Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Jahrgang1965 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 51<br />
(Anmerkung: Die obige Erzählung stand bereits im Heft<br />
1 des ersten Jahrganges der <strong>Heimat</strong>zeitung. Diese Nummer<br />
war rasch vergriffen und gelangte nicht in alle Schulen.<br />
Oberlehrer Widemann (heute in Sigmaringen, früher in Steinhilben.)<br />
schrieb dazu: Der Vater dieses Bübleins stammt von<br />
Steinhilben, und auch das Büblein war ein Steinhilber Bub:<br />
Verele Jäger. Auguste Salzmann, die Verfasserin des Stückes<br />
und Tochter dieses Xaver Jäger war eine Verwandte von<br />
Frau t Juliana Geiselhart geb. Pfeffer. Durch mich kam die<br />
Erzählung s. Zt. ins Lesewerk des Kath. Lehrervereins und<br />
war im sogenannten <strong>Heimat</strong>band abgedruckt. Von dieser<br />
Erzählung sagte der damalige preußische Kultusminister von<br />
Studt anläßlich eines Besuches in Sigmaringen, daß diese das<br />
schönste Lesestück des Lesewerkes sei.)<br />
Aus der Geschichte des Nikolausmarktes in Haigerloch geplaudert<br />
Die Märkte waren auch in unserer engeren <strong>Heimat</strong> bis in<br />
das 20. Jahrhundert herein wirkliche Feiertage für Stadt<br />
und Land. Ein bestimmter Höhepunkt bildete für unsere<br />
engere <strong>Heimat</strong> der Nikolausmarkt in Haigerloch, der sich<br />
bis in unsere Zeit herein erhalten hat. Wann eigentlich die<br />
ersten Märkte abgehalten wurden, können wir heute nicht<br />
mehr mit bestimmter Sicherheit sagen. Eines ist jedenfalls<br />
sicher, und das bezeugt auch Franz Xaver Kodier in seinem<br />
Buch über die Geschichte des Oberamts Haigerloch, daß die<br />
Stadt Haigerloch schon sehr früh das Marktrecht besaß.<br />
Schon im Jahre 1551 ist von einem Jahrmarkt die Rede,<br />
und das Stadtbuch aus diesem Jahr enthält Bestimmungen<br />
über die Durchführung des Marktes. Während wir zunächst<br />
nur von einem Jahrmarkt hören, sind es im 17. und 18. Jahrhundert<br />
bereits zwei, und zwar zu Bartholomä und Nikolaus,<br />
während später noch der sogenannte Fasnetmarkt hinzukam.<br />
Zusammen also drei Krämer-, Vieh- und Schweinemärkte,<br />
die in Handel und Wirtschaft der Stadt und Umgebung<br />
eine große Rolle spielten und das ambulante Gewerbe<br />
aus der näheren und weiteren Umgebung, wie die Bevölkerung<br />
von Stadt und Land zu einem bunten Leben und Treiben<br />
auf dem Marktplatz vereinigten. Haigerloch hatte einen<br />
der schönsten Marktplätze im weitesten Umkreis, und man<br />
hat nicht zu Unrecht sich mit der Verlegung des Marktes in<br />
den Stadtteil Haag nie recht abfinden können. Denn vor der<br />
fast mittelalterlich anmutenden Kulisse des Stadtbildes der<br />
Unterstadt mit ihren alten, schmucken Wirtshausschildern<br />
und Gaststätten hatte der Markt immer etwas Reizvolles<br />
an sich, das ihm eigentlich auf dem neuen Platz völlig fehlt.<br />
Bekannt ist das lange Ringen der Haigerlocher Stadtväter<br />
um eine geeignete Lösung der Marktplatzfrage, nachdem<br />
verkehrspolizeiliche Bedenken gegen die Abhaltung auf dem<br />
Marktplatz auftraten. Es gab damals sogar Stimmen, die<br />
einer Aufhebung der Märkte das Wort sprachen. Andererseits<br />
— und diese Auffassung war zweifellos richtig — wurde<br />
