Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Hohenzollerlsehe <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
25 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 1.40 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 1 Gammertingen, Januar 1965 15. Jahrgang<br />
Sterne strahlen den Frieden der Welt.<br />
Glocken dröhnen empor.<br />
Göttliche Stimmen die Herzen erhellt.<br />
Engel singen im Chor.<br />
Sur $öeit)enadjt<br />
von Maria E. F 1 a d<br />
Weihenacht hält das göttliche Wort<br />
Wie eine Kerze bereit,<br />
Zündet die Liebe am dunkelsten Ort,<br />
Für eine Ewigkeit.<br />
3llm Tnitarbeiteun unö £efern öer „ffatjensollmrdjm f^imat"<br />
töünfrtjen nur (Rottes
Ein Bid unvergleichlicher Schönheit zeigt die Friedhofskapelle in<br />
Gruol als Wahrzeichen des Stunzachtales, mit dem malerischen alemannischen<br />
Fachwerk.<br />
f<br />
Empfingens Kirchturm, Gottesburg des Mittelalters.<br />
(Klischees: Schwarzwälder Bote, Oberndorf.)<br />
h o h e n z o l l e r i s c h e H E I M A T Jahrgang 1965<br />
Ein Zeuge der Romanik ist der Schaft des Römerturms von Haigerloch,<br />
den Steinmetzzeichen in die Zeit von 1050—1100 weisen. Christian<br />
Großbayer hat ihm später die Haube aufgesetzt und den<br />
Umgang geschaffen.<br />
Zum Befestigungsgürtel der Burg Hohenzollern soll einst der heutige<br />
Turm der Pfarrkirche von Weilheim gehört haben. Malerisch seine<br />
Form wie sein Zugang.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 3<br />
Aeltester Turm im Kreis:<br />
Haigerlochs Rom er türm<br />
Wenn wir dem Stilwandel folgen, kann unsere Reise nur<br />
in Haigerloch beginnen, welches den ältesten, zwar profanen,<br />
aber auch in den Dienst des Gottesdienstes gestellten Turm<br />
mit dem romanischen Römerturm besitzt. Diesen letzten<br />
Rest der einstigen Oberstadtbefestigung weisen die Steinmetzzeichen<br />
in die Zeit von 1050—1100. Als riesiges Viereck<br />
mit seinen 3,60 Meter dicken Mauern ohne Zierat und Verputz<br />
aus mächtigen Bossenquadern von 2 Meter Länge und<br />
60 Zentimeter Schichtenhöhe in die Höhe getrieben, schloß<br />
ihn einst oben ein Satteldach mit Fachwerk ab. 1746 hat er<br />
sich dann mit dem heutigen achteckigen Aufbau mit welscher<br />
Haube einen ande; en Hut aufsetzen lassen müssen, was Baumeister<br />
Großbayer besorgt hat. Er hat dann auch den Umgang<br />
geschaffen und mit Balustern geschmückt, während die<br />
Mauern durch Schallöcher durchbrochen wurden. Die Glocken<br />
der abgebrochenen Ulrichskirche kehrten ein, um seitdem<br />
täglich die Großtat Gottes in der Menschwerdung zu verkünden<br />
und zum Gottesdienst zu rufen. Der Römerturm ist<br />
das untrügliche Wahrzeichen der Stadt und weiß Gott wie<br />
oft schon auf Film und Leinwand gebannt worden.<br />
schöne Kirchtürme sind im Kreis Hechingen wertvoller Besitz, sind<br />
weit über das Land grüßende Wahrzeichen, die vom Hauch der Geschichte<br />
umgeben sind. Ein stolzer Zeuge des schwäbischen Klassizismus<br />
ist der Turm der Stiftskirche von Hechingen.<br />
Hoffen wir, daß die im abgelaufenen Jahre begonnenen<br />
Reparaturarbeiten an dem alten Baudenkmal zum guten Erfolg<br />
führen. Die Schäden, die das Bauwerk aufwies, waren<br />
leider größer, als man annahm.<br />
Abgeändert wurde auch der Turm der Schloßkirche, welcher<br />
jäh über der jenseitigen Felswand thront. Er stammt<br />
ebenfalls noch aus der Bauzeit der Schloßkirche, dem Todesjahr<br />
des hl. Karl Borromäus, dessen architektonisch gutgegliederte<br />
und ursprünglich mit Staffelgiebeln aufgeführte<br />
Turm die heutige Gestalt erhalten, welche sich widerspruchslos<br />
in den gewaltigen Wurf der Landschaft fügt.<br />
Der Schriftleiter des Konradsblattes, Albert Krautheimer,<br />
sprach einmal von einem schalkhaften Schwabenlachen, den<br />
der über die 143 Stufen zur Schloßkirche Heraufkeuchende<br />
hinter dem Turm zu erblicken glaubt.<br />
Indessen sind eine Reihe von Brüdern unseres Römerturmes<br />
gar nicht viel jünger. Ein ganz ordentliches Greisenalter<br />
haben auch die Türme der Pfarrkirche Empfingen und der<br />
Friedhofskirche au Gruol, deren Mauerwerk aus der Zeit um<br />
1320 stammen, als die Grafen von Hohenberg hier residierten.<br />
Tausende von Blicken zieht das schöne Gotteshaus und<br />
Marienheiligtum im Stunzachtal auf sich, seine hohe, über<br />
dem quadratischen Schaft aufgesetzte und auskragende Turm
4 Jahrgang 1965<br />
Pyramide mit dem malerischen, alemannischen Fachwerk,<br />
welches ein Zeugnis der Zimmermannskunst vor 500 Jahren<br />
darstellt. Welch ein überwältigender Blick von den, nahen<br />
Höhen aul die in Sonnengold getauchte Landschaft mit dieser<br />
Perle des Stunzachtales, dessen Turm mit der Pfarrkirche<br />
•und der Zollerburg im Hintergrund einen großartigen Dreiklang<br />
in der Landschaft bildet, der schon von vielen, Meistern<br />
der Leinwand eingefangen wurde.<br />
Unter den Türmen mit Satteldächern und Staffelgiebeln<br />
im Kreis tritt vor allem der die reizvolle Landschaft des<br />
Kirchspiels beherrschende Turm der Pfarrkirche Peter und<br />
Paul von Steinhofen stark ins Bild. Auch er stammt noch<br />
aus der Zeit um 1500 und ist der Rest der alten Kirche, die<br />
der heutigen um 1794 erbauten Kirche weichen mußte. Dieses<br />
reizvolle Idyll vor der imposanten Kulisse der Zolleralb<br />
und Burg Kohenzollern ist ein in Stein gewordenes Gedicht,<br />
das auch bekanntlich Nikolaus Lenau zu seinem, „Postillion"<br />
angeregt hat.<br />
Nachdem manche Türme der früheren Zeit, speziell der<br />
Gotik, im Laufe der Jahrhunderte baufällig wurden und sich<br />
im 18. Jahrhundert der Kirchenbau wieder entfaltete, leistete<br />
auch die Barockzeit ihren Beitrag zum Turmbau und 'brachte<br />
eine ganze Reihe schöner Zwiebeltürme hervor, von denen<br />
leider ebenfalls einige wieder dem Zahn der Zeit zum Opfer<br />
fielen. Wir nennen als Beispiel die Pfarrkirche Gruol, die<br />
noch einen Turm aus der Barockzeit übernommen, hatte, welcher<br />
aber Ende des letzten Jahrhunderts dem heutigen Turm<br />
mit Spitzhelm weichen mußte. Auch die Bachreiteriürme<br />
haben sich im Kreis später ausgedehnt. Wir machen einen<br />
Schritt weiter und treten in den Klassizismus, der im Kreis<br />
Hechingen mit der Stiftskirche Hechingen einen stolzen Zeu-<br />
Bürgle und nochmals Bürgle!<br />
Erfahrungen und Daten. —<br />
An den Stammtischen der Junginger Wirtschaften ging es<br />
an den Sonntagnachmittagen zu wie in einer Reichstagssitziung.<br />
Der Lärm war enorm, und die weinselige Redegewandtheit<br />
aller, offenbar mit vollem Herzen beteiligten<br />
Männer, war weithin zu hören. Die Straßen aber waren wie<br />
leergefegt. —<br />
Herr Pfarrer Schneider hatte damals eine Lotterie veranstaltet,<br />
aus deren Erlös er den Kirchturm um ein gutes Stück<br />
aufstocken ließ. Auf den Armen meiner Mütter sah ich das<br />
Hinaufziehen der neuen großen Glocke über einen Flaschenzug.<br />
Am damaligen „Stapelplatz der Intelligenz" gab es auch<br />
Studenten genug, einen Leseverein, einen Albverein, einen<br />
Militärverein und mehr, und man wußte sehr wohl, daß hier<br />
zwei abgegangene Burgställe waren: Hohcnjungingen und<br />
Eineck! Und damit kommen wir zur Sache:<br />
Die Bahnlinie nach Burladingen wurde gebaut, die Bachkorrektion,<br />
es gab neue eiserne Brücken.<br />
Am 30. April 1899 war in den Hohenzollerischen Blättern<br />
ein Artikel gestanden: B. „Die sogenannte Schwedenschanze<br />
bei Jungingen' 1 . Dort schreibt schon dGr Verfasser: Ueber die<br />
Entstehungsgeschichte dieses Walles sind verschiedene Meinungen<br />
verbreitet, Die einen halten ihn für einen römischen<br />
Grenzgraben,, der die römische Provinz Rätien von den nördlich<br />
davor liegenden Agridecimates getrennt haben sqll<br />
(Pfarrer Baur-Veringendorf), Die anderen legen seine Entstehungsgeschichte<br />
in eine spätere Zeit und glauben, daß derselbe<br />
zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges zur Abschließuhg<br />
der Alb nach Norden hin ausgeworfen wurde (1703/1710),<br />
was ja im Prinzip dasselbe war. Die Frage steht also immer<br />
noch offen. Daß der Wall im Jahre 1710 ausgeworfen oder<br />
wieder ausgeworfen wurde, ist dokumentarisch belegt. (Lorch)<br />
Für mich steht im Augenblick nur fest, daß dieser Wall die<br />
beiden Bürgle miteinander verbindet und sehr wohl ein Verr<br />
teidigungsystem darstellen kann, das im Zusammenhang<br />
mit den am ganzen Albrand entlang bekannten Heiden-,<br />
Hussiten- und Schwedengräben nicht erst vor Jahrhunderten,<br />
sondern schon vor Jahrtausenden entstanden sein muß. —<br />
Auch in diesem. Aufsatz heißt es zum Schluß: Ueberreste<br />
von Mauern sind weder auf dem (Ringinger Kapf - Eineck)<br />
noch auf dem Bergkegel zu finden; auch ist bis heute nicht<br />
der geringste Fund in der Nähe der Schanze bekannt geworden.<br />
Dann rücken an einem schönen Nachmittag Leute an mit<br />
Pickeln und Schaufeln. Sie sprechen eine mir unverständliche<br />
Sprache, und jeder hat einen Koffer an einem Stock auf dem<br />
Rücken hängen. Es sind italienische Arbeiter, die an der<br />
Bahnlinie nach Burladingen arbeiten wollen. Man hatte<br />
damals keine Baumaschinen, und die Erde mußte allein mit<br />
Handkarren bewegt werden. Dia Trasse der Bahnlinie ging<br />
gen hervorbrachte. Die Stiftskirche fasziniert immer wieder<br />
mit ihrer reizvollen Turmlösung, wie sie ihre eigene Geschichte<br />
hat und bekanntlich auch als Vorbild mancher Kirchenbauten<br />
im Kreis diente. Könnte der Turm uns erzählen,<br />
wie er emporgewachsen, hörten wir von dem französischen<br />
Architekten Ixnard und dem Baumeister Großbayer aus Haigerloch,<br />
von dem Baudirektor Scheyer, der 1 den bereits begonnen<br />
Turm wieder abriß und bis zur Rundung neu aufführte.<br />
Weit grüßt der mit dem strahlenden Kreuz gekrönte<br />
Turm übei* die Zollerlandschaft, die noch einen weiteren<br />
charakteristischen Turm ihr eigen nennt, nämlich den Kirch-,<br />
türm Weilheim, welcher wie der Römerturm in Haigerloch 1<br />
ursprünglich Profanbau war. Mit seinen 2 Meter starken<br />
Bruchsteinen, glatten Eckquadera. und dem steilen Walmdach<br />
ist er von einem seltenen Stimmungszauber umgeben. Wir<br />
lassen uns ins Ohr raunen, daß er bis 1767 eine Trutzfeste<br />
war, was auch die schmalen Schießscharten und der Zugang<br />
wie zu einem Bergfried noch erzählen. 1674 ist der<br />
Turm entstanden und 1 wurde später mit dem Neubau der<br />
Pfarrkirche (eiin Werk Großbayers) verbunden. Ajuch die Zeit<br />
des Historismus des 19, Jahrhunderts brachte nochmals denkmalswürdige<br />
Zeugnisse und schöne Turmbauten hervor, wenn<br />
wir beipielsweise an den Turm in Rangendingen denken.<br />
Unsere <strong>Heimat</strong> ist also reich an schönen und wertvollen<br />
Baudenkmalern hoher Turmbaukunst. Sie verkünden als verkörperter<br />
Lobgesang das österliche Halleluja, das sich in jubelnden<br />
Tönen in Himmelsnähe schließt. Sie ziehen in ihren<br />
stets verjüngenden Pyramiden, welche die Gotik mit der<br />
Kreuzblume, die spätere Zeit mit dem Kreuz krönte, hinauf<br />
in die lichten Welten der Erlösung, die uns mit der großen<br />
Heilstat und dem Auferstehungsmorgen wieder neu erschlossen<br />
wurden.<br />
- Vorgeschichte der Grabungen in Jungingen<br />
von Casimir Bumilier<br />
oberhalb der Dorfes nahe an die alte Heerstraße nach Killer<br />
heran und dort, wo damals die Furt über den Bach ging,<br />
wurde eine Steinbrüche gebaut. Kurz vor Burladingen, auf<br />
der „Schlichte", stießen die Bauarbeiter auf alte Mauern,<br />
auf ein Kastell, das aus der Römerzeit stammte. Darüberhinaus<br />
gab es aufschlußreiche Funde aus der Bronze- und<br />
Hallstattzeit. Sollte da der Pfarrer von Veringendorf nicht<br />
recht haben?<br />
, Aber in Jungingen sind noch keine Funde gemacht worden.<br />
Auf Eineck sind keine Mauerreete, sondern bloßer Felsboden.<br />
Als ich aber 1901, fünf Jahre und 4 Monate alt, zur Schule<br />
kam, war es immerhin ein Spieß, 60' cm lang, den unser<br />
Nachbar gefunden hatte und den mein Vater hütete, wie<br />
seinen Augapfel; er stammte von Hohenjungingen.<br />
Die Jahre gingen dahin, man hatte einen Musikverein<br />
gegründet, dem auch drei meiner Brüder angehörten. Schon<br />
im russisch-japanischen Krieg wurden Vorbereitungen getroffen<br />
für die Feder zum 100. Todestag von Friedrich Schiller,<br />
am 10, Mai 1905. Aus diesem Anlaß sollte auch eine<br />
Bronzeplastik aufgestellt oder angebracht werden, die sein<br />
Bild zeigte. Da eis aber keine Beziehungen zu der Gemeinde<br />
Jungingen gab, kam man auf die Idee, die Plastik auf dem<br />
Bürgle unter Eineck an einem schon bearbeiteten eichenen<br />
Balken zu befestigen. Nur wenige Meter entfernt waren<br />
jedoch einige tiefe Gräben, die zur Junginger Schanze gehörten<br />
und unweit davon ein Steinbruch,'den die Gemeinde im<br />
Betrieb hatte. Der Betrieb wurde eingestellt.'<br />
Der 10, Mai 1905 brachte zwar kühles, aber trockenes Wetter,<br />
die Sterne funkelten abends wie goldener Flitter auf<br />
dunklem Grund, Der Wind tat das Seinige, das große Feuer<br />
flammte feierlich auf und immer mächtiger empor, als die<br />
kleine Kapelle anstimmte: „Freude, edler Götterfunken!<br />
Tochter aus Elysium...!" Dann kam die großangelegte Rede<br />
des Architekturstudenten Otto Bumiller, anschließend gemeinsam<br />
gesungen: „Brüder reicht die Hand zum Bunde!"<br />
Das Leben, ging weiter. Ich ging jeden Tag zur Schule. Die<br />
Boxer in China und die Hottentotten in Afrika waren besiegt.<br />
Man rüstete zu einer neuen Feier, diesmal auf Hohenj<br />
ungingen, von wo die beiden letzten . Hochmeister des deutschen<br />
Ritterordens herstammen. In der Schlacht "bei Tannenberg,<br />
10. 6. 1410, fiel Ulrich von Jungingen gegen eine große<br />
Uebermacht, während sein Bruder Conrad bereits 1393 gestorben<br />
war.<br />
Der Albverein ließ den Zugang zu dieser Ruine herrichten.<br />
Ich~stand dabei, wie zwei Gemeindearbeiter bei der Anlegung<br />
eines Fußweges auf eine Mauer stießen und sie durchbrachen,<br />
ohne es zu merken, denn die Grundmauern waren<br />
aus demselben Material wie der anstehende Fels. Der Mörtel<br />
war von der Verwitterung zwischen dem Gestein auch von<br />
einem Fachmann kaum zu unterscheiden. Ich wagt© es nicht,
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 5<br />
etwas zu sagen und auch mein Vater, der so sehr darauf<br />
wartete, erfuhr nichts, weil ich nicht ganz sicher war. Die<br />
Mauer stand in der Verlängerung der nordöstlichen Ecke des<br />
Bergfrieds und ist heute als Stützmauer bezeichnet. Sie war<br />
über einen Meter stark. Außer dem bereits erwähnten Spieß<br />
hatte man schon oft Pfeilspitzen und Scherben in großer<br />
Menge gefunden, besonders auch Bruchstücke von Dachplatten.<br />
Mehr nach Westen zu hatte der Zinkenhannes beim<br />
Viehhüten mit seiner Geißel einmal in ein Loch gestochert,<br />
wobei ihm der Burggeist den Stock aus der Hand riß. Er<br />
hatte nur noch gehört, daß es irgendwo geklappert hat. Dort<br />
mußte also der einzige (bis jetzt festgestellte) Keller sein.<br />
Die Hanfbuche, die auch auf einer Mauer stand, war längst<br />
verbrannt. Es standen aber noch drei weitere sogenannte<br />
Krüppelbuchen da, und zwar alle auf Mauern. Die Mauern<br />
wären ja leicht auszumachen gewesen, da sie sich trotz allem<br />
Geröll und dem Einbruch am ehemaligen Keller abzeichneten.<br />
Ich war aus der Schule entlassen. Die Tannenbergfeier<br />
fand unter Mitwirkung der Vereine am 10. Juni 1910 abends<br />
statt und verlief ähnlich wie die Schillerfeier. Das Wetter<br />
war schön, aber oben auf dem Gipfel war wenig Platz für<br />
alle. So mußte ich seitwärts durch den Wald als räudig<br />
Schäflein traben.<br />
Während meiner Lehrjahre fand ich kaum noch Zeit, mich<br />
weiterhin um die Ruinen zu kümmern. Der Musikverein<br />
probte und spielte auch in den umliegenden Dörfern zum<br />
Tanz auf, wobei das Rollwägele der Eisenbahn eine gute<br />
Hilfe war. Denn der Bahnvorstand, der auch mitspielte,<br />
hing dieses dem Zug an bis nach Hausen, und wenn man<br />
dann nachts um drei Uhr ein rasselndes Geräusch, wie heute<br />
von einem Düsenjäger vernahm, dann wußte man, daß die<br />
Musikkapelle von Hausen kam. Oft wurde dabei noch geblasen<br />
und gesungen. Die Bahnübergänge wurden in voller<br />
Fahrt genommen.<br />
Bald kam der Krieg 1914/18. Nach vier Jahren kam ich<br />
wieder zurück. Die Ruinen „standen" noch. Ich kam auch<br />
wieder einmal nach Eineck, und als ich gerade am Bergfried<br />
vorbeiging, sah ich zwischen Gestein und Moos ein Stück<br />
Sandstein herausgucken. Ich stach mit dem Stock danach<br />
und sagte: „Es sind noch keine Funde gemacht worden!"<br />
Auf Hohenjungingen fanden wir in diesen Jahren einmal<br />
ein komplettes Türschloß mit einer Spiralfeder, eine ganz<br />
große Spitze für Armbrust und 13 kleine. Das Schloß mußte<br />
durch den Amtsdiener geholt werden und ist seitdem verschwunden,<br />
die große Spitze landete in Hechingen als Briefbeschwerer,<br />
und kleinere hatten wir genug. Die von mir<br />
selbst gemachten Funde wurden stets mit einem Schreiben<br />
auf dem Rathaus abgeliefert.<br />
Oft war ich in den restlichen zwanziger Jahren noch<br />
oben auf Jungingen. Man hatte eine" Kahlhieb zwischen der<br />
Ruine und dem Himberg gemacht. Es war ein ganz anderer<br />
Ueberblick. Zwei große Steinhaufen waren mir schon lange<br />
aufgefallen. Sie bestanden aus blauem Jura, der nicht hier<br />
gewachsen sein konnte. Ohne zu graben, deklarierte ich den<br />
einen als Eingangsturm, den weiter nach Süden am gleichen,<br />
angenommene]' Auffahrtsweg liegenden etwa 10 Meter langen<br />
Haufen als Brandmauer zwischen (angenommenen)<br />
Gebäuden. Dazwischen lag eine offenbar künstlich aufgefüllte<br />
Ebene, die voller Dachziegel und Mörtelresten war.<br />
Etwa in der Mitte fiel mir ein 2 qm großer Platz auf, unter<br />
Folgende Plaudereien erheben keinerlei Anspruch auf literarische<br />
Höhe und Vollständigkeit. Sie wollen nur in aller<br />
Schlichtheit einige Einzelheit :n aus der Stadt Sigmaringen<br />
und dem Gymnasialleben während des ersten Weltkrieges<br />
erzählen und die Typen einiger Lehrer in knappen Strichen<br />
zeichnen. Vom „Ersten Tertial" ist bereits in der „Hohenzollerische<br />
<strong>Heimat</strong>" 1964 Nr. 1 berichtet.<br />
In den ersten Weihnachtsferien 1916 daheim gab es eine<br />
Ueberraschung. Gleich am Stephanstag erschien des Nachbars<br />
Seffer und überreichte mir im Auftrag des Herrn Lehrers<br />
Reinh. Müller 50 Pfennig. Auf meine erstaunte Frage,<br />
was das soll, kam die Antwort: „Dees isch dr Loh(n) fir<br />
sealle Brenneßla im Sommer." Die hatte ich ganz vergessen<br />
gehabt. In der Not des Krieges (1914—18) hatten wir Schüler<br />
zur Ergänzung des vaterländischen Gespinstvorrates sage<br />
und schreibe Brennesseln sammeln müssen! Das heißt,<br />
wir hätten sammeln sollen. Aber unsern Bubenhirnen<br />
wollte nicht einleuchten, was diese jämmerlich brennenden<br />
Unkräuter, die massenhaft an den Wegrainen und Zäunen<br />
wuchsen, nützen sollten. Man konnte sie höchstens nach<br />
Aus der Schulzeit eines Fidelianers<br />
Erinnerungen an Sigmaringen<br />
dem ich eine Feuerstelle vermutete, gleich dahinter wieder<br />
eine Fläche mit einem qm, auf der nordöstlichen Ecke der<br />
Ebene vermutete ich einen Turm, weil mir genau wie an den<br />
beiden anderen Stellen die Farbe des sowieso spärlichen<br />
Grases auffiel. Weiter nach hinten, hinter der vermuteten<br />
Brandmauer, also Onstmettingen zu, fand ich ebenfalls noch<br />
viele blaue Steine, teilweise noch im Verband. Es mußten<br />
dort also noch mehr Gebäude gestanden haben.<br />
Vom „Turm" aus nach Jungingen zu, entdeckte ich, genau<br />
mit dem Fußweg verlaufend, eine Mauer, wieder aus blauen<br />
Steinen, die bis in die Nähe des Wassergrabens führend,<br />
noch Platz genug für einen Fahrweg ließ, der ja auch seit<br />
Menschengedenken vorhanden ist. Der Auswurf des Wassergrabens<br />
ist nach Norden gerichtet und nach meiner Auffassung<br />
nicht erst durch die Belagerer angelegt worden. (1311)<br />
Wie ich glaubte, hatte ich jetzt die Grundlagen und traf<br />
auch gelegentlich auf der Bahn den Herrn Landeskonservator<br />
aus Sigmaringen, dem ich das alles erzählte. Er forderte<br />
mich auf, auf dem Bürgermeisteramt vorstellig zu werden,<br />
damit die Ausgrabung veranlaßt werde. Das Gelände<br />
wurde auch vermessen. Ob die beantragten Gelder einkamen,<br />
weiß ich nicht. Zu Grabungen kam es nicht mehr. Auch<br />
nicht zu einem Freilichttheater. Die Weimarer Republik<br />
verwandelte sich in das Dritte Reich.<br />
Innerhalb 20 Jahren war ich nur wenigemal auf Jungingen<br />
und auch kaum auf Eineck. Aber 1937 nahm ich einen<br />
Spaten und eine Schaufel mit hinauf nach Jungingen. An der<br />
tiefsten Stelle ziemlich genau in der Mitte der Ruine grub<br />
ich etwa 1,60 Meter tief hinab. Laub, Wurzeln und Steine,<br />
kurz Schutt und Mörtel. Dann kam ein Boden aus Lehm<br />
und Kalkplatten Also konnte es nach meiner Auffassung<br />
nicht mehr weit zu einer Mauer sein. Aber in Deutschland<br />
hatte man anderes zu tun, als Mauern zu suchen.<br />
Der zweite Weltkrieg kam und ging. Die Alliierten kamen,<br />
am Pfingstmontag 1945 war die Kapitulation: Ein ungewöhnliches<br />
Gewitter über dem Schauplatz unserer Ruinen bildete<br />
mit einem Sonnenuntergang und Regenbogen einen bezeichnenden<br />
Abschluß. Aber vorläufig war die Graberei sinnlos.<br />
Im Jahre 1947 packte mich wieder einmal die Wut, und ich<br />
machte an dem inzwischen wieder eingefallenen Loch weiter,<br />
Killer zu. Schon kam mir das Geröll sozusagen von selbst<br />
entgegen, und ich wußte, jetzt gleich muß eine Mauer kommen;<br />
da ließ ich alles liegen und ging nach Hause. Am nächsten<br />
Samstag war ich mit zwei Junginger Bürgern wieder<br />
oben (Walter Bumiller und Bauhardt), und der strömende<br />
Regen konnte uns nicht abhalten, da weiter zu machen. Vorsichtig<br />
gingen sie da mit einer kleinen Picke daran und<br />
kratzten sich langsam nach vorn... wir standen vor der<br />
westlichen Mauer des Bergfrieds, schön mit einem Glattstrich<br />
verbrämt, der allerdings den strömenden Regen nicht<br />
vertrug und in wenigen Tagen absplitterte.<br />
Wir freuten uns wie die Kinder und kratzten dann gleich<br />
den ganzen Bergfried, von der Mauer ausgehend, eckig<br />
herum und heraus, stellten auch fest, daß es da zwei verschiedene<br />
Richtungen gab (nämlich an der östlichen Mauer),<br />
denn wir hatten den Kirchturm von Beuren von der südöstlichen<br />
Ecke her an einvisiert.<br />
Natürlich stürzten wir gleich zum Bürgermeisteramt und<br />
zu Lehrer Lorch und verkündeten ihnen unsere Botschaft!<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
unseren Begriffen in noch zartem Zustand zu Schweinefutter<br />
oder die Wurzeln zu einem Absud für Haarwuchs-Förderung<br />
benützen. Als daher Lehrer Evarist Sch., der die „nationale<br />
Hilfsaktion der Nesselbeschaffung und Sonnenblumen" leitete<br />
(letztere säte man in Ermangelung eines anderen Platzes<br />
in ganz ungeeigneten Lehmboden zur sog. Ziegelhütte),<br />
die jungen Mann- und Mädchenschaften des Dorfes in der<br />
letzten Unterrichtsstunde zum Brennesselsammeln aussandte,<br />
hat auf Verabredung die ganze Schmitteraingasse gestreikt,<br />
nämlich der Seffer, der Gottlieb, Adlerwirts Lina, s' Schultessen<br />
Töchter und natürlich auch ich. Wir zogen einfach<br />
heim und nicht in die Brennesseln. Leider hatten sich die<br />
andern Schüler unserem Kompiott nicht angeschlossen, sondern<br />
brachten, mit dicken Fausthandschuhen oder Lappen<br />
bewaffnet, ihre Buschein Brennesseln zur Schule. Was blieb<br />
den Streikenden anders übrig, als ebenfalls, weil in der Minderheit,<br />
in der Freizeit das Versäumte nachzuholen, wollten<br />
wir nicht mit dem Meerrohr des Herrn Lehrers Bekanntschaft<br />
machen oder zwei Stunden Arrest absitzen. Daß das<br />
Stöcklein schrecklich beißer. konnte, hatten wir schon erfahren,<br />
als schriftliche Nachrichten während des Unterrichts
:(6<br />
zwischen den Bänken erwischt wurden. Seit der Abreise ans<br />
Gymnasium Sigmaringen hatte ich die Brennesseln ganz<br />
vergessen, und so waren die 50 Pfennig eine schöne Ueberraschung.<br />
Es bildete eine nette Summe für uns Buben, zumal<br />
wir gewöhnlich nur 5 bis 10 Pfennig gelegentlich auf den<br />
Namenstag oder Sonntag bekamen, um uns eine Mutschel<br />
oder einen Bärendreck zu kaufen, oder für 10 Pfennig eine<br />
rote Wurst. Waren das Zeiten!<br />
Den Schnee und die prächtige Schlittenbahn haben wir in<br />
den Ferien weidlich ausgenutzt, ich mit meinem Fiedle-<br />
Schlitten oder zusammen mit Seffer auf seinem Zweisitzer.<br />
Rodelschlitten waren ganz unbekannt. Alle abschüssigen<br />
Dorfgassen bildeten hervorragende feste Bahnen für Schlittschuhe<br />
oder Schlitten, für große Holzschlitten oder kleinere<br />
zum Wasserholen am laufenden Brunnen. Die Wasserleitung<br />
war nämlich erst kurz vorher eingebaut worden und Schlitten<br />
noch vorhanden. Auf den großen Schlitten, die zur Holzabfuhr<br />
aus den Wäldern dienten, hatten gut 10 bis 15 Kinder<br />
Platz, und zwei mit Schlittschuhen bewehrte dirigierten die<br />
Deichsel. Es ging prächtig und schnell, natürlich mit viel<br />
Geschrei, das zu einer rechten Gugelfuhr gehört Nur einmal<br />
hat mir ein Neidhammel wegen des Platzes meine unentbehrliche<br />
Kappe heruntergeworfen, sodaß ich abspringen<br />
mußte, um sie zu retten, dabei aber pünktlich auf die Nase<br />
fiel. Die Tränen flössen reichlich, und das Schnupftuch trat<br />
in Tätigkeit, bis der Schlitten zur nächsten Fahrt wieder<br />
oben ankam. Gefahren durch Fuhrwerke oder Autos gab es<br />
kaum. Letztere kamen sowieso nur bei „äberen" (schneefreien)<br />
Wegen, besonders das Dreirädrige des Doktors Lehr<br />
von Burladingen, das wir geradezu ersehnten. Da gab es<br />
nämlich für Waschen und Putzen allerlei „Zickerle" und<br />
süße Brötle. Kurz nach Neujahr setzte Tauwetter ein. Aus<br />
allen Gassen und Rinnen flössen die Bächlein, sodaß sich<br />
unterhalb der Häuser im sog. Kessel unter der Schächerwies<br />
ein nicht tiefer Weiher bildete, der regelmäßig die Jugend<br />
zu gefährlichen Bootsfahrten in Gelten oder der „Metzgermuot"<br />
verleitete, wie an anderer Stelle gesagt wird. Die<br />
unausbleibliche Folge waren nasse Füße und Kleider. Aber<br />
immerhin war es nicht so heimtückisch gewesen wie das<br />
Schleifen oder Schlittschuhlaufen auf der Hilb oder im<br />
Raißle bis 1911.<br />
Das Dorf wimmelte im Krieg von Hamsterern aus<br />
dem Killer- und Fehlatal, die ein Pfündchen Butter oder<br />
Mehl, Milch oder Kartoffeln zu ergattern suchten. Bei einer<br />
Kontrolle durch Soldaten habe ich mit meiner Schwester<br />
einmal vorsorglich einen Sack Mehl kurzfristig in der hinteren<br />
Scheuer vevgraben. Eine Frau flüchtete vor dem<br />
„Schandarm" zu unserer hinteren Tür und durch das stille<br />
Örtchen hinaus und schloß in kluger Vorsicht die Türe. Als<br />
der Verfolger ums Haus und den Brunnen herumsauste, um<br />
sie zu fassen, kam sie schnell wieder, von unserer Mutter<br />
dirigiert, herein und verschwand in der Gasse. Unter einer<br />
Ladung Mist verborgen rollte ein Sack Mehl im gemächlichen<br />
Schritt unserer Ochsen au f den Seeheimerberg hinaus und<br />
wanderte dann vorsichtig die Haide hinab nach Jungingen.<br />
Die Bauern und Müller wußten sich mit den amtlichen Mahlscheinen<br />
zurechtzufinden in Erinnerung an das Bi'oelwort:<br />
„Dem dreschenden bzw. arbeitenden Ochsen sollst Du das<br />
Maul nicht verbinden."<br />
Wieder im Städtchen<br />
Vorsorglich wurden bei der Abreise ins Regierungsstädtchen<br />
auch die Schlittschuhe mitgenommen. Und es hat sich<br />
in den kommenden Jahren reichlich gelohnt. Manchmal war<br />
das ganze Wiesental von Sigmaringen bis Laiz vom Hochwasser<br />
überschwemmt, was bei einsetzender Kälte eine herrliche<br />
große Eisbahn abgab. Jung und alt, Männlein und<br />
Weiblein, tummelten sich dann dort, wo sonst dürftiges Gras<br />
wuchs. Einige „Fachleute" fehlten nicht, die Kunststücke<br />
darboten, was uns Junge mächtig aneiferte, ihnen gleich zu<br />
tun. Auch ich war ein gelehriger Schüler und brachte sogar<br />
einige Fertigkeiten zustande, vorwärts und rückwärts. Einmal<br />
freilich fuhr ich rücklings In eine Gruppe Schüler und<br />
Schülerinnen hinein, so daß alle auf einen Haufen flogen<br />
und ich ganz weich oben drauf. Glücklicherweise passierte<br />
weiter nichts, während ein andermal der Mitschüler Wojahn,<br />
von mir ungewollt angerempelt, hinfiel und den Arm auskugelte.<br />
Doch der vernünftige Vater machte keine große Szene<br />
daraus, als ich mich entschuldigte, trotzdem der Arzt beigezogen<br />
werden mußte. Später sind wir einmal, als es bei<br />
der Stadt kein Eis gab, zum Wusthauer Weiher gen<br />
Krauchenwies zum Schlittschuhlaufen gegangen, haben aber<br />
abends in unserem Eifer den Zug in Josefslust verfehlt, so<br />
daß wir zwei Stunden heimmarschieren mußten. Auch bei<br />
der „Sigmaringer Revolution", als Genosse<br />
Friedrich mit auswärtigen Kumpanen nach Kriegsende<br />
die Druckerei demolierten, den Schriftleiter Stroh mißhan-<br />
HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
delten, protestierend vor das fürstliche Schloß zogen, haben<br />
wir jüngeren Schüler uns währenddessen auf Weisung des<br />
Rektori. Waldner auf dem Eise „verlustiert". Erst abends<br />
erfuhren wir von dem Primaner Brändle und anderen, die<br />
Schloßwache, die vom Heuberg hergerufen worden, sei sofort<br />
zu den Krakeelern übergegangen und habe das am Schloßtor<br />
postierte Maschinengewehr beiseite gesetzt. Der Fürst habe<br />
den Anführer Friedrich und einige andere ins Schloß geladen<br />
und bewirten lassen, während die andern draußen jämmerlich<br />
froren, habe er schließlich eine Millionenstiftung für die<br />
Kriegsopfer gemacht, und dann seien alle friedlich auseinander<br />
gegangen. Allerdings wurde mir nie recht klar, wodurch<br />
der Redakteur der Sigmaringer Zeitung eine solch<br />
brutale Behandlung verdient haben solle. Hat er doch wie<br />
andere Schriftleiter während des Krieges getreulich zum<br />
Zeichnen der Kriegsanleihe aufgefordert, bei jedem Sieg<br />
seine Extrablätter herausgebracht, in denen zu Glockengeläute<br />
und Fahnenhissen aufgerufen wurde. Dabei spielte<br />
sein Sohn als Tertianer insofern eine große Rolle, als er die<br />
Blätter noch druckwarm austrug und mit seiner tiefen<br />
Bärenstimme alle Straßen vollbrüllte: „Sieg, Sieg! Extrablatt!<br />
Fahnen heraus!" Ebenso rätselhaft war das Vorgehen<br />
gegen den beliebten Schloßherrn, der doch so wenig Schuld<br />
an Krieg und Niederlage trug, wie alle andern, der mit der<br />
Fürstin viel Gutes getan an den Verwundeten, für die im<br />
Prinzenbau ein Lazarett errichtet war. Seine Millionenstiftung<br />
war ein neuer Beweis seines Entgegenkommens und<br />
seiner Hilfsbereitschaft in jeder Not. Die beiden Söhne hatten<br />
den Krieg mitgemacht und der Zweitgeborene hatte,<br />
wenn ich nicht irre, noch in englischer Gefangenschaft geschmachtet.<br />
Wenn der Fürst mit seiner dicken Zigarre im<br />
prächtigen Pferdegespann durch die Stadt fuhr — die herrlichen<br />
Rosse seines Marstalls bildeten sowieso die Lieblinge<br />
der ganzen Bevölkerung und der Besucher — oder die Fürstin<br />
Adelgunde durch die Straßen ging, standen wir Schüler<br />
vor Ehrfurcht still und zogen unsere Kappen zum Gruße.<br />
Das Schloß mit seinen Kunstschätzen und der Waffensammlung<br />
hat uns mächtig imponiert, und dankbar spazierten wir<br />
in den vom edlen Fürstenhaus unterhaltenen Anlagen der<br />
Au, des Brenzkofer- oder Mühlberges, oder bei den Grotten<br />
von Inzigkofen und der Teufelsbrücke sowie im Tierpark von<br />
Josefslust. Ein Schreckensschrei erscholl im Fidelishaus, als<br />
einmal einer hereinstürmte und rief: „Die Muttergottes am<br />
Schloß brennt!" Doch war es zum Glück kein Brand, sondern<br />
die elektrischen Glühbirnen, die in den Abend hinausleuchteten,<br />
so daß die Madonna mit dem Kinde selig lächelte.<br />
Auch die Sigmaringer Geschäftswelt hat von der Hofhaltung<br />
nur profitiert. Viele Läden zierte das fürstliche Wappen,<br />
und mit Stolz nannte sich der Inhaber „Hofbuchhändler,<br />
Hofkonditor, Hofapotheker" usw. So war es klar, daß<br />
später der überspannte Regierungpräsident Scberer mit seinem<br />
Verhalten gegen das Fürstenhaus wenig Anklang finden<br />
konnte.<br />
Wenn oben von der Not des Vaterlandes an Gespinstpflanzen<br />
die Rede war, so daß man auch auf den Dörfern<br />
wieder Hanf und Flachs pflanzte und die alten Hanfbrechen<br />
and Spinnräder wieder hervorholte, Mohn- und Leinöl wieder<br />
zu Ehren kam, so darf auch nicht verschwiegen werden,<br />
daß nachher unsere blauen Tertianermützen aus einem<br />
rohen Gewebe bestand, so daß nicht zu entscheiden war, ob<br />
es aus Papierfäden oder sonst einem Notprodukt bestand.<br />
Im Sommer rückten die Klassen des Gymnasiums aus zum<br />
Sammeln von L a u b h e u. Da stellte sich im Antoniustäle<br />
und anderswo heraus, daß die meisten Mitschüler unserer<br />
Klasse aus den Städten nicht einmal eine Buch i von einer<br />
Esche oder Eiche unterscheiden konnten, geschweige von<br />
einer Ahorn, genau so wie vorher im Unterricht bei Papa<br />
Fink viele die Blüte des Huflattichs (bei uns im Dorf „Roßrueben"<br />
genannt) als Löwenzahn angesehen hatten. Einmal<br />
wollte ein Mit-Fidelianer aus einem Städtchen statt Schlehen<br />
dem Rektor Waldner die Giftbeeren des Ligusterstrauchs<br />
sammeln! Allerdings gab es in der Umgebung wenig Schlehen<br />
im Gegensatz zur hohen Alb. Sie geben abgebrüht einen<br />
köstlichen Saft. In diesen Kenntnissen waren wir Buben<br />
vom Lande voraus, und da körperliche Arbeit durch Mithilfe<br />
in der Landwirtschaft eher gewöhnt, lag die Hauptlast des<br />
Laubabstreifens wesentlich auf unseren Schultern. Man hatte<br />
überhaupt den Eindruck, daß eine zweiklassige Dorfschule<br />
mit einiger Nachhilfe durch „Stunden" sicher so gut oder<br />
besser aufs Gymnasium vorbereitete, als eine achtklassige<br />
Stadtschule. Das sollten sich auch die Schulverbesserer von<br />
heute ein wenig überlegen. Man hat nicht so viel am Lehrplan<br />
herumexperimentiert, sondern die nur auf Präparandie<br />
und Lehrerseminar gebildeten Lehrer haben gearbeitet!<br />
Auch sich die nötige Autorität unter Mithilfe der Eltern<br />
zu verschaffen gewußt.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 7<br />
Wir hatten von klein an in Haus und Feld und Wald nach<br />
Kräften mitgeholfen und brauchten es nicht zu bereuen.<br />
Wie viele Holzbuscneln schleppten wir auf dem Kopfe heim,<br />
und doch kam das kindliche Spiel nicht zu kurz, standen doch<br />
Dorf und Wald und Wiese zur Verfügung. Freilich, einmal<br />
wurde es ernst, als ich im Spiel mich von dünneren, sich<br />
biegenden Bäumchen am Waldrand herab zu Boden schweben<br />
ließ, und eines mir unter den Händen abriß, ich hart<br />
auf den Grasweg plumpste, so daß mir der Ätem wegblieb.<br />
So hart bin ich nur einmal noch gestürzt, nämlich auf der<br />
Steintreppe des Zeichensaales des Pennals, wo es mich so<br />
unsanft auf das Hinterteil setzte, daß sekundenlang der<br />
Atem stockte.<br />
Was eigentlich aus unserem gesammelten Laubheu wurde,<br />
nach dem es in der Turnhalle getrocknet und in Säcke verpackt<br />
war, weiß ich nicht. Manche rieten auf Pferdefutter,<br />
andere gar auf Rauchtabak für unsere Soldaten, was schwer<br />
begreiflich wäre.<br />
In einem der Kriegsjahre ging die Grippe um. Ein Teil<br />
der Fidelianer lag schon zu Bett, die andern, darunter auch<br />
ich, wurden in die Buchenwälder gegen Jungnau geschickt,<br />
um „Büchelen" zu sammeln, die ja ein in Kriegsnot doppelt<br />
kostbares Oel ergaben. Als wir abends müde mit unseren<br />
Stumpen heimkamen, waren die andern ausgeflogen und der<br />
Unterricht am Gymnasium geschlossen. So konnten wir erst<br />
andern Tages, aber ziemlich erbost, heimfahren. In der <strong>Heimat</strong><br />
war etwas Ungewohntes vorgefallen: Die „Blooteren"<br />
(Maul- und Klauenseuche) herrschten im Dorf unter dem<br />
Vieh, soweit es Klauen hat. Gegen 10 Stück Großvieh waren<br />
schon gefallen und die Ansteckung groß. Am Ortsausgang<br />
und vor jedem Stall lag eine breite Bahn von Sägmehl, das<br />
mit einer desinfizierten Flüssigkeit getränkt war, um ein<br />
Fortschleppen der Krankheit zu verhindern. Jede Beförderung<br />
von Vieh war verboten; überall fand man polizeiliche<br />
Anschläge. Nach Wochen wurde die Sperre endlich gelockert.<br />
In diesen außerordentlichen Ferien erschien eines Abends,<br />
als wir eben Kartoffeln abluden, ein ungewohnter Wanderer<br />
übers Heufeld und schaute nach uns Pennälern: der Professor<br />
Grünewald, also eine große Ueberraschung! „Na, der ist<br />
ja fleißig", äußerte er bei meinem Anblick. „Mach nur so<br />
weiter!"<br />
Solange die Turnhalle mit Laubheu belegt war, spielten<br />
wir in der Freizeit, in der uns löblicherweise Rektor Waldner<br />
regelmäßig bei jeder Witterung ins Freie schickte, besonders<br />
gerne „Indianer", vor allem am Dettinger oder Eulenberg.<br />
Als „Fliegender Pfeil" hatte ich mein Abzeichen farbig auf<br />
ein Pappschildchen gemalt und mittels des unentbehrlichen<br />
Taschenmessers Pfeil und Bogen und Spieß geschnitzt, wie<br />
die andern alle, womit wir uns regelrechte Schlachten lieferten,<br />
auch Ueberfällt auf unsere Wigwams ausführten. Ohne<br />
Geschrei gings natürlich nicht ab oder ohne große Reden,<br />
wie bei den homerischen Helden. Die Gefährlichkeit dieser<br />
Spiele wurde uns erst klar, als eines Tages dem „Gg." eine<br />
geworfene Lanze den Aermel glatt durchschlug und ein jüngerer<br />
Mitschüler Gaus aus Empfingen eintraf, der bei einer<br />
ähnlichen Gelegenheit durch einen Pfeil ein Auge verloren<br />
hatte. Gelegentlich gab es auch Anfeindungen und fast Schlägereien<br />
der Fidelianer mit den Städtern, d. h. Nicbtgymnasiasten.<br />
Einen eigentlichen Anlaß hierzu kenne ich freilich<br />
nicht. Aehnlich war es schon auf der Alb zwischen uns Buben<br />
und denen von Jungingen auf dem Killemer Wasen zu einem<br />
Zusammenstoß gekommen, wobei schließlich zwei Zwanzigjährige<br />
uns „abschmierten". Die Folge war eine wilde Flucht<br />
des Heerbannes das Seeheimer Tal herauf, wobei d>p Mädchen,<br />
die unserem Sieg hatten zujubeln wollen, den Vortrab<br />
bildeten.<br />
Am Gymnasium gab es nun keine Mädchen, sondern nur<br />
in der Marienschule hinter Liehners Druckerei, denen ältere<br />
Schüler gelegentlich nachstellten. Köstlich war der Ausmarsch<br />
der Kleinkmderschüler, die sorgsam von einer Barmherzigen<br />
Schwester an einem Seil mit Ringen zwei und zwei<br />
über die Straße geleitet wurden. Aehnlich sittsam zwei und<br />
zwei pflegten auch die Haushaltsschülerinnen vom Josefinenstift<br />
mit der Schwester auszugehen, ebenso die Kinder vom<br />
Haus Nazareth in einer Art Uniform. Erstere nannten wir<br />
nur „Heilige Infanterie".<br />
Der Breitseite des Fidelishauses gerade gegenüber wohnte<br />
eine Familie, deren Haupttätigkeit darin zu bestehen schien,<br />
daß Frau und Töchter den ganzen Tag unter dem Fenster<br />
lagen und alle Vorbeigehenden, vor allem uns Gymnasiasten<br />
musterten, als könnten sie einen „Wunderfitz-Ablaß" gewinnen.<br />
Uns hat dies sehr geärgert, vielleicht andere Leute<br />
auch. Aber der Versuch durch Spiegeln ins Gesicht sie zu<br />
vertreiben, hatte nur einen Erfolg, daß sie sich beim Rektor<br />
beschwerten und wir einen scharfen Tadel bekamen. Einige<br />
Mitschüler schwuren Rache. Als die Nachbarn wieder einmal<br />
im Fenster lagen, erscholl aus unserem Fenster der Vers:<br />
„Den lieben langen Tag, ich heut im Fenster lag!" Aber es<br />
nutzte nichts, bis plötzlich aus der hohen Dachgaupe unseres<br />
Schlafsaales — also unsichtbar von unten — sich eine<br />
Ladung Wasser' über die Zeitvertreiberinnen ergoß. Großes<br />
Geschrei und Proteste waren die Folge, aber es kam nie<br />
heraus, wer der Missetäter gewesen war. Mehr noch verhaßt<br />
waren einige betagte Herren der Stadt, die ihre Hauptaufgabe<br />
darin sahen, die Fidelianer auf Schritt und Tritt mißtrauisch<br />
zu betrachten, was ihnen den Namen „Seelenschmecker"<br />
einbrachte.<br />
Im Stadtpfarramt waltete der alte ehemalige Rektor Marmon,<br />
stark gehbehindert, aber zäh, unterstützt vom treuen<br />
Vikar K. G r o m, bei denen wir zu beichten pflegten, falls<br />
der Weg zur Klosterkirche der Franziskaner in Gorheim uns<br />
zu weit war. Das Haus Nazareth stand unter dem Präses<br />
Ant. B i r k 1 e, der später „an Zucker" erkrankte. Von ihm<br />
erzählt man, er habe einmal in seiner Krankheit eine Flasche<br />
Wein zum Namenstag geschenkt erhalten, und hätte ihn<br />
doch nicht trinken sollen, weil er nichts ertragen konnte.<br />
Da habe er sich ins Bett gelegt, die Flasche neben sich gestellt<br />
und den köstlichen Tropfen genießerisch geschlürft<br />
mit den Worten: „So jetz mach ebbes, wenn du ka(nn)st!"<br />
Von Marmon sagt man, daß er als Leiter des Konvikts einmal<br />
zu dem später berühmt gewordenen Schriftsteller Anton<br />
Gabele, der irgendwo durchschlupfte, gesagt: „Ha, Gabele, in<br />
dir steckt a Teifele!" und ihm mit dem Brevier unsanft auf<br />
die Verlängerung des Rückens geklopft.<br />
Im Spätjahr 1918 ließ die Stadt Sigmaringen nach dem<br />
Beispiel anderer eigenes Kriegsnotgeld herausgeben, das die<br />
graphische Anstalt Pelz sehr ansprechend gestaltet hat. Die<br />
50 Pfennigscheine zeigten auf der einen Seite das stolze<br />
Fürstenschloß auf hohem Felsen mit dem weiß-schwarz-gevierten<br />
Zollernschild, auf der andern Seite in geschickter Zusammenstellung<br />
als Stadtwappen den Hirsch, über dessen<br />
Herkunft von den bayerischen Grafen von Hirschberg-Peitingen<br />
ich viele Jahre später Untersuchungen anstellen<br />
konnte, daneben kämpfende Landsturmleute, links das alte<br />
Rathaus mit den zwei Wappenscheiben, den Marktbrunnen<br />
mit dem traurig dasitzenden Narren. Letzterer deutete auf<br />
den in der Kriegszeit ruhenden Sigmaringer Brauch, am<br />
Fastnachtsdienstag die Neuvermählten des Jahres zu „bräuteln".<br />
Nämlich unter Beteiligung einer großen Volksmenge,<br />
besonders der Jugend werden die Bräutlinge einzeln auf<br />
einer primitiven Stange sitzend um den Marktbrunnen getragen,<br />
wobei Sie aus mitgeführtem Korb Brezeln und Gutsele<br />
unter die Menge werfen. Erst nach dem Kriege lebte<br />
dann der schon 1791 nachweisbare Brauch wieder auf, wobei<br />
wir Schüler natürlich nicht fehlen durften. Doch gelang es<br />
in dem Trubel nur selten, eine der ausgeworfenen Gaben<br />
unverletzt zu erhaschen. Unaufhörlich klang dazu von allen<br />
Seiten, aus allen Gassen und Straßen das Fasnetlied:<br />
„Freut Euch des Lebens, d'Simmeringer Mädla hand<br />
Peterle an,<br />
Äiles ist vergebens, koine kriegt koin Man.<br />
Und wenn se dia Mädla mit Spitza garnieret und wenn<br />
se die Preisa am Arm rum füaret,<br />
Alles ist vergebens, koine kriegt koin Man!"<br />
Das 1920 herausgegebene „Notgeld der Stadt Sigmaringen"<br />
zeigt das „Bräuteln" im Bild und den Text: Einseht hot<br />
unser Ländle so heimgsucht der Schwed' — Daß Koiner<br />
hot Luscht zum Heirata g'het, — Der Erseht der's probiert<br />
hot in selbiger Zeit, — Den hot ma vor Freud um da Brunna<br />
rum trait. — Doch heut z'Tag isch umkehrt, do hot mancher<br />
Bua, — d'Luscht wohl und s'Mädle — koi Geld doch dazua,<br />
— Koi Wohnung, nix z'essa, — Koi Kinderwiag — s'ischt<br />
schlimmer als wia im Schweda-Kriag.<br />
Der Ursprung des Brauches verliert sich im Dunkel der<br />
Vorzeit. Offenbar war Freude an neuen Familiengründungen<br />
das Hauptmotiv und das mit ier Stange eben ein ausgelassener<br />
Scherz vor Beginn der strengen Fastenzeit. Die<br />
Leitung hat der „Vetter Guser". Wenn der frivole Spötter<br />
M. Röder in seinem Lexikon des Schwäbischen Kreises 1791<br />
behauptet, nach dem Bräuteln übergebe der „Direktor" das<br />
mit Bän'iern geschmückte Zepter dem Marienbild auf dem<br />
Brunnen in Verwahrung, so will dies aus mehreren Gründen<br />
unglaubhaft erscheinen. Einmal weiß man nichts von<br />
einem solchen Bilde, sondern dort steht die Statue des Fürsten<br />
Meinrad, u. dann hätten die gläubigen Sigmaringer kaum<br />
mit einer solchen Zeremonie ein religiöses Bild „geehrt".<br />
Außer dem obligaten Turnen bestand am Pennal auch ein<br />
privater Turnverein, in dem wir gewöhnlich zweimal in der<br />
Woche nachmittags übten. Kamerad K. Dietrich von Trochtelflngen<br />
brach sich einmal bei einer Reckübung den Arm<br />
durch einen unglücklichen Sturz. Sehr beliebt war das Rundlaufgerät,<br />
das ungemein gelenkig machte und die Bauch-
8 HOHEKZOLLiRISCKBHEIMAT Jahrgang 1965<br />
muskeln stärkte. Viel geübt haben wir Schlagball, während<br />
der erst nach dem Krieg aufkommende Fußball (mit noch<br />
vielen englischen Ausdrücken) uns dann auch sonntags in<br />
den Schneckengarten lockte, wo der Sportplatz war. Heute<br />
sagt kein Mensch mehr Goal, Centerhalf usw. Einmal spielte<br />
auch Prinz Franz Joseph mit einer Altherrenmannschaft.<br />
Wir selber hielten beim Schlagball mehr auf flinkes Zuspiel,<br />
Laufen und Schlagfertigkeit mit dem kleinen Lederball. Einmal<br />
hat mir einer unversehens die Brille zertrümmert, ohne<br />
(zum Glück) das Auge zu beschädigen, trotzdem der erste<br />
Schreck mich förmlich zu Boden warf. Wir erlangten eine<br />
ziemliche Kunstfertigkeit, vor allem durch die Anleitung<br />
von Glas und Graf, so daß wir in der Oberklasse ein Wettspiel<br />
bei Gorheim gegen das Gymnasium Hechingen wagen<br />
konnten und gewannen, während die Gäste uns in Leichtathletik<br />
überrundeten. Auch in den Ferien konnte ich mich<br />
durch Flinkheit beim Spiel mit meinen Altersgenossen wohl<br />
sehen lassen. Aber damit noch nicht zufrieden, wollte ich<br />
noch mehr, ja sogar vor andern großtun. Das sollte zum<br />
Verhängnis werden für meinen Stolz: Ich übte mich in den<br />
Ferien eifrig im Hochsprung, aber unbedacht an ganz ungeeignetem<br />
Ort, nämlich hinter dem Haus neben der Sausteig.<br />
Da ereilte mich das Verhängnis. Nach einem mustergültigen<br />
Sprung blieb ich an einem im Boden steckenden<br />
Holzstecken hängen, stürzte durch den Schwung viel zu<br />
weit vorwärts und landete mit Kopf und schützend vorgestreckten<br />
Händen pünktlich in der übelriechenden Brühe des<br />
offenen Sauloches. Erste Sorge: „Hats jemand gesehen?"<br />
Aber fragt nicht, wie ich und die Kleider dufteten!<br />
Präfekt Josef Rager, der immer an schwacher Stimme litt,<br />
war sehr für das religiöse Leben des Fidelishauses<br />
besorgt, wobei neue Gebetbüchlein in der Kapelle benützt<br />
wurden. Auch pflegte er uns öfter die Aufgaben abzuhören<br />
oder sonstige Prüfungen anzustellen. Zu seinem größten Erstaunen<br />
wußte von uns keiner, was auf lateinisch der<br />
Jude heißt, trotzdem doch eigentlich der Kreuzestitel „Rex<br />
Judaeorum" uns hätte bekannt sein sollen. Aber da versagte<br />
sogar der Primus Joh. Mayer, ein Landmann Ragers. Letzterer<br />
und der Rektor haben sich einmal in psychologischen<br />
Ueberlegungen schwer verrechnet. Einem Mitschüler war<br />
Geld entwendet worden; bei den vielen verlockenden Angeboten<br />
in den Schaufenstern der Stadt eigentlich kein<br />
Wunder! Nun machten die Vorsteher bekannt, einer um den<br />
andern vom unteren Studiersaal solle hinauskommen bis zur<br />
Kapellentür, da könne der Täter von allen unbemerkt das<br />
entwendete Geld dem Rektor abgeben und ohne Nachteil<br />
seinen Fehltritt bekennen. Allein es klappte nicht. Einer der<br />
Buben hatte kurz zuvor von einem Besucher etwas Geld bekommen<br />
und noch nicht abgeliefert, wie es üblich war. Er<br />
hat nun aus Angst sein Geld auf dem Gang in den dort<br />
hängenden Schirm gesteckt, was der auf der Lauer liegende<br />
Präfekt vom kleinen Zimmer aus beobachtete. Sein Triumph,<br />
den Täter entdeckt zu haben, zerrann natürlich sehr bald.<br />
Als einmal der Sepp von Hetlingen nachts im Schlafsaal<br />
redete, als wäre es im Traum, entstand ein großer Spektakel.<br />
Rager jedoch durchschaute die Situation sofort und rief den<br />
Simulanten schnell mit einer Ohrfeige zum „Bewußtsein"<br />
zurück. Fortsetzung folgt!<br />
Aus dem Militärwesen im 18. Jahrhundert<br />
Nach dem Kreisbeschluß von 1732 stellte der Schwäbische<br />
Kreis zum Reichsheer: 4 Infanterieregimenter mit je 850<br />
Mann, 2 Kavallerieregimenter, 1 Kürassier- und 1 Dragonerregiment<br />
mit je 304 Mann. Im Kriegsfalle trat je eine Verdoppelung<br />
ein. Die einzelnen Stände des Schwäbischen Kreises<br />
stellten nicht die Artillerie, sondern sie wurde direkt<br />
vom Kreis geworben. Fürstenberg stellte zur Reichsarmee<br />
des Schwäb. Kreises 388 Mann Infanterie und 66 Mann Reiter.<br />
Die Infanterie des Fürstentums kam zum fürstenbergischen<br />
Regiment, dabei hatten die Aemter Heiligenberg, Trochtelfingen<br />
und Jungnau 112 Mann aufzubringen, zum Kürassierregiment<br />
stellten die 3 Aemter 20 Mann. Die Rekrutierung<br />
bei der Infanterie und Kavallerie besorgten die einzelnen<br />
Stände durch Werbung. Wenn aber die nötigen Mannschaften<br />
dadurch nicht aufgebracht werden konnten, erfolgte die<br />
Aushebung bei den Untertanen. Wollten andere Staaten<br />
Truppen im fürstenbergischen Gebiet werben, so mußten sie<br />
die Erlaubnis des Fürsten haben. 1748 bekamen die Generalstaaten<br />
der vereinigten Niederlande diese Erlaubnis, ebenso<br />
erhielten Württemberg 1755 und Preußen 1790 fragliche Erlaubnis.<br />
1739 sollten auf Ansuchen des Kaisers 140 Rekruten, eine<br />
komplette Kompanie, aus der ganzen Herrschaft angeworben<br />
werden. Die Kosten für Anwerbung, Montierung, Transportierung<br />
und allem übrigen beliefen sich für Heiligenberg<br />
und die Vogteien Trochtelflngen und Jungnau auf 4556 fl. 23<br />
kr. Die Hälfte davon übernahm der Fürst. 1749 sollten vom<br />
Schwäb. Kre für den Kaiser 3000 Rekruten aufgestellt werden.<br />
Fürstenberg übernahm 3 51 „nach dem jetzigen Kreis-<br />
Marticulare Geld Anschlag". Sie sollten dem Kaiserl. Königl.<br />
Infanterie Regiment zugeteilt werden. 1800 mußte das Amt<br />
zur Komplettierung der Kreiskontingente 20 Mann stellen.<br />
In der Friedenszeit lagen die Kontingente der einzelnen<br />
Stände in ihrer <strong>Heimat</strong> und waren nicht einmal kompanie-<br />
Im Jahre 1751, nach der gnadenreichen Geburt des Erlösers<br />
und Weltheilandes Jesu Christi, unter der glorreichen Regierung<br />
des Papstes Benedikt XIV., der Kaiserin Maria Theresia<br />
und ihres Gemahls Franz I. von Lothringen, unter dem<br />
Bischof Fr. Konstantin Roth in Kostniz, als der noch minderjährige<br />
Freiherr Marquard Speth in Gammertingen Territorialherr<br />
über Neufra und Konstantin Adalbert Sallwürk<br />
von Ehingen an der Donau Pfarrer in Neufra war, wurde<br />
zur Erinnerung an 14 aufernande folgende Hagel jähre und<br />
zur Abwendung weiteren Hageischlages die Hochbergkapelle<br />
aus milden Beiträgen auf dem östlich von Neutra gelegenen<br />
Hochberg zu Ehren des hl Kreuzes Christi und zur besonderen<br />
Anrufung und Verehrung der hl. Märtyrer Eulogius<br />
und Vitus erbaut und im Herbste des darauf folgenden Jahres<br />
am Feste der Erhöhung des hl. Kreuzes durch den Hocn-<br />
Die Hochbergkapelle bei Neufra<br />
weise zusammengezogen, doch sollte alle zwei Monate ein<br />
gemeinsames Kompaniexerzieren stattfinden. Es waren daher<br />
im 18. Jahrhundert in Trochtelflngen und den anderen<br />
Orten der Vogtei Musketiere und Kontingentsreiter einquartiert.<br />
Die Zahl der Einquartierten ist nicht bekannt. 1742<br />
wurden 12 Reiter zum Exerzieren beim „Rößle" befohlen, erschienen<br />
aber nicht. Sie erhielten für ihre Meuterei Prügel,<br />
und zwar 75, 50, 30 Streiche und einer mußte 2 Stunden lang<br />
den Sattel tragen. Ob 1742 sich noch weitere Soldaten in<br />
Trochtelflngen befanden, ist nicht angegeben.<br />
Im Januar 1733 ist ein Bauer in Steinhilben von Hans<br />
Georg Scherer erstochen worden, „welcher sich dato in hiesiger<br />
Kirchenfreiheit befindet und genau verwahrt wird, welches<br />
aber gnädigster Herrschaft sehr kostbar sein wird, indem<br />
von Stund zu Stund bis 10 Mann bestellt werden müssen".<br />
— 1736 bekam ein Musketier in Trochtelflngen 50 und<br />
ein anderer 30 Prügelstreiche, weil sie „ein Weibsbild nicht<br />
gut bewacht und in die Kirchenfreiheit hatten gelangen lassen."<br />
— 1764 werden drei Kontigentsreiter in Trochtelflngen<br />
erwähnt, die miteinander Händel mit Verwundung hatten.<br />
Für einen der Reiter gab es zweimal je 50 Stockhiebe auf<br />
den Rücken und auf den Hintern und für die beiden anderen<br />
je 40 und 30 Prügelstreiche. — Auch für sittliche Verfehlungen<br />
werden wiederholt „wohlangebrachte Stockstreiche" erwähnt.<br />
Es werden in den Akten auch Desertionen angeführt. 1760<br />
bekam ein Fahnenflüchtiger von Steinhilben 50 Prügelstreiche,<br />
als er sich wieder stellte. Die Unkosten in einem<br />
solchen Falle wurden vom Vermögen des Deserteurs abgezogen,<br />
sofern er ein solches besaß. 1794 wurde von der<br />
Kreisversammlung beschlossen, wer einen Deserteur einliefert,<br />
bekommt 20 fl., war derselbe ein Kavallerist und wurde<br />
auch dessen Pferd eingefangen, dann wurden 30 fl. bezahlt.<br />
(Eisele, Manuskriptennachlaß.) R. in R.<br />
würdiger Herrn Dekan Josef Matthäus von Tempeibach, damaligen<br />
Pfarrer in Trochtelflngen, feierlich eingeweiht.<br />
1753 wurde das Türmche^: auf die westliche Seite der Kapelle<br />
gebaut um' von den beiden Eheleuten Andreas Herre<br />
und Konstantia Fusa die Hochbergglocke um 77 fl. 6 kr. angekauft<br />
und ex devoto der Kapelle zum Gebrauch Übermacht.<br />
Am St. Andreastag, den 30. November, wird mittags zwischen<br />
11 und 12 Uhr dreimal geläutet zu Ehren der Stifter der<br />
Kapellenglocke. Der Mesner erhält für das Läuten eine Gebühr<br />
von 2 Mark.<br />
1762 wurden beide Nebenaltäre, der Marienaltar von Daniel<br />
Hansenbauer und 1er Eulogiusaltar von Pfarrer F. Konstantin<br />
Salwürk gestiftet.<br />
Im Jahre 1856 stiftete Untermüller Franz Josef Vogel die<br />
5 Register starke Orgel, von Philipp Rädle erbaut, die an-
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 9<br />
fangs auf der Evangelienseite im Presbyterium, im Februar<br />
1866 aber auf die Empore aufgestellt wurde.<br />
Im Jahre 1866 wurde der Stationenweg gemacht. Die Einwohner<br />
leisteten Frondienste. Die Stationsbilder wurden von<br />
Paul Neuburger gestiftet, die Stationen durch milde Beiträge<br />
erbaut, die Bilder von Malermeister C. Hanner von Gammertingen<br />
gemalt. 1886 wurden diese unter Pfarrverweser<br />
Josef Pfister renoviert.<br />
Zur Kreuz- oder Hochbergkapelle führt ein schöner Fußweg,<br />
an dem die Stationen erbaut sind. In der Nähe der<br />
Kapelle ist ein Missionskreuz, das am 2. April 1854 bei der<br />
Mission in Gammertingen benediciert und von 16 hiesigen<br />
Ledigen auf den Hochberg getragen wurde.<br />
Zur Erinnerung an den Krieg 1870/71 wurde bei der Kapelle<br />
für die drei verstorbenen Krieger ein Kriegerdenkmal<br />
erbaut und eine Friedenseiche gepflanzt.<br />
Die Hochbergkapelle war lange Zeit eine von den Gläu-<br />
bigen der ganzen Umgegend viel besuchte Wallfahrtskapelle,<br />
wie auch aus den zahlreichen in der Kapelle aufbewahrten,<br />
zum Teil recht interessanten Votivtafeln ersichtlich ist. Am<br />
Feste des hl. Eulogius wurden von Neufra und benachbarten<br />
Dörfern in früheren Jahren die Pferde auf dem großen Platz<br />
bei der Kapelle gebracht und von dem Geistlichen gesegnet.<br />
An den Festen vom hl. Kreuz und am Blutfreitag, auch bisweilen<br />
am Eulogiusfeste, finden noch heute Prozessionen<br />
nach der Kapelle stati.<br />
Auf der Hochbergkapelle ist wegen der Blitzgefahr ein<br />
Blitzableiter angebracht, da der Blitz schon mehrmals in die<br />
Kapelle eingeschlagen hat, so am 31. Juli 1808 und am 21.<br />
Mai 1816. Den 11. November 1847 brannte es auf dem Hochberg.<br />
Am 21. Juli 1878 abends 9 Uhr kam ein heftiges Gewitter.<br />
Der Blitz schlug in die Hochbergkapelle, zerstörte<br />
die Decke, Kästen etc., daß 180 Mark zur Reparatur notwendig<br />
waren. t Joh. M u s c h a 1.<br />
Ausgrabungen bei der ehemaligen Burg „Ror" bei Bisingen<br />
Sicher ist es nur wenigen bekannt, daß südwestlich von<br />
Bisingen noch Ruinen von der ehemaligen Burg „Ror" sind.<br />
Nicht nur der Flurname für den umliegenden Bereich weist<br />
auf den Standort dieses „festen Platzes" hin, sondern die zum<br />
Teil noch gut erhaltenen Mauerreste geben dem Betrachter<br />
die Möglichkeit, den Burgbereich eindeutig im Gelände zu<br />
erkennen.<br />
Auf einer Bergnase, die dem Hundsrück vorgelagert ist,<br />
dicht an der steil ins Klingenbachtal abfallenden Nordwestspitze,<br />
wurde die Burg errichtet. Ein breiter zum Teil auch<br />
tiefer Graben trennt diesen Bergrücken von dem sehr steil<br />
ansteigenden rückwärtigen Gelände ab.<br />
Beim Betrachten dieser günstig angelegten Burganlage<br />
könnte man denen recht geben, welche diesem Wohnsitz zu<br />
damaligen Zeiten eine Bedeutung zumessen, obwohl nur<br />
spärliche Niederschriften von dem Burgsitz „Ror" Kenntnis<br />
geben.<br />
Die Herren des Bisinger Ortsadels „die Walger", auch<br />
„Walker" genannt, legten Ende des 10. Jahrhunderts diesen<br />
Burgsitz an, daneben wohnten sie auch in Bisingen, wo sie<br />
einen Wohnsitz in der Nähe des heutigen katholischen Pfarrhofes<br />
hatten, doch zeugen nur noch geringe Spuren davon.<br />
Die Burg „Ror" wurde im Jahre 1311 im Verlauf kriegerischer<br />
Auseinandersetzungen zerstört und nicht mehr aufgebaut.<br />
Die Bezeichnung „Schlößle" kam erst später auf, was<br />
keineswegs dazu führen sollte, sich darunter eine geräumige<br />
Schloßanlage vorzustellen. Deswegen dürfen auch keine zu<br />
großen Erwartungen in wertvolle Funde gesetzt werden. Das<br />
Leben hat sich in einem festen Wohnsitz sehr bescheiden abgespielt,<br />
denn nur wenig Raum war für Wohnzwecke ausgewiesen.<br />
Aufgabe der Grabungen wird es nun sein, darüber<br />
etwas Kenntnis zu erhalten, wie das Leben in der Burg<br />
„Ror" ausgesehen hat.<br />
Der <strong>Heimat</strong>verein Bisingen-Steinhofen hat sich für die<br />
Burg zwei Aufgaben gestellt. Erstmals sollen die vorhandenen<br />
Mauerreste vor einem weiteren Zerfall geschützt werden.<br />
Die Mauerreste wurden verfestigt, die Fugen verstrichen und<br />
verkeilt. Durch einen Glattstrich wurde die Mauerkrone abgedeckt.<br />
Diese Arbeiten sind zügig vorangeschritten. Die andere<br />
Aufgabe ist im Bereich der früheren Gebäulicnkeiten,<br />
nach Funden zu schürfen, daneben sollen die angeschnittenen<br />
Mauerreste laufend eine Verfestigung erhalten. Es ist ein<br />
mühevolles Unternehmen, das sich der <strong>Heimat</strong>verein aufgegeben<br />
hat.<br />
Die Grabungen haben die Zerstörung der Burg durch Feuer<br />
eindeutig bestätigt. So deuten z, B. die Brandspuren an den<br />
Mauersteinen und die verkohlten Balkenstücke hierauf hin.<br />
Ebenso weisen 5ie kleinen Dachziegelsplitter auf ein größeres<br />
Feuer mit starker Hitzeentwicklung. Es ist aber auch daraus<br />
zu schl ~ßen. 'laß zum Burgbau viel Holz verwendet worden<br />
ist. Selbst die Art der Ausfachung der Wände kann aus<br />
den freigelegten Trümmern, welche unter dem Waldboden<br />
seit Jahrhunderten liegen, nachgewiesen werden. Die mit<br />
Lehm bestrichenen Flechtwerke zwischen den Pfosten sind<br />
bei der Hitze zu harten Gebilden gebrannt worden.<br />
Die freigelegten Fußböden bestehen aus Steinplatten, daneben<br />
sind die als Lehmstrich hergestellten Fußböden gut zu<br />
erkennen, teilweise sind diese zu Ton gebrannt. Auf diesen<br />
Flächen finden wir nun das, was uns besonders interessiert.<br />
So entdeckte man eiserne Türbeschläge wie Kloben, Bänder<br />
und Verriegelungen. Diese Bescniagteile sind in schmuckloser,<br />
aber zweckmäßiger Form hergestellt. Die kräftige<br />
Ausführung der Türbänder läßt darauf schließen, daß die<br />
zugehörigen Türen sehr stark gewesen sein müssen. Reste<br />
von Tongefäßen, Pfeilspitzen und Bolzen lagern unter Ziegel-<br />
Von Kreisbaumeister Wachendorfer, Hechingen<br />
splitt. Ebenso sind lange, spitz ausgeschmiedete Nägel mit<br />
dicken unregelmäßigen Köpfen zu finden, Kettenglieder und<br />
Teile von Saumzeug liegen zerstreut am Boden, bemerkenswert<br />
sind Teile und Scherben von Tongefäßen, die nach<br />
ihrem Zusammensetzen die Größe eines mittleren Blumentopfes<br />
haben. Zuerst hielt man diese für Haushaltsgeräte.<br />
Aus der Menge und Lage schließen Fachleute, daß es sich um<br />
Ofenteile handelt. Eine Feuerstelle, zu der diese Teile gehören<br />
könnten, ist jedoch noch nicht angeschnitten worden.<br />
Die Tonkörper wurden in die Wände des Ofens eingemauert<br />
und dienten zur besseren Wärmeabgabe. Eine kunstvoll geformte<br />
Abdeckung des Ofens wurde in mühevoller Arbeit<br />
aus den einzelnen Scherben zusammengefügt. Hierbei handelt<br />
es sich wohl um einen der schönsten Funde, welche ausgemacht<br />
wurden. Auf einer kreisrunden Schale mit etwa 25<br />
cm Durchmesser ist ein kegelförmiger Aufbau bzw. Aufsatz,<br />
der 3 reliefartig geformte Gesichtsmasken von Männern<br />
trägt. Die Modellierung ist sehr fein gegliedert.<br />
Das wertvollste Fundstück ist eine aus Hirschhorn reliefartig<br />
geschnitzte Madonna. Wenn auch der untere Teil fehlt,<br />
so lassen sich an der Ausbildung des Schleiers und der wohlgeformten<br />
Gesichtszügen mit der leicht unter dem Schleier<br />
herausschauenden Haartracht gotische Merkmale feststellen;<br />
daß sie aus Meisterhänden hervorgegangen ist, verraten die<br />
so maßgerechten Proportionen.<br />
Bemerkenswert ist auch der Fund eines etwa pfenniggroßen<br />
Silberplättchens, welches beinahe Kreisform aufweist.<br />
Die Prägung auf der Vorderseite, welche eine offene Handfläche<br />
darstellt, verrät den „Haller Heller". Pfeilspitzen, mit<br />
einem Oehr versehen, haben sich als Brandpfeile ausmachen<br />
lassen. In das Oehr wurde ein ölgetränkter Flachsbausch<br />
gesteckt, welcher vor seinem Abschuß in Brand gesetzt<br />
wurde.<br />
Eine Vielzahl von Hausgeräten, vor allem Töpfe und<br />
und Krüge, wurden sichergestellt. Teilweise sind diese ohne<br />
Zierat in einfachen Zweckformen, andere verraten künstliche<br />
Fertigkeiten hinsichtlich ihren Formen.<br />
Mehr als 10 Jahre uemüht sich der <strong>Heimat</strong>verein Bisingen-<br />
Steinhofen, die Geschichte der Burg „Ror" durch Ausgrabungen<br />
zu veranschaulichen. Nicht immer werden bei diesen<br />
Grabungen alle Erwartungen befriedigend erfüllt. Zu dieser<br />
Arbeit gehören viel Ausdauer und Geduld. Behutsam muß<br />
Schichte für Schichte mit leichten Geräten gelockert, durchgesiebt<br />
und genau untersucht werden. Der noch so unbedeutend<br />
erscheinende Scherben kann Bruchstück eines vielleicht<br />
sehr wertvollen Gegenstandes sein. Niehl nur Fachwissen,<br />
sondern auch etwas Phantasie und Kombinationssinn müssen<br />
für die Aufgabe dasein.<br />
Ein Problem bildet die Beseitigung des anfallenden Schuttes.<br />
Es geht nicht an, daß dieser einfach hinter den MauerteSlen<br />
als Geröllhalde gelagert wird. Er sollte aus der Burganlage<br />
hinaus an eine passende Stelle befördert werden. Eine<br />
Brücke über dem Wallgraben und ein besserer Zufahrtsweg<br />
wären hierfür anzulegen.<br />
Das Geschlecht der Walger und ihr Burgsitz „Ror" mag<br />
für unsere <strong>Heimat</strong>geschichte keine so wesentliche Bedeutung<br />
gehabt haben. Doch ist das Bemühen für die Erforschung<br />
dieser Burganlage in der heutigen Zeit recht anerkennenswert.<br />
Seine Freizeit für die Erforschung der <strong>Heimat</strong>geschichte zu<br />
verwenden, ist eine sinnvolle und lobenswerte Beschäftigung.<br />
Es ist zu hoffen, daß es dem Verein gelingen werde, das<br />
<strong>Heimat</strong>museum in Bälde zu eröffnen, um einem größeren<br />
Kreis von Interessenten das Ergebnis ihrer Bemühungen zu<br />
zeigen.
