im<br />

„Heiligen Feuer": „Hermann Anton Bantle der letzte Freskomaler.<br />

— Mag sein, daß mein Titel nicht wörtlich stimmt<br />

— aber eine gewisse Monumentalmalerei und vielleicht die<br />

echteste, ist mit ihm zu Ende gegangen . . . Jetzt sprechen<br />

nur noch seine Werke zu uns, und ich denke, sie werden<br />

einmal laut genug reden." —<br />

Sein Geburtsort war Straßberg in Hohenzollern. Er war<br />

das zweite von sechs Kindern des Schreiners Josef Anton<br />

Bantle und seiner Ehefrau Theresia, geb. Schilling.<br />

Die Kunstneigung des begabten Knaben zeigte sich früh.<br />

Sie war Erbteil vom Großvater Josef Schilling, Maler und<br />

Bildhauer, in enger beruflicher und persönlicher Beziehung<br />

zur Abtei Beuron und deren Gründerin, der Fürstin Katharina<br />

von Hohenzollern.<br />

Der Großvater gab dem Enkel den ersten Zeichenunterricht.<br />

Die Tante Kreszentia Schilling, in Vertrauensstellung<br />

bei der Fürstin Katharina, nahm den i3jährigen Neffen zum<br />

ersten Mal mit nach Beuron. Wie entzündete sich sein junges<br />

Herz, als er die Mauruskapelle erlebte! „Ich bekam einen<br />

alles Maß übersteigenden Eindruck. In leuchtender Pracht<br />

standen die Malereien, nein —• was sage ich — die farbige<br />

Architektur vor meinen staunenden Augen. Konnten denn<br />

Menschen so etwas schaffen? War das kein Gebilde von<br />

Engelshänden? Die weiße Madonna im Giebelfeld mit ihrem<br />

eindringlichen Mutterauge, in dem alles Wissen und alle<br />

Milde ruht, zog mich aus mir selbst in überirdische Welten.<br />

Einen beseligenderen Eindruck hat seitdem nichts mehr in<br />

mir erwirkt."<br />

Die Hand Gottes hatte ihn berührt. Er empfing die Berufung<br />

und den Auftrag, mit all seinen seelischen, geistigen<br />

und körperlichen Kräften im Dienste des Höchsten zu stehen.<br />

Ein dornenvoller Weg lag vor ihm. Unter den größten<br />

Opfern der lieben Mutter — der Vater war früh gestorben —<br />

besuchte Hermann Anton die städtische Zeichenschule in<br />

Ebingen unter Professor Ziegler mit Auszeichnung. Dann<br />

führte ihn die Sehnsucht zu Pater Desiderius Lenz, dem<br />

Begründer der Beuroner Kunstschule. Dort spürte er „den<br />

absoluten Bau der Kompositionen und ihre Raumgliederung,<br />

die zarte Lyrik der Feierlichkeit seiner Farben, die seelische<br />

Innerlichkeit und Grundhaltung seiner Gestalten." Ein Jahr<br />

in St. Gabriel, Prag, folgte. Aber die Arbeit befriedigte den<br />

Oblaten nicht. Die Beuroner Kunstrichtung schien ihm begrenzt.<br />

Sein Standpunkt war freier. Er wollte „im Formalen<br />

die Möglichkeit der individuellen (nicht subjektivistischen)<br />

Entwicklung bestehen lassen."<br />

Ueber dem Malen in Eitempera schwebte ihm die Königin<br />

der monumentalen Wandmalerei, die Freskotechnik vor.<br />

Das Malen auf nassen Kalk wollte er lernen.<br />

Innerlich bedrängt, verließ er Beuron. Er siedelte studienhalber<br />

nach München in das ihm lebenslänglich verbliebene<br />

Atelier in der Theresienstraße 75 über.<br />

Von dort zog es ihn nach der Geburtsstätte des Fresko,<br />

nach Italien, Rom. Viermal fuhr er über die Alpen. Sieben<br />

Jahre des Darbens, aber der inneren Beglückung verbrachte<br />

er dort. Johannes Mumbauer besuchte ihn oft: „In<br />

seinem Studio in der Via Margutta waren die Wände bedeckt<br />

mit Entwürfen aller Art. Dort hatte er auch sein Modell für<br />

seinen berühmten Christuskopf gefunden, einen jungen,<br />

blondhaarigen Friesen, der auch das Entzücken des Rembrandtdeutschen<br />

gewesen wäre."<br />

Er rang um seinen eigenen, monumentalen Stil. Es gelang<br />

ihm. Er kehrte in seine Heimat zurück. Die Restaurierung<br />

und Ergänzung der Wandfresken in der Haigerlocher Schloßkirche<br />

waren schon 1907 fertiggestellt. Altarblätter in der<br />

Pfarrkirche in Mittelbexbach/Saar, der Kreuzweg in Dhron<br />

a d. M., Wandfresken im Wilhelmsstift in Tübingen, Ausmalung<br />

und Kreuzwegbilder in Oeflingen b. Säckingen,<br />

farbige Einstimmung der Kirche in Dunningen b. Rottweil<br />

und Stationen al Fresko, Ausmalung der Kirche in Hinwil<br />

(Schweiz), Wandfresken in Friedrichshafen, Lautlingen, Kaiseringen,<br />

Chorapside in Freiburg „Maria-Hilf", Chorapside<br />

und Wandfresken in „Herz-Jesu" in Stuttgart-Gaisburg,<br />

Dekoration und Bemaiung der Stadtpfarrkirche in Ebingen,<br />

vier Kreuzwegbilder in Köln „Herz-Jesu" folgten. Aber auf


62 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT ri^aflUgang jggo<br />

der Höhe seines Schaffens, in der endlichen Anerkennung,<br />

nahm Gott ihm den Pinsel. aus der Hand.<br />

„Wir wollen ernstlich lernen, jeden Tag im Geiste zu sterben,<br />

auf daß uns das Sterben des Leibes nichts mehr anhaben<br />

kann. Sterbe ich, so beginnt erst mein Leben. Ich<br />

komme dann zu Christus, für den ich ja wirkte, so gut es in<br />

meinen Kräften lag" (Letzter Brief an seine Schwester).<br />

Am 27. Juli 1930 schloß er, 58jährig, die Augen für immer.<br />

Auf dem Waldfriedhof in München fand er seine letzte Ruhestätte.<br />

Seine Heimatgemeinde Straßberg ehrte ihren großen Sohn<br />

mit einer Bronzetafel an der Außenwand der Pfarrkirche,<br />

gegenüber dem Grabhügel seiner Mutter. „Kreuz, Palette<br />

und Pinsel symbolisieren zusammen mit einem kraftvollen<br />

ornamentalen Schriftbild das Schaffen des Freskomalers<br />

Hermann Anton Bantle. Seine Palette lag unter dem Kreuz."<br />

Verantwortungsbewußt und treu hütete seine betagte<br />

Schwester, Frau Johanna Bubser, den Nachlaß, bis sie ihn<br />

dem neuerrichteten Heimatmuseum der Heimatstadt Gammertingen<br />

übergab, 452 Bilder, Kartons, Skizzen, Pausen,<br />

Gemälde, darunter der wertvolle Christuskopf, allein seinerzeit<br />

eine Ausstellung für sich, als ein seltenes Bild menschlich<br />

göttlicher Hoheit und Reinheit von auserlesener künstlerischer<br />

Prägung. Höchste Angebote trug es Bantle ein.<br />

Aber er konnte sich trotz tiefster Not nie davon trennen.<br />

Der Pfarrherr von Piesport a. d. M., Philipp Koll, hat das<br />

Verdienst, den Dhroner Kreuzweg broschürt in Schwarz-<br />

Weiß-Druck mit innigem zeitnahem Text der Oeffentlichkeit<br />

im letzten Jahr übergeben zu haben. (Verlag Kaldenkirchen.)<br />

Was hätte dieser Mann leisten können, wenn ihm zur<br />

rechten Zeit Kirchenwände zur Verfügung gestellt worden<br />

wären! Welchen Verlust sein Tod bedeutete, mag man schon<br />

an der verhältnismäßig äußerlichen Tatsache ermessen, daß<br />

er einer der ganz, ganz wenigen war, die ihre Farben in der<br />

alten schwierigen Technik wirklich auf feuchten, vom Künstler<br />

selbst angelegten Kalkmörtel malten, so gewissenhaft<br />

war er dabei, daß er den feinen, geschlämmten Sand und<br />

den vor mindestens 10 Jahren gelöschten Kalk jedesmal<br />

selbst mitbrachte — was man sonst heute Fresko nennt,<br />

ist meistens Täuschung.<br />

„. . . Es brennt mir noch heute im Herzen, wenn ich an<br />

die bitteren Tränen denke, die er als Mann vor mir darüber<br />

weinte, daß man seine besten Kraftjahre hatte dahingehen<br />

lassen, ohne von seiner begnadeten Kunst rechten Gebrauch<br />

zu machen." (So Johannes Mumbauer in „Das Heilige Feuer",<br />

Oktober 1930).<br />

Hermann Anton Bantle ging seinen Weg ohne marktschreierische<br />

Propaganda, einsam und herb: „Was in meinem<br />

Wollen eine ganz besondere Tragik hat, ist der Umstand,<br />

daß ich gegen die Renaissance, gegen die Divino des so<br />

nichts sagenden Raffael, gegen die klassische Tradition, gegen<br />

das Romanische ankämpfen will, gegen die Schönheit, gegen<br />

das Glatte, das Süße, das Verstandhafte . . . . dann noch<br />

das Ringen mit dem spröden Material, dem Kalk und den<br />

Erdfarben, und hier ist mir ein ganz gewaltiger Vorsprung<br />

gelungen." — Den farbbeschränkten Tonwert des Fresko<br />

hat Bantle gebrochen, die Tradition des sprichwörtlich Kalktönigen<br />

im Fresko genommen. Welch gewaltige Leistung!<br />

Vorberechnung der Farbwirkung ist auf nassem Kalk unmöglich!<br />

Prima und fertig! Unerhört die Glutigkeit, die er<br />

hervorbringt. Die Kreuzigung in Dunningen ist das Großartigste,<br />

was bisher in Freskotechnik an Farbtiefe und Wärme<br />

des Kalkkolorites erreicht werden konnte. — Wenig<br />

Figuren, wesentlich konzentriert, einfach, schlicht, doch mit<br />

großem überraschenden Zug der Komposition, einzigartiger<br />

Linienführung, niegesehener Farbgebung: so sind seine<br />

Passionsbilder! Dhron ist das Stammeln!<br />

Bantles Leitidee kam kaum in einer anderen Arbeit so<br />

rein und klar zum Ausdruck. Einige Bilder sind durch<br />

Kriegseinwirkung beschädigt und harren der kundigen<br />

Restauration. Das Grün der neuen Fenster schluckt teilweise<br />

die Glut der Bilder, leider!<br />

Die Passion in Oeflingen, geboren aus dem Schrecken<br />

des Krieges 1914/18: noch glutiger die Farben, noch wuchtiger<br />

die Linien, noch größer der Zug der Komposition. Wie<br />

sich die Farbskala der Dekoration und der figürlichen Bemalung<br />

oberhalb des Hochaltars feinfügig bindet! Welche<br />

Kompositionskraft der vierten, fünften und sechsten Station!<br />

Nicht Bild an Bild! Als Fries zusammengebaut — Simon<br />

Cyrene gerade in der Mitte auf dem Türbalken, fließt die<br />

Linienrythmik der drei Bilder ineinander! „Eine ars perennis<br />

tut sich uns hier auf; ein Künstler von Gottes Gnaden im<br />

Literalsinn des Wortes, der uns Werte bietet, die eine Höhe<br />

der Kunst unzweifelhaft darstellen." (Badischer Beobachter<br />

18. 12. 1917.)<br />

Dunningen! So mächtig klangen Farbtöne noch nie in uns<br />

hinein. Mit dem Höhepunkt des dramatischen Geschehens<br />

begonnen! Welches Vertrauen! Bantle verläßt den neutralblauen<br />

Hintergrund von Dhron und Oeflingen. Zu jedem Bild<br />

tönt er den Stimmungsgehalt durch farbigen Grund. Das<br />

heißt kein Verlieren der Monumentalität: das ist wirkungsvolles<br />

Verstärken der Eindringlichkeit jeder aufgelegten<br />

Komposition. Die elfte und dreizehnte Station ein liegendes,<br />

ein hochaufgerichtetes Rechteck, die zwölfte in doppelter<br />

Größe; alle drei ein Ideenzug.<br />

„Jesus wird ans Kreuz genagelt", zwei Welten! Daher<br />

scheinbare Dissonanz in Farbe und Aufbau, Horizontal liegt<br />

das Kreuz mit Christus. Christus ist gerichtet; er ist tiefer<br />

erniedrigt als ein Mensch. Eine Klage, weh und groß, daß<br />

sie die Welt erschüttern müßte, bricht stumm aus dem weitgeöffneten<br />

Christusauge, dem geöffneten Christusmund hinauf<br />

zu den fünf senkrechten Figuren, die den Heiland nicht<br />

mehr aufkommen lassen, die eine Masse, keinen Vertikalgedanken<br />

ausdrücken: der Scherge mit leidenschaftlich verzerrten<br />

Zügen, der Gelehrte, dem kein Blick bleibt für den<br />

leidenden Gott, der im grauen Rock müßig und protzenhaft,<br />

mit spottender Miene, einer von denen, die nichts tun, schieben<br />

und prassen, die Bauernfamilie, fremd und verständnislos<br />

— bis auf das Kind, das mit staunendem Blick zum<br />

Gottmenschen sich beugt. — Die zwölfte Station: Christus,<br />

erhöht, nicht tot, lebend in übergroßer Qual, doch herrschend<br />

vom Holze aus, spannt die Arme vermittelnd zwischen Himmel<br />

und Erde. Johannes hebt den Kelch und nimmt auf das<br />

kostbare Blut, Maria, die Ornate! Die dreizehnte Station:<br />

Christus gestorben. Die Menschheit bleibt allein. Erdhafte<br />

Ruhe: fast geschlossene Kreisform biegt zu Boden. Eine<br />

Welt ist aus den zwei Welten der elften durch Vermittlung<br />

der zwölften geworden!<br />

Bantle hat Dunningen nicht selbst vollendet. Eine spürbare<br />

Tragik! Der Kreuzweg in ,Herz Jesu' Köln, mit lehrhafter<br />

Absicht, in vier Stationen erst gefertigt, wurde ein Opfer<br />

des Krieges.<br />

Seine Kreuzwege und anderweitigen Wandfresken stehen<br />

ncch heute wie vor Jahren leuchtend in unseren deutschen<br />

Kirchen: durchdacht, durchbetet, durchdrungen, im Lichte<br />

des Tabernakels geklärt, erstanden im Standpunkt der Leute<br />

der Dombauhütte von Chartres: „wer da arbeitet, muß im<br />

Stande der Gnade sein." Sie fordern von uns die Bindung<br />

aus der Zeit in die Ewigkeit. —<br />

Zeugnis von Bantle geben auch heute noch seine freimütigen,<br />

klaren, gottgetragenen Artikel in den kunstnahen Zeitschriften<br />

