Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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:(30<br />
HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Grosselfinger Flurnamen<br />
von Josef S t r o b e 1<br />
29. Homburg, auch Hein- oder Heimburg genannt, ist<br />
die Burg im Hain, wobei das n zu m dissimilierte; aber auch<br />
das ai oder ei wurde durch denselben Vorgang zu o (im<br />
Dialekt zu oa).<br />
30. H u d e 1 g ä u ist der euphemistische Name für eine<br />
kleine Gasse, die vom Schrieth zum Wolschbrunnen führt.<br />
Das Wort Hude] kommt von hudeln = schnell und oberflächlich<br />
arbeiten. Das Substantiv davon heißt H u d 1 e r,<br />
und eine Fruchtsense, mit der man schnell arbeiten kann,<br />
heißt H u d e 1. Hudler sind im allgemeinen keine zuverlässigen<br />
Menschen; sie kommen dadurch in sozialer Hinsicht<br />
rückwärts und landen schließlich in kleinen Bodenhäuschen<br />
oder Bauden, die an Gassen stehen, die man mit diesem<br />
Namen kennzeichnet.<br />
31. Kaniterwald. Das ist der 20 Jaucherten große<br />
Wald in den Münch - oder Mönchwi :sen, der einst<br />
den Karmelitern in Rottenburg gehörte. 1760 steuerten<br />
sie der Gemeinde Grosselfingen als Fronanteil quartaliter 59<br />
Batzen, iVa hl, also umgerechnet 3 fl 57 Batzen, an Steuern<br />
36 Batzen, in Hundsgeld 20 Batzen und an Contierungs- das<br />
heißt Quartiergeld 30 Batzen.<br />
32. Das Kearle war einst ein Graben auf der Hochwacht,<br />
in den man im Herbst Kartoffeln, Rüben usw. für<br />
die Wildschweine eingraben mußte. Der große Wald nördlich<br />
von Grosselfingen wurde von dem Fürsten Joseph Wilhelm<br />
(1717/1798) in einen Wildpark verwandelt und von<br />
einem Zaun umgeben, der 9500 fl kostete. Das Futter,<br />
namentlich für die Wildschweine, mußten die Bauern stellen.<br />
Durch diesen Park sollte der seit mehreren Jahrhunderten<br />
dauernde Streit um die „freie Pürscn" gelöst werden,<br />
was aber keineswegs der Fall war und Anlaß zu neuen<br />
Streitigkeiten gab.<br />
33. K o h 1 g r u b e. So nennt man eine trogartige Stelle<br />
im Hannaberg. Bei Wilflingen (siehe Walter: Hohenz.<br />
<strong>Heimat</strong> 1956 S. 18) gibt es auch eine Kohlgrube, in der vor<br />
100Jahren der Versuch gemacht wurde, die Gagatkohle<br />
zu fördern. Dazu Kohlwald und Kohlplatte, wo einst<br />
Kohlenmeiler standen. Das Wort Gagat ist griech. Herkunft<br />
und heißt dort „gagates" = steinhartes Erdpech, zuerst gefunden<br />
bei der Stadt Gagai in Lykien. Im franz. heißt sie<br />
„jais" = Pechkohle, auch schwarzer Bernstein<br />
34. Kreut ist Kurzname für gerodeten Wald im Tal;<br />
dazu Kreutrain.<br />
35. und 36. Langenacker, Krumm enacker und<br />
Langgasse erklären sich selbst.<br />
37. M a d a c h (abgegangen). Der Name kommt von marach<br />
nasse Wiesen. Vermutlich lag die Madach im Tal, westwärts<br />
vom Weihroale.<br />
38. Der M o o 1 a c k e r ist ein kleineres Ackerfeld im<br />
Homburger Esch. Der Name bezieht sich auf ahd. mool =<br />
weich und locker (s. Nr. 100).<br />
39. O h n e t, auch Wunet, ist Kurzname für Hohnhart<br />
oder Hohenhart, wie das Gelände noch 1544 genannt<br />
wurde. Die Ohnet liegt dorfwärts vor dem „Härle", mit dem<br />
es einst einen Wald bildete.<br />