:(10 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Das wilde Heer (Wuotisheer) zu Veringen ^ nach der zimmeren chromk.<br />
Die Nacht ist kühl, der Mond scheint fahl,<br />
Da kommen Schatten ohne Zahl<br />
Das Tal heraufgezogen.<br />
Es braust wie ein erregtes Meer,<br />
Vor Veringen das wilde Heer<br />
Ist um die Eck gebogen.<br />
Beim untern Turme auf der Bruck,<br />
Da stauet sich der seltsam' Spuk,<br />
Man hört ans Stadttor pochen.<br />
Der Wächter aus dem Schlaf erwacht,<br />
„Wer wil! noch rein um Mitternacht?"<br />
Hat murrig er gesprochen.<br />
Doch kaum ward er des Volks gewahr,<br />
Da sträubt der Schreck ihm Bart und Haar,<br />
Die Stimm' hats ihm verschlagen.<br />
Er rennt den flnstem Torweg rauf,<br />
In atemlosen, raschen Lauf<br />
Diesmal gehts ihm an' Kragen!<br />
Dieweil das Tor sich selbst aufschließt<br />
Und in den stillen Ort sich gießt<br />
Die Schar auf Geisterschwingen.<br />
Grad um die mitternächtlich' Zeit,<br />
Tief schlafen alle Bürgersleut;<br />
Zur Burg hinauf sie springen.<br />
Dort Wirbeln sie zum Tor hinein,<br />
Und bei des Mondes Zauberschein<br />
Umtanzen sie die Mauern.<br />
Dazu ein dumpfer Trommelklang,<br />
Und düst'rer grauslicher Gesang<br />
Läßt Herz und Mut erschauern.<br />
„Huh! Huh! Wir sind das Wuotisheer,<br />
Vom Welschland kommen wir daher,<br />
Vor Monden ausgezogen.<br />
Als brave deutsche Landsknechtschar,<br />
Dem Kaiser dienten wir manch Jahr,<br />
In Treue ungelogen.<br />
In heißer, blut'ger Mänerschlacht.i)<br />
Hab'n wir den Feind zur Streck' gebracht,<br />
Der Frundsberga) führt die Haufen.<br />
Bevor man zur Retraite blies,<br />
Von uns gar mancher s'Leben ließ,<br />
Vergaß für immer s'Schnaufen!<br />
Drauf steckt man uns ins Massengrab,<br />
Den Bayr, den Frank, den Sachs, den Schwab,<br />
Wir ruhten aus vom Streiten.<br />
Und Jahre lagen wir beisamm'<br />
Bis wieder uns die Kunde kam,<br />
Von deutscher Not und Leiden!3)<br />
Da hielt uns nichts mehr in dem Loch,<br />
Ein jeder aus dem Boden kroch,<br />
So wie er grad gelegen.<br />
Und nordwärts ging der wilde Zug,<br />
Wie mit gespensterhaftem Flug,<br />
Auf nächtlich stillen Wegen.<br />
Erst, wenn dem römisch-deutschen Reich<br />
Der Frieden wird, dann alsogleich,<br />
Auch uns wird wieder Frieden.<br />
bann steigen wir zurück ins Grab,<br />
Der Bayr, der Frank, der Sachs, der Schwab,<br />
Im fernen welschen Süden!"<br />
So singen sie, so gröhlen sie,<br />
In düst'rer Landsknechtmelodie<br />
Und drehen wilde Reigen.<br />
Aus dem Gemäuer aufgeweckt<br />
Flieh'n Käuze kreischend und erschreckt.<br />
Im Tal herrscht tiefes Schweigen.<br />
Der eine überm Kopfe schwingt<br />
Sein rechtes Bein und hüpft und springt<br />
Ganz wacker auf dem linken.<br />
Ein andrer gar, der eitle Tropf,<br />
Trägt unter'm Arm den eig'nen Kopf<br />
und gibt ihm noch zu trinken.<br />
Noch einer läßt, daß Gott erbarm,<br />
An einer Schnur den losen Arm<br />
Um seine Schultern baumeln.<br />
Es klingt und klappert bleich Gebein,<br />
Dazu das Kalbfell schlägt Freund Hein,<br />
Bis sie vor Schwindel taumeln.<br />
So tanzen sie, so springen sie,<br />
Nach schwerer Landsknechtmelodie<br />
Die häßlichen Gestalten.<br />
Dieweil der Wächter von dem Tor,<br />
Von ferne lauscht mit bangem Ohr<br />
Und sieht ihr schaurig Walten.<br />
Da trennt ein Schatten sich vom Häuf<br />
Und ist in überstürztem Lauf<br />
Zum Markt hinabgesprungen.<br />
„Hoi, Mano! Hoi, brüllt dumpf der Wicht,<br />
Mano! Hans Droscher, hörst mich nicht?"<br />
Hat's durch die Nacht geklungen.<br />
Den Wächter fasset Schreck und Graus,<br />
Und tät zum heiligen Nikolaus*)<br />
Mit großer Inbrunst flehen.<br />
Doch ehe er sichs recht versah,<br />
Ist auch der Geistermann schon da.<br />
Er kann ihn deutlich sehen.<br />
Der vor ihm steht, das ist, Pardauz,<br />
Ein äußerst kurioser Kauz,<br />
Beinahe wärs zum Lachen.<br />
Ein wüster Spalt den Schädel trennt,<br />
Gemacht mit scharfem Instrument,<br />
Vom Wirbel bis zum Rachen.<br />
„Ich bin", mault der, „Sepp Häberlein<br />
Aus Veringen, bin einst im Mai'n<br />
Als Landsknecht requirieret.<br />
Im Süden, so ein welscher Dieb,<br />
Hat mir im Kampf mit einem Hieb<br />
Den Schädel durchhalbieret.<br />
Doch da kein Feldscher in der Schar,<br />
Muß ich nun schon seit Tag und Jahr<br />
Halbierten Hauptes wandern.<br />
So nehmt dies Tuch, ich bitt Euch drum,<br />
Verbind't die Hälften um und um<br />
Die eine mit der andern."<br />
Hans Dröscher fasset wieder Mut,<br />
Er wundert sich und spricht: „Nun gut!<br />
Ich wills einmal probieren!"<br />
Er dreht das Tuch zu einem Strick,<br />
„Wohlan versuchen wir das Glück,<br />
Den Schaden zu kurieren!"<br />
Zusammen klappt er, was geteilt,<br />
Alsdann umschlingt er unverweilt<br />
Den Schädel dieses Schwaben.<br />
Zum Schluß noch einen festen Knopf<br />
Macht er an seines Landmanns Kopf.<br />
„So, jetzt laß dich vergraben!"<br />
„Habt ewig Dank!" Der andere spricht.<br />
„Ach leider muß ich armer Wicht<br />
Noch weiter mit den andern.<br />
Grüß mir den Vetter Veit, die Bas,<br />
Die ehrsam Jungfer Anastas!<br />
Muß leider weiter wandern.<br />
Dies eine sei Euch noch gesagt,<br />
Daß Eure Neugier nicht es wagt,<br />
Dem Zuge nachzugucken.<br />
Drum rat ich Euch, Gevatter, seht<br />
Nach rückwärts jetzt und hübsch umdreht<br />
Wohl Euren breiten Rucken!"<br />
Der Dröscher macht, gesagt, getan<br />
Die Wendung, die der Geistermann<br />
Ihm eben anempfohlen.<br />
Der andere räuspert sich und meint:<br />
„So jetzt leb wohl, mein guter Freund!<br />
Ich mach mich auf die Sohlen!"<br />
Drauf huscht er weg zur Geisterschar,<br />
Die schon beim Obern Tore war<br />
Und eben wollt verschwinden.<br />
Der Wächter schreit: „He, Landsmann, du!<br />
Der Herr geb' Dir die ewige Ruh,<br />
Die Du nicht konntest finden!"<br />
Der Tölpel ruft's und dreht sich rum,<br />
Da wird im Kopfe ihm ganz dumm,<br />
Ist wie vors Hirn geschlagen.<br />
Obwohl er wollt nach Hause geh'n,<br />
Blieb er am selben Flecke steh'n,<br />
Die Füß den Dienst versagen.<br />
Doch als der helle Morgen kam,<br />
Da war vor Traurigkeit und Gram<br />
Er auf die Erd gesunken.<br />
Und aus dem nächst gelegenen Haus<br />
Hat er den Vetter Michel Stauß,<br />
Stumm zu sich hergewunken.<br />
Hans Dröscher, in sein Heim gebracht,<br />
Hat nicht geweint, hat nicht gelacht,<br />
Ist in sein Bett gekrochen.<br />
Sinnierte still und starrte trüb,<br />
In eine Eck und liegen blieb,<br />
Er sechzehn lange Wochen.<br />
Was weiter mit dem Mann geschah,<br />
Darüber die Historia<br />
Hat nun sich ausgeschwiegen.<br />
Jahrhundert rauschten übers Land,<br />
Was einst hier lebt' und litt, verschwand,<br />
Ist längst ins Grab gesunken.<br />
Noch heute schwebt der Vorzeit Hauch<br />
Ums Städtchen, leicht wie Höhenrauch,<br />
Umkreiset Burg und Mauern.<br />
Aus finstern Felsenlöchern weht<br />
Und durch die stillen Tannen geht<br />
Geheimnisvolles Trauern.<br />
Wolfrat 1928.<br />
E. Burkarth.<br />
1) Belagerung von Pavia im Jahre 1525.<br />
2) Frundsberg, Feldhauptmann der Landsknechte,<br />
starb 1528 in Mindelheim (Bay.).<br />
Dort beerdigt.<br />
3) Religiöse-politische Kämpfe in Deutschland.<br />
4) Der hl. Nikolaus ist noch heute der<br />
Kirchenpatron in Veringenstadt.
Jp'^rgapg "965 H O H E N Z O T L E R I S C H E H E I M A ^ II<br />
Zwei römische Gebäude bei Sigmaringen ausgegraben<br />
Immer wieder stößt man im Räume Laiz—Inzigkofen—Sigmaringen<br />
auf römische Gebäudefunde, Straßen oder Bodenfunde<br />
mannigfacher Art. So stellte Ende Juli 1964 der Bahnbeamte<br />
Max Beck aus Inzigkofen 1,2 km südlich des Ortes<br />
(300 Meter südlich des Kieswerkes Baresel) fest, daß sich auf<br />
der Wiese des Landwirts Paul Burth, auf dem höchsten<br />
Punkte des „Alt Belai", durch Dürre des Graswuchses die<br />
Fundamente eines Gebäudes abzeichneten. Die Feststellungen<br />
ergaben, daß etwa 8 cm unter der Grasnarbe die sehr gut<br />
erhaltenen Fundamente eines römischen Gebäudes, in einer<br />
Größe von 7 mal 9,30 Meter, zum Vorschein kamen. Das<br />
Mauerwerk überraschte durch die Güte des Mörtels, den teilweise<br />
noch erhaltenen Estrichfußboden und vor allem durch<br />
den tadelosen Verband des Kalksteinmauerwerks. Welchem<br />
Zweck das Gebäude diente, ob zu einem Gutshof oder einer<br />
militärischen Anlage gehörig, konnte noch nicht festgestellt<br />
werden, da keine planmäßige Ausgrabung erfolgte. Das<br />
Staatliche Amt für Denkmalspflege in Tübingen riet, da die<br />
Stelle nicht gefährdet sei, die Fundamente wieder abzudecken<br />
und zu vermessen.<br />
*<br />
Seit dem Tode des für die Vorgeschichte im Kreis Sigmaringen<br />
so verdienten Oberpostrates Peters führte das Staatliche<br />
Amt für Denkmalspflege in Tübingen erstmals wieder<br />
im September 1963 und 1964 zwei planmäßige Ausgrabungskampagnen<br />
im Gewann „30 Jauchert", etwa 1 km südlich<br />
Sigmaringen, 400 m südwestlich von der Bauunternehmung<br />
E. Steidle, durch, welche die Fundamentmauern von zwei<br />
römischen Gebäuden freilegten.<br />
Dr. Philipp Filtzinger vom Staatlichen Amt für Denkmalspflege<br />
in Bonn, ein Experte für Provinzial-Römisch, der<br />
vor einigen Jahren auch das claudisch-domitianische Kastell<br />
in Emerkingen, Kreis Ehingen, ausgegraben hatte, suchte<br />
1960 durch Luftbild weitere Kastelle des Donau-Limes festzustellen.<br />
So wird schon seit langem ein Kastell auf dem<br />
Enetacher Berg und im Räume Laiz-Inzigkofen vermutet.<br />
Auf der Suche nach letzterem stellte er im Juli 1960 fest,<br />
wie sich vom Flugzeug aus in einem grünen Haberfeld<br />
durch die Dürre des abgestorbenen Getreides die Fundamente<br />
von zwei Gebäuden samt Zwischenmauern abzeichneten. Auf<br />
beherrschender Höhe liegt dieser Punkt, nur 1 km von den<br />
Furten in Laiz entfernt.<br />
Dr. Filtzinger begann im September 1963 mit den Ausgrabungen.<br />
Dabei wurde er unterstützt von 3 hauptberuflichen<br />
Ausgräbern vom Römisch-Germanischen Museum in Köln,<br />
freiwilligen Bundeswehrangehörigen, dem Vertrauensmann<br />
für Bodendenkmäler im Kreis Sigmaringen, Studiendirektor<br />
Johann Jerg, und vor allem auch durch Verwaltungsrat<br />
Mühlebach vom Hohenzollerischen Landeskommunalverband.<br />
Fürst Friedrich von Hohenzollern förderte das Unternehmen<br />
in jeder Beziehung, liegt doch das Gebäude auf seinem Grund<br />
und Boden. Wiederholt informierte er sich an Ort und Stelle<br />
über Fortschritt und Ergebnisse der Ausgrabungen, die von<br />
der Presse ausgezeichnet unterstützt, das Interesse der breiten<br />
Oeffentlichkeit fanden und auch von vielen Dienststellen<br />
und Firmen gefördert wurden. Im Durchschnitt arbeiteten<br />
während beider Ausgrabungskampagnen etwa 20 Personen.<br />
T m September 1963 wurden die Fundamente des Hauptgebäudes<br />
mit 25 mal 21 m Ausmaß größtenteils freigelegt.<br />
An der Süd- und Westfront lagen insgesamt 6 Räume, die<br />
teils Estrichfußböden, teils Packlagen aus Kalkstein aufwiesen.<br />
Die Nordostecke des Gebäudes war offener Innenhof, der<br />
nur teilweise überdacht war. Bemerkenswert erscheint die Unter-Flurbeheizung<br />
eines Raumes an der Westfront. Bei dieser<br />
römischen Hypokausten-Anlage wurden der Fußboden und<br />
die Wände mit Holzkohle geheizt. Sie hat doppelten Fußboden<br />
mit etwa 50 cm hohem Hohlraum dazwischen, durch<br />
den die Wärme streicht. Auf 50 cm hohen Kalksteinsockeln<br />
in 60 cm Abstand lagen Kalksteinplatten, die mit Estrich-<br />
..iattstrich abgedeckt waren. Die Abgase führte man in Tonkacheln,<br />
Tubuli genannt, unter Putz in den Außenwänden<br />
ins Freie. Die Heizung erfolgte von außen her durch 2<br />
Füchse von der Nord- und Westseite aus. Anscheinend genügte<br />
eine Feuerstelle nicht.<br />
Freude und einiges Kopfzerbrechen anfangs machte den<br />
Ausgräbern ein Schatzfund von 44 römischen Silberdenaren<br />
aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. Davon stammen die<br />
5 jüngsten Münzen von Kaiser Alexander Severus, der von<br />
222—235 nach Chr. regierte. Die Ausgräber vermuteten anfangs<br />
ein Gebäude aus dem 1. Jahrhundert und fanden nun<br />
Münzen aus dem 3. Jahrhundert. Die Münzen waren in<br />
einem Tonkrug unter dem Fußboden eines Eckraumes ver-<br />
von Studiendirektor Johann J e r g, Sigmaringen<br />
steckt. Während der Estrichboden ringsum erhalten war,<br />
zeichnete sich im Schnitt über den Münzen deutlich der<br />
Durchbruch im Fußboden und darunter die Störung im gewachsenen<br />
Boden ab. Also waren die Münzen vom Besitzer<br />
beim Nahen des Feindes im Boden versteckt worden. Nach<br />
dem Alter der jüngsten Münzen muß dies frühestens beim<br />
ersten großen Alemanneneinbruch des Jahres 234, spätestens<br />
beim entscheidenden Alemannensturm des Jahres 259 erfolgt<br />
sein, der die Römer über den Bodensee zurückwarf. Vieles<br />
deutet auf das Jahr 234 und eine planmäßige Räumung hin<br />
nach dem „System der verbrannten Erde".<br />
Beim Schluß der Ausgrabungskampagne des Jahres 1963<br />
blieb vollkommen offen, welchem Zweck das Gebäude gedient<br />
hatte. Gegen das Prätorium oder die Principia (Stabsgebäude)<br />
eines Kohorten-Kastells, das an dieser Stelle nur<br />
einen Sinn von 44 bis 85 n. Chr. haben konnte, sprach die<br />
Tatsache, daß kaum Funde aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.<br />
gemacht wurden. Scherben, Relief-Sigillaten und andere<br />
Funde stammen aus dem 2. und 3. Jahrhundert, hauptsächlich<br />
aus der Zeit der Severer. Der Grundriß des Gebäudes<br />
hatte wohl große Aehnlichkeit mit dem Prätorium der bisher<br />
ausgegrabenen Kastelle des Donau-Limes, dagegen haben<br />
die Grundrisse der römischen Gutshöfe unserer Gegend mit<br />
unserem Grundriß nichts Gemeinsames oder auch nur Aehnliches.<br />
Neben den gemachten Funden sprach gegen die Annahme<br />
eines Kastells vor allem auch die Tatsache, daß trotz<br />
der 400 m langen Suchgräben der typische Spitzgraben der<br />
Kastellumwallung nicht gefunden wurde. Fest stand also nur,<br />
daß es sich weder um einen Gutshof noch ein Prätorium,<br />
sondern um ein öffentliches römisches Gebäude des 2. und 3.<br />
Jahrhunderts handelte.<br />
Im September 1964 begann Dr. Filtzinger, der inzwischen<br />
beim Staatlichen Amt für Denkmalspflege in Stuttgart einen<br />
Spezialauftrag für Provinzial-Römisch erhalten hat, gleichzeitig<br />
an der restlichen Freiligung des Hauptgebäudes und<br />
Nebengebäudes, das im Luftbild festgestellt war und 11 mal<br />
16 m Außenmaß hat. Am Hauptgebäude ergaben sich keine<br />
neuen Erkenntnisse. Eindeutig konnte nachgewiesen werden,<br />
daß im Hauptgebäude ein freier Innenhof vorhanden ist, der<br />
wie aus Sockeln geschlossen werden kann, höchstens an der<br />
Ostseite eine nach dem Hof zu offene Ueberdachung hatte.<br />
Im Nebengebäude waren nur noch die Sockel der Fundamente<br />
erhalten. Alles aufgehende Mauerwerk war vom Pflug<br />
weggerissen oder „verstürzt". Aus den Resten mehrerer<br />
Holzschwellen konnte man die Unterteilung in mindestens 4<br />
Räume erkennen. Auch eine kräftige Zwischenmauer war<br />
noch erhalten. Außerdem konnte man Feuerstellen innerhalb<br />
und außerhalb des Gebäudes erkennen. Alle Funde, vor<br />
allem die Bildsigillaten und Scherben deuteten auf die<br />
Gleichzeitigkeit mit dem Hauptgebäude hin. Dies wird erhärtet<br />
durch den Fund einer Mittelerz-Münze der Augusta<br />
Mamäa, der Mutter des Kaisers Alexander Severus, die ihren<br />
Sohn auf allen Feldzügen begleitete. Beide wurden zusammen<br />
im Jahre 235 n. Chr. In Mainz von den Legionären auf<br />
Betreiben des Nachfolgers, Maximin Thrax, ermordet.<br />
Als ersichtlich war, daß das Nebengebäude Wohnzwecken<br />
gedient hatte, blieb nur noch die Annahme übrig, daß es sich<br />
bei diesen Gebäuden um eine sogenannte Benefiziarier -<br />
Station, auch Mansio genannt, gehandelt hat. Dafür spricht<br />
außer den Gebäuden selbst und den Funden auch die beherrschende<br />
Lage. Hier führte die römische Militärstraße von<br />
Laiz nach Günzburg-Augsburg vorbei, die Militärstraßen von<br />
Laiz nach Winterlingen—Sulz und Burladingen, sowie von<br />
Laiz nach Vilsingen—Stein a. Rh.—Windisch waren von hier<br />
aus kilometerweit einzusehen, ebenso die Donauübergänge in<br />
Laiz.<br />
Welchem Zweck dienten diese Beneflziarierstationen? Beneflziarier<br />
waren früher römische Legionäre, die nach 20jähriger<br />
Dienstzeit ehrenvoll aus dem Heer ausschieden und hiermit<br />
das begehrte römische Bürgerrecht erhielten und nach ihrer<br />
Entlassung vom Statthalter einer Provinz als „Beneflciarius<br />
Consularis" mit der Führung einer „Statio" oder „Mansio"<br />
beauftragt wurden. Nur selten war ein solcher Benefiziarier<br />
im Range eines Centurio oder Hauptmann? Ihr Rang entsprach<br />
meistens dem eines neutigen Stabsfeldwebels.<br />
Die Benefiziarier hatten für die Sicherheit auf den römischen<br />
Militärstraßen zu sorgen und Räuberbanden niederzuhalten.<br />
Außerdem oblag ihnen die Unterhaltung der Straßen,<br />
Furten und Brücken. Eine solche kann in Laiz etwa vom<br />
Jahre 100 ab angenommen werden. Weiterhin diente die<br />
Mansio Militärkurieren zum Pferdewechsel und als Herberge.
12 H O H E V Z O H S R I S C H I I HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Möglicherweise leistete die Station auch Vorspanndienste für<br />
amtliche Fahrzeuge beim Aufstieg aus dem Donautal.<br />
Benefiziarierstationen sind in unserem Lande nur wenige<br />
als solche bekannt. In Rötenberg bei Waldmössingen wurde<br />
vor 65 Jahren in einem Gutshof ein Votivstein eines solchen<br />
Beneficiariers gefunden, den er der Göttin des Schwarzwaldes,<br />
Abnoba, geweiht hatte, und auf der der ehemalige Mainzer<br />
Centurio alle 6 Legionen aufzählt, in denen er einst gedient<br />
hatte. Es handelte sich aber dort um einen Gutshof,<br />
der an der Militärstraße vom Kinzigtal zum Kastell Waldmössingen<br />
führt.<br />
Bemerkenswert an der Station bei Sigmaringen ist ferner-<br />
hin, daß sie nicht nur den wichtigen Straßenknotenpunkt<br />
Laiz beherrscht, sondern daß sie ganz in der Nähe der Grenzlinie<br />
zwischen den beiden römischen Provinzen „Obergermanien"<br />
mit dem Statthalter in Mainz und den Legionen in<br />
Windisch,-Straßburg und Mainz, und der Provinz „Rhätia II.",<br />
mit dem Statthalter in Augsburg und der Legion in Oberhausen<br />
bei Augsburg lag. Zur Provinz Rhätien zählte der<br />
heutige Landkreis Sigmaringen mit Ausnahme wohl von<br />
Beuron-Bärenthal und Thiergarten, die wahrscheinlich nach<br />
Obergermanien gehörten.<br />
Hoffen wir, daß Dr. Filtzinger recht bald seinen wissenschaftlichen<br />
Bericht über die Ausgrabungen veröffentlicht.<br />
Von der Karwoche 1786 in Storzingen<br />
Am Schluß des Taufbuches 1631 findet sich folgender Eintrag:<br />
Den 8. aprilis 1786 ist ein Dekret vom Bischof kommen,<br />
das man den Polm Esel nicht mehr herumbführen soll. Hob<br />
also die Prozession ohne Polmesel gehalten. 2 do: Das man<br />
aas hl. Grab nicht mehr soll auffmachen, so auch vollzogen.<br />
3. Das man am grünen Donnstag soll nach der hl. Meß in<br />
dem tobernakul auff dem Wendolinaltar setzen mit 2 brennenden<br />
Kerzen vnd den gantzen Tag dovor die Bethstunden<br />
halten soll, i Luch zu den metten so also umb 6 Uhr ongefangen<br />
Vnd umb 7 Uhr sich geendigt vnd die große hosten in<br />
die Sacrastey in Tobernakul ist gestellt worden. Am chor<br />
freytag ist umb 8 Uhr die predig die gewohnlich gottesdienst<br />
gehalten hernach die hl. Hoste in den Tobernakul<br />
gesetzt mit 2 brennenden Kertzen umb 2—3 Uhr den hl.<br />
Kreuzweg umb 6 Uhr die Metten gebettet. Die stonden bis<br />
zu den metten so angefangen noch geendigtem Gottesdienst<br />
nach der mette auch das Sanctissimum in den Täbernakul in<br />
die Sacristey gestellt, 'on da alles vmb 7 Uhr amb sambtag<br />
die weihung der scheiter oder stauff die hl. Meß wo man<br />
;ytet bey gloria in Excelsis. Vnd nach dem Ende der hl.<br />
Meß den Christus aufgehebt der im Grab liget. Das Ciborium<br />
in dem Tobernacul gesetzt. Und alles aus ist. So ich<br />
also nach Von bischoff und von dem hochfürstlichen regierung<br />
von Donaueschingen ist Decret kommen so geschehen<br />
vnd ich es erstemahl gehalten, on dem Donnerstag betet<br />
man nach der mette 7 Pater 7 ave... bey dem gefangenen<br />
Christum sambt dem Gebet zu Christum in dem Kerker. —<br />
Soweit der Eintrag.<br />
Sogut man konnte, wurden allenthalben die erschütternden<br />
Gottesdienste der Leidenswoche gehalten. Wie ein König<br />
zog Christus am Palmsonntag in der Pfarrgemeinde ein. Der<br />
Palmesel, in Holz geschnitzt, mit der daraufsitzenden, ebenfalls<br />
holzgeschnitzten Christusgestalt, gefolgt von den Kindern<br />
mit den Palmen in der Hand, ließen die Gläubigen<br />
das Geschehen des Einzugs Christi in Jerusalem erleben.<br />
Manche Palmprozessionen waren durch ihre Prachtentfaltung<br />
berühmt. Als 12 Apostel schritten Männer in schöner<br />
Kleidung mit schwarzen Barten, Judas mit fuchsrotem Bart,<br />
hinter dem Palmesel her. Mancherorts war es Vorrecht der<br />
Zünfte, diesen Dienst zu übernehmen. Auch Ratsherren und<br />
Patrizier hielten es nicht unter ihrer Würde, bei diesem<br />
Gottesdienst den auf dem Esel sitzenden Heiland zu begleiten.<br />
Nach dem Einzug in die Kirche wurde der Palmesel<br />
neben dem Altar aufgestellt.<br />
Obiger "intrag im Anhang des Taufbuches Storzingen gibt<br />
Kunde, daß man auch in kleineren Pfarreien — aber wohl<br />
nicht überall—, einen Palmesel hatte. Die Feierlichkeit des<br />
Palmsonntags war da selbstverständlich einfacher. Die Ministranten<br />
zogen den Palmesel in die Kirche hinein, Pfarrer<br />
und palmentragende Kinder folgten. Zuweilen mag der Ein-<br />
21. Mit dem Wort Dietenbach hängt auch der Name<br />
„Du fei weg" = „Tiefen weg" zusammen. Tiefenw<br />
e g ist der C undbuch-, Dufelweg aber der Volksname.<br />
Beides ist richtig, denn sowohl tief als auch duf aus t o b e 1<br />
bedeutet einen Geländeeinbruch oder eine Schlucht (siehe<br />
oberer Dufelweg). Ein anderer Ausdruck, der mit dufel zusammenhängt,<br />
ist der Dufel- oder „T ö f f e 1 b a c h", ein<br />
tatsächlich tiefer Graben am ehemaligen Schloß Heimburg,<br />
heute „S c h 1 ö ß 1 e s nater" beim unteren Homburger<br />
Hof. Der Name „T ö f f e 1 ö a c h" ist zwar abgegangen<br />
und durch „Heldgraben" ersetzt worden. )er<br />
Grundbestandteil des Bestimmungswortes „h e 1 d" ist das<br />
ahd. hell = laut tönend oder hallen. Doch können auch<br />
von Nikolaus M a i e r<br />
Grosselfinger Flurnamen<br />
von Josef S t r o b e 1<br />
zug in die Kirche nicht recht geklappt haben: wenn der<br />
Mesner etwa nicht nachgeschaut hatte, ob die Räder am<br />
Palmesel noch ganz waren, ob man die Figur ohne Hindernis<br />
ziehen konnte usw. Es mag vorgekommen sein, daß der<br />
Pfarrer und die Ministranten ohne den Palmesel ihren Einzug<br />
in die Kirche halten mußten — unter dem Gelächter<br />
eines Teils der Kirchenbesucher. Den Palmesel brachte man<br />
erst hinterher. So kam der Palmesel in Verruf. Er wurde<br />
verboten. So erklärt sich auch der heute noch gebrauchte<br />
Satz, wenn man die Zuspätkommenden meint: „Sie<br />
kommen wie der mit dem Palmesel" oder sie kurz als<br />
„Palmesel" verspottet.<br />
Palmeselfiguren finden sich heute meist nur noch in Museen.<br />
Seit 1786 sind sie außer Dienst, wenigstens in der<br />
Diözese Konstanz, zu der Südbaden, Hohenzollern und Südwürttemberg<br />
gehörten. Deshalb sind diese Figuren selten.<br />
Im obigen Taufbucheintrag merkt man den Gehorsam des<br />
Pfarrers gegenüber den bischöflichen Erlassen und gegenüber<br />
der Fürstenberger Regierung, der Storzingen unterstand.<br />
Es scheint aber, daß der Pfarrer mit erstauntem<br />
Kopfschütteln den Befehl durchführte. Aber Befehl ist Befehl.<br />
„Hob also die Prozession ohne Polmesel gehalten."<br />
Der Eintrag gibt uns noch weitere Auskunft über die Feier<br />
der Karwoche in Storzingen. Am Gründonnnerstag sind den<br />
ganzen Tag bis abends zur Mette Betstunden. Ebenso den<br />
ganzen Karfreitag hindurch, anscheinend vor dem Allerheiligsten<br />
in der Monstranz. Es ist ja von der großen Hostie<br />
die Rede.<br />
Um die Erinnerung an das Leiden unseres Herrn den<br />
Gläubigen besonders nahezubringen, ließ der Pfarrer in<br />
Storzingen den Maler Fidelis Wetz in Sigmaringen eine<br />
Reihe eindrucksvoller Prozessionsbilder anfertigen, die heute<br />
noch ein Schmuck der Storzinger Kirche sind: Jesus am<br />
Oelberg, die Geißelung und die Dornenkrönung. Dazu die 14<br />
Kreuzwegstationen. Außerhalb r,er Kirche, an der F iedhofsmauer,<br />
ist die Gefängnis-Christi-Kapelle mit der Hc.lzstatue<br />
„Christus in Ketten". Die Christusfigur ist 1,90 m hoch, trägt<br />
auf der Rückseite die Jahreszahl 174P 'ind rep. 1787. Sie ist<br />
also älter als das heutige Kirchlein. Die Andacht zum Heiland<br />
im Gefängnis war sehr beliebt. Derartige Darstellungen<br />
sieht man noch in manchen Kirchen: Hedinger Kirche in<br />
Sigmaringen, Ennetach bei Mengen, Deutstetten, im Bildstock<br />
in Straßberg.<br />
„Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es um es<br />
zu besitzen." Nicht nur Zeugen des Opfersinnes und Zeugen<br />
der Frömmigkeit unserer A orfahren sollen diese Statuen und<br />
Bilder in unseren Gotteshäuserr und auf den Fluren sein,<br />
wir sollen in Andacht vor ihnen ;>eten. Wir haben denselben<br />
Glauben, pflegen wir auch die Frömmigkeit der früheren<br />
Generation.<br />
Höhle oder Hölle in Frage kommen. Das d ist zur Bekräftigung<br />
angehängt worden. Vielleicht haben beide Wurzeln<br />
h e 11 a = laut tönend und Hölle = schauerliche Schlucht<br />
die Bildung des Flurnamens „Heiagraben" beeinflußt;<br />
denn in jener Gegend haben wir als Junge oft irgend ein<br />
Wort in den Wald hineingerufen, das dann hell widerhallte.<br />
Hierzu wäre auch der Name „H e 11 e n s t a 11" in der Gegend<br />
des „Grießenbohl" zu rechnen; auch dort war<br />
'eicht ein Echo zu bilden, was die Hirtenbuben auf der<br />
„Viehwoad" wohl ausgenützt haben, um die Langweile<br />
beim Hütedienst zu vertreiben (siehe aber Ziffer 88). In der<br />
Bisinger Gemarkung gibt es die Flur „Ludenstall";<br />
stall bedeutet Stelle, „lüde n" kann das Imperfekt von
,1 Tin gang J.fle? HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 13<br />
„laden" sein, also eine Stelle, wo man etwas „abgeladen"<br />
oder hingelegt hat; es kann aber auch mit mhd. „luder"<br />
oder Lockspeise zusammenhängen. Die Lockspeise kann ein<br />
Aas oder Luder gewesen sein, mit dem man Raubtiere anlockte.<br />
22. Diebesgraben und Diebesgarten. Beide Namen<br />
kommen wohl noch 1544, aber nicht mehr 1730 vor. Sie<br />
sind im Talkessel des Brand zu suchen, und zwar dort, wo<br />
es der Sandgrube zugeht. Etymologisch sind beide Namen<br />
zu tief bzw. diup zu stellen (siehe Ziffer 20 und 21).<br />
23. Der tholenacker; so steht es im Hagenschen<br />
Lagerbuch von 1544. Der Ausdruck bezieht sich offenbar auf<br />
ein Einzelgrundstück, das mit einer Dohle versehen war. Die<br />
Dohle aber ist ein unterirdischer Wasserabzugsgraben. Dieser<br />
wurde in alter Zeit mit Steinplatten, später mit Tonröhren<br />
gebaut, oder man warf in den ausgeschachteten Graben einfach<br />
mittelgroße Bruchsteine, wodurch das Wasser langsam<br />
durchsickerte. Das langsame Durchsickern nennt man dialektisch<br />
„s u 11 e r n" und derartige Dohlen „Sutterdoh-<br />
1 e n". Bei der ausgemauerten Kanaldohle fließt das Wasser<br />
rasch ab, bei der Sutterdohle langsam, wodurch dem Boden<br />
dauernd eine gewisse Feuchtigkeit erhalten bleibt. Etymologisch<br />
kommt suttern von sinken, sickern und dies<br />
vom ahd. sincan. Dazu gehören auch seihen und versiegen<br />
und die Flurnamen Sigental, Seaggäßle, auch Ziegelwäldle,<br />
wie dies schon früher erläutert wurde (siehe auch Ziffer 46).<br />
24. Durren- oder Thurrental und dazu Durrenund<br />
Thurrenberg. Manche leiten das Bestimmungswort<br />
dieser Namensgruppe von T u r n = Turm ab, weil am Eingang<br />
dieses Tales in alter Zeit ein Turm gestanden sei, ein<br />
sogenannter Wachturm, wie der anliegende Name „Hochwacht"<br />
(Hauwacht) beweise. Aehnliche Parallelbauten<br />
seien ja die H a i n b u r g bei Grosselfingen und die Staufenburg<br />
unterhalb des Lindich gewesen. Dann wird dürr,<br />
dialektisch durr = trocken, hereinbezogen. Diese Herleitung<br />
ist deshalb abzulehnen, weil sowohl im Tal wie an den beiderseitigen<br />
Hängen zu jeder Zeit eine naturwüchsige Pflanzenwelt<br />
vorhanden war. Heute kommt in den dortigen Wäldern<br />
vielfach der Schwarzdorn vor. In früherer Zeit, als der<br />
Wald noch wenig gepflegt wurde, hat das Dorngestrüpp den<br />
Wald zu einem fast undurchdringlichen Dickicht gemacht.<br />
Das Durren- oder Thurrental wäre also das Dornental,<br />
denn Dorn ist ahd 1 . thurn.<br />
25. Erlen. Um diesen Namen gruppiert sich eine Reihe<br />
von mit ihm zusammengesetzter Namen. So heißt es: hinter,<br />
vor, in und uff Erlen, im Erlenwasen, beim<br />
Erlenbrunnen, vor Erlen auf dem Bühl, die<br />
H o 1 z w i e s vor Erlen, die E m t w i e s hinter Erlen, hinter<br />
Erlen bei de Böhm, hinter Erlen im G ä ß 1 e und bei den<br />
Erlen hinter dem Berg. Ausgangspunkt der vielen Namen<br />
sind die Erlen, bei uns die Schwarzerle, welche das Wasser<br />
lieben. Den Hauptteil der vorgenannten Namen nimmt<br />
„Hinter Erlen" ein, einst ein Moor, das sich bandartig<br />
nördlich dem „Alten Berg" entlang zieht und eine Breite von<br />
300 bis 600 m hat. Das Moor ist heute verlandet, hat aber<br />
immer noch einige Stellen, an denen man leicht einbrechen<br />
kann. Das Gelände nimmt eine zum größten Teil versauertes<br />
Wiesengelände ein, was wohl mit der fast vollständigen<br />
Ausrottung der Erlen zusammenhängt. Erlen sind nach den<br />
neuesten Forschungen von großer ernährungs-physiologischer<br />
Bedeutung; sie produzieren namentlich stickstoffhaltige<br />
Nährbestandteile. Botanisch gehörte das Moor zum „M o 1 i -<br />
n e t u m - T y p u s" denn unter dem Schutz der Erlen wuchs<br />
das Pfeifengras (M o 1 i n a coerula). Da dieses Gras wegen<br />
der Kaltgründigkeit des Bodens erst spät vegetierte und daher<br />
auch erst im September zur Reife kam, zur Zeit der<br />
Ehmd- oder Öhmdernte, so wurden die Hintererlenwiesen<br />
Ehmdwiesen genannt Im Halbschatten der Erlen wuchsen<br />
ferner das Knäuelgras (Dactilus glomerata), wolliges<br />
Honiggras (Holcus lanatus) und die Waldsimse (Scirpus silvaticus).<br />
Die Kohldistel (Cirsium oleraceum, im Volk<br />
Schächtele genannt) gab es nur am Rand, weil sie die Sonne<br />
liebt. Wichtig für den langsam zunehmenden Verlandungsprozeß<br />
war das Schilfrohr (Phragmites communis), weil<br />
es mit seinen weitausgreifenden Wurzeln den Schlamm festhielt.<br />
In diesem Moor entspringen mehrere Quellen, von<br />
denen namentlich eine wegen ihres eiskalten Wassers bekannt<br />
und gefürchtet ist. Offenbar kommt sie aus großer<br />
Tiefe. Da ihr Wasser sich aber nicht der Temperatur der<br />
Umgebung anpaßt, also das ganze Jahr gleichmäßige Temperatur<br />
hat, so haben sich einige Pflanzenarten dieser Temperatur<br />
angepaßt und können das ganze Jahr assimilieren.<br />
Die Nährstoffe werden zunächst in Blattrosetten niedergelegt<br />
und sind die Ursache, daß sie ihre Blüten frühzeitig entfalten,<br />
wie das bittere Schaumkraut (Cardamine amare), die<br />
Bachbunge (Veronica baccabunga) und das Sumpfweidenröschen<br />
(Epilobium palustre). Im Hintererlenmoor wurde bis zur<br />
Mitte des 19. Jahrhunderts, wie auf Aechtwiesen, eine wildwachsende<br />
Niederwaldwirtschaft betrieben.<br />
26. Beim unteren Homburger Hof gab es einst<br />
den „F r a u e n g a r t e n" und die Fischgruben (vischgruben),<br />
den Groß-Garten (die große Wiese daselbst),<br />
das Hühnergärtlein und das Bonzental (siehe Ziffer<br />
12). Der obere Homburger Hof war ein Schafhof.<br />
Dazu gehörten der Hofacker, die Herrenäcker, der<br />
Steinbühl, die Reute, ein Wiesental nördlich vom Hof.<br />
Der obere Hof hatte nur eine Quelle, einige Meter östlich<br />
vom Hof, die aber nur als Viehtränke brauchbar ist. Das<br />
Trink- bezw. Haushaltungswasser mußte aus einem Brunnen<br />
in der Reute geholt werden, der wahrscheinlich einen ähnlichen<br />
Ursprung hat, wie der Wolschbrunnen. Vor einigen<br />
Jahren ist sein Wasser durch ein Pumpwerk auf den Hof<br />
geleitet worden. Der „S t e i n b ü h 1" ist das große Gelände<br />
(hinter) westlich vom Wohngebäude. Der Endteil heißt „G u -<br />
gich"; denn von dort aus kann man weit ins Gäu hinaussehen.<br />
Das Schloß der Bubenhofen stand drunten im Tal<br />
beim unteren Hof auf einer Bergnase. Die „R e u t e" (Rewte)<br />
wurde wohl schon im 13. Jahrhundert gerodet.<br />
27. „Halde n" wird der Nordhang des Galgenberges genannt;<br />
dazu „H a 1 d e n g a s s e( (siehe Ziffer 98).<br />
28. „H a u p t" wird das weite Feld zwischen „Riete n"<br />
und „Oberhausen" genannt. Ursprünglich wurde nur<br />
das hügelartige Gelände um das dortige Feldkreuz Haupt<br />
genannt. Das Gelände nördlich davon ist heute ein verlandetes<br />
Moor und war ehemals, wie der urkundlich<br />
alte Ausdruck „Holzwiesen" zeigt, wie Ächtwiesen ein<br />
Buschgelände mit Niederwaldwirtschaft, worauf das Feld<br />
durch einen Hauw, das heißt einen Holzhieb gewonnen<br />
wurde. Wie in Hintererlen und auf Aechtwiesen gibt es dort<br />
keine Versteinerungen. Ein Teil des „Hauptes" ist Gemeindebzw.<br />
Hagenwiese, der andere Allmende.<br />
Wird fortgesetzt.<br />
Worüber sich ein Landpfarrer vor 225 Jahren beklagte<br />
Im jähre 1740 war es in Heiligenzimmern wegen der Allmandnutzunj-"<br />
zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen.<br />
Schließlich sah sich der fürstl. Oberamtmann in Haigerlocii<br />
gezwungen, sich an Ort und Stelle über die strittigen<br />
Punkte persönlich zu informieren. Bei seiner Anwesenheit<br />
im Dorfe sprach er auch im Pfarrhause vor und ersuchte<br />
den Ortsgeistlichen, sich über seine Anliegen und Beschwerden<br />
schriftlich zu äußern. Der damalige Pfarrer von<br />
Heiligenzimmem, Johann Simon Gebel, gebürtig von Rottweil,<br />
kam der Aufforderung des Oberamtmanns nach und<br />
faßte seine Klagen und Wünsche in nachstehende 12 Punkte<br />
zusammen, die inhaltlich, wie folgt, lauteten:<br />
1.) Einige der Dorfbewohner würden des öfteren schon vor<br />
dem (sonntäglichen) Gottesdienste die Branntweinhäuser aufsuchen<br />
und hernach „mehr voll als nüchtern" in der Kirche<br />
erscheinen.<br />
2.) Der Fleckenschütz pflege nach dem Gottesdienst schon<br />
vor der inneren Tür zu läuten (zur Gemeindeversammlung),<br />
wodurch die an den Gräbern stehenden Leute in ihren guten<br />
Gedanken für die Abgestorbenen gestört würden. 1 ) Man<br />
könnte mit dem Läuten auch zuwarten, bis die Gräberbesucher<br />
den „Freithof" 2 ) verlassen hätten.<br />
3.) Der Schütz pflege auch vielmals in unbedeutenden und<br />
schlechten Sachen das Zeichen mit der Glocke zu geben, wodurch<br />
sowohl die Glocken, wie die Glockenseile unnötigerweise<br />
zum Schaden des Heiligen abgenützt (!) würden.<br />
4.) In einigen Häusern würde die ganze Nacht hindurch<br />
gespielt. Auch sei keine feste Zeit bestimmt, wann das Tanzen<br />
aufhören müsse.<br />
5.) Die Sonn- und Feiertage würden zum Aergernis der<br />
Lutheraner in den benachbarten Dörfern 3 ) schlecht geheiligt<br />
und besonders zur Sommerszeit durch Feldarbeiten, wie<br />
Mähen, Sensendengeln, Heu- und Garbenabladen, „Obstklauben<br />
und Kirschengewinnen" entweiht. 4 )<br />
6.) Am Pfingsttag pflegten die Stierbuben zum nicht geringen<br />
Aergernis einen der Ihrigen zu verkleiden und mit<br />
„abscheulichem Geschrei" in den Brunnen zu werfen.<br />
7.) In der Kirche müßte ein Aufseher bestellt werden, um<br />
das vielfältige und unnötige Schwätzen und das ärgerliche<br />
„Trucken auf der Baarbühne" abzustellen. 5 )<br />
8.) Die Gemeinde weigere sich, ihm das nötige Bauholz zu<br />
verabfolgen, sogar gegen Bezahlung, obwohl anderen dergleichen<br />
Holz gratis gegeben würde.