seiner Zeit. Sie verdienen, in Buchform gesammelt<br />

zu werden.<br />

Ich zitiere: ....<br />

. . . „Wer kann noch Fresko malen, ohne Ubermalung und dauerhaft<br />

wie Caracci? Keine Wissenschaft ist so nervenfordernd wie die Erlernung<br />

und Beherrschung dieser Kunst. Ein ernster Mensch wird<br />

nach 10—15j ähriger Uebung mit unerschütterlicher Geduld und ro-


Jahrgang'*! 960 HOHENZOL L'E R I SCHE HEIMAT 63<br />

buster Gesundheit es vielleicht so weit bringen können, daß er eine<br />

Wand auftragen und bemalen kann. Mit jeder neuen Mauerarbeit<br />

treten neue Rätsel, abhängend von Material und Wetter auf, welche<br />

die Erfahrungen ändern und erweitern. Welcher Maler kann noch<br />

den Kalk beurteilen oder weiß etwas über seine Behandlung, bis er<br />

zum Freskomörtel das erforderliche Alter hat? Oder von der individuellen<br />

Zubereitung, Auftrocknung, Lichtstärke, Mischungsmöglichkeit<br />

jeder einzelnen Farbe, der beschränkten Palette, von der erforderlichen,<br />

pedantischen Reinlichkeit, der delikaten Behandlung<br />

der Pinsel? In weitem Bogen gehen die Maler an Fresko vorbei. . .<br />

Man malt Bilder im Atelier auf Leinwand oder Schiefertafel und<br />

klebt sie als Ersatz für Fresko auf die Mauer. Im Atelier kann<br />

man morgens anfangen, ändern, pausieren, kann dazwischen ins<br />

Kaffeehaus gehen und seine Hände pflegen. Der Freskomaler aber<br />

muß beim Tagesgrauen beginnen und sein Pensum an einem Stück<br />

durchmalen. Er kann niemals korrigieren und er bekommt vom<br />

Kalk rauhe Hände. Wer diese schwierigste Technik bezwingt, legt<br />

schon durch seinen Ernst auch ethische Werte mit ins Werk . . . "<br />

(Werkblatt der Kunst 17. 6. 18.)<br />

. . . Wer mit kostbaren Steinen baut, kann schon mit edler Materie<br />

hohe Wirkung erreichen und mit ornamentaler oder figürlicher Belebung<br />

der Bauform haushalten. Er kann körnen, schleifen, polieren.<br />

Er kann seine Korn- und Farbwerte beliebig erhöhen oder<br />

schwächen, erreicht immer den Ausdruck hoher Solidität, die mit<br />

Bindung harmonischer Gliederung der Bauteile eine wohltuende<br />

Totalität ergibt, die das Kunstwerk bestimmt. In unserem sonnenarmen<br />

Lande aber muß man dem Stein künstliche Sonne geben,<br />

indem man ihn ornamental oder mit Figurenschmuck durchgeistigt.<br />

Ach, wie erkannten und verstanden diese Durchgeistigung unsere<br />

Gotiker ..." (Das heilige Feuer, März 1920.)<br />

„Die Andacht im Kunstwerk von ehedem war vor dem Verstände<br />

nicht mehr sicher, denn die Pflicht siegte. Die einst von den Künstlern<br />

so mächtig erfaßte Liebe, die ihr ganzes Selbst in den Dienst<br />

des Volksganzen warf, legte sich auf die Materie und nur noch<br />

diesseitsbekraftet, entfloh der Kunst die Befruchtung vom Himmel.<br />

Der Rauhreif des berechnenden Verstandes senkte sich über das<br />

Volk, Tugend und Ideale erstarrten. Freude an Macht und Wohlstand,<br />

am Glitzern zog über die Gesamtheit, in die Gemeinden, die<br />

Häuser und Einzelmenschen und leider auch in die Gotteshäuser<br />

hinein und ernüchterte alle ..." (Oberrhein. Pastoralblatt 15. 9. 19.)<br />

Wer vermöchte die logische Notwendigkeit der Barockkuppel<br />

zu begründen? Diese eingekeilte Halbkugel wächst nicht immer aus<br />

ihrem sie tragenden Unterbau heraus wie die Blume aus ihrem<br />

Schaft, wie der gotische Turm aus seinem Fundamente organisch<br />

und sich entmaterialisierend löst. In ihrer wuchtig gigantischen<br />

Größe bleibt diese Kuppel immer nur das zerschnittene Kuppelsymbol<br />

der Ewigkeit und ihre Linie bedeutet trotz ihrer aufgesetzten<br />

Laterne, über die das Auge nach dem anderen Ende des<br />

Halbbogens hinweggleitet, ein Vertikalverzicht. Diesen Verzicht<br />

starker Senkrechten gleichen allerdings in Italien, dem Heimatlande<br />

der Renaissance, die machtvollen Campanilen, die neben den kirchlichen<br />

Bauwerken dieser Perioden stehen, — wieder aus, oder aber<br />

es sind neben profane Architekturgebilde überaus kräftig in die Höhe<br />

akzentuierende dunkle Zypressengruppen angepflanzt. Der Italiener<br />

empfand die Notwendigkeit, neben die Architektur starke Vertikalkräfte<br />

ins Bild zu bringen. Derartige Hilfsmittel aber hat die<br />

deutsche Renaissance und ihre Ausläufer nicht, ihre Kirchtürme<br />

verwoben sich in die Baufassade — dominierten nicht als Vertikale<br />

..." (Deis heilige Feuer, August 1923.)<br />

Als in den beiden Weltkriegen gute Seife nur schwer<br />

oder gar nicht mehr zu bekommen war, wandten unsere<br />

Hausfrauen vielfach jenes alte Waschverfahren an, das schon<br />

unsere Urahnen seit Jahrhunderter geübt hatten. Sie wuschen<br />

in Aschen-Lauge. Über eine Gelte oder einen Zuber<br />

wurden zwei Hölzer gelegt, darauf ein Korb oder Behälter<br />

aus Latten gestellt und mit einem alten Stück Leinwand,<br />

dem „Aschentuch", ausgeschlagen. Wenn der Korb oder Behälter<br />

mit Holzasche gefüllt war, wurde heißes Wasser<br />

darüber gegossen. In der nächsten Stunde wurde die Asche<br />

ausgelaugt, d. h. die wasserlöslichen Stoffe lösten sich auf<br />

und tropften in die unterstellte Helte, während die unlöslichen<br />

Bestandteile im Aschentuch zurückgehalten wurden.<br />

Die so gewonnene Flüssigkeit, die Aschenlauge, benützten die<br />

Frauen dann verdünnt zum Waschen der schmutzigen Wäsche<br />

und auch zum Reinigen der Fußböden. Der Aschenrückstand<br />

diente als Dünger.<br />

Die Pflanzen nehmen aus dem Boden als Nahrungsstoffe<br />

Salze auf. Diese werden beim Verbrennen der Pflanzen-<br />

Die Pottaschengewinnung<br />

Ein abgegangener Gewerbebetrieb in Laiz<br />

Monumentalkunst ist nicht die Vergrößerung von Tafelbildern.<br />

Sie ist der Ausdruck eines ernst empfindenden, arciiitektoniscti<br />

konstruktiv fühlenden Künstlers, der aus vielfachen, differenzierten<br />

Erscheinungen der Naturfülle, die große, die typische Erfassung der<br />

Form, Linie und Farbe in ihrem seelischen Inhalte zu erfassen und<br />

zu durchgeistigen vermag ..." (Das heilige Feuer, Dezember 1918.)<br />

Der Deutsche ist der Mensch, der in seiner kargen Landschaft,<br />

unter so selten sich vollglühend zeigender Sonne kämpfen muß.<br />

Deshalb fragt er, warum muß gerade ich dies alles so qualvoll abringen,<br />

das Leben durch Mühe an Mühe binden und mit leidender<br />

Seele über die düsteren Winternächte nordischer Erde ziehen? Und<br />

wenn dann Tränen über sein leiblich Auge rollen, öffnen sich seine<br />

geistigen und finden das Land der Seele, jener großen gemütstiefen<br />

Welt, die ihm transzendente Werte öffnet, unermeßliche Tiefe, die<br />

über alles Sterben hinweg, Geschlecht nach Geschlecht befruchten . . "<br />

(Das heilige Feuer, August 24.)<br />

Unsere Ermüdung in dieser Schicksalszeit weist uns hoffnungsvoll<br />

mehr denn je an den Gekreuzigten hinauf. So wie er erlöst<br />

von seiner Qual am Marterholz hängt, so ersehnen auch wir der<br />

Diesseitspein — Erlösung. Doch immer wieder überfüllt uns dieselbe<br />

Mutlosigkeit — wir wollen diese Entpeinigung ohne Eigenopfer<br />

von Gott fordern, als ob wir ein verbrieftes Anrecht auf ein<br />

opferloses Leben in der Tasche hätten ..." (Das hl. Feuer, Aug. 21.)<br />

Wach auf aus Deiner Verweichlichung, du Land und Heimat<br />

eines Gottsuchers Seuse, eines Abrahams a Santa Clara, du einst<br />

so herrlich blühendes deutsches Land, das einen Lochner, Erwin<br />

von Steinbach, einen Dürer und einen Grünewald hervorzubringen<br />

vermochte: Geistesgrößen, die einstmals deine Dome und deine<br />

Kirchen so tiefsinnig und minnevoll ausdichteten und ausmalten und<br />

dir in unsterblichen Meisterwerken, die uns immerdar Vorbild<br />

bleiben werden, und uns so hohe Würde verliehen haben ..." (Das<br />

heilige Feuer, Juni 1919.)<br />

Die Gnadenmittel unserer herrlichen Kirche, die Völkerwerden<br />

und -vergehen überdauert, nicht zeitlich gebunden, aber der<br />

Zeit dienend, ihre göttliche Mission immerdar erfüllt, gibt uns die<br />

Kraft. Nur wer innerlich ihre Sendung erfaßt, wird auch den Ernst<br />

mitbekommen, im Zeitgeiste ihr dienen zu können! Der schöpferisch<br />

begabte Künstler könnte ja nicht anders als „modern" in gesittetem<br />

Sinne wirken, wie tiefgläubige Künstler unserer Voreltern<br />

ja stetsfort im Geiste ihrer Zeit die Menschen beglückten. Jedoch,<br />

wer, von dem Glänze der Kirche nur angeschwärmt und eingelullt,<br />

in ihr sich pendeln läßt, als Selbstdeckung seiner Schwäche stets<br />

ein frommes Sprüchlein auf der Zunge führt, unter ihrem schützenden<br />

Dache sich finanziell zu bereichern strebt, der wird zur Verherrlichung<br />

ihres Ewigkeitsmaßes nichts beitragen. Wer aber mit<br />

hungernder Seele ihr verwachsen ist, in ihrem göttlichen Odem<br />

lebt, glüht, zittert, schafft, der muß mit subjektiven Ausdrucksmitteln<br />

und in objektiver Hingabe ihr dienen, wie die Zeit es<br />

fordert ..." (Das heilige Feuer, Dezember 1919.)<br />

Bantles Worte sind heute noch an uns gerichtet: „Die Wissenden<br />

ohne Seele segnet Gott nicht. Kunst ist „Gottvereinigtsein, Bitten<br />

und Beten, Empfangen und Nachstammln, Freude in Gott, Mitleid<br />

mit hungernden Brüdern und armen Schwestern, ist restloses Geben<br />

aus übervollem Herzen."<br />

So strömt seine Kraft als bleibendes Vermächtnis in uns.<br />

W. Schneider-Schwär tzel.<br />

substanz, also des Holzes, in kohlensaure Salze, oder wie<br />

der Chemiker sagt, in Karbonate umgewandelt. Solche Bestandteile<br />

sind vor allem kohlensaures Kali und Natron, die<br />

heute noch im Soda vorhanden sind. Sie werden jedoch heute<br />

nicht mehr aus Holzasche gewonnen, sondern aus Kalilagern,<br />

die bekanntlich in Deutschland reichlich vorhanden sind.<br />

Früher wurde die gesammelte Holzasche in sogenannten<br />

Pottaschensiedereien in großen eisernen Kesseln oder Potten<br />

gesotten, gesiebt und durch Tücher filtriert. Diese so einigermaßen<br />

von den Aschenrückständen gereinigte Lauge wurde<br />

dann in andern Kesseln weiter erhitzt, bis eine trockene<br />

Masse zurückblieb. Es entstand gebrannte oder kalzinierte<br />

Pottasche. Diese war aber verunreinigt und mußte noch geläutert<br />

werden. Durch weiteres Erhitzen wurden die verunreinigenden<br />

organischen Substanzen verbrannt oder schieden<br />

sich beim Behandeln mit wenig Wasser und neuem<br />

Erhitzen aus der konzentrierten Lösung beim Abkühlen aus.<br />

Nach diesem Läuterungsvorgang hatte man ein weißkörniges<br />

Pulver gewonnen, das sich leicht und reichlich im Wasser


64 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

auflöste. An der Luft zog es Feuchtigkeit an, und wenn es<br />

damit gesättigt war, zerfloß es zu einer dicklichen Masse.<br />

Pottasche wurde zu mancherlei Zwecken verwendet. Im<br />

Haushalt, in Bäckereien und Konditoreien diente sie als<br />

Treibmittel. Zur Herstellung von Seife und Glas war Pottasche<br />

unerläßlich. In Färbereien, Bleichereien und Wollwäschereien<br />

fand sie Verwendung. Auch in der Medizin<br />

gebrauchte man sie als Zusatz zu Salben, zu Einreibungen,<br />

als Badezusatz. Auch zur Bereitung des Schnupftabaks wurde<br />

Pottasche gebraucht.<br />

Der ausgelaugte Aschenrückstand fand als Düngemittel<br />

Verwendung. Außer den Laugensalzen enthält die Asche noch<br />

Schwefel-, phosphor- und kohlensauren Kalk, Bittererde,<br />

Eisenoxyd, etwas Ton- und Kieselsäure. Die Pottaschensiedereien<br />

verkauften oder verwendeten die ausgelaugte<br />

Asche unter Zusatz von kohlensaurem Kalk als Düngemittel.<br />

Dieses wurde namentlich zur Düngung von Erbsen verwendet,<br />

wobei für die damalige Zeit erstaunliche Erfolge erzielt<br />

wurden. Daraus erklärt sich vielleicht auch die auffallende<br />

Tatsache, daß z. B. in Laiz im Jahre 1806 bei Aufnahme des<br />

Felderbestandes 16 Jauchert mit Erbsen angebaut wurden.<br />

(Siehe „Hohenzollerische Heimat" N. 2/60 S. 30).<br />

Unausgelaugte Asche fand früher weniger Verwendung,<br />

weil es vorteilhafter erschien, sie an die Aschensiedereien<br />

zu verkaufen. Aschensammeln und Aschensieden waren einträgliche,<br />

gewinnbringende Erwerbszweige, die zu den herrschaftlichen<br />

Regalien zählten. Aus deren Ausübung entrichteten<br />

die Inhaber einen jährlichen Tribut an die herrschaftlichen<br />

Rentamtskassen.<br />

