Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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:(6 H O H E N Z O L L E B SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Früher, als durch unser hohenzollerisches Ländchen von<br />
Haigerloch bis Sigmaringen, hoch oben auf dem Bock der<br />
Postillion saß und von Zeit zu Zeit seinem Posthorn gar liebliche<br />
Weisen entlockte, als die Eisenbahn nur ganz kleine<br />
Teile unseres Ländchens durchschnitt, damals, als noch kein<br />
Auto und kein Motorrad in sausender Hast die Straßen<br />
durchflog, damals waren noch ganz patriarchalische Verhältnisse<br />
und auch gegenseitiges Vertrauen und Nächstenliebe<br />
zu beobachten.<br />
Zur damaligen Zeit lebte man auf dem Lande von eigenen<br />
Erzeugnissen, Haberbrei, Knöpfle mit Sauerkraut und Speck,<br />
Suppe, Milch und Kartoffeln; Kaffee gab es nur an Festtagen.<br />
Man blieb gesund und kräftig dabei. Greifen wir noch<br />
etwas weiter zurück, in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts,<br />
so finden wir unsere Vorfahren vom Frühjahr bis in<br />
den Herbst auf der Viehweide mit Haustieren, jede Gattung<br />
unter Aufsicht erprobter Hirten, die wiederum ihre<br />
Hirtenbuben unter sich hatten. Gar manch originelle Dinge<br />
haben sich auf solchen Weideplätzen zugetragen. Wir wollen<br />
nur einige aufführen. Der Geißenhirt hatte die leckerischen<br />
und oft auch die schadhaftigsten Tiere zu bewachen. Eines<br />
Tages ging der damalige Dekan, Pfarrer Eisele, spazieren,<br />
Die Pfarrkirche Gruol ist eine Zeuge der Neugotik, deren Baumeister<br />
geistige Anleihen bei ihren Vorfahren vor der hochgotischen Zeit machten.<br />
Aber auch sie brachten nochmals denkmalswürdige Zeugnisse hervor. Die<br />
stilvolle Renovation, welche Ende 1964 zum Abschluß kam und von der<br />
Kirchenmalerei Lorch, Sigmaringen, durchgeführt wurde, ließ dieses Gotteshaus,<br />
einem der größten von Hohenzollern, in sakraler Schönheit erstehen<br />
und gehört heute zu den sehenswürdigen Kirchen unserer <strong>Heimat</strong>. Ebenso<br />
stilvoll wurde auch die Pfarrkirche Rangendingen renoviert.<br />
Klischees: „Schwarzwälder Bote", Oberndorf<br />
Aus alter Zeit<br />
und traf den Geißhirten ohne seine Herde an. Sehr verwunderlich<br />
fragte der Pfarrer den Hermate Hipp, wo denn<br />
seine ihm anvertrauten Geißen wären, und der Geißhirt<br />
zeigte ganz vergnügt in die Halde hinunter, wo junger Wald<br />
war und die Tiere sich über die jungen Bäumchen hermachten.<br />
Der Pfarrer sagte, er müsse unbedingt die Geißen<br />
aus dem Wald bringen. Der Hirte erwiderte, dies sei keine<br />
Kunst, aber solange der Pfarrer da sei, könne er die Geißen<br />
nicht aus dem Wald bringen. Etwas neugierig, ließ der Pfarrer<br />
dann den Geißenhirten nicht los und bestand darauf, daß<br />
die Dinger unbedingt aus dem Wald müßten. Nach langem<br />
hin und her ließ der „Mate" sich endlich bewegen, nachdem<br />
ihm noch der Pfarrer versichert hatte, daß es ihm nicht zur<br />
Sünde angerechnet werde und der Pfarrer ihm nicht böse<br />
sei, tat er einige kräftige Peitschenhiebe in den Wald und<br />
als Zutat ebenso kräftige Flüche, und der Wald hatte sich<br />
blitzschnell von den Geißen geleert.<br />
Ringingen und Salm endingen hatten auf demHeufeld gemeinsames<br />
Weidefeld; in der Hauptsache wurden die Plätze mit<br />
Rindvieh und den Gemeindefarren abgeweidet. Kamen dann<br />
die Farren aufeinander oder wurden sie von den Hirten<br />