14 HÖHBSZOLI.ERIS.CH E H E ITVEA T •Jahrgang 1965<br />
9.) Die Wege zur Kirche und um die Kirche seien so beschaffen,<br />
daß er an den Sonntagen nur kümmerlich mit dem<br />
Hochwürdigen Gut durch den Kot und Schmutz kommen<br />
könne.<br />
10.) Bekanntlich gebühre dem Pfarrei der Obst- und andere<br />
Zehnte. Das Obst aber werde oft heimlich geholt und<br />
die Zehntgarben in der Nacht sogar entfremdet. 6 ) Oefters<br />
komme es auch vor, daß die guten zehnten Garben gegen<br />
minderwertige ausgewechselt würden.'<br />
11.) Es sei unverantwortlich, daß einige Wohlhabende armen<br />
Bürgern Geld ausliehen gegen einen Zins, der den<br />
„göttlichen Zins" um das doppelte übersteige.<br />
12.) Der Bürgermeister hätte sich unterstanden, ihn als<br />
Vorgesetzten, sogar bei öffentlicher Gemeinde, um 10 Kreuzer<br />
zu strafen. Der Herr Oberamtmann möchte doch die<br />
Pfarrkinder zu mehr „Respekt und Submission" anweisen.<br />
Zu den einzelnen Punkten im Schreiben des Ortsgeistlichen<br />
nahm das fürstl. Oberamt, wie folgt, Stellung:<br />
1.) Wenn Wirte und Branntweinbrenner vor dem Gottesdienste<br />
Branntwein oder andere starke Getränke ausschenken,<br />
so werden sie um 3 Pfd. Heller bestraft, sofern eine<br />
Anzeige erfolgt.<br />
2.) Der bisherige Brauch des Läutens (zur Gemeindeversammlung)<br />
wird bleiben, da die Beter teils durch das vordere,<br />
teils durch das hintere Tor die Kirche verlassen. Um<br />
die Leute zusammen zu halten, bevor sie nach Hause gehen,<br />
werde es bei dem bisherigen Herkommen bleiben.<br />
3.) Weil das Läuten ein alter Brauch ist und dem Heiligen<br />
durch das öftere Läuten weder an den Glocken, noch an den<br />
Seilen ein großer Schaden entstehen kann, wird der Brauch<br />
nicht wohl abzustellen sein.<br />
4.) Spielen und Tanzen über 9 Uhr - abends ist nach der<br />
Landesordnung nicht erlaubt. Der Vogt soll ein wachsames<br />
Auge haben und die Uebertreter der nach der Landesordnung<br />
festgesetzten Zeit für Spielen und Tanzen beim Oberamt<br />
angeben.<br />
5.) Sonn- und Feiertage sollen und müssen geheiligt werden.<br />
Daher seien alle knechtlichen Arbeiten aufs neue den<br />
Untertanen auf das schärfste verboten. Wer von Gott Glück<br />
und Segen haben will, sollte übrigens aus eigenem Antriebe<br />
den Sonntag heiligen. Wer ohne äußerste Not an Sonn- und<br />
Feiertagen knechtliche Arbeit verrichtet, den soll der Vogt<br />
zur Anzeige bringen, damit er nach der Landesordnung um<br />
3 Pfd. Heller bestraft werden kann.<br />
6.) Die närrischen Bräuche an den Pflngstfeiertagen seien<br />
aller Orten eingeschlichen. Solange sie kein öffentliches Aergernis<br />
gäben, würden sie künftig gleichwohl zu gestatten<br />
sein, weil sie doch nicht verhindert werden könnten.<br />
7.) Um das unnötige Geschwätz in der Kirche und das<br />
ärgerliche Drängen auf der Empore zu verhindern, soll der<br />
Vogt einen Mann bestellen.<br />
8.) Aus den Gemeindewaldungen könnte dem Herrn Pfarrer<br />
„titulo obligationis" (auf Grund eines Rechtstitels) weder<br />
Bau-, noch Brennholz gewährt werden, da die Gemeinde<br />
selbst an Reisig und anderem Holz Mangel habe. Wenn das<br />
benötigte Hulz nicht in dem Pfarr- und Heiligenwald beschafft<br />
werden könne, so seien die Amtsvorgänger schuld,<br />
die teilweise mit dem Holz verschwenderisch umgingen,<br />
teilweise aber Wald ausstocken und Ackerfeld anlegen ließen,<br />
um in den Genuß des Zehnten zu gelangen. Im übrigen<br />
könne man der Gemeinde nicht zumuten, Holz abzugeben,<br />
solange sie selbst Mangel habe, der Heilige aber Holz<br />
verkaufe.<br />
9.) Der Weg um die Kirche ist von der Gemeinde tunlichst<br />
in Ordnung zu bringen, nicht allein aus Wohlanständigkeit,<br />
sondern auch zur Ehre Gottes.<br />
10.) Die Obst- und Gartendiebe könnten ohne weiteres bestraft<br />
werden, wenn der Pfarrer dieselben namhaft mache.<br />
11.) Mehr als 5 oder 6 Prozent Zinsen zu nehmen sei nicht<br />
erlaubt. Sofern eine Anzeige erginge und der Pfarrer die<br />
übermäßige Forderung bezeugen könne, werde das Oberamt<br />
ohne Verzug die Strafe aussprechen.<br />
12.) Nach dem eingeholten Bericht sei nicht der Herr Pfarrer,<br />
sondern sein Dienstbote in Strafe genommen worden.<br />
Dieser sei nicht mit der gesamten Gemeinde ins „Besenreis"<br />
gegangen, sondern allein und zur ungewöhnlichen Stunde.<br />
Auch die Dienstboten des Pfarrers müßten sich an die Verordnungen<br />
der Gemeinde halten!<br />
Soweit die Stellungnahme des Oberamts zu dem Vorbringen<br />
des Ortspfarrers. Man wird die Ausführungen der Behörde<br />
als sachlich und korrekt bezeichnen müssen. Uns Menschen<br />
des 20. Jahrhunderts berührt es natürlich etwas eigenartig,<br />
wt ".n der Staat in Dinge und Verhältnisse eingreifen<br />
soll, die ihn nach unserer Auffassung überhaupt nichts angehen,<br />
so etwa bei der Anstellung eines Kirchenordners oder<br />
Kirchenschweizers! Einst aber war das Verhältnis zwischen<br />
Staat und Kirche viel enger. Der Landesherr sah es als<br />
göttlichen Aufträg an, für Sitte und Recht im Lande Sorge<br />
zu tragen und die Untertanen zu einem rechtschaffenen,<br />
frommen Lebenswandel zu erziehen. So kommt bei den Landesordnungen<br />
auch stets in den ersten Paragraphen das religiöse<br />
Moment zur Geltung, die Befolgung der Kirchengebote,<br />
die Bestrafung der Gotteslästerer, die Einhaltung der<br />
Sonn- und Feiertage usw.<br />
Kulturhistorisch von Interesse ist die Tatsache, daß das<br />
Ladezeichen der Bürger oder Dorfgenossen zur Gemeindeversammlung<br />
durch den Glockenruf gegeben wurde, und die<br />
Versammlungen wohl regelmäßig des Sonntags nach dem<br />
Hauptgottesdienst stattfanden. Die kirchliche Einrichtung des<br />
Läutens wurde also ins bürgerliche Leben übernommen und<br />
ist schließlich, wie auch anderswo, ein wesentlicher Bestandteil<br />
des öffentlichen Rechtslebens geworden. Daher wird auch<br />
das Ersuchen des Pfarrers, die Tagungen der Gemeinde nicht<br />
mehr durch die Kirchenglocke anzukünden, vom Oberamt<br />
rundweg abgelehnt, übrigens auch, weil das Läuten ein alter<br />
Brauch sei! Weiter hören wir von den närrischen Bräuchen<br />
an Pfingsten, die „aller Orten eingeschlichen" seien. Der<br />
Pfingstbuz war vermummt und wurde schließlich in den<br />
Brunnen geworfen. Wenn anderwärts die Roßbuben, d. h.<br />
die Söhne der Roßbauern, das Vorrecht hatten, beim Brauchtum<br />
an Pfingsten mitzuwirken, so waren es in Heiligenzimmern<br />
die Stierbuben. Wann mit den alten Sitten und<br />
Ueberlieferungen an den Pfingsttagen gebrochen wurde, ist<br />
dem Schreiber nicht bekannt. Vielleicht veranlaßten grobe<br />
Mißbräuche und Unfug die Behörden, die Pfingstbräuche der<br />
männlichen Dorfjugend zu verbieten. — Daß zum Kehren<br />
von Tenne, Stall und anderen Wirtschaftsräumen auch heute<br />
noch Besen von Tannenreisig oder Laubholz gebraucht werden,<br />
ist bekannt. Noch um die Jahrhundertwende wurden<br />
mit solchen Besen auch die Wohnungen rein und sauber gehalten.<br />
Wenn nun jeder nach Belieben sich das nötige Besenreis<br />
geholt hätte, wären die Waldungen begreiflicherweise<br />
nicht wenig beschädigt oder verwüstet worden. Daher wurden<br />
bestimmte Tage und Zeiten angesetzt, an denen jeder<br />
Haushaltung Gelegenheit geboten war, unter Aufsicht des<br />
Waldschützen das nötige Reisig zum Anfertigen der Besen zu<br />
holen. Offenbar hatte der Knecht des Pfarrers an dem gemeinsamen<br />
Besenreisholen nicht teilgenommen, vielmehr war<br />
er allein und zu ungewöhnlicher Stunde in den Wald gegangen<br />
und daher bestraft worden. M. S c h a i t e 1.<br />
Anmerkungen:<br />
1) Die alte Kirche von Heiiigenzimmern stand im „Oberen Pfarrgarten".<br />
Um die Kirche herum, also im Hofe der Kirche, wurden,<br />
wie auch anderswo, die Toten beerdigt. Die Einwohnerschaft<br />
spricht auch heute noch nur vom „Kirchhof", obwohl der neue<br />
Bestattungsplatz, eingeweiht 1835, abseits vom Dorfe im Esch<br />
„Weier" liegt.<br />
2) Das Wort Freithof kommt vom ahd. vrithof und bedeutet eingefriedigtes<br />
Grundstück. Durch spätere Einwirkung des urverwandten<br />
Wortes Friede hat sich aus Freithof das Wort Friedhof entwickelt,<br />
das aber, wie bereits gesagt, die alte Bezeichnung Kirchhof<br />
bis heute nicht verdrängen konnte.<br />
3) Die Nachbargemeinden Hosenfeld, Vöhringen und Bergfelden sind<br />
altwürttembergisch, also evangelischen Bekenntnisses.<br />
i) Obstklauben = Obst zusammenlesen; Kirschengewinnen = Kirschen<br />
pflücken.<br />
5) Baarbühne = Borbühne, hergeleitet von Emporbühne, Empore.<br />
Da die Herkunft des Wortes Borbühne in Vergessenheit geraten<br />
war, machte der Volksmund aus Borbühne das Wort Vorbühne,<br />
womit bis zur Gegenwart in Heiligenzimmern die Männerempore<br />
bezichnet wird.<br />
6) entfremden = wegnehmen, stehlen.<br />
Kleine Mitteilungen<br />
Jänichen Hans, Markung und Allmende und die mittelalterl.<br />
Wüstungsvorgänge im nördlichen Schwaben, in „Vorträge<br />
und Forschungen" 1964, VII, 163—222, Verlag Thorbecke-Konstanz,<br />
mit 16 Abbildungen. Man ist im allgemeinen<br />
geneigt, die Markungen unserer Dörfer als ziemlich unveränderte<br />
Größe anzusehen. Jänichen weist an Hand genauer<br />
Karten und Grundbücher nach, daß dem gar nicht so<br />
sein muß! Vielmehr lassen sich zahlreiche Beispiele beibringen,<br />
daß Markungsgrenzen sich änderten, vor allem durch<br />
Abgang lebensunfähiger Gemeinden, alsc durch Wüstungsvorgänge.<br />
Auf Grund der verschiedenen Bebauung der drei<br />
Esche oder Zeigen eines Dorfes und dabei feststellbaren Unregelmäßigkeit.:'!<br />
kommt er zu erstaunlichen Ergebnissen.<br />
Aus unserer Gegend untersucht er die Orte Engstlatt, Tailfingen,<br />
Margrethausen, Leidringen, Gottmadingen, Tübingen<br />
und Trossingen. Weiterhin richtet er unser Augenmerk auf<br />
den Gemeindebesitz und die Allmende sowie die Entstehung<br />
des Gemeindewaldes. Folgerung: Man muß in jedem einzelnen<br />
Falle die Markungen unter die Lupe nehmen! Kr.
Jahrgang 1965 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 15<br />
Kirchenmaler Josef Wannenmacher 1722—1780<br />
Zur Zeit wird in der Stiftskirche St. Gallen das Hauptwerk<br />
des Kirchenmalers Josef Wannenmacher freigelegt<br />
und wiederhergestellt. Aus diesem Anlaß sind in letzter Zeit<br />
verschiedene Anfragen wegen der Herkunft dieses bislang<br />
wenig bekannten Künstlers und seiner Vorfahren ergangen.<br />
Dr. M. R e i s 11 e, prakt. Arzt in Langenau/Württ. betreibt<br />
seit Jahren Forschungen über Leben und Werk von Josef<br />
Wannenmacher. Dieser wurde 1722 in T. merdingen/Württ.<br />
als Sohn des Georg Wannenmacher, Hafner, geboren. Der<br />
Vater stammte, wie unlängst einwandfrei festgestellt werden<br />
konnte, aus unserem hohenzollerischen Owingen (Aubingen)<br />
und hat sich 1696 in Tomerdingen verheiratet. Kirchenmaler<br />
Josef Wannenmacher ist aus seiner dritten Ehe mit Barbara<br />
Schmid hervorgegangen. Zahlreich sind Sie Orte und Stätten,<br />
an denen er später als Künstler geschafft und gewirkt hat,<br />
so u. a. in Straß bei Ulm, in Elchingen, Rüttweil, 1758—1764<br />
in der Stiftskirche und in der Bibliothek in St. Gallen, in<br />
Gmünd und in Donzdorf. Auch der Kreuzweg in der Kirche<br />
in Owingen scheint von Josef Wannenmacher gemalt worden<br />
zu sein.<br />
Nun ist vor allem über den liildungsweg des Künstlers<br />
noch wenig bekannt. Dr. M. Reistie hat die Absicht, nächstes<br />
oder übernächstes Jahr eine Biographie über diesen bedeutenden<br />
Maler des Barock zu schreiben.<br />
Wer kann mit weiteren zweckdienlichen Hinweisen oder<br />
Beiträgen übei den Lebensweg und das Schaffen von Josef<br />
Wannenmacher dienen?<br />
Joh. Wannenmaclier, Schulrat a. D.<br />
Rangendingen<br />
Zum Hexenglauben<br />
Die „Schuldbekenntnisse" der angeblichen Hexen bei der<br />
Folterung über ihre dämonischen Luftritte und Teufelstänze<br />
waren nach Ansicht heutiger Forscher, soweit nicht einfach<br />
Zeitansichten nachgeplappert, entweder Furchterzeugnisse<br />
oder von den fragenden Folterknechten suggeriert (eingeredet),<br />
oder Folge von Träumen, die durch Einwirkung einer<br />
besonders zubereiteten Salbe oder Pille erzeugt waren. Es<br />
gab verschiedene Rezepte für diese Präparate. Der Volkskundler<br />
Willi Erich Peukert hat nach einem Rezept aus der<br />
berühmten „Magia naturalis" von Giambattista della Porta<br />
sich Drogen hergestellt, deren bewußtseinsverändernde Wirkungen<br />
man lange schon kennt. N° :h Einnehmen dieser Pillen<br />
wurde er in einen zwanzig Stunden dauernden Schlaf<br />
versetzt. Was er da in seinen Träumen erlebte, entspricht<br />
genau jenen, wegen deren man den angeblichen Hexen den<br />
Prozeß machte, Nicht umsonst hat man zu Beginn des dritten<br />
Reiches alte Hexenprozesse u. a. aus Sigmaringer Archiven<br />
geholt, um zu studieren, wie man unbeliebte Leute zu<br />
Bekenntnissen bringen kann. Die Kommunisten Chinas übten<br />
an den Missionaren und Christen ähnliche Praktiken. In Offenburg<br />
wurden 1627 bis 163i sechzig Personen hingerichtet.<br />
Für Fangen eines Verdächtigen waren zwei Schilling<br />
Heller ausgesetzt. Auch nach Friedrich von Spees Angriff<br />
auf den Hexenglauben dauerte es noch über 100 Jahre, bis<br />
der Unfug ein Ende fand. Noch Maria Theresia verfügte am<br />
1. März 1755, daß alle vorkommenden Fälle von sog. Hexerei<br />
nicht nur von Geistlichen, sondern unter Beizug eines vernünftigen<br />
Physikus untersucht werden sollen. Krs.<br />
Die Ostrichtung der alten Kirchengebäude hat schon im<br />
Heidentum ein Vorbild. Die aufgehende ^onne wurde in<br />
christlicher Zeit gern als Sinnbild Jesu Christi angesehen.<br />
So hat man die Toten lange Zeit mit dem Blick nach Osten<br />
in den Gräbern beigesetzt. Wer nun die Ostrichtung einer<br />
alten Kirche anband eines Kompasses oder Ortsplans oder<br />
unseres hohenzoll. Kunstdenkmälerwerks beachtet, wird feststellen,<br />
daß fast niemals die genaue Orientierung sondern<br />
meist eine Abweichung vom genauen Ostpunkt vorliegt<br />
Manchmal ist sogar fast die Nordost richtung gewählt.<br />
Man nimmt an, daß am Beginn des Kirchenbaues der Aulgang<br />
der Sonne als Ostpunkt genommen wurde und dies<br />
auch dann, wenn Chor oder Schiff oder Turm (wie in Bingen<br />
z. B.) eine andere Orientierung zeigt. Früher meinte man,<br />
es sei damit symbolisch das Neigen des Hauptes Christi am<br />
Kreuz dai gestellt worden. Neuestens hat ein französischer<br />
Forscher behauptet, an etlichen Beispielen beweisen zu können,<br />
es sei der Sonnenaufgang nicht am Tag des Baubeginns,<br />
sondern am Tag des Kirchenheiligen maßgebend<br />
gewesen. Falls diese Theorie zutrifft, ergäben sich auch für<br />
den event. Wechsel des Patrons wichtige Anhaltspunkte.<br />
Doch sollten m. E. noch weitere Beweise beigebracht werden.<br />
Daher die Bitte an alle <strong>Heimat</strong>freunde, auf die Ostung<br />
der Gotteshäuser zu achten, besonders am Tage des Kirchenpatrons.<br />
Krs.<br />
Trochtelfingen. Feuerwehr. 1729 hatten Trochtelfingen und<br />
Steinhilben „seit langer Zeit" eine Feuerspritze. \750 war die<br />
alte Feuerspritze unbrauchbar. Die Stadt beschloß daher die<br />
Anschaffung einer neuen mit doppeltem Werk um 690 fl. von<br />
Biberach. Da diese zweifache Spritze für die Landorte zu<br />
schwer war, wurde eine weitete einfache um 300 fl. von<br />
Reutlingen bezogen. Der Fürst gab zu diesem Zweck 50 fl. —<br />
1817 wird bestimmt, daß, wenn eine Prozession in die Haia,<br />
nach Steinhilben usw. geht, wer Ostens ein Spritzenmeister<br />
und eine Rotte zu Hause bleiben sollen. Während des<br />
Gottesdienstes in der Stadt sind außer den Kommandierten<br />
2 bis 3 Bürger als Wache aufzustellen.<br />
Trochtelfingen. Mühlen. 1439 wurden in Trochtelfingen 3<br />
Müller erwähnt. Damals klagte die Stadt gegen diese drei<br />
Müller, daß sie die aufgestellte Ordnung nicht hielten, nämlich<br />
daß kein Müller mehr als 12 Hennen und 1 Hahn haben<br />
sollte. Die Klägerin und die Beklagten wurden von „ihren<br />
Herren" an das Stadtgericht in „Tübingen" gewiesen. Die<br />
Müller bekamen Recht, es sollte alles beim alten bleiben wie<br />
seither, sie durften also mehr als 12 Hennen halten.<br />
Trochtelfingen. Die Einteilung des Bauernstandes erfolgte<br />
1792 nach der Größe ihres Besitzes. Es gab damals in Tr. 12<br />
ganze Bauern, d. h. solche, die 36 Jauchert und darüber besaßen,<br />
18 Halbbauern, die zwischen 20 bis 36 Jauchert hatten<br />
und 13 Einzelstüekler mn 6 bis 20 Jauchert. Durch Verordnung<br />
vom Jahre 1809 wurde eine Mindestgröße von 1 U Jauchert<br />
= 3 /e Württ. Morgen = 11,82 ar festgelegt. Es durften<br />
also Parzellen unter 11,82 ar (Gärten ausgenommen) nicht<br />
neu gebildet werden.<br />
Trochtelfingen. Bürgerwehr. Die Trochtelfinger Bürgerwehr<br />
begründet ihre 400jährige Tradition auf eine Urkunde aus<br />
dem Jahre 1564. Geistl. Rat Eisele erwähnt diese Pergamenturkunde<br />
— Einladung des Schützenmeisters und der Schießgesellen<br />
der Stadt Trochtelfingen an die Stadt Reutlingen zu<br />
einem Preisschießen — bereits schon in seinem Manuskriptennachlaß<br />
und bemerkt, daß diese Urkunde aus dem Stadtarchiv<br />
Reutlingen schon 1928 bekannt war. (Hohenz. Volkszeitung<br />
1928 Nr. 163.)<br />
(Aus dem Manuskriptennachlaß von Geistl. Rat Eisele.)<br />
Mitgeteilt von R. in Rottenburg.<br />
Rangendingen. Zahl der Frondienstpflichtigen 1761, Im<br />
Jahre 1761 lebten in Rangendingen 65 Bauern, die mit ihren<br />
Gespannen Zugfronen zu leisten hatten. 55 Taglöhner, 3 Hintersassen,<br />
23 Witfrauen und 2 ledige Personen mußten Handfronen<br />
verrichten. W.<br />
Patroziniumsforscher seien hingewiesen auf die gründliche<br />
Untersuchung von Bruno Neundorfer „Zur Entstehung von<br />
Wallfahrten und Wallfahrtspatrozinien im mittelalterlichen<br />
Bistum Bamberg" im 99. Bericht des Histor. Vereins Bamberg,<br />
1963 S. 1—132.<br />
An das<br />
Postamt<br />
In
:(16 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Eine Inneringer Urkunde von 1374<br />
Ich Hans von Rischach, Ritter, den man nennt den Flachen,<br />
urkunde mit diesem Brief, daß ich mit guter Vorbetrachtung<br />
durch meines und meiner Vor- und Nachfahren<br />
Seelenheiles willen hiermit vermache luterlich durch Gott,<br />
dem Altar der Kapelle zu Inaringen in dem Dorf, da<br />
Unser Frowe (Maria) gnädig und Hauswirtin ist, zwanzig<br />
Malter und sechs Malter Korn in Veringer Meß, halb Vesen<br />
und halb Haber, aus dem großen Zehnten der Pfarrei Inaringen,<br />
die ich zu leihen han und deren Kirchensatz mein ist.<br />
Man soll sie jährlich aus dem Zehnten dem genannten Kapellenaltar<br />
und dessen Kaplan richten ohne ihre Kosten, und<br />
dazu das Widemgut zu Inaringen, das z. Zt. Hein G e r o t<br />
bebaut, das jährlich 30 Schilling, zwei Hühner und Va Viertel<br />
(= 60) Eier gibt. Dies alles gab ich dem Altar und dem<br />
Kaplan daselbst zu einer Besserung der Pfründe. Der Herr<br />
Peter der Maiger (Maier), derzeit Kirchherr zu Inaringen<br />
und sein Nachfolger soll den Altar der Kapelle besetzen<br />
mit einem ehrbaren Priester, daß er die Kapelle besorge,<br />
wie ein Kaplan es von Rechts wegen soll. Wie schon<br />
bisher jeder Kirchherr den Altar geliehen hat, soll er ihn<br />
auch fürbaß leihen samt dem Einkommen, das ich stiftete zu<br />
dem bisherigen. Weder ich noch meine Nachkommen dürfen<br />
den Kirchherrn und den Kaplan irren oder kränken an den<br />
genannten Gütern und Nutzungen. Dies soll jeder Pfarrer zu<br />
Inaringen alle Jahre in der Kilchen an der Kanzel auf den<br />
Tag der rechten Kilwihe und uf den Tag der Kirwihi der<br />
Kapelle verkünden und eröffnen. Wenn ich, vorgenannter<br />
Ritter Hans von Rischach, abgang von Todes wegen, was<br />
Gott lang aufspar, so soll danach ewiglich ein jeglicher<br />
Kylchherr und Kaplan zu Inaringen meine und meiner Vordem<br />
Jahrzeit began (begehen) uf minen jährlichen Tag mit<br />
Vigilen und Seelmessen, wie gewohnlich ist. Und dies alles<br />
zu einer stäten ewigen Sicherheit gib ich vorgenannter Ritter<br />
Hans von Rischach für mich und meine Erben und Nachkommen<br />
dem genannten Altar der Kapelle zu Inaringen diesen<br />
Brief besiegelt mit meinem Insiegel. Ich der genannte<br />
Pfaff Peter der Maiger, Kylchherr, bekenne, daß alle genannten<br />
Sachen mit meinem Willen und guter Gunst vollbracht<br />
sind. Und des zu Urkund han ich für mich und<br />
meine Nachfolger mein Siegel an diesen Brief gehenkt, der<br />
gegeben ist uf nächsten Donnerstag .or sant Johannestag ze<br />
Sunnwenden (22. Juni) do man von Gottes Geburt zalte drüzehenhundert<br />
Jahr und dar n a u c h in dem vierten und sübenzigoscen<br />
Jahre. - Or. Pergament. - Das Siegel des Ausstellers<br />
fehlt heute, das des Pfarrers Maier ist spitzoval und<br />
zeigt einen Schild, worin ein Falke auf einem Dreiberg steht.<br />
Die Umschrift ist zerbröckelt (Erzb. Archiv Freiburg: Z 595.)<br />
Joh. Adam Kraus.<br />
Es dürfte sich um die heutige hl. Kreuzkapelle am Südrand<br />
des Dorfes handeln, die somit nicht erst im 15. Jahrhundert<br />
entstanden wäre.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />
durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />
Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />
zugspreis von DM 1.40.<br />
Vor- und Zunarre<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nach-<br />
bestellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />
deutliche Schrift wird gebeten.<br />
Gammertingen - Flurname Schrot. Am 21. Januar 1330<br />
verkaufte Volkart von Gammertingen den Klosterfrauen von<br />
Maria-Berg seinen Acker Srot bei dem Lewen und seinen<br />
Garten bei des Franchen Wöri um 11 Pfund Heller (Vergl.<br />
Kraus Hohenz. Jahresheft 1962 S. 63.) Der Name Srot (heute<br />
Schrot) bedeutet nach Bucks Flurnamenbuch = jäher Absturz.<br />
Die steile Halde gehörte einst dem herrschaftlichen<br />
Bierbrauer (Volksmund Brui) und heißt bis heute Bruiles<br />
Halde. Bei dem Acker Srot lag ein „Lewen", d. h. ein großer<br />
Grabhügel. Der Name „bei dem Lewen" kommt in Urkunden<br />
bis im 18. Jahrhundert vor. Wahrscheinlich ist der Hügel in<br />
diesem Jahrhundert eingeebnet worden. 1929 fand man auf<br />
dem Gelände in einem Doppelgrab wohl den schönsten<br />
Bronceschmuck Hohenzollerns. Beim Tuffsandgraben deckten<br />
die Arbeiter einen Urnenfriedhof auf. Die grauschwarzen<br />
schlanken Urnen steckten zum Teil unversehrt im Kalktuff.<br />
Die oben erwähnte Wöri (auch Würi geschrieben) war<br />
eine Wiese im Brühl, wo heute das Sägewerk Genkinger<br />
steht. Wiest.<br />
Glatter Urkunde: Am 24. Dez. 1456 verkaufte Kaspar<br />
von Nüwneck (Neuneck) zu Glatt an die St. Nikolauskapelle<br />
zu Göttelf ingen (bei Horb) und deren 2 Pfleger<br />
Hans Besenfeld und Claus Böglin sein Viertel des großen<br />
und kleinen Zehnten zu Göttelfingen, die er schon lange besessen,<br />
um 80 rheinische Gulden. Sein Bruder Lienhart von<br />
Nüwneck stimmt zu und siegelt mit ihm, ebenso ihre Vettern,<br />
die Gebrüder Wilhelm und Hans von Nüwneck zu<br />
Glatt. Alle vier Siegel sind erhalten. (Erzb. Archiv Freiburg:<br />
Z 665). — Ebenso verkaufte das Karmeliterkloster Rottenburg<br />
seinen Teil am Kleinzehnten zu Göttelfingen an den<br />
Pfarrer Lorenz Kaltmayer daselbst bzw. an die Pfarrei um<br />
16 rheinische Gulden. (Ebenda Z 666; Siegel zerbrochen). Zu<br />
Mitt. Hohz. 13 (1879) S. 90.) Krs.<br />
Das Hechinger Hudelgäu (Schadenweilerstraße) ist schon<br />
öfter Gegenstand der Ueberlegung gewesen. Schon in Egler-<br />
Ehrenbergs Chronik wird gefragt (S. 148), ob das Wort nicht<br />
„Düngerland" bedeuten könne. Spätere dachten an eine mögliche<br />
Niederlassung oder Haltestelle von „Hudelesware" in<br />
früherer Zeit. Aber befriedigen will keiner der beiden Erklärungsversuche.<br />
Vor allem wäre wichtig, die ältere Schreibart<br />
festzustellen, denn die Endung -gäu sieht etwas verdächtig<br />
aus. In Bickelspergs zollerischem Lagerbuch von 1435 S.<br />
38 steht üu lesen, der Steger von Boll bebaue u. a. auch 2<br />
Juchart Acker, die heißen „der H u d e.1 g e r". Zwar handelt<br />
es sich um einen Nachtrag um 1500 und ist nicht gesagt,<br />
wo dieser Hudel-Ger lag. Aber wichtig ist zu wissen, daß<br />
es in Ringingen einen Hasen-Ger gab, der zu Hasengairle<br />
und heutigem Hasengaile wurde. Es war ein Dreieck<br />
acker eines "3auern Haas (Ger = Dreieck). Aehnlich<br />
müßte in der schwäbischen Mundart der alte Hudelger zu<br />
Hudeigair und „H u d e 1 g a i" geworden sein, wenn, wie<br />
in Ringingen, das r verschwand. Wir hätten somit einen<br />
Dreieck-Acker eines Mannes namens Hudel,<br />
wie sie im genannten Lagerbuch mehrfach vorkommen!<br />
Das Hudel gäu wäre demnach eine falsche Verhochdeutschung<br />
eines schwäbischen Flurnamens! Krs.<br />
Familie Wesner. Im Jahre 1686 heiratete Matheis Faigles<br />
Tochter von Ringingen, namens Maria, nach Stetten u. Holstein,<br />
und war den aus Gambs ir Schweizerland stammenden<br />
Michael Wesner. Er war 1680 eingewandert. Krs.<br />
Hermann des Lahmen (t 1054) und seines Bruders Manegolds<br />
von Altshausen Vorfahren hat Karl Schmid anhand<br />
von Hermanns Chronik und der Vita des hl. Ulrich von<br />
Augsburg festgestellt: Ihr Vater war Wolferad, die Mutter<br />
N., die Tochter eines Pilgnm und der Bertrada. Die Großeltern<br />
hießen wieder Wolferad und Bertha. Der Vater<br />
dieses Wolferad hieß M a n e g o 1 d und dessen Eltern<br />
P e i e r e und L i u t g a r d, die Schwester des hl. Bischofs<br />
Ulrich von Augsburg war. Deren Eltern hießen H u p o 1 d<br />
und Dietburg (v. Dillingen). P e i e r e war ein f r ä k i -<br />
scher Graf, der in den Verbrüderungsbüchern bedeutender<br />
Klöster vorkommt. (Karl Schmid, Kloster Hirsau und<br />
seine Stifter, 1959, Verl. Albert-Freiburg, S. 96 und Register).<br />
Die Grafen von Altshausen stammten somit, wie die meisten<br />
Geschlechter des schwäbischen Hochadels eigentlich aus dem<br />
fränkischen Gebiet. Krs.<br />
Die Verfasser tragen für den Inhalt ihrer Abhandlungen die Verantwortung.
<strong>Hohenzollertsehe</strong> <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
25 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 1.40 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 2 Gammertingen, April 1965 115. Jahrgang<br />
Am 6. Februar 1965 verstarb in Krauchenwies<br />
Seine Königliche Hoheit Friedrich Fürst von Hohenzollern.<br />
Der Hohenzollerische Qesdiichtsverein verlor mit ihm seinen hohen Protektor, der die Bestrebungen<br />
der landeskundlichen Forschung in Hohenzollern mit wachem Interesse verfolgte<br />
und die „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>" stets wirksam unterstützte.<br />
Sein Andenken wird dankbar In Ehren gehalten werden.<br />
Oberstaatsarchivrat Dr. Gönner schreibt in seiner Arbeit<br />
zur Landeskunde Hohenzollerns „Die Revolution von 1848/49"<br />
von einer großen „Trillfinger Versammlung" am 24. Sept.<br />
1848. Bewaffnete Bürgerwehren wären aus den Nachbardörfern<br />
mit Musik erschienen. Ueberhaupt wäre das Dorf<br />
Trillfingen Mittelpunkt der revolutionären Bewegung von<br />
1848 gewesen.<br />
de Nachforschungen darüber am Ort haben nun ergeben,<br />
daß die Quellenangaben von Dr. Gönner auch anhand der<br />
Gemeinderechnungen belegt werden können.<br />
Wohl ist die Angabe, daß über 5000 Besucher an der Versammlung<br />
teilgenommen haben sollten, leicht übertrieben.<br />
Der Ortskundige kann sich nicht vorstellen, wo sich im oder<br />
ums Dorf soviele Menschen versammelt haben sollten, daß<br />
man sie versammlungsmäßig noch hätte ansprechen können.<br />
Es wäre zwar denkbar, daß die Versammlung auf dem jetzt<br />
als Neusiedlung bebauten „Lehrenacker" bei der Kapelle<br />
stattgefunden hätte, ein großes Gelände, das am 24. Sept.<br />
abgeerntet war. Aber das ganze Gelände gehörte zu einer<br />
fürstlichen Domäne, und ob der Domänepächter eine Versammlung<br />
der Revolution darauf duldete, ist doch fraglich.<br />
\ls Führer am Ort ist der junge Provisor Bürkle anzusehen.<br />
Er war vermutlich ein Sigmaringer, Sohn des dortigen Advokaten<br />
Bürkle von Trillfingen und kam später nach Empfingen.<br />
Sein einziger Sohn ist im ersten Weltkrieg als aktiver<br />
Stabsarzt gefallen. Das Einkommen des Provisors war gering,<br />
so daß die Unzufriedenheit schon einen Grund hatte.<br />
Der ältere Lehrer, Isidor Bürkle, bezog von der Gemeinde<br />
ein Jahresgehalt von 117 Gulden, dazu aus der Mesnerei<br />
etwa 33 Gulden, so daß er jährlich 150 Gulden verdiente, was<br />
an Geldwert dem Lohn von 375 Arbeitstagen eines Maurers<br />
entsprochen hat (24 Kreuzer). Daß Lehrer Isidor Bürkle ein<br />
Republikaner gewesen sein könnte, ist nicht anzunehmen. Er<br />
war ein fleißiger, frommer Mann, dessen einziger überlebender<br />
Sohn Ordensgeistlicher wurde.<br />
Die rote Faune in Trillfingen<br />
Die Revolution 1848 in Trillfingen<br />
von Josef Schäfer<br />
Dr. Gönner berichtet von einer roten Fahne, die bei den<br />
Beratungen geschwungen wurde. Nach der Gemeinderechnung<br />
von Trillfingen aus den Revolutionsjahren bezahlte Bürgermeister<br />
Bürkle am 29. 1. 1848 dem Schneider Kid von Trillfirgen<br />
für eine „große Fahne" 24 Kreuzer und für drei kleine<br />
Fähnchen 45 Kreuzer, sowie für eine andere große Fahne 1<br />
Gulden 21 Kreuzer. Der Schreiner Xaver Stelzer lieferte am<br />
8. 2. 1848 zwei Spießstangen für 24 Kreuzer. Anton Henle,<br />
Schuster, lieferte zwei Stangen mit Spieß und erhielt für<br />
den Anstrich 20 Kreuzer. Für den Anstrich der alten Stangen<br />
ert" Jlt er 6 Kreuzer, Noch am 25. 11. 1848 wurde für 1<br />
Gülden 12 Kreuzer eine neue Lanze und für 15 Kreuzer eine<br />
neue Schlagfeder beschafft. Diese Handlanzen konnten bei<br />
Dr. Stemmler, Vorsitzender<br />
der späteren Revolution leicht versteckt werden und erschienen<br />
noch um die Jahrhundertwende auf den Rathäusern<br />
als wehmütige Erinnerung an die Bürgerzeit als „Saufedern"<br />
wieder. Auch Wunibald Stelzer, Schreiner, hatte am 9. 10.<br />
1848 für 24 Kreuzer zwei Spießstangen geliefert.<br />
Die Bürgerwehr von Trillfingen<br />
Am 6. 3. 1848 hatte Fürst Karl die vom Volk se't l r Jahren<br />
geforderte Volksbewaffnung versprochen und die Durchführung<br />
am 28. 3. 1848 angeordnet. In der Ständeversammlung<br />
in Sigmaringen hielt der Abgeordnete Stelzer eine Lobrede<br />
auf die Bürgerwehr (Dr. Gönner, S. 122). Stelzer war<br />
Obervogt in Trochtelflngen und stammte aus einer konservativen<br />
Familie von Trillfingen.<br />
Wann in Trillfingen die Bürgerwehr gegründet wurde, läßt<br />
sich nicht mehr ermitteln. Streitigkeiten „Wer soll das bezahlen",<br />
sind in den hiesigen Akten nicht nachzuweisen.<br />
Auch die Begeisterung hat in Trillfingen sicher bis in die<br />
„preußische Zeit" hinein angehalten.<br />
Als der Franzosenlärm am 23. und 24. März 1848 das Land<br />
erschütterte, war nicht nur die Bürgerwehr, sondern die<br />
ganze ledige Mannschaft „ausmarschiert". 77 Männer und<br />
Jungmänner waren, mit wenigen Handwaffen und Wehrmannssensen<br />
bewaffnet, über Mühringen bis r -„eh. Horb gezogen<br />
und von dort wieder umgekehrt, um auf dem Heimweg<br />
beim Badwirt Hillebrand ordentlich zu zechen. Hillebrand<br />
forderte für jeden Wehrmann 24 Kreuzer, „'isammen<br />
25 Gulden 52 Kreuzer. Die Rechnung wurde allerdings erst<br />
am 6. März 1849 bezahlt.<br />
Am andern Tage schon, am 25. März 1848, rückte eine<br />
kleinere Wehrmannschaft nach Sulz aus, um von dort über<br />
Empfingen den Rückweg anzutreten, In Empfingen w irden<br />
38 Maß Braunbier getrunken, wofür die Gemeinde 5 Gulden<br />
4 Kreuzer ausgeben mußte (1 Maß 8 Kreuzer = 4 Stundenlöhne).<br />
Dominikus Schmid und seine „10 Mitkollegen" kehrten<br />
vom Sturmlaufen nach Horb am 26. März 1848 beim<br />
Beckenwirt Dionys Haid in Imnau ein und verzehrten für<br />
1 Gulden 36 Kreuzer „Speis und Trank". Nur Albrecht Henle<br />
und Gabriel Bürkle waren „vom Ausrücken gegen die Franzosen<br />
am 24. März ohne jesondere Zöhrung in Haigerloch<br />
und Imnau nach Haus gegangen" und erhielten von der Gemeindekasse<br />
gleichwohl jeder 2< Kreuzer,<br />
Am 13. 4. 1848 machte Augustin Stelzer nach Haigerloch<br />
in der Nacht „einen Gang bei der Revolution" und erhielt<br />
dafür 30 Kreuzer.<br />
Schon am 25 . 3. 1848 waren die Rekruten nach Sigmaringen<br />
einberufen worden und erhielten von der Gemeinde jeder 11<br />
Gulden Handgeld. Es waren dies: Gabrie 1 Bürkle, Josef<br />
Rapp, Bernhard Stehle, Albert Hähnle, Wendel Keßler, Johann<br />
Heim und Gabriel Rapp.
II5 HOHÜNZOLLERISC1IE BEIHAT Jahrgang 1.965<br />
Am 9. April 1848 reisen Josef Keßler, Bürgermeister<br />
Hähnle und Georg Bürkle im Auftrag der Gemeinde nach<br />
Gammertingen zur Bestimmung eines Abgeordneten zum<br />
Parlament, Zehrung 5 Gulden, Tagegeld 2 Gulden.<br />
Die Gemeinde betreibt auch die Bewaffnung der Bürgerwehr.<br />
Am 8. Februar 1848 erhält Xaver Sauter für den<br />
„Transport der Gewehre von Rottweil nach Trillflngen" 3<br />
Gulden 19 Kreuzer. Am 22. September 1848 liefert das Oberamt<br />
noch für 22 Gulden Trommeln und am 17. August 1848<br />
reisen Josef Guide und Georg Bürkle „in Sachen Bürgerbewaffnung"<br />
nach Sigmaringen, Tagegeld 6 Gulden. Felix<br />
Burkart liefert 2 Stück „Exerzierregelement für das Bürgermilitär"<br />
für 1 Gulden 16 Kreuzer. Erst ein Jahr später, am<br />
14. August 1849, wird die Bürgerwehr auf die Reichsverfassung<br />
„beeidigt" und erhält dafür 2 Gulden 27 Kreuzer<br />
Zehrgeld.<br />
Nachdem die Revolution gegen Ende des Jahres 1848 zusammengebrochen<br />
war, mußten die Gewehre nach Sigmaringen<br />
abgeliefert werden. Der Fuhrmann Xaver Schreiner von<br />
Empfingen erhielt den Auftrag, seiner Fuhre vom Wehrsteiner<br />
Amt die Gewehre von Trillflngen beizuladen und erhielt<br />
für den Transport von 10 Gewehren und 4 Patronentaschen<br />
am 20. Dezember 1848 aus der Gemeindekasse 2<br />
Gulden. Fridolin Hähnle, Bürgermeister, Adam Beiter und<br />
Adam Stelzer waren am 14. Dezember 1848 schon beim Amt<br />
„wegen der Gewehre, die man haben soll", vorstellig geworden.<br />
Auch zum Amt ging am 12. November 1848 eine<br />
Deputation „wegen Militär". Der Bürgermeister führte am<br />
2. Dezember 1848 insgeheim Verhandlungen mit einem Gewehrhändler<br />
in Oberndorf am Neckar.<br />
Nachdem die Bürgerwehr ihre Waffen abgeliefert, also<br />
„abgerüstet" hatte, wurde im Jahre 1849 ihre Bewaffnung<br />
erneut durchgeführt. Am 30. 4. 1849 fährt Xaver Sauter im<br />
Auftrag der Gemeinde nach Rottweil, „hat die Gewehre hierher<br />
geführet", Fracht 2 fl. Bürgermeister ist jetzt Georg Bürkle.<br />
Schlossermeister Wilhelm Stehle reist vom 9. 5.—17. 5. 1849<br />
im Auftrag der Gemeinde in die Schweiz, um Musketen zu<br />
kaufen; er erhält für 9 Tage je 40 Kreuzer, zusammen 6<br />
Gulden Tagegeld und bringt für 14 Gulden 14 Musketen mit.<br />
Außerdem liefert er der Bürgerwehr noch 7 Wehrmannssensen<br />
je 20 Kreuzer, zusammen 2 Gulden 20 Kreuzer, dazu<br />
eine kleine Trommel für 8 Kreuzer.<br />
Beim Ausmarsch des Sigmaringer Kontingents nach Baden<br />
waren eingerückt: Thomas Keßler, Paul Beck, Fridol. Hähnle<br />
und Stefan Waibel. Jeder Soldat erhielt von der Gemeinde<br />
4 Gulden Handgeld. Ihre Namen wurden außerdem mit den<br />
Namen der Ausmarschierten der Kriege 1864, 1866 und 1870/71<br />
auf dem Ehrenmal vor der Pfarrkirche für die Nachwelt festgehalten.<br />
Die Bürgerwehr war sicher der Stolz der Gemeinde, denn<br />
sie beteiligte sich ganz offiziell am Fronleichnamstag auch<br />
bei der Prozession.<br />
Die Bürgerwehr erhielt am 30. 6. 1848 wegen „Mitwirkung<br />
bei der Prozession am Fronleichnamstag" beim Bußwirt Felix<br />
Burkhart<br />
84 Maß Braunbier ä 8 Kr = 11 fl 12 Kr<br />
27 Würste ä 3 Kr = 1 fl 21 Kr<br />
35 Behten ä 4 Kr = 2 fl 20 Kr<br />
zusammen 14 fl 53 Kr<br />
Daran zahlte der Pfarrer 7 fl (Gulden)<br />
der Bürgermeister 1 fl<br />
die Gemeinderäte 1 fl 36 Kr<br />
die Gemeindekasse 5 fl 17 Kr<br />
Bei Wilhelm Sauter, Bräumeister, Hirschwirt, verbrauchte<br />
das Bürgermilitär am 22. 6. 1848<br />
Braunbier 78 Maß = 10 fl 8 Kr<br />
Würste 24 Stück = 1 fl 12 Kr<br />
Brot 24 Batzen = 1 fl 36 Kr<br />
zusammen 12 fl 56 Kr<br />
Die historische Bürgerfahne<br />
Die Bürgerwehr von Trillflngen hatte auch eine eigene<br />
Fahne, die durch einen Zufall aufgefunden wurde. Nachdem<br />
nach der Trillfinger Versammlung (24. September 1848) die<br />
Revolution des Jahres 1848 zunächst zusammengebrochen<br />
war, hat der Fähnrich die Fahne säuberlich in einen Karton<br />
verpackt und diesen hinter einen Dachsparren der Rathausbühne<br />
versteckt, wo sie später mit Akten zusammen verwahrt<br />
worden ist. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Provisor<br />
Bürkle, selbst aktiv an der Revolution beteiligt und, Bewohner<br />
des unteren Rathauszimmers, die Fahne „versorgt"<br />
hat, dann versetzt worden ist und später nie mehr Gelegenheit<br />
gehabt hat, den kostbaren Schatz hervorzuholen. Nachdem<br />
wir „kgl. Preußen" geworden waren, standen die Revoluzzer<br />
von 1848 doch in ständiger Gefahr.<br />
Der Bürgersinn und die Rechte eines freien Bürgers sind<br />
in Trillflngen auch heute noch bewußt erhalten, weshalb die<br />
heutigen Gemeindeväter diese Bürgerfahne als ein Symbol<br />
des Kampfes ihrer Urgroßväter um die Bürgerrechte mit<br />
einigen geldlichen Opfern haben erneuern lassen. Die Bürwe-fahne<br />
ist heute der Stolz der <strong>Heimat</strong>freunde und das<br />
Schmuckstück der Gemeinde und wird einmal einen Ratssaal<br />
oder ein Gemeindemuseum zieren.<br />
Das Fahr entucn ist schwarz-rot-golden. Die eine Seite<br />
ist ausgestickt mit „Bürgerwehr Trillflngen 1848", die andere<br />
Seite trägt den Doppeladler mit dem Spruch. Die Eichenlaubverzierung<br />
hat in den Ecken, in Gold und Silber gestickt,<br />
den Hohenzollernschild (geviert) und den Schild von<br />
Haigerloch-Hohenberg. Die Umrandung ist mit gedrehten<br />
Gold- und Silberfäden in den Bundesfarben noch besonders<br />
verziert. Auch die beiden über das Fahnentuch hängenden<br />
Quasten tragen die Bundesfarben. Die Fahne hing in Ringen<br />
an einem Schaft (Stange) mit einer Fahnenspitze.<br />
Die Bürgel wehrfahne von Trillflngen ist in den Hohenzollerischen<br />
Landen wohl noch die einzige, erhaltene Fahne<br />
ihrer Art, ein Prachtstück kunstgewerblicher Arbeit. Und<br />
wenn nicht alles täuscht, dann trifft auch die heute noch im<br />
Dorf verbreitete Ueberlieferung zu. Die damalige „Stricklehrerin"<br />
Regina Henle, eine Tochter „der Witwe des Jakob<br />
Henle", habe die Fahne gestickt. Eine Entschädigung dafür ist<br />
in der Gemeinderechnung nicht ausgewiesen. Schneider Kid<br />
erhielt „für eine Fahne schneidern mit Tuch" 1 Gulden 21<br />
Kreuzer (27. Januar 1848).<br />
Der Heraldiker unseres Landes, Oberarchivrat Dr. Gönner,<br />
schreibt, daß aus dem Lande ähnliche Fahnen im Original<br />
nicht bekannt sind.<br />
Die Einquartierung<br />
Dr. Gönner schreibt (S. 137), die Begeisterung der Trillfinger<br />
Versammlung habe schnell in Kleinmut umgeschlagen.<br />
Die Angst vor einer militärischen Besetzung habe diesen<br />
raschen Stimmungswechsel veranlaßt. Diese Vermutung trifft<br />
sicher zu, denn die Einquartierung kostete viel Geld, abgesehen<br />
von der Not, im Dorf etwa eine Kompagnie Soldaten<br />
unterzubringen. (1848 = 150 Wohnhäuser mit 800 Einwohnern.)<br />
Die Einquartierung für nur eine Woche (vom 14. bis<br />
22. August 1849, 10. Komp. des 2. Rheinischen Inf. Rgts.) ko-
Jahrgang 1965 I]01IB!F20IILEEISCEE HEIMAT 19<br />
stete die Gemeinde rund 625 Gulden. Für die Zeit vom 23. 8.<br />
1849 bis 7. 9. 1849 wurden berechnet: 2 Verpflegungsrationen<br />
zu 20 Silbergroschen, 4 Rationen zu 15 Silbergroschen und 436<br />
Rationen für die Mannschaften, zusammen Ausgaben: 436<br />
Gulden 52 Kreuzer.<br />
Als die erste Besatzung am 22. 8. 1849 abzog, mußte Bürgermeister<br />
Bürkle „die Preußen nach Dettingen ausfolgen,<br />
weil der Herr Hauptmann einen Reiter verlangt hatte", er<br />
erhielt dafür 1 Gulden 30 Kreuzer.<br />
Die Revolution 1848<br />
in der Gemeindeverwaltung<br />
Auch in der Gemeindeverwaltung fand die Revolution<br />
ihren Niederschlag.<br />
Bürgermeister Stehle, der Straßenbauer des Jahres 1847,<br />
wurde schon „im Vorfeldgefecht" 1847 nicht mehr gewählt.<br />
An seine Stelle tritt der Ratsschreiber Fridolin Hähnle. Die<br />
Begeisterung bei seiner Wahl muß groß gewesen sein, denn<br />
in der Gemeinderechnung erscheinen 9 Gulden 24 Kreuzer<br />
Wahlkosten. Als Mann der Revolution muß er aber im Jan.<br />
1849, nach 18monatiger Amtszeit, zurücktreten. Für ihn zieht<br />
am 25. Januar 1849 Georg Bürkle als Bürgermeister auf. In<br />
der Verwaltung kommt er aber offensichtlich ohne seinen<br />
Vorgänger nicht aus. Zahlreiche Belege und Unterlagen und<br />
Schriftsätze aus dieser Zeit stammen von „Altbürgermeister"<br />
Hähnle. Am 9. Februar 1850 tritt Georg Bürkle schon als<br />
„Altbürgermeister" auf, so daß auch seine Amtszeit nur ein<br />
knappes Jahr betragen hat. Sein Nachfolger im Amt ist Josef<br />
Keßler, der mit zwei Gemeinderäten an der Erbhuldigung<br />
teilgenommen hat.<br />
Auch auf schriftlichem Wege, manchmal etwas „agressiv",<br />
Technik, Maschinen und Industrie bringen in unseren Tagen<br />
im Eiltempo einen Wandel ins Leber, der Menschen<br />
in Stadt und Land, wie er wohl noch niemals in der Geschichte<br />
stattgefunden hat. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts<br />
gab es in unseren Dörfern außer der Kirche und<br />
den Kapellen eigentlich nur Bauernhäuser, die aus<br />
„Ghäusget", Stall und Scheuer bestanden. Auch die Kleinbauern<br />
oder Taglöhner und Handwerker, bis ins 16. Jahrhundert<br />
und noch länger da und dort „Seidner" (von Seide =<br />
kleines Gütlein) genannt, besaßen mindestens eine Kuh oder<br />
einige Geißen und daher auch ein Ställchen. Dasselbe war<br />
gelegentlich auch bei Einzeistehenden und Altledigen der<br />
Fall, soweit sie ein eigenes Häuslein besaßen und nicht bei<br />
Angehörigen wohnten. Im 18. Jahrhundert fällt bei uns in<br />
Ringingen auf, daß viele Häuser von 2—3 Familien besetzt<br />
waren, offenbar weil bei der Ueberbevölkerung sich die<br />
Menschen selten zur Auswanderung entschließen konnten,<br />
wie eine größere 1784 überliefert ist.<br />
1.) Auch der Pfarrer und Lehrer, den man damals Schulmeister<br />
nannte, waren „Bauern", Ersterer hatte seine Knechte<br />
und Mägde zum Umtreiben des Pfarrgutes. Von einem dieser<br />
Seelsorger berichtet die Geschichte, daß er um 1725 einmal<br />
seinem Knecht den Pflug aus der Hand nahm und eigenhändig<br />
die Grenzfurchen seines Ackers auf Gallenbühl weiter<br />
hinauszog, als es dieser gewagt hätte. Ein stattlicher<br />
Viehstand wurde im Pfarrhof unterhalten, und selbst die<br />
Hägen und der Eber der Gemeinde standen vielfach im<br />
Pfarrer-Stall, in Ringingen bis um 1690. Die Schulmeister<br />
waren ohnehin bis 1780 Handwerker oder Kleinbauern vom<br />
Ort. Erst 1792 baute die Gemeinde ein Schulhaus (am Platz<br />
Von Ringinger Häusern und Leuten<br />
gä&nj<br />
/<br />
UC f^ffif»<br />
3S1 JE BP:<br />
1 Kirche und Pfarrhof in Ringingen um 1780<br />
(nach einer alten Zeichnung).<br />
versucht man von Trillfingen aus etwas zu erreichen. Deputationen<br />
und Petitionen gehen immer wieder nach Sigmaringen<br />
und ans Amt. Am 17. Juni 1848 wird eine Deputation<br />
beim Rentamt vorstellig wegen des Brachzehnten. Am 4.<br />
Juli 1848 unterzeichnet der Gemeinderat eine Petition an<br />
die Abgeordneten. Am gleichen Tage fertigt Hähnle eine<br />
Bittschrift an den Fürsten wegen der in der Gemeinde verhängten<br />
15 Gulden Forststrafen. Am 20. Juli 1848 werden<br />
Josef Keßler, Georg Bürkle und Adam Beuter vorstellig wegen<br />
„Zehntbezug". Am 16. August 1848 fertigt Provisor<br />
Bürkle eine Petition an den außerordentlichen Landtag in<br />
Sigmaringen wegen der Domänenverhältnisse des Landes<br />
und erhält dafür von der Gemeindekasse 2 Gulden. Wegen<br />
der Wahl der Abgeordneten zum Bundestag nach Frankfurt,<br />
am 23. September 1848, erhalten Bürgermeister Hähnle einen<br />
Gulden, Gemeinderat Josef Keßler und Obmann Dominikus<br />
Stelzer und Protokollführer Konstantin Stehle, jeder 48 Kr.<br />
Das rote Halstuch, das die Revoluzzer gerne trugen, verschwindet<br />
wieder. Es war eben ein Zeichen der Freiheit. Es<br />
ist die Zeit, in der für einen Mutwilligen (Halbstarken) der<br />
Name „Hecker" aufkommt. Noch heute ist im Wöhrsteiner<br />
Aemtchen der Name als Schimpfname nicht ausgestorben.<br />
Und es gab dort noch vor dem Weltkrieg einen „Heckerlisbeck",<br />
weil einer seiner Vorfahren ein Anhänger Heckers<br />
gewesen war und dann nach Amerika fliehen mußte. Er hat<br />
die <strong>Heimat</strong> nie mehr gesehen. Auch der Dichterarzt Egenter<br />
ist als Revoluzzer in einem Asyl arm und unbekannt gestorben,<br />
ohne daß seine Verwandten sich um ihn gekümmert<br />
hätten. Die Träger der Revolution von 1848 haben also allerorten<br />
den Kampf um die Freiheit und um die Bürgerrechte<br />
hart bezahlen müssen.<br />
des jetzigen Rathauses), in dem dann 1854 ein kleines Ratszimmer<br />
eingerichtet wurde. Vorher erledigte der Schultheiß<br />
seine Amtsgeschäfte zu Hause, und die Urkunden waren in<br />
der Heiligenlade verwahrt. Die Gemeinde pflegte der Vorsteher<br />
nach dem Sonntagsgottesdienst in der Kirche selber<br />
zu sich zur Versammlung einzuladen, wenn diese nicht wie<br />
bis um 1730 im Freien auf dem Dorfplatz „Kreben" stattfinden<br />
konnte. Aus Kettenacker wird 1661 berichtet, daß die<br />
ledernen Feuerkübel für Brandfälle in der Kirche aufbewahrt<br />
wurden.<br />
Merkwürdigerweise hatte man im alten Schulhaus zu<br />
Ringingen anfangs die Schulstube unmittelbar über dem Hagenstall<br />
angelegt. Gesundheitliche Skrupulanten waren offenbar<br />
damals selten!<br />
2.) Der Pfarrer hat hier um 1800 den landwirtschaftlichen<br />
Eigenbetrieb eingestellt und seine Grundstücke verpachtet<br />
wie noch heute, allerdings noch lange nur gegen Naturallieferungen.<br />
Unser Bildchen (1) zeigt die frühere Kirche und<br />
das alte Pfarrhaus (das Dach ist nicht steil genug geraten!)<br />
mit Scheuer, an der auch der Stall sich befand. Das Haus<br />
wurde 1589 erbaut, wovon noch heute die Rechnungen im<br />
Pfarramt zeugen. Das mit Ziegeln gedeckte Pfarrhaus war<br />
1865 53 württembg. Fuß (zu je 28,6 cm, also 15,15 m) lang,<br />
39 Fuß oder 11,15 m breit. Die Mauern aus kleinen Bruchsteinen<br />
waren je 50 cm stark, der obere Teil der Giebel aus<br />
Fachwerk, hing aber beiderseits bedenklich nach außen.<br />
Das Gebälk war vielfach morsch. Scheuer mit Stall völlig<br />
aus Fachwerk und nur mit Stroh gedeckt, hatten eine Länge<br />
von 89 Fuß (= 25,45 m), Breite von 34 Fuß (= 9,65 m). Beide<br />
Bauten sind 1868 und 1869 als baufällig abgerissen worden,<br />
indem die Angabe der Zehntablösung 1861, man habe es mit<br />
gesunden Gebäuden zu tun, sich als Irrtum (wenn nicht zu<br />
sagen: Schwindel) erwiesen hatte. Mit dem Bauschutt füllte<br />
man teils c e Weedlache im Kreben aus, teils legte man<br />
damit nördlich des Lustgartens einen erhöhten Beerengarten<br />
an. Das alte Wohnhaus stand so v o r dem heutigen Pfarrhaus,<br />
daß man die Treppe zu diesem erst nach Wegräumen<br />
des Altbaues anbringen konnte. Unser Bildchen zeigt auch<br />
noch die alte Friedhofmauer mit Tor und in der Mitte das<br />
ehem. Beinhäusle, in dem man die beim Ausgraben im<br />
Kirchhof zutage kommenden Gebeine unterzubringen pflegte.<br />
Der Chor der alten Kirche, 1707 bis 1905, war schmäler<br />
