Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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22 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
begann man sich in Haigerloch wieder um die 1 Stadtgarde<br />
zu kümmern. In den kommenden zwei Jahrzehnten richtete<br />
das fürstl. Oberamt Haigerloch mehrere Schreiben an die<br />
Regierung in Sigmaringen und bat um die Genehmigung<br />
einer Neugründung der Haigerlocher Stadtgarde. So bereits<br />
im Jahre 1839. Aber das Gesuch wurde abgelehnt. Die Regierung<br />
war der Meinung, daß in Haigerloch eine Bürgergarde<br />
nicht nötig sei.<br />
Welch starkes Gewicht man jedoch in Haigerloch auf eine<br />
Wiederbelebung der Stadtgarde legte, zeigen die vielen Gesuche,<br />
die in den folgenden Jahren an die Regierung gerichtet<br />
wurden. Der Zweck der Bürgergarde sollte sein: „Zur Verherrlichung<br />
des hl. Fronleichnamsfestes, und zur Verherrlichung<br />
der Geburts- und Namensfeier des Landesfürsten,<br />
wie auch auf Verlangen nur nöthigen Hilfe der Polizey beizutragen."<br />
Das Wichtigste aus den Statuten: Die „Capitulationszeit<br />
beträgt vier Jahre. Eintreten in die Bürgergarde<br />
kann jeder Haigerlocher Bürger, der noch keine „Kriminal -<br />
Untersunchung" oder Zuchthausstrafen erlitten hat. Jeder<br />
Gardist hat seinen Dienst unentgeltlich zu versehen.<br />
Später wurde der Bürgergarde noch anderer Nutzen zugeschrieben.<br />
So z. B. auch die niedere Klasse der Bürger<br />
solle Zutritt bekommen. Dann wolle man so die Trunksucht,<br />
Unsittlichkeit und dergl. bekämpfen. Doch alle Gesuche von<br />
Seiten der Haigerlocher wurden abgelehnt. Doch die wurden<br />
nicht müde, immer neue Begründungen zu finden, die für<br />
eine Neugründung der Stadtgarde sprachen.<br />
Es muß auch erwähnt werden, daß sich die Haigerlocher<br />
Gardisten praktisch wenig um die Verbote der Regierung<br />
kümmerten. Die Stadtgarde bestand schon während der Verhandlungen.<br />
Sie war auch bewaffnet und trat sogar öffentlich<br />
auf.<br />
Inzwischen gingen bei der fürstlichen Regierung in Sigmaringen<br />
außer dem Gesuch des Haigerlocher Oberamts noch<br />
mehrere Gesuche ein, eine Bürgergarde gründen zu dürfen.<br />
Diese Angelegenheit wurde nun vor die höchste Verwaltungsstelle<br />
Hohenzollerns gebracht. „Die Fürstlich Hohenzollernsche<br />
Geheime Conferenz". Diese faßte folgenden Beschluß<br />
:<br />
Wo bisher keine Garde bestand, ist die Errichtung einer<br />
Bürgergarde bis zum Erscheinen allgemeiner Vorschriften<br />
über Landwehr, nicht zu gewähren.<br />
In den Revolutionsjahren 1848/49<br />
Die Revolutionsjahre unterbrachen die Haigerlocher bei<br />
ihren Bemühungen um eine Neugiündung der Stadtgarde.<br />
Während dieser Zeit bestand die Garde nun eben ohne die<br />
erbetene Genehmigung. Die Geschichte des Fürstentums<br />
Hohenzollern-Sigmaringen kannte keine derartigen Kämpfe<br />
zwischen Untertanen und Landesherren, wie dies im benachbarten<br />
Fürstentum Hohenzollern-Hechingen der Fall gewesen<br />
war. Dies hatte verschiedene Gründe, würde aber hier<br />
zu weit führen.<br />
Merkwürdig war, daß die Hechinger Regierung keine Sympathie<br />
finden konnte, als sie die Bürgerwehr einführen<br />