aufeinander gehetzt, so stießen sie so erbärmlich, bis ihnen<br />
Blut aus Maul und Nase floß und die Hirten viel Mühe hatten,<br />
bis die verboßten Bullen von einander getrennt waren.<br />
Gar manches könnte noch über das Hirtenleben aufgeführt<br />
werden. Wenn der heutige Fortschritt solche Dinge längst,<br />
überholt hat, und die Technik uns in andere Bahnen gelenkt<br />
hat, so steht aber doch eines fest: es war keine so<br />
nervenzerrüttemde, hastende Zeit, man lebte friedlicher und<br />
gemütlicher.<br />
Wie gerne denkt man noch an die Zeit zurück, wo man<br />
jeden Abend nach Feierabend — man hatte solchen die<br />
Nachbarn, oft 15 bis 20 Mann, beieinander saßen und ihre<br />
Tageserlebnisse besprachen, mit Rat und Tat aushalfen, auch<br />
etwas Politik trieben oder dieser oder jener von Krieg oder<br />
sonstigen Abenteuern erzählte. Und so war es jahraus, jahrein.<br />
Mancher hätte nicht schlafen können, wenn er seinem Nachbarn<br />
nicht „Gute Nacht" hätte sagen können.<br />
Im Winter wurden die Lager in die Stuben verlegt und<br />
auch die Kameradschaft weiter gepflanzt. Gar viel erzählten<br />
die Männer noch von der Erzgräberei im Eisenloch, wie sie<br />
und ihre Väter oft verschüttet worden seien und doch niemals,<br />
wie durch Wunder, einer das Leben lassen mußte.<br />
Jeden Tag, ehe sie in die finsteren tiefen Gruben hinabstiegen,<br />
beteten sie laut und gemeinsam einige Vaterunser.<br />
Sie wußten, daß an Gottes Segen viel, ja alles gelegen war.<br />
Aber bei allem Ernst, der diesen Männern eigen war, waren<br />
sie doch keine Kopfhänger. Wenn es galt, lustig zu sein, stellten<br />
auch sie ihren Mann. Ich kann mich noch ganz gut erin -<br />
nern, wie so eine Männerlichtstube sich auf Fastnacht als<br />
türkische Musik einübte. Und die Verteilung der Rollen der<br />
einzelnen Mitwirkenden war ausgezeichnet. Der alte „Postkaspar"<br />
mit seinem langen wallenden Vollbart war Kapellmeister<br />
und konnte mit wahrer Bravour seinen Knüppelstock<br />
schwingen. Der Schellenbaumträger, der alte Benjamin,<br />
hatte einen hinkenden Schritt und blieb so immer beim<br />
Marschieren im Tritt, und der Schellenbaum mit seinen<br />
vielen Glocken, gekrönt mit dem Halbmond, gab immer den<br />
richtigen Takt. Die damals gut eingeübte Dorfmusik, alle in<br />
türkischen Uniformen mit Turban, bliesen dazu so kräftig<br />
wie die Israeliten vor Jericho. Der einzige der Ueberlebenden<br />
der türkischen Musik, der Baßmichel, erzählt immer<br />
noch recht gern von dieser Musik.<br />
Ja, es waren noch Männer von altem Schrot und Korn,<br />
man hielt viel auf Manneswort, Feindschaften und Prozesse<br />
waren selten. Aber auch die Ortsvorsteher und Gemeinderäte<br />
wurden von den Männerlichtstuben auf den Thron gehoben.<br />
Aber auch die Frauen hatten ein Bedürfnis zur Aussprache.<br />
So oft es ihnen die Zeit erlaubte, und wenn es nur eine<br />
halbe Stunde war, gingen sie in die Lichtstuben. Da wollte<br />
das Erzählen oft kein Ende nehmen. Am liebsten hechelten<br />
die Frauen ihre bösen Ehemänner in schonungsloser, erbärmlicher<br />
Weise durch.<br />
Wie schön war es, nachdem abends die Schulaufgaben gemacht<br />
waren, man mit der Großmutter noch in die Lichtstube<br />
durfte. Da kamen alte Weiber zusammen und erzählten von<br />
alten Zeiten und Gebräuchen, von Hexen und Geistern, die<br />
umgingen und diesem oder jenem im Haus oder im Wald<br />
ihr Unwesen trieben. Namentlich der Schloßgeist der Schwel