als das Schiff und darum seine Mauern bis zum Dach hinauf<br />
etwas höher, trugen auch über dem Hochaltar ein Rundfenster<br />
und je eines über dem Fenster der beiden abgeschrägten<br />
Chorwände. Der Chor hatte somit einen Dreiachtelsciiluß.<br />
D Kirche soll nach kaum glaubhafter Angabe<br />
des Hechinger Baumeisters Kapitzke vom 24. Juni 1865 über<br />
der jetzigen Empore noch eine kleinere mit der Orgel gehabt<br />
haben, auf der außer dem Kirchenchor noch etwa 20<br />
Personen Platz gefunden hätten. Dies scheint jedoch eine<br />
Verwechslung mit - ner Nachbargemeinde darzustellen. Denn<br />
der Platz auf der Empore kann höhenmäßig schwerlich noch<br />
eme zweite zugelassen haben. Da nach anderer Mitteilung<br />
vielmehr der Kirchenchor im Blickfeld der auf der Empore
:(20 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
untergebrachten Ledigen stand, verdient eine mündliche<br />
Ueberlieferung mehr Glauben: Die Orgelempore sei damals<br />
an der Südwand der Kirche ein Stück vorgelaufen.<br />
Ein Bild der Kirche von Norden her ist auf dem Dekkenbild<br />
der Kapelle von 1763 von Franz Ferdinand Dent<br />
noch zu sehen, samt Pfarrhof und Beinhaus. Als man 1841<br />
den Gottesacker zur Kapelle Unserer Lieben Frau verlegte,<br />
ist im Lauf von 10 Jahren die alte Mauer um die Kirche<br />
zerfallen. 1852 wurde durch eine herabstürzende „Dachplatte"<br />
ein Knabe am Kopf verwundet. Die Polizei zu Hausen<br />
i. K. erstattete Anzeige. Die Gemeinde erklärte sich zu<br />
Hand- und Spannfron zur Wiederherstellung bereit. Im<br />
Oktober hatte dann die fürstl. Verwaltung als Zehntherr<br />
einen Teil reparieren lassen, die Gemeinde aber ihren Teil<br />
noch nicht, worauf erneut Anzeige des Gendarmen erfolgte<br />
(Dekanatsakten). Wohl nicht viele Jahre danach hat man<br />
die Mauer ganz abgerissen und einige Reihen von Tännchen<br />
gesetzt mit Obstbäumen dazwischen, die aber um 1918 wieder<br />
wegkamen. Der heutige Lattenzaun und die Stützmauer<br />
sind inzwischen ebenfalls überholungsbedürftig geworden<br />
und bilden keine Zierde des Dorfes mehr.<br />
3.) Während das Pfarrhaus seit dem 16. Jahrhundert wie<br />
auch die Kirche mit Ziegeln gedeckt waren, trugen die gewöhnlichen<br />
Bauernhäuser in Ringingen noch 1867 (nach dem<br />
Zeugnis der Schulchronik von Jakob Barth) zum größten<br />
Teil noch Strohdächer. Diese waren im Sommer kühl<br />
und hielten im Winter sehr warm. Die Brandgefahr wird<br />
seitens der Versicherung stark übertrieben. Tatsächlich brannten<br />
im Schwarzwald die Strohhäuser erst, als man eine<br />
Versicherung eingeführt hatte! Die Bauten waren einst wie<br />
im Schwarzwald nur einstöckig und die Dächer tief<br />
herabgezogen. Das letzte Strohdach dahier befand sich um<br />
1904 auf Viesels Haus (Bild 3) im Weißengäßle, aber bereits<br />
über einem Ziegeldach. Dadurch hatti; das Strohgelege, das<br />
sonst an den Latten festgemacht war, keinen Halt und eines<br />
schönen Tages rutschte die ganze Herrlichkeit ins „Kipfen<br />
Garten" hinunter.<br />
Wohl das altertümlichste Haus, das sich bis in unsere<br />
Tage herübergerettet hatte, war das um 1952 abgebrochene<br />
Peter-Paules-Haus Nr. 125 in der Enggasse (Bild 2). Die<br />
2) Peterpaules-Haus Nr. 125 (Enggasse) von ca. 1550—1952.<br />
heute noch rechts (östlich) davon stehende Scheuer mit<br />
Stallung trägt die Jahreszahl 1692. Das Wohnhaus selber<br />
dagegen wird nahe an das Jahr 1500 herangereicht haben,<br />
war also älter als das vorige Pfarrhaus. Es hatte, wie eine Anzahl<br />
anderer alter Bauernhäuser, Giebelsteilung gegen<br />
die Gasse, während Scheuer und Stall getrennt<br />
davon im rechten Winkel dazu standen. Dies war auch bei<br />
den Häusern 43 in der gleichen Enggasse (s'Becken),48 am<br />
Bach (s'Välles), 61 oberhalb am Bach (s'Vinzes, mit der Jahrzahl<br />
1688 am Türsturz), 98 im Gäßle, auf das wir unten zurückkommen<br />
werden, 109 ob der Kirche (s'Lexes), 70 im<br />
Bach (s'Bachbauern) 68 im Bach (Schwarzwälders) und zum<br />
Teil auch früher Nr. 50 im Bach (Josef Hipp). Diese Anordnung<br />
der Gebäude scheint hier die ältere für die Bauerhöfe<br />
gewesen zu sein. Sie geht aber allmählich ab, wie<br />
man schon z. T. beobachten kann.<br />
4.) Das Haus 125 mit Scheuer 126 in der Enggasse (Bild 2)<br />
gehörte zu einem Ebinger St. Martinslehen, dessen Garten<br />
bis an die Rauße hinabreichte, bis um 1880 Johann Adam<br />
Hipp dorthin das Haus Nr. 53 an die untere Gasse baute.<br />
Zum Hof gehörten einst etwa 20 ha Felder, die im Jahre<br />
1524 ein Barthle Haug bebaute, 1540 Hans Kingott, später<br />
dessen gleichnamiger Sohn, um 1585 Georg D i e m e r von<br />
Meldungen und Anna Kingott. Im Jahre 1609 heiratete eine<br />
Tochter beider den Hans Kraus des Klaus von Stetten-<br />
Hörschwag, der Stammvater der heutigen Kraus<br />
dahier wurde. Schon 1614 war er unter Hinterlassung der<br />
Kinder Klaus und Hans und vermutlich Christina nicht<br />
mehr am Leben. Klaus (1610—55) übernahm den Hof und<br />
nach ihm sein Sohn Georg (1630—75), dessen Söhnlein Georg<br />
schon 1678 tot war, worauf der Hof auf Georg Dorn überging.<br />
1683 hatte ihn Hans Frey mit Anna d Gg., 1695 Balthas<br />
M a i c h 1 e und diese Anna Dorn, 1722 Josef Kraus<br />
d. Mich, und Frau Anna Maichle, 1727 Balthas N ad ler<br />
d. Seb. und diese Anna Maria Maichle, und seit 1736 Veronika<br />
Dorn d. Joh., 1749 Johann Dorn und diese Veronika<br />
Dorn, die 1761 Witwe mit 10 Kindern war. Augustin Nad-<br />
1 e r des obigen Balthas (1742—94) ehelichte 1767 die Theresia<br />
Kraus d. Mich. (1744—1825). Im Jahre 1799 folgte als Inhaber<br />
des Lehens Michael Nadler d. Aug. (1770—1844) mit<br />
Frau Kath. Dietz d. Melch. (1779—1864). Die Tochter Amalie<br />
Nadler d. Mich, heiratete 1830 den Peter-Paul Hipp<br />
d. Johann Adam (1803—64). Es folgte 1861 der Sohn \ id<br />
Mesner Josef Hipp mit Marianne Beck d. Raimund, die<br />
fünf Söhne hatten. Allein der Sohn Josef verzog ins Haus<br />
172 an Hälschloch. Für die „alte Arche" aber schlug um<br />
1952 die letzte Stunde. Wie man leicht meint, sind die alten<br />
Häuser nicht so bequem klein zu bekommen, da die Balken<br />
gut verzapft und verzahnt schon einige Mühe beim Abbruch<br />
machen. Das Haus hatte den Zugang von Osten, vom Stall<br />
her. Links neben dem Hausgang war die Stube, dahinter die<br />
Stubenkammer. Vom Gang geradeaus kam man in die<br />
Küche, an die das stille Oertchen angehängt war. Rechts im<br />
Gang führte eine Stiege in die oberen Kammern und die<br />
Bühne, eine Tüi aber rechts in eine weitere Kammer. Die<br />
Giebel waren bei den Strohdächern und auch hier gewöhnlich<br />
ziemlich steil.<br />
3) Viesels Haus Nr. (Weißengäßle) von ca. 1670—1939.<br />
5.) Oben wurde erwähnt, daß das Haus Nr. 98 (Bild 3) noch<br />
um 1904 ein Strohdach trug. Hier lag die mit dunklen Brettern<br />
an Wänden und Decke getäfer te Stube rechts<br />
vom Hausgang, der in die Küche führte, wo man noch um<br />
1914 ein offenes Kamin und darin die Schweineschinken<br />
zum Räuchen sehen konnte. Stubenkammer und Dachkammer<br />
fehlten nicht Ein eingebauter Eckschrank in der Stube,<br />
festgemachte Bänke, durch Latten verbundene Tischfüße<br />
und vor allem an den 2 Wänden um den Ofen schöne<br />
farbige Plättchen mit Blumen und Fantasiebäumen,<br />
auch der Jahrzahl 1788 und den Buchstaben W L bildeten<br />
die Ausstattung. Die Buchstaben dürften den Hafner bezeichnen,<br />
denn der Inhaber hieß damals (1788) Johann Bailer.<br />
Diese Ofenplättchen wurden erfreulicherweise auch in<br />
den Neubau übernommen. Bei uns sind sie selten, im württembergischen<br />
Schwarzwald waren sie häufig anzutreffen.<br />
Erst kürzlich hat man in Calw die <strong>Heimat</strong>stube mit einer<br />
reichlichen Auswahl solcher Plättchen geziert.<br />
Links am Hausgang führte eine Stiege in den Dachraum<br />
und eine Türe in den Stall, der nach Süden mit einem Fut-
Jahrgang 1965 COMMZOLLEIHSCIIII II II T M A T<br />
tergang abgeschlossen war. Zwischen, diesem und der quer<br />
gestellten Scheuer Nr. 99 (mit einem längst verlassenen weiteren<br />
„Ghäusget" im Westen) stand der Göpel, der durch<br />
die rings herumlaufenden Ochsen getrieben, die Dresmaschine<br />
in der Scheune in Gang setzte. Die Obstgärten hinter<br />
dem Wohnhaus und der Scheuer, schon im 16. Jahrhundert<br />
erwähnt, gehörten damals zusammen und dazu auch der<br />
Platz des Hauses 100, das um 1720 entstand. Im Jahre 1392<br />
wohnte hier am Platz 98 ein Heinz Weiß, von dem das<br />
Gäßle den Namen Weißengäßle erhielt. Der Inhaber war<br />
Lehenmann des Heinrich von Killer genannt Affenschmalz,<br />
und nach 1534 Fürstenbergs. Die lückenlose Reihe der Besitzer<br />
ist seit 1524 bekannt, und wie bei allen andern im<br />
Häuserbuch des Rathauses niedergelegt. Im Jahre<br />
1656 war es ein Kaspar Kipf (daher der „Kipfengarten), 1686<br />
ein Hans Kaspar Hipp von Salmendingen. Im Jahre 1855<br />
kaufte Isidor Viesel des Melch. (1820—90) das Haus und heiratete<br />
1860 mit Marianne Hipp des Peter-Paul von Haus 125.<br />
Während 2 Söhne dem Lehrerberuf im Badischen dienten<br />
und 1947 starben, übernahm der ältere Sohn Melchior 1872<br />
mit Frau Sophie geb. Dietrich von Hs. 81 die <strong>Heimat</strong>, die<br />
dann 1939 der dem Aehne nachgetaufte Sohn bekam und<br />
1939 einen Neubau der Scheuer und des „Ghäusget" aneinander<br />
erstellte. Die Entstehungszeit des alten Hauses dürfte vor<br />
1680 liegen.<br />
6.) Der oben erwähnte Hans Kraus des Hans (1611—68)<br />
heiratete um 1633 in den Bach ins Haus Nr. 66, von dem wir<br />
freilich nur eine neuere Aufnahme bringen konnten. Sicher<br />
war das Haus bis um 1900 auch nur einstöckig und ohne<br />
Garten, also das Haus eines Kleinbauern. Der Sohn Mattheis<br />
Kraus wurde Schuhmacher (1635—1715), heiratete<br />
1675 eine Anna Böhler des Jakob. Der Sohn beider namens<br />
M a 11 h e i s jun. mußte Taglöhner werden (1682—1741),<br />
diente in Trochtelfingen, wo er auch 1710 seine Frau Marursula<br />
Scherer holte. Dagegen gelang es einer Generation<br />
später 1743 dem Sohn Ferdinand (1710—88) die Erbtochter<br />
eines fürstenbergischen Lehens aus Haus 116 bei der Kirche<br />
zu heiraten. Seine Frau hieß Emerentia Stölzle. Das Haus 66<br />
im Bach ging 1749 kaufweise an den Hintersassen Paul Bihler<br />
über, von den. das Pfarrbuch Salmendingen schreibt, er<br />
habe die 1,2 Zentner schwere Glocke 1747 für den Kornbühl<br />
von Villingen hergetragen. Sein Lohn betrug 4 Gulden 34<br />
Kreuzer. Heutiger Hausherr ist Makkar Ott bzw. sein Sohn<br />
Karl mit Maria Kraus des Klemens (116).<br />
7.) Der Lehenhof Fürstenbergs bei der Kirche Nr. 116,<br />
den Ferdinand Kraus 1743 zu drei Vierteln heiratete, war<br />
nacheinander von mehreren Familien bebaut worden: 1530<br />
Kornau B e y r e r (Byrer), 1545 Johann Frey, 1578 Junghans<br />
Lang und Frau Anna Koler, 1617 Martin V o 1 m a r<br />
und Anna Büler; 1620 Hans Volmar, 1630 Kaspar Volk<br />
und Barbara Volmer, 1658 Mattheus Pf ist er (angeblich<br />
von Gruol) und Katharina Volk, 1698 jung Mattheis Pflster<br />
und Rosina Hipp bzw. Maria Rhein, 1715 Christian Stölzle<br />
und diese Maria Rhein. Deren Tochter war die erwähnte<br />
Emerentiana Stölzle, die Frau des Ferdinand Kraus (1718<br />
bis 1776). Es folgte beider Sohn Bartholomäus Kraus<br />
mit Frau Gertrud Steinheisler bzw. Juliana Heinzelmann,<br />
1825 der Enkel Synesius mit Frau Viktoria Mayer, 1851<br />
der Urenkel Klemens Kraus mit Brigitta Ott bzw. Elisabeth<br />
Kraus. Dieser Klemens hat 1871 Haus und Scheuer<br />
neu gebaut: unter einem Dach (Bild 4 links) mit Front nach<br />
Süden an der Schmitterain-Gasse. Vorher stand das Wohnhaus<br />
getrennt im Garten mit Blick zum Pfarrhaus, die<br />
Vorgeschichte<br />
Eine Burg zu Haigerloch wird im Jahre 1095 urkundlich<br />
erwähnt. Im 13. Jahrhundert wurden die beiden Städte in<br />
Haigerloch gegründet. So bekamen sie, durch die verfassungsgeschichtlichen<br />
Erscheinungen, die das Bild einer Stadt<br />
ergeben: Markt, Gericht, Befestigung und Gemeinde, die<br />
privilegierte Stellung einer Stadt. Von einer Bürgerwehr aus<br />
dieser Zeit ist uns nichts überliefert. Wir dürfen aber annehmen,<br />
daß damals in Haigerloch — wie in anderen benachbarten<br />
Städten — eine Bürgerwehr errichtet wurde, die<br />
sich, wie in späteren Jahren, wenn nötig, ad munitionem et<br />
robur civitatis zttr Verteidigung der Stadt, vor allem aus<br />
den Zünften rekrutierte.<br />
Schützengesellschaft:<br />
Zeichen bürgerlicher Wehrnaftigkeit waren viele Jahrhunderte<br />
hindurch die sogenannten Schützengesellschaften.<br />
Die Haigerlocher Stadtgarde<br />
von Karl Werner S t e i m<br />
4) Piarrhaus von 1868 mit Nr. 116 (links) und 107 (rechts).<br />
Scheuer am heutigen Platz. Der Hofraum war also ziemlich<br />
„winterig". Als Besitzer folgte 1886 der Sohn Synes (1856<br />
bis 1925) mit: Frau Katharina Dieter (1856—1902) des Josef<br />
Anton von Haus 38, dann 1920 Klemens Kraus (geb. 1890)<br />
mit Frau Rosina Dorn des Gabriel (geb. 1896), endlich 1954<br />
Gabriel Kraus mit Frau Agnes Pflster des Theod. (Hs. 7).<br />
8.) Auf dem letzten Bildchen Nr. 4 sieht man das neue<br />
Pfarrhaus, das unter Pfarrverweser Nerz 1868 von Baurat<br />
Laur-Sigmaringen unter Bauführer Kirn um 8000 fl geplant<br />
wurde, aber nur 7743 fl kostete, ohne daß freilich die<br />
Fronen der Bürger berechnet sind. Die Maurerarbeiten<br />
führte Otto Diebold von Gammertingen aus, die Zimmerarbeit<br />
Maier von hier. Das alte Haus ergab bei der Versteigerung<br />
einen Erlös von 320 fl. Rechts auf dem Bild sieht man<br />
mein Elternhaus Nr. 107. Der Großvater Klemens Kraus vom<br />
gegenüber liegenden Haus 116 hat es 1882 von der sog. Reiberkätter<br />
(Dietz) käuflich erworben. Nach einem Brand 1883<br />
wurde es in der jetzigen Form für meinen Vater Christian<br />
neu erbaut. Rechts dahinter stand das sog. „Krutzes-Haus"<br />
Nr. 108, dessen Scheuer ursprünglich zum Haus 109 (Lexes)<br />
gehörte und dann um 1730 um ein Wohnhaus gegen Norden<br />
erweitert wurde. Unsere Mutter kaufte 1920 diese „Baracke",<br />
wie sie zu sagen pflegte, und ließ sie abreißen, worauf mein<br />
Bruder Klemens die Hocheinfahrt zur Scheuer 1922 errichtete,<br />
wie er solche im Schwarzwald gesehen hatte. Der Platz<br />
zum Haus 107 war stark beengt gewesen. In alter Zeit hatten<br />
die Hausplätze von Nr. 103, 104, 105 und 107 und deren breite<br />
Hofraiten zusammen einen fürstenbergischen Lehenhof gebildet,<br />
der schon 1720 zweigeteilt war und später immer<br />
mehr zerfiel. Bei der Teilung unter arme Leute legten diese<br />
keinen Wert auf große Hausplätze, die nur viel Bodensteuer<br />
kosteten, sondern verzichten bei der Vermessung auf den<br />
breiten Hofraum vor den Häusern. So gehört dieser heute<br />
der Gemeinde.<br />
Eine gewisse aber nur zögernde Entwicklung in der<br />
Hausform läßt sich aus den Bildern unschwer feststellen. Ob<br />
dies auch in Zukunfa der Fall sein wird, ist bei dem Beispiel<br />
der Städte und der wachsenden Bedeutung der Industrie<br />
kaum anzunehmen. Noch ist jedoch kein „Bungalow" zu<br />
sehen, wohl aber reine Arbeiterhäuser, die es vor 10 Jahren<br />
noch nicht gab. J. Adam Kraus.<br />
Sie waren öffentlich rechtliche Verbände, hatten aber keinen<br />
Vereinscharakter, was die Landesherren auch nie zugelassen<br />
hätten. Die Schützengilde war also eine private Vereinigung,<br />
die 'aei Festlichkeiten und Uebungen der späteren Bürgerwehr<br />
vorarbeitete. In einer Urkunde des Jahres 1716 wird<br />
ausdrücklich betont, daß die Haigerlocher Schützengesellschaft<br />
schon lange die Erlaubnis des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen<br />
habe, auf Scheiben zu schießen. Die<br />
Gründung dieser Gilde läßt sich wohl nicht mehr genau<br />
feststellen. „Büchsenschützen" werden schon 1548 in Haigerioch<br />
erwähnt.<br />
Neugrün d u n gsversuche der Stadtgarde:<br />
In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts scheint die Haigerlocher<br />
Bürgerwehr kaum mehr öffentlich aufgetreten zu sein,<br />
obwohl sie jedenfalls dem Namen nach immer noch bestand.<br />
Erst am Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts
22 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
begann man sich in Haigerloch wieder um die 1 Stadtgarde<br />
zu kümmern. In den kommenden zwei Jahrzehnten richtete<br />
das fürstl. Oberamt Haigerloch mehrere Schreiben an die<br />
Regierung in Sigmaringen und bat um die Genehmigung<br />
einer Neugründung der Haigerlocher Stadtgarde. So bereits<br />
im Jahre 1839. Aber das Gesuch wurde abgelehnt. Die Regierung<br />
war der Meinung, daß in Haigerloch eine Bürgergarde<br />
nicht nötig sei.<br />
Welch starkes Gewicht man jedoch in Haigerloch auf eine<br />
Wiederbelebung der Stadtgarde legte, zeigen die vielen Gesuche,<br />
die in den folgenden Jahren an die Regierung gerichtet<br />
wurden. Der Zweck der Bürgergarde sollte sein: „Zur Verherrlichung<br />
des hl. Fronleichnamsfestes, und zur Verherrlichung<br />
der Geburts- und Namensfeier des Landesfürsten,<br />
wie auch auf Verlangen nur nöthigen Hilfe der Polizey beizutragen."<br />
Das Wichtigste aus den Statuten: Die „Capitulationszeit<br />
beträgt vier Jahre. Eintreten in die Bürgergarde<br />
kann jeder Haigerlocher Bürger, der noch keine „Kriminal -<br />
Untersunchung" oder Zuchthausstrafen erlitten hat. Jeder<br />
Gardist hat seinen Dienst unentgeltlich zu versehen.<br />
Später wurde der Bürgergarde noch anderer Nutzen zugeschrieben.<br />
So z. B. auch die niedere Klasse der Bürger<br />
solle Zutritt bekommen. Dann wolle man so die Trunksucht,<br />
Unsittlichkeit und dergl. bekämpfen. Doch alle Gesuche von<br />
Seiten der Haigerlocher wurden abgelehnt. Doch die wurden<br />
nicht müde, immer neue Begründungen zu finden, die für<br />
eine Neugründung der Stadtgarde sprachen.<br />
Es muß auch erwähnt werden, daß sich die Haigerlocher<br />
Gardisten praktisch wenig um die Verbote der Regierung<br />
kümmerten. Die Stadtgarde bestand schon während der Verhandlungen.<br />
Sie war auch bewaffnet und trat sogar öffentlich<br />
auf.<br />
Inzwischen gingen bei der fürstlichen Regierung in Sigmaringen<br />
außer dem Gesuch des Haigerlocher Oberamts noch<br />
mehrere Gesuche ein, eine Bürgergarde gründen zu dürfen.<br />
Diese Angelegenheit wurde nun vor die höchste Verwaltungsstelle<br />
Hohenzollerns gebracht. „Die Fürstlich Hohenzollernsche<br />
Geheime Conferenz". Diese faßte folgenden Beschluß<br />
:<br />
Wo bisher keine Garde bestand, ist die Errichtung einer<br />
Bürgergarde bis zum Erscheinen allgemeiner Vorschriften<br />
über Landwehr, nicht zu gewähren.<br />
In den Revolutionsjahren 1848/49<br />
Die Revolutionsjahre unterbrachen die Haigerlocher bei<br />
ihren Bemühungen um eine Neugiündung der Stadtgarde.<br />
Während dieser Zeit bestand die Garde nun eben ohne die<br />
erbetene Genehmigung. Die Geschichte des Fürstentums<br />
Hohenzollern-Sigmaringen kannte keine derartigen Kämpfe<br />
zwischen Untertanen und Landesherren, wie dies im benachbarten<br />
Fürstentum Hohenzollern-Hechingen der Fall gewesen<br />
war. Dies hatte verschiedene Gründe, würde aber hier<br />
zu weit führen.<br />
Merkwürdig war, daß die Hechinger Regierung keine Sympathie<br />
finden konnte, als sie die Bürgerwehr einführen<br />
wollte. Wie anders war es doch in Baden, wo die Einführung<br />
der Bürgerwehren stürmisch verlangt wurden. Aehnlich war<br />
es ja auch in Haigerloch. Eine interessante Begebenheit vom<br />
März 1848: Seitdem in Paris die Republik ausgerufen worden<br />
war, rechnete die Bevölkerung in Deutschland mit einem<br />
französischen Angriffskrieg. Als am 24. März 1848 das Gerücht<br />
nach Hohenzollern kam, daß sich ein großes französisches<br />
Heer nähere, herrschte in fast ganz Hohenzollern<br />
eine Panikstimmung. Viele Bürgerwehren wurden, soweit<br />
sie es noch nicht waren, bewaffnet. In Haigerloch schoß die<br />
Bürgerwehr am selben Tag abends vom Kirchberg über die<br />
Eyach zum Schloß, da sie annahm, dort befänden sich. Franzosen.<br />
Wie erstaunt aber waren sie, als sich herausstellte,<br />
daß es nur einige Kundschafter aus der Gegend von Hechingen<br />
waren, die ebenso der Meinung waren, der Feind sei<br />
ihnen gegenüber.<br />
Die Sigmaringer Bürgerwehr hatte im Nachmärz sehr an<br />
Bedeutung gewonnen. Die Begeisterung für das Exerzieren<br />
ließ jedoch vor allem bei den benachbarten Gemeinden bald<br />
nach. In Haigerloch wurde am 29. Oktober 1848 die von 167<br />
Frauei_ und 'ungfrauen der Stadt gestiftete Fahne der 3ürlergardt<br />
aufs feierlichste eingeweiht. (Diese Fahne wird<br />
bald in der Waffenkammer des fürstl. Museums in Sigmaringen<br />
zu sehen sein.)<br />
Die Hai crlocher Stadtgarde hatte auch eine türkische Musik.<br />
Im Jahre 1848 begünstigte der damalige Dekan Engst<br />
(später stellte er sich gegen die Stadtgarde), daß aus der<br />
St. Nicolai- und St. Anna-Pflege etwa 120 fl. für Instrumente<br />
der Stadtgarde ausgegeben wurden.<br />
Nach d e r R e v o 1 u t i o n<br />
Im März 1851 stellte die Bürgerwe-hr von Haigerloch die<br />
„Neu-Revidierten Statuten" auf. Danach war der Zweck der<br />
Bürgergarde: Einmal bei Festlichkeiten zur Erhöhung der<br />
Feier beizutragen; sodann die Polizei zu unterstützen. Eintreten<br />
konnte jeder unbescholtene Bürger. Die gesamte<br />
Garde bildete eine Kompanie unter einem Hauptmann, zwei<br />
Leutnants und einem Feldwebel. Die Garde hatte auch, wie<br />
schon erwähnt, eine türkische Musik. Der erste Hauptmann<br />
war Jakob Bürkle; Offiziere: Benjamin Back, Kaufmann<br />
Pfeiffer und Gerber Manz. Doch auch diesmal stieß die<br />
Haigerlocher Bürgerwehr bei der Regierung in Sigmaringen<br />
auf keine Gegenliebe.<br />
Auch im Jahre 1852 wechselten das Oberamt Haigerloch<br />
und die Königl. Regierung in Sigmaringen mehrere Schreiben<br />
die Neugründung der Stadtgarde betreffend. Aber alle<br />
Schreiben wurden abschlägig beantwortet. Im August richteten<br />
dann das Oberamt und die Stadtgarde Haigerloch gemeinsam<br />
ein umfangreiches Schreiben an die Regierung in<br />
Sigmaringen: Die Stadtgarde sei ein seit 150 Jahren bestehendes<br />
Institut (soweit damals bekannt) mit Genehmigung<br />
der fürstl. Regierung. Die Stadtgarde sei dem Wesen nach<br />
eine vielerorts bestehende Schützengilde. Ausdrücklich möchte<br />
siö betonen, daß sie den Namen „Stadtgarde" trage und nicht<br />
Bürgergarde". Wenn auch die sonst üblichen Schützenfeste<br />
allmählich ausgefallen seien, so habe das Institut der Stadtgarde<br />
dennoch ununterbrochen bestanden; sie sei immer im<br />
Besitz von Waffen gewesen und sei es auch heute noch.<br />
Die Haigerlocher Stadtgarde sei ein Institut sowohl des Vergnügens<br />
als auch des allenfalligen Ernstes, denn sie sei dem<br />
Oberamte Haigerloch Gehorsam zu leisten verpflichtet.<br />
Die Antwort der Regierung auf obiges Schreiben: „Das<br />
Oberamt hat darauf zu achten, daß die kirchliche Abhaltung<br />
von Feierlichkeiten, namentlich Prozessionen nach Anordnung<br />
der betreffenden Geistlichen erfolgen. Wenn aber hiervon<br />
Bittsteller zu einem Privatverein ohne öffentlichen Charakter<br />
zusammentreten wollen, so bleibt ihnen das unbenommen.<br />
Wenn sie aber zu öffentlichen Versammlungen<br />
namentlich bewaffnet zusammentreten wollen, so haben sie<br />
in jedem einzelnen Falle die Erlaubnis des Oberamtes Haigerloch<br />
einzuholen.<br />
Mit diesem Schreiben endlich klärte sich die rechtliche<br />
Stellung der Haigerlocher Stadtgarde. Sie durfte also bewaffnet<br />
sein, hatte jedoch die Erlaubnis des Oberamtes einzuholen,<br />
wenn sie bewaffnet ausrücken wollte. Sicher war<br />
die Erlaubnis des Oberamtes nicht schwer zu erhalten, da<br />
es sich sehr für die Wiederbelebung der Stadtgarde eingesetzt<br />
hatte.<br />
Allgemeiner Ueb erblick<br />
Die Bürgergarden waren dem früheren Aufgebot der wehrhaften<br />
Stadtbürger nachgebildete, militärisch organisierte<br />
Freiwilligenverbände. Gewöhnlich hatten sie für die Aufrechterhaltung<br />
der Ordnung zu sorgen. In den Wirren der<br />
französischen Revolutionszeit erstanden diese Bürgerwehren<br />
neu aus dem Verlangen nach Volksbewaffnung. Die deutschen<br />
Bürgerwehren erlebten zwar im 19. Jahrhundert eine<br />
neue Blütezeit, hatten aber meist nur geringe militärische<br />
Bedeutung. Sie waren hauptsächlich eine Paradetruppe des<br />
städtischen Bürgertums. Da sich die Bürgergarden auch für<br />
kommunale Angelegenheiten verwenden ließen, sind sie durchaus<br />
positiv zu bewerten. Sie unterstützten Polizei, Feuerwehr,<br />
Kirche und andere Institutionen.<br />
Daß auch heute noch großes Interesse an Bürgerwehren<br />
besteht, zeigen die vielen Garden, die noch bestehen. Als die<br />
Trochtelfinger Bürgerwehr im vergangenen Jahr ihr 400jähriges<br />
Bestehen feierte, erschienen zahlreiche Stadtgarden,<br />
Bürgerwehren, Reitergarden u. a Ein schönes Zeichen für<br />
das Interesse an diesen alten Institutionen!<br />
Es ist zu bedauern, daß gerade in Haigsrlocn, dieser sonst<br />
so traditionsbewußten Stadt, die Bürgergarde restlos eingegangen<br />
ist!<br />
Quellen und Literatur;<br />
I. Handschriftliche Quellen:<br />
Akten des Staatsarchivs Sigmaringen,<br />
Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv Zoll. Rechnungen.<br />
II. Literatur:<br />
1. Gönner, Eberhard: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen<br />
Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen,.<br />
Hechingen 1952.<br />
2. Schoser, Gustav: Die Bürgerwehr in Trochtelfingen in: Trochtelfinger<br />
<strong>Heimat</strong>tage — 400 Jahre Bürgerwehr 9. bis 10. Mai.<br />
o. O., o. J.<br />
3. Hodler, F. X.: Geschichte des Oberamts Haigerloch.<br />
Hechingen 1928.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 23<br />
Gräberfunde auf dem Alemannenfriedhof Jungingen<br />
M. Lorch<br />
Nachdem bereits im Jahre 1959 „auf der Lehr"<br />
(auf dem Burren) in Jungingen sieben Alemannengräber<br />
gefunden waren, mußten im vergangenen<br />
Sommer (Juni 1964) hinter dem Gemeinde-<br />
M.: 1-seo<br />
haus erneut Baggerarbeiten vorgenommen werden,<br />
weil die Gemeinde z. Zt. einen Erweiterungsbau<br />
zum Gemeindehaus erstellt. Dabei<br />
wurden zwölf weitere Gräber angeschnitten, die<br />
alle, wie die früher entdeckten Gräber, genau<br />
die gleiche Struktur aufweisen, nämlich: eine<br />
Grabkammer aus Blaukalkplatten (Steinkiste)<br />
war in die ausgehobene Grube gestellt und mit<br />
Steinplatten abgedeckt. Teilweise waren die<br />
Deckplatten eingebrochen. Sämtliche Gräber enthielten<br />
noch Skelette, aber nicht die erhofften<br />
Beigaben. Wenn in einzelnen Fällen der Schädel<br />
bei den Füßen gefunden wurde, deutet dies<br />
darauf hin, daß in früheren Jahrhunderten<br />
vielleicht schon einmal Störungen durch „Schatzgräber"<br />
stattgefunden haben.<br />
Wie die beigegebene Planskizze zeigt, berechtigen<br />
die neuen Funde, den Friedhof als „Reihengräber-Friedhof"<br />
anzusprechen. Die<br />
Gräber sind numeriert in der Reihenfolge, wie<br />
sie entdeckt wurden. Die noch in den Reihen<br />
bestehenden Lücken deuten darauf hin, daß noch<br />
nicht alle Gräber aufgefunden sind, obwohl der<br />
größte Teil des Grundstücks durch den Bagger<br />
umgewühlt wurde. So sind die Gräber Nr. 20,<br />
21 und 22 im Steilhang zur ehemaligen Landstraße erst<br />
jetzt entdeckt worden, obwohl sie schon jahrzehntelang oder<br />
noch länger so an der Oberfläche lagen, daß die Platten der<br />
Steinkammern ans Tageslicht gekommen waren, ohne als<br />
Gräber erkannt zu werden. Von den Skeletten dieser drei<br />
Gräber sind Schädel und Brustkorb schon längst den Hang<br />
hinabgerutscht; sie mußten doch einmal entdeckt und gefunden<br />
worden sein. Darüber ist seltsamerweise weder<br />
mündlich noch schriftlich etwas überliefert worden, sonst<br />
wäre der Reihengräberfriedhof nicht erst in unseren Tagen<br />
entdeckt worden. Ueberlegt man ferner, daß gerade diese<br />
Gräber der ersten Reihe die ersten und ältesten gewesen<br />
sein mochten, dann müßten sie auch, weil noch in heidnischer<br />
Zeit entstanden, Waffen oder Gebrauchsgegenstände<br />
als Beigaben enthalten haben. Auch diese sind mit dem<br />
Knochen den Abhang hinabgerollt, ohne jemals geborgen<br />
zu werden. Die südwestliche Trauflinie des Hügels (in der<br />
Skizze als „Zaun" bezeichnet) ist seit der Zeit, da der Friedhof<br />
angelegt wurde, also in rund 1300 (dreizehnhundert)<br />
Jahren, um etwa zwei Meter rückwärts gewandert, bedingt<br />
teils durch natürliche Einflüsse, teils durch<br />
(Straßenbau).<br />
Menschenhand<br />
Nachdem jetzt ein Gesamtplan der Friedhofsanlage gefertigt<br />
werden konnte, ist es angebracht, eine Gesamtübersicht<br />
über die Funde zu geben. Dabei ist eine teilweise Wiederholung<br />
der Angaben des 1. Fundberichtes vom Juni 1959<br />
\ P]an-Skizze<br />
feäa m ,<br />
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5 eneia-efeAauj<br />
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Schematische Darstellung des Reihengräber-Friedhofs mit der Lage der Gräber<br />
nicht zu umgehen. Grab Nr. 2 enthielt ein Halsband aus<br />
Tonperlen und zwei Bronceohrringe von je 8 cm Durchmesser<br />
mit Silberauflagen, zwei kleinere Bronceringe und<br />
Broncekapsel, deren Bedeutung jetzt erkannt und bei Bericht<br />
über Grab 10 gezeichnet und geklärt ist. Es ist kaum<br />
anzunehmen, daß diese Riesen-Ohrringe im durchlöcherten<br />
Ohrläppchen getragen wurden, wie dies heute der Fall ist;<br />
denn Bronze mit Grünspanpatina wäre ein dauernder Herd<br />
für Blutvergiftung gewesen. Der gesundheitliche Schaden<br />
wird auch schon damals erkannt worden sein. Der große<br />
Durchmesser von 6 bis 8 cm gestattete es ohne weiteres,<br />
die Ringe einfach über die Ohren zu hängen. Grab Nr. 3<br />
enthielt in 60 cm Tiefe dicht über dem Skelett den Unterkiefer<br />
eines Pferdes. Diese Beigabe ist für die Forschung<br />
vielleicht wichtiger als ein erhoffter Waffenfund. Die Alemannen<br />
waren um 500 n. Chr. vermutlich noch Heiden.<br />
Ein Christ gewordener Grieche namens Agathius berichtet<br />
um 575, was die Alemannen besonders verehrten. Es waren<br />
gewisse Bäume, Gewässer, Hügel und Bergschluchten. Der<br />
Hügel (Burren zwischen drei Gewässern, Starzel, Mühlbach,<br />
Weilbach) ist hier angegeben. Von den Kultfeiern sagt Agathius:<br />
„Die Alemannen schnitten den Pferden und Stieren<br />
die Köpfe ab. Vermutlich wurden diese Teile den Göttern<br />
geweiht, während das Opferfleisch verzehrt wurde." Es ist<br />
bekannt, daß in gleicher Weise mit den Ziegen, Widdern,<br />
Farren und Schweinen verfahren wurde. Auch in der ersten<br />
Eine Gräberreihe nach ihrer Entdeckung und Oeffnung (das in unserem Text angegebene Foto Nr. 1).
:(24 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
christlichen Zeit sah es bei den Franken, die seit der Schlacht<br />
bei Zülpich 496 die Herren über die Alemannen waren, nicht<br />
viel anders aus. Gregor von Tours mußte die Königin Brunhilde<br />
auffordern, den Kult der Häupter der Tiere abzustellen<br />
(nach Dr. E. E. Hahn, Forschungsfahrt durch Süddeutschland).<br />
Aus Grab Nr. 6 kamen einige römische Topfscherben<br />
zutage, deren Bedeutung in Verbindung mit den Namen<br />
der angrenzenden Fluren bereits 1959 dargelegt wurde. Grab<br />
Nr. 7 enthielt das vollständige Skelett eines etwa 7jährigen<br />
Kindes. Wahrscheinlich wurde es neben der Mutter (Grab<br />
Nr. 1) beigesetzt. Die Beigabe (Halskette aus Tonperlen)<br />
läßt auf weibliches Geschlecht schließen. Es ist gelungen,<br />
sämtliche Teile dieses Skeletts zu bergen, sie wieder in ihre<br />
natürliche Lage zusammenzufügen und jetzt in einem<br />
„Schneewittchensarg" im Schulmuseum aufzustellen. Die<br />
Knochen der Gräber 1 bis 6, soweit sie nicht nach Tübingen<br />
geholt sind, wurden in einer mit Zinkblech ausgeschlagenen<br />
Kiste gesammelt, mit „Flaschenpost" versehen und verschlossen<br />
im Grab Nr. 1 vor dessen Zuschüttung wieder beigesetzt.<br />
Das Bild der Gräberreihe 8 bis 17 nach seiner Entdeckung<br />
und Oeffnung zeigt Photo Nr. 1. Grab Nr. 8 enthielt einen<br />
sehr gut erhaltenen Alemannenschädel; Grab Nr. 10 gab<br />
zwei Kapseln aus Bronzeblech frei, die ihrer Lage nach vom<br />
Halsschmuck stammen dürften (Zeichn. Nr. 2).<br />
Wie mag der Bronzeschmied diese Anhänger<br />
hergestellt haben? Eine Treibarbeit aus<br />
Bronzeblech ist bei der Kleinheit der Kapseln<br />
wohl nicht möglich gewesen. Bleibt also nv.r<br />
Brcnzeguß Man überlege, was zur Form nötig<br />
war: Kern, „falsche" Kapsel und Mantel, ähnlich<br />
wie bei unse em heutigen Glockenguß.<br />
Eine Technik und Präzision, die füi jene Zeit<br />
kaum für mög'ich gehalten wird, was mag<br />
dem Künstler, (denn das war er!) als Vorbild<br />
gedient haben? Nehmen wir im Herbst eine<br />
Grab Nr. 10 gab zwei Kapseln aus Bronzeblech frei,<br />
die ihrer Lage nach auch vom Halsschmuck stammen<br />
dürften.<br />
Am Sonntag Estomihi, 1 ) den 15. Februar 1589, fand im<br />
Schloß zu Sigmaringen die Hochzeit des Marx Fugger d.<br />
J., Freiherrn zu Kirchberg und Weißenhorn<br />
und der Anna Maria Gräfin von Hohenzollern-<br />
Sigmaringen, statt. Die Braut war am 16. Januar 1573<br />
zu Ensisheim im Elsaß, als Tochter Karls II., Grafen von<br />
Hohenzollern-Sigmaringen und der Euphrosine Gräfin von<br />
Oettingen-Wallerstein, geboren. Der Graf hatte das Amt<br />
eines Landvogts im Elsaß inne, weshalb er öfters in seiner<br />
Residenz Ensisheim weilte.<br />
Eines der wichtigsten Hofämter dieser Hochzeit bekleidete<br />
Joachim von und zu Hausen, der als zweiter gräflicher Oberhofmeister<br />
für den Verlauf des Festes mitverantwortlich war.<br />
Von seiner Hand hat sich im Gräflich Douglas'schen Archiv<br />
zu Schloß Langenstein, Kreis Stockach, ein Verzeichnis der<br />
Gäste und Hofdienste erhalten. 2 ) Der Hochzeitszettel gliedert<br />
sich in 6 verschiedene Teile. Im 1. Teil werden die von zollerischer<br />
Seite geladenen Fürsten (Landesherrn), die zugesagt<br />
oder abgesagt haben, aufgeführt, im 2. Teil folgen die Grafen,<br />
Freiherrn und Prälaten, im 3. Teil sind die Träger der<br />
Hofämter wie Hofmeister, Superintendenten, Truchsesse und<br />
Vorschneider verzeichnet, im 4. Teil werden die von Fuggerscher<br />
Seite geladenen und entschuldigten Gäste aufgeführt.<br />
Der 5. Teil berichtet von der Reihenfolge, wie die Teilnehmer<br />
der Hochzeit an 8 Tischen gesetzt wurden, im 6. Teil werden<br />
die Vortänzer genannt, die aus den Reihen der Gäste und<br />
Hofdienste bestimmt wurden.<br />
Eichel, setzen darauf als Krönchen eine Pfaffenhütchenfrucht<br />
und stecken als Verbindung einen Drahtstift hindurch, der<br />
zur Oese gebogen im Hinglein eingehängt wird, dann haben<br />
wir wohl das natürliche Vorbild. Grab Nr. 17 (Photo Nr. 2)<br />
enthielt das Skelett eines Mannes, dessen beide Oberschenkel<br />
auffallend krumm waren. Daraus dürfte man schließen,<br />
daß er den größten Teil seines Lebens „zu Pferde" zugebracht<br />
hat. Grab Nr. 21 endlich kündet vom tragischen<br />
Schicksal seines Bewohners. Er muß zu Lebzeiten bei einem<br />
Unglücksfall auf der Jagd oder im Kampfe einen Oberschenkel<br />
gebrochen haben, der dann ohne „Röntgenkontrolle"<br />
wieder richtig „eingerichtet" und zusammengewachsen war.<br />
Hier muß doch wohl schon ein sachverständiger „Medizinmann"<br />
Hilfe geleistet haben. Von den insgesamt 22 Gräbern<br />
müssen etwa 6 als Kindergräber angesehen werden. Aus der<br />
Knochen- und Grabkistengröße läßt sich dies unschwer feststellen.<br />
Der Anteil der Kindergräber beträgt also ein Viertel<br />
der bis jetzt bekannten Gräberzahl.<br />
Das Landesamt für Denkmalspflege in Tübingen hat nach<br />
Einsichtnahme auch diesmal wie vor 5 Jahren die Bronzefunde<br />
und den schönen „alemannischen Dickschädel" zu Forschungszwecken<br />
weggeholt mit dem Versprechen, sie später<br />
der Landessammlung auf der Zollerburg zu übergeben.<br />
Das Skelett eines Mannes, der zweifellos viel geritten ist (die Oberschenkel<br />
sind auffallend krumm). Skizzen u. Fotos: M. Lorch<br />
Eine zollerische Hochzeit Anno 1589<br />
Alois Beck, Offenburg<br />
An der Tafel des Brautpaares hatten neben den Eltern<br />
die anwesenden Landesfürsten oder ihre Gesandten, der Abt<br />
von Salmansweil (Salem), der das Paar wohl auch getraut<br />
hat und einige nächste Verwandte, Platz genommen. An 2<br />
weiteren Tischen saßen die Grafen, Freiherrn und die Gesandten<br />
der Prälaten. Die 4. Tafel war den verheirateten<br />
Damen und die 5. den Fräulein vorbehalten. Der Schreiber<br />
des Zettels vermerkt noch 3 weitere Tafeln mit Frauenzimmern,<br />
deren Namen er uns leider verschweigt. Die Trennung<br />
der Gäste an den Tafeln 2—8 nach Familienstand und Geschlecht<br />
entspricht den Tischsitten der Zeit. 3 ) Auch die Gesprächsthemen<br />
dürften hierfür mitbestimmend gewesen sein.<br />
Die aufgetragenen Gänge wurden, rangmäßig abgestuft, gereicht<br />
4 ) und die mit viel Gewürzen zubereiteten und oft zusätzlich<br />
mit Rosenwasser parfümierten Speisen 5 ) waren<br />
schwer verdaulich und verlangten längere Pausen zwischen<br />
den einzelnen Gängen, die durch musikalische Darbietungen<br />
und allerhand Mummenschanz verkürzt wurden. Sicher<br />
waren nicht nur die im Gefolge Hans Fuggers genannten drei<br />
Musikanten anwesend. Die übrigen Fugger und Graf Eitelfriedrich<br />
von Hohenzollern-Hechingen hatten in ihren Diensten<br />
mehrere zu Ruhm gelangte Musiker und unterhielten<br />
wie der Vater der Braut bedeutende Musikkapellen. In Sigmaringen<br />
amtete zu jener Zeit Melchior Schramm als Kapellmeister.<br />
6 ) Schmid vermutet, daß der Musiker Narzissus<br />
Zängel mit seinem Dienstherrn Jakob Fugger und Ferdinand<br />
di Lasso, der Sohn des großen Orlando, im Gefolge des Gra-
fen Eitelfriedrich an dieser Hochzeit teilgenommen haben, 7 )<br />
um das Fest mit ihrer hohen Kunst würdig auszuschmücken.<br />
Die Zahl der Ho-chzeitsgäste dürfte mit den Hofdiensten<br />
kaum 120—125 überstiegen haben, hinzukommen auf Fuggerscher<br />
Seite 93 Personen Dienerschaft mit 143 Pferden, auf<br />
zollerischer Seite ist eine ähnliche Zahl anzunehmen. Es war<br />
nicht leicht, im Winter mehrere Tage so viele Gäste mit Gefolge<br />
und Dienerschaft unterzubringen. Im Schloß zu Sigmaringen,<br />
wie in den Herbergen und Bürgerhäusern des<br />
Städtleins war sicher jeder verfügbare Raum belegt. 8 ) Der<br />
bevorstehende Aschermittwoch hat die Festdauer auf 3 Tage<br />
beschränkt. Für die damalige Zeit eine Adelshochzeit in bescheidenem<br />
Rahmen. 9 )<br />
Verzeichnis der (Landes-)Fürsten, Grafen, (Frei-)Herrn und Prälaten,<br />
die teilweise persönlich oder durch einen Gesandten aus beidseitiger<br />
Freundschaft zur Hochzeit des wohlgebornen Herrn Marx<br />
Fugger und dem Fräulein Anna Maria Gräfin von Hohenzollern auf<br />
Estomihi Ao. 89 zu- oder abgeschrieben haben.<br />
Erstlich der Fürsten, Gesandte die auf zollerischer Seite zugeschrieben<br />
haben:<br />
Kurfürstlich Brandenburg'scher Gesandter Graf Eitelfriedrich von<br />
Hohenzollern (Hechingen);<br />
Erzherzog Ferdinands von Oesterreich Gesandter, Graf Wilhelm von<br />
Oettingen;<br />
Herzog Wilhelm und Ferdinand von Bayern schicken Grafen<br />
Schweikhart von Helfenstein als Gesandten;<br />
Markgranich Tirol'scher Gesandter, Georg von Stain;<br />
Markgräflich Ansbach'scher Gesandter, Graf Eitelfriedrich von<br />
Hohenzollern;<br />
Herzoglich Württemberg'scher Gesandter, Graf N. von Eberstein,<br />
Anwesende Fürsten:<br />
Markgraf Jakob von Baden;<br />
L.-m.dgraf Ludwig zu Leuchtenberg und seine Gemahlin.<br />
Nachfolgende fürstliche Personen haben abgeschrieben:<br />
Die altere Herzogin von Sachsen entschuldigt sich wegen ihres Alters<br />
da sie bei roich kaltem Weiter nicht über Land reisen kann.<br />
Die r,iiw Herzogin vo.i Bayern schreibt ab mit der Bemerkung: sie<br />
scii.ck. seit dem Tod ihres Gemahls keine Abgeordneten mehr<br />
zu Hochzeiten.<br />
Nun folgen die anwesenden Grafen und (Frei-)Herm mit ihren<br />
Gern .hl innen.<br />
Graf Chrisioph Ladislaus von Tengen, Domprobsi zu Straßburg;<br />
Graf Christoph von Hohenzollern (-Haigerloch) mit seiner Gemahlin,<br />
1 Fraulein (Tochtcr), 3 Frauenzimmern, 2 Adeligen, 4 Kutschenund<br />
12 r...isigen Pferden = 16 Pferde;<br />
Graf Eit^lfritdrich von Hohenzollern (-Ileciiingen) mit seiner Gemahlin,<br />
2 Fräulein (Tochter) und 4 Personen der Gräfin Frauenzimmer;<br />
Graf hristoph von Sulz, Domherr zu Straßburg, mit 3 Adeligen;<br />
Graf Rudolf von Sulz;<br />
Graf Wilhelm von Oettingen, seine Gemahlin, 1 jungen Herrn (Sohn)<br />
und 6 Adeligen;<br />
Rheingraf Friedrich;<br />
Graf Konrad von Tübingen d. J. 1<br />
Graf Albert von Oettingen;<br />
Graf Schweikhart von Helfenstein, seine Gemahlin, 1 Jungfrau,<br />
2 Kammermägde, 1 Adeliger, 8 Reisigen- und 10 Wagenpferde<br />
= 18 Pferde;<br />
Graf Georg von Montfort;<br />
Jakob von Geroldseck und seine Gemahlin;<br />
Georg Ludwig von Freiberg, Freiherr zu Justingen.<br />
Die anwesenden geistlichen Herrn und ihre Gesandte;<br />
Der Landkomtur zu Altshausen;<br />
Der Abt von Salmansweil (Salem) mit einem Conventual;<br />
Der Abt von Schussenried schickt als Gesandten seinen Obervogt;<br />
Der Abt zu (Ober-)Marchtal ist ebenfalls durch seinen Gesandten<br />
vertreten.<br />
Folgende Grafen und (Frei-)Herrn haben sich entschuldigt:<br />
Graf Gottfried von Oettingen schickt N. N. als Gesandten;<br />
Graf Heinrich von Fürstenberg entschuldigt sich wegen der Leibschwachheit<br />
seiner Gemahlin, sein Gesandter Wolf Walter v. Fulach;<br />
Graf Joachim von Fürstenberg entschuldigt sich wegen vorgefallener<br />
Geschäfte, sein Gesandter N. von Hersperg;<br />
Graf Friedrich von Fürstenberg, des nochlöblichen kaiserlichen Kammergerichts<br />
Präsident entschuldigt sich wegen seines tragenden<br />
Amtes:<br />
Jakob Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg, entschuldigt sich wegen<br />
Bodengrans (Gicht) und anderer Leibsschwachheiten, sein Gesandter<br />
Hans Kaspar von Ulm, Obervogt der Herrschaft Zeil;<br />
Philipp Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg und Domherr zu Straßburg,<br />
Köln und Konstanz entschuldigt sich wegen dringend zugefallener<br />
Sachen des Kapitels zu Konstanz;<br />
Georg Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg, Domherr zu Augsburg,<br />
ist aus bewegter Ursache ausgeblieben;<br />
Graf Rudolf von Helfenstein;<br />
Freiherr Georg von Königsegg;<br />
HOHENZOLLERISCHEHEIMAT 25<br />
Freiherr Marquard von Königsegg, fürstl. Bayrischer Marschall;<br />
Bertold v. Königsegg entschuldigt sich etlicher zugefallener Geschäfte.<br />
Die abwesenden Gräfinnen:<br />
Die Aebtissin des Gotteshauses Buchau schreibt ab;<br />
Frau Gräfin von. Löwenstein, geborene Markgi'äfin von Baden,<br />
entschuldigt sieh wegen Leibsschwachheit;<br />
Frau Gräfin von Helfenstein Witib zu Neufra erscheint nicht;<br />
Frau Gräfin von Helfenstein geb. von Montfort entschuldigt sich<br />
ihres Alters und Leibssch>vachheit;<br />
Frau Witib (von Helfensein?) geb. Gräfin von Fürstenberg zu<br />
Mengen erscheint nicht wegen ihres Alters und Leibsverunmöglichkeit;<br />
Frau Gräfin von Schwarzenberg schreibt ab wegen ihres Alters;<br />
Frau Anna Gräfin von Lupfen Witib schreibt ab wegen des Absterbens<br />
Geschwei (Verwandte) von Merspurg;<br />
Frau Witib von Frundsberg zu Haßloch (welches?) entschuldigt sich;<br />
Frau Barbara v. Montfort Witib erscheint nicht wegen ihres Alters;<br />
Frau Gräfin Ursula von Montfort Witib.<br />
Hofämter:<br />
Der gräflichen Hochzeit Oberhofmeister:<br />
Hans Christoph Wendler von Bergerat<br />
Joachim von und zu Hausen.<br />
Aller Frauenzimmer Hofmeister:<br />
Christoph Vollandt.<br />
Der Grafen und (Frei-)Herrn Tafel Hofmeister:<br />
Hans Christoph Reidinger.<br />
Der Gräfinnen und Fräulein Hofmeister:<br />
Hans Heinrich Escher (Escher von Binningen, Breisgau).<br />
Der fürstlichen Tafel Superintendenten: Friedrich von Westerstetten;<br />
Jakob von Ehingen.<br />
Der Frauenzimmer Tafel Superintendenten: Sebastian von Fulach:<br />
Christoph Artzet.<br />
Der fürstlichen Tafel Truchsesse: Eitelbilgerim von Stain; Philipp<br />
Adam von Freyberg; Ulrich Gremiich von Jungingen; Hans<br />
Adam von Freyberg; Hans Konrad von Bernhausen; Georg Adam<br />
von Freyberg; Hans Jakob von Stotzingen; Hans Gremiich von<br />
Jungingen; Peter Schar zu Oberhausen; Hans Georg Eglof von Zell;<br />
Kaspar Herter (v. Hertier geadeltes Geschlecht zu Konstanz); Eberhard<br />
Gremiich; Hans von Freyburg Geschlecht zu Ueberlingen;<br />
Reinhaid von Dettingen; Georg von Dettingen; Friedrich Kraft<br />
Geschlecht in Basel-Breisach und Ulm); Gallus Schütz; N. Lay; Hans<br />
von Burgau; N. v. Leschwang; Wildhans von Neuneck; N. Schindelin;<br />
Eschers Sohn (vermutlich Hans Nikolaus); Christoph Gremiich<br />
(kein Truchseß).<br />
Der andere Hofmeister: Stebenhaber Hofjunker zu Sigmarmgen.<br />
Der Hofmei^br des Hofgesinds: Hyronimus Pflumer Doktor und<br />
Rat des Grafen Karl von Hohenzollern; Georg Walch, Erzherzogs<br />
Ferdinands zu Oesterreich, Landschreiber der Herrschaft Hohenberg.<br />
Folgen die auf Herrn Fuggers Seite zugeschriebenen Gäste: Erzherzog<br />
Ernst v. Oesterreich schickt einen Gesandten; Hans Fugger mit<br />
Kammerdienern, 1 Lakaien, 3 Musikanten, 3 Stallknechten, 1 Stalljungen,<br />
den Pfleger zu Murkhausen mit 16 Reisigen- und 2 Kutschen<br />
daran 10 Pferde = 25 Pferde; Marx Fugger der ältere samt Fräulein<br />
Elisabeth 4 Kammerdienern, 7 Klepper- und 6 Kutschenpferden = 13<br />
Pferde; Georg Fugger mit 7 Dienern, 6 Kutschen- und 2 Reisigen<br />
Pferden = 8 Pferde; Jakob Fugger und seine Gemahlin, 1 Fräulein<br />
(Tochter), 1 Hofmeisterin 2 Jungfrauen, 1 Kammerjungen, 22 Dienern-,<br />
Reisig- und Wagenpferde = 22 Pferde; Christoph Fugger mit<br />
4 Kammerdienern, 1 Jungen, 1 Lakaien, 4 Knechten, 6 Kutschen- und<br />
7 Reisigen Pferden = 13 Pferde; Graf Georg von Montfort mit 7<br />
Dienern, 9 Kutschen- und 7 Reisigen Pferden = 16 Pferde; Konrad<br />
von Beminelberg der ältere mit seiner Gemahlin, 10 Reisigen- und<br />
7 Kutschenpferden = 17 Pferde; Antoni Fugger mit 13 Pferden; Georg<br />
Villinger Freiherr mit 6 Dienern 3 Reisigen-, 4 Kutschenpferden<br />
= 7 Pferde; Hans von Rechberg mit 8 Pferden, Junker Hans Ulrich<br />
Ehinger.<br />
Wie die Fürsten, Grafen, Herrn und deren Gesandte gesetzt wurden:<br />
Herr Bräutigam; Fräulein Hochzeiterin; Markgraf Jakob von<br />
Baden; Landgraf zu Leuchtenberg; der Churfürstlich Brandenburg'<br />
sehe Gesandte, Graf Eitelfriedrieh von Hohenzollern; der Gesandte<br />
des Erzherzogs Ferdinands von Oesterreich; Graf Wilhelm von Oettingen;<br />
der Bayrisch Gesandte, Graf Schweikhart von Helfenstein;<br />
der Württembergische Gesandte, Graf zu Eberstein; der Markgräflich<br />
Tirol'sche Gesandte, Georg von Stain; Graf Karl von Hohenzollern;<br />
Hans Fugger; Marx Fugger; Der Prälat zu Salmansweil; Graf<br />
Christoph Ladislaus von Tengen, Domprobst zu Straßburg; Frau<br />
Gräfin (Euphrosine) von Hohenzollern; Frau Jakob Fugger.<br />
Der fürstlichen Tafel Fürschneider;iO) Christoph Schar zu Oberhausen;<br />
Hans Georg Eglof von Zell.<br />
An der zweiten Tafel der Grafen und Herin saßen: Jakob Fugger;<br />
Herr Landkomtur; Graf Christoph von Hohenzollern; Graf Georg<br />
von Montfort; Rheingraf Friedrich; Antoni Fugger; Georg Fugger;<br />
Graf Christoph von Sulz, Domherr zu Straßburg. Jakob von Geroldseck<br />
(Graf von Veldenz); Freiherr Konrad von Bemmelberg d.<br />
Aeltere; Graf Rudolf von Sulz; Christoph Fugger des Bräutigams<br />
Bruder.