von maßgeblicher Seite darauf hingewiesen, daß das Marktrecht<br />
als altes Privileg der Stadt unbedingt erhalten werden<br />
müsse.<br />
Der Markttag war, wie uns erst dieser Tage ein alter<br />
Haigerlocher erzählte, schon im vergangenen Jahrhundert ein<br />
Festtag für Stadt und Land. Rudelweise kam die Landbevölkerung<br />
nach Haigerloch, und der Nikolausmarkt zog seine<br />
Kreise bis in den Kreis Tübingen. Schon Wochen vorher<br />
freuten sich Kinder, Bäuerin und Bauer samt Gesinde auf<br />
den „Markt". Es war Brauch, daß an diesem. Tage alles<br />
seinen „Märktkromet" erhielt. Dies war bei der Bäuerin und<br />
bei der Magd je eine Schürze, der Knecht eine Hose oder<br />
Mütze und für die Kinde • zumeist etwas Leckeres. Kam also<br />
der Tag heran, wurde schon sehr früh gegessen, und dann<br />
stürzte man sich ins „Sonntagshäs", um Haigerloch zuzumarschieren.<br />
Wer einen Landauer besaß, war noch glücklicher<br />
daran. Fröhlich wurden Freunde und Bekannte begrüßt<br />
und zuweilen immer wieder mal ein Knecht oder Bauer<br />
überholt, der eine Kuh, Kalbin oder ein Rindle zum Markt<br />
führte. Dort sah man sich zunächst um, ob der Hannes, der<br />
Christian, der Ludwig vom Nachbarort auch gekommen<br />
waren, ging mit ihnen gemeinsam auf den Schweinemarkt,<br />
wo gefeilscht und gehandelt wurde, daß es eine Art hatte.<br />
Man mußte sich ja wieder den neuen Specksamen in Form<br />
von zwei Milchschweinen erstehen. Freilich war der Handel<br />
nicht gleich perfekt. Der Käufer lief weg und kam wieder.<br />
Der Verkäufer verrenkte sich die Augen vor Bedauern, daß<br />
er nicht mehr weiter zurückkönne und dies bei seinem<br />
Seelenheil der äußerste Preis sei. Und dann ging er doch<br />
noch zurück, weil er eben ein guter Mensch sei und nach<br />
dem Grundsatz „leben und leben lassen" handle. Auf dem<br />
Viehmarkt war es nicht anders. Da wurden all die guten<br />
und schlechten Merkmale einer Kuh oder Kalbin — „wie<br />
lang trait se, was ka se?" — unter die Lupe genommen und<br />
mancher Trick entlarvt. Der Handschlag war das Dokument<br />
des Verkaufs, und er galt früher mehr als heute ein Schrift-<br />
von Josef Schneider<br />
stück. Natürlich folgte der Umtrunk im Gasthaus, wo sich<br />
der Verkäufer nicht lumpen, lassen durfte. Früher ging es<br />
hierbei gleich nebenan in das Gasthaus zur Traube, der<br />
heutigen Bolzfiliale bei der St. Annakirche — der Marktplatz<br />
war im heutigen Stadtgarten — um den, Kauf vollends<br />
ins reine zu bringen. Dort saß man dann zuweilen lange,<br />
und vor allem den Gruoler und Weildorfer Marktbesuchern<br />
scheint es dort immer besonders zugesagt zu haben, wenngleich<br />
sich spät abends die Mondstupfer und Storchen noch<br />
die Köpfe blutig schlugen,. Das, hat es früher immer wieder<br />
mal gegeben, und wenn es nur wegen einer Dorfschönen<br />
war. Indessen ging in der „Sonne" der Taubenmarkt vonstatten.<br />
Sackweise wurden die Tauben zu einem Stückpreis<br />
von 15—20 Pfg. gekauft, um die darauffolgenden Tage in<br />
die Bratpfannen zu wandern.<br />
Indessen gingen Bäuerin, Kinder und Mägde zum Krämermärkt.<br />
Was erstand man sich alles dort? Nun, die Bauern<br />
brauchten eine neue Goaßel (Peitsche), ein Paar Schuhe, ein<br />