40. Pfaffengarten. So nennt man das kleine Tal am<br />
Gießenbol, das bis zum Geißapfel (= Steilabfall) reicht.<br />
Das Wort Pfaffe kommt nicht vom lat. papa = Vater, sondern<br />
ist aus dem Griechischen über das Gotische in unsere<br />
Sprache eingedrungen, mit dem man einen niederen Kleriker<br />
bezeichnet. Dazu gehört auch das Wort Pope, was der<br />
Titel eines orthoxen Geistlichen ist. Das Tälchen gehört heute<br />
zum Pfarrgut, hieß aber vorher „Schalksgrund".<br />
Wahrscheinlich gehörte das Tälchen zu der Beginensied-<br />
1 u n g, die m. E. dort auf dem Hügel stand und von der<br />
heute im Rechteck gelagerte Steine Zeugnis geben. Das Andenken<br />
an sie ist auch heute noch nicht erloschen. Aeltere<br />
Leute reden von „grauen Schwestern" in Bezug auf<br />
deren Kleidung (siehe Ziffer 50).<br />
41. Hannaberg ist m. E. Kurzname für Hainbuchberg<br />
Daß aber das Waldstück „Hannaberg" heute mit Tannen<br />
bepflanzt ist, so könnte auch die Tanne den Namen gegeben<br />
haben. Im Besitzbuch von 1760 bildete das Gelände „Hannaberg"<br />
eine „besondere Bemarkung".<br />
42. Rieten, Dies ist das weite, größtenteils Wiesengelände<br />
nördlich vor dem westlichen Teil des Bisingerberges.<br />
Es ist in eine Reihe von Unterfluren eingeteilt. Man sagt:<br />
in, vor, hinter, auf, ob und unter Rieten, im Rietengarten,<br />
Hinterrieten, in Rieten über dem Bühl, im oder beim Rietenwäldle,<br />
hinter Rieten am Wasen, hinter Rieten der Spitza<br />
ker, hinter Rieten der Burzen-, Bunzen- und Binzenwasen,<br />
hinter Rieten bei der Lucken ( = Oeffnung in einem Hag),<br />
hinter Rieten beim Eichle, hinter Rieten am Haag und hinter<br />
Rieten der Steinbühl, in dem der Herrenbach entspringt.<br />
Das Wort Burzen ist mhd. borzen; von bor = empor, mdh.<br />
inbore = in der Höhe. (Die in bore = oder Empor = oder<br />
Vorbühne in der Kirche oder eine Galerie). Der Burzenwasen<br />
ist demnach ein erhöhter Rasen. In Rieten bei der Lucken<br />
stand um 1500 ein Aussenhof.<br />
43. Rausagata = Rausengarten hat nichts mit den Rosen,<br />
Rossen oder ötzen zu tun, sondern ist, wie las Hagensche<br />
Lagerbuch von 1544 eindeutig ausweist, des Parrs Roßgarten",<br />
das heißt des Pfarrers „Roßwagergarten". Dtr<br />
Roßwagerwein war, wie aus den herzoglich-württemb^rgischen<br />
Kellerrechnungen hervorgeht, ein Festwein (Fischer,<br />
Schwäb. Mundart von 414); die Roßwager Rebe Wird noch<br />
heute im Weingut des Johann Lämmle in Stuttgart-<br />
Feuerbach angebaut. Lämmle nennt die Rebe zw=r „Riesling".<br />
Ich bin aber der Ansicht, daß er als Tiroler Burgunder<br />
zum blauen Trollinger oder Tiroler zu rechnen ist.<br />
44. Der Rohr- mundartlich Rauracker ist ein an<br />
einem ehemaligen Moor gelegenes Ackerfeld, in dem immer<br />
noch das Schilfrohr (Phragmites communis) wächst. Diese<br />
Pflanze hat eine stark amphibische Natur mit einem tiefgründigen<br />
Wurzelstock und gedeiht daher dort, wo das Moor<br />
schon längst verlandet ist.<br />
45. Westlich vom „dicken Boom", dem „Umlauf" zu, stand<br />
ehemals ein rot angestrichenes Feldkreuz, Davon sagt man<br />
noch heute „beim roten Kreuz". M. E, war es ein Kreuz<br />
zur Abwendung der Pest, wie sie früher immer an den<br />
Grenzmarken, hier dem „U m 1 a u f", das heißt der Grenzbesiichtigungslinie,<br />