An der dritten Tafel nahmen Platz: Gral Albrecht von Oettingen;<br />
Graf Konrad von Tübingen; Conrad von Bemmelberg d. J.; Freiherr<br />
Villinger d. J.; Georg Freiherr Schenk von Limpurg; der<br />
Gesandte des Grälen Heinrich von Fürstenberg, Wolf Walter von<br />
Fulach; der Gesandte des Grafen Joachim von Fürstenberg, N. von<br />
Hersperg; der Gesandte des Erbtruchseß Jakob Freiherr zu Waldburg;<br />
Hans Kaspar von Ulm; der Gesandte des Truchseß Karl,<br />
Martin Memminger; Georg Ludwig von Freyberg, Freiherr zu Justingen;<br />
der Schussenried'sche Gesandte; der Marchtalische Gesandte.<br />
An der vierten Tafel saßen die Gräfinnen: Frau von Bemmelberg<br />
d. J.; Frau Gräfin von Helfenstein; Frau von Bemmelberg d. Aelt.;<br />
Frau Gräfin von Oettingen; Frau Gräfin von Hechingen; Frau Truchsessin;<br />
Frau Gräfin von Haigerloch; die Frau von Geroldseck; der<br />
Gräfinnen Fürschneider: ein junger Gral v. Oettingen, Carlo genannt.<br />
An der fünften Tafel waren folgende Fräulein vereinigt: Fräulein<br />
von Sulz; Fräulein Fuggerin, Jakob Fuggers Tochter; Fräulein von<br />
Schwarzenberg; das ältere Fräulein von Hechingen; Fräulein von<br />
Welsperg; das junge Fräulein von Hechingen; Fräulein Maria Jacobe<br />
Gräfin von Zollern; die Landgräfliche Hofmeisterin; die Oettingische<br />
Hofmeisterin.<br />
Folgen noch 3 Tafeln mit Frauenzimmern.<br />
Der gräflichen Hochzeit verordnete Vortänzer: Graf Konrad von<br />
Tübingen; Graf Rudolf von Sulz; Jakob von Geroldseck; Georg<br />
Schenk von Limpurg; N. von Grafeneck; Georg Ludwig von Freyberg,<br />
Freiherr zu Justingen.<br />
Vortänzer von Adel: Philipp Adam von Freyberg; Hans Georg<br />
Eglof von Zell; Georg Adam von Freyberg; Hans von Burgau.<br />
Anmerkungen :<br />
1) Fastnachtsonntag,<br />
2<br />
) Der Schriftsatz wurde der heutigen Schreibweise angepaßt. Zeitgenössische<br />
Wortbilder sind in ihrer Form wiedergegeben worden.<br />
Ergänzte Namen, Titel usw. wurden in Klammern gesetzt.<br />
3) Günther Schiedlausky: Essen und Trinken, Tafelsitten bis zum<br />
Ausgang des Mittelalters, Prestel-Verlag München, 1956, S. 19 ff.<br />
S. 30 ff.<br />
i) Als Herzog Johann von Sachsen sich 1500 in Torgau mit Sophie<br />
von Mecklenburg vermählte, wurde die Anzahl der Gänge rangmäßig<br />
abgestuft, etwa daß am Fürstentisch 16 Essen gereicht wurden,<br />
für die Grafen, Räte und Prälaten 10 Essen, für die Ritter<br />
und Frauenzimmer nur 8 Essen usw. Vgl. G. Schiedlausky S. 52.<br />
Die Gerichte bestanden nicht nur aus den heute noch üblichen<br />
Fleisch-, Wild-, Geflügel- und Fischarten. Es wurden u. a. noch<br />
Igel, Murmeltiere, Eichhörnchen, Meerschweinchen, Fischreiher,<br />
Schwäne, Kraniche, Pfauen, Raben und manchmal auch Schlangen<br />
verzehrt, die damals nicht besser als heute geschmeckt haben.<br />
Vgl. G. Schiedlausky a.a.O. S. 48 ff.<br />
») Ernst Fritz Schmid: Musik an den schwäbischen Zollernhöfen<br />
der Renaissance,<br />
?) Ebenda Seite 45.<br />
Bärenreiter-Verlag Kassel 1962<br />
8) Das Schloß hatte vor der Zerstörung durch die Schweden am<br />
5. März 1633 mindestens 25 bewohnbare<br />
Vgl. E. F. Schmid a.a.O. Seite 135.<br />
Zimmer.<br />
») Die Hochzeit des Grafen Christoph von Zollern-Haigerloch und<br />
der Freiin Katharina zu Welsperg und Primör, die im August 1577<br />
in Sigmaringen gefeiert wurde, dauerte 5 Tage. Dem Fest wohnten<br />
mindestens 200 Gäste mit 525 Pferden bei. Die Zahl der Die-<br />
:(26 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
nerschaft ist nicht bekannt. Vgl. Alois Beck: Ein zollerischer<br />
Hochzeitszettel aus dem Jahre 1577 in Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />
2. Jahrgang Nr. 1 Seite 14 ff; E. F. Schmid a.a.O. Seite 101 ff:<br />
Die große zollerische Hochzeit, die Vermählung des Erbgrafen<br />
Johann -Georg von Zollern-Hechingen mit der Rheingräfin Franziska,<br />
die im Oktober 1598 mit großer Pracht gefeiert wurde, erstreckte<br />
sich über 8 Tage. Der Furierzettel nennt 984 Gäste und<br />
865 Pferde. Vgl. E. F. Schmid a.a.O. Seite 591 ff.<br />
10) Schiedlausky a.a.O. Seite 23 ff; Abb. Nr. 10—11 Nr. 18—19.<br />
„Eine besondere Rolle spielte bei den Gastmahlen der Vorschneider<br />
mit der schwierigen Aufgabe betraut, die hereingetragenen<br />
Fleischstücke, die oft aus ganz gebratenen Tieren bestanden,<br />
kunstgerecht, schnell und so zu zerteilen, daß jeder Gast ein<br />
Stück abbekam. Es muß Virtuosen ihres Faches gegeben haben,<br />
die sehr gesucht und hoch bezahlt waren. Sie mußten zum Beispiel<br />
in der Lage sein, ein Geflügel „in der Luft" zu zerteilen,<br />
wie man es nannte, das heißt, ein auf eine senkrecht gehaltene<br />
Gabel gespießtes Geflügel durch kunstvolle Messerschnitte so zu<br />
zerlegen, daß keine Hand die Speise berührte, eine geradezu<br />
artistische Leistung, zumal wenn man bedenkt, daß dieses Zerlegen<br />
vor fürstlichen Häuptern im Knien geschehen mußte.<br />
Ueberhaupt gehörte das Tranchieren zur Ausbildung eines Hofmannes.<br />
Der Vorschneider arbeitete mit einem Besleck, das meist<br />
aus mehreren Messern und Gabeln verschiedener Größen bestand.<br />
Die Bestecke waren samt den dazugehörigen Lederetuis<br />
prächtig gestaltet, da sie an bevorzugter Stelle der Tafel verwendet<br />
wurden und der Vorschneider bei seiner Arbeit im Blickpunkt<br />
der Gäste stand."<br />
11) In Klammern gesetzte Ergänzungen stammen aus: Kindler von<br />
Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch Bd. I—III. 'f<br />
Das Geheimnis der Osternacht<br />
Es schwelt und es brodelt im Dunkel der Nacht —<br />
Inmitten von stummem Gewoge.<br />
Es zünden sich Kerzen - ein Toter erwacht!<br />
„Halleluja" singt's aus dem Troge.<br />
Lebendiges Wasser fließt um und um,<br />
Geleitet von segnenden Händen:<br />
Von Seele zu Seele im Heiligtum<br />
Erteilt der Erstandene Spenden.<br />
Er geht durch den Frühling, den eigens er schuf,<br />
Zu laden die Ärmsten der Armen:<br />
Er weckt seine deiche mit flammendem Ruf<br />
Zum Frieden auf und zum Erbarmen.<br />
Forschung um die Grafen von Gammertingen<br />
Hansmartin S c h w a r z m a i e r hat in einer Dissertation 1 )<br />
über bayerisches Gebiet zwischen Iiier und Lech auch einen<br />
Exkurs über die Grafen von Gammertingen gemacht. 2 ) Der<br />
Hauptteil seiner Arbeit betrifft die Familie der Grafen bzw.<br />
Markgrafen von U r s i n (heute Irsee) bzw. Ronsberg,<br />
deren Stammfolge und ausgedehnter Besitz ausführlich geschildert<br />
wird. Bekanntlich hat Graf (seit 1182 Markgraf)<br />
Heinrich von Ronsberg um 1150—1160 die Tochter<br />
Udiihild des Gammertinger Grafen Adalbert I. (1101—39)<br />
geehelicht. 3 ) Diese Udilhilde hatte Emil Krüger bei seinen<br />
Ausführungen übsr die Grafen von Gammertingen 4 ) noch<br />
nicht gekannt. F. Ludwig Baumann vermutete in ihr die<br />
Tochter Ulrichs II. von Gammertingen, worin der Unterzeichnete<br />
ihm noch 1937 folgte, später aber die zeitliche Unmöglichkeit<br />
dieser Zuweisung erkannte und sie dem Adelbert<br />
I. zuwies. Schwarzmaier hat nun nochmal den ganzen<br />
Fragenkomplex durchgedacht, jedoch kann man ihm nicht<br />
in allen Punkten folgen. So z. B. ist die Angabe S. 176 Anmerkung<br />
19 nicht zu belegen, der Vater des Grafen Arnold<br />
von Gammertingen habe ebenfalls Arnold geheißen.<br />
Wir wissen leider seinen Namen nicht sicher. Jänichen 5 ) vermutet<br />
in ihm einen Ulrich. Das Rätsel Wrrunberg")<br />
kann Schwarzmaier anhand der Originalurkunde von 1182,<br />
die er im Münchner Hauptstaatsarchiv entdeckte, als „Wizzinhorn"<br />
klären. Gemeint ist Berthold von Weißenhorn-Neiffen.<br />
Aber die Deutung einer Stelle dieser<br />
Maria E. Flad.<br />
Urkunde will nicht ganz überzeugen, „daß zwei nahe Verwandte<br />
ihren Besitz in Altingen bei Herrenberg jeweils an<br />
den Gemahl ihrer Tochter weitergegeben haben, nämlich an<br />
Berthold von Weißenhorn und an Heinrich von Ronsberg",<br />
und „daß zwischen diesen beiden eine Eibabsprache stattgefunden<br />
hat unter Anwesenheit der beiden Erblasser, von<br />
denen der eine der Schwiegervater des Ronsbergers, der andere<br />
der des Weißenhorners war" (S. 173).<br />
Aus der Urkunda von ca. 1182 kann man m. E. nur entnehmen:<br />
„Heinrich von Ronsberg und seine Gattin Udiihild<br />
(von Gammertingen) schenken ans Kloster Ottobeuren<br />
u. a. den ihrem Weinberg in Ailingen unmittelbar anstoßenden<br />
Teil des Tales, gemäß einer Güterteilung, die bei den<br />
S c h w i e g e r s ö h n e n ihrer selbst (der Schenker) und<br />
ihres V e r w a n d t e n Berthold von Weißenhorn<br />
im Beisein vieler Zeugen vorgenommen wurde.<br />
Heinrich von Ronsbeig und Berthold von Weißenau hatten<br />
somit 1182 bereits Schwiegersöhne, also verheiratete<br />
Töchter, was Sch. nicht erkannt zu haben scheint. Daß<br />
zur Zeit der Erbabspiache die beiden Adelberte von Gammertingen<br />
(Vater und Sohn) noch gelebt hätten, ist nicht<br />
bewiesen. Auf Seite 69 gibt Sch in der Stammtafel der Familie<br />
Ronsberg-Ursin (im Widerspruch mit Seite 116!) an,<br />
die 1182 mit ihren Geschwistern Gottfried, Heinrich,<br />
Konrad und I r m i n g a r d genannte Adelheid von<br />
Ronsberg habe den Grafen Ulrich von Berg geheiratet,
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 27<br />
Seite 116 jedoch den Grafen Heinrich! Damit stimmt<br />
freilich der treffliche Stälin') auf Grund des Nekrologs von<br />
Zwiefalten nicht überein. Denn hier steht klar zu lesen,<br />
die Frau des Gr. Ulrich von Berg, der um 1207 starb, habe<br />
U d i 1 h i 1 d geheißen. 8 ) Sie war zweifellos eine von Ronsberg.<br />
Denn nur so konnte dann der Sohn der beiden, Heinrich<br />
III. von Berg, im Jahre 1212 nach Absterben des letzten<br />
Ronsberger Markgrafen Berthold dessen ansehnliche<br />
Herrschaft nebst dem Titel eines Markgrafen erben. 8 ) Sowohl<br />
dieseUdilhild, wie auch ihr Bruder Berthold als Letzter<br />
des Hauses Ronsberg sind ca. 1182 nicht als Kinder<br />
Heinrichs und der Udilhild von Gammertingen genannt, also<br />
wohl noch minderjährig, oder schon verheiratet gewesen!<br />
Die dort genannte Adelheid aber kann man mit jener<br />
Frau dieses Namens gleichsetzen, die zunächst den Grafen<br />
Konrad von Heiligenberg und dann um 1208 den<br />
Grafen Gottfried von Sigmaringen-Helfenstein<br />
heiratete. 18 ) In diesem letzten Jahre hatte sie schon<br />
einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe!<br />
Daß die Erbschaftsübergabe nicht gleichzeitig mit der Heirat<br />
zwischen Heinrich von Ronsberg und Udilhild von Gammertingen<br />
erfolgte, sondern erst nach dem Tode des letzten<br />
Achalmer-Gammertinger Grafen, wie Sch. 10 ) sagt, kann nicht<br />
ganz überzeugen. Ulrichs von Gammertingen Sohn K o n r a d,<br />
der 1139 genannt ist, kann unmöglich mit dem gleichnamigen<br />
Abte Konrad von Gammertingen identisch sein, da dieser<br />
doch erst im Jahre 1251 das Zeitliche segnete! Es ist ein<br />
Irrtum, dem schon Elisabeth Meyer-Marthaler 11 ) bei Behandlung<br />
der Engadiner Urkunden zum Opfer fiel. Die OA-<br />
Beschreibung Münsingen entschied schon die Frage: Es handelt<br />
sich bei dem Abt um einen Konrad aus niederadeligem<br />
Hause, das sich von einer der Gammertinger Burgen<br />
schrieb! 12 )<br />
Wenn Sch. annimmt, der ältere Adalbert von Gammertingen<br />
habe im Jahre 1156 noch gelebt, so steht sein Beweis<br />
auf sehr wackeligen Füßen. Zwar wurde der erste Teil der<br />
Petershauser Chronik im Jahre 1156 fertig, aber dies besagt<br />
doch nur, die Gammertinger Brüder Adalbert und Ulrich<br />
hätten noch bei Niederschrift der Stelle gelebt,<br />
nicht aber auch noch 1156. Beweis: In der Ausgabe von<br />
O. Feger 13 ) Seite 45 steht unmittelbar vorher: „Adelheid,<br />
die Gattin Hartmanns d. ä. von Dillingen, gebar den<br />
Hartmann d. jüngeren und den Adelbert der, heute noch<br />
lebt." Dieser Adalbert von Dillingen ist jedoch nach König-<br />
Müller 14 ) im Jahre 1151 gestorben. Diese beiden Stellen sind<br />
somit vor 1151 geschrieben worden und daher kann der Tod<br />
des älteren Adalbert von Gammertingen sehr wohl früher<br />
eingetreten sein, als Schwarzmaier annimmt.<br />
Nach St. Galler Geschichtsquellen 15 ) starb der St. Galler<br />
Vogt „Udalrich von Gamertingen" und sein noch kindlicher<br />
Sohn, worauf der Abt Wernher (t 1167) um 300 Mark<br />
Silber die Vogtei dem Grafen Rudolf von Pfullendorf übertrug.<br />
Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt. Vanotti 16 )<br />
vermutete als Todesjahr 1157. Da der Gammertinger Erbe<br />
Berthold von Weißenhorn-Neiffen im Jahre 1172 sich urkundlich<br />
Graf nannte, muß der letzte Gammertinger Adalbert<br />
II. damals tot gewesen sein Vielleicht starb er um 1165,<br />
da wohl e r, und nicht der Pfullendorfer, Vogt von St. Gallen<br />
geworden wäre.<br />
Reute und Baldenstein, die Sch. in Nähe von Gammertingen<br />
angibt 17 ), dürften schwerlich hier zu suchen gewesen<br />
sein. Ersteres wird näher bei Neresheim vermutet, und die<br />
Mühle zu Baldenstein verlegt Sulger (außer einem irrigen<br />
Baldenstein bei Inneringen) in die Nähe von Wimsen. Ob<br />
der p Ronsberger Vasali Heinrich von Niufiron tatsächlich<br />
nach Nufringen im Krs. Böblingen zu versetzen ist<br />
und nicht eher mit Gebhard von Lichtenstein in die<br />
Nähe Gammertingens, nämlich nach Neufra an der Fehla<br />
(mundartlich Nuifera), bleibe dahingestellt.<br />
Die oben genannten Schwiegersöhne von ca. 1182 waren<br />
vermutlich von Seiten Ronsbergs: Egino von Eppan, Konrad<br />
von Heiligenberg, Ulrich von Berg; von Seiten Weißenhorns:<br />
Egino VI. von Urach und vielleicht Gerhard von Hirschberg.<br />
18 ) J. Adam Kraus.<br />
Anmerkungen: i) Hansmartin Schwarzmaier, Königtum,<br />
Adel und Klöster zwischen Oberer Iiier und Lech, Augsburg 1961:<br />
Bd. 7 der „Studien zur Geschichte d. bayer. Schwabens". 2) ebenda<br />
S. 173—179. 3) Stammtafel S. 124 im Hohenzoll. Jahresheft" 1956 mit<br />
Bezug auf dieselbe Zeitschr. 1937, 59—90; und besonders 1950; 147—148.<br />
Ueber die Ahnen der Grafen von Gammertingen siehe „Hohenzoll.<br />
<strong>Heimat</strong>" 1956, 48; über die Engadiner Urkunden ebenda 1957, 14.<br />
•i) Emil Krüger, Ursprung des Hauses Württemberg in Württ. Vierteljahresheft<br />
für Landesgeschichte 8, 1899, S. 169 ff. 5) Hans Jänichen,<br />
Bericht in „Hohz. <strong>Heimat</strong>" 1956, 48. 0) Urkunde von ca. 1182<br />
im Wirtb. UB. II, 423. 7) Chr. F. Stälin, Wirtbg. Geschichte II, 357<br />
Anmerkung. 8) Necrol. Zwiefalten unterm 20. Febr. „Udilbilt comi-<br />
>a de Bergin uxor Oudalrici comitis"; Mon Germ. Necr. I, 244.<br />
») Stälin a.a.O. II, 358. i«) Schwarzmaier Seite 175, Anmerkung 13.<br />
ii) Elisabeth Meyer-Marthaler in „Zeitschrift für Schweizerische Geschichte"<br />
25, 1945. 12) Beschreibung des Oberamts Münsingen, 1912<br />
S. 825. ") Otto Feger, Die Chronik des Klosters Petershausen, 1956<br />
Seite 45. ») König-Müller, Die Zwiefalter Chroniken, 1941, S. 352.<br />
15) Continuatio casuum st. Gallen in „Mitteilungen z. vaterländischen<br />
Geschichte" v. St. Gallen XVII, 1879, S. 103. i») J. N. von Vanotti,<br />
Geschichte der Grafen von Montfort, 1845, S. 18, Anmerkung 1.<br />
17) Schwarzmaier, a.a.O.: Karte Seite 176. >3) Stammtafel in Hohz.<br />
Jahresheft 1956, Seite 124. Die Jahrzahl 1182 in Note 6 ist keineswegs<br />
sicher. Die Urkunde könnte auch einige Jahre später, aber<br />
vor 1191, entstanden sein.<br />
Hohenzollerische Studenten auf der Universität Siena<br />
Ausgezogen von M. Schaitel<br />
Zu den von deutschen Studenten am meisten aufgesuchten<br />
Universitäten Italiens gehörte neben Bologna und Padua die<br />
Hoschchule Siena, südlich von Florenz, gegründet im 13. Jahrhundert.<br />
Die uns erhaltene Matrikel der Deutschen Nation<br />
umfaßt 166 Jahre, von 1573—1738. Der zeitliche Endpunkt<br />
erklärt sich aus dem Erlöschen der Organisation der deutschen<br />
Studenten, deren Zustrom seit dem letzten Jahrzehnt<br />
des 17. Jahrhunderts immer spärlicher wurde und schließlich<br />
ganz versiegte.<br />
In der Fürsten - und Herrenmatrikel sind eingetragen:<br />
1624 Itelius Fridericus cardinalis de Z o 11 e r n, 10 sc.<br />
(Skudi).<br />
1696 Meinardus Carolus Antonius s. R. i. princeps de<br />
Hohenzollern Sigma ringen,.<br />
In der Matrikel der Grafen und Freiherrn werden<br />
aufgeführt:<br />
1601 Ithelius Fridericus comes ab Hohenzollern can.<br />
Coloniensis et Eystettensis ser. dorn, nostri Clementis<br />
VIII. camerarius secretus cardinalis et episcopus Osnabrugensis<br />
praepositus Coloniensis.<br />
1601 Ernestus Georgius comes ab Hohenzollern.<br />
1617 Eitelius Fridericus comes ab Hohenzollern.<br />
In der Matrikel des niederen Adels und der Bürgerlichen<br />
werden genannt:<br />
1575 Christophus Gremiich a Jungingen Hasenweiller<br />
et Betenreitin fürstlich-constanzischer Erbkämmerer<br />
- 12. Jan - 1 sc.<br />
157b Hieronymus Stor ab Ostrach jur. utr. dr. reverendissimi<br />
illustrissimi Bambergensis episcopi consiliarius et<br />
in spriritualibus vicarius generali: etc. - 1 sc.<br />
1580 Joannes Hieronymus Stor ab Ostrach iur. utr. lic. 3.<br />
Jan. - 1 sc.<br />
1580 Joannes Laurentius Stor ab Ostrach - 2 sc.<br />
1600 Johannes Stotzius Enganus decanus et parochus<br />
Haigerlochanus - 23. Apr. - '/a sc.<br />
1580 Joannes Casparus a Neineck - 18. Jun. - 2 sc.<br />
1590 Hans Conrad von Neuneck - 31. Jan. - 1 sc.<br />
1604 Joannes Henricus a Neyeckh - 21. Nov. - Vz sc.<br />
1609 Rudoiphus a Neuneckh - 6. Jan. - 6. jul. (= julius).<br />
1613 Wildhans a Neyneckh Hertz-Sylvanus Suevus -<br />
31. März - 1 cor. (= Corona).<br />
1624 Alexarider de N o y n e c k h - 27. Dez. - 1 cor.<br />
Noch zwei Beispiele für Haberhurm<br />
Das Protokoll Gutenstein von 1620 im Archiv des<br />
Schlosses Langenstein berichtet S. 7: Kauf abrede und Leibg<br />
e d i n g zwischen Jakob Kemmerle zu Gutenstein und Hans<br />
Kienle, dem der erste seinen Erblehenhof anno 1619 (wohl<br />
Frühjahr) verschreibt: „Das Leibgeding soll auf Weihnachten<br />
1619 anfangen, ausgenommen daß das jährlich zu stellende<br />
Korn erst angehen soll, wenn der Käufer selber auch Korn<br />
schneidet. Denn dieser zieht jetzt gleich lediglich die<br />
Haberhurm an sich, der Verkäufer aber hat noch den<br />
Winterbluomen im Feld auf seine eigenen Kosten zu schneiden,<br />
aber der Kienle sie ihm gegen Stellung des Strohes und<br />
Brietses heimzuführen."<br />
Daselbst S. 36: „Hans Huckle der alte Fischer von Gutenstein<br />
verkauft seinem gleichnamigen Sohn am 5.<br />
Oktober 1621 sein Erblehengütle, doch hat der Vater den<br />
Wintersamen im Feld einzuschneiden vorbehalten, daß der<br />
Sohn erst auf künftiges Frühjahr in die Haberhurm<br />
stehen soll" (d. h. Besitzer der Haberhurm werden soll,<br />
da der Vater über Winter noch davon brauchen darf).<br />
Aus den 2 Beispielen ergibt sich, daß die Haberhurm nur<br />
den Habervorrat auf der Bühne (nicht im Feld) bedeuten<br />
mag. — Die Nachweise verdanke ich wieder meinem Confrater<br />
Willy Burth-Freiburg. — Vgl. Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1962,<br />
63 und 1963, 24. Krs.
:(28 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Die nachfolgenden Erinnerungen an Pater Desiderius<br />
Lenz wurden 1930 geschrieben und mir von Frau Johanna<br />
Eubser-Bantle zur Verfügung gestellt.<br />
Der Malermönch<br />
von Kunstmaler Hermann Anton B a n 11 e t<br />
Martha Schneider-Schwärtzel.<br />
Lenz studierte in Berlin ausschließlich vorchristliche Kunst<br />
in dem dortigen reichhaltigen ägyptischen Museum<br />
Im gleichseitigen Dreieck und dem Hexagramm, dem<br />
sechsstrahligen Stern als Verbindung zweier gleichseitiger<br />
Dreiecke, fand Lenz nun das Urmaß der Verhältnisse, ~un 1<br />
des normalen menschlichen Körpers. Schon Leonardo da<br />
Vinci und Albrecht Dürer hatten sich um einen Kanon heiß<br />
bemüht, den Lenz nun, wie er selbst sagt, in Berlin gefunden<br />
hat. So hoch wissenschaftlich und durchaus überzeugend<br />
dieser Kanon ist, kann er doch für den bildenden Künstler<br />
nur in Verbindung mit einem Studium an der lebenden Natur<br />
ein beschränktes Hilfsmittel bleiben. Ja, bei mißverstandener<br />
Anwendung desselben kann er sogar das Kunstwerk<br />
schematisieren und ihm das Innenleben zunichte machen.<br />
Für Lenz selbst war er ein Universalmittel geblieben,<br />
ein „instrumentum sanctum".<br />
In Berlin fand er weniger Anschluß an die Zeitkunst. Das<br />
Opus, das er im Donautal vollendet hatte, sagte ihm doch zu<br />
sicher, daß sein Wollen richtig fundiert sei. Er war davon<br />
absolut überzeugt. Das Urteil der Welt durfte ihn nicht mehr<br />
berühren, noch ihn zu Konzessionen an die Zeit verleiten.<br />
Sein Genius war zeitlos, wie seine Kapelle namenlos in den<br />
endlichen Raum gestellt blieb. Zeit- wie namenlosen Werken<br />
steht die Menschheit feindlich gegenüber, sie betrachtet den<br />
zeugenden Künstler als den an sie verpflichteten Diener.<br />
Lenz aber wollte nie Menschendiener sein. Seines Schaffens<br />
Ziel war Gottesdienst.<br />
Mit dem Auffinden des Kanons, des Urmaßes aller großen<br />
Kunst, erreichte sein Wollen erst eine Norm. Seine Unruhe,<br />
die ihn durch Welt und Kunst trieb, bekam gewissen<br />
Ausgleich.<br />
Oft und intensiv hatfc; er mit dem Freunde Wüger in<br />
München und insbesondere zu Rom Pläne besprochen — eine<br />
Kunstschule auf religiöser Grundlage zu gründen. Die ehemalige<br />
Lukasgilde in Rom und eine angestrebte Vereinigung<br />
religiöser Künstler die zu St. Isidore in Rom jene Idealistengruppe<br />
der Nazarener versuchten und nicht voll zu verwirklichen<br />
vermochten, schwcbten den beiden Freunden vor, anderen<br />
Bekannten lag ein ähnliches Wollen im Sinn.<br />
Auf der Insel Reichenau, woselbst die Familie der Malerin<br />
Bensinger ein größeres Haus besaß, war die Neugründung<br />
einer derartigen Schule für christliche Kunst auch viele Jahre<br />
ernstlich erwogen worden. Das Schloß Meersburg plante man<br />
als ihren ständigen Sitz.<br />
Doch derartige Ideale sind meist schwer oder nie realisierbar.<br />
Nun sandte Gott selbst diesen Zweien seinen Willen, indem<br />
er sie nach Beuron brachte. 1872 treibt es Lenz von<br />
Berlin nach Nürnberg. In demselben Jahr sieht er wieder<br />
seine Kapelle, klopft an die Klosterpforte und bittet den<br />
zum Abte geweihten ordinierten Pater Maurus Wolter um<br />
Aufnahme, um als Oblate in künstlerischer Betätigung dem<br />
Orden dienstbar zu werden.<br />
Was wollte er, der Führer, ohne den Freund, der ihn so<br />
außergewöhnlich verstanden hatte, machen? So kam er zu<br />
dem Freunde zurück, der wiederum ohne seinen Führer<br />
nichts Großes hätte senaffen können. Zartfühlender veranlagt,<br />
hatte er rascher als Lenz den Willen Gottes verspürt<br />
und trat schon nach Beendigung der Kapellenmalung in<br />
Beuron als Mönch ein. Mit dem Erfolg des Kanon ausgereift,<br />
war Lenz ein Vollendeter, der sich leichthin der Welt, die<br />
ihm nichts Weiteres mehr zu geben vermochte, entziehen<br />
konnte. So war er heimgekehrt zu seinem Geisteskind, zum<br />
Freunde und zu den Gönnern seiner Kunst, an die Stätte,<br />
die Gott ihm bestimmt hatte. Er war hier mehr als ein bildender<br />
Künstler, er sollte vielleicht unbewußt, mithelfen,<br />
die Beuroner Kongregation und ihre Sendung zu verwirklichen.<br />
Lenz wurde Mitbegründer von Beuron. Beuron<br />
bekam durch seine Kunst einen eigenen Namen.<br />
Man darf nicht annehmen, daß seine Ideen und Pläne die<br />
unumschränkte Billigung oder gar jene künstlerische Freiheit<br />
erhielten, die seiner Schöpfernatur zugestanden hätten.<br />
Ungeheuerliche Hemmungen und Verdemütigungen mußte<br />
dieser Genius von seinen unbarmherzigen Auftraggebern<br />
hinnehmen. Keines seiner größeren Projekte blieb ungerupft,<br />
immer kamen nur Stückwerke davon in Ausführung.<br />
Leider nie ein Bauwerk.<br />
Lenz war mit seiner Kapelle seiner Zeit ein halbes Jahrhundert<br />
vorausgeeilt. Der Gründer Beurons, der kluge und<br />
fromme' Erzabt Maurus fühlte wohl die geistige Macht, die<br />
diese eigenartige Kunst für seine Neugründung bedeuten<br />
konnte und war oft von ihrer Originalität mitgerissen. Als<br />
geborener Rheinländer aber fundierte seine xvunstanschauung<br />
in der Aera des einflußreichen August Reichensberger.<br />
Für ihn gab es nur eine kirchliche Kunst, das Mittelalter.<br />
Durch seine Kunsterziehung, die in der Gotiknachbildung,<br />
wie sie am Rhein länger und intensiver als sonstwo geduldet<br />
war, bedingt, mußte der Abt nur zu oft gegen Entwürfe von<br />
Lenz trotz oder wegen ihrer absoluten Neuheit und Urtümlichkeit<br />
einschreiten und ihre Ausführung unterbinden, aus<br />
Sorge, dem werdenden Konvent allzuviele Feinde zuzuziehen.<br />
Lenz hatte von Anfang seines Lebens den benediktinischen<br />
Geist als Gottesgabe in sich. Der neuen Benediktinergründung<br />
in Beuron eine eigene künstlerische Form zu geben,<br />
war seine Mission. Wüger half ihm.<br />
Verschiedene Fresken in den Klosterräumen künden ihre<br />
Tätigkeit: zwei im Klaustrum gemalte Engel, knieend, von<br />
wunderbarem Duft, der eine von Lenz, der andere von Pater<br />
Gabriel Wüger, voll zartester Empfindung in nassen Kalk<br />
gemalt, und zwei gute Kompositionen im Refektorium stammen<br />
aus dieser Zeit. Sie tragen starke Anklänge an Fra Angelico<br />
und sind von auffallender Linienreinheit und Farbgebung.<br />
Sie wurden nur ausgeführt, weil es derzeit in Beuron<br />
keine künstlerischen Aufträge gab. Man mußte recht sparsam<br />
leben.<br />
Damals, gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts, ging<br />
jene unglückliche Bewegung gegen die mißverstandene Barock-<br />
und Rokokokunst durch Deutschland. Mail purgierte<br />
Kirchen und Klöster von dieser „verweltlichten" grandiosen<br />
Kunst. Neugotisch war das Schlagwort, das Reichensberger<br />
und seine Anhänger durch ganz Deutschland schleuderten.<br />
An die Stelle origineller Altäre, Beichtstühle und Skulpturen<br />
stellte man gefühllos hochhinaufragende Holzaltäre einer<br />
geistlos nachgemachten Schreinergotik in den Kirchenraum,<br />
die ebenso mit Lineal und Winkelmaß zusammengesägt und<br />
aneinandergeleimt blieb wie der zirkelgerechteste aller gotischen<br />
Bauwerke, der Kölner Dom, der durch Reichensbergers<br />
Bemühungen in jener Zeit seine beiden Turmhelme bekommen<br />
hat.<br />
Unschätzbare künstlerische Werte vernichtete man für<br />
wertlose Surrogate, die von jedem talentlosen Menschen ausgeführt<br />
werden konnten und durften. Es war die tiefste<br />
Verfallzeit christlicher Kultur, der unsere Vorfahren wie<br />
einer Hypnose so leichthin anheimfielen.<br />
Auch ins Donautal hinein wehte es diesen barock- und<br />
rokokofeindlichen Geist. In der Begabung von Lenz lag<br />
ohnehin schon eine Gegenstellung gegen die willkürlichen<br />
Ausklänge der Spätrenaissance. Seine Absicht, das Innere<br />
der rokokosierten Klosterkirche in seiner Art umzugestalten,<br />
fand zunächst kein günstiges Echo. Er plante eine totale<br />
Umstellung der Kirche. Der Haupteingang sollte von der<br />
Straße, neben dem „Gasthof zum Pelikan" durch das vorhandene<br />
Chor kommen. Nach hinten wollte er eine ganz neue<br />
Choranlage über den Gottesacker legen, die in großen Ausmaßen<br />
den liturgischen Gottesdiensten mehr Raum geboten<br />
hätte.<br />
Dieser ausgearbeitete Plan, den man begründen, verstehen<br />
und möglich halten konnte, blieb damals unausgeführt. Es<br />
fehlte an Verständnis, an Mut und an Geld.<br />
Zu Rom, wo der hochgelehrte Erzabt Maurus lange weilte,<br />
hat gewiß der rheinische Gotikgeist, den seine Zeit und <strong>Heimat</strong><br />
ihm anerzogen, einige Breschen erlitten. Das neue Rom<br />
ist ja die absolute Renaissance-, die Barockstadt schlechthin.<br />
Das Barock nahm seinen Weltlauf von Italien, und kein<br />
Mensch hätte dort an heiligster Stätte behaupten mögen, daß<br />
diese gewaltige Kunst weniger kirchlich sei als die mittelalterliche.<br />
— Als Maurus Wolter das leerstehende Augustinerchorherrenstift<br />
im einsamen Donautal zum erstenmal sah,<br />
schrieb er an die Fürstin Katharina in einem ausführlichen<br />
Bericht: „Schön ist die Sakristei — prächtig die Kirche!"<br />
Abt Maurus wie Fürstin Katharina standen jeder Aenderung<br />
der Beuroner Kirche ablehnend gegenüber und hatten<br />
allen von Lenz vorgebrachten einfacheren Umbauplänen die<br />
Zustimmung versagt. Da ließ Lenz, der als Laie im Kloster<br />
lebte, sich verleiten, mit einem sehr energischen jungen<br />
Mönch, Pater Hildebrand de Hemptinne aus Belgien, der<br />
später als Abtprimas in Rom starb, während des Mittagsmahles<br />
der Mönche am 12. August 1872 den herrlichen Stuckhochaltar<br />
zusammenzuschlagen. Auf solch ein impulsives, unüberlegtes<br />
Treiben war kein Mensch gefaßt, Das Kircheninnere<br />
mußte nun doch umgeändert und der unruhige Geist<br />
des Künstlers beschäftigt werden. Nicht lange vorher hatten
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 29<br />
noch Josef Back von Sigmaringen, der ein geborener Haigerlocher<br />
war, diesen herrlichen Rokokoaltar photographisch<br />
festgehalten. In meines Großvaters Nachlaß waren diese drei<br />
guten Aufnahmen vorhanden.<br />
Der Altar wird wohl eine der besten Arbeiten des vortrefflichen<br />
süddeutschen Stukkateurs Feichtmayer bedeutet<br />
haben. Er stellte eine Maria Himmelfahrt dar, und ging teilweise,<br />
wie es im Rokoko üblich war, in ein Tafelbild über,<br />
auf dem die Apostel vor dem leerstehenden Grabe gemalt<br />
waren.<br />
Die Rokokokirche wurde dann nach Plänen von Lenz umgestaltet<br />
soweit die vorhandene Architektur dieses Umändern<br />
zuließ. Im Chor kamen Gemälde von Pater Gabriel Wüger<br />
als provisorische Leinenwände zur Aufstellung.<br />
Man darf annehmen, daß weder Lenz selbst noch sonst<br />
jemand diese Umgestaltung der Beuroner Klosterkirche als<br />
befriedigende oder gar beglückende Tat begrüßte. An Unglücklicherem<br />
hat sich Lenz — Gott sei es gedankt — nie<br />
mehr betätigt. Es war und blieb die unglücklichste Tat seines<br />
Lebens, die man ihm verzeihen muß, die man aber schwer<br />
verstehen kann, weil sie eine Einheit zerstörte, die jetzt<br />
nicht mehr ist.<br />
Durch einen dunkelgetönten Anstrich mit dem man den<br />
ganzen Kirchenraum und die ursprünglich licht gehaltenen<br />
Stuckornamente belegte, hat man die farbfrohen Deckengemälde,<br />
kunsthistorisch gut, wie vernichtet. An der Chordecke<br />
sind überhaupt Stuck- und Fresken abgetragen. Durch Emporeverschalungen,<br />
An- und Einbauten wurde dem Raum<br />
viel Fremdes zugetragen, das unharmonisch in Wirkung tritt.<br />
Allgemein wird eingewendet: „Barock und Rokoko sind oft<br />
nur theatralisch aufgebauscht". Aber es gibt mehr Menschen<br />
als man annimmt, die zu ihrer innerlichen Erhebung diese<br />
Kunst benötigen.<br />
Oder man hört sagen: „Barock und Rokoko haben viele<br />
gotische Kirchen in ihrem Zeitstil geändert." Das bleibt wahr!<br />
Aber jene Barockmenschen waren Kraftnaturen erster Ordnung.<br />
Sie besaßen Gnade und Phantasie, das mittelalterliche<br />
Gehäuse so zu meistern, daß es wie aus ihrem Fleisch und<br />
Blut gewachsen schien und aus ihrem mächtig pulsierenden<br />
Inneren eine neue Totalität ergeben mußte. Diese Kräfte<br />
haben weder die Neugotiker am Rhein, noch Peter Lenz gehabt.<br />
Die Zeit war dazu zu innenkühl geworden. Heute erkennt<br />
man, daß mehr zerstört als gut gemacht worden ist.<br />
Was an der Beuroner Kirche geändert wurde, ist zu wenig,<br />
um für den strengen Stil von Lenz einen Eindruck zu vermitteln.<br />
Und es ist zuviel, um die Einheitlichkeit der Rokokoanlage<br />
noch wirksam werden zu lassen. So bleibt eine Dissonanz<br />
bestehen, die in jeder neueren Zutat erweitert wurde.<br />
Der Kulturkampf kam. die Mönche wurden vertrieben. Sie<br />
gingen nach Oesterreich und einige blieben in Laiengewändern<br />
als Gärtner, Oekonom, Hofkaplan der Fürstin, Pfarrer<br />
Lehrer im Kloster als Hüter des Hauses zurück. Lenz und<br />
Pater Gabriel Wüger m't Lukas Steiner wurden während der<br />
Kulturkampf jähre in das Erzkloster des Ordens nach Monte<br />
C a s s i n o beordert, um dort den ältesten Klosterteil,<br />
die sogenannte Torretta mit Fresken und Plastiken zum<br />
vierzehnten Jahrhundertjubiläum von St. Benedikts Geburt<br />
zu schmücken.<br />
Zehn Jahre später, nachdem er die St. Mauruskapelle gebaut<br />
hatte, befindet sich Lenz nun hier auf hohem Berge.<br />
Er sieht hinab in geweitetes Land, auf der Menschen Dörfer<br />
und Städte, hinein in die Abruzzen und hinüber ans Weltmeer<br />
nach dem Golt von Gaeta in ein wahres Paradies. Unter<br />
sich das Tal des Liris, das langgedehnte Felsennest Roccasecca<br />
neben Aquin, wo St. Thomas geboren. „Es ist sehr<br />
schön in Monte Cassino und die Aussicht erhebend, dabei<br />
immer die angenehmste Temperatur", schrieb er mir einmal.<br />
Er, der auf tief herbem, sonnenarmen Talkessel wie aus<br />
der Menschen Niederungen höher und höher stieg, legt in<br />
der hellen Höhe am ] 5. August 1878 seine geistigen und körperlichen<br />
Kräfte in die Hände des altehrwürdigen Ordens<br />
und verpflichtet sich durch Gelübde, ein Benediktiner auch<br />
der Regel nach zu werden. Man gab ihm den auf dem Monte<br />
Cassino hochangesehenen Namen Desiderius als besondere<br />
Auszeichnung.<br />
Im Jahre 1066 residierte hier jener kunstsinnige und<br />
kunstfördernde Abt Desiderius, nachmaliger Papst Viktor<br />
III., der die herrlichen Erztüren der Mutterabtei-Kirche zu<br />
Konstantinopel anfertigen ließ, auf deren Fläche alle Besitzungen<br />
der Abtei in silbernen Lettern eingelassen sind.<br />
Lenz, zu demütig, um Priester zu werden, wollte seine<br />
Kräfte der Kunst allein lassen und blieb Frater. Erst viele<br />
Jahre später gab man ihm noch die Subdiakonatsweihe.<br />
Die zu ebener Erde gelegenen Gemächer der Torretta, die<br />
noch aus der Zeit des Mönchpatriarchen St. Benedikt stammen<br />
sollen, haben meist sehr beschränkte Lichtquellen. Alle<br />
Wandungen und Decken dieser Räume sind vollständig mit<br />
Malereien bedeckt, die in nassen Kalk gemalt sind. Das Leben<br />
und Werden des Ordensstifters, der zu Monte Cassino<br />
seinen Orden gründete und die Regel schrieb, auch daselbst<br />
begraben ist, ergab in zahlreichen Bildfolgen eigenartige<br />
Darstellungen als Wandfries wie auch in vielfarbigen großen<br />
Fresken geschildert.<br />
Es ist beachtenswert, welch reiches Fabuliervermögen hier<br />
Lenz offenbart und wie tiefsinnig er das Leben St. Benedikts<br />
und der Benediktiner überhaupt zu schildern vermag. In<br />
einfachen, oft von klassischem Rhythmus gebauten Kompositionen<br />
stehen die Bilder als Wandfriese auf einem gelblich<br />
getönten Hintergrunde. Die Figuren sind nur mit Umbra auf<br />
den hellen Wandton gezeichnet, um als ein Präludium, jene<br />
größeren Wandbilder der Einzelzellen, die starkfarbig gemalt<br />
sind, zu hoher feierlicher Wirkung zu steigern und aufleuchten<br />
zu lassen.<br />
Wer das Leben des Ordensstifters St. Benedikt so vielseitig<br />
und reich zu illustrieren vermag, wie er es in den<br />
Zellen der Torretta zu Monte Cassino und an der St. Mauruskapelle<br />
verstanden hat, der kommt aus einer poesiegeschwangerten<br />
Welt.<br />
Lenz kam aus dem Barock. Hier enthüllt er die in seiner<br />
Jugend und kunstgerichteten <strong>Heimat</strong> eingesogene Poesie und<br />
geschwellte Rokokophantasie zu hoher Reife und Dankbarkeit,<br />
wie sie aus der klassischen Regel St. Benedikts reichlich<br />
sprudelt, die ein Kunstwerk selbst ist und bleibt, entsprungen<br />
aus der römischen Hochkultur als hohe Geistes-<br />
Schöpfung.<br />
Vom Burladinger Kirchenpatron<br />
Gemeint ist natürlich der Schutzheilige der alten Pfarrkirche,<br />
und dies ist St. Georg. Manche meinen, er sei vom<br />
Kloster Reichenau hier eingeführt worden, das nach Gallus<br />
Oeheim Besitz in Burichingen vom Grafen Gerold vor 799<br />
erhielt. Der Burichingen ist nicht identisch mit unserem<br />
alten „Burdiaidingen", vielmehr irgendwo in der Gegend<br />
abgegangen. Andere Anhaltspunkte hat man nicht. Vielmehr<br />
kann St. Georg schon vor Gründung Reichenaus (724) Schutzherr<br />
geworden sein, wie z. B. in Diemaringen im Elsaß schon<br />
vor 712. Elmar Blessing vermutete in seiner Doktorarbeit<br />
„Die Kirchenpatrone im Kreis Hechingen" als ältesten Schutzherrn<br />
Burladingens den hl. Martin, weil in Bickelsbergs<br />
Lagerbuch von 1435 einige Grundstücke als „st. Martin zugehörig"<br />
bezeichnet werden. Allein diese scheinen noch kein<br />
hinreichender Beweis zu sein, da ja in Ringingen und Ebingen<br />
der hl. Martin Patron ist und auch vielleicht im abgegangenen<br />
Maigingen gewesen sein kann! Blessing meint jedoch,<br />
die von ihm angenommene Pfarrkirche St. Martin zu Burladingen<br />
habe im Römerkastell auf der Schlichte gestanden,<br />
Sie sei identisch mit dem Kapellchen, dessen Dachwasser<br />
nach Merians zollerischer Landtafel auf einer Seite<br />
zu Starzel-Neckar-Rhein, auf der andern Seite zu Fehla-<br />
Lauchert-Donau geflossen sei. Blessing baut seine Theorie<br />
auf einen Eintrag in Hagens Lagerbuch von 1544 (fürstl,<br />
Archiv Sigmaringen): „Ein Wiespietz, genannt Sant Martins<br />
Bürg". Dieser Eintrag könne sich nur auf die genannte<br />
Kapelle beziehen, deren Patron unbekannt ist. Damals im<br />
16. Jahrhundert müßten die Reste des Römerkastells noch<br />
so weit erhalten gewesen sein, daß sie von der Bevölkerung<br />
für Reste einer Burg gehalten und nach der darin stehenden<br />
Kapelle „St. Martins Burg" genannt wurden.<br />
Somit nimmt Blessing an, es handle sich um die älteste<br />
Pfarrkirche von Burladingen, eine Martinskirche. Allein<br />
dies sind doch leere Vermutungen! Denn einmal<br />
stand die Kapelle gar nicht in dem Kastell, sondern<br />
weiter nördlich dort, wo die Markungsgrenze den heutigen<br />
Bahneinschnitt schneidet. Dann ist der Platz viel zu weit<br />
vom alten Dorf Burladingen entfernt. Ferner hat Blessing<br />
gar nicht die ganze Stelle 1 ) im genannten Lagerbuch beachtet,<br />
wo es heißt: „Ein Wiespietz, genannt Sant Martins Bürg<br />
an Sant Peters Wieslin, ist verloren", d. h, man wußte<br />
1544 nicht mehr, wo dieses Grundstück einer älteren Beschreibung<br />
lag! Also ist es mit den Kastellruinen um 1544<br />
nichts! Das St. Peter-Wieslin deutet vielmehr in die Nähe<br />
Gauselfingen s, und da kein Esch angegeben ist,<br />
ins Gebiet des westwärts gelegenen Forsts! Dort im sog.<br />
„Schwandach" hatte St. Peter zu Gauselfingen 1486 eine<br />
Mannsmahd Wiesen neben einem Manne Ragor. Und endlich<br />
wissen wir gar nicht, ob „St. Martins Bürg" nicht einfach<br />
ein Grundstück mit einer Birke bzw eine „Bürgschaft"<br />
meinte! Krs.<br />
i) Hagens Band Burladingen S. 67, wie Herr Archivrat Dr. H. Seigel<br />
mir mitzuteilen die große Güte hatte.
:(30<br />
HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Grosselfinger Flurnamen<br />
von Josef S t r o b e 1<br />
29. Homburg, auch Hein- oder Heimburg genannt, ist<br />
die Burg im Hain, wobei das n zu m dissimilierte; aber auch<br />
das ai oder ei wurde durch denselben Vorgang zu o (im<br />
Dialekt zu oa).<br />
30. H u d e 1 g ä u ist der euphemistische Name für eine<br />
kleine Gasse, die vom Schrieth zum Wolschbrunnen führt.<br />
Das Wort Hude] kommt von hudeln = schnell und oberflächlich<br />
arbeiten. Das Substantiv davon heißt H u d 1 e r,<br />
und eine Fruchtsense, mit der man schnell arbeiten kann,<br />
heißt H u d e 1. Hudler sind im allgemeinen keine zuverlässigen<br />
Menschen; sie kommen dadurch in sozialer Hinsicht<br />
rückwärts und landen schließlich in kleinen Bodenhäuschen<br />
oder Bauden, die an Gassen stehen, die man mit diesem<br />
Namen kennzeichnet.<br />
31. Kaniterwald. Das ist der 20 Jaucherten große<br />
Wald in den Münch - oder Mönchwi :sen, der einst<br />
den Karmelitern in Rottenburg gehörte. 1760 steuerten<br />
sie der Gemeinde Grosselfingen als Fronanteil quartaliter 59<br />
Batzen, iVa hl, also umgerechnet 3 fl 57 Batzen, an Steuern<br />
36 Batzen, in Hundsgeld 20 Batzen und an Contierungs- das<br />
heißt Quartiergeld 30 Batzen.<br />
32. Das Kearle war einst ein Graben auf der Hochwacht,<br />
in den man im Herbst Kartoffeln, Rüben usw. für<br />
die Wildschweine eingraben mußte. Der große Wald nördlich<br />
von Grosselfingen wurde von dem Fürsten Joseph Wilhelm<br />
(1717/1798) in einen Wildpark verwandelt und von<br />
einem Zaun umgeben, der 9500 fl kostete. Das Futter,<br />
namentlich für die Wildschweine, mußten die Bauern stellen.<br />
Durch diesen Park sollte der seit mehreren Jahrhunderten<br />
dauernde Streit um die „freie Pürscn" gelöst werden,<br />
was aber keineswegs der Fall war und Anlaß zu neuen<br />
Streitigkeiten gab.<br />
33. K o h 1 g r u b e. So nennt man eine trogartige Stelle<br />
im Hannaberg. Bei Wilflingen (siehe Walter: Hohenz.<br />
<strong>Heimat</strong> 1956 S. 18) gibt es auch eine Kohlgrube, in der vor<br />
100Jahren der Versuch gemacht wurde, die Gagatkohle<br />
zu fördern. Dazu Kohlwald und Kohlplatte, wo einst<br />
Kohlenmeiler standen. Das Wort Gagat ist griech. Herkunft<br />
und heißt dort „gagates" = steinhartes Erdpech, zuerst gefunden<br />
bei der Stadt Gagai in Lykien. Im franz. heißt sie<br />
„jais" = Pechkohle, auch schwarzer Bernstein<br />
34. Kreut ist Kurzname für gerodeten Wald im Tal;<br />
dazu Kreutrain.<br />
35. und 36. Langenacker, Krumm enacker und<br />
Langgasse erklären sich selbst.<br />
37. M a d a c h (abgegangen). Der Name kommt von marach<br />
nasse Wiesen. Vermutlich lag die Madach im Tal, westwärts<br />
vom Weihroale.<br />
38. Der M o o 1 a c k e r ist ein kleineres Ackerfeld im<br />
Homburger Esch. Der Name bezieht sich auf ahd. mool =<br />
weich und locker (s. Nr. 100).<br />
39. O h n e t, auch Wunet, ist Kurzname für Hohnhart<br />
oder Hohenhart, wie das Gelände noch 1544 genannt<br />
wurde. Die Ohnet liegt dorfwärts vor dem „Härle", mit dem<br />
es einst einen Wald bildete.<br />
40. Pfaffengarten. So nennt man das kleine Tal am<br />
Gießenbol, das bis zum Geißapfel (= Steilabfall) reicht.<br />
Das Wort Pfaffe kommt nicht vom lat. papa = Vater, sondern<br />
ist aus dem Griechischen über das Gotische in unsere<br />
Sprache eingedrungen, mit dem man einen niederen Kleriker<br />
bezeichnet. Dazu gehört auch das Wort Pope, was der<br />
Titel eines orthoxen Geistlichen ist. Das Tälchen gehört heute<br />
zum Pfarrgut, hieß aber vorher „Schalksgrund".<br />
Wahrscheinlich gehörte das Tälchen zu der Beginensied-<br />
1 u n g, die m. E. dort auf dem Hügel stand und von der<br />
heute im Rechteck gelagerte Steine Zeugnis geben. Das Andenken<br />
an sie ist auch heute noch nicht erloschen. Aeltere<br />
Leute reden von „grauen Schwestern" in Bezug auf<br />
deren Kleidung (siehe Ziffer 50).<br />
41. Hannaberg ist m. E. Kurzname für Hainbuchberg<br />
Daß aber das Waldstück „Hannaberg" heute mit Tannen<br />
bepflanzt ist, so könnte auch die Tanne den Namen gegeben<br />
haben. Im Besitzbuch von 1760 bildete das Gelände „Hannaberg"<br />
eine „besondere Bemarkung".<br />
42. Rieten, Dies ist das weite, größtenteils Wiesengelände<br />
nördlich vor dem westlichen Teil des Bisingerberges.<br />
Es ist in eine Reihe von Unterfluren eingeteilt. Man sagt:<br />
in, vor, hinter, auf, ob und unter Rieten, im Rietengarten,<br />
Hinterrieten, in Rieten über dem Bühl, im oder beim Rietenwäldle,<br />
hinter Rieten am Wasen, hinter Rieten der Spitza<br />
ker, hinter Rieten der Burzen-, Bunzen- und Binzenwasen,<br />
hinter Rieten bei der Lucken ( = Oeffnung in einem Hag),<br />
hinter Rieten beim Eichle, hinter Rieten am Haag und hinter<br />
Rieten der Steinbühl, in dem der Herrenbach entspringt.<br />
Das Wort Burzen ist mhd. borzen; von bor = empor, mdh.<br />
inbore = in der Höhe. (Die in bore = oder Empor = oder<br />
Vorbühne in der Kirche oder eine Galerie). Der Burzenwasen<br />
ist demnach ein erhöhter Rasen. In Rieten bei der Lucken<br />
stand um 1500 ein Aussenhof.<br />
43. Rausagata = Rausengarten hat nichts mit den Rosen,<br />
Rossen oder ötzen zu tun, sondern ist, wie las Hagensche<br />
Lagerbuch von 1544 eindeutig ausweist, des Parrs Roßgarten",<br />
das heißt des Pfarrers „Roßwagergarten". Dtr<br />
Roßwagerwein war, wie aus den herzoglich-württemb^rgischen<br />
Kellerrechnungen hervorgeht, ein Festwein (Fischer,<br />
Schwäb. Mundart von 414); die Roßwager Rebe Wird noch<br />
heute im Weingut des Johann Lämmle in Stuttgart-<br />
Feuerbach angebaut. Lämmle nennt die Rebe zw=r „Riesling".<br />
Ich bin aber der Ansicht, daß er als Tiroler Burgunder<br />
zum blauen Trollinger oder Tiroler zu rechnen ist.<br />
44. Der Rohr- mundartlich Rauracker ist ein an<br />
einem ehemaligen Moor gelegenes Ackerfeld, in dem immer<br />
noch das Schilfrohr (Phragmites communis) wächst. Diese<br />
Pflanze hat eine stark amphibische Natur mit einem tiefgründigen<br />
Wurzelstock und gedeiht daher dort, wo das Moor<br />
schon längst verlandet ist.<br />
45. Westlich vom „dicken Boom", dem „Umlauf" zu, stand<br />
ehemals ein rot angestrichenes Feldkreuz, Davon sagt man<br />
noch heute „beim roten Kreuz". M. E, war es ein Kreuz<br />
zur Abwendung der Pest, wie sie früher immer an den<br />
Grenzmarken, hier dem „U m 1 a u f", das heißt der Grenzbesiichtigungslinie,<br />
errichtet wurden.<br />
46. Das Seagäßle. Die Flur, die man mit diesem<br />
Namen bezeichnet, ist i-elativ klein und liegt am Eingang<br />
zum „Tal". Eine besondere Bedeutung geht vom örtlichen<br />
Dialekt aus und Sdgt, daß der Name daher komme, weil<br />
dort einst eine Säge gestanden sei. Das Wort Säge werde<br />
aber Seag gesprochen; dazu seaga = sägen und Seagis =<br />
Sense. Diese dialektische Bemerkung ist richtig; aber es ist<br />
höchst unwahrscheinlich, daß auf dem in Frage kommenden<br />
und relativ kleinen Gelände jemals eine Säge alter Art, das<br />
heißt eine Sägevorrichtung mit sogenannten Böcken gestanden<br />
ist, weil dafür für die Säge und die zu sägenden Baumstämme<br />
gar kein Platz vorhanden war. Eine Säge mit Gatter<br />
und Wasserbetrieb war an sich scr in ausgeschlossen.<br />
In Frage kommt m. E. allein die Etymologie. Das Urwort<br />
von Säge ist ahd. sega, was schneiden heißt. Davon sind<br />
gebildet das Seach oder Pflugmesser vom lat. secum bzw.<br />
secare = schneiden. Vom secare kommt auch das franz.<br />
Scie = Säge, aber auch Gebirgsnamen, deren Grat sägeartig<br />
gezackt ist: Sierra Nevada, Sierra Sagra Sierra Alkaraz und<br />
Sierra Morena in Spanien und eine Sierra in Mexiko. Eine<br />
solche Sierra oder Säge bildet auch den Eingang zu dem<br />
Grosselfinger „S e a g g ä Ö 1 e". Da wir aber die paar Zacken,<br />
die man dort mit viel Phantasie sehen kann, nicht ausreichend<br />
für eine Flumamengebung halten, sind wir der<br />
Ansicht, daß das Grosselfinger Bestimmungswort „seag" in<br />
dem Flurnamen „Seaggäßle" zu dem keltischen bzw. gotischen<br />
sinquam, ahd. sincan — sinken, auch sickern, suttern<br />
und seihen zu stellen ist und dieses Gäßle, wie das größere<br />
„S i g e n t a 1" bei Weilheim eine Talsenke oder gar ein<br />
Taleinbruch ist. Als solchen kann man sich auch nur das<br />
„Z i e g e 1 w ä 1 d 1 e" im Tal vorstellen. Auch dieses ist ein<br />
Siken- oder eingebrochenes Tälchen, wobei der Anlaut s zu<br />
z assimilierte wie bei „Z i e 1 s c h e i t" was ja „S i 1 s c h e i t"<br />
heißt oder wie bei „Zusann", was man „Susan na"<br />
schreibt. Im weiten Umkreis vom „Ziegelwäldle" gibt es im<br />
Stubensandstein keinen Lehm zur Ziegelherstellung.<br />
Merkwürdige Sitte aus Oberharmersbach (Dek. Kinzigtal),<br />
vom dortigen Pfarrer bezeugt: Bei Totenämtern (Requiems)<br />
tragen die männlichen Anverwandten des Verstorbenen beim<br />
Opfergang in der Kiiche den Hutaufdem Kopfe!<br />
Grund und Alter des Brauches sind unbekannt. Wo existiert<br />
er sonst noch? Krs.<br />
Knochenschnitzerei, wie sie sich ähnlich auf der alten<br />
Fehlaburg bei Gammertingen fanden, sind bei Ausgrabung<br />
der Burg W a r b er g am Nordrand der Elms (Braunschweig),<br />
die 1199 zerstört wurde, zutage gekommen: Tiere, ein Burgturm,<br />
Armbrustschloß, ferner aus Eisen: Bolzen, Schere,<br />
Messer, Hufeisen, Sporen, Pfeilspitzen, Beschläge, Hammer,<br />
•-'chlüssel mit Schloß, und viele Tonscherben (Abbildung und<br />
Beschreibung in „Braunschweigisches Jahrbuch" Bd. 45, 1964,<br />
Waisenhaus-Druckerei Braunschweig. Offenbar sind solche<br />
Schnitzereien einst auf Burgen sehr beliebt gewesen und<br />
die Gammertinger „Schachfiguren" keine Ausnahmen! Krs.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 31<br />
Kalkreute, seit 1125 Reichenauischer Besitz<br />
In der Schenkungsurkunde des Rudolf von Rheinfelden an<br />
das Kloster St. Blasien vergabt dieser 1125 das Hofgut<br />
Schluchsee. Mit ihm treten als Schenker auf: Graf Otto und<br />
sein Sohn Friedrich Echebertus von Sachsen, Ita von Sachsen<br />
und von Birchdorf, Tuto von Wagenhausen und Hezelo, Vogt<br />
von der Reichenau. Sie gaben zum Heile ihrer Seelen St.<br />
Blasien und den Brüdern, die Gott ewiglich dienen, einhellig<br />
dieses Gut Schluchsee zu eigen.<br />
Dieses Gut bestand aus Teilen, die in der Nähe lagen,<br />
dann aber auch aus einem Teil, der der Kirche in der Reichenau<br />
gehörte, welchen aber Hezelo, der Vogt dieser Kirche,<br />
mit seinem eigenen Gut „R ü t i n bei O s t r a" vertauscht<br />
und gewechselt hat, um jenen dann St. Blasien frei übereignen<br />
zu können. Diesen Tausch haben der Markgraf von<br />
Almistorf, Bertold von Litzelstetten und Burkhard von Böhringen<br />
(„Beringen") an der Brücke bei Singen bestätigt.<br />
Außerdem waren bei diesem Wechsel zugegen: Eckhard,<br />
der Abt der Reichenau und Herzog Bertold und deren Leute,<br />
Freie und Dienstpflichtige und viele andere. Dieser Tausch<br />
wurde in gutem vereinbart und ohne Schaden der Kirche<br />
von Reichenau. (Dümge, Reg.-Bad. und Stumpf, Reichskanzler<br />
II. 272.)<br />
Ein Hezelo von Königseggwald bei Ostrach kommt schon<br />
bei der Gründung von St. Georgen (1085) vor und unser<br />
Hezelo dürfte ein Nachfahre dieses Hezelo sein, der das Gut<br />
Rütin bei Ostrach im Tausch mit Besitz im Schluchsee-Gebiet<br />
an das Kloster Reichenau übergab. Da wir bei Ostrach nur<br />
eine Reute, nämlich das hohenzollerische Kalkreute kennen,<br />
dürfte dieses wohl gemeint sein. Es geht aber auch aus<br />
der Urkunde hervor, daß an diesem Schenkungs- und<br />
Tauschbriefe hohe und höchste deutsche Adelige beteiligt<br />
waren, deren Beziehungen zu Herzog Bertold von Zähringen<br />
und zum „vorübergehenden" König Rudolf von Rheinfelden<br />
reichten. Der Name Königseggwald dürfte also auch in diesem<br />
Falle einen Hinweis auf die hohe Abkunft des Hezelo<br />
bieten, dem einst Kalkreute gehörte.<br />
Dr. W. Fauler, Bad Krozingen.<br />
Eine Burg Azilum bei Burladingen?<br />
Nach der Chronik des Mönches Berthold vom Kloster<br />
Zwiefalten (hgg. von König u. Müller, 1941, S. 211) schenkte<br />
„ein Otto von Urach zusammen mit seiner Gattin Tuticha<br />
vor dem J. 1138 dem Kloster einen halben Mansus ( l k Gut)<br />
in Burladingen, den jedoch Tutichas Bruder Konrad von<br />
A z i 1 u n wieder wegnahm". Die Herausgeber suchen diese<br />
Burg Azilun in Hohenzollern und vermuten darin Starzein,<br />
wobei sowohl die anlautenden ST als auch das R<br />
ausgefallen sein müßten. Das will jedoch nicht recht einleuchten,<br />
da der Ort Starzila schon um 1192 in den St.<br />
Georger Gründungsnotizen vorkommt. Vielmehr gab es bei<br />
Burladingen einst eine Flur „U f dem A z 1 e n b r u n n e n",<br />
der in der Hohz. <strong>Heimat</strong> 1957 S. 46 vom Jahr 1468 zitiert<br />
ist und mehrfach in Bertholds Hagens Lagerbuch von Burladingen<br />
von 1544 vorkommt. Das <strong>Heimat</strong>buch allerdings erwähnt<br />
nur einen Flurnamen (S. 40) „Apelbrunnen", der wohl<br />
richtig „Azelbrunnen" heißen müßte? Aber die Lage ist<br />
leider nicht angegeben. Auch war es mir vor 30 Jahren beim<br />
Durcharbeiten von Hagens Lagerbuch nicht möglich, den<br />
Brunnen zu identifizieren. Und doch könnte er m. E. sehr<br />
wohl einen Fingerzeig zum Auffinden der abgegangenen<br />
Burg geben. Einmal meinte ich, ihn in den Fluren gegen<br />
Gauselfingen suchen zu müssen, später wieder dagegen in<br />
Richtung Hausen i. K. Dort liegt über dem Wegrain der<br />
Hausener Kapf mit einer namenlosen Burgstelle und am<br />
nördlichen Abhang gegen das Tiefental entspringt tatsächlich<br />
eine Quelle. Aber in dieser Höhe gibt es (heute) keine Aecker<br />
mehr, auch liegt der Platz m. W. auf Gemarkung Hausen.<br />
In Richtung Gauselfingen findet sich unterhalb der Mühle<br />
am Waldrand und Markungsgrenze ein munteres Wässerlein,<br />
dessen Namen ich nicht kenne. Oberhalb auf dem Berge<br />
stehen auf Markung Gauselfingen die Ruinen einer Burg, die<br />
heute im Volksmund „Hasenfratz" heißen. Wäre hier der<br />
Azlenbrunnen vor uns, dann könnte der alte Name der Burg<br />
Azilun geheißen haben. Welcher Kenner der Burladinger<br />
Fluren kann hier Gewißheit geben? Beide Burgstellen sind<br />
bekannt in den Albvereinsblättern 1933 Sp. 10—15.<br />
Joh. Adam Kraus.<br />
Abendliches Singen auf der Straße bis 10 Uhr von „nicht<br />
sehr erbaulichen Liedern" (die im Laufe des Schreibens sich<br />
in „unanständige" und schließlich in „verdächtige Lieder"<br />
verwandeln), wird 1819 im Januar aus Dettensee gemeldet,<br />
und bei diesem „unangenehmen Umstand dem Pfarrer<br />
Schwarz die nötige Klugheit abgesprochen, und der Auf-<br />
trag erteilt, bei der Polizeibehörde darauf zu dringen, daß<br />
das Singen solcher Lieder in Zukunft unterbleibe." Auch sei<br />
die Verbreitung besserer Lieder sehr zu empfehlen. — In<br />
den letzten Jahren haben Radio und anderes gründlich für<br />
„Abhilfe" dieses Uebels gesorgt, m. a. W. dem Singen in<br />
den Dörfern, wie überhaupt den Volkslied, völlig (?) den<br />
Garaus gemacht! Krs.<br />
Neufra - Muttergotteskapelle<br />
Wir begreifen es, wenn richterliche Entscheidungen nicht<br />
vergänglichem Papier, sondern haltbarem Pergament anvertraut<br />
wurden, um sie der Nachwelt umso sicherer zu erhalten<br />
und weiteren Streitigkeiten vorzubeugen. Aber auch gewöhnliche<br />
Kaufbriefe wurden für wichtig genug erachtet, als Dokumente<br />
der Nachwelt erhalten zu bleiben, weil es ja kein<br />
Grundbuchamt gab, wo man die Eigentumsrechte dem einzelnen<br />
wahrte. So ist für uns eine Urkunde von nicht geringem<br />
Interesse, in der der Neufraer Müller Jörg Acker<br />
im Jahre 1589 ein Stück Garten verkauft, in dem die neue<br />
Kapelle steht. Es heißt da:<br />
„Ich Georg Acker, Müller zu Neufra, bekenne hiermit<br />
öffentlich, für mich und meine Erben und Nachkommen und<br />
mache bekannt durch diesen Brief, daß ich verkauft habe<br />
der edlen Frau Dorothea Spetin von Zwiefalten, geborene<br />
von Rechberg, die Witwe ist, ein eigenes Stück Garten zu<br />
Neufra bei meiner Behausung an der Straße gelegen, darauf<br />
jetzt die Capelle steht. (Auf der gleichzeitigen Rückenschrift<br />
heißt es „neue Kapelle"!) Und ist der Kauf geschehen um 70<br />
Gulden, wovon 50 baar bezahlt und die restlichen 20 mir<br />
über ein Jahr von meiner Schuld abgezogen werden sollen.<br />
Des zu wahrer Urkunde habe ich Georg Acker erbeten die<br />
fürsichtigen, ehrsamen und weisen Schultheiß, Burgermaister<br />
und Gericht zu Hettingen, daß sie ihr Stadtsiegel gehängt<br />
haben an diesen Verkaufsbrief, der gegeben ist den 1. Mai<br />
1589." Das anhängende Siegel ist beschädigt in halber Holzkapsel.<br />
Es zeigt einen schlecht modellierten sitzenden Löwen<br />
mit erhobenen Vorderpranken und Schweif, über ihm ein 5<br />
zinkiges Hirschhorn mit der Spitze rechts vom Beschauer.<br />
Die Umschrift heißt: S. civ hettingen („Siegel der Bürgerschaft<br />
Hetingen".) (Pfarramt Neufra). Wie man vermuten<br />
darf, handelt es sich um die jetzige Muttergotteskapelle am<br />
Weg nach Freudenweiler, bei der sich später der Gottesacker<br />
befand. Die Jahreszahl 1591 über dem Eingang, die<br />
sowieso späteren Ursprungs ist, wird also nicht sti mm<br />
e n, oder so zu verstehen sein, daß damals eine Erweiterung<br />
oder Neuausstattung der Kapelle stattgefunden hat.Kr.<br />
Ringinger Fuhrleute haben zusammen mit anderen aus<br />
Jungingen, Gruol, Hausen und Starzein im J. 1723 sich eidlich<br />
verpflichten müssen, die in Derendingen bereitliegenden<br />
300 Mühlsteine aus den dortigen Brüchen Sigmunds<br />
nicht wie bisher in die Schweiz und an den Bodensee zu fahren.<br />
(J. Sydow in Jahresgabe 1964 S. 10 des Sülchgauer Altertumsvereins<br />
Rottenburg a. N.) Namen sind jedoch keine genannt.<br />
Krs.<br />
An das<br />
Postamt<br />
in
:(32 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Eine zweite Starzel, also Schwester unseres hohenzollerischen<br />
Baches, gibt es tatsächlich bei den Orten Schörzingen—<br />
Wellendingen—Neufra im Kreis Rottweil. Sie mündet bei<br />
Neufra in die Prim, wie mir von befreundeter Seite mitgeteilt<br />
wird. Das ändert freilich nichts an meiner Behauptung<br />
in der Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1964 Nr. 4 am Schluß, daß es unrichtig<br />
sei (das Dorf!) Starzila der St. Georger Gründungsakten<br />
dort suchen zu wollen, statt in unserem Killertal. Unser<br />
„S taazla" (also alt „Starzila") als Weiler oder Dorf<br />
ist seit 1253 bis heute nachzuweisen, dagegen bei Schörzingen<br />
am dortigen Bach muß erst noch künstlich eine Siedlung<br />
dieses Namens fabriziert we r d e n. Nicht das Geringste<br />
ist von einer solchen dort bekannt! Krs.<br />
Weilheimer Inschriften, bzw. Bruchstücke von solchen, fanden<br />
sich 1964 unter dem Putz bei der Außeninstandsetzung<br />
der Pfarrkirche in Nähe des jetzigen nördlichen Seitenaltars.<br />
Auf der Ostseite des gerade geschlossenen Chors trat ein<br />
zugemauertes gotisches Fenster heraus, und wurde konserviert.<br />
Auf der Nordseite kam eine zugemauerte Türe zum<br />
Vorschein, deren halbrundes Tympanon (oberer Deckstein) in<br />
lateinischen Großbuchstaben (um 1200?) eine Schrift zeigt<br />
Die rechte Hälfte fehlt und ist hier in Kleinbuchstaben nach<br />
Vermutung ergänzt:<br />
ALMA D(omina) = „Hehre Herrin<br />
SiS NOBIS (patrona) sei uns Schützerin!"<br />
Etwas oberhalb dieser Türe finden sich wieder zwei Instriftsteine<br />
eingemauert, deren dritter (bzw. der vorausstehende)<br />
fehlt. Wir ergänzen somit nach unserer Vermutung<br />
wieder in Kleinbuchstaben:<br />
(dedicata) E(st) hEC. ECCLESIA<br />
(ab hildebrando) EP(iscop)0. E. I(stettensi) IN hONORE<br />
(st ? . . .) Pr I(die) CRIS. ANTI ET DARIE<br />
(anno domini..) = Geweiht wurde diese Kirche / vom<br />
Bischof (Hildebrand) von Eichstätt (?) zur Ehre / des heiligen<br />
... ?? am Vortage von Crysantus und Daria" (also am<br />
24. Oktober 1274?)<br />
Merkwürdigerweise sind die E dieser Inschrift teils eckig,<br />
wie die heutigen, teils rund wie die C mit Mittelstrich. Teilweise<br />
wäre man sogar versucht, daraus ein S zu lesen. Die<br />
Deutung der Buchstaben EI auf den im Jahre 1274 als Konstanzer<br />
Weihbischof nachzuweisenden „Hildebrandus ep. Eistettensis"<br />
klingt mir selber etwas gewagt. Aber vielleicht<br />
kann einer der Leser eine bessere Erklärung der Bruchstücke<br />
geben!? Die Punkte in der zweiten Inschrift sollen<br />
nur das Ende des ersten Steines anzeigen, sonst nichts! Das<br />
h ist jeweils klein, also in der Form des heutigen, Ueber den<br />
Kirchenpatron ist nichts zu entnehmen. Die Muttergottes<br />
(die heutige Patronin) wäre doch wohl über dem Hauptportal<br />
und nicht an der nördlichen Seitentüre angeredet worden!<br />
J A. Kraus.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />
durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />
Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />
zugspreis von DM 1.10.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nach-<br />
bestellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />
deutliche Schrift wird gebeten<br />
Inzigkofen und Emmingen<br />
„Kaufbrief über das Pfarrhaus zu Emmingen,<br />
Herr Hans Specken des Pfarrherrns daselbst,<br />
wegen der Frauen von Untzkoven ao. 1509."<br />
Im St. Blasianischen Archiv in St. Paul im Lavanttal (Kärnten)<br />
steht ein Kopeienbuch, das die Lehen, Käufe und verschiedene<br />
Urkunden und vielerlei Sachen der Landgrafschaft<br />
Stühlingen von alten Jahren her enthält (Band XX a 112/2).<br />
Darin ist der obige Kaufbrief auf der Seite 417/210 enthalten.<br />
Eine Fotokopie besitzt jetzt auch das Pfarrarchiv der Pfarrei<br />
Emmingen ab Egg.<br />
Hier heißt es: Ich Johannes Speck, Priester Konstanzer<br />
Bistums, dieser Zeit Vicarius der Pfarrei zu Emmingen, bekenn<br />
öffentlich mit diesem Brief und tue kund, daß ich mit<br />
vollbedachtem Sinn und Mut einen ewigen Kauf getätigt<br />
habe, in Gegenwart des öffentlichen Notars und der Geistlichen<br />
Frauen, der Pröpstin und des Konvents des Gottshauses<br />
zu Untzkoven, regulierter Chorfrauen St. Augustins<br />
Orden, im Namen ihrer Pfarrkirchen zu Emmingen und derselben<br />
Pfarrkirchen Haus und Hofreitin daselbst zu Emmingen,<br />
den Platz vor der Kirchen gelegen mit allen Rechten<br />
und Zugehörden, so ich durch eine ehrbare Gemeinde des<br />
Dorfes zu Emmingen um Gottes willen in die Pfarrei erbauen<br />
habe. So ist der Kauf ergangen um 58 Gulden rheinischer<br />
Währung, die ich bar empfing. Hinfüro soll das Haus<br />
zu Emmingen ewiglich als Pfarrhaus mit allem Zubehör und<br />
Gerechtigkeit zur Pfarrkirche zu Emmingen eine rechte Zubehör<br />
und Pertinenz sein und bleiben. Das soll ich und<br />
meine nachfolgenden Vikare zu Emmingen, wie die andern<br />
Renten, Gülten und Güter inne haben, brauchen, nutzen und<br />
nießen. Diese sollen das Haus in guten Zustand erhalten<br />
ohne der Frauen Kosten und Schaden. Zum Zeugen dieses<br />
Kaufes hat Pfarrer und Vicar Speck den hochgelehrten Johannsen<br />
Schlupf, der heiligen Schrift Lehrer, Kirchherren zu<br />
Ueberlingen, gebeten, auch sein Siegel an den Kaufbrief anzuhängen.<br />
Desgleichen waren Zeugen der ehrbare Stefan<br />
Dietrichs Starkenknecht, und Martin Mornigs Substitut, beide<br />
von Ueberlingen. Die Urkunde wurde am Dienstag nach St.<br />
Georgentag (24. April) 1509 ausgestellt. Sie wurde noch von<br />
Konradus Baur, Kleriker des Konstanzer Bistum und von<br />
kaiserlicher Gewalt offenem geschworenem Notar, derzeit<br />
Stadtschreiber zu Ueberlingen, beglaubigt.<br />
Aus dieser und einer anderen Urkunde im gleichen Buche<br />
geht hervor, daß die Frauen von Inzigkofen die Pfarrkirche<br />
zu Emmingen ab Egg inne hatten. Sie war ihnen von den<br />
Grafen von Zollern käuflich überlassen worden. Im Jahre<br />
1435 hat Graf E :+ elfritz von Zollern den Gebrüdern Rudolf<br />
und Peter den Emmingern den Widemhof unterhalb der<br />
Kirche und den Kirchensatz (Patronatsrecht) geliehen, und<br />
vor J. 1463 hatte Junker Hans von Wyßenberg vom Grafen<br />
Friedrich von Zolr selig, genannt öttinger, den Zehnten zu<br />
Emmingen als Lehen empfangen gehabt. (Krieger, Töpogr.<br />
Wörterbuch I, 508.) Endlich hat Graf Jos Nikiaus von Zollern<br />
am 29. April 1485 dem Rudolf von Memerschwyl und Antonius<br />
Mayer dessen Schwager erlaubt, der Pröpstin und dem<br />
Konvent zu Inzigkofen den Kirchensatz, die Widemhöfe und<br />
den Groß- und Kleinzehnten zu verkaufen, wie alles bisher<br />
Lehen der Grafschaft Zollern war. Er verzichtet zugleich auf<br />
alle Eigenschaft und Lehenschaft. (Fürstenberg. Urk.-Buch 7,<br />
S. 38). Die Kaufsumme betrug 1450 rheinische Gulden. Auch<br />
in Mauenheim hatten einst die genannten Grafen Besitz.<br />
Dr. W. Fauler, kirchl. Archivpfleger<br />
Bad Krozingen.<br />
Große Armut 1857 wird aus Dettensee berichtet. Der<br />
Pfarrverweser Mattes schreibt, die Gemeinde sehe sich während<br />
der Sommerzeit zum großen Teil genötigt, ihre Kinder<br />
ins württembergische Oberland zu schicken, damit sie<br />
beim Einheimsen der Früchte für sich und die Ihrigen etwas<br />
verdienen. Dies habe einen verderblichen Einfluß auf die<br />
Moral der Kinder durch den beständigen Umgang mit verdorbenen<br />
Knechten und des Hausgesindes überhaupt, indem<br />
ihre zarten Gemüter verrohen und durch schlüpferige Reden<br />
vergiftet würden, daß der gute Same durch das Unkraut erstickt<br />
werde ... Es sollte eine Möglichkeit des Erwerbs für<br />
die Gemeinde gefunden werden. Die schon in mehreren Gemeinden<br />
errichteten Webereien sollen sich vielfach anstatt<br />
verderblicher Erwerbsquellen bewährt haben. Herr Dompräbendar<br />
Marmon habe z. B. in Empfingen durch<br />
Einführung von frequentierten Webstühlen seiner ehemaligen<br />
Pfarrei geholfen. Erzbischof Hermann von Vicari<br />
riet darauf dem Pfarrer, mit der Gemeinde Empfingen Fühlung<br />
zu nehmen betr. der dort eingeführten Strickerei und<br />
Weberei. (Registratur Freiburg.) Krs.<br />
Die Verfasser tragen für den Inhalt ihrer Abhandlungen<br />
die Verantwortung.