Paar Hosen. Ein neues Sackmesser wurde gekauft, während<br />
die Bäuerin sich die in Brüche gegangene große Ton-Suppenschüssel<br />
neu zulegte. Manch, andere Küchen- und Haushaltsgegenstände<br />
oder Kleidung kaufte man sich wieder auf dem<br />
Markt, und als Kinder hing man halt der Mutter am Rockzipfel,<br />
verlangte Magenbrot, das schon immer als das Höchste<br />
der Gefühle für Kinder galt. War man, ganz gut dran, fielen<br />
auch noch ein Paar Schuhe, eine warme Mütze für den<br />
Winter oder ein kleines Spielzeug ab. Junge Liebespaare,<br />
der Heiner aus Weildorf und die Bärbel aus Trillflngen, die<br />
sich auf dem Markt ein Stelldichein gaben, erlebten natürlich<br />
den Markt auf ihre Weise. Zuweilen wurde nach Gegenständen<br />
für den künftigen Hausstand umgeschaut oder in<br />
Mock's Laden die erste Aussteuer erstanden. Ja, Mock's<br />
Laden, das heutige Textil- und Bekleidungshaus I. B. Mock<br />
stand zuweilen dichtgedrängt voll, wie überhaupt Haigerlochs<br />
Geschäftswelt die Märkte immer mit einem gewissen Wohlbehagen<br />
verfolgt hat. Das, kennzeichnet die Tatsache, daß<br />
gegen 16 Uhr die Geschäfte geschlossen wurden und die<br />
Geschäftsinhaber ebenfalls z,'Märkt gingen. Sie fanden sich<br />
in Häuflein und Gruppen zusammen, trafen sich im Dreikönig,<br />
im Schwanen, im Hecht oder Adler und machten<br />
durch bis hinauf in die Oberstadt. 3—4 Schlachtplatten hat<br />
mancher in kurzer Zeit „verdruckt", und der besseren Ehehälfte<br />
schob man eine Bratwurst in die Tasche, damit sie<br />
auch etwas habe. Ja, dieser Marktschoppen hatte immer<br />
etwas an sich. Man traf dort all die lieben Bekannten von<br />
Stadt und Land. Die Dottebäs, der Vetter, der Tochtermann<br />
aus dem Nachbardorf, sie alle gaben sich jetzt ein Stelldichein.<br />
Alles wurde durchgehechelt, was in der Verwandtschaft<br />
und Bekanntschaft sich zugetragen, hat, und zuweilen wurden<br />
auch Heiratspläne geschmiedet und Partien ausgemacht.<br />
Denn früher, versteht sich ja, heiratete man nach dem Reichtum.<br />
Liebe stand an zweiter Stelle. „Hauptsach ischt, daß des<br />
Sach zemmakommt", sagten, die Bauern, und die dicke Uhr-<br />
Haarkette am Leible wippte dabei, als ob sie einen Schwur<br />
tun müßte. Zur gleichen Zeit trafen sich im „Hirsch" die<br />
Knechte und Mägde der ganzen Umgebung in heiterer Stimmung<br />
bei Tanz, sauren Kutteln und Bratwurst. Mit einer<br />
Mundharmonika wurde zum Tanz aufgespielt: Heut isch<br />
Bündeletag, heut ist mei Zeit, heut leck mich der Herr am<br />
A . .., morga sei Weib, so sangen und schrien sie immerfort,<br />
waren, heiter und fidel. Schon bei dieser Gelegenheit wurden<br />
Knechte und Mägde für das kommende Jahr gedungen, Zu<br />
später Abendstunde torkelte mancher heimwärts und freute<br />
sich schon auf den nächsten „Märkt". Am Nikolausmarkt hat<br />
sich bis heute noch nicht viel geändert, wenn auch das<br />
Brauchtum, das sich um ihn rankte, erloschen ist. Gerne aber<br />
ersteht man noch den Marktkrom, trifft sich mit Bekannten,<br />
und über allem liegt auch heute noch ein Abglanz der Romantik<br />
jener Tage, die hereinstrahlt bis in unsere Zeit.<br />
Unsere Kinder freuen sich auch heute noch, wenn der Vater<br />
oder die Mutter sie mitnehmen „uff de Märkt".