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Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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:(10 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Das wilde Heer (Wuotisheer) zu Veringen ^ nach der zimmeren chromk.<br />

Die Nacht ist kühl, der Mond scheint fahl,<br />

Da kommen Schatten ohne Zahl<br />

Das Tal heraufgezogen.<br />

Es braust wie ein erregtes Meer,<br />

Vor Veringen das wilde Heer<br />

Ist um die Eck gebogen.<br />

Beim untern Turme auf der Bruck,<br />

Da stauet sich der seltsam' Spuk,<br />

Man hört ans Stadttor pochen.<br />

Der Wächter aus dem Schlaf erwacht,<br />

„Wer wil! noch rein um Mitternacht?"<br />

Hat murrig er gesprochen.<br />

Doch kaum ward er des Volks gewahr,<br />

Da sträubt der Schreck ihm Bart und Haar,<br />

Die Stimm' hats ihm verschlagen.<br />

Er rennt den flnstem Torweg rauf,<br />

In atemlosen, raschen Lauf<br />

Diesmal gehts ihm an' Kragen!<br />

Dieweil das Tor sich selbst aufschließt<br />

Und in den stillen Ort sich gießt<br />

Die Schar auf Geisterschwingen.<br />

Grad um die mitternächtlich' Zeit,<br />

Tief schlafen alle Bürgersleut;<br />

Zur Burg hinauf sie springen.<br />

Dort Wirbeln sie zum Tor hinein,<br />

Und bei des Mondes Zauberschein<br />

Umtanzen sie die Mauern.<br />

Dazu ein dumpfer Trommelklang,<br />

Und düst'rer grauslicher Gesang<br />

Läßt Herz und Mut erschauern.<br />

„Huh! Huh! Wir sind das Wuotisheer,<br />

Vom Welschland kommen wir daher,<br />

Vor Monden ausgezogen.<br />

Als brave deutsche Landsknechtschar,<br />

Dem Kaiser dienten wir manch Jahr,<br />

In Treue ungelogen.<br />

In heißer, blut'ger Mänerschlacht.i)<br />

Hab'n wir den Feind zur Streck' gebracht,<br />

Der Frundsberga) führt die Haufen.<br />

Bevor man zur Retraite blies,<br />

Von uns gar mancher s'Leben ließ,<br />

Vergaß für immer s'Schnaufen!<br />

Drauf steckt man uns ins Massengrab,<br />

Den Bayr, den Frank, den Sachs, den Schwab,<br />

Wir ruhten aus vom Streiten.<br />

Und Jahre lagen wir beisamm'<br />

Bis wieder uns die Kunde kam,<br />

Von deutscher Not und Leiden!3)<br />

Da hielt uns nichts mehr in dem Loch,<br />

Ein jeder aus dem Boden kroch,<br />

So wie er grad gelegen.<br />

Und nordwärts ging der wilde Zug,<br />

Wie mit gespensterhaftem Flug,<br />

Auf nächtlich stillen Wegen.<br />

Erst, wenn dem römisch-deutschen Reich<br />

Der Frieden wird, dann alsogleich,<br />

Auch uns wird wieder Frieden.<br />

bann steigen wir zurück ins Grab,<br />

Der Bayr, der Frank, der Sachs, der Schwab,<br />

Im fernen welschen Süden!"<br />

So singen sie, so gröhlen sie,<br />

In düst'rer Landsknechtmelodie<br />

Und drehen wilde Reigen.<br />

Aus dem Gemäuer aufgeweckt<br />

Flieh'n Käuze kreischend und erschreckt.<br />

Im Tal herrscht tiefes Schweigen.<br />

Der eine überm Kopfe schwingt<br />

Sein rechtes Bein und hüpft und springt<br />

Ganz wacker auf dem linken.<br />

Ein andrer gar, der eitle Tropf,<br />

Trägt unter'm Arm den eig'nen Kopf<br />

und gibt ihm noch zu trinken.<br />

Noch einer läßt, daß Gott erbarm,<br />

An einer Schnur den losen Arm<br />

Um seine Schultern baumeln.<br />

Es klingt und klappert bleich Gebein,<br />

Dazu das Kalbfell schlägt Freund Hein,<br />

Bis sie vor Schwindel taumeln.<br />

So tanzen sie, so springen sie,<br />

Nach schwerer Landsknechtmelodie<br />

Die häßlichen Gestalten.<br />

Dieweil der Wächter von dem Tor,<br />

Von ferne lauscht mit bangem Ohr<br />

Und sieht ihr schaurig Walten.<br />

Da trennt ein Schatten sich vom Häuf<br />

Und ist in überstürztem Lauf<br />

Zum Markt hinabgesprungen.<br />

„Hoi, Mano! Hoi, brüllt dumpf der Wicht,<br />

Mano! Hans Droscher, hörst mich nicht?"<br />

Hat's durch die Nacht geklungen.<br />

Den Wächter fasset Schreck und Graus,<br />