<strong>Hohenzollertsehe</strong> <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schrif tleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
I<br />
25 Y 3828F<br />
Nummer 3 Gammertingen,<br />
Preis halbjährlich 1.40 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Juli 1965 115. Jahrgang<br />
Sinnbilder der Begegnung mit Gott<br />
Gotische Gewölbe im Kreis Hechingen ein kultureller Reichtum<br />
Unser <strong>Heimat</strong>kreis Hechingen gehört ohne Zweifel zu<br />
jenen Gebieten in Baden-Württemberg, die sich eines großen<br />
Kunstreichtums glücklich schätzen dürfen. Allen Stilepochen<br />
begegnen wir im Kreis, und es fehlen selbst nicht Zeugen der<br />
romanischen Zeit. Sie sind zwar wesentlich seltener als die<br />
der nachfolgenden Gotik, die uns immerhin noch eine große<br />
Anzahl Zeugnisse aus Malerei, Plastik und vor allem auch in<br />
der Architektur hinterlassen hat. Ihre wesentlichen Elemente<br />
sind sowohl einige wenige Türme, vor allem jedoch die gotischen<br />
Chorgewölbe mit ihren Rippennetzen als Zeugen<br />
hoher gotischer Baukunst, die sich damals über ganz Europa<br />
verbreitet hat und vor allem in Frankreich und Deutschland<br />
die gewaltigen Dome und Münster schuf.<br />
In den edelsten Kirchenbauten dieser Zeit bildet innerhalb<br />
der gotischen Raumarchitektur vor allem der Chor das lichte<br />
Haupt mit seinem weihevollen Blickziel, dem Hochaltar. Der<br />
Chor wird als ein Hauptelement hier zu einem Teil der überirdischen<br />
Raumharmonien, in denen sich lastende Mauerschwere<br />
in das vergeistigte Formenspiel der Architekturen<br />
verwandelt. Die Baumeister, Mystiker und Gottsucher jener<br />
Zeit, in der bedeutende Heiligengestalten wie ein Dominikus,<br />
Elisabeth von Thüringen, Herzogin Hedwig, Thomas von<br />
Aquin, Nikolaus von der Flüe lebten, sind der Spur jener<br />
Gottessucher gefolgt und haben in ihren großartigen Bauwerken<br />
lebendige Sinnbilder der Begegnung mit Gott geschaffen,<br />
ein „Sursum corda" angestimmt, das bis heute nicht<br />
verklungen ist.<br />
Denn die Bauanliegen der Gotik, aus der Geborgenheit der<br />
romanischen Gottesburgen auszubrechen in eine hinaufdrängende<br />
Gottessuche, haben den Ausdrucks wert und die Formensprache<br />
geschaffen. Der Stein, zu feinsten Gebilden behauen,<br />
wild in Türmen, Bündelpfeilern, Rippen und Gewölben zum<br />
Himmel gejagt, verwegen wie die Ritterschaft des Abendlandes,<br />
die in den Kreuzzügen dieser Zeit in das Heilige<br />
Land zog, um Christi Grab zu erobern,<br />
Ueber den Schiffen schweben die monumentalen Rippengewölbe,<br />
die unsere Gedanken in den Raum einer eigenen<br />
künstlerischen Sprache rufen. Die Ruhe und Klarheit ihrer<br />
Gliederung hält trotz größter Spannweiten ein Gleichgewicht,<br />
das keine Bauform versprühen läßt.<br />
Ein genialer Künstler mußte zunächst den Aufriß ersinnen<br />
und die Wölbung über dem Raum mit den Bogenkrümmungen<br />
verschiedene Spannweiten finden, was auch mit reicher<br />
Gestaltungsfreude geschah. Kirchengewölbe wie strahlende<br />
! erne zu formen, war die reife Spätform der Gotik, die die<br />
einfachen Kreuzgewölbe der Frühgotik ablöste.<br />
Diese Gedankenfülle wird noch sehr wesentlich ausgedeutet<br />
durch den formenreichen Gehalt der vielen Kleinplastiken,<br />
die wir in den Schlußsteinen entdecken und zum<br />
geistigen Programm der Gewölbekunst dieser Zeit gehörten.<br />
Es sind dies in den meisten Fällen bemalte Reliefs und<br />
Nachbilder, in denen neben den verschiedenen Heiligen,<br />
Kirchenpatronen und Wappen von Stiftern und Erbauern<br />
auch die Gottesmutter erscheint, welche überhaupt in der<br />
gotischen Zeit in den Bildwerken, Plastiken eine hohe Verherrlichung<br />
erfuhr.<br />
Bedeutende künstlerische Zeugnisse<br />
im Kreis Hechingen<br />
Die Betrachtung dieser hohen Zeugen eines gläubigen<br />
Mittelalters weist über größere Räume hinweg auch in die<br />
Von Josef Schneider<br />
heimatlichen Bereiche mit ihren vielfältigen AeuKrungen<br />
der Gotik. Sie hat unsere Landschaft mit einer Anzahl ehrwürdiger<br />
Bauwerke würdig ausgestattet, und zwar sowohl<br />
mit Türmen mit ihren charakteristischen Staffelgiebeln und<br />
ebenso mit wertvollen Plastiken. Aber auch mit schönen,<br />
netzgewölbten Chören, die zum kulturellen Reichtum, zum<br />
Laudatio dieser Landschaft zwischen Schwarzwald und<br />
Schwäbischer Alb gehören Die Gotik, welche das Bauschaffen<br />
über weiteste Räume hinweg so reich befruchtete und<br />
auch stark nach Hohenzollern strahlte, hat uns im Kreis<br />
Hechingen noch 8 netzgewölbte Chöre mit gekehlten Rippen<br />
hinterlassen, die als Künder hochgotischen Geistes eine wertvoller<br />
Besitz sind. Sie erfreuen jeden <strong>Heimat</strong>-, Kunst- und<br />
Architekturfreund und ringen ihm die Bewunderung für die<br />
Baukonstruktion dieser Zeit ab. Ihre Zahl wäre sicher größer,<br />
wenn nicht im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Neu-<br />
I"ine KLiiiderin liodigotisehen Geistes ist die ehemalige Klosterkirche Sterten<br />
im Guadent.il mir ihren 'chiin gegliederten Kreuzgewölben.
34 HOHEKZOLLEEJäCHE HE IM'AT Jahrgang 1965<br />
bauten an ihre Stelle getreten wären. In diesem Falle hat<br />
jedoch überlegter Sinn dafür gesorgt, daß die Chöre stehen<br />
blieben, wobei die meisten von ihnen in jüngster Zeit wieder<br />
stilvoll renoviert wurden. Hierbei sind vielfach die schönen<br />
Schlußsteine mit ihren wertvollen Reliefs, Kleinplastiken 'und<br />
Ornamenten freigelegt worden. Sie sind in Dettensee noch<br />
als Blumenornamente ausgebildet, in Haigerloch und Dießen<br />
wird bereits die Uebergangsperiode zur Renaissance in den<br />
leuchtenden, FlammenoTnamenten sichtbar.<br />
Das älteste Gewölbe, noch als Kreuzgewölbe ausgebildet,<br />
•finden, wir aus dem. 13, Jahrhundert in der ehemaligen Klosterkirche<br />
Stetten im Gnadental, die erst letztes Jahr stilvoll<br />
renoviert wurde, Ein reizvolles Netzgewölbe besitzt das<br />
nächst jüngere Bauwerk dieser Landschaft, nämlich, die<br />
Michaelskapelle auf der Burg Hohenzollern, welche den<br />
ältesten Teil der Burg darstellt.<br />
Wenn wir durch den sehönea Chorbogen eingetreten sind,<br />
ziehen uns unwillkürlich die 1 Glasfenster mit ihrer Farbenglut<br />
an. Sie gehörten ehedem ih die Klosterkirche Stetten<br />
und zählten zu den bedeutendsten Glasgemälden, im weitesten<br />
Raum. Man weist ihr Alter in die 1 Zeit von 1280—90.<br />
Unter den alt- und neutestamicntlichen Szenen befindet sich<br />
auch das älteste Weihnachtsbild Hohenzollerns.<br />
Die zweite Hälfte des 15, Jahrhunderts muß eine sehr<br />
baufreudigo Periode gewesen sein. In dieser Zeit erhielt auch<br />
die aus dem 13, Jahrhundert stammende Unterstadtkirche<br />
Haigerloch den jetzigen 3/8 Chorschluß, 'lind das Rippen-Netzgewölbe.<br />
In Dießen, Dettensee, Glatt lassen ebenfalls noch<br />
die Chorgewölbe' diese Periode lebendig werden. Gleich vier<br />
Zeugen der gotischen Gewölbekunst besitzt die Landschaft<br />
rund um den Zoller. Das sind außer der Michaelskapelle und<br />
Eine «IIa FoHnejispractie ist dem Netzgewölbe der Unterstadtkirchu<br />
Haigerloch zu eigen. Gewölbe w strahlende Sterne zu formen, war vor<br />
allem der Kunstgriff der Spätgotik, Die Fliimmenoruamenti; weisen hier<br />
bereits zur Renaissance luii.<br />
M<br />
eiche GestaltLUigsfreude mit den Bhimenörnamenten um die Schlußsteine<br />
herum, zeigt das NetzgewSlbc der Pfarrkirche Oetternre,<br />
Pfarrkirche in Diesson,
.lahrgang 1965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 35<br />
Stetten noch die Pfarrkirche Zimmern und nicht zuletzt die<br />
Heiligkreuzkapelle bei Hechingen, welche als Sühne für<br />
..höllischen Schuß" erbaut und 1403 eingeweiht wurde. Sie<br />
besitzt ein flachgespanntes Sternengewölbe mit flachgekehlten<br />
Rippen.<br />
Auf die Schönheit der Gewölbekunst hat man auch in der<br />
darauffolgenden Renaissance nicht verzichten können, wie<br />
die Beispiele der Spitalkirche und St. Luzen in Hechingen,<br />
sowie die Schloßkirche Haigerloch beweisen. Ja selbst die<br />
Zeit des Historismus des letzten Jahrhunderts hat geistige<br />
Anleihe bei den gotischen Baumeistern gemacht und nochmals<br />
denkmalswürdige Zeugen im Kreis Hechingen hervorgebracht.<br />
Die Glut gotischen Bauens war aber allerdings<br />
erloschen und der Kunstraum der Gotik schon zu Ende des<br />
15. Jahrhunderts abgeschlossen.<br />
Die gotischen Baumeister und Künstler waren Gottsucher.<br />
Wo immer sie einen Grundriß entwarfen, wo die Steinmetzen<br />
den spröden Stein in juwelierhaftes Filigran verwandelten,<br />
war ihr Lenken und Planen nach oben gerichtet,<br />
schufen sie Hinweise auf die geistigen Träger der Christenlehre.<br />
Sie werden zum Lobpreis an den Höchsten, denn schon<br />
der theologischen Gedankeninhalt will es ja zum Ausdruck<br />
bringen: Sursum corda — Empor die Herzen!"<br />
Wetterläuten. Bei den engen Wechselbeziehungen zwischen<br />
dem religiösen und bürgerlichen Leben im Mittelalter konnte<br />
es nicht ausbleiben, daß auch das Glockenläuten in die weltliche<br />
Sphäre hineingezogen wurde. So war das Glockengeläute<br />
nicht allein der Ruf für den gebotenen Kirchgang und<br />
die täglichen Gebetszeichen, ja die Glocke rief auch die Bürger<br />
zur Gemeindeversammlung, meldete Feuersbrünste und<br />
warnte in Kriegszeiten vor drohender Gefahr. Sie tönte auch<br />
über das Land, wenn schwere Gewitter am Himmel standen<br />
und unter Blitzen und Donnerschlägen prasselnder Regen<br />
oder Hagelschlag niederging. Ob das Läuten mit der Kirchenglocke<br />
die Menschen nur auf das aufziehende Unwetter aufmerksam<br />
machen sollte oder ob man mit der kirchlich geweihten<br />
Glocke nicht auch die unheilvollen Mächte von<br />
Sturm, Gewitter und Hagelschlag vertreiben und bannen<br />
wollte'' — Zäh hing das Landvolk am Althergebrachten und<br />
an den überlieferten Bräuchen. Als im Jahre 1857 Pfarrer<br />
Maximilian Schnell von Sigmaringen auf die Pfarrei Heiligenzimmern<br />
aufzog, die wegen dem Kirchenbau 12 Jahre<br />
nur Verweser hatte, wurde ihm der Wunsch nach Wiederaufnahme<br />
des Wetterläutens geäußert. Da die Gemeinde, in<br />
deren Eigentum der Turm der neuen Kirche steht, die Vergütung<br />
für das Läuten bei Gewittern ablehnte, wandte sich<br />
Schnell an das preußische Oberamt Haigerloch. Dieses wiederum<br />
ersuchte das Bürgermeisteramt Heiligenzimmern um<br />
eine Stellungnahme und erhielt von Bürgermeister Matthias<br />
Bächle folgende Antwort: Das Wetterläuten ist bei uns seit<br />
1811 ganz abgestellt und außer Uebung gekommen. Es geschah<br />
dies unter Pfarrer Stähle. Man ist gar nicht mehr<br />
daran gewöhnt. Wenn das Blitzen und Donnern den Menschen<br />
nicht zum Gebete erinnert, so wird auch das Geläut<br />
wenig Einfluß auf ihn haben. Im Jahre 1809 hat das Wetter<br />
bei immerwährendem Geläut alles total verhagelt. Obwohl<br />
nicht mehr geläutet wird, wurde durch Unwetter, Gott sei<br />
Dank, kein Schai :i mehr angerichtet. Somit liegt auch keine<br />
Ursache vor, die Kosten des Wetterläutens zu, übernehmen.<br />
Die Antwort des Oberamts an Pfarrer Schnell ist nicht bekannt.<br />
Unbekannt ist auch, ob das Wetterläuten nochmals<br />
aufgenommen wurde oder unterblieb. M. Sch.<br />
Das Konzil zu Konstanz, die größte Kirchenversammlung<br />
des Mittelalters und die einzige auf deutschem Boden, dauerte<br />
vier .Jahre, von 1414 bis 1418. Neben den kirchlichen Veranstaltungen.<br />
Gottesdiensten, Prozessionen und Tagungen der<br />
Konzilsväter, fanden auch zahllose weltliche Festlichkeiten<br />
statt, feierliche Einzüge und Empfänge. So war von nachhaltiger<br />
Bedeutung die Belehnung des Burggrafen von Nürnberg,<br />
Friedrich VI, von Zollern, mit der Mark Brandenburg.<br />
Konzilsteilnehmer und prominente Gäste hat der Nachwelt<br />
Ulrich von Richental überliefert, dessen Chronik in mehreren<br />
Abschriften in deutsche]' Spiache erhalten ist. Eine davon,<br />
die Aulendorfer Handschrift, 1881 von Richard Michael Buck<br />
von Ehingen/ Donau herausgegeben, wurde 1936 vom Hendel-<br />
Verlag zu Meersburg a. B. neu gedruckt. Auf ihr fußen nachstehende<br />
Angaben,<br />
Unter den Aebten, die am Konzil zu Konstanz teilnahmen,<br />
steht an erster Stelle der Abt des Klosters Reichenau: „Dominus<br />
Fridericus de Z o 1 r, abbas Aye maioi'is, Constan en-<br />
sis." Es ist dies Friedrich, Graf von Zollern-Schalksburg,<br />
gen. Weißgraf; 1381 Klosterherr zu Reichenau, 1396 Großkeller,<br />
1401 Dekan und Propst und seit 1402 Abt des Inselklosters.<br />
Uebrigens wurde Abt Friedrich 1419 abgesetzt,<br />
konnte sich aber weiter halten und starb 1427 (Wappen:<br />
Geviertet, in 1) und 4) in Silber ein rotes Kreuz, in 2) und 4)<br />
geviertet von Silber und Schwarz). „Unter den weltlichen<br />
fürsten, die och gen Costentz komen sind mit unßerm herrn<br />
dem künig und nachhin fürsten, herren, graufen, fryen, ritter<br />
und knecht" werden unter den Grafen aufgeführt: „Grauf<br />
Fridrich von Zolr, Grauf Fridrich von Zolr Intelfritz, Grauf<br />
Fridrich von Zolr genannt Oetinger, Grauf Fridrich von Zolr<br />
thumbherr zu Straußberg und Basel" (Wappen: Von Silber<br />
und Schwarz geviertet). Da nach der „Genealogie des Gesamthauses<br />
Hohenzollern" Graf Friedrich XI. fünf Söhne mit<br />
dem Namen Friedrich hatte, drei näher bezeichnet sind, einer<br />
vor 1413 gestorben ist, muß der von Richental zuerst aufgeführte<br />
Zollergraf „Friedrich gen. „Aeppeli" sein, der 1402<br />
canonicus capitularis zu Straßburg war. Besser bekannt sind<br />
die „feindlichen Brüder", der fehdelustige, unversönliche<br />
Oettinger und der kluge, besonnene Eitel Friedrich I. Der<br />
IV. Bruder, gen. Fritzli, Domherr zu Straßburg und Basel,<br />
wurde 1433 Bischof von Konstanz, starb schon 3 Jahre später<br />
und liegt im Konstanzer Münster, heute Basilika, begraben.<br />
Von adeligen Herren der <strong>Heimat</strong>, die in Konstanz anwesend<br />
waren, nennt Richental noch den Truchseß von Ringingen<br />
(Wappen: In Silber ein roter Büffelkopf mit zwei goldnen<br />
Nasenringen), ferner Lienhardt von Jungingen mit den Söhnen<br />
Conrad und Wolff (Wappen: Geviertet von Blau und<br />
Silber). Es werden weiterhin erwähnt Conrad und Wolff von<br />
Bubenhofen, Heinrich und Rudolf von Holenstein, Hans von<br />
Hornstein, Heinrich und Conrad von Rischach und endlich<br />
Burkart Schenk von Stauffenberg. M. Sch.<br />
Gotische Chorgewölbe gehören zum kulturellen Reichtum. Hier eine der<br />
Kronbauten, die Michaelskapelle auf der Burg Hohenzollern, deren kostbarster<br />
Schatz der frühgotische r.l^emäldezyklus darstellt.
:(6 H O H E N Z O L L E B SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Früher, als durch unser hohenzollerisches Ländchen von<br />
Haigerloch bis Sigmaringen, hoch oben auf dem Bock der<br />
Postillion saß und von Zeit zu Zeit seinem Posthorn gar liebliche<br />
Weisen entlockte, als die Eisenbahn nur ganz kleine<br />
Teile unseres Ländchens durchschnitt, damals, als noch kein<br />
Auto und kein Motorrad in sausender Hast die Straßen<br />
durchflog, damals waren noch ganz patriarchalische Verhältnisse<br />
und auch gegenseitiges Vertrauen und Nächstenliebe<br />
zu beobachten.<br />
Zur damaligen Zeit lebte man auf dem Lande von eigenen<br />
Erzeugnissen, Haberbrei, Knöpfle mit Sauerkraut und Speck,<br />
Suppe, Milch und Kartoffeln; Kaffee gab es nur an Festtagen.<br />
Man blieb gesund und kräftig dabei. Greifen wir noch<br />
etwas weiter zurück, in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts,<br />
so finden wir unsere Vorfahren vom Frühjahr bis in<br />
den Herbst auf der Viehweide mit Haustieren, jede Gattung<br />
unter Aufsicht erprobter Hirten, die wiederum ihre<br />
Hirtenbuben unter sich hatten. Gar manch originelle Dinge<br />
haben sich auf solchen Weideplätzen zugetragen. Wir wollen<br />
nur einige aufführen. Der Geißenhirt hatte die leckerischen<br />
und oft auch die schadhaftigsten Tiere zu bewachen. Eines<br />
Tages ging der damalige Dekan, Pfarrer Eisele, spazieren,<br />
Die Pfarrkirche Gruol ist eine Zeuge der Neugotik, deren Baumeister<br />
geistige Anleihen bei ihren Vorfahren vor der hochgotischen Zeit machten.<br />
Aber auch sie brachten nochmals denkmalswürdige Zeugnisse hervor. Die<br />
stilvolle Renovation, welche Ende 1964 zum Abschluß kam und von der<br />
Kirchenmalerei Lorch, Sigmaringen, durchgeführt wurde, ließ dieses Gotteshaus,<br />
einem der größten von Hohenzollern, in sakraler Schönheit erstehen<br />
und gehört heute zu den sehenswürdigen Kirchen unserer <strong>Heimat</strong>. Ebenso<br />
stilvoll wurde auch die Pfarrkirche Rangendingen renoviert.<br />
Klischees: „Schwarzwälder Bote", Oberndorf<br />
Aus alter Zeit<br />
und traf den Geißhirten ohne seine Herde an. Sehr verwunderlich<br />
fragte der Pfarrer den Hermate Hipp, wo denn<br />
seine ihm anvertrauten Geißen wären, und der Geißhirt<br />
zeigte ganz vergnügt in die Halde hinunter, wo junger Wald<br />
war und die Tiere sich über die jungen Bäumchen hermachten.<br />
Der Pfarrer sagte, er müsse unbedingt die Geißen<br />
aus dem Wald bringen. Der Hirte erwiderte, dies sei keine<br />
Kunst, aber solange der Pfarrer da sei, könne er die Geißen<br />
nicht aus dem Wald bringen. Etwas neugierig, ließ der Pfarrer<br />
dann den Geißenhirten nicht los und bestand darauf, daß<br />
die Dinger unbedingt aus dem Wald müßten. Nach langem<br />
hin und her ließ der „Mate" sich endlich bewegen, nachdem<br />
ihm noch der Pfarrer versichert hatte, daß es ihm nicht zur<br />
Sünde angerechnet werde und der Pfarrer ihm nicht böse<br />
sei, tat er einige kräftige Peitschenhiebe in den Wald und<br />
als Zutat ebenso kräftige Flüche, und der Wald hatte sich<br />
blitzschnell von den Geißen geleert.<br />
Ringingen und Salm endingen hatten auf demHeufeld gemeinsames<br />
Weidefeld; in der Hauptsache wurden die Plätze mit<br />
Rindvieh und den Gemeindefarren abgeweidet. Kamen dann<br />
die Farren aufeinander oder wurden sie von den Hirten<br />
aufeinander gehetzt, so stießen sie so erbärmlich, bis ihnen<br />
Blut aus Maul und Nase floß und die Hirten viel Mühe hatten,<br />
bis die verboßten Bullen von einander getrennt waren.<br />
Gar manches könnte noch über das Hirtenleben aufgeführt<br />
werden. Wenn der heutige Fortschritt solche Dinge längst,<br />
überholt hat, und die Technik uns in andere Bahnen gelenkt<br />
hat, so steht aber doch eines fest: es war keine so<br />
nervenzerrüttemde, hastende Zeit, man lebte friedlicher und<br />
gemütlicher.<br />
Wie gerne denkt man noch an die Zeit zurück, wo man<br />
jeden Abend nach Feierabend — man hatte solchen die<br />
Nachbarn, oft 15 bis 20 Mann, beieinander saßen und ihre<br />
Tageserlebnisse besprachen, mit Rat und Tat aushalfen, auch<br />
etwas Politik trieben oder dieser oder jener von Krieg oder<br />
sonstigen Abenteuern erzählte. Und so war es jahraus, jahrein.<br />
Mancher hätte nicht schlafen können, wenn er seinem Nachbarn<br />
nicht „Gute Nacht" hätte sagen können.<br />
Im Winter wurden die Lager in die Stuben verlegt und<br />
auch die Kameradschaft weiter gepflanzt. Gar viel erzählten<br />
die Männer noch von der Erzgräberei im Eisenloch, wie sie<br />
und ihre Väter oft verschüttet worden seien und doch niemals,<br />
wie durch Wunder, einer das Leben lassen mußte.<br />
Jeden Tag, ehe sie in die finsteren tiefen Gruben hinabstiegen,<br />
beteten sie laut und gemeinsam einige Vaterunser.<br />
Sie wußten, daß an Gottes Segen viel, ja alles gelegen war.<br />
Aber bei allem Ernst, der diesen Männern eigen war, waren<br />
sie doch keine Kopfhänger. Wenn es galt, lustig zu sein, stellten<br />
auch sie ihren Mann. Ich kann mich noch ganz gut erin -<br />
nern, wie so eine Männerlichtstube sich auf Fastnacht als<br />
türkische Musik einübte. Und die Verteilung der Rollen der<br />
einzelnen Mitwirkenden war ausgezeichnet. Der alte „Postkaspar"<br />
mit seinem langen wallenden Vollbart war Kapellmeister<br />
und konnte mit wahrer Bravour seinen Knüppelstock<br />
schwingen. Der Schellenbaumträger, der alte Benjamin,<br />
hatte einen hinkenden Schritt und blieb so immer beim<br />
Marschieren im Tritt, und der Schellenbaum mit seinen<br />
vielen Glocken, gekrönt mit dem Halbmond, gab immer den<br />
richtigen Takt. Die damals gut eingeübte Dorfmusik, alle in<br />
türkischen Uniformen mit Turban, bliesen dazu so kräftig<br />
wie die Israeliten vor Jericho. Der einzige der Ueberlebenden<br />
der türkischen Musik, der Baßmichel, erzählt immer<br />
noch recht gern von dieser Musik.<br />
Ja, es waren noch Männer von altem Schrot und Korn,<br />
man hielt viel auf Manneswort, Feindschaften und Prozesse<br />
waren selten. Aber auch die Ortsvorsteher und Gemeinderäte<br />
wurden von den Männerlichtstuben auf den Thron gehoben.<br />
Aber auch die Frauen hatten ein Bedürfnis zur Aussprache.<br />
So oft es ihnen die Zeit erlaubte, und wenn es nur eine<br />
halbe Stunde war, gingen sie in die Lichtstuben. Da wollte<br />
das Erzählen oft kein Ende nehmen. Am liebsten hechelten<br />
die Frauen ihre bösen Ehemänner in schonungsloser, erbärmlicher<br />
Weise durch.<br />
Wie schön war es, nachdem abends die Schulaufgaben gemacht<br />
waren, man mit der Großmutter noch in die Lichtstube<br />
durfte. Da kamen alte Weiber zusammen und erzählten von<br />
alten Zeiten und Gebräuchen, von Hexen und Geistern, die<br />
umgingen und diesem oder jenem im Haus oder im Wald<br />
ihr Unwesen trieben. Namentlich der Schloßgeist der Schwel
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 37<br />
her oder der Kirchholzengeist, der in Gestalt eines schwarzen<br />
Ochsen sich sehen ließ, war den Alten ihr Steckenpferd,<br />
das sie dutzendmal zum besten gaben. Wenn die alte Maier-<br />
Margret die Geschichte vom Scharfrichter von Trochtelflngen<br />
erzählte, der nachts in einer verschlossenen Kutsche, nachdem<br />
ihm die Augen verbunden waren, an einen ihm unbekannten<br />
Ort geführt worden sei und als man ihm die Binde<br />
abnahm, er in einem Gewölbe zwölf alten ehrw. Herren das<br />
Haupt abschlagen mußte, da gruselte es mir doch ganz kalt<br />
über den Rücken. Am liebsten wäre ich jetzt im warmen<br />
Bett gelegen. So ging der Klatsch der Alten den ganzen Winter<br />
hindurch fort. Wie oft erzählten sie, Tränen in den<br />
Augen, von den Hunger jähren, wo man nichts zu essen<br />
hatte, wo man sich von Wurzeln und Kräutern ernähren<br />
mußte. Zum guten Glück war der Wildbestand noch reichlich.<br />
Die Männer gingen über die Grenzen ins württembergische<br />
Gebiet und holten sich dort ungehindert ihr Wildbret. Aber<br />
auch Hohenzoller-Hechinger Jagdgründe wurden von den<br />
Wildschützen heimgesucht. Die Sache kam zur Anzeige. Eines<br />
Tages, als sich die Wildschützen auf Schlattwasen über die<br />
Ausweidung eines Hirsches hermachten, kam der fürstliche<br />
Oberjägermeister mit Mannschaften angerückt und wollte<br />
sie nach Hechingen abführen. Die Wildschützen nahmen aber<br />
auch ihre Gewehre in Anschlag, und es hätte Menschenleben<br />
wegen eines Hirsches gekostet. Doch der Oberjäger wollte es<br />
nicht und zog Hechingen und die Wildschützen schwer beladen<br />
Ringingen zu. Mit vielen so alten Geschichten gingen<br />
die Abende sehr schnell ihrem Ende zu. Die Dichtfrau zündete<br />
jeder Lichtgängerin ihre Handlaterne an, und nun gings<br />
wieder der <strong>Heimat</strong> zu und schnell ins warme Bett.<br />
Wie die Alten singen, so die Jungen zwitschern. Auch sie,<br />
die Jungen, wollten und kamen zur Geltung. Schon als kleine<br />
Kinder wollte man Kameradschaft pflegen. Inzwischen<br />
kamen die Schuljahre, wo man sich erst so recht kennen<br />
lernte. Mit welchem Stolz gings da nicht •— die Buben mit<br />
dem Zwilchsack, die Mädchen mit der Strohtasche — der<br />
Schule zu. Man hatte schon das Gefühl, etwas zu sein. Aber<br />
den meisten war schon der Mut entfallen, als sie der Lehrer<br />
nach dem Namen fragte. Aber die acht Schuljahre gingen<br />
wie im Flug vorbei, und die Schulentlassung kam für die<br />
Faulen wie für die Fleißigen. Jetzt begann des Lebens Ernst,<br />
das werktätige Leben begann. Als aber nach sechs arbeits-<br />
Am 18. Januar 1514 gab der Visitator des Klosters der<br />
Zisterzienserinnen in Wald, Abt Jodokus Neckar von Salem,<br />
gebürtig von Ueberlingen, seinen unterstellten Schwestern<br />
eine neue Ordnung, die betr. bisheriger Mißbräuche sehr vielsagend<br />
ist:<br />
„Wir Bruder Jodokus, Abt des Klosters Salem, Zisterzer<br />
Ordens in der Diözese Konstanz, machen allen Gegenwärtigen,<br />
die dieses lesen oder hören kund, daß wir heute bestrebt<br />
waren, das Kloster in Wald zu visitieren, zu einer<br />
heilsamen Lebensregel zurückzuführen und zu reformieren,<br />
soweit es uns untersteht. Somit befehlen wir allen Ordens-<br />
Insassen des Klosters folgende Bestimmungen zu studieren<br />
und unverbrüchlich zu beobachten.<br />
1) Da dem Gottesdienst nach unserer Ordensregel nichts<br />
vorgezogen werden darf, ermahnen wir alle eindringlich in<br />
Christo, zum Tages- und Nachtoffizium sofort nach Glockenschlag<br />
sich in den Chor zu begeben und dort die Gebete<br />
langsam und mit entsprechenden Pausen zu Gottes Lob mit<br />
Andacht zu verrichten.<br />
2) Die Tagzeiten der allersel. Jungfrau Maria sind einmütig<br />
und exakt in rechter Andacht von allen ohne Ausrede<br />
zu halten, außer es hätte jemand einen Entschuldigungsgrund<br />
bzw. Erlaubnis.<br />
3) Mit Rücksicht auf die weiblichen Schwächen gestatten<br />
wir, die Vigilien der seligsten Jungfrau Maria vom Feste<br />
Kreuz-Erhöhung (14. Sept.) bis Ostern im Refektorium zu<br />
verrichten mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß alle auf<br />
den Glockenschlag aus Liebe zur Gottesmutter eiligst sich<br />
dorthin verfügen und abwechselnd wie im Chor psallieren.<br />
Die Nachlässigen und Trägen sind von der Aebtissin oder<br />
den Vorsteherinnen scharf zu bestrafen.<br />
4) Der Vers „Dulce nomen domini nostri Jesu Christi et<br />
nomen gloriosae virginis Mariae Sit benedictum in saeculum"<br />
am Schluß des Offiziums ist vollständig nach dem Brauch des<br />
Ordens von der Aebtissin, Priorin und den andern Vorsteherinnen<br />
zu sprechen<br />
5) Das Stillschweigen als Hüter der Religion, als<br />
Schlüssel der Tugend und Nährmittel für das ganze Ordensleben<br />
ist innerhalb des ordentlichen Stundengebets und an<br />
den vom Orden bestimmten Orten strikte zu beobachten. Die<br />
Reform im Kloster Wald 1514<br />
reichen Tagen der Sonntag kam, da war alle Müdigkeit verschwunden.<br />
Am Sonntagnachmittag nach der Vesper zogen<br />
die Mädchen, oft 6 bis 8 in einer Reihe, dem Nähberg zu,<br />
wo schon bereits einige junge Burschen auf ihrer Mundharmonika<br />
schmelzende, lustige und einladende Walzer und<br />
Polka spielten. Nicht lange und die Paare hatten sich zum<br />
Tanz gefunden, denn die Tänzer, soweit sie noch nicht da<br />
waren, kamen schnell herbei. Hei, wie war das für das junge<br />
Volk ein lustiges Treiben. Als aber die Zeit zum Viehfüttern<br />
kam, zogen jung und alt singend und frohgemut dem Dorfe<br />
zu. Wehe dem, das sich verspätet hatte; eine empfindliche<br />
Strafe von Seiten der Eltern wäre sicher gewesen. Und so<br />
trieb es das Jungvolk den Sommer über. Wenn aber der<br />
Winter kam, so mußten sich die einzelnen Gespielschaften<br />
um Lichtstuben umsehen. Wenn sie endlich eine solche gefunden<br />
hatten, dann kamen sie mit Spinnrad und Kunkel,<br />
sogar noch mit dem Stickstock, bis die Stube voll war. Nur<br />
kurze Zeit, wenn nicht sofort, so kamen die Heimführer.<br />
Bald war fröhliches Leben, denn jetzt wurde gesungen und<br />
musiziert bis 9 Uhr. Auch bei ihnen ging es jeden Abend<br />
so fort bis Weihnachten. Mehrere Tage vor Weihnachten<br />
trugen die Mädchen Mehl, Butter und Milch zusammen,<br />
damit man Weißbrot für den Schlaput backen lassen konnte.<br />
Die Burschen mußten ihrerseits zum Schlaput am Stefanstag<br />
Bier, Branntwein, Wurst und Käse stellen. So ehrbar und<br />
züchtig es sonst in den Lichtstuben zuging, an diesem Abend<br />
war oft ein wüstes Saufgelage, nicht sehr erbaulich für die<br />
Hausfrau. Am andern Abend wurde das übrig gebliebene<br />
Brot zu dem von den Mädchen gestifteten Kaffee gegessen.<br />
War da oder dort in den Lichtstuben etwas passiert,, so<br />
konnte man sicher sein, daß an der Fastnacht das Großmaul,<br />
der Hanswurst, die Sache in derben Versen zum Gaudium<br />
vor der ganzen Gemeinde zum besten gab. Als dann der<br />
Winter so allmählich dem Frühling das Feld räumen mußte<br />
und das Osterfest in Sicht kam, rüstete man sich nochmals<br />
zum Schlaput. Nun waren aber die Mädchen verpflichtet,<br />
der Hausfrau zu zünden, d. h. sia legten Geld zusammen,<br />
um der Hausfrau etwas Nützliches zu kaufen und bedankten<br />
sich für das Winterquartier. Beim ersten Frühlingstag ging es<br />
wieder frohgemut und heiter hinaus in Feld und Flur, um<br />
mit den anderen Hausgenossen die Aecker und Wiesen in<br />
stand zu setzen, K. Dietrich - Ringingen.<br />
Widerspenstigen aber und Brecher des Silentiums müssen<br />
jedesmal bei Wasser und Brot bestraft werden.<br />
6) Wir bestimmen daher: Jeden Tag ist Kapitelversammlung<br />
zu halten, bei der nach Verlesung und Erklärung<br />
eines Kapitels der Regel durch die Vorsitzende die<br />
Verkündigungen, Zurechtweisungen und Strafen gemäß der<br />
Uebertretungen vorgenommen werden. Wenn dabei jemand<br />
(was ferne sei) sich leichtfertig gibt oder frech der Aebtissin<br />
oder den andern das Maul anhängt oder unzufrieden murmelt,<br />
ist er noch strenger zu bestrafen, da wir nichr die Aebtissin<br />
oder anderen Vorsteherinnen bei ihren Beschwerden<br />
tauben Ohres übergehen wollen.<br />
7) Da die Töchter Sions sich nur in ihrem Bräutigam Christus<br />
rühmen sollen, setzen wir fest: An Kleidern und<br />
Gewändern sollen sich keine auffälligen Kuriositäten,<br />
keine weltliche Eitelkeit finden, die bei den Zuschauern anstoßen<br />
könnten, keine gestutzten weißen Schuhe nach Mode<br />
der Edelfrauen. Pflichtvergessenen sollen diese unschicklichen<br />
Dinge weggenommen und sie ordentlich bestraft werden.<br />
8) Da, wie die Erfahrung zeigt, durch das Betreten des<br />
Klosters seitens von Männern und durch das Hinauslaufen<br />
der Nonnen schwerste seelische Schäden entstehen, oft<br />
schmachvolle Skandale und andere Verstöße gegen die klösterliche<br />
Sittkamkeit täglich vorkommen, verbieten wir anmit<br />
für Männer jeden Zugang, gleichweichen Standes sie<br />
auch seien, in die Räume des Klosters, es handle sich denn<br />
vielleicht um eine ehrwürdige oder hochwürdige Person, der<br />
von der Aebtissin der Zutritt nicht gut verweigert werden<br />
kann.<br />
9) Die Dienerschaft und die Arbeiter können<br />
hineingelassen werden, dodi haben sie nach getaner Arbeit<br />
sofort wieder zu gehen.<br />
10) Das Hinauslaufen der Schwestern soll so eingeschränkt<br />
werden, daß niemand das erste Tor der Klausur ohne dringenden<br />
und vernünftigen Grund durchschreiten darf außer<br />
der Aebtissin mit den andern Vorsteherinnen zu wichtigen<br />
Geschäften.<br />
11) Um künftigen Gefabren zuvorzukommen und zur besseren<br />
Wahrung des guten Rufes des Hauses als bisher, verbieten<br />
wir der Frau Aebtissin unter der Strafe unseres
:(38 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
schwersten Tadels, künftig die Schwestern über Nacht<br />
ohne unsere spezielle Zustimmung ausbleiben zu lassen.<br />
12) Da eine Verminderung der Ueberzahl an Mägden<br />
zur Zeit nicht zu empfehlen ist, befehlen wir in Fürsorge<br />
für das Kloster, daß die, denen sie dienen, jährlich 6<br />
Schilling Heller für Salz und Gemüse der Säckelmeisterin zu<br />
zahlen haben.<br />
13) Da endlich ohne Eintracht und Frieden der<br />
Urheber des Friedens nicht verehrt werden kann, da sonst<br />
alle Verdienste und versprochenen Güter verloren gehen, befehlen<br />
wir hiermit allen Ordenspersonen dieses Hauses,<br />
Händel und Streit, Lärmen und Ausstreuen von Gerüchten<br />
gegeneinander energisch auszurotten, wodurch bisher<br />
in dieses Haus so viel Aergernisse und schwerste Verletzung<br />
der gegenseitigen Liebe entstanden. Alle sollen wie früher<br />
der Einheit, der Rücksichtnahme und dem Frieden dienen<br />
und das Gegenteil durch die entgegengesetzte Tugend ausmerzen.<br />
Euer Licht soll durch die Werke des Friedens und<br />
der Eintracht vor den Menschen leuchten, daß sie sich daran<br />
erbauen und den Herrn im Himmel lobpreisen.<br />
14) Wer jedoch Beschimpfungen, Streit oder Händel gegen<br />
andere anfängt oder fördert, besonders aber den von uns<br />
wiederhergestellten Frieden mit Worten, Zeichen oder Werken<br />
selber bricht oder auf irgend eine Weise gefährdet, soll<br />
mit seinen Mitschuldigen dem Kerker verfallen, oder es auf<br />
entsprechende Weise sühnen.<br />
15) Außerdem verbieten wir, daß irgend jemand etwas von<br />
den Kapitels- oder Ordenssachen nach außen trägt. Straffällige<br />
sind von der Aebtissin schwer zu bestrafen.<br />
16) Das gemeinsame Bad des Konvents hat sonst<br />
niemand zu betreten noch durch seine Inanspruchnahme den<br />
Konvent zu hindern.<br />
17) Die Priorin und Vorsängerin sollen das Regelbuch und<br />
Ordinarium öfter lesen und die Vorschriften bei Durchfüh-<br />
rung im Gottesdienst und bei anderen Zeremonien treu einhalten.<br />
18) Wir bestimmen: An dem festgesetzten Tage müssen<br />
alle Ordenspersonen nach der Gewissenserforschung: demütig<br />
und fromm ihre Sünden beichten und dann die allerheiligste<br />
Eucharistie unseres Herrn Jesus Christus<br />
empfangen. Wer zur Zeit der Kommunion außerhalb des<br />
Klosters weilt, wird dies nach der Rückkehr nachholen. Wer<br />
dagegen ohne vernünftigen Grund und ohne Erlaubnis der<br />
Aebtissin die hl. Kommunion unterläßt, wird jeden Freitag<br />
bei Wasser und Brot büßen, bis er seine Schuldigkeit nachnolte.<br />
19) Zu dieser hl. Kommunion darf keine Ordensfrau<br />
ohne das ordnungsgemäße (Buß-)Gewand hinzutreten. Uebertreterinnen<br />
werden aus dem Orden ausgestoßen und gehen<br />
ihres Erbteils verlustig.<br />
20) Endlich ermahnen wir alle Ordenspersonen dieses Hauses<br />
und beschwören die Aebtissin, ihren Mitschwestern wie<br />
eigenen Töchtern eine Mutter zu sein, besonders sich, der<br />
Kranken und Bedrückten mütterlich anzunehmen, sie in<br />
christlicher Zuneigung zu lieben. Alle Glieder des Konvente<br />
soll die Aebtissin in wahrer Liebe umhegen, sie sollen ihr<br />
in Demut gehorchen, alle gegenseitig müssen zusammenstehen,<br />
Frieden halten, und der Gott des Friedens und der<br />
Liebe wird immer mit Euch, sein!<br />
Diesen Visitations- und Reform-Bescheid befehlen wir<br />
treu zu halten und jeweils an den Quatembern öffentlich im<br />
Kapitel zu verlesen und zu erklären, damit sich keine Nachlässigkeit<br />
in diesen Dingen einschleiche.<br />
Gegeben unter Anhängung unseres Abtssiegels am Tag<br />
der hl. Jungfrau Priska im Jahre 1514."<br />
(Orig. im fürstl. hohz. Archiv Sigmaringen. Das Hängesiegel<br />
ist verloren. Kopie im Erzb. Archiv Freiburg unter<br />
Z 462.) Joh. Adam Kraud.<br />
Verschwundene Siedlungen bei Jungnau<br />
Die Gegend um Jungnau an der unteren Laudiert muß<br />
siedlungsgeschichtlich als „höchst interessant" genannt werden.<br />
Eine ganze Reihe ehemaliger Siedlungen, Höfe und<br />
Weiler, sind dort im Laufe der Jahrhunderte verschwunden.<br />
Man nennt solche Plätze „Wüstungen", wie man von einem<br />
unbebauten Acker zu sagen pflegt, „er liegt wüst". Die Siedlung<br />
Jungnau selbst hatte schon eine Vorgängerin in Burg<br />
und Weiler S c h i 11 a u. Als dann ums Jahr 1316 der Ritter<br />
Berthold von Schiltau seine Burg an den Ritter Burkart von<br />
Jungingen (aus dem Killertal) verkaufte, entstand nördlich<br />
der Burg Schiltau auf dem dortigen Felsen eine zweite<br />
Burg, deren mächtiger Turm noch heute als Wahrzeichen<br />
des Dorfes neben dem Kirchlein zu sehen ist. Die Burg<br />
Schiltau dagegen stand auf dem südlichen Felsen im Dorf,<br />
von der neuen Burg getrennt durch die heutige Bahnhofstraße,<br />
wo noch wenige Trümmer zu sehen sind. Die neue<br />
Burg wurde in der folgenden Zeit nach den Jungingern<br />
„Junginger Au" oder Jungnau benannt, während der<br />
Name Schiltau langsam verschwand. Michael Walter 1 ) nimmt<br />
mit gutem Grunde an, daß dieser Name Schiltau von der<br />
dreieckigen schildförmigen Gestalt des Geländes gekommen<br />
sei, während A u soviel bedeutet als „W iesengelände<br />
am W a s s e r". Durch einen künstlichen Arm der Laudiert<br />
waren die beiden Burgsiedlungen in alter Zeit' zusätzlich gesichert.<br />
Die Jungnauer Burg ist erst 1842 unverständlicherweise<br />
abgerissen worden, um dem neuen Schulhaus Platz zu<br />
machen, das nun im Schatten des Burgturms steht.<br />
Wegen der sicheren Lage in Fehdezeiten hat sich Jungnau<br />
durch die Jahrhunderte halten können, während z. B. das<br />
alte Dorf Empfingen in der Nähe des Bahnhofes und des<br />
Gottesackers völlig verschwunden ist. Auch die „Ajltie<br />
Burg" südlich von Veringendorf (östlich von Lauchert und<br />
Landesbahn) war schon ums Jahr 1300 so benannt, also nicht<br />
mehr in Gebrauch. Unweit dieses Platzes sieht man auf dem<br />
südlichen Ausläufer des „Kirchberges" (westlich von Lauchert<br />
und Biundesstraße an einem Trockentälchen) die spärlichen<br />
Ruinen der Burg Affelstetten, von deren Bewohnern<br />
nur noch wenige Urkunden zeugen. Ein Flurname<br />
Endelfingen ist der letzte Ueberrest des ehemaligen<br />
Indelfingen oder Sindelfingen, von dem Gust.<br />
Hebeisen 2 ) urkundliche Nachrichten gebracht hat, auch das<br />
Habsburger Urbar berichtet. Westlich der Stelle, an der sich<br />
unterhalb Jungnaus das Laucherttal verengt, sieht man einen<br />
steilen Felsen, der den Namen „Altes Schloß" trägt. Hier<br />
stand ernst die Burg der Herren v. Hertenstein, einer<br />
Linie der Herren von Hornstein seit dem 13. Jahrhundert.<br />
Außer einem Abschnittgraben ist jedoch die ganze Herrlichkeit<br />
des Hertensteins verschwunden. Wenige hundert Meter<br />
lauchertaufwärts finden wir die Flur Isikofen, daselbst<br />
östlich der Lauchert und der Bahn die schwachen Ruinen<br />
der Burg. Hier stand der alte Grenzort Isinghofen<br />
(nicht zu verwechseln mit dem Kloster Inzigkofen!) der Grafschaft<br />
Sigmaringen und des Forsts uf der Scheer. Den Platz<br />
zeichnete eine Lauchertfurt aus, die längst weggeräumt ist.<br />
Den Flurnamen Endlekofen erkannte schon M. Walter 1 )<br />
als Ueberbleibsel einer Siedlung. Sie hieß jedoch im 17. Jahrhundert<br />
als Flur „Enkelkhofen", und kommt schon 1138<br />
in der Zwiefalter Chronik des Mönches Berthold als A n -<br />
kilkofen neben dem schon erwähnten Isinkofen vor. 3 )<br />
Kurz vorher hatte nämlich der Graf Heinrich von Berg d. j.<br />
dem Kloster Zwiefalten sechs Mansen (Bauerngüter) in A n -<br />
kilkofen, sein Bruder Bapoto in Isingkofen eine Mühle<br />
geschenkt. An diese erinnert nur noch die lange Mühlhalde<br />
Östlich gegenüber vom Hertenstein. Nebenbei gesagt:<br />
Um 1300 gab es in Veringendorf nicht weniger als<br />
vier Mühlen!<br />
Endlich stellte auch der erst um 1920 verschwundene Hof<br />
Hoppental eine uralte Siedlung dar. Er lag in der Mitte<br />
zwischen Jungnau und Hornstein, etwa 900 m nordöstlich<br />
vom Hertenstein. Dort wurden aus einigen Grabhügeln ein<br />
menschlicnes Skelett, Schmuckgegenstände und eiserne Lanzen-<br />
bzw. Pfeilspitzen gehoben. 4 ) Schon die genannte Zwiefalter<br />
Chronik berichtet 1138 an der angegebenen Stelle mit<br />
Ankilkofen und Isinkofen: Der Graf Heinrich von Berg der<br />
ältere haben in O p p i n t a 1 sechs Mansus (Bauerngüter) dem<br />
Kloster Zwiefalten geschenkt. Merkwürdigerweise haben die<br />
württembergischen Forscher A. Sulger (1698), Chr. Fr. Stälin<br />
(1847), die Oberamtsbeschreibung Ehingen (1893) und neuestens<br />
E. König und K. O. Müller (1941) dieses Oppintal<br />
fälschlich mit Mochental (Gmd. Kirchen b, Ehingen)<br />
gleichgesetzt, was schon aus rein sprachlichen Gründen völlig<br />
unmöglich erscheinen will. Was hindert uns, die drei zusammen<br />
genannten Orte Ankilkofen, Isinkofen und Oppintal von<br />
1138 auch beisammen zu suchen, und zwar bei Jungnau? Und<br />
hier haben wir den Beweis: In der Beschreibung der Güter<br />
von Jungnau, die 1667 dem Kloster Zwiefalten gehörten bzw.<br />
zinsten, sind Grundstücke aufgezählt in Hoppental,<br />
Enkelkhofen und Isinkhofen, so wie auch ein Endelfinger<br />
(d. i. Indelfinger bzw. Sindelf inge r)<br />
T ä I e" genannt wird. 6 ) Man hätte also, in Stuttgart nur in<br />
'en Zwiefalter Grundbüchern nachzusehen brauchen, um<br />
Oppintal richtig zu lokalisieren!<br />
Schließlich wird in alten Urkunden 2 ) noch (ca. 3 km westlich<br />
von Jungnau) eine Siedlung F r o w e n s b e r g genannt.<br />
Unrichtig dagegen scheint mir die Angabe A. Sulgers zu sein,
Jahrgang 1965 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 39<br />
die vielmal schon nachgeschrieben wurde, daß nämlich zwischen<br />
Inneringen und Jungingen (d. h. richtig: Jungnau!) ein<br />
Ort Baldenstein abgegangen sei. In diesem Baldenstein<br />
hat Adelheid von Gammertingen, Tochter des Grafen Ulrich,<br />
dem Kloster Zwiefalten vier Mansus und eine Mühle<br />
geschenkt. 6 ) In der angegebenen Gegend ist jedoch eine<br />
Mühle ausgeschlossen! Vielmehr verdient die weitere Angabe<br />
Sulgers eher Glauben, bei Wimsen-Zwiefalten habe es einen<br />
Ort Baldenstein gegeben. 7 ) Joh. Adam Kraus.<br />
Anmerkungen: i) ,,S' Zollerländle" von Flad, Beilage zu „Der Zoller",<br />
Hechingen 21. 3, 1925, S. 1—3. 2) Gust. Hebeisen, Mitteilungen<br />
des Vereins f. G. in Hohz. 60, 1926, S. 56 ff. Habsburger Urbar I,<br />
402. 3) König-Müller, Die Zwiefalter Chroniken, 1941, S. 172. 4) wie<br />
Note 1. Seite 3. 5) Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 23G, Nr. 81. «) König-Müller<br />
a.a.O. S. 201. ?) Arsenius Sulger, Annales monast. Zwiefaltensis,<br />
1698, S. 276—277. — Der Hof Hoppental war nach 1930 auf<br />
den Karten in einer großen Waldlichtung eingetragen. Heute ist.<br />
alles Wald!<br />
Von Pfund und Mark in früherer Zeit<br />
Das Wort Pfund kommt vom lateinischen Worte pondo<br />
(pondus) — Gewicht. Abgekürzt wird es als lb, das oft aussieht<br />
wie ein lateinisches M mit Durchstrich, was wieder eine<br />
Abkürzung aus 1 i b r a = Pfund ist. Während man seit 1856<br />
auf 1 Zollpfund 500 g rechnet, das seit 1886 gesetzlich außer<br />
Kurs ist, aber privat noch viel verwendet wird, gab es in<br />
früherer Zeit keine einheitliche Größe dafür. Das römische<br />
Pfund z. B. hatte 327,45 g, das Wiener Pfund 280 g, im Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen waren 1811 vier verschiedene<br />
Pfund gebräuchlich: zu 467,7 g, 482,32 g, zu 496,9 g und<br />
zu 584,6 g (Hohenzoll. Jahreshefte 1936, S. 143). Im Gebiet der<br />
alten Grafschaft Hohenzollern-Hechingen rechnete man schon<br />
im 16. Jh. mit zweierlei Pfund, dem leichteren mit 32 kölnischen<br />
Lot oder 467,7 g, und dem schweren Pfund mit 36 kölnischen<br />
Lot (für Fleisch und Eisen) mit 526 g. In Freiburg<br />
i. Brsg. hatte 1 Pfund Trockengewicht 32 Lot mit 473,6 g,<br />
das Pfund Naßgewicht mit 502,3 g. Als württembergisches<br />
Pfund werden 486,4 g und als Nürnberger Apothekerpfund<br />
375,85 g angegeben. Die verwirrende Vielzahl der verschiedenen<br />
Gewichte im heutigen Hohenzollern früherer Zeit<br />
kann man im oben erwähnten Jahresheft nachlesen.<br />
Unter Karl dem Großen hatte das Pfund 367,2 g, geteilt<br />
in 15 Unzen. Man schlug aus dem karolingischen Pfund Silber<br />
240 Denare (d = Pfennige). Als man im Jahre 1208 in<br />
Schwäbisch Hall anfing „Häller Pfennige" aus Silber<br />
zu prägen („H eile r"), gingen ebenfalls 240 Stück<br />
auf ein dortiges Pfund. Das „Pfund Heller" blieb<br />
von da an bis ins 17 Jh. eine Rechnungseinheit für<br />
240 Stück Heller (die zuletzt in Kupfer geprägt wurden),<br />
ohne daß man eigentlich noch auf deren<br />
Gewicht schaute.