wollte. Wie anders war es doch in Baden, wo die Einführung<br />
der Bürgerwehren stürmisch verlangt wurden. Aehnlich war<br />
es ja auch in Haigerloch. Eine interessante Begebenheit vom<br />
März 1848: Seitdem in Paris die Republik ausgerufen worden<br />
war, rechnete die Bevölkerung in Deutschland mit einem<br />
französischen Angriffskrieg. Als am 24. März 1848 das Gerücht<br />
nach Hohenzollern kam, daß sich ein großes französisches<br />
Heer nähere, herrschte in fast ganz Hohenzollern<br />
eine Panikstimmung. Viele Bürgerwehren wurden, soweit<br />
sie es noch nicht waren, bewaffnet. In Haigerloch schoß die<br />
Bürgerwehr am selben Tag abends vom Kirchberg über die<br />
Eyach zum Schloß, da sie annahm, dort befänden sich. Franzosen.<br />
Wie erstaunt aber waren sie, als sich herausstellte,<br />
daß es nur einige Kundschafter aus der Gegend von Hechingen<br />
waren, die ebenso der Meinung waren, der Feind sei<br />
ihnen gegenüber.<br />
Die Sigmaringer Bürgerwehr hatte im Nachmärz sehr an<br />
Bedeutung gewonnen. Die Begeisterung für das Exerzieren<br />
ließ jedoch vor allem bei den benachbarten Gemeinden bald<br />
nach. In Haigerloch wurde am 29. Oktober 1848 die von 167<br />
Frauei_ und 'ungfrauen der Stadt gestiftete Fahne der 3ürlergardt<br />
aufs feierlichste eingeweiht. (Diese Fahne wird<br />
bald in der Waffenkammer des fürstl. Museums in Sigmaringen<br />
zu sehen sein.)<br />
Die Hai crlocher Stadtgarde hatte auch eine türkische Musik.<br />
Im Jahre 1848 begünstigte der damalige Dekan Engst<br />
(später stellte er sich gegen die Stadtgarde), daß aus der<br />
St. Nicolai- und St. Anna-Pflege etwa 120 fl. für Instrumente<br />
der Stadtgarde ausgegeben wurden.<br />
Nach d e r R e v o 1 u t i o n<br />
Im März 1851 stellte die Bürgerwe-hr von Haigerloch die<br />
„Neu-Revidierten Statuten" auf. Danach war der Zweck der<br />
Bürgergarde: Einmal bei Festlichkeiten zur Erhöhung der<br />
Feier beizutragen; sodann die Polizei zu unterstützen. Eintreten<br />
konnte jeder unbescholtene Bürger. Die gesamte<br />
Garde bildete eine Kompanie unter einem Hauptmann, zwei<br />
Leutnants und einem Feldwebel. Die Garde hatte auch, wie<br />
schon erwähnt, eine türkische Musik. Der erste Hauptmann<br />
war Jakob Bürkle; Offiziere: Benjamin Back, Kaufmann<br />
Pfeiffer und Gerber Manz. Doch auch diesmal stieß die<br />
Haigerlocher Bürgerwehr bei der Regierung in Sigmaringen<br />
auf keine Gegenliebe.<br />
Auch im Jahre 1852 wechselten das Oberamt Haigerloch<br />
und die Königl. Regierung in Sigmaringen mehrere Schreiben<br />
die Neugründung der Stadtgarde betreffend. Aber alle<br />
Schreiben wurden abschlägig beantwortet. Im August richteten<br />
dann das Oberamt und die Stadtgarde Haigerloch gemeinsam<br />
ein umfangreiches Schreiben an die Regierung in<br />
Sigmaringen: Die Stadtgarde sei ein seit 150 Jahren bestehendes<br />
Institut (soweit damals bekannt) mit Genehmigung<br />
der fürstl. Regierung. Die Stadtgarde sei dem Wesen nach<br />
eine vielerorts bestehende Schützengilde. Ausdrücklich möchte<br />
siö betonen, daß sie den Namen „Stadtgarde" trage und nicht<br />
Bürgergarde". Wenn auch die sonst üblichen Schützenfeste<br />
allmählich ausgefallen seien, so habe das Institut der Stadtgarde<br />