In den Grafschaften Sigmaringen und Veringen waren<br />

1745 dem Adlerwirt und späteren Schultheißen von Laiz,<br />

Johann Philipp Schwab auf Antrag das Aschensammeln<br />

und das „Bodaschen-Sieden" übertragen worden. Er hatte<br />

zunächst jährlich 95 fl (Gulden) sog. Bestandsgeld an die<br />

fürstliche Rentamtskasse in Sigmaringen zu zahlen. Da aber<br />

aus einigen Orten der Grafschaft Veringen an die Salpetergraber<br />

und in der Grafschaft Sigmaringen desgleichen an<br />

den Glasmeister der Glashütte bei Wald Asche abgegeben<br />

werden mußte, stellte Johann Philipp Schwab Antrag auf<br />

Ermäßigung des jährlichen Bestandsgeldes. Die wurde ihm<br />

unter dem 18. November 1747 gewährt und auf jährlich<br />

80 fl, später auf 75 fl und dann auf 60 fl herabgesetzt.<br />

1752 bittet Schwab wiederum, ihm die Aschensammlung<br />

zukommen zu lassen, obwohl die „Bodaschen" in geringem<br />

Wert sei und er den „Bodaschenhandel" aufgeben würde,<br />

wenn es ihm nicht um das Fuhrwerk wäre. Er hoffe, so<br />

führte er aus, daß ihm die Aschensammlung um so eher<br />

übertragen werde, als er der gnädigsten Herrschaft viele<br />

Ritte und Gänge umsonst verrichte, auch öfters starke Forderungen<br />

um Wein und anderes habe und oft lange auf<br />

Bezahlung warten müsse. Am 26. Februar 1752 wurde ihm<br />

das Aschensammeln auf weitere 6 Jahre bewilligt.<br />

Das Bestandsgeld wurde auf 55 fl festgesetzt. Die Konzession<br />

rechnete von Martini 1751 ab, da die vorige damals<br />

aufgehört hatte. Von jetzt ab erhielt Schwab die Aschenkonzession<br />

fortlaufend.<br />

In den Orten Benzingen, Billafingen, Harthausen a. d. Sch.,<br />

Hettingen, Inzigkofen, Laiz, Langenenslingen, Veringendorf,<br />

sowie in Rast b. Meßkirch, in Wilflingen b. Riedlingen und<br />

Egelfingen sorgten Aschensammler für den Ankauf der Holzasche.<br />

In Sigmaringen, Sigmaringendorf und Veringen waren<br />

die Aschensammler zugleich auch Aschensieder und arbeiteten<br />

für Schwab. Aschensammeln und Aschenverkaufen, sowie<br />

Pottaschensieden scheinen einträgliche Geschäfte gewesen zu<br />

sein, denn die Mitarbeiter Schwabs und auch die Aschenverkäufer<br />

versuchten trotz Verbots immer wieder die Asche<br />

anderwärts im Schwarzhandel zu höheren Preisen zu verkaufen.<br />

Auf Schwabs diesbezügliche Beschwerde bei der<br />

fürstlichen Regierung erließ diese unter dem 15. Dezember<br />

1752 unter Androhung strengster Strafe ein Verbot, Asche<br />

außer des Landes zu verkaufen. Doch kam es trotzdem immer<br />

wieder zu verbotswidrigen Handlungen. 1769 kam es<br />

zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Aschensammler<br />

und Pottaschensieder Franz Falkner von Veringen und Philipp<br />

Schwab. Erste er hatte ihm das Pottaschensieden aufgekündigt.<br />

Er wollte die Asche auswärts aufkaufen und auf<br />

eigene Rechnung Pottasche sieden. Dies wurde Falkner verboten.<br />

Auch wurde er aufgefordert, wenigstens bis Georgi<br />

1770 den Kläger Philipp Schwab zu unterstützen, die Pottasche<br />

akkordgemäß getreulich abzuliefern und auch nicht<br />

das mindeste davon bei Vermeidung schwerer Strafe auswärts<br />

zu verkaufen.<br />

1771 beklagte sich Schwab über den Sigmaringer Bürger<br />

Leonhard Henne, der die Pottasche nach dem getroffenen<br />

Akkord zu sieden und zu liefern weigern wollte. Ihm wurde<br />

bedeutet, daß er Schwab die Pottasche auch weiterhin zu<br />

liefern habe und auch keine Pottasche auswärts verkaufen<br />

dürfe, andernfalls es Schwab freistehe, einen andern anständigen<br />

„Bodaschensieder" anzustellen.<br />

1772 kam es am 16. Juni an dem zu Ebingen abgehaltenen<br />

Jahrmarkt wieder zu Zwistigkeiten zwischen Franz Falkner<br />

- Veringenstadt und Philipp Schwab. Ersterer bot Schwab<br />

die in der Grafschaft Veringen gesammelte Asche zum Kaufe<br />

an, das Viertel zu 4 Kr. nebst 1 Kr. Sammelgeld. Schultheiß<br />

Schwab bezahlte die Asche sofort mit 5 fl, was einer Aschenmenge<br />

von 60 Viertel oder 15 Zentnern entsprach.<br />

Bei dieser Gelegenheit bedeutete Schutheiß Schwab dem<br />

Franz Falkner, daß er nun schon über 20 Jahre den Bestand<br />

der Aschensammlung habe und er ihm daher auch die Asche<br />

zu liefern verpflichtet sei. Falkner entgegnete, daß ihm vom<br />

Gericht und Rat zu Veringenstadt die Aschensammlung erlaubt<br />

worden sei und ihm daher die gnädigste Herrschaft,<br />

noch deren Regierung etwas zu befehlen habe.<br />

Philipp Schwab setzte noch bei, daß Falkner verschiedene<br />

Schleichwege benütze, um die Asche außerhalb des Fürstentums<br />

zu verkaufen und sie so dem einheimischen Beständer<br />

zu entziehen. Falkner bestritt auch nicht, daß er die Asche<br />

in Ebingen verkaufe, nur den Ausspruch, daß er gesagt habe,<br />

die gnädigste Herrschaft und die fürstliche Regierung habe<br />

ihm nichts zu befehlen, wollte er dahin deuten, daß er mit<br />

diesen Worten nur den Schultheißen Schwab gemeint habe.<br />

Schwab rief nun das Gericht an und machte verschiedene<br />

Zeugen namhaft. Die Gerichtsverhandlung verzögerte sich<br />

aber, und am 9. Januar 1773 erinnerte Schwab und bat um<br />

endliche Entscheidung und Entschädigung für den ihm durch<br />

Falkner zugefügten Schaden. Der Erfolg dieser Klage konnte<br />

nicht festgestellt werden.<br />

1782 erfolgte neue Klage Schwabs als Aschenbeständer<br />

gegen die Witwe des Philipp Mauz, die von Schwab als<br />

Aschensammlerin aufgestellt war und den Ziegler Niklas<br />

Hirschritter, beide von Harthausen a. d. Sch., weil sie ihre<br />

Asche dem Straßberger Aschensammler Hans Jerg verkauft<br />

hatten, obwohl in der Gemeinde Harthausen schon wiederholt<br />

der Befehl ausgegeben worden war, daß das Ascheverkaufen<br />

an auswärtige Aufkäufer verboten sei. Die Witwe<br />

Mauz wurde um IV2 Pfund, Hirschritter um 1 Pfund Pfennige<br />

bestraft.<br />

Schultheiß Johann Philipp Schwab in Laiz betrieb die<br />

Aschensammlung und das Pottaschensieden bis zu seinem<br />

Tode am 2. Februar 1789. In seinem Hinterlassenschafts-<br />

Verzeichnis werden unter den Eisenwaren vier große eiserne<br />

Platten aus der „Bodaschenhütte" erwähnt. Eine Platte wog<br />

3 Ztr., zwei je IV2 Ztr. und eine 1 Ztr. Als Wert wurde das<br />

Pfund Eisen mit 2 Kr. angegeben, so daß diese Eisenplatten<br />

zusammen 23 fl 20 Kr. galten. Diese eisernen Platten dienten<br />

als Feuerunterlage. Darüber hingen an eisernen Stangen<br />

und Ketten die Siedekessel. Der Holzverbrauch bei der Feuerung<br />

beim Sieden und Läutern der Asche war enorm. Die<br />

verbleibende Asche wurde ebenfalls zur Pottaschenbereitung<br />

verwendet. Als Liefergeschirre für Asche dienten ältere<br />

Wein-, Bier- und Branntweinfässer, sowie Kisten und Säcke.<br />

Zum Verkauf wurde die reine Pottasche in saubere neue<br />

Fässer verpackt.<br />

Die Pottaschenhütte stand im Laizer Unterdorf.<br />

Der ganz genaue Standplatz konnte bis jetzt trotz wiederholter<br />

Nachforschungen nicht ermittelt werden. Als im Jahre<br />

1811 ein Waschhaus gebaut werden sollte, heißt es in einer<br />

Anordnung des Oberamts nur, daß das Waschhaus entweder<br />

hinter der Pottaschenhütte oder bei des Michael Scheirer<br />

Haus aufgestellt werden solle. Da im Unterdorf Laiz mehrere<br />

Waschhäuser stehen und des Scheirer Haus längst abgebrochen<br />

ist, konnten keine näheren Anhaltspunkte gefunden<br />

werden.<br />

Auf Johann Philipp Schwab folgte dessen Sohn Josef<br />

Anton Schwab als Schultheiß, Adlerwirt und Inhaber der<br />

Pottaschensiederei. Ihm war allerdings nur eine kurze Wirkungszeit<br />

vergönnt, da er bereits am 23. Juli 1795 starb.<br />

Nach seinem Tode erfolgte mit den Aschensammlern und<br />

Pottaschensiedern eine Bestandsaufnahme und Abrechnung.<br />

Dabei erfahren wir, was für die Asche bezahlt und wohin<br />

die Pottasche verkauft wurde. Die Abrechnungen geben ein<br />

Bild über die Arbeit, den Umfang, die damaligen Löhne<br />

bei der Pottaschenbereitung und deren Verkauf. Die Abrechnung<br />

mit den Aschensammlern wurde von dem beauftragten<br />

Aschensammler und Pottaschensieder Peter Fischer von Sigmaringendorf<br />

vorgenommen.


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 65<br />

Abrechnung mit den Aschensammlern und Pottaschensiedern:<br />

1. Johann Waibel, Aschensammler zu Hettingen<br />

lieferte am 26. 5. 1795 an Asche 169 Viertel je 5 Kr. = 22 fl 25 Kr.<br />

2. Josef Pfaff, Aschensammler v. Harthausen a. d. Sch.<br />

lieferte an P. Fischer, Sigmaringendorf<br />

300 Viertel je 5 Kr. = 25 fl — Kr.<br />

3. Anton Schmellenmayer von Laiz<br />

lieferte am 8. 10. 1795 300 Viertel je 5 Kr. = 25 fl ~ Kr.<br />

4. Josef Hospach von Benzingen<br />

lieferte am 4. 5. 1795 316 Viertel je 5 Kr. = 26 fl 20 Kr.<br />

4. Matth. Baur von Egelfingen lieferte am 1. 5. 1795<br />

dem P. Fischer, Sigmaringendorf 365 Viertel je 6 Kr. = 36 fl 30 Kr.<br />

6. Josef Mindler von Wilflingen<br />

lieferte am 24. 6. 1795 109 Viertel je 6 Kr. = 10 fl 54 Kr.<br />

7. Josef Lieb von Billafingen hat für Aschenlieferung<br />

vom verstorbenen Jos. Anton Schwab 11 fl Vorschuß<br />

erhalten und bezahlte diese 11 fl, da er keine Asche<br />

lieferte, an die Erbschaftsmasse zurück.<br />

8. Anton Heberle, Veringenstadt<br />

lieferte 249 Viertel je 5 Kr. = 20 fl 45 Kr.<br />

9. Alois Schönbucher, Inzigkofen<br />

lieferte 28 Viertel je 5 Kr. = 2 fl 20 Kr.<br />

ferner 1 Faß Asche für 1 fl 15 Kr.<br />

ferner 1/2 Faß Asche für 37,5 Kr.<br />

Aschensammlerlohn 28 Kr.<br />

10. Anton Blau, Veringenstadt<br />

lieferte 238 Viertel je 5 Kr. = 19 fl 50 Kr.<br />

11. Franz Henne, Aschensieder in Sigmaringen<br />

lieferte am 29. 8. 1795 an Asche 109 Viertel je 6 Kr. = 10 fl 54 Kr.<br />

vom Schönbucher, Inzigkofen 28 Viertel je 5,5 Kr. = 2 fl 20 Kr.<br />

ferner 1,5 Faß Asche = 1 fl 52,5 Kr.<br />

hat geliefert schwarze Bodasche, 6 Ztr. 69 Pfd. je<br />

9 fl und erhalten = 60 fl 48 Kr.<br />

ferner 1 Ztr. 72 Pfd. je 9 fl = 16 fl 16 Kr.<br />

12. Peter Fischer, Pottaschensieder von Sigmaringendf.<br />

hatte zu fordern für 27 Ztr. gelieferte reine Pottasche<br />

je 15 fl = 406 fl 21 Kr.<br />

Lohn von einem Faß schwarze Bodasche zu läutern = 4 fl — Kr.<br />

weiterer Lohn von 1 Stumpen = 1 fl 30 Kr.<br />

Zusammen: 695 fl 26 Kr.<br />

Diese Aufstellung umfaßt nur einen Teil der Aschenanlieferung<br />

eines Jahres. Es ist daraus zu entnehmen, daß der Konzessionsinhaber<br />

an die Helfer im Pottaschensieden für den Zentner ungereinigter<br />

Pottasche 9 fl und für den Zentner reine Pottasche 15 fl<br />

bezahlte.<br />

Es folgt nun eine Abrechnung mit dem Gehilfen beim Pottaschensieden<br />

und den Abtransport der gereinigten Pottasche (Originaltext):<br />

Abrechnung mit Johannes Miller, gewester Oberknecht im Laitzschen<br />

Wirtshaus; von Jungnau gebürtig, nunmehr in Göggingen<br />

verbürgert.<br />

Anno 1791 den 7. November hat derselbe von<br />

Göggingen hierher kommen müssen nachher Laitz und<br />

daselbst 2 Tag und 2 Nächt Bodaschen geleitert und 1<br />

Tag zum Wägen zugebracht, des Tags und für die<br />

Nacht je 40 Kr. = 1 fl 20 Kr.<br />

und wegen dem Tag zum wägen = 20 Kr.<br />

1 Tag die Woll gewogen = 48 Kr.<br />

den 13. Dezember ebenfalls 2 Tag und Nacht geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />

1 Tag beym wägen =. 20 Kr.<br />

den 16ten Dezember nachher Arbon und Sankt Gallen<br />

die Bodaschen zu verwerthen geschickt worden, hierzu<br />

6 Tag gebraucht, über die Zöhrung und Lohn des Tags<br />

je 48 Kr. = 4 fl 48 Kr.<br />

Anno 177 2, den 20. Jänner 2 Tag und 2 Nächt<br />

Bodaschen geleitert, wie oben = 1 fl 20 Kr.<br />

1 Tag solche zu wägen = 20 Kr.<br />

mit 3 Faß nachher St. Gallen geschickt worden, 6 Tag<br />

hierzu gebraucht, für Zöhrung und Lohn = 4 fl 48 Kr.<br />

den 26ten Hornung abermals 2 Täg u. 2 Nächt geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />

1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />

den 6ten März auf Zell am Untersee mit dem „Verstorbenen"<br />

geritten, 3 Tag hierzu gebraucht je 48 Kr. = 2 fl 24 Kr.<br />

Dann mußte derselbe nachher Laitz Marcken zu setzen,<br />

4 Tag hierzu verwendet, je 48 Kr. = 3 fl 12 Kr.<br />

1 Tag darnach die Woll gewogen = 48 Kr.<br />

den 18ten Brachmonat abermals 2 Tag u. Nacht geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />

1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />

mit der Bodaschen nachher St. Gallen gefahren 6 Tag<br />

hierzu gebraucht = 4 fl 48 Kr.<br />

den 12ten Wintermonat abermals 2 Tag und 2 Nächt<br />

geleitert = 1 fl 20 Kr.<br />

dann 1 Tag gewogen = 20 Kr.<br />

auf St. Gallen mit 4 Faß per 6 dag = 4 fl 48 Kr.<br />

den lten Dezember nach Winterlingen und Bahlingen<br />

Schulden einzutreiben, per 3 Tag = 2 fl 24 Kr.<br />

Anno 179 3, den 3ten Hornung wiederum 2 Tag<br />

und 2 Nächt geleitert<br />

gewogen 1 Tag<br />

den 26ten April wiederum . . . also<br />

mit der Bodasche auf St. Gallen p. 6 Tag Lohn<br />

den 6ten Heymonat die Woll gewogen per 1 Tag<br />

den 12ten do. wiederum geleitert, wie oben<br />

Anno 179 9, den 1. März abermals geleitert<br />

mit der Bodaschen nachher Schaffhausen p. 5 Tag Lohn<br />

bey Lehren des Bodaschen siedens 4 Tag mit dem<br />

Jakob Käßmann zugebracht, für die Kost allein wird<br />

angesetzt<br />

1 fl 20 Kr.<br />

20 Kr.<br />

1 fl 40 Kr.<br />

4 fl 48 Kr.<br />

48 Kr.<br />

1 fl 40 Kr.<br />

1 fl 40 Kr.<br />

4 fl ~ Kr.<br />

= 1 fl 36 Kr.<br />

Summa"! 56 fl 40 Kr.<br />

hierauf hat Johannes Miller anno 1792 erhalten 44 fl, ab also 44 fl ~ Kr.<br />

verbleiben noch 12 fl 40 Kr.<br />

den Empfang bescheinigt (gez.) T. Johaneß Miller<br />

Aus der vorstehenden Abrechnung ist zu ersehen, daß<br />

Josef Anton Schwab die Pottasche nach Arbon, St. Gallen<br />

und Schaffhausen lieferte. Welche Preise er für die in die<br />

Schweiz verkaufte Pottasche löste, ist nicht verzeichnet.<br />

Bei Josef Anton Schwab finden wir auch eine Bescheinigung<br />

über das Recht zur Aschensammlung in der Herrschaft<br />

Wilflingen, wozu die Orte Wilflingen und Egelfingen gehörten.<br />

Danach bezahlte er an die Rentamtskasse Wilflingen<br />

einen jährlichen Pacht von 12 fl.<br />

Nach dem Tode von Josef Anton Schwab im Juli 1795<br />

scheint Peter Fischer von Sigmaringendorf zunächst das<br />

Aschensammeln und Pottaschengewerbe weiter geführt zu<br />

haben, bis es dann unter dem 9. Mai 1806 an den Kaufmann<br />

Johann Martin Sauter in Ebingen verpachtet wurde.<br />

Eine Verfügung der Kameral-Kanzlei zu Sigmaringen weist<br />

die Ortsvorgesetzten der Grafschaft Veringen und der Herrschaft<br />

Sigmaringen an, der Aschensammlung des J. M. Sauter<br />

von Ebingen auf Erfordern jegliche Unterstützung zu<br />

leisten und zu verhindern, daß „von niemand sonst als nur<br />

dem erwähnten Beständer" die Asche gesammelt und aufgekauft<br />

werde. Als jährliches Pachtgeld hatte Sauter 150<br />

fl zu bezahlen.<br />

Nach Ablauf dieser 6jährigen Pachtperiode bewarb sich<br />

der Glasmeister Jakob Schmidsfeld von der Glashütte bei<br />

Wald um den Aschenbestand. Er begründete seinen Antrag<br />

mit dem Hinweis, daß der Aschenbestand des Fürstentums<br />

Sigmaringen ihm zur Fortführung seiner Glasfabrik unentbehrlich<br />

sei, da ihm alle Akkorde im Großherzogtum<br />

Baden aufgekündigt worden seien. Somit wurde Schmidsfeld<br />

die Aschensammlung im Fürstentum Sigmaringen übertragen,<br />

mit Ausnahme des Ortes Talheim. Er hatte für die<br />

nächsten 6 Jahre einen Pachtbetrag von 150 fl zu entrichten.<br />

1817 wurde es nochmals notwendig, gegen den Schwarzhandel<br />

im Aschenverkauf vorzugehen. Eine diesbezügliche<br />

Verordnung der fürstlichen Regierung vom 11. Juli 1817<br />

wies insbesondere die Polizeisoldaten im Fürstentum an,<br />

dem Aschenhandel besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Die Aschensammlung und Pottaschensiederei bestand im<br />

Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen bis zum Jahre 1848.<br />

Die bisherige Pottaschengewinnung fiel den wissenschaftlichen<br />

und technischen Erungenschaften in der bisherigen<br />

Form zum Opfer und wurde durch die industriellen Fortschritte<br />

überholt. Die Aufhebung der Pachtverträge zum<br />

Sammeln und Ankauf der Holzasche wurde durch landesfürstliche<br />

Verordnung vom 14. März 1848 angeordnet. Damit<br />

wurde der etwaige Weiterverkauf der Holzasche freigegeben.<br />

Ein Jahrhundert alter Erwerbszweig ging zu Ende. Ihm<br />

hatten unsere Ahnfrauen lebenslang ihre Aufmerksamkeit<br />

geschenkt, denn sie waren es doch meistenteils, die die Asche<br />

aufhoben, in Säcke, Fässer und Kisten füllten und diese<br />

beim Ruf oder der ertönenden Schelle des Aschensammlers<br />

an die Sammelstelle brachten, um dafür die wenigen Kreuzer<br />

einzuheimsen, die dieser ihnen dafür gab. Im 18. Jahrhundert<br />

war die Bevölkerung meistenteils recht arm an geldlichen<br />

Einnahmen. Die „Aschenkreuzer" waren. immer eine willkommene<br />

Nebeneinnahme gewesen. F. Widemann<br />

Irrtümer lassen sich beim geschichtlichen Forschen leider<br />

nie ganz vermeiden. Selbst große Männer haben gelegentlich<br />

sich geirrt! Es wäre daher verfehlt, wenn man mit Veröffentlichungen<br />

warten würde, bis restlos alle Fragen geklärt<br />

und alle Irrtümer ausgeschaltet sind. Ebenso verfehlt war es<br />

aber auch, wenn mir vor Jahren ein bekannter Heimatfreund<br />

den Vorwurf machte, ich sei in einer gewissen Frage vor<br />

einem Jahr anderer Meinung gewesen! Darf man<br />

denn unzufrieden sein, wenn jemand etwas Neues<br />

dazu lernt? Gefährlich ist es, einen Sachverhalt verbessern<br />

zu wollen, meist gibt es eine Verböserung! Die<br />

gröbsten Fehler entstehen dann, wenn man bloße Vermutungen<br />

als bewiesene Tatsachen ausgibt! Krs.


Nach 1 km folgt an der Straße hin das Dörfchen Starzein.<br />

Die Bahn fährt hoch darüber hin, hart über dem<br />

manchem Wanderer bekannten Gasthaus zum Höfle und der<br />

Kirche. Man blickt hier rechts hinauf in das oberste Starzeltal<br />

(Scharlenbachtal), das sich westlich gegen Onstmettingen<br />

hinaufzieht. Trotzige Bergköpfe schauen rechts in das Tal<br />

herein (auf einem die alte Volksburg Starzein über der<br />

Kirchstaig, auf der bis 1612 das Johanniterklösterlein stand.<br />

Zollerheimat 1940. 9 und 1941, 13—17.) Von der andern Seite<br />

grüßte die breite Schnaithalde. Oestlich von Starzein führt<br />

eine steile Steige am Starzler Nehberg hinauf nach Ringingen.<br />

Starzein und Hausen haben eine gemeinsame Haltestelle<br />

der Bahn. Immer näher treten die Berge zusammen, immer<br />

höher fahren wir am Hange hin, hoch über dem ausnehmend<br />

sauberen Hausen, das auch durch etliche schöne<br />

Holzhäuser ausgezeichnet ist, die denen im Steinlachtal, in<br />

Nehren, Mössingen und Ofterdingen gleichen.<br />

Von Hausen laufen Straßen nach Onstmettingen, nach<br />

Tailfingen über Neuweiler (nach Hermannsdorf-Bitz dürfte<br />

ein Irrtum sein, nur ein steiler Bergpfad am Uesterbrunnen<br />

vorbei), und nach Burladingen. Seine Markung greift auf den<br />

Burladinger Talpaß hinauf und umfaßt noch den Hohenrain,<br />

914 m, der das Vergnügen hatte, Heinrich getauft zu werden,<br />

weil Hohenrain und Heinrich schwäbisch Hoara ziemlich<br />

ähnlich klingt. (M. W. hieß der Berg 1544 „Heinrichs Halde",<br />

was das Rätsel lösen dürfte!) Nördlich gegenüber liegt der<br />

„Obere Berg 904 m, der durchs Killertal so weit ins Land<br />

nach Westen schaut. (Oestlich schließt sich an ihn der Hausener<br />

Kapf an mit schwachen Resten einer mittelalterlichen<br />

Burg; Hohz. Heimat 1954, 4—6.).<br />

An der Berghalde hin immer steigend und etwas ostwärts<br />

gewendet, nähert sich die Bahn wieder der Straße, von der<br />

sie schließlich ein Stück der alten Steige zugedeckt hat. In<br />

tiefem Einschnitt fährt sie aufwärts, rechts das Neubrunnentälchen<br />

lassend, und erreicht die Wasserscheide, 737 m. Bei<br />

dem Bahnbau kamen hier herum geologische und noch mehr<br />

archäologische Merkwürdigkeiten zutage, wie ich sie im<br />

Oktober 1899, als ich der Altertümer wegen nach dem Stand<br />

des Bahnbaues sah, zu meiner Ueberraschung entdeckte<br />

(Schwab. Chronik 1899, S. 512).<br />

Der Bahneinschnitt legte zunächst die Bodenverhältnisse<br />

und die Schichtung klar: unten Kalkstein, dann<br />

Geschiebe, darüber Lehm, hierauf schwarzer torfartiger Boden,<br />

dessen Linie an einer Stelle fast trichterförmig verläuft,<br />

wie von einem Sumpf herrührend. Oben fand sich<br />

1 !•> bis 1 m, später IV2 m mächtiger Ackerboden. In jenem<br />

schwarzen Lager fanden sich die dickwandigen Reste eines<br />

römischen gelben Tonkruges von groben Formen, der etwa<br />

60 cm hoch gewesen sein muß. Von dieser Fundstelle an fand<br />

sich zwischen der schwarzen Schicht und dem heutigen<br />

Ackerboden eine dünne Kulturschicht aus Kies, Boden und<br />

Scherben. Das ist die römische Kulturschicht.<br />

Was darüber liegt, ist aufgeschwemmt worden und gewachsen,<br />

stellenweise bis mehr als 1,5 m. Dadurch kam es, daß<br />

Grabhügel, die hier herum sich befanden und die verraten,<br />

daß diese Stelle schon in vorrömischer Zeit ein Wohnort<br />

gewesen sei, ganz in den Boden kamen. Vielleicht wurden<br />

sie z. T. auch schon von den Römern eingeebnet. Nur<br />

fremdartige Felsbrocken, die da und dort den Bauern beim<br />

Pflügen störten, aber selten beseitigt wurden, verrieten<br />

deren Stelle. Am 14. November 1899 wurde ein solcher Felsen<br />

ohne Mühe beseitigt und darunter fand sich eine hübsche<br />

Bronzeschnalle, darin ein Bronzemesser und unfern eine sehr<br />

schöne Fibel aus der Hallstattzeit (S. 234 berichtigt<br />

aus „Bronzezeit), jetzt im Besitz des Landeskonservatoriums.<br />

Auch zwischen Burladingen und dem an Grabhügelfunden<br />

reichen Gauselfingen wurden auf einer Wiese „bei der Gasse"<br />

nach Zingeler bei der Abdeckung des Rasens ganze Töpfe<br />

und bronzene Gegenstände gefunden und scheints verschleudert.<br />

(Platz des ehemaligen Maigingen!)<br />

Längst ging die Sage, hier außen l'A km westlich von<br />

Burladingen (auf der Schlichte) habe eine Stadt gestanden.<br />

Und in der Tat finden sich rechts drüben am nördlichen und<br />

nordöstlichen Hang auf Hausener und auf Burladinger Markung<br />

ausgedehnte Grundmauern römischer Gebäude,<br />

wie der Landeskonservator Laur von Sigmaringen<br />

und der Schriftleiter (unser Nägele) in gemeinsamer<br />

Forschung aufs neue feststellten. Weiter unten am Neubrunnen<br />

(jetzt für eine Brunnenleitung nach Hausen gefaßt)<br />

fand sich schon früher bei der Anlage des neuen Stückes der<br />

TaHrganp <strong>1960</strong><br />

Burladingen und das Killertal (Schluß»<br />

Straße nach Zingeler ein römisches Grab. Diese Siedlung<br />

(auf der Schlichte) war an einer Straßenkreuzung angelegt,<br />

die heute durch das Kreuz bezeichnet ist. Die Talstraße Burladingen—Hechingen—Friedrichstraße,<br />