:(40 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Eine alte Bibliothek in Sigmaringen - von Kari wemer steim<br />
Hohenzollern ist reich an alten Bibliotheken, und ganz<br />
besonders Sigmaringen, Hier finden wir die Fürstl. Hohenz.<br />
Hofbibliothek, die Handbibliothek des Fürstl. Archivs, die<br />
Amtsbücherei des Staatsarchivs, die Landesbücherei, die<br />
Bibliothek des Klosters Gorheim usw.<br />
Nicht oder kaum genannt wurde bis vor kurzer Zeit die<br />
alte Kapitelsbibliothek des katholischen Dekanats<br />
Sigmaringen. Warum? Nun, sie war seit Jahrzehnten mehr<br />
oder weniger verschollen. Auch wußte niemand genau, was<br />
für Bücher sie enthielt. Dabei handelt es sich um eine Bibliothek<br />
von eineinhalbtausend Bänden. Seit über zehn Jahren<br />
befindet sie sich im Erzbischöflichen Studienheim St. Fidelis,<br />
wo sie ein unbeachtetes und fast gefährdetes Dasein führte.<br />
Hunderte von Büchern waren direkt unter dem Dach, untergebracht,<br />
wodurch sie zum Teil unter der Feuchtigkeit litten.<br />
Diese Bücher wurden in monatelanger Arbeit in der Freizeit<br />
vom Verfasser dieses Berichtes neu geordnet, katalogisiert und<br />
aufgestellt. Doch nachstehend zur Geschichte der Kapitelsbibliothek.<br />
Seit 1820 besteht diese Bücherei. Nach dem Beschluß des<br />
Kapitels (Kapitelsstatuten von 1825) sollten für die Kapitelsbibliothek<br />
und die Lesegesellschaften jährlich 20 bis 30 fl. aus<br />
der Kapitelskasse aufgewandt werden, während jeder Pfarrer<br />
1 fl. 30 kr. für denselben Zweck entrichten mußte. Damals<br />
wurde der Grundstock für diese heute so umfangreiche<br />
Bücherei gepflanzt.<br />
Nachdem die Bibliotheken der aufgehobenen Klöster Hedingen<br />
und Beuron jahrelang sehr schlecht und ungeschützt<br />
untergebracht waren, erbot sich das Kapitel Sigmaringen,<br />
für 50 fl. die Bibliotheken aufzukaufen. Die Regierung in<br />
Sigmaringen — Besitzer der Bibliotheken — stimmte dem<br />
Kauf bei, der dann 1825 erfolgte. Die aufgekauften Bücher<br />
— es waren nur bestimmte ausgewählt worden — wurden im<br />
Pfarrhaus in Krauchenwies aufgestellt, Im Jahre 1853 veröffentlichte<br />
Dekan Emele ein Verzeichnis dieser Bücher. Dessen<br />
Titel; „Verzeichnis der Bücher, welche aus den angekauften<br />
Bibliotheken der Klöster Beuron und Hedingen als<br />
der Aufbewahrung würdig ausgelesen und in fünf dazu bestimmten<br />
Schränken im Pfarrhause in Krauchenwies aufgestellt<br />
worden sind." Der Katalog wurde eingeteilt in:<br />
I. Bibeln, Neue Testamente oder einzelne Teile der heiligen<br />
Schrift A. T. und N. T. (ca. 20 Bd.)<br />
II. Concordanzen. (ca. 10 Bde)<br />
III Biblische Commentare, Paraphrasen etc. (ca. 100 Bde)<br />
IV. Kirchenväter und andere berühmte kirchliche oder<br />
geistliche Schriftsteller, (ca. 100 Bde.)<br />
V. Geschichte, Kirchengeschichte, Acta Sanctorum,<br />
Legende, Biographien, (ca. 70 Bde.)<br />
VI. Concilien, Verordnungen der Päpste, Zuammenstellungen<br />
derselben, Decretum, Decretales, Bullarien, Ius<br />
Canonicum, Abhandlungen über einzelne Materien<br />
desselben, (ca. 100 Bde.)<br />
VII. Dogmatik, Moral, Pastoral, Controversschriften.<br />
(ca. 40 Bde.)<br />
VIII. Katechetischer Religionsunterricht, Predigtsammlungen,<br />
Liturgische Werke, Varia, (ca. 60 Bde.)<br />
IX. Philosophie, Jurisprudenz, Medicin, Naturlehre,<br />
Geschichte, Sprache, Poesie etc. (ca. 80 Bde.)<br />
Wenn wir die Bestände dieses Kataloges mit den Büchern<br />
vergleichen, die heute noch davon im Besitze des Dekanates<br />
sind, müssen wir feststellen, daß über die Hälfte der im<br />
Katalog aufgeführten Druckwerke fehlt. Dies hat wohl seinen<br />
Hauptgrund darin, daß die Bibliothek oft verlagert<br />
wurde. Anscheinend blieben an fast jedem Lagerort einige<br />
Bücher „hängen"! So sind, um nur zwei kleine Beispiele zu<br />
nennen, über 10 Bibelausgaben und über 20 Bibelkommentare<br />
des 15. Jahrhunderts verschwunden.<br />
Die Bibliothek erhielt im letzten Jahrhundert aber auch<br />
großen Zuwachs, wie die vielen Besitzvermerke in den Büchern<br />
zeigen. Meist handelt es sich um Nachlässe verstorbener<br />
Pfarrer. So vermachte z. B. der damalige Stadtpfarrer<br />
von Sigmaringen, der selber einige Bücher geschrieben hat,<br />
Maximilian Joseph Herz, viele Bücher der Kapitelsbibliothek.<br />
Natürlich kaufte das Kapitel auch viele Bücher<br />
und Schriften.<br />
Um die letzte Jahrhundertwende war die Dekanatsbibliothek<br />
im Kloster Gorheim bei Sigmaringen zur Aufbewahrung.<br />
Dort wurde von einem Frater des Klosters ein<br />
Iwein-Fragment (Q) des Hartmann von Aue<br />
entdeckt, das einem Buch als Einband gedient hatte. Das<br />
Fragment wurde herausgelöst (das Buch ist noch vorhanden)<br />
und in der „Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche<br />
Literatur 47 (1904)" veröffentlicht. In der Kapitelsbibliothek<br />
befindet es sich sicher nicht mehr, vielleicht im Kapitelsarchiv,<br />
das aber nicht zugänglich ist. Es ist bedauerlich für<br />
so ein wertvolles Stück, zumal im Kapitel nicht einmal bekannt<br />
war, daß es diese Handschrift noch besitzen müsse!<br />
Im Jahre 1955 wurden die Druckwerke — rund 200 Bände<br />
— die zum- ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Beuron<br />
gehörten, an die heutige Benediktiner-Erzabtei Beuron zurückgegeben,<br />
wenn auch nur als Depositum, also mit dem<br />
Besitzrecht des Dekanates Sigmaringen. Die Erzabtei ist seit<br />
Jahren bemüht, die einst sehr umfangreiche Bibliothek des<br />
Augustiner-Chorherrenstifts, die nach der Säkularisation in<br />
alle Winde zerstreut worden war, wieder zurück nach Beuron<br />
zu bringen. Auch heute noch tauchen hier und dort Bücher<br />
dieser kostbaren Bibliothek auf.<br />
Was war der Zweck der Kapitelsbücherei? Der Name sagt<br />
schon, daß sie dem Kapitel gehört, also dem heutigen kath.<br />
Dekanat Sigmaringen. Diese Sammlung Bücher sollte — bis<br />
in unser Jahrhundert — den Pfarrern der Stadt u 9 Umgebung<br />
von Sigmaringen zur Information und Weiterbildung<br />
dienen. Eine solche Einrichtung war sehr sinnvoll, denn im<br />
vergangenen Jahrhundert konnte sich nicht jeder Dorfpfarrer<br />
die nötigen Bücher aus eigenen Mitteln kaufen. Wenn dagegen<br />
jeder Pfarrer eine bestimmte Summe beisteuert, können die<br />
Bücher gekauft werden. In der Kapitelsbibliothek fand der<br />
Pfarrer alle Bücher, die er für Kirche, Schule und dgl.<br />
brauchte. Heute besitzt natürlich jeder Pfarrer die Bücher,<br />
die er laufend braucht, selbst. So kommt es auch, daß diese<br />
Bibliothek, in der ohne Zweifel Tausende an Wert stecken,<br />
heute nicht mehr benutzt wird. Auch ist sie längst nicht<br />
mehr auf dem neuesten Stand; aber es gibt doch viele Bücher<br />
in ihr, die man ab und zu auch heute noch braucht. Diese<br />
werden dann nicht benutzt, weil nicht bekannt ist, bzw. war,<br />
welche Werke die Bibliothek besitzt.<br />
Was enthält die Kapitelsbibliothek heute? Von den einst<br />
relativ zahlreich vorhandenen Inkunabeln, Druckwerken also,<br />
die vor dem Jahr 1500 gedruckt worden sind, und von den<br />
Frühdrucken bis 1530, sind nur noch wenig über 20 vorhanden,<br />
darunter das älteste Buch aus dem Jahr 1470. Ferner<br />
finden wir aus dieser Zeit zwei Bibelausgaben des Erasmus<br />
von Rotterdam aus den Jahren um 1520. Mehrere<br />
Concordanzen des frühen 16. Jahrhunderts sind auch<br />
noch vorhanden. Meist finden sich theologische Werke, viele<br />
Predigtsammlungen, Apologien, Wegweiser zur Seelsorge,<br />
auch philosophische Arbeiten, Literaturgeschichten, Kirchengeschichten<br />
u. a. Besonders erwähnt seien auch die rel.<br />
zahlreichen frühen Bibelausgaben und Kommentare. Als Seltenheit<br />
fällt ein syrisches Neues Testament des 17. Jahrhunderts<br />
auf. Unter den Büchern, die an das Kloster Beuron<br />
abgegeben wurden, befindet sich auch das Buch von S e b.<br />
S a i 1 e r: Lehrend und Bittende Großmutter des Christenthums<br />
Heilige Anna v. 1757. Es enthält die Ansprache Seb.<br />
Sailers zur Einweihung der St. Anna-Kirche in Haiger<br />
1 o c h. Dieses Buch ist besonders selten und wertvoll.<br />
(Vergl. „Hohenz. <strong>Heimat</strong>" Jahrg. 1955 S. 22.) Ferner findet<br />
sich in der Kapitelsbibliothek in Sigmaringen viel Schrifttum<br />
von und über den damaligen Konstanzer Bistumsverweser<br />
Freiherrn von Wessenberg und die damalige Diözese<br />
Konstanz. Sogar lutherische Schriften, einige von Luthers<br />
Sendschreiben, fehlen nicht.<br />
Sehr bedeutend ist auch die Zeitschriftenabteilung<br />
der Bibliothek. Mehr als dreißig verschiedene Zeitschriften<br />
sind in einer oft beachtlichen Anzahl von Jahrgängen<br />
vorhanden: Zum Beispiel: Stimmen aus Maria Laach,<br />
Theolog.-prakt. Quartalschrift, Hist.-pol. Blätter fürs kath.<br />
Deutschland, Der Katholik, Archiv für die Pastoralkonferenzen<br />
des Bistums Konstanz, Freiburger Diözesanarchiv u. a.<br />
Die Zeitschriften, die zum Teil gebunden sind, ergeben eine<br />
Reihe von 25 lfd. Metern.<br />
Der Verfasser legte zwei Zettelkarteien der Bibliothek an<br />
und hektografierte den Alphabetskatalog, der zahlreichen<br />
Interessenten zugegangen ist. Auch die Oeffentlichkeit nahm<br />
großes Interesse an der Bibliothek. Berichte über die Neuordnung<br />
kamen in fünf Tageszeitungen und zwei Zeitschriften.<br />
Ferner brachte der Südwestfunk einen Bericht über die<br />
Bibliothek und der Süddeutsche Rundfunk ein Gespräch mit<br />
dem Verfasser über die Art und Ordnung der Bücherei.<br />
Wie alle Bibliotheken mit wissenschaftlichem Buchbestand,<br />
erhielt auch diese ein S i g e 1, und zwar von der Staatsbibliothek<br />
Marburg der Stiftung Preuß. Kulturbesitz, das S i g e 1<br />
S i g 2. Außerdem ist der wissenschaftliche Buchbestand der<br />
Kapitelsbibliothek im Zentralkatalog von Baden-Württemberg<br />
erfaßt.<br />
Nachdem die Bibliothek des Dekanates Sigmaringen, dio<br />
alte Kapitelsbibliothek, im großen Treppenhaus des Erzbischöflichen,<br />
Studienheims in Sigmaringen untergebracht ist<br />
(in eigens neu angeschafften Regalen), ist sie nicht nur die<br />
bedeutendste Kapitelsbibliothek Hohenzollerns, sondern kann<br />
sich auch mit anderen Bibliotheken ihrer Art über die<br />
Grenzen unseres Zollerländchens hinaus messen. Trotz der<br />
großen Verluste, die sie erlitten hat, hat sie immer noch<br />
alte und seltene Schätze aufzuweisen.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 41<br />
Das Benediktusleben, das Lenz komponiert hat, wirkt so<br />
überzeugend, daß man die weichlichen Barock- oder Rokokobilder<br />
von Benediktinerheiligen nicht mehr sehen kann. In<br />
Italien habe ich mich nach Benediktusbildern großer Künstler<br />
vergebens umgesehen. Es fällt auf, daß sich die darstellende<br />
Kunst für diesen großen Ordensvater erst im Barockzeitalter<br />
intensiver interessiert hat und daß sein Führergeist vierzehnhundert<br />
Jahre warten mußte, bis ein Künstler großen<br />
Formates ihn in monumentaler Auffassung bildlich verherrlichte.<br />
Es ist schon merkwürdig, wenn man an das Franziskusleben<br />
in der Oberkirche St. Francesco zu Assisi oder an<br />
die Dominikanerbilder im St. Marcokloster zu Florenz denkt.<br />
Diese Aufgabe blieb Pater Desiderius Lenz gestellt. Seine<br />
Erfüllung trug ihm Unsterblichkeit ein. Die Kunst, die Lenz<br />
uns schenkte, fußt im römischen Geiste St. Benedikts. Sie ist<br />
jeder Individualität bar und voll aristokratischer Ruhe. Aber<br />
sie konnte nur in der engeren Peripherie des Ordens gedeihen.<br />
Verheißungsvoll setzt sie mit der Gründung Beurons<br />
ein. Wenn auch mehr geduldet als absolut verstanden, erreicht<br />
sie aber dennoch ihren Höhepunkt in der Torretta und<br />
später in Soccorpo am Grabe St. Benedikts zu Monte Cassino.<br />
Kommt man aus der engeren <strong>Heimat</strong> des Künstlers auf<br />
den Berg St. Benedikts nach Monte Cassino, ist man hochinteressiert,<br />
die Beuroner Kunst in den alten historischen<br />
Räumen zu sehen und man versucht nachzufühlen, was aus<br />
der Verheißung im oberen Donautal weiterhin geworden und<br />
wie sie sich in die südliche Landschaft, Architektur und zu<br />
deren Menschen stellte.<br />
Das erkennt man sofort: zu Monte Cassino hat monumentale<br />
Kunst nicht nur eine symbolische Bedeutung und einen<br />
historischen Rahmen. Sie hat <strong>Heimat</strong>rechte innerlichster Art.<br />
Sie hat eine Mission an die ganze Welt.<br />
Die Malereien erinnern sofort an die Fresken der Mauruskapelle<br />
zu Beuron. Das ist der Primäreindruck. Pater Desiderius<br />
mußte sich in vorgefundene Raumverhältnisse einfühlen.<br />
Sein architektonischer Sinn dokumentiert sich stark.<br />
Das ist der zweite Eindruck. Doch ab und zu meint man, den<br />
Räumen sei etwas Gewalt angetan, und das lineare Auf- und<br />
Nebeneinander mutet nicht mehr so weich geschlossen an wie<br />
zu St. Maurus. Es kommt eine mehr strengere Note in der'<br />
Vortrag — etwas Bewußtes. Man spürt, die Künstler sind<br />
sich ihres Wollens klarer bewußt. Oder ist diese strengere<br />
Wirkung die Folge des von Pater Desiderius erst nach der<br />
Erstellung der Mauruskapelle gefundenen Kanons? Jedenfalls<br />
spürt man die Mollnote von Pater Gabriel Wüger, die<br />
an und in der Mauruskapelle so wohltuend in Ausführung<br />
gelangte, hier minder stark. Der eigenwillige Architekt<br />
kommt auffallend in der gesamten Raumdisposition zum<br />
Durchbruch, schaut aus Ornament und figuraler Komposition<br />
heraus. Es ist und bleibt bedauerlich und unbegreiflich, daß<br />
dieser übergewöhnlich mächtigen Urbegabung kein Mäzen<br />
erstand, der ihr Bauaufträge übermittelt hätte! Hier StHrie<br />
seine Veranlagung geradezu laut vernehmbar nach architektonischer<br />
Berufung.<br />
Die meist in Quadraten angelegten Zellen tragen in ihrer<br />
Anlage schon starken Durakkord. So ist wohlbegreiflich, daß<br />
von den Italienern diese Beuroner Kunst fast nie verstanden<br />
wurde. „Troppo duro" — viel zu hart — war das welsche<br />
Urteil.<br />
Auf der Reise nach Neapel und öfters von Rom aus war<br />
ich nach Monte Cassino gekommen. Aber jedesmal, da ich<br />
in die Torretta kam, war ich froh, daß die Torretta in Italien<br />
und die St. Mauruskapelle in Hohenzollern ist. Dort im Donautal<br />
ist die Urtümlichkeit rein, jungfräulich, unbewußt, es<br />
fließt noch ein besonderes Quantum Naivität mit. Hier aber<br />
kam es mir vor, als ob schon zu viel Wissen in das Schaffen<br />
mit eingeflossen sei, das das Primäre, Naive vom Donautal<br />
nicht mehr aufkommen lassen will.<br />
Die Zirkelspuren wohl abgemessener Teilungen möchte<br />
man weniger markant wünschen und malerisch gelockerter<br />
vorgetragen sehen. Eines erlebt hier eine beispiellose Höhe:<br />
die Reliefplastik. Ein fein fühlender und zart empfindender,<br />
aus dem Schreinerhandwerk hergekommener Joseph<br />
Leiburger aus Mühlheim bei Beuron, der die architektonisch-plastische<br />
Form von Lenz rein nacnzuschaffen vermochte,<br />
bildete Reliefe, die man um der Einheit ihrer Form,<br />
um die Wohlklänge ihres Rhythmus neben die beste antike<br />
Plastik stellen kann. In einer ähnlichen Zartheit hat nie<br />
mehr ein Plastiker den Meister nachzuempfinden vermocht.<br />
Schöpferisch unbegabt, aber als Nachschaffender eine vor-<br />
Der Malermönch<br />
von Kunstmaler Hermann Anton Bantle t<br />
(Fortsetzung)<br />
treffliche Hilfe. Nicht vorgebildet, folglich auch nicht verbildet.<br />
Er starb in Monte Cassino, zu früh.<br />
Joseph Leiburger, von dem kein Mensch spricht, war nicht<br />
Mönch. Er kam als Schreinergehilfe nach Beuron und unterstützte<br />
von seinem bescheidenen Verdienst seine alte Mutter.<br />
Man nannte ihn nur den Schreinerjosef. Lenz entdeckte sein<br />
künstlerisches Nachempfindungsvermögen. Als er dann in<br />
Monte Cassino seine manuellen Dienste benötigt, holte er<br />
ihn nach dort. Dieser Schüler, man denkt an die Meisterschüler<br />
früherer Zeiten,entwickelte sich zum treuen Nachempfinden<br />
und wurde des Meisters ausübende Hand, die uns<br />
Reliefplastiken von erstaunlicher Vollendung und Reife<br />
schenkte. Restlos sind seine Plastiken der Intension, der Inspiration<br />
von Lenz gefolgt. Seine Begabung kam unter des<br />
Meisters Leitung und unter Einwirkung einer befruchtenden<br />
Umgebung alter Kultur, wie der heilige Berg sie bietet, zu<br />
schöner Entfaltung. Vielleicht wäre sie auf einer obligaten<br />
Schule untergegangen. Tatsache bleibt, daß kein zweiter die<br />
Entwürfe von Lenz so vollendet und ungequält wiedergeben<br />
und vergrößern konnte. Von den Italienern, die der Lenzschen<br />
Kunst nicht allzuviele Sympathien entgegenbrachten,<br />
wurden diese streng linienbetonten Plastiken stets bewundert.<br />
Leiburger zeigt, wie in der bildenden Kunst vor allem<br />
das Erfinden, der eigentliche Schöpfungsakt ist.<br />
Das Ausführen aber, das die bildende Kunst benötigt,<br />
bleibt im wesentlichen handwerkliches Können. Je<br />
nach Gefühlszutat vermag es die Ursprungsidee festzuhalten,<br />
zu vertiefen oder zu verflachen. Leiburger war ein glücklichst<br />
veranlagter Handwerker von künstlerischer<br />
Qualität.<br />
1880 wurde die Torretta fertig. Die Künstler zogen nach<br />
dem Norden, um in der Abtei von Abt Benedikt Sauter in<br />
Emaus zu Prag Kirche und Kloster auszumalen. Dort waren<br />
wieder Einordnungen in schon gegebene Raumverhältnisse<br />
notwendig. Pater Gabriel Wüger kam, wohl unter persönlicher<br />
Einwirkung von Abt Sauter, in einem Marienzyklus zu<br />
besonderer Auswirkung.<br />
Abt Benedikt Sauter, der als Kantor eine erste Kraft war,<br />
dessen herrliche Stimme und reiner Vortrag hohe Bewunderung<br />
hervorrief, war eine gemütstiefe Künstlernatur. Er<br />
wußte aus Erfahrung, daß selbst die höchste Kunst bei korrektem<br />
technischen Vortrag ohne Beimischung von Gefühlsmomenten<br />
nicht in die Seele zu greifen vermag. Er gab seinem<br />
Vortrage innerliches Erleben mit. Er wollte die strengen<br />
Kompositionsgesetze, die Pater Lenz aufgestellt hatte, durch<br />
die persönliche Begabung Pater Wügers gemildert haben. Und<br />
so sehen wir in dem in der Emauser Klosterkirche gemalten<br />
Bilder-Zyklus die Gefühlswerte von Pater Gabriel bis an<br />
die Grenze des Nochmöglichen erschöpft und ausgebeutet.<br />
Die Muttcrgottes-Darstellung lag tief im Rahmen seiner<br />
Begabung, entsprach ganz und gar seiner Vollveranlagung.<br />
Das Werk trägt in vollster Weise seine persönliche Note.<br />
Zwei Kompositionen davon stammen von Pater Lukas Steiner.<br />
Der ganze Zyklus ist an eine große Seitenwand der gotischen<br />
Abteikirche in nassen Kalk gemalt.<br />
Es folgte der Auftrag, in die neugotische Marienkirche zu<br />
Stuttgart einen Kreuzwegfries zu malen. Die Ausführung<br />
erfolgte nicht in Fresko, sondern in Keimscher Mineralmalerei,<br />
die damals als Freskoersatz von Keim in<br />
München erfunden war.<br />
Diese Maltechnik, die auf eigens präpariertem Grund sowohl<br />
auf Leinwand als auch auf der Wand ausgeführt wer -<br />
den kann, sollte die Schwierigkeiten der Freskotechnik beheben<br />
und das Malen erleichtern. Beim Freskomalen muß<br />
der Künstler ein vom Maurer wohl präpariertes Mauerstück<br />
an dem Tage fertig malen, an welchem die Mauerfläche aufgetragen<br />
wird. Nur solange diese frischgemauerte Partie noch<br />
naß ist, kann man auf sie malen. Nur der Künstler, der<br />
rasch arbeitet und der keinen Fehlstrich macht,<br />
vermag in nassen Kalk, — ins Frische — al fresco — zu<br />
malen. Das ist eine nervenzehrende Sache. Wenigen Künstlern<br />
gereicht das Freskomalen zur Freude. Um die außergewöhnliche<br />
Schwierigkeit zu beheben, brachte Keim eine<br />
Ersatztechnik für das Fresko, die dieselbe Wirkung eines in<br />
nassen Kalk gemalten Wandbildes haben sollte. Bei dieser<br />
Keim'schen Mineralmalerei kann man zu jeder beliebigen<br />
Zeit anfangen oder aufhören. Man kann malen, wie man<br />
will.. Es hat aber diese Technik in den Künsterkreisen nicht<br />
die Aufnahme gefunden, die ihr Erfinder ihr zudachte. Alle<br />
Farben mußten mit Baryweiß gemischt sein. So bekamen<br />
durch diesen Zusatz von Schwerspat die Farben etwas Kai-
42 HOHSKZOLLERI9CHIS H U M A T Jahrgang 1965<br />
tes.. Jene warmen und tiefen Tinten, die das Fresko ermöglicht,<br />
sind hier nicht mehr erreichbar.<br />
Diesen Hangel trägt das Stuttgarter Werk der Beuroner<br />
Künstler in auffallender Weise an sich. Anklänge an die St.<br />
Mauruskapelle erkennt man nicht so leicht. Es kommt eine<br />
Farbnote in Auswirkung, die man vorher bei diesen Künstlern<br />
nicht kannte.<br />
Als Pater Gabriel und Pater Desiderius an den Kartons<br />
dieser Kreuzwegstationen arbeiteten, kam ich während eines<br />
Besuches in das Atelier zu Beuron. Damals befremdeten<br />
mich die überladenen Kompositionen. Das war gar nicht<br />
mehr die Einfachheit der St. Maurusmalerei! Gewiß, Einzelfiguren<br />
dieses Kreuzwegs sind unvergleichlich, in ihrer Empfindung<br />
aber zu einer dramatischen Darstellung, wie wir sie<br />
heute von einer Passionskomposition fordern, konnte die monumentale<br />
Kunstsprache von Lenz nichts absolut Befriedigendes<br />
geben. Dafür war auch die Veranlagung von Pater<br />
Wüger wiederum zu rein lyrisch.<br />
Schon an der Hauptfigur, der Christusdarstellung, versagte<br />
eine Kunst, die alle Gefühlswerte auf das Mindestmaß<br />
reduziert und um ihrer Prinzipien wegen einschränken muß.<br />
Sie ging über die Grenze des Monumentalen. Sie gab eine<br />
Konzession an das Tafelbild, an das Erzählenwollen oder an<br />
das Literarische in der Kunst, dem Lenz in seiner Kapelle<br />
bei Beuron bewußt ausgewichen war.<br />
Ob die Stuttgarter Auftraggeber, als sie dem Abte zu Beuron<br />
ihren Wunsch mitteilten, von seinen Künstlern einen<br />
gemalten Kreuzweg für ihre Marienkirche zu erhalten, die<br />
Bedingung gestellt, daß die Figuren nicht so „steif" sein<br />
dürfen wie die St. Maurusbilder?<br />
Das schwäbische Volk, dem die Mauruskapelle sehr wohl<br />
gefiel, meinte oft: „Die Bilder sind schön, wenn sie nur nicht<br />
so steif wären!" (Steif wäre hier gleichbedeutend mit gefühlsarm,<br />
gestenlos, unerregt.)<br />
Und so wird wohl der Abt seine Künstler verpflichtet<br />
haben, ihren Stil bei diesen Passionsbildern zu mildern.<br />
Der bodenständige Süddeutsche ist Barockmensich. So sieht<br />
er alle Kunst durch das Barock hindurch. Während hervorragende<br />
Malereien vom 9. bis 11. Jahrhundert der Oberzellkirche<br />
auf der Insel Reichenau, Goldbach bei Ueberlingen,<br />
der Michaelskirche zui Burgfelden und andere hochwertige<br />
gotische Kunstdenkmäler in Architektur, Plastik und Malerei<br />
den meisten Süddeutschen bekannt sind, steht der Alemanne<br />
und Schwabe in keiner Beziehung zum Mittelalter. Ihn hat<br />
die Reformation so erschüttert, daß er ihrer vorausgehenden<br />
Kultur mit dem Verstände, aber nicht mehr mit dem Gefühl<br />
nahezukommen vermag.<br />
Deshab sollte der Stuttgarter Kreuzweg als Volksandachtskunst<br />
Gefühlsmomente bringen. Die Prinzipien von Pater<br />
Desiderius mußten so hier versagen.<br />
Das Resultat wurde — wie es immer ward und wird —<br />
wenn man den schöpferischen Genius bevormundet.<br />
Nur der Künstler selbst kann für den Schöpfungsakt maßgebend<br />
sein und sich dafür verantworten.<br />
Dieser Kreuzweg ist Beispiel eindringlichster Wirkung, wo<br />
die Grenze des Nurmonumentalen und die Möglichkeit des<br />
tragischen Vortrages sich trennen müssen.<br />
Die Beuroner Künstler zogen ihre Lehren: Sie haben nie<br />
mehr Aehnliches versucht.<br />
Vielleicht wäre der Kreuzweg erträglicher, wenn nur in<br />
einem Farbton gemalt worden wäre, wie das Benediktusleben<br />
in Monte Cassino. Seine in Linie und Farbe überladenen<br />
Kompositionen bringen auch im Kolorit keine Passionseindrücke<br />
auf. Man bleibt unbefriedigt.<br />
Die Beuroner Kunst ist Freskalkunst, auch als Mosaikausführung<br />
berechtigt. Beim Täfelbild, das in sich selbst ruhend<br />
eine eigene Welt darstellt, nicht an Architektur gebunden<br />
ist, wirkt die Flächenhafte Freskostil-Behandlung der Beuroner<br />
Art nicht...<br />
Die Benediktinerinnen, die in einer Vorstadt von Prag ein<br />
Kloster gebaut hatten, das dem Abt Benedikt Sauter unterstellt<br />
war, baten ihn, Kirche und Chor auszumalen. Sie lassen<br />
Lenz seinen Genius frei entfalten. Noch einmal setzt er seine<br />
Prinzipien rein durch. Doch der Freund, Pater Gabriel Wüger,<br />
der 63jährig zu Monte Cassino das Zeitliche gesegnet hatte,<br />
ist ihm nicht mehr Helfer.<br />
Mit einem Stabe von Schülern wirkte der Meister jetzt<br />
jahrelang an der Ausschmückung der Frauenabteikirche und<br />
dem Frauenchor zu St. Gabriel in Prag. Da die mitschaffenden<br />
und ausführenden Kräfte aus jüngeren Künstlern bestanden,<br />
konnte die Freskotechnik, die Kunst gewandter<br />
Männer, wie Michelangelo sagte, nicht angewendet<br />
werden. Die Malereien wurden in Temperatechnik ausgeführt.<br />
Diese Technik, bei der die Farben durch Ei-Emulsion gebunden<br />
werden, hat die Leuchtkraft nicht, die das Fresko in sich<br />
trägt. Wir können somit in St. Gabriel jene unvergleichliche<br />
Transparenz der Farben, wie wir sie an der St. Mauruskapelle<br />
erkennen, nicht erwarten.<br />
Besitz des Kl. Güterstein um Steinhilben<br />
Am Tag des hl. Märtyrers Valentin, 14. Februar des Jahres<br />
1475, verkaufte das Karthäuserkloster Güterstein bei Urach<br />
allen seinen Besitz um Trochtelfingen, nämlich Steinhilben,<br />
Haid, Stetten u. Holst, und Feldhausen, an den Allerseelenaltar<br />
zu Trochtelfingen um 1008 Pfund und 14 Schilling Heller<br />
wirtembergischer Münze.<br />
Ich Bruder Konrad, der Prior 1 ) und wir, der Konvent des<br />
Gotteshauses zu dem Güterstein, Cartuser Ordens in dem<br />
Konstanzer Bistums, bekennen, daß wir mit wohlbedachtem<br />
Sinn zum besseren Nutzen unseres Gotteshauses hiermit an<br />
den Schultheiß, Burgermeister und das Gericht zu Trochtelfingen<br />
als Pfleger, und an Herrn Hans Wieland von<br />
Trochtelfingen, Kirchherrn zu Ellwangen als einen Stifter<br />
der neuen Pfründe des Altars der armen elenden<br />
Seelen 2 ) und aller gläubigen Seelen, die der genannte<br />
Herr Hans Wieland an die Pfarrkirche zu Trochtelfingen gestiftet<br />
hat, alle unsere Hofe und Güter samt deren Zubehör<br />
zu Steinhilben, Wettishausen 7 ) Meidelstetten,<br />
in der Haid, Stetten unter Holnstein und Feldhausen<br />
verkauft haben.<br />
Nämlich das Gut Ludwig Heinzelmanns 2 a) zu<br />
Steinhilben, samt dem Steinhaus, der Scheuer, dem<br />
Garten und den Wiesen, die dazu gehören und was er derzeit<br />
innehat, wovon er und seine Erben jährlich geben 4<br />
Pfund und 5 Schilling (ß) Heller. Das Haus mit Zubehör ist<br />
ihm vererbt worden als Erblehen, und der Inhaber gibt davon<br />
10 ß Handion und 10 ß Weglösin, wann oder wie er<br />
oder seine Erben davon fahren, lebend oder tot. Item derselbig<br />
Lud. Heinzelmann hat des Haupts Hof 3 ) zu Steinhilben,<br />
wovon er und seine Erben jährlich 6 Scheffel Vesen<br />
und ebensoviel Haber liefert Er soll neun Trochtelfinger<br />
Viertel geben für einen Reutlinger Scheffel. Er gibt ferner<br />
davon 1 Pfd. 9 ß hlr jährlichen Zins. Der Handion dieses<br />
Erblehens beträgt 15 ß hlr und die Weglösin ebensoviel.<br />
Item Konrad Heinzelmann daselbst hat ein Gut<br />
und Hof mit Zubehör gegen jährlich 4 schf 4 vtl beiderlei<br />
Korns, halb Vesen, halb Haber, auch 9 vtl für einen Reutlinger<br />
Scheffel gerechnet. Er gibt auch 1 ß hlr jährlich Zins<br />
aus der Egerd an dem Crützberg zu Steinhilben. Der Hof<br />
ist Erblehen und gibt als Handion und Weglösin bei Veränderung<br />
des Besitzers je 15 ß hlr.<br />
Item Aberlin Höniß zu Steinhilben gibt aus des Maisers<br />
Hof 4 ), den er als Erblehen besitzt, jährlich 5 schf und<br />
drei vtl. beiderlei Korns, je zur Hälfte Korn und Haber,<br />
ebenfalls Reutlinger Meß. Gibt auch 2 ß hlr Zins aus dem<br />
Gut und der Hofstatt und Hofraite, darin ein „Ker" 5 ) ist,<br />
gelegen bei der Hül b, stoßt an sein Haus und Scheuer.<br />
Er gibt als Handion und Weglösin 15 ß hlr, wenn er oder<br />
seine Erben davon fahren, lebend oder tot.<br />
Item Heinz Schaidlin hat ein Erblehen, das Blankensteins<br />
gewesen ist. Er gibt daraus jährlich 10 vtl Vesen<br />
und 10 vtl Haber, Trochtelfinger Meß, wovon neun Viertel<br />
einen Reutlinger Scheffel machen. Ferner gibt er daraus 10<br />
ß hlr Zins und 60 Eier „uf Ostran", auch 1 Herbsthuhn und<br />
1 Schulter (Schinken, Schäufele), dazu Handion und Weglösin<br />
je 10 ß hlr.<br />
Item Heinz Beck, Benzen Becken ehelicher Sohn, und<br />
seine Erben geben jährlich 8 ß hlr Zins und 1 Herbsthuhn<br />
aus seiner Hofstatt, darauf Haus und Scheuer stehen, auch<br />
dem Garten dahinter, ist gelegen an der Schrayen 6 ) bei<br />
Klausen Rümlis Haus zu Steinhilben.<br />
Ferner Klaus R ü m 1 i n (Külmin?) gibt jährlich 3 ß hlr<br />
Zins und 1 Herbsthuhn aus Hofraite, Haus, Hofraite, gelegen<br />
bei Heinz Becken Hofstatt an der Schrayen zu Steinhilben.<br />
Dabei ist zu wissen, daß Herr Diem von Steinhülben<br />
3 ) alle seine Güter und Leute und Rechte zu Steinhilben<br />
Unsrer lb. Frau zu dem Güterstein frei ergeben hat<br />
mit allem Zubehör, wie er es als väterliches Erbe innehatte.<br />
Dieselben Rechte übergeben wir anmit den Pflegern zu Trochtelfingen,<br />
nämlich:<br />
Das Gut W e t i s h u s e n "'), ein Drittel an dem oberen<br />
Holz und Feld, Zwing und Bann, Gewaltsamy und Rechten,<br />
Gewohnheiten und Zugehörden. Auch das Drittel der Landgarbe<br />
aus Wetishusen, wenn der Hof in Bau ist. Ferner 1<br />
Pfund Heller jänrlichen Zins aus dem unteren Teil Wettishausen<br />
und aus dem Brühl. Im Fall der Verleihung auch
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 43<br />
einen Teil des Zinses, nämlich gewöhnlich 15 ß hlr im Jahr.<br />
Diesen Zins allen gibt der Schultheiß von Trochtelfingen im<br />
Namen des gnäd. Herrn, Grafen Jörgen von Werde<br />
n b e r g.<br />
Item Cunz Gysnay 8 ) zu Trochtelfingen und seine<br />
Söhne Heinz und Konzlin Güsnay, die zwei Wiesen zu<br />
Wettishausen um jährlich 10 ß hlr und 4 Heller innehaben,<br />
geben uns davon ein Drittel, nämlich 3 ß und 4 hlr. Es<br />
stoßen die Auhwies und die Schürwies daran. Dieses Drittel<br />
soll fürohin der Seelenpfründe zukommen. Ferner haben die<br />
genannten beiden Brüder Gysnay eine Wiese zu Wettishausen<br />
hinter der genannten Auhwies, die dem Jakob Murer<br />
von Trochtelfingen gehörte. Davon geben sie und ihre<br />
Erben jährlich 16 hlr Zins als Drittel.<br />
Item Konrad Sailer, genannt K n e c h 11 i n, der<br />
Schultheiß zu M e i d e 1 s t e 11 e n, des Nitharts Tochtermann,<br />
hat ein Gut und Lehen mit Zubehör. Er gibt daraus<br />
2 Pfd hlr. Zins den Seelen.<br />
Item Heinz Stahlecker und Henslin Gerung zu<br />
Engstingen haben zusammen eine Wiese, gegen 10 Mansmad<br />
groß, die in der Haid liegt neben Konrad Bosch-<br />
1 i s Wies, darauf Unser Frowen Cappel jetzo steht. 10 )<br />
Davon geben sie beide den Seelen 1 Pfd. 1 ß hlr.<br />
Item Peter Hoch und Heinz Tötte von Engstingen<br />
haben 1 Wiese in der Haid bei 20 Mansmad<br />
groß, auch an obigem Konrad Böschlin bzw. der Frauenkapelle<br />
gelegen, geben daraus llß hlr. Wenn die Wiese<br />
ledig wird, mag man den Zins erhöhen.<br />
Item Hans Dietrich u ), genannt Hanselmann zu<br />
Stetten unter Holnstein, hat ein Hofgut, woraus er 5 Pfd<br />
hlr und W i ß pf e n n i g zinst, dazu 5 schf Vesen und 5 schf<br />
Haber (Reutlinger Meß), 1 Vtl Eier, zwo Schultern oder dafür<br />
3 ß hlr, 2 Herbsthühner und 1 Fastnachtshenne. Er gibt<br />
von diesem Erblehen je 12 ß hlr Handion und Weglösin.<br />
Item Eberlin Dietrich zu Stetten gibt aus seinem<br />
Gut 8 schf Vesen und ebensoviel Haber Reutl. Meß,<br />
dazu 1 Fastnachtshenne und 6 ß hlr aus einer Wiese in<br />
M ö r t i n g e n. 12 )<br />
Item Hans Flamer 13 ) zu Stetten gibt aus seinem<br />
Lehengut 3 schf beiderlei Korn, halb Vesen, halb Haber<br />
(Reutl. Meß), dazu 7 ß hlr Zins, 2 Schultern, 60 Eier, 2<br />
Herbsthühner, 1 Fastnachtshenne.<br />
Hans Pfueger d. ält. 13 ) gibt aus «einem Lehen jährlich<br />
1 schf Vesen und 3 ß hlr. Diese beiden Zinse sind rechte<br />
Vorzinse, während dasselbig Gut danach zinst an Sant Micheln<br />
M ) gen Trochtelfingen.<br />
Item zu Stetten aus den Wiesen zu Mörtingen 12 )<br />
gehen jährlich für Heuzehnten 18 ß hlr, die jetzo der jung<br />
Diepolt zu Salm endin gen und Auberlin Rangending<br />
zu Meldungen geben.<br />
Item Peter Brendlin zu Feldhusen, genannt<br />
Schodel, hat einen Acker von 3 Jauchert, gibt daraus 6 Vtl,<br />
was darauf wächst, oder vier Viertel alle Jahre.<br />
Diese Stücke und Güter samt Registern und Rodeln, also<br />
Häusern, Scheuern, Hofstätten, Hofraiten, Wiesen, Gärten,<br />
Aecker und Wiesen, Egerten, Wasen, Weide, Wasser und<br />
Wasserleiten, Wälder, Holz und Feld, Zwing und Bann, was<br />
alles dazugehört, ober oder unter der Erde, mit Zinsen und<br />
Gilten, usw. gehen hiermit an die Seelenpfründe über.<br />
Ausgenommen sind lediglich die Dienste, die der gnäd.<br />
Herrschaft von Werdenberg gehören, und die Maier 15 )<br />
zu Steinhilben zu leisten vertädingt 16 ) sind, nach laut des<br />
Tädingbriefs. Der Verkauf geschah um 1008 Pfund und 14<br />
Schilling Heller wirtembergischer Münze, die gänzlich bezahlt<br />
sind, worauf wir auf obige Güter endgiltig verzichten und<br />
47. S a 1 z w i e s e. Diese ehemalige Wiese liegt nördlich an<br />
der Gabelung von Hechinger Weg und Friedhofweg. Heute<br />
sind dort Krautgärten; aber eine große Zahl von Pflanzen<br />
zeigen den Sumpfcharakter des Geländes. 1730 und 1760 befand<br />
sich dort die „H a f n e r h ü 11 e" der Familie Walter.<br />
Wie der Name Walter sagt, waren die ersten Walter herrschaftliche<br />
Verwaltungsbeamte, die wohl durch die Herren<br />
auf der Haimburg nach Grosselfingen kamen. Um 1800 stand<br />
das Hafnergewerbe der Walter in hoher Blüte; sie formten<br />
nicht nur Häfen, Schüsseln und dergl., sondern bauten auch<br />
hochwertige Kachelöfen, z. B. jene auf dem Lindich. Der<br />
Senio" der Hafner-Walter war der „Häfnermichele",<br />
der Großvater des auch unserer Zeitschrift bekannten verst.<br />
Regierungsdirektors Michael Walter.<br />
Grosselfinger Flurnamen<br />
von Josef S t r o b e 1<br />
diesen Verkaufsbrief ausstellen. Die Verkäufer siegeln mit<br />
ihrem Konventsiegel am Valentinstag des Märtyrers im<br />
Jahre 1475.<br />
(Nach einer Kopie des Pfr. Friedrich Eisele. Zur Kartause<br />
Güterstein siehe Freibg. Diöz,-Archiv Band 26, 1898, S. 127<br />
bis 192. Der Prior Albrecht Krus 1511—1515 scheint aus<br />
Stetten u. Holst gestammt zu haben, somit aus meiner<br />
Verwandtschaft.) Joh. A. Kraus.<br />
Anmerkungen.<br />
i) Es war Konrad Münchinger, vorher Propst zu Freiburg i. B.<br />
(FDA 26, 155). 2) Schon 1390 erscheint zu Trochtelfingen „der eilenden<br />
(Seelen) Kerze", die dann vermutlich durch diese Altarstiftung erweitert<br />
wurde. In Ringingen und Salmendingen ist eine „Elenden<br />
Kerze" 1525, in Gauselfingen 1485 erwähnt. 2a) Die Familie Heinzelmann,<br />
abzuleiten von Heinz-Heinrich, wie Konzelmann von Konz,<br />
kommt in Steinhiben schon 1422 vor und zog im 16. Jh. nach Stetten<br />
u. Holnstein. 3) Am 14. Febr. 1386 schenkte Diemo von Steinh<br />
ü 1 w dem Kloster Güterstein als Seelgerät (Jahrtagsstiftung) sein<br />
eigenes Gut samt dem leibeigenen Heinz Houpt, sowie 43 ß<br />
hlr und 5 Hühner jährlicher Gilt aus anderen Gütern, sein Haus,<br />
sowie das Viehhaus, Gärten, 9 Mannsmahdt Wiesen im Brühl und<br />
im Harpfental zu Steinhilben (Freib. Diöz.-Arch. 26, 141; Fürstenbg.<br />
UB 6 S 151). Drei Tage darauf gab Graf Eberhard der Greiner<br />
von Wirtemberg dazu seine Einwilligung als Lehnsherr und verzichtete<br />
auf das Obereigentum (FUB 6 S. 151 Nr. 4). Am 23. Dezember<br />
1393 gab Ritter Schwänger von Liechtenstein als Seelgerät<br />
die Hälfte der Burg und des Steinhauses zu Steinhilben<br />
dem Gotteshaus Güterstein, wobei auch sein Bruder Ulrich siegelte<br />
(ebenda 6, 151). Am gleichen Tage versetzte derselbe Schwänger dem<br />
Kloster für eine Schuld von 50 Pfd hlr seine zwei Höfe zu Steinhilben,<br />
die 22 Scheffel, halb Vesen, halb Haber, sowie 2 Pfund weniger<br />
4 ß hlr giltete. Am 15. Dezember 1394 verkaufte Edelknecht<br />
Hans von Steinhilben 3i/2 Malter Roggengilt aus Haus und<br />
Hof zu Steinhilben ans genannte Kloster. Sie waren ihm (von seinem<br />
verstorbenen Vetter Diemo selig von Steinhilben herrührend)<br />
durch Urteil des Landgerichts Rottenburg zugesprochen worden<br />
(ebenda 6, S. 152). Ein weiteres halbes Gut daselbst ging 1467 von<br />
Hans Späth von Schülzburg an die Martinskirche in Trochtelfingen<br />
über. 4) Die M a i s e r von Steinhilben erscheinen in Stettener und<br />
Mariaberger Urkunden öfter, so Hohz. JHeft 1955, 80 ff und 1962).<br />
Fälschlich redet das Festbuch 1962 des Männergesangvereins Steinhilben<br />
von einem Meisterhof, statt Maiserhof! 5) Ker, wohl unser<br />
schwäb. Käar = Keller. Ein Kairnhaus = Speicher nennt allerdings<br />
das Fürstenbg. UB 6, 158. 6) Die Schraye, Schraige (= Schrägzaun<br />
aus langen Stangen) kommt auch in Weilheim bei Hechg. vor. Davon<br />
stammt der Name „Maria Schray = Maria zu der Schraige" bei<br />
Pfullendorf. ') Wettishausen, abgegangener Ort auf Gemarkung<br />
Steinhilben gegen Meidelstetten. 8) Die Mutter des Weihbischofs<br />
Melchior Fattlin von Trochtelfingen war eine geborene Gießnay.<br />
Auch in Ringingen gab es den Namen. 9) Wohl Großengstingen<br />
nördlich von Trochtelfingen. 10) Diese Haidkapelle wurde um 1470<br />
erbaut. Ein Wappenstein an der Außenseite zeigt die Jahrzahl 1476.<br />
ii) Am 3. Mai 1454 verkaufte der alte Dietrich zu Stetten u. Holnstein<br />
eine Hofstatt in seinem Garten um 3 Pfund Hlr. an Güterstein<br />
(FDA 26, 160). Schon am 23. Juni 1402 hatte das Kloster die<br />
Kastenvogtei, den Kirchensatz (Patronatsrecht) und das Widdum zu<br />
Stetten u. Holnstein von Märklin von Melchingen, Adelheid, der<br />
Tochter Reinhards von Melchingen und deren Bruder Hans um 230<br />
Pfd hlr erworben. Den Kaufpreis bezahlte jedoch der Edelknecht<br />
Gerloch von Steinhilben (FDA 26, 143). 12) Mertingen, eine Flur in<br />
Nähe der Melchinger Mühle, aber zu Stetten gehörig, hieß im 8.<br />
Jahrhundert M e r i o 1 d i n g e n. 13) Zu diesen Familien vgl. Hohz.<br />
JHeft 1938, 138—142 nach Württ. Reg.-Nr. 203. Zum Kirchenpatronat:<br />
Hohz. JHeft 1955, 86 f. 14) Ehemalige Kapelle bei der Pfarrkirche<br />
Trochtelfingen 15) Maier = Lehenbauern. 16) vertädingt = gerichtlich<br />
angehalten, entschieden.<br />
48. S a 1 z g ä r 11 e, offenbar eine Kompostanlage am<br />
Schriethang dort, wo das Transformatorenhäuschen steht. In<br />
diesen Salzgärten wurde Salpeter gewonnen. Der Inhaber<br />
dieser Salpeterplantage war ein Johannes Ruff. Die einzelnen<br />
Gartenstücke waren aus Schutt, Erde, Haaren, Knochen aufgeschüttete<br />
Haufen, die man mit Jauche übergoß und öfters<br />
umschaufelte. Innerhalb von drei Jahren verwandelte sich<br />
der in diesen Stoffen enthaltene Stickstoff in Salpeter und<br />
wurde ausgelaugt.<br />
49. S a n d g r u b. Die Grosselfinger kennen eigentlich nur<br />
die „Sandgrub" im Tal, wo der weiße Stubensandstein<br />
gebrochen wird. Er gibt dauerhafte Bausteine, Treppen und<br />
dergl. Früher wurde er zerklopft, und mit dem Sand bestreute<br />
man Treppen, Fluren und Zimmerböden. Neben die-
:(44 HOHENZOLLEB S C H E HEIMAT Jahrgang 1965<br />
ser Sandgrub gibt es auch die Sandgrub und den<br />
Sandacker beim unteren Homburger Hof. So heißt das<br />
südliche Feld vor Eintritt des Sträßle in den Wald.<br />
50. Schalksgrund. So wird in alten Urkunden das<br />
romantische Tälchen genannt, das man heute „Pfaffengarten"<br />
nennt. Dieses Tälchen gehörte früher unzweifelhaft<br />
zu der in Urkunden oft genannten Klause bei<br />
W e i 1 h e i m und kam später zum Pfarrgut von Grosselfingen.<br />
Kopfzerbrechen macht nur das Bestimmungswort<br />
„Schalk ". Zwar kennen wir den Schalk als Schelm, Spitzbuben,<br />
Betrüger, Possenreißer. Der mittelalterliche Schalk<br />
hieß Knecht oder Diener, noch erhalten in dem Wort Seneschall<br />
= Oberhofmeister. Da dieser Schalksgrund zur Klause<br />
von Weilheim gehörte, liegt m. E. die Möglichkeit vor, daß<br />
die Beginen oder grauen Schwestern ihre Toten in dem romantischen<br />
Tälchen begraben haben; sie wollten auch noch<br />
im Tode Knechte bzw. Mägde des Herrn sein.<br />
51. Der Schaubacke r. Dies ist nach der Ausdrucksweise<br />
ein Einzelgrundstück zwischen Haupt und dem Teil<br />
von Hinterrieten, der an den Harrenbach grenzt. Mit<br />
„Schau b" bezeichnet man das Stroh von Spelz und Roggen,<br />
das nach dem Abklopfen der Aehren durch den Flegel<br />
übrig bleibt. Es wird nach dem Dreschen „aufgeschaubt"<br />
und ausgeschüttelt. In Verbindung mit der „Wied" diente es<br />
zum Binden der Garben (Bindschaub). Da das mit Schrubacker<br />
bezeichnete Gelände von geringwertiger Bonität ist, so<br />
liegt der Gedanke nahe, daß dort die Aehren sich nur gering<br />
entwickelten und aussahen, wie wenn sie schon Schaub<br />
wären. Aus solchem Stroh flocht man auch das „Schaubkrättle",<br />
ein muldenförmiges Körbchen, in das man vor<br />
dem Backen den Brotlaib legte und formte.<br />
Wahrscheinlich hat aber der Ausdruck „S c h a u b a c k e r"<br />
einen anderen Hintergrund; er kommt m. E. vom „Schaub<br />
er wagen". Dies war der große Frachtwagen der ehemaligen<br />
Postfamilie von Thum und Taxis, dessen Oberteil<br />
mit Stroh oder Schaub gepolstert war. Der Schauberwagen<br />
verkehrte auf der großen Straße Tübingen—Hechingen—Balingen—Rottweil<br />
und Schweiz. Er wurde vorher angekündigt,<br />
und von allen Seiten kamen die Leute herbei,<br />
denn an den Steigen, besonders an der großen Steige bei<br />
Wessingen, brauchte er Vorspann, was ein großes Schauspiel<br />
war. Dieser wurde von den Fuhrleuten aus den benachbarten<br />
Gemeinden geleistet. Von Grosselfingen kam der Fuhrmann<br />
Anselm Dehner, dem der Volkswitz den Uebernamen<br />
„Schauber" gegeben hat. Dieser Uebername hat sich dann<br />
auf seine Nachkommen vererbt, als man längst den sozialen<br />
und wirtschaftlichen Wert dieser Hilfe vergessen hatte. Da<br />
es im Besitzbuch von 1760 „der Schauback er" heißt,<br />
liegt die Vermutung nahe, daß dieser Acker dem Fuhrmann,<br />
der den Vorspann leistete, als eine Art Benefizium (Wartegeld)<br />
von der Gemeinde übereignet wurde.<br />
Der genannte Anselm war in seiner Jugend Diener eines<br />
Engländers, mit dem er die ganze Welt bereiste. Als er<br />
wieder nach Grosselfingen zurückgekehrt war, erzählte er<br />
viel von seinen Reisen. Und, da er ein Erzählertalent war,<br />
hörten ihm die Leute gerne zu, nannten ihn aber nur den<br />
„Engländer" und seinen Hof den „Englischen Hof". Da<br />
er mit Humor und natürlichem Mutterwitz ausgestattet war,<br />
konnte er auch den Witz ertragen, der ihm galt.<br />
52. S c h i e ß m a u e r. Im Besitzbuch von 1730 heißt es:<br />
„bei der Schießmauer am Schrieth".<br />
Ablacher Star-Operation und St. Anna<br />
Am 5. Januar 1763 legte Franz Joseph Fischer, Okulist<br />
(Augenarzt) aus Frastanz nächst Feldkirch (Vorarlberg) beim<br />
Gutensteiner Amt eine Abmachung vor, die er am 13. Juli<br />
1759 mit dem Schmied Matteus Uetz von Ablach<br />
getroffen hatte: „Wenn er dem Uetz wieder zu seinem<br />
Gesicht verhelfe, soll dieser ihm 18 Gulden bezahlen."<br />
Darauf habe er eine Operation vorgenommen und<br />
ihm dadurch wieder das Gesicht (Sehkraft) verschafft. Uetz<br />
will aber nicht zahlen, sondern gibt vor, die hl. Mutter<br />
Anna und nicht der Fischer habe ihm geholfen. Letzterer<br />
habe sich vielmehr drei Trage nach der Operation fortgemacht<br />
und ihm nur Medizin für 8 Tage hinterlassen. Er<br />
habe darauf ungemein Schmerzen bekommen, so daß er sich<br />
des Apothekers in Ablach bedienen mußte. Fischer<br />
dagegen sagt, er habe richtig operiert, die Cataractum"<br />
(Grauen Star) habe er ihm hin (weg) genommen,<br />
die Schnur gezogen, auch Medizin auf 18 Wochen zurückgelassen.<br />
Mehr habe er nicht tun können und vielen andern<br />
auf ähnliche Weise schon geholfen. Es sei eben unmöglich,<br />
ohne Schmerzen zu operieren. Uetz redet sich hinaus,<br />
die hl. Mutter Anna habe ihm geholfen und nicht der<br />
Fischer. Somit sei er auch nichts schuldig. Der Arzt erwiderte:<br />
Der Kaplan zu Ablach habe ihm gestern selbst gesagt,<br />
der Beklagte sei zu ihm gekommen und habe begehrt, er<br />
solle sein erlangtes Gesicht in das Mirakelbuch eintragen.<br />
Er habe solches jedoch nicht getan, weil ja Uetz vorher<br />
operiert worden und die Schnur bis zum wiedererlangten<br />
Gesicht getragen habe. Folglich müsse dies den guten Effekt<br />
nach sich gezogen haben. Beschluß des Gutensteiner<br />
Amts: Der Uetz muß die 18 Gulden bezahlen! (Gutensteiner<br />
Protokoll 1760—64 S. 161 im Schloß Langenstein.)<br />
Die Schnur scheint ein Augenschützer anstatt einer<br />
Binde gewesen zu sein? St. Anna war damals noch nicht<br />
53. Die Schildgasse. Sie ist heute der Verbindungsweg<br />
zwischen Lang- und Löchlesgasse. Die Häuser, die dort<br />
stehen, sind alle erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut<br />
worden. Das Haus Nr. 90 wurde von dem Gastwirt „zur<br />
Färb", Heinrich Dehner, im Jahre 1827 erbaut. Dieses<br />
kaufte dann mein Urgroßvater Leopold Beck, der hinter<br />
dem Hause einen Obstgarten anlegte und denselben mit<br />
einem Hag von Zwetschgenbäumen umgab, die er nur etwa<br />
2 m hoch werden ließ. Nur in kleineren Abständen überließ er<br />
die Bäume dem natürlichen Wachstum. Aber schon standen<br />
die Grosselfinger mit ihrem natürlichen Hang für Uebernamen<br />
bereit; sie nannten ihn allgemein den Hagenleopold,<br />
eine Bezeichnung, die weit über seine Lebensdauer anhielt.<br />
Aber wir spätere Nachkommen hatten jedes Jahr Zwetschgen<br />
in Hülle und Fülle.<br />
An dem Kreuzweg von Laggasse und Schildgasse stand<br />
1766 nur ein Wirtshaus, das zu seiner Kennzeichnung mit<br />
einem Schild versehen war. Besitzer der Wirtschaft war<br />
ein Gabriel Dehner, der von seinem Haus „ussen<br />
im Dorf" 4 Heller Steuern zahlte. Die Ortsbezeichnung<br />
„ussen im Dorf" gibt eindeutig die Lage seines Hauses an.<br />
Spätere Besitzer waren Lorenz und Anton Seifert. Das Schild<br />
des Wirtshauses hat der Gasse den Namen gegeben.<br />
54. Schlechtenhart. Das Grundwort „hart" bedeutet<br />
„Wald", das Bestimmungswort „schlecht" kommt vom<br />
ahd. slaht oder sieht und bedeutet ein mit Schilfrohr bewachsenes<br />
Sumpfland, als „slad" eine Talmulde oder Einsenkung.<br />
Zu Grosselfingen gehören zwei Schlechtenharte; die<br />
eine liegt im Wald gegen Rangendingen, die andere an der<br />
Furt von Oberhausen (Hinterrieten) gegen Engstlatt. In Grosselfingen<br />
gibt es das Wort ..gschlacht", was einfach, glatt,<br />
geschmeidig bedeutet.<br />
Kirch enpatronin wie heute, das Mirakelbuch<br />
dagegen scheint längst verloren. Schade! Vielmehr steht in<br />
den Gutensteiner Amtsprotokollen 1610 1 —24 (ebenfalls auf<br />
Schloß Langenstein) S. 31: Pauly Strobel zu Ablach leiht<br />
am 31. Januar 1611 von seinem Bruder Christian Strobel,<br />
Wirt, 90 fl bares Geld und verpfändet dafür eine Mannsmahd<br />
Wiesen, „so dem hl. Stephanus zu Ablach mit Grundrecht<br />
unterworfen." Ferner: Am 2. Dezember 1615 gibt Paule Strobel<br />
sein dem hl. Stephanus zu Ablach Zinsendes<br />
Heiligengütlein dem Galle Strobel und erhält von<br />
diesem dessen Herrschaftsgütlein nebst 550 fl Aufzahlung<br />
(S. 214 v.).<br />
Endlich hat Thomas Waibel (zuvor Galle Strobel) zu Erblehen<br />
1688 ein Gütlein, das dem hl. Stephanus zu<br />
Ablach zinsbar ist, bestehend in Haus, 2 Gärten, 6 1 /«<br />
Jauchert Acker und 3 Mannsmahd Wiesen (Urbar der Herrschaft<br />
Gutenstein 1690, S. 810 auf Schloß Langenstein.) Die<br />
hl. Anna wird erstmals 1828 als Mitpatronin der Pfarrrkir<br />
che zu Ablach erwähnt, als Hauptpatronin dagegen (v ö 1 -<br />
lig falsch) der hl. Josef! (FDA 60. 155 und 62, 27.) Ebenfalls<br />
ein Irrtum ist es, wenn 1757 der hl. Laurentius als<br />
Patron zu Ablach erscheint, der doch solcher in Krauchenwies<br />
ist, dessen Pfarrer lange Zeit Ablach mitversorgte,<br />
wie heute! Ablacher Kinder heißen darum irrig die<br />
Krauchenwieser „Heiligenstehler", weil sie meinen, sie<br />
hätten den Ablachern den Kirchen - Patron gestohlen.<br />
Vielmehr geht aus obigen Nachrichten einwandfrei hervor,<br />
daß St. Stephanus der alte Kirchenpatron war,<br />
der im Laufe der Zeit zugunsten der hl. Anna zurückgetreten<br />
ist. Vielleicht geschah dies durch die Volkstümlichkeit<br />
der hl. Mutter, deren Festtag am 26. Juli zudem viel günstiger<br />
liegt, als der 26. Dezember des Erstlingsmärtyrers.<br />
Willy B u r t h, Freiburg.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 45<br />
Hohenzollerische Bürger liehen ü<br />
Das Handelshaus Zimmermann in Pfullendorf, ein blaugetönter<br />
Hochbau am Ostchor der Stadtkirche, gehörte nach<br />
1700 dem reichen Handelsherrn Franz Anton Walter I.<br />
(t 1746). Er war aus Schussenried zugezogen und brachte es<br />
zum Amtsbürgermeister. Von seinen 22 Kindern erwählten<br />
neun den geistlichen Stand. Unter diesen ist Franz Fidelis<br />
Walter (1732—1782), zuletzt Stadtpfarrer in Pfullendorf. Er<br />
hatte großes Erbarmen mit den sozial Niedrigen und vermachte<br />
5 433 Gulden für Stiftungen, die armen Knaben und<br />
Mädchen zur Erlernung eines Berufes, aber auch zur Ausbildung<br />
im religiösen Wissen Hilfe leisten sollten. Schon von<br />
Haus aus war er gut situiert. Dazu kamen die Einkünfte<br />
seiner großen Pfarrei. Die geldbedürftigen Bauern und Geschäftsleute<br />
der engern und entferntem Nachbarschaft nützten<br />
diese nicht versiegende Quelle gut aus.<br />
So kamen in den Jahren 1764 bis 1779 in elf hohenzollerische<br />
Orte Darlehen von insgesamt über 13 000 Gulden,<br />
also einer Summe, wie wir sie in den Pfullendorfer Erbschaftsakten<br />
kaum je einmal antreffen. Stadtpfarrer Fidelis<br />
Walter hatte sich zuverlässige Vertrauensleute ausgesucht,<br />
ließ sich von ihnen beraten über die pfandschaftlichen Sicherungen<br />
und vertraute ihnen, wenigstens, soweit sich noch<br />
erkennen läßt, auch als Mandataren (Beauftragten) die regelmäßige<br />
Zinseinziehung an. Da sehr viele der Schuldner<br />
heute noch Nachfahren am Ort haben, habe ich sie aus dem<br />
Faszikel 205 der Pfullendorfer Erbschaftsakten hier zusammengestellt.<br />
Diese wichtigen Akten sind gut geborgen in<br />
Karlsruhe im Badischen Generallandesarchiv in der Abteilung<br />
70.<br />
Die Gemeinde Bisingen nahm am 16. Oktober 1764 3 000<br />
Gulden und am 8. Mai 1765 1 000 Gulden als Darlehen zu<br />
5"/ip auf. In Frohnstetten bekam Josef Schuster 40 Gulden<br />
und der Burger Bartlome Hoz 150 Gulden. Ferner der<br />
Burger Math. Horn 300 Gulden und Christ. Dreher 150 Gulden.<br />
Zu Gaisweiler ließ sich am 23. 1. 1773 der Königsbronnische<br />
Erblehenmayer Bernhard Biechler 150 Gulden zu<br />
5"/« als Darlehen geben. In Haigerloch bekam die Stadtgemeinde<br />
ein Darlehen von 1 000 Gulden. Dem dortigen<br />
Amtsbürgermeister Meinrad Brucker (oder Brugger) wurden<br />
100 Gulden ohne Zins geliehen. Weil er die Schuldzinsen<br />
eintrieb, schenkte ihm der Stadtpfarrer Walter seine Zinsen.<br />
Feiner hatte der dortige Hans Bürkle 500 Gulden als Darlehen<br />
erhalten. Dem in ärmlichen Veihältnissen lebenden<br />
Schutzjuden Salomon Weyl hatte der gutmütige Stadtpfarrer<br />
66 Gulden und 7 silberne Löffel geliehen, doch war dieses<br />
Guthaben so gut wie verloren, und man übte keinen Zwang<br />
aus, die Schuld einzutreiben. Aus der Gemeinde Hart bemühten<br />
sich 3 Gruppen von Bürgern um Pfullendorfer Wallerische<br />
Darlehen. Am 31. 1. 1766 wurden 1 000 Gulden an<br />
8 Bürger ausgeliehen: Georg Bieger, Andreas Bieger, Witwe<br />
Joseph Klingler, Hans Michael Bieger, Joseph Horn, Johann<br />
Klingler jung, Joseph und Fechter und Josef Klinger. Bis<br />
Lichtmeß 1782 hatte der Amtsbürgermeister Meinrad Brucker<br />
von Haigerloch pünktlich die Zinsen dieser Gruppe eingezogen<br />
und in Pfullendorf abgeliefert. Am 29. 11. 1765 bekam<br />
Unbekanntes aus<br />
Wer da meint, daß F. X. Hodler in seiner Geschichte des<br />
Oberamts Haigerloch die Geschichte aller zugehörigen Gemeinden<br />
erschöpfend geschildert habe und man also auf<br />
seinen Lorbeeren ausruhen könne, ist auf dem Holzweg. Das<br />
neue Heft 1963 des <strong>Geschichtsverein</strong>s „Hegau" bringt S. 131 f.<br />
aus der Feder von Ernst Schneider eine Lehenbeschreibung<br />
der Freiherren von Rosenegg (bei Rielasingen-<br />
Konstanz), die von 1259 bis 1481 nachzuweisen sind. Darin<br />
sind auch Daten enthalten, die den hohenzollerischen Ort<br />
Dettingen am Neckar und Adeisgeschlechter aus unserer Gegend<br />
betreffen.<br />
Es heißt S. 132: „Herr Volz von Weitingen hat als<br />
Lehen von Rosnegg den vierter Teil der Burg zu Niederdettingen<br />
mit allem Zubehör und den vierten Teil<br />
der dazu gehört am Dorfe Oberdettingen mit Zwing<br />
und Bann, an Holz und Feld, Aeckern und Wiesen, Wunn<br />
(Waldweide) und (Feld-)Weide und an Weingärten, und was<br />
sonst zu diesem Viertel gehört.<br />
Lutz von Liechtenstein hat von uns zu Lehen<br />
anno 1402 den Halbteil der Burg zu Niederdettingen<br />
mit Zubehör, was vom Dorfe Oberdettingen<br />
zu dieser Hälfte gehört, mit Leuten und Gütern usw. (wie<br />
oben), auch an der Mühle, an Wasser, Fischereirechten und<br />
Wasserleitung, wie es von alters dazu gehörte.<br />
Wilhelm Schenk von Stauffenberg hat anno<br />
1402 als Lehen von Rosnegg den vierten Teil der Burg<br />
er 12000 Gulden in Pfullendorf<br />
eine 2. Gruppe aus Hart 800 Gulden. Es sind dies Hans Beutter,<br />
Anton Bieger, die Witwe des Georg Bieger, Xaveri Hebrank<br />
(Hebsack?), Witwe des Joseph Klingler, Hang Georg<br />
Klingler, Fidel Bieger. Einer 3. Gruppe aus Hart gab der<br />
Stadtpfarrer Walter am 6. 12. 1777 765 Gulden. Es sind 10<br />
Personen: Johann Bieger, Joseph Kessler, Andreas und Sebastian<br />
Bieger, Anton Mader, Fidel Bieger, Joseph Klingler,<br />
der Schuster Johannes Bieger, die Witwe Michael Bieger und<br />
Martin Ferle. Zu Hechingen bekam ein Herr Schmidt<br />
200 Gulden Darlehen. Zu Kaiseringen bekam Balthas<br />
Bandtie 100 Gulden, am 15. 2. 1781 Johann Beck 100 Gulden<br />
und Niklas Dreher 150 Gulden zu 5%>. Nach Otterswang<br />
wurden am 7. 11. 1775 dem Andreas Weißhaupt 100 Gulden<br />
geliehen. Die Stadt Sigmaringen nahm am 23. 2. 1777<br />
400 Gulden zu 5°/o auf, der dortige Hirschwirt 200, dann noch<br />
40 Gulden. Am 26. 3. 1766 erhielt Herr Balleirat Schmid 400<br />
Gulden zu 4%, am 5. 4. 1778 der Burger und Weißgerber<br />
Jakob Hafner 100 Gulden, am 13. 8. 1779 Fidel Glanz 360<br />
Gulden. Die sehr arme Frau Maria Anna Rappoldin hatte<br />
um 1775 und 1780 eine Darlehensschuld von 250 Gulden und<br />
kam mit der Schuldtilgung in größte Schwierigkeiten. Aus<br />
Straßberg wurde dem Johann Bantle, Schloßbauer, mit<br />
400 Gulden, dem Gabriel Rener mit 200 Gulden, dem Adlerwirt<br />
Anton Hartmann mit 200 Gulden zu 5% geholfen im<br />
Jahr 1774; Johann Höni hatte 1200 Gulden geliehen und war<br />
1767 nur noch 900 schuldig. Das kleinste Darlehen nahm Anton<br />
Fauler aus Straßberg mit 50 Gulden. Ferner bekamen<br />
aus Straßberg im Jahr 1774 der Bauer Hans Jerg Gern 400<br />
Gulden, der Schuster Anton Gern 100 Gulden und der Burger<br />
Josef Höni 400 Gulden. Maria Anna Gschwindtmann,<br />
Witwe des Fidelis Hönig, erhielt 1777 eine Summe von 250<br />
Gulden zu 5"/o vorgestreckt und Christian Heny am 25. 4.<br />
1781 im Namen des Johann Zimmermann 150 Gulden zu<br />
5°/o. Endlich ist noch Trillfingen zu erwähnen. Hier wurden<br />
einer Vierergruppe 1 000 Gulden gegeben, wovon 1779 schon<br />
400 zurückerstattet waren. Die daran Beteiligten sind: Johann<br />
Stelzer, Andreas Horn, Fidel Beutter und Sebastian<br />
Horn.<br />
Wir wären über diese Namen und Beträge nicht so genau<br />
unterrichtet worden, wenn nicht nach dem Tode des Erblassers,<br />
des Stadtpfarrers Fidelis Walter ein Teil der Schriften<br />
auf die Seite geschafft worden wäre. Besonders peinlich<br />
war der Verlust des Schuldhauptbuches, Es kam zu einem<br />
Verhör und der behandelnde Arzt Dr. Steinmann aus Ehingen<br />
gab der Stadtobrigkeit sehr interessante Beobachtungen<br />
zur Kenntnis, daß z. B. sogar ein Betrunkener ins Zimmer<br />
kam, wo der Tote lag, und sich herumtrieb. Hinterher gab<br />
es viele Nachfragen nach den Schuldnern. Zum Glück hatte<br />
sich der Erblasser und Stifter bei diesen Geldgeschäften um<br />
eine gewisse Aufsicht durch Ehrenmänner bemüht, wie um<br />
den Amtsbürgermeister Meinrad, Brucker von Haigerloch.<br />
Der edle Stifter und Geldverleiher Stadtpfarrer Franz Fidelis<br />
Walter hat 1782 in der St. Jakobuskirche Pfullendorf<br />
ein schönes Denkmal beim Dreikönigsaltar erhalten mit einer<br />
der prunkvollen Rokokozeit entsprechenden Grabinschrift.<br />
Dr. Johann Schupp, Neudingen.<br />
Dettingen a. N.<br />
zu Niederdettingen mit allem Zubehör am Dorfe<br />
Oberdettingen, mit Leuten und Gütern usw., an Mühlen,<br />
Wasser, Fischenzen, wie das von Alters dazu gehörte,<br />
und vorher Herr Burkart von Liechtenstein von<br />
uns zu Lehen hatte."<br />
S. 133: „Conrad von Reischach, seßhaft zu Hohenhöwen<br />
(Hegau), den man nennt Böskunrad,, hat Lehen von<br />
uns empfangen, nämlich die an die Niedere Burg zu<br />
Dettingen gehören, die Herr Burkart von Liechtenstein<br />
von uns zu Lehen hatte, die er Tromen (wohl<br />
Thoman = Thomas) von Dettingen für eigen zu kaufen gegeben<br />
hat, nämlich die Fischenz und die Wiesen. Dieses<br />
Fischereirecht fängt an bei der Burg Dettingen und<br />
geht bis Ihlinger Furt. Die Wiese liegt an dieser und heißet<br />
„der Brand" in Größe von 3 Mannsmahd. Eine weitere Wiese<br />
heißt der Brühl, gegenüber der Burg, und stoßt an den<br />
Neckar, ist sieben Mannsmahd groß. Eine dritte Wiese<br />
heißt Ucht-Wies, ist drei Mannsmahd und stößt an den Werd.<br />
Item Neß (Agnes) von Liechtenstein, Klosterfrau<br />
zu Kirchberg ist gewiesen (als nutzungsberechtigt) auf ein<br />
anderes Gut, weswegen sie einen Brief mit unseres Vaters<br />
(Hans v. R. f 1422) Siegel besitzt, nämlich die Wiese „der<br />
Brand", die jährlich 6 Pfund Heller bringt, solange sie lebt."<br />
Vorausgänge und Ende dieser Lehen scheinen nicht bekannt<br />
zu sein, offenbar mangels Urkunden. Das Lehenbuch<br />
liegt im Gen. Landesarchiv Karlsruhe Nr. 229/87824. Krs.