dennoch ununterbrochen bestanden; sie sei immer im<br />
Besitz von Waffen gewesen und sei es auch heute noch.<br />
Die Haigerlocher Stadtgarde sei ein Institut sowohl des Vergnügens<br />
als auch des allenfalligen Ernstes, denn sie sei dem<br />
Oberamte Haigerloch Gehorsam zu leisten verpflichtet.<br />
Die Antwort der Regierung auf obiges Schreiben: „Das<br />
Oberamt hat darauf zu achten, daß die kirchliche Abhaltung<br />
von Feierlichkeiten, namentlich Prozessionen nach Anordnung<br />
der betreffenden Geistlichen erfolgen. Wenn aber hiervon<br />
Bittsteller zu einem Privatverein ohne öffentlichen Charakter<br />
zusammentreten wollen, so bleibt ihnen das unbenommen.<br />
Wenn sie aber zu öffentlichen Versammlungen<br />
namentlich bewaffnet zusammentreten wollen, so haben sie<br />
in jedem einzelnen Falle die Erlaubnis des Oberamtes Haigerloch<br />
einzuholen.<br />
Mit diesem Schreiben endlich klärte sich die rechtliche<br />
Stellung der Haigerlocher Stadtgarde. Sie durfte also bewaffnet<br />
sein, hatte jedoch die Erlaubnis des Oberamtes einzuholen,<br />
wenn sie bewaffnet ausrücken wollte. Sicher war<br />
die Erlaubnis des Oberamtes nicht schwer zu erhalten, da<br />
es sich sehr für die Wiederbelebung der Stadtgarde eingesetzt<br />
hatte.<br />
Allgemeiner Ueb erblick<br />
Die Bürgergarden waren dem früheren Aufgebot der wehrhaften<br />
Stadtbürger nachgebildete, militärisch organisierte<br />
Freiwilligenverbände. Gewöhnlich hatten sie für die Aufrechterhaltung<br />
der Ordnung zu sorgen. In den Wirren der<br />
französischen Revolutionszeit erstanden diese Bürgerwehren<br />
neu aus dem Verlangen nach Volksbewaffnung. Die deutschen<br />
Bürgerwehren erlebten zwar im 19. Jahrhundert eine<br />
neue Blütezeit, hatten aber meist nur geringe militärische<br />
Bedeutung. Sie waren hauptsächlich eine Paradetruppe des<br />
städtischen Bürgertums. Da sich die Bürgergarden auch für<br />
kommunale Angelegenheiten verwenden ließen, sind sie durchaus<br />
positiv zu bewerten. Sie unterstützten Polizei, Feuerwehr,<br />
Kirche und andere Institutionen.<br />
Daß auch heute noch großes Interesse an Bürgerwehren<br />
besteht, zeigen die vielen Garden, die noch bestehen. Als die<br />
Trochtelfinger Bürgerwehr im vergangenen Jahr ihr 400jähriges<br />
Bestehen feierte, erschienen zahlreiche Stadtgarden,<br />
Bürgerwehren, Reitergarden u. a Ein schönes Zeichen für<br />
das Interesse an diesen alten Institutionen!<br />
Es ist zu bedauern, daß gerade in Haigsrlocn, dieser sonst<br />
so traditionsbewußten Stadt, die Bürgergarde restlos eingegangen<br />
ist!<br />
Quellen und Literatur;<br />
I. Handschriftliche Quellen:<br />
Akten des Staatsarchivs Sigmaringen,<br />
Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv Zoll. Rechnungen.<br />
II. Literatur:<br />
1. Gönner, Eberhard: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen<br />
Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen,.<br />
Hechingen 1952.<br />
2. Schoser, Gustav: Die Bürgerwehr in Trochtelfingen in: Trochtelfinger<br />
<strong>Heimat</strong>tage — 400 Jahre Bürgerwehr 9. bis 10. Mai.<br />
o. O., o. J.<br />
3. Hodler, F. X.: Geschichte des Oberamts Haigerloch.<br />
Hechingen 1928.