die selbstverständlich<br />

als römisch bestanden hat, wenn auch die Zurichtung sehr<br />

wenig sorgfältig war, wurde gekreuzt von der Linie Laiz—<br />

Bitz — Hermannsdorf — (Ringinger Kapelle) Salmendingen —<br />

Pfullingen. Auch diese ist nicht durchaus gleichartig gebaut<br />

und vielfach, z. B. zwischen hier und Bitz kaum auffind- und<br />

nachweisbar. Gerade an der Stelle, wo sie über das Tal laufen<br />

und vom Einschnitt durchbrochen werden mußte, zeigte<br />

sich hüben und drüben am Einschnitt, 1,40 m unter der heutigen<br />

Erdoberfläche, ein kräftiger Steinsatz in der Breite<br />

von 5 m und der Stärke von 50 cm, im oberen Teil wie gemörtelt,<br />

rechts und links mit tiefgreifenden Randsteinen.<br />

Obwohl dieser Steinsatz nach Süden und Norden nicht weiter<br />

zu verfolgen war, ja geradezu aufhörte (?), wird er eher die<br />

Straße, als eines der Grundgemäuer gewesen sein. 5V2 m<br />

östlich dieser Stelle beseitigte der Bahnbau eine im Boden<br />

steckende gewaltige Grundmauer von 1 x k auf 9 m.<br />

Die unterste Schicht des noch 1,70 m hohen und 1,20 m starken<br />

Fundaments mit kräftigem Eckstein befand sich in<br />

gleicher Höhe mit jenem Steinsatz. Aber auch 5 m südlich der<br />

Südmauer kam ein Mauerstück zum Vorschein und 60 m östlich<br />

davon noch mehrere querlaufende, 3,5 und mehr m auseinander.<br />

Uebrigens hatte sich jenes bronzezeitliche Grab nur<br />

50 m ostwärts jenes großen Grundgemäuers gefunden, befand<br />

sich also innerhalb der Ansiedlung. Ob jenes Grundgemäuer<br />

von einem römischen Gebäude stammt, oder von der<br />

späteren Kapelle, die hier oder ganz in der Nähe gestanden,<br />

und ob vielleicht diese Kapelle auf römischem Sockel<br />

erbaut wurde, ließ sich nicht feststellen. (Später ist nachgetragen,<br />

Oberlehrer Speidel habe aus Burladingen mitgeteilt,<br />

es müsse sich um die Schlichtekapelle handeln, die am Chor<br />

erkannt wurde. Zur Kapelle vgl. Heimatklänge des Zoller<br />

1934 Seite 51.) Bei der gänzlichen Beseitigung fand sich im<br />

Innern in der Tiefe wieder ein bronzzeitliches Grab, nach<br />

Laur aus der Hallstattzeit, außerdem eine römische Münze<br />

von Trajan. Weiter nach Osten lag auf mehrere hundert<br />

Meter hin alles voll schwarzer, gelber, brauner, und roter<br />

Scherben von der kräftigsten Amphora bis zum feinsten<br />

Siegelerde-Gefäß. Auch viele römische Münzen aus verschiedenen<br />

Zeiten wurden früher und neuerdings gefunden, kamen<br />

aber nie in eine Hand. Und weiter innen, in der Nähe<br />

des Bahnhofes, stieß man auf eine große Anzahl Reihengräber.<br />

Kein Wunder, daß Burladingen zu den frühest genannten<br />

Plätzen Schwabens gehört. Das Kloster Lorch erhielt hier<br />

772 verschiedene Güter. (Das römische Erd- und spätere<br />

Steinkastell rechts der Bahn und Straße östlich des Neubrunnentälchens<br />

wurde dann von Joh. Dorn-Weiler Haid<br />

entdeckt und 1912 ausgegraben, vgl. Hohz. Heimat 1952, S. 43).<br />

Ueber den Namen Burladingen hat ausführlich Oskar von<br />

Ehrenberg in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte<br />

Hohenzoll. 31, 1897, 82 gehandelt. Die älteste Form ist Burdleidingen.<br />

Zu Grunde liegt also de- Personenname Burdleid,<br />

wofern kein Schreibfehler für Burleid vorliegt. Der zweite<br />

Teil kann je nachdem Führer (Leiter), der erste Bürde oder<br />

Schild oder, wenn Bur anzunehmen wäre, Bauwesen oder<br />

Haus bedeuten. Burleid = Haus-Herr ist in der Tat ein mit<br />

gutem Grund annehmbarer Name. Die Markung, in der diese<br />

Ansiedlung lag, mußte nun nach der Angabe von 772 die der<br />

Burichinger gewesen sein, die nach Baumann — er setzte bei:<br />

falls ich richtig verstehe — außer Burladingen noch die Orte<br />

Melchingen, Salmendingen, Genkingen, Gauselfingen sowie<br />

das abgegangene Megingen bei Burladingen und Merioldingen<br />

(Flur Mertingen zwischen Melchingen und Stetten) umfaßte.<br />

Diese Mark scheint zu einem Gau oder Grafschaft<br />

desselben Namens, dem Gau der Burichinger, erhoben worden<br />

zu sein, in dem noch Erpflngen, Meidelstetten, Feldhausen,<br />

Undingen, Bernloch genannt werden, nach Baumann<br />

aber auch noch Gammertingen und wonl auch Oberstetten<br />

und Wilsingen lagen (dazu Trochtelfingen, Willmandingen,<br />

Genkingen, Ringingen, Jungingen, Killer, Hausen, Hettingen,<br />

Kettenacker, Neufra, Mägerkingen usw.)<br />

Als Grafen erscheinen 778 Erkenbert, 841/72 Witpert. Später<br />

gehörte die Herrschaft den Grafen von Gammertingen<br />

und fiel bei deren Aussterben am Ende des 12. Jahrhunderts<br />

an Berthold von Neifen (bzw. den Markgrafen Heinrich von<br />

Ronsperg. Hohz. JHeft 1937, 59—90; 1950, 143—149.) Von da<br />

an wechselten die Besitzer häufig. Vom 14 Tahrhundert an<br />

erscheinen als Teilbesitzer die Zollern. Friedrich von Zollern,


Jahrgang-fcDCD HOHENZOI, 1,'® BISCHE HEIMAT 67<br />

Bischof von Augsburg, baute 1485 (richtiger 1492!) im Ort<br />

Burladingen ein Jagdschlößchen, das später öfters renoviert<br />

wurde, aber 1886 abbrannte (und als Wirtschaft z. „Schlößle"<br />

nochmals 1925. Bild des Schlößle s. Albv.-Blätter 1925, S. 205.<br />

Doch irrt sich Nägele, wenn er an dessen Stelle „das neue<br />

Gebäude des Gasthofs zum „Reichsadler" annimmt, der inzwischen<br />

vor wenigen Jahren in ein Kaufhaus umgeändert<br />

wurde.) Das Merian'sche Bild von der gesamten Zollerlandschaft<br />

führt auch das Killertal vor, doch recht vereinfacht<br />

und stilisiert, vom Standpunkt des heutigen Bahnhofs Hechingen<br />

aus. Man erblickt auf ihm — was ganz unmöglich ist —•<br />

am Ende des geradlinig gezeichneten Tales oben Burladin-<br />

Die Flurnamen<br />

Die Quellenlage gestattet lediglich eine Betrachtung über<br />

die letzten 400 Jahre. Es zeigt sich, daß die Flurnamen wesentlich<br />

standfester waren, als die sie bebauenden Familien,<br />

sind doch von letzteren seit Anfang des 16. Jahrhunderts<br />

nur noch die Maier vorhanden. Allerdings wurden manche<br />

Flurnamen, wenn man sie nicht mehr verstand, geändert<br />

und umgedeutet! (Hilfsmittel: Michel R. Buck, Oberdeutsches<br />

Flurnamenbuch 1880, zweite Aufl. 1931; Remig<br />

Vollmann, Flurnamensammlung 1926; Walther Keinat, Ortsund<br />

Flurnamen in Württemberg 1951; Joseph Schnetz, Flurnamenkunde,<br />

München, 1952. Michel R. Buck, Hohenzollerische<br />

Orts(Flur-)Namen: Mitt. Hohenz. Jg. 5—7, 1871 bis<br />

1873.)<br />

Ringingen selbst, erstmals erwähnt kurz vor 799, wird gewöhnlich<br />

erklärt als „Bei den Leuten des Ringo", eines vermuteten<br />

Sippenhäuptlings. Doch hieß beispielsweise der<br />

bayerische Ort Ober- bzw. Unterringingen im 10. Jahrhundert<br />

Reginingen. Möglich wäre bei uns (mit Rücksicht<br />

auf den Gerichtsplatz im Kreben) die Deutung „Bei den Leuten<br />

am Ring". Ring hieß bis ins 16. Jahrhundert die Zuhörerschaft<br />

bei Gerichts- und Gemeindeversammlungen des<br />

Gebiets zwischen Tübingen-Memmingen-Urach-Augsburg.<br />

(Festschrift zum Kreismusikfest Ringingen 1952, S. 17.)<br />

Die 1296 ha umfassende Gemarkung, zu der noch 300 ha<br />

auf dem Salmendinger Heufeld kommen, war mit Ausnahme<br />

des letzteren seit alters in drei Esche geteilt: Kappel-<br />

Esch oder Uf Haugk zwischen der neuen Killerstraße und<br />

dem alten Salmendinger Weg, Bräuneschmack zwischen<br />

genanntem Weg und der Käppelestaig bzw. Weg nach<br />

Stetten, und Esch Tiefental zwischen Käppelestaig und<br />

der neuen Straße nach Killer. Das Klein-Eschle zwischen<br />

letzterer und Karies Kreuz ob dem Stichle wurde bald zu<br />

Tiefental, bald zum Kappelesch gebaut. Die Dreifelderwirtschaft<br />

wird noch immer im wesentlichen eingehalten, nur<br />

daß im Brach-Esch Kartoffeln, Klee und Rüben gepflanzt<br />

werden.<br />

Abkürzungen: PN = Personenname, so = südöstlich,<br />

nw = nordwestlich, nö = nordöstlich usw.<br />

1. Ackermanns Wies, auf Hälschloch unterhalb der<br />

Quelle.<br />

2. Am Äscherhaufen, 19. Jahrh. zwischen Hc' lweg<br />

und Hilbgasse bzw. Gäßle bei den Häusern 89, 91. Äscher<br />

nannte man die Aschen-Ueberreste vom Waschen mit<br />

Aschenlauge oder „Bauchen".<br />

3. In Äsental südl. der Altegert, 1545 Ensental, wohl<br />

von äsen = weiden. Sonst auch Autmuott-Daudtmuot (1524)<br />

genannt. Hier war 1530 eine Auchtert oder Weide = Auchtert-Mulde.<br />

4. * Ahr us, Ah-Runs, Wasserrinne, 1545, jetzt Wasserrauns.<br />

5. Aloises Schlößle, Burgruine Ringelstein nach den<br />

neuerlichen Besitzern Alois Stözle, bzw. Alois Dorn (Hohz.<br />

JHeft 1954, 103 ff.).<br />

6. Alt-Egert 1530, no an der Salmendinger Grenze.<br />

Egert (Eagert) bezeichnet einen schlechten Grasplatz, der<br />

weder als Wiese, noch weniger als Acker genutzt werden<br />

kann. Vielleicht waren die Egerten früher durch einen Zaun<br />

von der Ackerflur getrennt, ob je umgeackert, ist unsicher.<br />

Die Ableitung ist dunkel. Buck vermutete „Brache", die späteren<br />

sind nicht über Versuche hinausgekommen. Vgl. Saur-<br />

Egert, Mad-Egert.<br />

7. * Bei der A s p 1545, Espenbaum am Hechinger Weg.<br />

8. Im Bach, Gasse mit Wässerlein vom Saumärkt bis<br />

Kreben, seit einigen Jahren kanalisiert. Ein früherer Kanal<br />

unter Pfr. Westhauser war zu eng und bald vernachlässigt.<br />

9. Uf B a c h e n a u, eigentlich oberhalb B., 1488 Holz<br />

genannt Bachnow an des Schwelhers Wiesen, 1545 ob Bachnerstaig,<br />

Nordwestecke der Markung, offenbar von Jungin-<br />

Joh. Ad. Kraus<br />

gen und davor noch das Kirchlein auf der Wasserscheide, auf<br />

der Schlüchten. — Soweit Nägele.<br />

(Das Römerkastell bestand nur vom Jahre 85 nach Christus<br />

bis etwa 110, wo es durch Feuer vernichtet wurde. Da<br />

die Römer inzwischen auch ins Albvorland und Neckargebiet<br />

vorgedrungen waren, erübrigte sich hier eine Paß-<br />

Sperre! Ob später die Franken bei Unterwerfung der Alemannen<br />

nach 500 eine militärische Sicherung hier stationierten,<br />

ist unbekannt. Zur Römerstraße Laiz-Burladingen-<br />

Salmendingen Mittl. Hhz. 1893 S. 92—95 und vor allem zum<br />

„Alblimes" bei Burladingen—Ringingen: Blätt. des Schwäb.<br />

Albvereins 1925 S. 217—224.) Krs.<br />

von Ringingen<br />

ger Gebiet heraufgenommen: Bach und Au. 1488 Bachnower<br />

Weg, unten an die Holstaig uf Sechamer Berg stoßend.<br />

10. In B ä b e 1 o c h, Wald zwischen Kernenwies, Burren,<br />

Hairies Wäldle; 1545 Bebenloch; vielleicht, da an der westl.<br />

Ecke eine Bernharduskapelle stand, die auf Bebenhausen<br />

weist, „Bebenhauser Loch". Loch, heute mit kurzem o, auch<br />

in Eisenloch, Schopfenloch zu loh = lucus — lichter Wald.<br />

11. *Bauren-Egertle 1670; an der Madegert bzw.<br />

Galggruob.<br />

12. 'Bernhardshalden 1694 = Renhartshalden 1530<br />

= Raißles Häldele.<br />

13. *Bernhardskäppele 1694 = Weilerkäppele, um<br />

1834 am westl. Eck des Bäbeloch abgegangen, wo jetzt der<br />

Bildstock steht. Das Erdloch habe um 1850 als Erzwäsche<br />

gedient. 1530 St. Bernharden. Renoviert 1693.<br />

14. *Bilderhäuslin 1524; zwei Bildstöcke: an der<br />

Heerstraße (wohl jetzt Bernhardskreuz) und am Heufelder<br />

Weg (Karies Kreuz).<br />

15. Beim Bilga-Steckle, heute Steinbildstock „Christus<br />

im Kerker", vorher um 1920 Hochkreuz, früher offenbar<br />

Bildstock am Kappelfußweg sö der Kap.<br />

16. *Bildstock 1545 = heute Talwieser Kreuz an der<br />

Weggabel Buoweg-Talwies.<br />

17. An Birenstall, südl. des Saumärkts, hieß 1524<br />

Bürtestal, 1578 Bürdestall, Tal des Birchtilo, Berthold. 1660<br />

Bührenstall.<br />

18. Uf Birklesberg, Heufeld ob Hechinger Staig.<br />

Wohl zum PN Birkle oder Bürkle = Burkart. 1578 Bürglisberg,<br />

jetzt in Romern genannt.<br />

19. U f der Bitze, Ortsausgang gegen Melchingen, 1530<br />

Bitzin bizuna = beim Ortszaun bzw. Hag, dessen Verlauf<br />

im Fleckenbuch 1530 beschrieben ist.<br />

20. Im Boschen (nicht Böschen!), noch um 1800 Weideplatz,<br />

der mit einzelnem Buschwerk bestanden war, heute<br />

Wald der Gemeinde zwischen Kirchholz und Hairawald.<br />

21. In Bräuneschmack, entstand aus Breunismatt<br />

1545 = Matte oder Wiese des Breuning. Ackerflur am Ostrand<br />

der Markung, südl. vom Talwies. Heute ist das Wort<br />

Matte hier nicht volkstümlich! 1578 Breimischmadt.<br />

22. *Breitenstaig, Breitenstroß 1545, heute oberster<br />

reil der Burladinger Straße oder Dannemer Weg an der<br />

Hagenwiese entlang. Oberhalb gegen den Weilerhügel lag<br />

nämlich die „Herrschaftsbreite", eine zweite in Feilen, eine<br />

dritte im Esch Bräuneschmack (Hasengairle). S. Herrenbraite.<br />

23. * D i e Bratwurst, an der Heerstraße, wohl nach<br />

der Form des Ackers.<br />

24. * D a s Brechgrüble unter dem Stichle in Saia,<br />

jetzt durch die Straße überbaut. Zum Trocknen und Brechen<br />

des Hanfes hat man gern Feuerstellen errichtet. Solche sind<br />

nördl. des Nähbergwaldes und an Kernenwies zu vermuten.<br />

25. Der Brühl (Brial), Oberer B. oberhalb des Grabens"<br />

hinter Basties Haus", unterer an Salmdg. Weg und Galggruob.<br />

Uraltes Wiesengelände der Herrschaft. Brolig = Bruch<br />

= Nasse Wiesen. 1524 Priel.<br />

26. * D i e Brunnenstaig, heute Staig oder Alte Staig<br />

am Saumärkt.<br />

27. Die Brunnenstube, Quellfassung am Fuß der<br />

genannten Staig, dabei bis ca. 1630 die Badstube mit<br />

Scheuerle (Hs. 75, 76).<br />

28. Der Büchenbach mit Buchenbrünnle hinter<br />

der ehem. Seemühle, mündet bei Killer in die Starzel.<br />

Buchbach 1488.<br />

29. Das Buckental an der Straße nach Burladingen,<br />

die 1729 Burladinger Straße hieß. Vorher ging der Fahrverkehr<br />

durch Tiefental (Straße). Buck = Burkhart, vermutlich<br />

Burchart von Ringenstein 1294.<br />

30. Im Bugweg = Buochweg, geht 1530 „bis unter das<br />

Buch hinuf", (Buchhalde) 1524 Buochstig. Der Steig war ein<br />

Fußweg, im Gegensatz zur Staig = Fahrweg!