Und tät zum heiligen Nikolaus*)<br />

Mit großer Inbrunst flehen.<br />

Doch ehe er sichs recht versah,<br />

Ist auch der Geistermann schon da.<br />

Er kann ihn deutlich sehen.<br />

Der vor ihm steht, das ist, Pardauz,<br />

Ein äußerst kurioser Kauz,<br />

Beinahe wärs zum Lachen.<br />

Ein wüster Spalt den Schädel trennt,<br />

Gemacht mit scharfem Instrument,<br />

Vom Wirbel bis zum Rachen.<br />

„Ich bin", mault der, „Sepp Häberlein<br />

Aus Veringen, bin einst im Mai'n<br />

Als Landsknecht requirieret.<br />

Im Süden, so ein welscher Dieb,<br />

Hat mir im Kampf mit einem Hieb<br />

Den Schädel durchhalbieret.<br />

Doch da kein Feldscher in der Schar,<br />

Muß ich nun schon seit Tag und Jahr<br />

Halbierten Hauptes wandern.<br />

So nehmt dies Tuch, ich bitt Euch drum,<br />

Verbind't die Hälften um und um<br />

Die eine mit der andern."<br />

Hans Dröscher fasset wieder Mut,<br />

Er wundert sich und spricht: „Nun gut!<br />

Ich wills einmal probieren!"<br />

Er dreht das Tuch zu einem Strick,<br />

„Wohlan versuchen wir das Glück,<br />

Den Schaden zu kurieren!"<br />

Zusammen klappt er, was geteilt,<br />

Alsdann umschlingt er unverweilt<br />

Den Schädel dieses Schwaben.<br />

Zum Schluß noch einen festen Knopf<br />

Macht er an seines Landmanns Kopf.<br />

„So, jetzt laß dich vergraben!"<br />

„Habt ewig Dank!" Der andere spricht.<br />

„Ach leider muß ich armer Wicht<br />

Noch weiter mit den andern.<br />

Grüß mir den Vetter Veit, die Bas,<br />

Die ehrsam Jungfer Anastas!<br />

Muß leider weiter wandern.<br />

Dies eine sei Euch noch gesagt,<br />

Daß Eure Neugier nicht es wagt,<br />

Dem Zuge nachzugucken.<br />

Drum rat ich Euch, Gevatter, seht<br />

Nach rückwärts jetzt und hübsch umdreht<br />

Wohl Euren breiten Rucken!"<br />

Der Dröscher macht, gesagt, getan<br />

Die Wendung, die der Geistermann<br />

Ihm eben anempfohlen.<br />

Der andere räuspert sich und meint:<br />

„So jetzt leb wohl, mein guter Freund!<br />

Ich mach mich auf die Sohlen!"<br />

Drauf huscht er weg zur Geisterschar,<br />

Die schon beim Obern Tore war<br />

Und eben wollt verschwinden.<br />

Der Wächter schreit: „He, Landsmann, du!<br />

Der Herr geb' Dir die ewige Ruh,<br />

Die Du nicht konntest finden!"<br />

Der Tölpel ruft's und dreht sich rum,<br />

Da wird im Kopfe ihm ganz dumm,<br />

Ist wie vors Hirn geschlagen.<br />

Obwohl er wollt nach Hause geh'n,<br />

Blieb er am selben Flecke steh'n,<br />

Die Füß den Dienst versagen.<br />

Doch als der helle Morgen kam,<br />

Da war vor Traurigkeit und Gram<br />

Er auf die Erd gesunken.<br />

Und aus dem nächst gelegenen Haus<br />

Hat er den Vetter Michel Stauß,<br />

Stumm zu sich hergewunken.<br />

Hans Dröscher, in sein Heim gebracht,<br />

Hat nicht geweint, hat nicht gelacht,<br />

Ist in sein Bett gekrochen.<br />

Sinnierte still und starrte trüb,<br />

In eine Eck und liegen blieb,<br />

Er sechzehn lange Wochen.<br />

Was weiter mit dem Mann geschah,<br />

Darüber die Historia<br />

Hat nun sich ausgeschwiegen.<br />

Jahrhundert rauschten übers Land,<br />

Was einst hier lebt' und litt, verschwand,<br />

Ist längst ins Grab gesunken.<br />

Noch heute schwebt der Vorzeit Hauch<br />

Ums Städtchen, leicht wie Höhenrauch,<br />

Umkreiset Burg und Mauern.<br />

Aus finstern Felsenlöchern weht<br />

Und durch die stillen Tannen geht<br />

Geheimnisvolles Trauern.<br />

Wolfrat 1928.<br />

E. Burkarth.<br />

1) Belagerung von Pavia im Jahre 1525.<br />

2) Frundsberg, Feldhauptmann der Landsknechte,<br />

starb 1528 in Mindelheim (Bay.).<br />

Dort beerdigt.<br />

3) Religiöse-politische Kämpfe in Deutschland.<br />

4) Der hl. Nikolaus ist noch heute der<br />

Kirchenpatron in Veringenstadt.

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