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Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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:(28 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Die nachfolgenden Erinnerungen an Pater Desiderius<br />

Lenz wurden 1930 geschrieben und mir von Frau Johanna<br />

Eubser-Bantle zur Verfügung gestellt.<br />

Der Malermönch<br />

von Kunstmaler Hermann Anton B a n 11 e t<br />

Martha Schneider-Schwärtzel.<br />

Lenz studierte in Berlin ausschließlich vorchristliche Kunst<br />

in dem dortigen reichhaltigen ägyptischen Museum<br />

Im gleichseitigen Dreieck und dem Hexagramm, dem<br />

sechsstrahligen Stern als Verbindung zweier gleichseitiger<br />

Dreiecke, fand Lenz nun das Urmaß der Verhältnisse, ~un 1<br />

des normalen menschlichen Körpers. Schon Leonardo da<br />

Vinci und Albrecht Dürer hatten sich um einen Kanon heiß<br />

bemüht, den Lenz nun, wie er selbst sagt, in Berlin gefunden<br />

hat. So hoch wissenschaftlich und durchaus überzeugend<br />

dieser Kanon ist, kann er doch für den bildenden Künstler<br />

nur in Verbindung mit einem Studium an der lebenden Natur<br />

ein beschränktes Hilfsmittel bleiben. Ja, bei mißverstandener<br />

Anwendung desselben kann er sogar das Kunstwerk<br />

schematisieren und ihm das Innenleben zunichte machen.<br />

Für Lenz selbst war er ein Universalmittel geblieben,<br />

ein „instrumentum sanctum".<br />

In Berlin fand er weniger Anschluß an die Zeitkunst. Das<br />

Opus, das er im Donautal vollendet hatte, sagte ihm doch zu<br />

sicher, daß sein Wollen richtig fundiert sei. Er war davon<br />

absolut überzeugt. Das Urteil der Welt durfte ihn nicht mehr<br />

berühren, noch ihn zu Konzessionen an die Zeit verleiten.<br />

Sein Genius war zeitlos, wie seine Kapelle namenlos in den<br />

endlichen Raum gestellt blieb. Zeit- wie namenlosen Werken<br />

steht die Menschheit feindlich gegenüber, sie betrachtet den<br />

zeugenden Künstler als den an sie verpflichteten Diener.<br />

Lenz aber wollte nie Menschendiener sein. Seines Schaffens<br />

Ziel war Gottesdienst.<br />

Mit dem Auffinden des Kanons, des Urmaßes aller großen<br />

Kunst, erreichte sein Wollen erst eine Norm. Seine Unruhe,<br />

die ihn durch Welt und Kunst trieb, bekam gewissen<br />

Ausgleich.<br />

Oft und intensiv hatfc; er mit dem Freunde Wüger in<br />

München und insbesondere zu Rom Pläne besprochen — eine<br />

Kunstschule auf religiöser Grundlage zu gründen. Die ehemalige<br />

Lukasgilde in Rom und eine angestrebte Vereinigung<br />

religiöser Künstler die zu St. Isidore in Rom jene Idealistengruppe<br />

der Nazarener versuchten und nicht voll zu verwirklichen<br />

vermochten, schwcbten den beiden Freunden vor, anderen<br />

Bekannten lag ein ähnliches Wollen im Sinn.<br />

Auf der Insel Reichenau, woselbst die Familie der Malerin<br />

Bensinger ein größeres Haus besaß, war die Neugründung<br />

einer derartigen Schule für christliche Kunst auch viele Jahre<br />

ernstlich erwogen worden. Das Schloß Meersburg plante man<br />

als ihren ständigen Sitz.<br />

Doch derartige Ideale sind meist schwer oder nie realisierbar.<br />

Nun sandte Gott selbst diesen Zweien seinen Willen, indem<br />

er sie nach Beuron brachte. 1872 treibt es Lenz von<br />

Berlin nach Nürnberg. In demselben Jahr sieht er wieder<br />

seine Kapelle, klopft an die Klosterpforte und bittet den<br />