68 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

31. Burladinger Weg, 1729 Neue Burladinger Straß,<br />

jeztzt schön geteerte Kreisstraße.<br />

32. Der Burren mit Burrenhaile = kleiner Hau<br />

oder Wald auf dem Burren. Was ein Burren ist, braucht<br />

man einem Schwaben nicht erklären. Hier 1545 „die Reutinen"<br />

= ausgerodete Stelle, die jetzt wieder teils aufgeforstet<br />

wird.<br />

33. Der Dannemer Weg, Straße zwischen Weiler und<br />

Kernenwies an der Hagwiese entlang. 1530 Dornerweg, nach<br />

den Dornhecken.<br />

34. Der D i e b s t e i g, führte als Fußweg, jetzt Fahrweg<br />

von Breineschmack schräg auf die Höhe. Vermutlich Diet =<br />

Volk, wenn auch schon 1545 Tübsteig. Oben wächst Immergrün,<br />

muß also ein Gärtie bestanden haben!<br />

35. 'Dietrichsgrund 1524 = Feilen an der Heerstraße.<br />

„Dietrichsgut" von 1524 mit Haus Nr. 127 in der<br />

Enggasse verbunden; Ebinger Lehen.<br />

36. «Dodtmuot, Taudtmuot 1524, = Äsental. 1530<br />

eine Auchtert = Weideplatz: D'Aucht-Muot = Mulde!<br />

37. * D r e i Brunnen in Saia am Siechenbrünnle, wo<br />

mehrere Quellen sind. Eine hieß 1545 Sehenbrinlin.<br />

38. Beim Eichle oder Eich, auf Heufeld zw. Pfarrhaken,<br />

Riemen, Klaffensteig und Gastwiesen.<br />

39. 'Der Ehenberg, öhenberg, 1545 Ähenberg, siehe<br />

Nehberg!<br />

40. *Eichhalden 1800, heute Einlanden, Wald ohne<br />

Eichen!<br />

41. In E i n e c k, 833,4 m, Bergnase des Seeheimerberges<br />

gegen Jungingen mit abgegangener Burg, die 1545 Frundspürglin<br />

hieß, vermutlich nach Anna von Neuneck bekannt,<br />

erster Frau des Heinrich von Affenschmalz 1390, oder von<br />

Veronika von Neuneck 1507. (Albvereinsblätter 1950 S. 3.<br />

Hohz. JHeft 1954 S .125.<br />

42. In Einlanden; 1545 Leinlanden, Wald zw. Weilerwiesen<br />

und Buckental. Ob von Lein = Flachs, oder von<br />

Lein-Ahornbaum? Die Endung -landen und alte Ackerbeete<br />

scheinen mehr auf Flachs zu deuten.<br />

43. I n E i s e n 1 o c h, 1530 Ysenloch, Gemeindewald mit<br />

alten und neueren (1850) Bohnerzgruben. Zwischen dem vorderen<br />

und dem hinteren Eisenloch fand sich 1530 ein Gemeindetrieb.<br />

44. Eisenlocher Wasen, nördlich dem genannten<br />

Wald vorgelagert, darauf ein merkwürdiger langgezogener<br />

Damm (ehemaliger Weg?).<br />

45. Eng e, im Unteren Talwies an der Melchinger Grenze,<br />

wo das Tal sich verengt.<br />

46. In Enk 1544, Unter Engkh: Südwestecke der Markung<br />

in Tiefental, wo jedoch keine Enge zu finden ist. Vermutlich<br />

vom Starzeier Feld heruntergenommen. 1400 Unter<br />

Enche.<br />

47. Enggasse von der Kirche zum Kreben. 1545 Enggasse<br />

und Tenggasse! Ob D'Enggaß oder Ding = Thing =<br />

Gericht?<br />

48. *Eh ringsteig, der Mehrensteig, Irensteig, ein alter<br />

Fußweg 1545 in Gegend des Wasserrauns oder Unter Schopfenloch.<br />

Das M entstand aus „Am Ehringsteig", vielleicht<br />

„früherer Steig" = Fußweg.<br />

49. *Erdäpfelteile, 1780 hinter Nähberg in den<br />

Lehmgruben!<br />

50. * E 11 e n b e r g ca. 1400, heute Mettenberg, also „Am<br />

Ettenberg". Vielleicht von Etter = Zaun. Ein Dillzaun ist<br />

noch 1580 an der Burladinger Grenze erwähnt: Füllesgarten!<br />

51. Falken, an der Burladinger Grenze beim Hagweg,<br />

1530 Falck; unweit davon liegt die Burladinger Burgstelle<br />

Falken (Falken im Wappen!).<br />

52. Fegers Kreuz 1530 (804,2 m) = Inneres Kreuz am<br />

Hechinger Weg = Zweikreuzen. Sicher vom FN Feger.<br />

53. In Feilen, Fäulen, Veihlen, südl. des Gallenbühl.<br />

Schwerlich zu Faulwasser, da ganz trocken, eher zu Feil =<br />

Weidefeld.<br />

54. F e 1 s e n h a u, Gemeindewald zw. Burren, Herrenwald,<br />

Tannsamen mit höchstem Punkt der Gemarkung 912,7 m.<br />

55. 'Finstre Teile 1530, auch Hintere Teile; Talschlucht<br />

an der Killer Grenze zw. Hasenbühl und Saia. Hier<br />

unten bis 1847 gemeinsame Egert für Killer und Ringingen.<br />

56. Franzosenhau, seit 1946, wo die Franzosen den<br />

schönen Tannenwald im Boschen umhieben.<br />

57. *Frundspürglin 1545, Altes Schlößle 1548 = Eineck.<br />

Frund • Freund.<br />

58. 'Fuchsloch 1524, = Luchsloch 1751, bei „Uf der<br />

Luus" oder Ufm Ofen (Heufeld).<br />

59. Füllesgarten aufm Burladinger Mettenberg (Ettenberg),<br />

Dillzaun an der Grenze noch 1580; und 1762 heißt<br />

es: Mettenberger Tille am Vohlengarten (Zollerheimat 1937,<br />

6—7).<br />

60. Das Fürchtle, Talwieser periodischer Bach; 1545<br />

Furli.<br />

61. Uf den Fürsamen, Fürsinen 1545, Viesama, Fürsonen,<br />

Fürsaum = Wiesensaum vor Aeckern. An der Markungsgrenze<br />

gegen Heufeld, westl. der Viehweide.<br />

62. Hintern Gärten, Äcker am Ostrand des Dorfes<br />

südlich der Bitze.<br />

63. Beim Gärtie (Gäätle): ehem. Waldpflanzschule östl.<br />

des Tannsamens.<br />

64. In Galggruob, Kalchgruob am Talwieser Weg 1545,<br />

heute nur Steinhaufen.<br />

65. Am Gallenberg, am Westrand des alten Dorfes<br />

mit der 1834 abgebrochenen Galluskapelle.<br />

66. G a 11 e n g a rt e n auf dem Gallenberg, gehörte bis 1535<br />

der Kapianei, dann dem Pfarrer, seit 1874 privat. Die Felder<br />

westlich der Straße heißen richtig: Beim Gallengarten!<br />

67. G a 11 e n b ü h 1 (Ton auf ü) 1530, „Sankt Gallen Bühl"<br />

1562, an der Nordgrenze der Markung. Die Galluskaplanei<br />

besaß dort große Grundstücke.<br />

68. Galt stelle, aufm Burren: Wo man das Galt- oder<br />

Jungvieh bei der Weide ausruhen ließ.<br />

69. Gastwiesen zw. Hechinger Weg und dem Eichle.<br />

Die Junginger hatten hier Grundstücke und auch ein beschränktes<br />

Weiderecht: Gäste.<br />

70. Der Geißacker am Langenrain, streckt auf<br />

Schopfenloch. Name?<br />

71. *Gemeinmärk, gemeinsames Weideplätze 1530 mit<br />

der Nachbargemeinde am Stellflecken, auf Gallenbühl, unter<br />

der Finstern Teile. Ebenso hatte Ringingen die Burghalde<br />

gegen Melchingen mit Trieb und Tratt zu nutzen.<br />

72. Uf Gen steig, eigentlich „Oberhalb G."; nördlich<br />

von Lauen, sö vom Hörnle auf Heufeld: Gangsteig, alter<br />

Fußweg von Jungingen herauf. 1524 Günsteyg, 1578 Gänssteig.<br />

73. U f G o 1 d g r u o b, beim Haken (Heufeld), vermutlich<br />

Kalkgrub?<br />

74. *Goosbrunnen, Gänsebrunnen im Kreben, seit ca.<br />

1881 bis 1930.<br />

75. A m Graben, der große Entwässerungsgraben des<br />

Dorfes, dessen Anschwemmungen den alten Brühl in 2 Teile<br />

teilte. Grabenwiesen sind einfach Wiesen am Graben,<br />

nicht „vergrabene Wiesen", wie Birlinger wollte. 1524 Runs.<br />

76. Graußbrunnen am Kästlesbühl, 1695 Gauchsbrunnen.<br />

Im Jahre 1560 ist ein Ludwig Gauch nachzuweisen.<br />

Kaum von Gauch = Kuckkuk oder einer Krötenart. Groß ist<br />

die Quelle sowieso nicht, obwohl einer 1740 Großbrunnen<br />

schrieb.<br />

77. Im Grund, Niederung hinter dem Nehberg, zw. ihm<br />

und Kohlhalde.<br />

78. *Haberkernengasse 1790, heute Hilbgasse nach<br />

der 1911 zugeschütteten Hilb. Vermutlich auf die ehemalige<br />

Zehntscheuer (Nr. 81) anspielend.<br />

79. An Hägern: Heckenhage an der Dorfseite des<br />

Hälschloch.<br />

80.) Hälschlah, Hälschloch, Hellschloh, 1530 Hälischloch,<br />

1524 Höllischloch, Loch = lucus = lichter Wald. Erste<br />

Silbe unklar. Häl wäre schlüpfrig. Hälisch vielleicht von<br />

Schwäb. Hall? Doch sind keine Beziehungen nachweisbar.<br />

Wurde 1912 von der Schule „Kaiser Wilhelms-Hain" umgenannt,<br />

aber ohne Erfolg! Höllisch zu Höhle? 1524 Hellischlochs<br />

Bronnen.<br />

81. H a g e n w i e s e n: Gemeindewiesen zum Unterhalt der<br />

Zuchtstiere: Hägen.<br />

82. H a g s t a g 1524, stieß an Kirchholzer Staig hinauf.<br />

Muß auf ein Hag hindeuten. Auch „Hauchstaig", „Haugksteig",<br />

was hohe Staig heißen würde!<br />

83. Hag weg, Herrschafts- jetzt seit 935 Staatswald zw.<br />

Hautenwies und Stellflecken. Schon 1545 „Am klain helzlin,<br />

genannt das Hag, gat bis uf den Falken hinab", zwischen<br />

dem Hagweg und Burladingen.<br />

84. H a i r a w a 1 d, 1545 Herrenwald, Herrschafts- jetzt<br />

Staats wald.<br />

85. Hairagarten zwischen Bach und Hilbgasse, von<br />

Familie Dieter 1879 von der Herrschaft erworben.<br />

86. Haira-Rain (Heira Roi) zwischen Kappelfußweg<br />

und Neuem Weg, am ehem. Herrschaftsacker. Herr muß ursprünglich<br />

ein langes e gehabt haben, sonst wäre es in der<br />

Mundart nicht zu ai geworden: hehrer ist Steigerungsform<br />

von hehr.<br />

87. s' H a i r 1 e s W ä 1 d 1 e : Herrle = Pfarrer. Aus diesem<br />

Gemeindewald erhielt der Herr Pfarrer (S. Hairle) sein<br />

Bürgerholz. 1545 Kirchenholz und Pfarrers Holz.<br />

88. Ufm Haken = Pfarrhaken 1545. Pfarrwiese auf<br />

Heufeld zw. Gastwiesen und Klaffensteig. Haken = altes<br />

Wiesenmaß (Buck),


Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 69<br />

89. Ob der Halde, d. i. Seeheimerhalde, östl. von Hasenbühl.<br />

90. * H a r 1 a c h e, Horwlachen 1545, Krautländer beim<br />

ehem. Raißle. Hör = Sumpf.<br />

91. In Hasenbühl (Ton auf ü!) nw vom Killemer Kreuz<br />

an der Grenze 1660. Im Jahre 1583 wohnte in Ringingen<br />

eine Gallus Haas. Flur vom Dorf aus ganz eben, kein Bühl!<br />

92. Im H a s e n g a i 1 e, irrig Hasengagele statt -gayele,<br />

1545 Hasengern. Gaile = kleiner Gair, Geerle = dreieckiges<br />

Landstück. Ob die Endung: Lee : • Grabhügel? Hier ist zu<br />

Menschengedenken beim Pflügen ein Ochse eingebrochen.<br />

Et fand sich eine ausgetäferte (Grab?)Kammer.<br />

93. Uf der Haupt, hieß 1545 und noch lange „Uf der<br />

Haugk" = Hügel, und damit der ganze Esch Uf Haugk. Vom<br />

Dorf her ist die Haupt eine kleine Erhöhung, vermutlich<br />

sind ehem. Grabhügel längst eingeebnet, östl. und südl. der<br />

Kapelle.<br />

94. Uf Hautenwies, östl. über dem Kästlesbühl an<br />

der Burlad. Grenze. Kommt nicht von Hautmannswies, wie<br />

Zingeler meinte, sondern uralte Auten-, Auchtenwiese =<br />

Weidewiese, 1544 Uttenwies. Uochta = Morgenweide; jetzt<br />

Wald.<br />

95. Hechinger-Weg 1788, -Kreuz, -Staig, letztere<br />

auch Schiatterstaig. Uralter nächster Weg nach Hechingen.<br />

96. Heerstraße nach beiden Seiten von der Kapelle<br />

U. Lb. Frau, also zum Killemer Kreuz und von dort als<br />

„Straße" durchs Tiefental zum Burladinger Kastell, ander-<br />

seits gegen Salmendingen nordöstlich. Ebenso hieß die alte<br />

Straße Salmendingen-Hechinger Staig im 16. Jahrhundert.<br />

„Heerstraße" oder „Alt Hechinger Weg", niemals aber Schlatter<br />

Kirchweg" wie heute auf den Karten steht. (Römerstraßen<br />

siehe Mitt. Hohenz. 1893 S. 92.)<br />

97. Herrenwald usw. siehe Haira.<br />

98. *Herrenbraite, -Braike 1524, in Feilen, in<br />

Bräuneschmack und auf dem Weiler überm Dannemer Weg.<br />

99. Heufeld: 1524 Hewfeld, ebenso 1400; 300 ha<br />

Ringinger Felder auf Gemarkung Salmendingen, bis 18.<br />

Jahrh. nur Wiesen, die nach dem Heuet für die Weide<br />

aufgetan und daher kein Oehmd gaben. Weideberechtigt Salmendingen,<br />

Ringingen, Jungingen und Talheim (Mitt. Hohz.<br />

1903, 61 und 78). Die Deutung „Häufeid (Eisele) ist unmöglich,<br />

da dort nur einzelne Weidbäume und Büsche standen, aber<br />

kein Hau oder Wald!<br />

100. Heufelder Weg; -Heufelder Kreuz 890, 1 m, dabei<br />

3 Grabhügel aus der Hallstattzeit als Grenzhügel; 1530<br />

„Büheln": Heunengräber.<br />

101. Heufelder Teichle sö des Kreuzes, früher „Usserer<br />

Grund", od. Raigles-Braitin.<br />

102. 'Heunenäcker 1545, Hünenäcker 1660 beim Heufelder<br />

Kreuz (s. 100).<br />

103. Hexenbäumle, Junginger Bezeichnung für die<br />

Eiche auf Seeheimer Berg in der Mitte.<br />

104. Hilb an der Haberkernengasse (Hilbgasse), seit 1911<br />

zugeschüttet und mit Häusern Nr. 202, 203 überbaut.<br />

105. Himmelberg, 1524 Hemelberg, 1545 Heimelberg,<br />

Flurnamen von Ringingen. Verkleinerter Ausschnitt aus Bl. 7620 d. topogr. Karte 1 :25000 mit Genehmigung des<br />

Landesvermessungsamts Baden-Württemberg.<br />

Die Abkürzungen in der Karte bedeuten: Ad Adarasteich; Bi Bilgerstöckle; Br Graußbrunnen; Bu Buchenbach; Fi Finstre Teile; Gr<br />

Graben; Ha Harlache; Hi Hirschentelle; K Kohlgärtle; Kä KäppeleStaig; Ka Kalkofen; Kai Kalgruob; Ke Kessel; K Staig Kirchholzei-<br />

Staig; La Langenrain; Lein Leinladen; Ma Matheußen Wäldle; Mi äußere und innere Mitzenwinkel-Litzelwinkel; Rüb Rübteilhäldele;<br />

Si Siechenbrünnele; V Viehstellen; W Weilers Käppele-Bernhardskaplle (ehemalige); Zi Ziegelhütte. (Vergl. Blätter des<br />

Schwäbischen Albvereins 1930, S. 237 ff.). Die Straße nach Salmendingen über den Himmelberg, die 1929 gebaut wurde, ist nur angedeutet.