errichtet wurden.<br />
46. Das Seagäßle. Die Flur, die man mit diesem<br />
Namen bezeichnet, ist i-elativ klein und liegt am Eingang<br />
zum „Tal". Eine besondere Bedeutung geht vom örtlichen<br />
Dialekt aus und Sdgt, daß der Name daher komme, weil<br />
dort einst eine Säge gestanden sei. Das Wort Säge werde<br />
aber Seag gesprochen; dazu seaga = sägen und Seagis =<br />
Sense. Diese dialektische Bemerkung ist richtig; aber es ist<br />
höchst unwahrscheinlich, daß auf dem in Frage kommenden<br />
und relativ kleinen Gelände jemals eine Säge alter Art, das<br />
heißt eine Sägevorrichtung mit sogenannten Böcken gestanden<br />
ist, weil dafür für die Säge und die zu sägenden Baumstämme<br />
gar kein Platz vorhanden war. Eine Säge mit Gatter<br />
und Wasserbetrieb war an sich scr in ausgeschlossen.<br />
In Frage kommt m. E. allein die Etymologie. Das Urwort<br />
von Säge ist ahd. sega, was schneiden heißt. Davon sind<br />
gebildet das Seach oder Pflugmesser vom lat. secum bzw.<br />
secare = schneiden. Vom secare kommt auch das franz.<br />
Scie = Säge, aber auch Gebirgsnamen, deren Grat sägeartig<br />
gezackt ist: Sierra Nevada, Sierra Sagra Sierra Alkaraz und<br />
Sierra Morena in Spanien und eine Sierra in Mexiko. Eine<br />
solche Sierra oder Säge bildet auch den Eingang zu dem<br />
Grosselfinger „S e a g g ä Ö 1 e". Da wir aber die paar Zacken,<br />
die man dort mit viel Phantasie sehen kann, nicht ausreichend<br />
für eine Flumamengebung halten, sind wir der<br />
Ansicht, daß das Grosselfinger Bestimmungswort „seag" in<br />
dem Flurnamen „Seaggäßle" zu dem keltischen bzw. gotischen<br />
sinquam, ahd. sincan — sinken, auch sickern, suttern<br />
und seihen zu stellen ist und dieses Gäßle, wie das größere<br />
„S i g e n t a 1" bei Weilheim eine Talsenke oder gar ein<br />
Taleinbruch ist. Als solchen kann man sich auch nur das<br />
„Z i e g e 1 w ä 1 d 1 e" im Tal vorstellen. Auch dieses ist ein<br />
Siken- oder eingebrochenes Tälchen, wobei der Anlaut s zu<br />
z assimilierte wie bei „Z i e 1 s c h e i t" was ja „S i 1 s c h e i t"<br />
heißt oder wie bei „Zusann", was man „Susan na"<br />
schreibt. Im weiten Umkreis vom „Ziegelwäldle" gibt es im<br />
Stubensandstein keinen Lehm zur Ziegelherstellung.<br />
Merkwürdige Sitte aus Oberharmersbach (Dek. Kinzigtal),<br />
vom dortigen Pfarrer bezeugt: Bei Totenämtern (Requiems)<br />
tragen die männlichen Anverwandten des Verstorbenen beim<br />
Opfergang in der Kiiche den Hutaufdem Kopfe!<br />
Grund und Alter des Brauches sind unbekannt. Wo existiert<br />
er sonst noch? Krs.<br />
Knochenschnitzerei, wie sie sich ähnlich auf der alten<br />
Fehlaburg bei Gammertingen fanden, sind bei Ausgrabung<br />
der Burg W a r b er g am Nordrand der Elms (Braunschweig),<br />
die 1199 zerstört wurde, zutage gekommen: Tiere, ein Burgturm,<br />
Armbrustschloß, ferner aus Eisen: Bolzen, Schere,<br />
Messer, Hufeisen, Sporen, Pfeilspitzen, Beschläge, Hammer,<br />
•-'chlüssel mit Schloß, und viele Tonscherben (Abbildung und<br />
Beschreibung in „Braunschweigisches Jahrbuch" Bd. 45, 1964,<br />
Waisenhaus-Druckerei Braunschweig. Offenbar sind solche<br />
Schnitzereien einst auf Burgen sehr beliebt gewesen und<br />
die Gammertinger „Schachfiguren" keine Ausnahmen! Krs.