zum Abte geweihten ordinierten Pater Maurus Wolter um<br />

Aufnahme, um als Oblate in künstlerischer Betätigung dem<br />

Orden dienstbar zu werden.<br />

Was wollte er, der Führer, ohne den Freund, der ihn so<br />

außergewöhnlich verstanden hatte, machen? So kam er zu<br />

dem Freunde zurück, der wiederum ohne seinen Führer<br />

nichts Großes hätte senaffen können. Zartfühlender veranlagt,<br />

hatte er rascher als Lenz den Willen Gottes verspürt<br />

und trat schon nach Beendigung der Kapellenmalung in<br />

Beuron als Mönch ein. Mit dem Erfolg des Kanon ausgereift,<br />

war Lenz ein Vollendeter, der sich leichthin der Welt, die<br />

ihm nichts Weiteres mehr zu geben vermochte, entziehen<br />

konnte. So war er heimgekehrt zu seinem Geisteskind, zum<br />

Freunde und zu den Gönnern seiner Kunst, an die Stätte,<br />

die Gott ihm bestimmt hatte. Er war hier mehr als ein bildender<br />

Künstler, er sollte vielleicht unbewußt, mithelfen,<br />

die Beuroner Kongregation und ihre Sendung zu verwirklichen.<br />

Lenz wurde Mitbegründer von Beuron. Beuron<br />

bekam durch seine Kunst einen eigenen Namen.<br />

Man darf nicht annehmen, daß seine Ideen und Pläne die<br />

unumschränkte Billigung oder gar jene künstlerische Freiheit<br />

erhielten, die seiner Schöpfernatur zugestanden hätten.<br />

Ungeheuerliche Hemmungen und Verdemütigungen mußte<br />

dieser Genius von seinen unbarmherzigen Auftraggebern<br />

hinnehmen. Keines seiner größeren Projekte blieb ungerupft,<br />

immer kamen nur Stückwerke davon in Ausführung.<br />

Leider nie ein Bauwerk.<br />

Lenz war mit seiner Kapelle seiner Zeit ein halbes Jahrhundert<br />

vorausgeeilt. Der Gründer Beurons, der kluge und<br />

fromme' Erzabt Maurus fühlte wohl die geistige Macht, die<br />

diese eigenartige Kunst für seine Neugründung bedeuten<br />

konnte und war oft von ihrer Originalität mitgerissen. Als<br />

geborener Rheinländer aber fundierte seine xvunstanschauung<br />

in der Aera des einflußreichen August Reichensberger.<br />

Für ihn gab es nur eine kirchliche Kunst, das Mittelalter.<br />

Durch seine Kunsterziehung, die in der Gotiknachbildung,<br />

wie sie am Rhein länger und intensiver als sonstwo geduldet<br />

war, bedingt, mußte der Abt nur zu oft gegen Entwürfe von<br />

Lenz trotz oder wegen ihrer absoluten Neuheit und Urtümlichkeit<br />

einschreiten und ihre Ausführung unterbinden, aus<br />

Sorge, dem werdenden Konvent allzuviele Feinde zuzuziehen.<br />

Lenz hatte von Anfang seines Lebens den benediktinischen<br />

Geist als Gottesgabe in sich. Der neuen Benediktinergründung<br />

in Beuron eine eigene künstlerische Form zu geben,<br />

war seine Mission. Wüger half ihm.<br />

Verschiedene Fresken in den Klosterräumen künden ihre<br />

Tätigkeit: zwei im Klaustrum gemalte Engel, knieend, von<br />

wunderbarem Duft, der eine von Lenz, der andere von Pater<br />

Gabriel Wüger, voll zartester Empfindung in nassen Kalk<br />

gemalt, und zwei gute Kompositionen im Refektorium stammen<br />

aus dieser Zeit. Sie tragen starke Anklänge an Fra Angelico<br />

und sind von auffallender Linienreinheit und Farbgebung.<br />

Sie wurden nur ausgeführt, weil es derzeit in Beuron<br />

keine künstlerischen Aufträge gab. Man mußte recht sparsam<br />

leben.<br />

Damals, gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts, ging<br />

jene unglückliche Bewegung gegen die mißverstandene Barock-<br />