70 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

über den die neue Straße nach Salmendingen führt. Ob<br />

Heimel Erdmännlein, Geist, Zwerg? Oder Heim = Lagerplatz?<br />

Dort soll ein Dorf abgegangen sein, was eine Erklärung<br />

dafür sein könnte, daß das große Heufeld zu Salmendingen<br />

geschlagen wurde. Die Gegend um den Kornenbühl<br />

hieß lb25 Korningen.<br />

106. 'Hintere Teile = Finstere Teile unter Hasenbühl.<br />

107. »Hinterer Grund 1524 = Heufelder Teichle.<br />

108. 'Hirningswies 1545 mit Raißle (Hanfröße): hinter<br />

des Bachbauern Haus. Offenbar Personenname Hirning.<br />

109. Hirschacker unter Schopfenloch unweit der<br />

„Straße". Ob von Hurst = Gebüsch?<br />

110. Hirschentelle, 1530 Hirsentellin. Teile = kleines<br />

Tal unterhalb des Stichle im Saia. Hirsch.<br />

111. «Hochgesträß 1545 = Altegert mit Äsental.<br />

Meist Name für Römerstraße! Nach Hertlein hätte die Heerbzw.<br />

Römerstraße von Altgert nicht nach Salmendingen, sondern<br />

nach Melchingen übers Bergle geführt!?<br />

112. 'Auf den Höhen 1524 im Esch Hauck: ein Feilen,<br />

aber wo?<br />

113. Hörnle (Heannle) südl. der Hechinger Staig ins Killertal<br />

vorragende Bergnase mit „Hörnlesrutsch" und „Schlatter<br />

Wand". „Kutzes Himmelfahrt" soll dort eine Stelle heißen,<br />

an der ein Salmendinger Mann samt Vieh und Wagen<br />

abstürzte.<br />

114. *Hofäcker, die ins Starzler Johanniterhöfle gehörten,<br />

1612 vom Grafen von Zollern erworben. Hießen 1524<br />

„Priorsäcker": a) Auf hohen Aekern, b) beim Fegerskreuz,<br />

c) in Breineschmäck.<br />

115. Hohe Äcker hinter Hälschloch, auch „Hoher Rain".<br />

Eine „Hau-Egert" = Hohe Egert a) 1545 an der Straße,<br />

stoßt auf den Killerweg, b) an der Salmendinger Viehweide.<br />

116. Uf dem Hohen Teich zw. Fegers Kreuz und Seeheimer<br />

Staig.<br />

117. Hohlweg zwischen Nehberg und Hilbgasse, jetzt<br />

Straße auf die Staig nach Burladingen.<br />

118. Holgawies, die dem „Heiligen" St. Martin) gehörte,<br />

1844 an Private verkauft. Auf Heufeld.<br />

119. Hühneräcker, siehe Heunenäcker.<br />

120. Hühnerbühl (Hearbihl) nördl. der Altegert auf<br />

Salmd. Markung, wohl nach Rebhühnern benannt: 1525 Herbühl.<br />

Von Salmendingen führte darauf her nach Ringingen<br />

ein Fußweg.<br />

Heimatliteratur<br />

Gauselfingen. Aus Anlaß des Kreismusikfestes <strong>1960</strong> in<br />

Gauselfingen gab der festgebende Verein eine Festschrift<br />

heraus, die wertvolle volkskundliche Beiträge aus der Feder<br />

des Oberlehrers a. D. Xaver Schilling enthält. Liebhaber<br />

von Kinderversen werden nicht enttäuscht sein, wenn sie die<br />

Broschüre noch nachträglich kaufen.<br />

Neufra. Eine weitere Festschrift gab der Männergesangverein<br />

Neufra zu seiner Fahnenweihe heraus. Leander Wittner,<br />

der vielbelesene tägliche Wanderer zwischen Neufra<br />

und Gammertingen bietet in einer längeren wertvollen Abhandlung<br />

die geschichtliche und wirtschaftliche Entwicklung<br />

seiner Heimatgemeinde. Interessant ist die Notiz, daß der<br />

Gesangverein jetzt zwei Fahnen besitzt, nachdem vor kurzer<br />

Zeit eine ältere Vereinsfahne gefunden wurde.<br />

D. W. Mayer: Die Grafschaft Sigmaringen und ihre Grenzen<br />

im 16. Jahrhundert. Heft 4 der Arbeiten zur Landeskunde<br />

Hohenzollerns, Sigmaringen 1959, 242 Seiten mit 1<br />

Karte und 4 Kartenskizzen. Endlich ist der Aufsatz in Druck<br />

erschienen, der erstmals die bisher dunkle Geschichte der<br />

Grafschaft weithin aufzuhellen imstande ist. Wer freilich<br />

zur Annahme neigte, der Verlauf der Landes- und Forstgrenzen<br />

und Straßen sei ehemals ziemlich konstant geblieben,<br />

wird durch diese gründliche Doktorarbeit aufgrund<br />

eingehenden Quellen- und Literaturstudiums eines anderen<br />

belehrt. Nicht nur daß die gegnerischen Nachbarn jeweils<br />

andere Grenzpunkte vorschoben, auch die einmal festgelegten<br />

änderten sich im Laufe von 200 Jahren ständig.<br />

Wenn der Forst auf der Scheer um 1400 noch von Inzigkofen<br />

an der Laudiert ins Mühlrad von Gorheim, von dort über<br />

die Donau bei Laiz die alte Straße südwestlich über Vilsingen<br />

hinauf bis Rohrdorf und in die Ziegelhütte von Danningen<br />

zog, so gibt die Beschreibung des Sigmaringer Forsts<br />

in Württembergischer Zeit (1417) den Verlauf folgendermaßen<br />

an; Von Oberschwandorf nach Danningen-Grindelbuch—Kallenberg—Buchheim,<br />

die alte Straße hinaus und<br />

den Trauf (nicht Straße) hinab bis in den Bitelbrunn und<br />

121. 'Hungerrain 1530, jetzt „Wangerfranzen Rain"<br />

nach Franz Maier, Wagner, 1740 in Haus 96. Unfruchtbarer<br />

Rain hinter Nehberg.<br />

122. Hungerbrunnen am Sträßle nach Stetten unweit<br />

des St. Johannes. Läuft nur nach wolkenbruchartigem starkem<br />

Regen.<br />

123. 'Hutzlen-Äcker, vielleicht nach der Form benannt<br />

gewesen.<br />

124. Itzenwinkel, irrig Mitzen-, richtig 1545 L i t z e 1 -<br />

Winkel, d. h. kleiner Winkel. Es gibt einen äußeren und<br />

einen inneren, beiderseits des Mettwinkels. Oestlich des inneren<br />

ist seit 1910 Adlerwirts Keller abgegangen, der erst<br />

im 19. Jahrhundert erbaut war. 1524 Lützelwinkel.<br />

125. Judenbrünnele an der Steilhalde der Hechinger<br />

Staig.<br />

12b. Kälberwasen, östl. an der Burladinger Straße<br />

unter dem Ringelstein. Von einer Kälberweide spricht schon<br />

die Zimmerische Chronik in der Schwelhersage.<br />

127. Käppele-Staig, alte und neue, von den Weilerwiesen<br />

aufs Burrenhäule, benannt nach der 1834 abgeg.<br />

Bernhardskapelle am Bebenlocheck.<br />

128. Kästlesbühl, 1524 Kestlins Pühel, östl. Halde des<br />

Buckentais mit den Privatwäldern und der Ruine Ringeläiein.<br />

Kästle vielleicht FN? Oder castellum = Burg? Kästle<br />

soll auch nach Buck „Felsen" bedeuten!!<br />

129. Beim Kalkofen, kleines Teich zwischen Bäbenlcch<br />

und Hairies Wäldle. Von einem Kalkofen ist 1589 beim<br />

Bau des Pfarrhofes die Rede. Vgl. Galggruob.<br />

130. Uf Kamerun, spaßhafte Bezeichnung der Gegend<br />

oberhalb des Ringelsteins seit 1912, als unsere Kolonien noch<br />

eine Rolle spielten.<br />

131. Kappel, 1545 Unser Frowen Heuslin, Marienkapelle<br />

seit 1507 erwähnt. (Hohz. Heimat 1958, S. 10, 26.)<br />

132. Kappel-Esch = Esch auf Haugk zw. Salmendinger<br />

Weg und Killer Straße.<br />

133. Kappelwegle, Fußweg von der Rauße zur Kapelle,<br />

1530 erwähnt; neuestens, wie alle Fußwege, am Eingehen!<br />

Man fährt jetzt mit dem Schlepper!<br />

134. 'Kappellache, Wasserlache am Weg kurz vor der<br />

Kapelle. Durch Höherlegen der Straße (nach Salmendingen<br />

1932) verschwunden.<br />

135. Karies Kreuz, Feldkreuz oberhalb des Stichle an<br />

der Weggabel Stichle, Hechingerweg, Heufeld. „1524 Pildeinheuslin".<br />

(Schluß folgt.)<br />

von da nach Dietfurt in die Mühle. Und 1460, als das bisherige<br />

Sigmaringer Forstgebiet mit den Rechten einer Grafschaft<br />

ausgestattet wurde — das wichtigste Ereignis der<br />

ganzen Abhandlung! — ging die Grenze von der St. Jörgenkirche<br />

Buchheim die alte Straße hinab vor dem Trauf gen<br />

Kreenheinstetten in den Nußbaum, von dort nach Bittelbiunn<br />

im Krieseloch, dann nach Dietfurt—Donau—Schmeie—<br />

Weckenstein—Isikofen. Ueber den Ursprung dieses<br />

Sigmaringer Forsts ist mangels Urkunden<br />

so wenig auszumachen, wie über den Umfang<br />

der „Grafschaft Sigmaringen" des 13. Jahrhunderts!<br />

Da bei einem Forst, der sich vor allem auf die<br />

Waldgebiete stützt, die angegebenen Grenzpunkte sowieso<br />

nur einen ungefähren Verlauf zeigen, auch die Nachbarn der<br />

Sigmaringer Grafschaft sich durch die Bestimmungen von<br />

14oU eingeengt fühlten, ist es nicht verwunderlich, daß sich<br />

in der Folge endlose Streitigkeiten ergaben mit Pfullendorf,<br />

Salem (wegen Ostrach), Hornstein, Scheer, Königsegg, Heiligenberg,<br />

lMellenburg, Enzberg, Gutenstein, Meßkirch und<br />

Mengen, wenig dagegen mit Jungnau und Veringen. Diese<br />

Grenzhändel werden in epischer Breite fast ermüdend dargestellt.<br />

Der Unterschied zur Entwicklung der alten Grafschaft<br />

Zollern springt klar in die Augen. Ob man jedoch nicht<br />

besser nur vom Forst, nicht aber vom Gau auf der Scheer<br />

(S. 18) reden würde? Hier scheint in den letzten zwei Zeilen<br />

je ein „k" zu viel zu stehen, und auf der folgenden Seite<br />

ist „Buche" unverständlich (statt Baare?). Der Grenze der<br />

drei alten Dekanate dürfte vielleicht doch etwas mehr Bedeutung<br />

zugemessen werden, als es der Verfasser tut. Eine<br />

Burg der Grafen von Pfullendorf ist zu Hausen a. A. (S. 21<br />

und 68) durchaus nicht nachzuweisen (Hohenz. Heimat<br />

1956, S. 9). Auf Seite 22 dürfte die Jahrzahl 1290 heißen<br />

müssen. Der Konrad von Burladingen S. 37 und 226 wird mit<br />

dem 1402 überlieferten letzten Sproß des Geschlechtes, C u n<br />

v. B., gleichzusetzen sein. Das „K ä p p e 1 i n" zu Vilsingen<br />

(57) nicht verwechseln mit der alten Pfarrkirche daselbst,<br />

ist in Hohenz. Heimat <strong>1960</strong>, 24 erwähnt. Als Burg bei<br />

Schmeien (62) kommt schwerlich Weckenstein, sondern eher<br />

die von Willy Baur wiederentdeckte Burg unmittelbar nördlich<br />

von Unterschmeien infrage. Gehörten Bären und Wild-


Jahrgang <strong>1960</strong> HOHENZOLLERISCHEHEIMAT H<br />

sauen (63) wirklich zum kleinen Waidwerk? Die „L a n dstraße"<br />

vom Krieseloch oder Stubersbrunnen am Benzenberg<br />

entlang (197) nach Vilsingen muß einen wunderlichen<br />

Verlauf genommen haben! Kriseloch und Hart<br />

(d. h. Langenhart) sind 1576 und noch in der Kirchenvisitation<br />

1608 als Dörfchen erwähnt, wozu die Zimmerische<br />

Chronik 4, 210 zu vergleichen ist, die sie als Rodungssiedlungen<br />

bezeichnet. Zusammenfassend darf man sagen: der<br />

bis ins einzelne sorgfältig durchgearbeitete Aufsatz stellt<br />

eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnisse dar und<br />

wird den Heimatfreunden wie der großen Wissenschaft weiterhin<br />

wegweisend bleiben. Krs.<br />

Ortsehronik Hayingen, oder Geschichte der Stadt und<br />

Pfarrei Hayingen von Stadtpfarrer Joh. Schwendele in<br />

Riedlingen (99 Seiten mit vielen Bildern, brosch. 3.— DM,<br />

beim Bürgermeisteramt) schildert die Schicksale des Städtchens<br />

vom Urdorf an bis in die neueste Zeit. Die Annahme<br />

eines dreifachen Dorfes einschließlich der später sog. Volksburg<br />

Althayingen wird Bedenken erregen. Das Schwabenland<br />

läßt der Verfasser durch Mönche des Hl. Martin<br />

zum Christentum bekehrt werden. Als Stadtwappen wird das<br />

der Herren von Gundelfingen dargetan. Die Gründungszeit<br />

der Stadtkirche St. Veit ist nicht festzustellen. Einige Orgelbauer<br />

aus Hayingen haben auch in Hohenzollern gearbeitet:<br />

Urban Ritter z. B. in Klosterwald (S. 29), Aegid Schnitzer<br />

in Inzigkofen, Johann Martins Schüler Anton Hechinger in<br />

Kingingen. Daß der Stammsitz der Grafen von Helfenstein<br />

bei Koblenz gelegen habe, ist unbewiesen. Fürstenberg war<br />

seit 1627 Ortsherr, nicht seit 1546 (S. 38). Einige Druckfehler<br />

werden Lateinkenner leicht berichtigen. Das Jesuskind auf<br />

S. 53 dürfte neu ergänzt sein. Im Schwedenkrieg wird auch<br />

Trochtelfingen berührt.<br />

Burg und Herrschaft Mägdeberg von Eberhard Dobler<br />

(Verein für Geschichte des Hegaus 1959, 144 Seiten, geb.<br />

9.— DM). Freunden des Hegaus sei dieses Büchlein, die<br />

Frucht eines 15jährigen Studiums, angelegentlichst empfohlen.<br />

Interessant ist der Tanzplatz auf der Flur „Leberen" oder<br />

„Lebra", entstanden aus lewari = Grabhügel, in Mühlhausen<br />

sowohl als auch in Welschingen (44). Der Mägdeberg hat<br />

seinen Namen von einer Marienkapelle (magadi = Jungfrau<br />

Maria). Der Verfasser möchte zwar noch auf ältere mythologische<br />

drei Jungfrauen Einbet-Worbet-Wilbert zurückgreifen,<br />

mit denen er völlig unglaubwürdig auch die Namen<br />

Bodman und Bodensee und Baitenhausen zusammenstellen<br />

möchte. Der Mythologie räumt er überhaupt etwas zu viel<br />

Vertrauen ein. Espan sei ein Versammlungsplatz? Der Neberg<br />

(S. 86) ein Neuberg? Trotz dieser wenigen Bedenken wird das<br />

Büchlein in seiner vornehmen Aufmachung und grünem<br />

Einband viel Freude machen.<br />

Geschichte des Bodenseeraums von Otto Feger, bisher 2<br />

Bände (Verl. Thorbecke Konstanz), 270, 308 S., behandelt das<br />

weite Gebiet teils bis in unsere Gegend mit ungemeiner<br />

Sachkenntnis für weitere Kreise bis zum Jahr 1350, und<br />

zwar Kirchen-, Kultur-, politische und Verfassungsgeschichte<br />

in gleicher Weise. Eine große Zahl Bilder und Tafeln beleben<br />

den Text, der ungeheures Material verarbeitet und übersichtlich<br />

darstellt. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.<br />

Kurznachrichten<br />

„Die Schrecke" läuten. In der Hohenzollerischen Heimat,<br />

Nr. 2 <strong>1960</strong> — deutet „Kr." diesen Brauch so: „Offenbar sollen<br />

die Leute am Weihnachtsmorgen aus dem Schlafe aufgeschreckt<br />

werden, damit sie den Frühgottesdienst im Engelamt<br />

nicht verschlafen". —<br />

Diese Deutung scheint mir dem tieferen Sinn des „Schrekkeläutens"<br />

nicht gerecht zu werden. Die „Schrecke" wurde<br />

nämlich hierzulande nicht nur in der Frühe des Weihnachtsmorgens,<br />

sondern auch am Hl. Abend, nachmittags um 15.30<br />

Uhr geläutet, also zu einer Zeit, da es niemand vom Schlafe<br />

aufzuwecken galt. Während des Läutens trat dann ein<br />

reiches Brauchtum in Uebung. So bekam beispielsweise in<br />

Rangendingen alles Vieh im Hause zu fressen, Salz wurde<br />

auf das Fütter gestreut, die Hausfrau fegte mit einem neuen<br />

Besen von der Bühne bis in den Hausflur „unbraffelt" und<br />

unter alten Segenssprüchen das „Ungeziefer" zum Hause<br />

hinaus. Im Garten erhielt jeder Obstbaum einen Strohwisch<br />

umgebunden, und die jungen Burschen schössen und knallten<br />

an allen Ecken und Enden. — Nach altem Volksglauben<br />

hatten um Weihnachten herum dämonische Wesen und<br />

Geister freien Lauf. Diese suchte man mit allerlei Lärm,<br />

mit Knallen und Pfeifen zu „verschrecken, abzuschrecken",<br />

zu vertreiben. Das „Schreckeläuten", das mit allen'Glocken<br />

und ganz besonderer Intensität vollzogen wurde, hat sich<br />

wohl zu seiner Zeit diesem althergebrachten, zähen Brauchtum<br />

hinzugesellt, allerdings von Anfang an mit eigener<br />

Zweck- und 'Zielsetzung. Allmählich hat es dann den ursprünglichen<br />

Bräuchen eine höhere Sinngebung zuteil werden<br />

lassen und ist über sie hinausgewachsen. — Dieser Vorund<br />

Werdegang läßt sich auch noch bei anderem alten<br />

Brauchtum deutlich feststellen. J. Wa.<br />

Pfingstdreck hieß bis ins vorige Jahrhundert in Rangendingen<br />

und Wurmlingen bei Rottenburg der Pfingstbutz.<br />

Von ersterem Ort berichtet Anton Birlinger in seinem Büchlein<br />

„Aus Schwaben" II. 105: Ein Reiterzug von 24 bis 30<br />

ledigen Burschen zu Roß sprengte zweimal das Dorf aus und<br />

ein und dem Walde zu. Dort ward gestochen. Der letzte<br />

beim Stechen (d. h. Wettreiten!) mußte Pfingstdreck sein. Er<br />

wurde in Rinden gehüllt und ritt im Zug hereins ins Dorf.<br />

Dort mußte der Pfingstdreck bei jedem der drei Brunnen ins<br />

Wasser stehen und den Gäulen mit dem Schäpfle Wasser<br />

geben. Daneben schüttete er auch Wasser auf die herumstehende<br />

Menschenmenge." — Heute scheint davon in Rangendingen<br />

nichts mehr bekannt zu sein. Ein gleicher oder<br />

ähnlicher Brauch bestand in Frommenhausen, Hirrlingen und<br />

Obernau: Ein Reiter: Pfingstdreck genannt, wurde mit Rinden<br />

einer Tanne umgeben und ritt mit den andern ins Dorf,<br />

wo er in den Brunnen geworfen wurde. In Wurmlingen hieß<br />

der ganze Vorgang (nicht nur der eine Reiter!) Pfingstdreck.<br />

Aber in Waldstetten und Donzdorf bei Geislingen nannte<br />

man den Reiter: Pfingstdreckeler. In Göttelfingen<br />

dagegen wurde der Hirt, der zuletzt mit seiner Herde ausfuhr,<br />

Pfingstdreck genannt. (Noch mehr Beispiele bei H.<br />

Fischer, Schwäb. Wörterbuch I, 1043). Angesichts dieser<br />

Bräuche und Wortformen geht es wohl nicht an, bei dei'<br />

Worterklärung an Dreck und Kot oder an Recke<br />

Held zu denken. Da vielmehr immer der letzte Reiter<br />

Pfingstdreck wurde, könnte das schwäbische Wort drekk<br />

e 1 e n — „zögernd handeln, langsam oder träg sein" beigezogen<br />

werden, denn es handelte sich ja urn volkstümliche<br />

Spiele zur Pfingstzeit! Wir kämen damit nahe an unser hochdeutsches<br />

Wort träge, das heute im Schwäbischen fehlt,<br />

aber im Althochdeutschen t r a g i hieß in Bedeutung von<br />

langsamer Bewegung des Körpers und Geistes. Dagegen<br />

scheint ein Zusammenhang mit dem mhd. trecken = ziehen,<br />

lateinisch trahere nicht vorzuliegen. Krs.<br />

(Der Ausdruck „Pfingstdreck" ist in Rangendingen noch<br />

in Gebrauch.)<br />

Chorgesang in Trochtelfingen bis 1821. Der Dekan des<br />

Kapitels Veringen beantragte in Konstanz im Jahre 1821, die<br />

Erlaubnis zu erteilen, wegen des geringen Personals der<br />

Geistlichen in Trochtelfingen den bisherigen Chorgesang<br />

(Chorgebet) einstellen zu dürfen. Antwort: Kann unterbleiben.<br />

(Erzb. Archiv Freiburg Ha 291, 659).<br />

An das<br />

Postamt


72 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang lSfifl<br />

Bier-Brauereien zählt das Adreßbuch von Hohenzollern<br />

vom Jahre 1881 (hgg. von Archiv-Assessor K. Th. Zingeler<br />

bei Liehner-Sigmaringen) für ganz Hohenzollern sage und<br />

schreibe einhundertzweiundvierzig auf! Davon<br />

waren in Haigerloch 6; in Gammertingen, Straßberg, Trochtelfingen,<br />

Sigmaringen je fünf, in Inneringen, Veringenstadt,<br />

Empfingen, Bingen je vier. Die heutigen kann man<br />

bequem an den Fingern einer Hand abzählen! So ändern<br />

sich die Zeiten! An Mahlmühlen sind 81 aufgezählt, an<br />

Sägmühlen 27, an Oelmühlen 17, an Hanfreiben 4, an Ziegelhütten<br />

2, an Lohmühlen 2 (je eine in Krauchen wies und<br />

Klosterwald), dazu 1 Malzmühle (wenn es nicht Mahlmühle<br />

heißen soll), 1 Malzfabrik, 1 Hammerwerk in Bingen und 1<br />

in Laucherthal, 1 Pulverkohlenbrennerei in Bingen, 1 Glashütte<br />

in Glashütte bei Walbertsweiler, 8 Gipsmühlen. In jedem<br />

Ort ist auch ein Umgelter erwähnt, der die Getränksteuer<br />

zu verrechnen und einzuziehen hatte. Interessant<br />

ist der genaue Hofstaat des Fürsten von Hohenzollern<br />

und vieles andere. Krs.<br />

Gertrud von Zollern-Hohenberg, erste Gemahlin Rudolfs I.<br />

von Habsburg, ruht seit 1807 mit anderen Habsburgern im<br />

Kloster St. Paul im Lavanttal (Kärnten), wohin sie mit den<br />

urkundlichen und künstlerischen Schätzen von St. Blasien<br />

durch die ausgewiesenen Mönche überführt wurden. (Zeitschrift<br />

für Gesch. d. Oberrheins 43, 1889, S. 48; Genaues in<br />

Mitt. Hohenz. 34, 1900, S. 1—32.) Krs.<br />

Arbogast<br />

August Oswald von Lichtenstein<br />

Bantle-Frescomaler<br />

Bar le ban-Mundart<br />

Bauern und Bettelleut 2. 25<br />

Benzingen-Mission<br />

Benzingen-Wolfgangskäppele<br />

Bettenhausen-Hofstatt<br />

Bierbrauereien<br />

Birkhof<br />

Bitteschießer Täle-Eremit<br />

Bubenhofen-Hettingen<br />

Bubenhofen-Stammburg<br />

Bruno Gern-Heimatdichter 14<br />

Burladingen u. Killertal vor 60 Jahren 53<br />

Burladingen-Wochenwerk<br />

Dachs-Mägerkingen<br />

Eberhard v. Burladingen<br />

Fasnet<br />

Fidelisbild-Steißlingen<br />

Flößerei-Neckar<br />

Friedrich v. Aw/Ringingen<br />

Frohnstetten-Alamannenfunde<br />

Gammertingen-Schollenkäppele<br />

Gammertingen-Speth<br />

Gammertingen Verkauf 1447<br />

Geiselschaft<br />

Gertrud v. Zollern-Hohenberg<br />

Gorheim-Exnonnen<br />

Götz v. Burladingen 23. 24<br />

Gorheim-Fr auenkoster<br />

G rosselfingen-Badslube<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen Heimat"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „Hohenzollerische Heimat", Veriags-<br />

postamt Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 80 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs <strong>1960</strong><br />

72<br />

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39<br />

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37<br />

55<br />

Gruol/Rangendingen-Klöster 39<br />

Habstal-Klostergeschichte 50<br />

Haigerloch-seine Gotteshäuser 44<br />

Hayingen-Ortschronik 71<br />

Hennenstein/Trochtelfingen 21. 23<br />

Hermentingen-Pfarrkirche 55<br />

Hettingen-Badstube 38<br />

Hettingen-Frühmesse 39<br />

Hustneck bei Gammertingen 51<br />

Karl Schoy 24<br />

Kastner-Gammertingen 38<br />

Killertalbahn-Eröffnung 29<br />

Killertal-Florrücken 18<br />

Kloster Stein a. Rhein 38<br />

Kohlenm eiler 17<br />

Krauchenwies Prozession 72<br />

Landauer-Fahrzeug 58<br />

Laiz-Gnadenbild 10<br />

Laiz-Lehensleute 11<br />

Laiz-Mühle 33<br />

Laiz-St. Christopherus »C<br />

Laiz vor 150 Jahren 30<br />

Langenenslingen-Hof 55<br />

Mägdeberg-Herrschaft 71<br />

Magnusstab-Veringen 39<br />

Melchinger Adel 23<br />

Melchinger Glocke 56<br />

Nehrlich Karl-Volkslieder 23<br />

Neufra-Mißjahre 31<br />

Passion/Kunstwerke-Bezirk Haigerloch 27<br />

Pflngstdreck 71<br />

Pottaschen-Gewinnung 63<br />

„Arbogast" — „Der sieht aus wie der Arbogast!" Dieser<br />

eigenartige sprachliche Vergleich ist in Bärental bei Beuron<br />

im Volksmund im Gebrauch. Man meint dann damit jemand,<br />

der besonders schlecht aussieht oder fürchterlich aufgeputzt<br />

erscheint. — Arbogast war ein Franke, trat aber früh in<br />

römische Dienste und galt als ein hervorragender Feldherr.<br />

Im Jahre 379 half er Kaiser Theodosius bei der Gotengefahr<br />

und wurde da dann der eigentliche Regent von Gallien.<br />

Später geriet er mit dem Kaiser in Feindschaft. Nach<br />

einer Niederlage gab sich Arbogast 394 selbst den Tod. —<br />

Wie aber kommt nun sein Name in dieser Weise in die<br />

Umgangssprache obig bezeichneten Ortes? Wer könnte hierfür<br />

eine Deutung geben? J. Wa.<br />

Krauchenwieser Prozession nach Hedingen wurde von<br />

Wessenberg 1824, weil sie 4 Stund in Anspruch nahm, verboten.<br />

Dafür solle ein näher liegendes Ziel gewählt werden.<br />

Ebenfalls wurde untersagt, bei der Eschprozession statt des<br />

Wettersegens das Allerheiligste mitzuführen. (Erzb. Archiv<br />

Ha 294, S. 189).<br />

Heimatforscher seien mit Nachdruck auf die „Zeitschrift<br />

für Geschichte des Oberrheins" hingewiesen, besonders die<br />

ersten Bände seit 1850, die noch Mone herausgab. Sie enthalten<br />

eine Unmenge von Urkunden auch aus Hohenzollern<br />

und jeweils ein gutes Register! Viele kulturgeschichtlich<br />

wichtige Themen sind außerdem behandelt. Krs.<br />

Ret isamen-Freskomaler 31. 56<br />

Rin gelstein Christoph 38<br />

Rin gingen Flurnamen 67<br />

Rin gingen-Kirchturm 37<br />

Ros enkranz-Bilder 59<br />

Sch äferjahrtag-Trillfingen 57<br />

Sch alksburgen 19<br />

Sch altzburg 38<br />

Sch Weiher Fritz-Straßberg 38<br />

Sch oy Karl 35<br />

Sch reckeläuten 37. 71<br />

Sig] maringen Grafschaft 70<br />

Sigi maringendorf-Mehrerau 24<br />

St. Georger Stiftungsakten 20<br />

Ste: inhilben-Volksleben 6. 38<br />

Ste tten-Gnadental 37<br />

Str; aßberg/Hedingen 39<br />

Tai: lflngen-Weiler 24<br />

Tro chtelfingen-Chorgesang 71<br />

Tro chtelfingen-Passionsspielc 55<br />

Uf der Schär 55<br />

Uri ch v. Lichtenstein 38<br />

Urs ula v. Holnstein 22<br />

Ver •ingenstadt-alte Gräber 36<br />

Ver ingenstadt-Annakapelle 22<br />

Ver •ingerfeld 38<br />

Ver •ingenstadt-Nikolauskirche 39<br />

Vils iingen-Annakapelle 24<br />

Vor n Büblein, das nicht sitzen konnte 36<br />

Wa: Ldenspul-Pfarrer in Melchingen 55<br />

Zel:<br />

mt-Ablösung in Hohenzollern 33<br />

August Oswald von Lichtenstein haben wir mit der von<br />

ihm gestifteten Kapelle in Gundelsheim a. Neckar im Jahrg.<br />

1953, S. 46 erwähnt. Nun berichtet Graf Adelmann im Nachrichtenblatt<br />

der Denkmalpflege in Baden-Württemberg <strong>1960</strong><br />

S. 6—9 von einem holzgeschnitzten Wappen desselben an der<br />

Kassettendecke der Kreuzkapelle bei Duttenberg a. d. Jagst<br />

unweit Wimpfen und bringt auch ein Bild davon und weitere<br />

Daten. Die auf einem Schriftband befindlichen Initialen<br />

(Anfangsbuchstaben) A. O. V. L. L. C. D. B. W. S. Z. M. T.<br />

OR. D. R. K. M. O. Z. P. konnten entziffert werden als: „Augustin<br />

Oswald von Lichtenstein, Land-Comtur der Ballel<br />

Westfalen, Statthalter zu Mergentheim, Teutsch-Ordens-<br />

Ritters, der Rom. Kaiserlichen Majestät Obrist zu Pferd." Erstarb<br />

am 9. Juni 1663 zu Mergentheim, hatte u. a. auch die<br />

Kapelle mit Oelberg bei Offenau und 1657 obige Kreuzkapelle<br />

zu Gundelsheim erbauen lassen und 1659 seinem<br />

Bruder, dem Kapuzinerpater Friedrich von Lichtenstein, in<br />

die Stadtkirche von Weilderstadt einen Grabstein gesetzt.<br />

Er stammte aus der hohenzollerischen Familie von Lichtenstein<br />

zu Neckarhausen, nicht direkt vom Lichtenstein bei<br />

Hönau, wie Adelmann irrig meint. Von einem andern<br />

Deutschordenskomtur, Heinrich von Neuneck, berichteten wir<br />

1953 S. 47. Krs.<br />

Der Verlag „Schwäbische Zeitung" - Leutkirch stellte uns das<br />

Klischee für das Bild Seite 62, die Klischees zu den übrigen Bildern<br />

gehören dem Verlag „Schwarzwälder Bote". Beiden Verlagen herzlichen<br />

Dank!

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