und Rokokokunst durch Deutschland. Mail purgierte<br />

Kirchen und Klöster von dieser „verweltlichten" grandiosen<br />

Kunst. Neugotisch war das Schlagwort, das Reichensberger<br />

und seine Anhänger durch ganz Deutschland schleuderten.<br />

An die Stelle origineller Altäre, Beichtstühle und Skulpturen<br />

stellte man gefühllos hochhinaufragende Holzaltäre einer<br />

geistlos nachgemachten Schreinergotik in den Kirchenraum,<br />

die ebenso mit Lineal und Winkelmaß zusammengesägt und<br />

aneinandergeleimt blieb wie der zirkelgerechteste aller gotischen<br />

Bauwerke, der Kölner Dom, der durch Reichensbergers<br />

Bemühungen in jener Zeit seine beiden Turmhelme bekommen<br />

hat.<br />

Unschätzbare künstlerische Werte vernichtete man für<br />

wertlose Surrogate, die von jedem talentlosen Menschen ausgeführt<br />

werden konnten und durften. Es war die tiefste<br />

Verfallzeit christlicher Kultur, der unsere Vorfahren wie<br />

einer Hypnose so leichthin anheimfielen.<br />

Auch ins Donautal hinein wehte es diesen barock- und<br />

rokokofeindlichen Geist. In der Begabung von Lenz lag<br />

ohnehin schon eine Gegenstellung gegen die willkürlichen<br />

Ausklänge der Spätrenaissance. Seine Absicht, das Innere<br />

der rokokosierten Klosterkirche in seiner Art umzugestalten,<br />

fand zunächst kein günstiges Echo. Er plante eine totale<br />

Umstellung der Kirche. Der Haupteingang sollte von der<br />

Straße, neben dem „Gasthof zum Pelikan" durch das vorhandene<br />

Chor kommen. Nach hinten wollte er eine ganz neue<br />

Choranlage über den Gottesacker legen, die in großen Ausmaßen<br />

den liturgischen Gottesdiensten mehr Raum geboten<br />

hätte.<br />

Dieser ausgearbeitete Plan, den man begründen, verstehen<br />

und möglich halten konnte, blieb damals unausgeführt. Es<br />

fehlte an Verständnis, an Mut und an Geld.<br />

Zu Rom, wo der hochgelehrte Erzabt Maurus lange weilte,<br />

hat gewiß der rheinische Gotikgeist, den seine Zeit und <strong>Heimat</strong><br />

ihm anerzogen, einige Breschen erlitten. Das neue Rom<br />

ist ja die absolute Renaissance-, die Barockstadt schlechthin.<br />

Das Barock nahm seinen Weltlauf von Italien, und kein<br />

Mensch hätte dort an heiligster Stätte behaupten mögen, daß<br />

diese gewaltige Kunst weniger kirchlich sei als die mittelalterliche.<br />

— Als Maurus Wolter das leerstehende Augustinerchorherrenstift<br />

im einsamen Donautal zum erstenmal sah,<br />

schrieb er an die Fürstin Katharina in einem ausführlichen<br />

Bericht: „Schön ist die Sakristei — prächtig die Kirche!"<br />

Abt Maurus wie Fürstin Katharina standen jeder Aenderung<br />

der Beuroner Kirche ablehnend gegenüber und hatten<br />

allen von Lenz vorgebrachten einfacheren Umbauplänen die<br />

Zustimmung versagt. Da ließ Lenz, der als Laie im Kloster<br />

lebte, sich verleiten, mit einem sehr energischen jungen<br />

Mönch, Pater Hildebrand de Hemptinne aus Belgien, der<br />

später als Abtprimas in Rom starb, während des Mittagsmahles<br />

der Mönche am 12. August 1872 den herrlichen Stuckhochaltar<br />

zusammenzuschlagen. Auf solch ein impulsives, unüberlegtes<br />

Treiben war kein Mensch gefaßt, Das Kircheninnere<br />

mußte nun doch umgeändert und der unruhige Geist<br />

des Künstlers beschäftigt werden. Nicht lange vorher hatten

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