:(46<br />
Beim Ordnen der älteren Akten der Pfarrei Burladingen<br />
in der Erzbischöfl. (stehenden) Registratur, kamen einige Daten<br />
zutage, die bisher unbekannt und daher auch in der<br />
Pfarr- bzw. Vikarsliste dieser Pfarrei (Kirchenblatt 11. XI.<br />
1951) nicht berücksichtigt waren. Sie seien hier festgehalten:<br />
1692 starb Pfarrer Johann Jakob Scheller (Schaller) von<br />
Jungingen. Seinen Nachlaß regelten Dekan Joh. Jak.<br />
Klingenstein zu Oberstetten, Kammerer Daniel Uelin zu<br />
Trochtelfingen und Pfr. Benedikt Schmid zu Burladingen.<br />
1694 starb Pfr. Johann G e g a u f zu Stetten u. Holst.: Dekan<br />
Klingenstein und Kammerer Uelin waren Nachlaßverwalter.<br />
1711 starb Pfr. Johann Jak. Schibel von Jungingen unter<br />
Dekan Bened. Schmid in Trochtelfingen.<br />
1721 am 30. März starb im Alter von 72 Jahren Pfr. Andreas<br />
Scholter zu Stetten u. Holst., seit 22 Jahren hier.<br />
1729 starb Pfr. Leopold Schopf zu Hausen i. Kill., gebürtig<br />
von Hechingen, unter Dekan Melchior Senftlin zu<br />
Trochtelfingen und Kammerer Georg Daigger zu Burladingen<br />
(geb. v. Hechg.).<br />
1738 segnete auch dieser Pfarrer Johannn Gg. Daigger zu<br />
Burladingen das Zeitliche unter Dekan Anton Holderried<br />
zu Neufra und Kammerer Johann Gg. Weizmann<br />
zu Gammertingen.<br />
1791 im Februar hat Pfarrer Franz Val. von Frank zu<br />
Burladingen ein Bein gebrochen. Mit seinen Vikaren<br />
und ihm harmoniert es nicht recht.<br />
1804 Vikar Johann Mathes (nicht Matter!) zu Burladingen<br />
bittet um Aufbesserung seiner Bezüge, hat nur 40 fl.<br />
Am 5. Juli wird er dann als Cooperator nach Mengen<br />
angewiesen, worauf ein Franziskaner von St. Luzen<br />
ihn ablöst.<br />
1806 der angewiesene Vikar Josef Laiber lehnt ab und<br />
kommt als kranker Mann nach Triberg als Pönitentiar.<br />
Vikar Karl Beck, bisher in Schörzingen, kommt nach<br />
Burladingen auf 30. Oktober. Pfr. Frank ist krank. Beck<br />
bleibt nur kurze Zeit.<br />
1806 5. Novb. „Vikar J. Hollinger zu Burladingen ist<br />
brustkrank und bittet um Ablösung. Josef Laiber sei<br />
nicht gekommen. Er hatte von Saulgau aus am 16. Okt.<br />
Kleine Mitteilungen<br />
Tabaktrinken. Im Jahre 1730 wurde in Heiligenzimmern<br />
Jonas Schaitel mit 1 Pfund Heller „wegen zugelassenem,<br />
unrechtsamen Tabaktrinken einiger Fremden und dadurch<br />
verursachter Feuersgefahr" vom Oberamt Haigerloch gestraft.<br />
Leider ist nicht gesagt, weshalb Feuergefahr bestand, bzw.<br />
in welchen Räumen geraucht wurde. Betrieb Schaitel eine<br />
Schankstätte oder hatte er die Konzession zum Verkauf von<br />
Tabakwaren? M. Sch.<br />
HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Aus Burladinger Pfarrakten<br />
Neujahrs- und Hochzeitsschießen. Das Schießen der ledigen<br />
Burschen bei den verschiedenen Anlässen, wie Taufen, Hochzeiten<br />
usw. ist alter Brauch und bis auf den heutigen Tag<br />
nicht ausgestorben, trotz der vielen Verbote im Laufe der<br />
Jahrhunderte. Im Jahre 1803 wurden in Trillfingen diejenigen<br />
Ledigen, die in der Neujahrsnacht geschossen hatten,<br />
mit vier Tagen Handarbeit bestraft. Musketier Bürkle aber,<br />
der die Anzeige beim Oberamt erstattet hatte, erhielt zur<br />
Belohnung 1 fl. — Als Apotheker Maier in Haigerloch Hochzeit<br />
hielt, hatte seine Mutter, Maria Anna Kitzingerin, die<br />
jungen Leute, Edelmann, Narr, Vogt und Zeiser zum Schiessen<br />
bestellt und ihnen das benötigte Pulver besorgt. Frau<br />
Kitzinger wurde mit vier Tagen Handfron bestraft, beziehungsweise<br />
zur Zahlung von 24 Kr. für jeden Tag verurteilt,<br />
während die Burschen einen Tag öffentliche Arbeiten verrichten<br />
mußten. M. Sch.<br />
Die sog. „Junginger Schwedenschanze" (H. H. 1964, 4) ist im<br />
Jahre 1704 gegen die in Oberschwaben operierenden Bayern<br />
und Franzosen angelegt worden. (Nachweis: Zollerheimat<br />
1939 S. 33 ff.)<br />
um Aufhebung seiner Anweisung nach Burladingen gebeten,<br />
da es mit Herrn Pfr. Frank schwierig sei.<br />
1807 12. Sept.: Vikar Johann Michael Sauter von<br />
Alleshausen (Vik. Nr. 16) zu Burladingen, ist 30 Jahre<br />
alt, möchte ins Württembergische, um sich eine Taxissche<br />
Pfarrei geben zu lassen.<br />
1807 29. Okt.: Priester Anastasius Reiner zu Salem (wohl<br />
aus Hechingen gebürtiger Pater) verbittet sich das Vikariat<br />
bei Pfarrer Frank in Burladingen, d. h. weigert<br />
sich, dorthin zu gehen und „wird daher seinem Schicksal<br />
überlassen!"<br />
1808 28. Juni: Gottfried Lukas Sauter von Hechingen<br />
(Vikarsliste Nr. 17), ehemals Kapuziner in Wangen<br />
im Allgäu, hat 2 Jahre im Priesterseminar Dillingen<br />
studiert, erhält vom Regens Gerhauser ein gutes Zeugnis<br />
und bemüht sich um eine Vikarstelle. Man verlangt,<br />
er solle sich am Priesterseminar Meersburg weiter ausbilden<br />
lassen und sich dann einer Prüfung unterziehen.<br />
Ende des Jahres 1808 war er in Stetten u. Holst. Dekan<br />
Weiger-Steinhofen prüft ihn. Am 1. Dezember will er<br />
nicht auf das angewiesene Eichsei, sondern nach Burladingen<br />
als Vikar. Er scheint identisch mit dem 1842 verstorbenen<br />
Pfarrer von Münchweier, geb. Hechg. 1. 6.<br />
1782, ord. 8. 6. 1805, seit 29. 3. 1817 Pfarrverw. Herbholzheim/Lahr,<br />
1826 Forbach, 1834 Schlatt i. Brsg. und dann<br />
in Münchweiler, wo er am 19. 11. 42 starb. Der Hechinger<br />
Fürst hatte bestimmt, da er Kapuziner an einem<br />
bayerischen Ort gewesen, soll er dort sein Auskommen<br />
suchen. Daher ging er vermutlich dann ins Badische.<br />
1808 30. Okt. Raphael Huber aus Owingen, Vik. zu<br />
Stetten bei Haig., soll als Vikar nach Stetten u. Holst.<br />
(Ist 1816 Pfr. in Jungingen, geb. 9. 3. 76, ord. 30. 5. 1801.)<br />
1810 12. Juli war Huber Vikar in Burladingen, hat beim<br />
Pfr. Johann Adam Grausbeck zu Meldungen sein Examen<br />
gemacht, wie vorher schon Pfr. Reiser von Kettenacker<br />
und Kapl. Kiener zu Gammertingen. 1813 war<br />
Liborius Klingler Kaplan zu Zimmern, 1815 Karl Reitinger<br />
Kanoniker zu Hechingen.<br />
1816—181!) der bisherige Vikar Johann Gg. Clarus<br />
Sauter, früher Franziskaner in St. Luzen, soll von<br />
Burladingen nach Zimmern versetzt werden, nachdem<br />
Pfarrer Frank am 4. Juli gestorben und die Pfarrei an<br />
Karl Reitinger verliehen worden war. Klingler<br />
von Zimmern kommt nach Weilheim. Clarus Sauter<br />
war dann 1821 Pfarrer in Stein und starb als Pfarrer<br />
von Grosselfingen 14. 11. 1830. Ei war geboren zu Hechingen<br />
am 10. Aug. 1775 und am 18. 5. 1799 ordiniert worden.<br />
Der St. Luzer Guardian Meinrad Ertle wurde 1811 Pfarrer<br />
zu Stein. J. A. Kraus.<br />
Arzt-Vergütung. Am 30. Januar 1787 wird in Haigerloch<br />
Dr. med. Xaver Kizinger als Stadt- und Landschafts-Physicus<br />
angestellt. Als Vergütung erhält er von der Landschal't.skasse<br />
jährlich 50 fl, von der Stadt 25 fl und von der Herrschaft<br />
4 Klafter Brennholz samt dem zugehörigen Reisig.<br />
Der Patient hat zu bezahlen für jedes Rezept 15 x, für 1<br />
Krankenbesuch 30 x, für die nachfolgenden Besuche je 15 x.<br />
Dauert 1 Besuch bis 2 Stunden erhält der- Physikus 1 fl.<br />
M. Sch<br />
Die Ringinger Kirchweih des Jahres 1553 wurde nicht so<br />
schnell vergessen. Beim Kirbetanz im Freien kam es unter<br />
den L-edigen von hier und der Nachbarschaft zu einer<br />
Schlägerei, bei der Enderlin Segmüller von Starziii<br />
so hart getroffen wurde, daß er an den Folgen starb. Die<br />
in Frage kommenden Täter Sigmund Heiter gen. Kruß von<br />
Stetten u. H. und die beiden Ringinger Hansjerg Locher und<br />
Sohn Melchior suchten, um der Volkswut zu entgehen, am 4.<br />
Jan. 1554 das Asyl von Reutlingen auf. Der Tanz hat wohl<br />
auf dem alten „Tanzplatz" im Kreben stattgefunden,<br />
an den eine Freiheit oder Asyl von nur 24 Stunden geknüpft<br />
war. In Reutlingen dagegen war das Asyl für unfreiwillige<br />
Totschläger unbegrenzt. Die Kirchweih war Ende Oktober.<br />
(Asylbuch im Stadtarchiv Reutlingen.) Näheres ist nicht bekannt.<br />
Kis.<br />
D s Gschiill odei die „Gatter" an den Altären zu Meßkirch<br />
mußte der Maler um 1580 in den zimmerischen Farben anstreichen.<br />
Gschöll ist wohl gleich G e s c h ä 1, d. h. Rahmenwerk,<br />
Gitterwerk, Zieraten. Davon könnte auch der in der<br />
Pfarrei Feldhausen nachweisbare Familienname Geschöll abgeleitet<br />
sein, eher als von Geschell (Gscheall) der Schlittenrosse.<br />
Krs.
.lahrgang 1965<br />
Hohenzollerische Studenten<br />
an der alten Universität Straßburg (1621—1793)<br />
Ausgezogen von M. S c h a i t e 1<br />
Die Gründung der Universität Straßburg fällt in das Jahr<br />
1621. Auch als Straßburg 1681 mitten im Frieden von Ludwig<br />
XIV. annektiert wurde, bedeutete dies keineswegs den<br />
Abbruch der seit der Reformation besonders lebhaft gepflegten<br />
geistigen Beziehungen der Stadt zum alten Mutterlande.<br />
Die reichsstädtische Universität blieb vielmehr bis zu ihrer<br />
Auflösung in den Stürmen der großen Revolution ihrem<br />
Grundcharakter nach im wesentlichen deutsch. Ist doch bekannt,<br />
daß sich Goethe im Jahre 1770 an der Straßburger<br />
Hochschule inscribierte und nach anderthalb-jährigem Aufenthalt<br />
seine juristische Studien mit der Promotion abschloß.<br />
Übrigens hatte sich 30 Jahre vorher auch des Dichters Vater,<br />
der Kaiserliche Titularrat Johann Kaspar Goethe, an der<br />
Straßburger Universität seine juristische Ausbildung erworben.<br />
Aus unserer engeren <strong>Heimat</strong> enthalten die Universitäts-<br />
Matrikel — ein Teil ist verloren gegangen oder verschollen<br />
nachstehende Namen:<br />
Bachhaupten: 1775 Nov. 14. Josephus Antonius Conradus<br />
Anseimus Sutor, Bachhauptensis, stud. jur., apud<br />
Dnm Reinbolt in der Spitzengass. 1777 Apr. 19. cand.<br />
jur.<br />
Gammertigen: 1747 Dez. 4. Franciscus Xaverius C1 av<br />
e 1, Gamertingensis Suevus, stud. jur.<br />
Hechingen: 1737 Aug. 12. Franciscus B a r a 11 i, Hechinganus,<br />
stud. jur. 1771 Okt. 26. Godefridus Egler, Hechinganus<br />
Suevus, in ardibus Nicolaus Thoman pistoris.<br />
(Matricula generalis major). 1771 Okt. 31. stud. philosophiae.<br />
1772 Febr. 2. stud. med. — 1782 Jan. 13. Joseph<br />
Nipp, Hechingae, stud. phil., (löge chez) Madame Meison<br />
au fosse de Tailleurs.<br />
Hettingen: 1780 Jan. 13. Aloysius de N e u m i 11 e r,<br />
Hettingensis, stud. jur. löge chez Madame Nitard.<br />
Krauchenwies: 1784 Aug. 9. Mathias Lutz, ex Krauchenwis<br />
Suevus, stud. jur., logiert in dem Oelhaus beym<br />
H. Mähn am Schiffleut-Staden.<br />
Neufra: 1757 Jul. 18. Hector Amadeus C 1 a v e 1, Neufracensis<br />
Suevus, stud. jur.<br />
Tr ochtelfingen : 1625. Apr. 7. Christopherus Eber-<br />
1 i n u s, Trochtelfingerus, stud. phil. — 1774 Jan. 20.<br />
Josephus Clavell, Trochtelfingensis, stud. jur., bei<br />
Herren Bernard Schneider.<br />
Wald: 1784 Jan. 3. Carolus Josephus B a u r, Waldensis (?),<br />
Matricula generalis major).<br />
Hohenzollerische Mönche in St. Blasien<br />
Möhr Carolus aus Hechingen, Eintritt November 1597,<br />
Pi'ofeß 1598, am 18. Mai; Priester: September 1601; starb<br />
mit 57 Jahren in Wislighofen am 2. April 1638.<br />
Schneide r Stephan, gb. Inzigkofen 25. Juli 1609,<br />
Eintritt 21. 8. 1640; Profeß 21. 8. 1641; gestorben mit 40<br />
Jahren am 2. April 1649.<br />
Ginthert Wilhelm, gb. Sigmar ingen 13. 11. 1703;<br />
Eintritt im Wilhelmiten-Kloster Mengen am 18. 1<br />
1723, Profeß 18. 1. 1724; 1725 als Diakon nach St. Blasien<br />
übernommen, dort gest. mit 24 Jahren am 20. 12. 1727.<br />
Fauler Fidelis, gb. Jungnau 20. 11. 1716; Novize 28. 10.<br />
1736; Profeß 28. 10. 1737; Priester 24. 9. 1740; Primiz in<br />
.Jungnau; gestorben 11. Mai 1800, 84 Jahre im Krankenhaus<br />
St. Blasien.<br />
Neye r (Neher) Athanasius, gb. H e c h i n g e n 25. 4. 1754,<br />
Novize 13. 11. 1773. Profeß 1. Mai 1775; Priester 13. 6.<br />
1778; gestorben als Frühmesser in Grünwald bei Kappel<br />
im Schwarzwald an Wassersucht am 10. 4. 1826.<br />
Weiger Friedrich, gb. Hech ingen 2. 10. 1764, Novize<br />
15. 11. 1785; Profeß 15. 11. 1786; Priester 19. 9. 1789; gestorben<br />
als Pfarrer in Brenden mit 46 Jahren am 16.<br />
April 1810.<br />
Ott Modestus, gb. Boll b. Hechingen 22. 2. 1769; Novize<br />
8. 1. 1789; Prof. 8. 11. 1790; Priester 30. 5. 1795; gestorben<br />
als Pfarrer von Flitzen mit 68 Jahren am 13. 6. 1R36<br />
(vgl. FDA 16, 311; in Fützen seit 1806).<br />
Sauter Hermann, gb. H e c h i n g en 10 9. 1777; Profeß<br />
20. 10. 1798; Priester 28. 10. 1802; gest. als Pfarrer in<br />
Oberried kurz nach der hl. Messe an Schlag: 18. August<br />
1824 mit 47 Jahren.<br />
Speidel Hieronymus, gb. Grosselfingen 21. 3. 1780;<br />
Profeß 26. Mai 1801; Priester 24. 9. 1803; 1807—15 Professor<br />
am Gymnasium Freiburg; gest. als Pfarrer in Neuershausen<br />
bei Freiburg 7. Januar 1853. FDA 17 (1885) 24<br />
und M. Walter in Hohz. Zeitung 7. 1. 1953.<br />
(Entnommen aus Nachlaß Beringer 3, S. 3 ff, aus Mskr.<br />
Einsiedeln, 112/590. Erzb. Archiv Freiburg.)<br />
HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 47<br />
Beringer 4, 10: Angst Heinrich, gb. Sigmaringen<br />
2. 3. 1660; Profeß 16. 1. 1684; Priester zu Kreuzlingen<br />
1687: 1697 in Wurmlingen bei Rottenburg, 1699—1707 in<br />
Riedern als Pfarrer. Er starb in Kreuzlingen am 15. Dez.<br />
1727 mit 68 Jahren. Krs.<br />
Hüte auf dem Kopf trugen in der Kirche laut frdl. Mitteilung<br />
von Dr. Hans Rommel (in seinen „Freudenstädter<br />
<strong>Heimat</strong>blättern" i960 1 Nr. 19) auch die prot. Baiersbronner<br />
Männer 1685 bei der Predigt über einer wollenen Zipfelmütze.<br />
Ferner im Jahre 1821 die prot. Männer von Klein-<br />
Eislingen bei Göppingen. Nur beim Namen Jesus der Predigt<br />
lupften sie die letzteren (wie auch die Baiersbronner<br />
die Hüte), ihren Dreispitz auf den Emporen, so daß ein<br />
Fremder meinte, „die ganze Kirche verdunkle sich so, daß<br />
man glauben könnte, es sey eine Schar Raben von beiden<br />
Seiten gegeneinander im Anzug." Es sei ein unfürdenkliches<br />
Herkommen gewesen. In Nr. 3 des Jg. 1961 berichtete Dr.<br />
Rommel nochmal von Lombach. Fürnsal und Rötenberg ob<br />
Alpirsbach von diesem Brauch, der nach 1910 abging. Da nun<br />
im kath. Oberharmersbach der Besuch beim Opfergang bei<br />
Totenämtern besteht (Hohz. <strong>Heimat</strong> 1965, 30), dürfte er doch<br />
wohl uralt sein, trug ja noch bis in unsere Zeit der Pfarrer<br />
bei der Predigt das Birett und lupfte es beim Namen Jesus!<br />
Kis.<br />
Grangärten zu Gruol 1594: „Wenn der Inhaber eines Grangartens<br />
stirbt, soll der Erbe seines Hauses auch den Granngarten<br />
beim Haus behalten. So er vom Haus kommt, fällt<br />
der Grangarten dem Flecken heim und kann vom Vogt und<br />
Gericht wieder nach, Belieben verliehen werden. Niemand<br />
darf einen Granngarten ohne Zustimmung der Ortsvorsteher<br />
käuflich erwerben. Auf Margarethentag 1600 wurde betr. der<br />
neu ausgegebenen Grangärten also geordnet: weil sie<br />
jedem für 2Va Gulden als eigen zugestellt: sind, soll es weiterhin<br />
gehalten werden, wie oben gesagt. Keiner darf einen<br />
kaufen ohne Vorwissen des Vogts und Gerichts. Der Flecken<br />
hat jederzeit das Auslösungsrecht für 2V2 fl. Die alten Krangärten,<br />
die ohne Vorwissen des Vogts und Gerichts verkauft<br />
wurden, kann der Flecken wieder für einen Gulden an sich<br />
zurücklösen." (Fleckenbuch von Gruol, Art. 89—90, Rathaus.)<br />
Zur Erklärung von Gran, Grann, Kran, konnte Fischers<br />
„Schwäb. Wörterbuch" nichts beitragen! Oder dürfte man<br />
an „Gran-Simpel" als großen Simpel denken? (althochdeutsch<br />
g r a n d = groß.) Der Artikel geht unmittelbar der „Allmand"<br />
voraus. Die Grangärten scheinen auch eine Art Allmende<br />
darzustellen. In Heiligenzimmern gibt es sie auch heute noch<br />
als Gras- früher Krautgärten, ca. 700 m vom Ort auf einer<br />
Halde, Krausenrain genannt. Ob man an mhd krage<br />
Hacke erinnern darf, oder „Der Krank" Umkreis (des<br />
Dorfes), oder mhd krank klein, unbedeutend? Michel Buck<br />
bringt ein Wort „Grange" Scheuer, Wirtschaftshof. Wer<br />
gibt die Lösung? Krs.<br />
An das<br />
Postamt<br />
m
48<br />
Kirche in Killer: Pfarrer Hüetlin von Hausen i. Kill, berichtet<br />
am 24. Januar 1778 an die bischöfliche Behörde nach<br />
Konstanz: Wie auch der Dekan Bitzenhofen von Ringingen<br />
unterm 16. d. M. bezeuge, sei die Filialkirche in Killer so<br />
ruinös, daß sie unbedingt repariert gehöre, was bei den<br />
spärlichen Mitteln fast unmöglich sei. Die Heiligenpfleger<br />
können kaum die jährlichen Ausgaben aufbringen. Doch<br />
hätten der Pfarrer, die Hechinger Räte und die zwei Pfleger<br />
folgenden Ausweg gefunden: Die Heiligenpflege (fabrica) besitze<br />
13 Jauchert Aecker an entferngelegenen Orten, über<br />
den Bergen drüben, die selten gedüngt und bisweilen 6 bis 9<br />
Jahre wüst liegen gelassen würden, bis sie sich erholt hätten.<br />
Diese Aecker bringen jährlich kaum 18 fl ein. Nun haben die<br />
genannten diese Grundstücke zum Verkauf ausgeboten, in<br />
der Hoffnung, dafür die kirchenamtliche Genehmigung zu<br />
erhalten. Sie hätten 1000 Gulden gelöst mit dem Vorbehalt,<br />
daß auf diesen Aeckern ein unablöslicher Zins in Höhe von<br />
jährlich 50 fl stehen bleibe und die Grundstücke dafür als<br />
Pfand dienen. Hierdurch würden die jährlichen Einkünfte<br />
des Heiligen um 30 fl erhöht und außerdem Mittel zur Reparatur<br />
der Kirche gewonnen. — Die kirchliche Genehmigung<br />
wurde denn auch am 26. Januar 1778 erteilt.<br />
Die Filialkirche Killer verkaufte 1899 das überflüssige<br />
Hochaltargemälde, dessen Rahmen zerstört war (Kreuzigung),<br />
an die Filialkirche Gauselfingen um 15 fl. Der Hochaltar<br />
war erst erneuert worden. Der alte wurde 1934 wieder<br />
aufgestellt. (Registratur Freiburg). Krs.<br />
Ablacher Preise 1749 anläßlich, einer Erbteilung: 1 Knöpfle-<br />
Icessele 2 fl; 1 Waschkessel 3fl; 2 Sperrstrick mit 22 Pfund<br />
2 fl 24 kr; 1 gute Kettinen (Kette) von 14 Pfund 1 fl 34 kr;<br />
1 Vorkette mit 10 Pfund 1 fl 10 kr; 2 Krezeisen zum Wagen<br />
von 8 Pfund 56 kr; 2 Bomstrick zu 12 Pfund 48 kr; 1 Bömennagel<br />
(Bindnagel für Strohband?) 15 kr; 1 Schrotaxt 30 kr;<br />
1 Scheitaxt 30 kr; 1 Beil 10 kr; 1 Pfannenknecht 12kr; 1 Bratpfanne<br />
40 kr; 1 kupfernes Bratpfännle 30 kr; 1 schlechter<br />
Seynapf 10 kr; 1 eiserner Rost 6 kr; große eiserne Pfanne<br />
30 kr; 1 Schaum- und 1 Schöpflöffel 10 kr; 1 Bachspieß und<br />
2 Löfflen 6 kr; 1 Brotmesser 20 kr; 1 Schnellwaage 30 kr;<br />
1 Feuerhund 16 kr; 1 schlechte Winde 4 fl 30 kr; 2 Dängelgeschirr<br />
20 kr; 5 alte Seegessen (Sensen) je 10 Bazen 4 kr;<br />
2 Hauen 40kr; 1 Haumesser 24 kr; 1 Spalter (Wecken zum<br />
Holzspalten) 6 kr; 20 Ehlen Enwerke Tuch zu je 10 kr; 16<br />
Ehlen Reiste Tuch zu je 12 kr; 1 Himmelbettstatt (ohne Bett)<br />
2 fl; 1 Lotterbettstättle 1 fl; 1 Trog 1 fl; 10 Leinstühl (Lehnstühle)<br />
lfl; 1 alte Wasserlägel (Fäßchen) 2 kr; 2 Schmalzkübel<br />
20 kr; 1 Krautstanden 24 kr; 8 Reutern (Siebe) lfl;<br />
2 Habergeschirr —; 1 Deichsel mit dem Öther 2 fl; 1 Pflug<br />
samt Gestell und Egten 1 fl 20kr; 1 zweijähriger Stier<br />
10 fl; 1 alte Kuh 10 fl; 1 jähriges Hagele 5 fl; 1 jähriges Roß<br />
mit doppeltem Geschirr 28 fl; 1 zehnjähriges Roß Hfl; 1 gar<br />
alter Braun 5fl; 1 braune Stute samt Fohlen 24 fl:<br />
2 Schafe samt 2 Lämmern 4fl; 2 Schweine 7 fl; 6 starke Wagen<br />
Heu je 9 fl, (Gutensteiner Amtsprotokoll 1749 ff, Seite<br />
12 f; Schloß Langenstein). Krs.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />
durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />
Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />
zugspreis von DM 1.40.<br />
Vor- und Zunarre<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />
deutliche Schrift wird gebeten<br />
Ueber die Schenken von Stauffenberg brachte Dr. Gerhard<br />
Wunder in „Hohenzollerische Jahreshefte" 1952 und 1954<br />
zwei Arbeiten, denen hier folgendes nachgetragen sei: 1310<br />
sind die Brüder d. (== dominus) Fredericus dictus Schenk<br />
und d. Walterus dictus Schenk als socii des Grafen Friderich<br />
von Zollern auf der Universität Bologna, Italien.<br />
— Auf der Universität S i e n a, Italien, wurden immatrikuliert:<br />
1577, Juli 4. Wernherus Schenk a Stauffenberg Suevus,<br />
Joannes Christopherus Schenk a Stauffenberg und Sebastianus<br />
Schenck a Stauffenberg. 1605, Nov. 6.: Joannes Rudolphus<br />
Schenck a Stauffenberg - 1606, Apr. 20.: Albert Schenck<br />
a Stauffenberg - 1708, Sept. 22.: Filipo Adamo Sigismundo<br />
Schenk liber baro di Stauffenberg - 1733 Francesco Guilielmo<br />
Schenck barone di Stauffenberg, canonico delle chiese<br />
cathedrali di Erbipoli Augusta ed Aichstätt. M. Sch.<br />
Das Zollern-Wappen, von Silber und Schwarz geviertet, ist<br />
allgemein bekannt. Beachtenswert ist, daß es in den Wappen<br />
der bundesdeutschen Landkreise — zur Zeit haben 69 Landkreise<br />
noch kein eigenes Wappen angenommen — zwölf<br />
mal vertreten ist. Im Wappen des Krs. Hechingen wird der<br />
Zollernsehild vom rotbewehrten und -bezungten schwarzen<br />
Adler gehalten, während im Sigmaringer Kreiswappen der<br />
Schildfuß von Silber und Schwarz geviertet ist. Das Zollernwappen<br />
zeigt auch die linke Seite des gespalteten Schildes<br />
im Wappen des Krs. Crailsheim. In den bayerischen Landkreisen<br />
Ansbach, Dinkelsbühl, Ebermannstadt, Hilpoltstein,<br />
Kitzingen, Pegnitz, Rehaus, Schwabach und Uffenheim ist jeweils<br />
e i n Feld des Wappens von Silber und Schwarz geviertet.<br />
Bei den genannten Kreisen weist das Zollerwappen auf<br />
Besitzungen und Rechtstitel der einstigen Burggrafen von<br />
Nürnberg und der markgräflichen Linien zu Ansbach und<br />
Bayreuth hin. M. Sch.<br />
Baufarla (!) sage man angeblich in Burladingen zum Kinderspielball<br />
(Fischer, Schwäb. Wörterbuch Nachtragband 1936<br />
S. 1862). Das ist natürlich ein Irrtum aus Verkennung der<br />
alten Burladinger Aussprache des L., die dem Englischen ähnlich<br />
ist. Vielmehr heißt das Wort „B a u f a 11 a" wie in Onstmettingen.<br />
Starzein, Ringingen, Tuttlingen, Laupheim, Betzenhausen,<br />
während anderwärts die Form „Faubalia", Fuballa,<br />
Faudaballa o. ä. lautet, Dagegen sagt man in Straßberg<br />
„Bauballa", in Freudenweiler „Schuballa (wie auch in Dangstetten<br />
/ Waldshut), in Neufra „R u g b a 11 a". Schuckballa<br />
würde gleich Wurfball sein: Fu-, Fau- (schweizerisch Für-)<br />
Balla sind bei Fischer unerklärt. Doch hält er (II, die Form<br />
Bauballa für die sicher ältere Form, ohne es zu begründen<br />
oder deuten! Ein Bufballa könnte vielleicht gleich Stoß-Ball<br />
sein. Krs.<br />
Alfons Kasper, Kunstwanderungen kreuz und quer der Donau<br />
(-Oberschwaben III) 1964 im Selbstverlag des Verfassers,<br />
Schussenried/Württbg, Abt-Rohrerstr. 12. DM 6.-; 168 Seiten<br />
mit 84 Abbildungen, Ein entzückendes Bändchen, das viel<br />
Freude machen kann. Alle wichtigen Kirchen, Kapellen, Burgen<br />
und Ruinen von Beuron bis Riedlingen sind nach Geschichte<br />
und Kunst behandelt. Abstecher führen nach Stetten<br />
a. k. M., Jungnau, Veringen, Schatzberg, Langenenslingen,<br />
Kreenheinstetten, Meßkirch, Wald, Habstal, Krauchenwies,<br />
Mengen, Herbertingen und die Orte dazwischen.<br />
Berichtigung: Das in H. H. 1964, S. 64 genannte Gugenwald<br />
ist nicht abgegangen, sondern das heutige Gaugenwald<br />
bei Aichhalden im Kreis Calw, trotz WUB II, S. X.<br />
In der Abhandlung: „Die Revolution 1848 in Trillfingen"<br />
von Josef Schäfer in der letzten Ausgabe der „Hohenzollerischen<br />
<strong>Heimat</strong>", ist dem Autor leider ein Fehler unterlaufen.<br />
Der Verfasser schreibt, die Bürgerwehrfahne von Trillfingen<br />
sei die einzige, erhaltene Fahne ihrer Art in Hohenzollern.<br />
Bekräftigt wird diese Meinung durch die Aussage: Oberarchivrat<br />
Dr. Gönner schreibt, daß aus dem Lande ähnliche<br />
Fahnen im Original nicht bekannt sind." Wie mir Oberstaatsarchivrat<br />
Dr. Gönner schreibt, wird hier der Sinn seines<br />
Schreibens an den Verfasser falsch wiedergegeben. Richtig<br />
muß es heißen, daß Herrn Dr. Gönner keine ähnliche Fahnen<br />
im Original bekannt sind.<br />
Die Fahne der Haigerlocher Stadtgarde (Bürgerwehr) ist<br />
ebenfalls noch vorhanden. Sie wurde am 29. Oktober 1848<br />
eingeweiht, wie ich schon in meinem. Aufsatz „Die Haigerlocher<br />
Stadtgarde" in derselben Ausgabe der Hohenzollerischen<br />
<strong>Heimat</strong> vom April schreibe.<br />
Karl Werner Steim<br />
Die Verfasser tragen die Verantwortung für den Inhalt<br />
ihrer Abhandlungen.
Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Rangendingen<br />
25 Y 3828 F<br />
Preis halbjährlich 1.40 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />
Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />
Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1965 \ 15. Jahrgang<br />
Vom Büblein, das nicht sitzen konnte<br />
Der kleine Xaver, Verele genannt, war ein nettes siebenjähriges<br />
Bauernbüblein, als das größte und schönste Ereignis<br />
seines Lebens eintrat. Bis jetzt wars ziemlich armselig verlaufen;<br />
er war der jüngste von acht Geschwistern, und es<br />
ging recht knapp her in der großen Familie. Die Eltern hatten<br />
geheiratet, als der alte Napoleon mit der ganzen Welt<br />
Krieg führte; als seine Franzosen das deutsche Land überschwemmten<br />
und dem Landmann alles Korn wegaßen, das er<br />
mit Mühe und Not gesät und geerntet, alles Vieh, das er aufgezogen<br />
hatte. Als Veri auf die Welt kam, wars ja schon<br />
besser geworden; denn die Franzosen waren längst über den<br />
Rhein zurückgejagt. Aber es sind noch alte Schulden aus der<br />
bösen Zeit auf dem Haus gewesen, und an allen Ecken und<br />
Enden mußte gespart werden.<br />
Der Vater trieb neben der Feldarbeit die Schusterei und<br />
machte seinen Buben rindslederne Stiefel von einer Haltbarkeit,<br />
daß sie keiner zerreißen konnte, sondern daß sie immer<br />
wieder vererbt wurden. Und ebenso erging es mit den Jankern<br />
und Hosen; wenn sie sich dann bis zum Verele heruntergeerbt<br />
hatten, waren sie freilich recht dünn und abgeschabt,<br />
und er hätte schon auch lieber bessere Kleider, wenigstens<br />
für den Sonntag, haben mögen — aber da kannte die<br />
Mutter keine Gnade. — Hunger leiden mußten die Kinder<br />
nicht; das Brot war grob und schwarz, aber genügend, und<br />
ein paar wackere Kühe im Stall gaben die nötige Milch.<br />
Wem das Jahr nicht zu trocken war, gerieten auch die<br />
Grundbirnen in dem magern, steinigen Boden.<br />
Das Dorf Steinhilben, in dem Veri geboren war, lag auf<br />
der Hochebene der Rauhen Alb im damaligen Fürstentum<br />
Hohenzollern-Sigmaringen; eine halbe Stunde davon entfernt<br />
war im Tal ein freundliches Landstädtchen mit einem stolzen,<br />
alten Schloßbau, in dem der fürstliche Rentmeister und noch<br />
ein paar Beamte hausten. Alles in allem eine sehr hübsche<br />
Gegend, viel Wälder und Berge; den Bauern wär' freilich<br />
lieber gewesen, wenn sie mehr ebene Aecker und einen<br />
fetteren Boden gehabt hätten.<br />
Um wieder auf die Familie Jäger zu kommen: alle gediehen<br />
bei der mageren Kost ganz gut, bloß beim Verele<br />
wollte nichts anschlagen, der blieb ein recht schmächtiges<br />
Bürschlein. Aber nett war er mit seinen lustigen braunen<br />
Augen und dabei gescheit — der Herr Lehrer lobte ihn sehr.<br />
Im Sommer 1840 war nun eins große Aufregung im Dorf:<br />
der Landesfürst wollte mit seiner jungen Gemahlin ins<br />
Städtle (wie die Stadt Trochtelflngen kurzweg genannt wurde)<br />
kommen, und die ganze Umgebung sollte ihnen einen feierlichen<br />
Empfang bereiten. Die Frau Fürstin war nämlich gemütskrank;<br />
ihr war vor einem halben Jahr ihr erstes Kindlein<br />
gestorben, und sie konnte sich gar nicht darüber trösten.<br />
Der Fürst hatte schon alles mögliche versucht, um sie aufzuheitern,<br />
aber alles vergebens; kaum der Schatten eines Lächelns<br />
flog mal über ihr Gesicht. Nun hatte er den Gedanken<br />
gefaßt, eine Reise durch das ganze Ländle könnte sie vielleicht<br />
zerstreuen und erheitern — und so stand auch der<br />
Rauhen Alb die Freude des durchlauchtigsten Besuches vor.<br />
Steinhilben, als das stattlichste Dorf der nächsten Umgebung,<br />
hatte die Ehre, einen Festwagen zu stellen, der die<br />
Landwirtschaft versinnbildlichen sollte. Die Trochtelfinger<br />
wollten den Gewerbefleiß darstellen, und nun wetteiferten<br />
die zwei Gemeinden darin, wer den schönsten Wagen zustande<br />
bringen würde. Roggensteins Juliane, die „größte"<br />
Bauerntochter des Dorfes, durfte die Landwirtschaft vorstellen,<br />
und der kleine Veri, der so gut lernte, sollte das Verslein<br />
aufsagen und der Landesmutter einen großen Strauß überreichen;<br />
ein Vorzug, um den er sehr beneidet wurde.<br />
Fast 1 lätte er sich dies Glück verscherzt. Er machte nämlich<br />
bald darauf einen Streich — wenn der aufgekommen oder<br />
nicht so gut ausgegangen wäre, dann hätt's von den strengen<br />
Eltern wohl Prügel gegeben statt der Erlaubnis zum Festredner.<br />
Eines Tages in der Erntezeit war alles auf dem Feld,<br />
und nur Verele mußte daheim bleiben und das Büblein<br />
seiner ältesten, schon verheirateten Schwester hüten, das<br />
noch in der Wiege lag. Eine harte Aufgabe an so einem schönen<br />
Sommertag! Noch härter und langweiliger dadurch, daß<br />
er vor dem Fenster ein paar Schulfreunde spielen und von<br />
dem bevorstehenden Fest reden hörte. Also bei dieser Beratung<br />
mußte der Veri dabei sein, — er war doch die Hauptperson.<br />
Er suchte also einen festen Strick, knüpfte ihn um<br />
das Gitter der Wiege und warf das andere Ende zum offenen<br />
Fenster hinaus. Dann kam er selber auf die Straße zu den<br />
Kameraden und zog während ihres eifrigen Gesprächs immer<br />
langsam am Strick, so daß man die Wiege ganz deutlich<br />
schaukeln hörte. Als aber der Geiselhart Simon eine Behauptung<br />
aufstellte, die nicht stimmte, und Veri in immer größeren<br />
Redeeifer geriet und den Strick immer heftiger anzog —<br />
— bums! da tats einen Krach und Fall, und zugleich hörte<br />
man das Wickelkind kläglich schreien. Die pflichtvergessene<br />
Kindsmagd, der Veri, hatte die Wiege samt dem Würmlein<br />
umgeworfen! Wie aber der ins Haus gesaust ist! Zum Glück<br />
hatte sich das Kind doch nichts getan, bloß das Näschen ein<br />
wenig aufgeschürft; kleine Kinder haben eben einen wakkeren<br />
Schutzengel! Und so ist die böse Geschichte für beide<br />
Teile gut abgelaufen. Auch später zeigten sich keine schlimmen<br />
Folgen. Der kleine hinausgeworfene Peter wurde ein<br />
himmellanger, stämmiger Mann und mit der Zeit sogar Bürgermeister<br />
von Steinhilben und bewies als solcher bei jeder<br />
Gelegenheit, daß er durchaus nicht auf den Kopf gefallen war.<br />
Immer näher kam der Tag des fürstlichen Besuchs, der 15.<br />
September. Nun galt es, die Kostümfrage zu erledigen. I ^ß<br />
Veri mit dem abgewetzten Hösle seiner älteren Brüder nicht<br />
als Genius der Landwirtschaft auftreten und den Spruch<br />
sagen konnte, war ja klar; er mußte eine schöne, neue Ledf<br />
hose haben mit gestickten Trägern. Aber die Mutter wollte<br />
von einer Ausgabe nichts hören; sie wußte schon, warum.<br />
Ging also mit ihrem Jüngsten zum Säcklermeister ins Städtle<br />
und bat ihn, ob er für den Ehrentag ihres Verele nicht ein<br />
Lederhösle leihen wolle; der Bub müsse schon recht acht<br />
geben darauf.<br />
Gern tat's der Säckler nicht, aber schließlich lieh er doch<br />
eine nagelneue tiefschwarze Lederhose mit grüner Stickerei<br />
her, schärfte aber der Jägerbrigitt ein, er nehme sie nur<br />
ganz unbeschädigt zurück. Gut weit waren sie dem mageren<br />
Veri schon; doch das machte ja weiter nichts. Unterm Knie<br />
konnte man sie durch Versetzen der Knöpfe ganz schön anschließend<br />
machen. So war auch diese schwierigste Frage gelöst.<br />
Aber man kann sich denken, wie dem Veri ans Herz<br />
gelegt wurde, daß der Hose ja nichts passieren dürfe.<br />
Der 15. September war herangekommen, glühheiß, wolkenlos.<br />
Schon in aller Frühe hatte man den geschmückten Brükkenwagen<br />
ins Städtle gefahren; da, wo die Straße von Steinhilben<br />
neben dem Trochtelfinger Friedhof umbiegt und über<br />
die Brücke geht, wurde er vollends hergerichtet und mit<br />
seinem lebenden Inhalt beladen. Vorn stand die rotbackige<br />
Juliane in ihrem schönsten Sonntagsstaat mit Aehrenkranz<br />
und Sichel als „Landwirtschaft"; ihr zu Füßen saß auf einem<br />
Schemel das frischgewaschene, blitzsaubere Verele als Genius<br />
mit seinem mächtigen Buschen von Feldblumen und<br />
Halmen. Und über die beiden spannte sich eine dicke Girlande<br />
von Obst, besonders von Zwetschgen. Weiter hinten auf<br />
dem Wagen saßen und lagen dann noch allerlei andere Steinhilber<br />
Kinder, jedes mit irgendeinem landwirtschaftlichen<br />
Gerät in der Hand. Der Heinzelmann hatte eine Mistgabel,<br />
die war dreimal so lang als er selber. Der Stolz!
:(50<br />
Es war ein sehr hübsches Bild, und die Leute mußten alle<br />
sagen, daß der Trochtelfinger Wagen „nicht daran hinkommt".<br />
Langsam fuhren sie durch die Hauptstraße des Ortes, bis<br />
das Rathaus in Sicht kam, vor dem die Begrüßung st ttfinden<br />
sollte. Schon während der Fahrt über das niederträchtige<br />
Straßenpflaster der Stadt Trochtelfingen merkte der Veri,<br />
dem die steife Lederhose hinten wie der Schnabel an einem<br />
Milchkännle weit abstand, daß ihm von obe i was in diese<br />
Oeffnung hineinfiel, was Rundes, Kühles, Weiches. Beim<br />
zweitenmal hatte er keinen Zweifel mehr; — es mußte eine<br />
Zwetschge aus dem Fruchtkranz sein, die sich wahrscheinlich<br />
infolge der Hitze und des Geholpers losgelöst hatte. Und so<br />
ging's noch gut ein dutzendmal; auch über die „Landwirtschaft"<br />
purzelten etliche Zwetschgen; aber die fielen ruhig<br />
zu Boden, während sie gerade bei ihm so einen günstigen<br />
Platz zum Verstecken fanden. Eine nette Geschichte! Veri<br />
traute sich gar nimmer zu schnaufen, damit er ja keine zerdrücke.<br />
Er hatte ja die kostbaren entlehnten Hosen an, denen<br />
nichts geschehen durfte. Das hieß man: „Auf glühenden<br />
Kohlen sitzen."<br />
Auf einmal krachten Böller, von der Schloßseite her trabte<br />
das Viergespann des fürstlichen Wagens und rollten die Kutschen<br />
der Hofdamen und -herren. Sie hielten am Rathaus,<br />
begrüßt in einer Ansprache des Bürgermeisters, von der<br />
Geistlichkeit, den Beamten und Stadtverordneten. Die hohen<br />
Herrschaften stiegen aus, und der Fürst unterhielt sich leutselig<br />
mit seinen Untertanen; aber die Augen der Fürstin<br />
blickten traurig und teilnamslos ins Leere. — Veteranenschützen<br />
zogen vorbei und sdirien „Hoch"; und dann kam<br />
der Glanzpunkt, die zwei Festwagen: der Trochtelfinger Gewerbefleiß<br />
und die Steinhilbener Landwirtschaft. Der Veri<br />
wurde von seinem Lehrer heruntergehoben, und dabei senkte<br />
sich die süße Last hinter seinem Rücken in die Tiefe. Gut,<br />
daß die Hosen am Knie zugeknöpft waren, sonst wären die<br />
Zwetschgen unten durchgerutscht!<br />
So konnte er nun doch mit Ehren vor die Landesmutter<br />
treten und machte die anbefohlene Verbeugung. „Tiefer!"<br />
sagte der Herr Lehrer hinter ihm; aber der Veri dachte sich:<br />
„Du hast gut reden! Wenn ich mich stärker bücke, verdrück'<br />
ich sie ja!"<br />
Dann stellte er sich stramm und sagte herzhaft sein<br />
Sprüchlein:<br />
Hohe Herrschaft! Durch das Ländle<br />
fahrt ihr jetzt in eurem Wagen,<br />
und die treuen Untertanen<br />
freuen sich, gar nicht zu sagen.<br />
Jeder eilt vergnügt herbei,<br />
daß er Hoch und Vivat schrei'.<br />
Holde Fürstin! Nimm denn gütig<br />
diesen Strauß aus meinen Händen;<br />
möge Gott dir so viel Freuden,<br />
als ich Blumen bringe, spenden,<br />
als euch grüßt in Fleiß und Kraft<br />
eurer <strong>Heimat</strong> Landwirtschaft!<br />
Die hohe- Frau nahm seinen Strauß wirklich gütig entgegen<br />
und sah dem netten, frischen Büblein in die freundlichen<br />
Augen. Hatten sie Aehniichkeit mit denen ihres toten Prinzleins?<br />
Ich weiß es nicht — aber plötzlich beugte sich die feine<br />
Dame in ihrem duftigen, weiß und schwarz getüpfelten Kleid<br />
herunter und küßte den kleinen Veri herzlich auf den Mund.<br />
Der stand ganz starr; so was war ihm noch nie vorgekommen!<br />
Denn auf dem Land ist das Küssen nicht üblich; wenn<br />
ein Kind mal über das erste Jahr hinaus ist, hat die<br />
„Schmatzerei" ein Ende. Gar erst von einer fremden Dame!<br />
Eilfertig fuhr der Veri mit dem Hemdärmel über sein rotes<br />
Cöschl und wischte den fürstlichen Kuß ab. Und da mußte<br />
die junge Durchlaucht doch wirklich ein bißchen lächeln;<br />
denn so etwas war ihr auch noch nie vorgekommen! —<br />
Sie nahm den Buben bei der Hand und nun ging alles<br />
in den Rathaussaal, wo die hohen Herrschaften von der Stadt<br />
bewirtet wurden. Auch für die übrigen Festgäste war gedeckt,<br />
und die Kinder hatten einen eigenen geschmückten Tisch, auf<br />
dem mächtige Kuchenberge standen, und von dem es wunderbar<br />
nach etwas roch, was damals in diesen Kreisen noch<br />
etwas sehr Festtägliches war — nach echtem Kaffee.<br />
Die Landesmutter hatte den Veri losgelassen, damit er sich<br />
ein Plätzlem am Tisch suchen könne. Aber — da stand nun<br />
der arme Tropf und wußte sich keinen Rat. Das hätte ja ein<br />
Unglück gegeben, wenn er sich auf die anderthalb Dutzend<br />
Zwetschgen in seiner Hose gesetzt hätte! Dabei hatten sich<br />
aber die andern schon gierig über Kaffee und Kuchen herangemacht,<br />
und ihm ließen sie gewiß nichts mehr übrig! Wie<br />
ein Häuflein Elend stand er im Saal, und die hellen Tränen<br />
liefen ihm über die roten Backen.<br />
Die Fürstin hatte von ihrem Sitz aus den Blick gerade auf<br />
den Kindertisch frei und sah das Verele stehen und weinen.<br />
HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Sie sagte was zu ihrem Gernahl, und der führte sie heran<br />
und sprach zu Veri: „Ja, Büble, warum setzt du dich nicht<br />
nieder und ißt mit?"<br />
Eine peinliche Frage! Aber die schönen blauen Augen der<br />
hohen Frau blickten so gütig, daß der Veri sich ein Herz<br />
faßte und seinen Jammer bekannte. „Ja, woisch, Frau Fürsehtin",<br />
sagte er, „i kann mi net hinsitze; in han's Hösle voller<br />
Zwetschga!" Er langte mit der Hand nach seiner Rückseite<br />
und krabbelte ein paar von den Unglücksdingern aus den<br />
Abgründen seines Lederhösles heraus. Gottlob, sie waren<br />
noch heil und ganz; es hatte noch keine Flecken gegeben!<br />
Der Fürst mußte hellauf lachen, und horch, wie ein silbernes<br />
Glöcklein klang auf einmal das Lachen der jungen<br />
Frau darein, das man schon lange nicht mehr gehört hatte.<br />
Und die Hofgesellschaft, die die Heiterkeit ihrer Herrschaft<br />
sah, lachte gleichfalls mit, im Anschluß daran die übrigen<br />
Gäste, sogar der gestrenge Herr Rentmeister, der noch viel<br />
vornehmer war als der Fürst.<br />
Der letztere konnte vor Lachen fast nicht 'rausbringen:<br />
„Ja, Büble, wie kommen auch die Zwetschgen da hinter?"<br />
„Dia send runtergfalla von der dumma Girland und grad<br />
in mei Hos nei. Und i derf doch koane verdrucka, weils<br />
Hösle net mir ghört; dös hammer verdlehnt (haben wir entlehnt!)",<br />
sagte Verele treuherzig und rief damit einen neuen<br />
Ausbruch der Heiterkeit hervor; auch die „Frau Fürstin"<br />
lachte aus vollem Halse mit und wunderte sich selber, daß<br />
sie's noch so konnte. Dann zog der Fürst, der überglücklich<br />
war über die Fröhlichkeit seiner Gemahlin, seine Börse,<br />
schenkte dem Veri einen blitzenden goldenen Dukaten und<br />
sagte: „Nein Verele, das schöne Hösle sollst du nimmer hergeben<br />
müssen, sondern zum Andenken an den heutigen Tag<br />
behalten. Sag nur der Mutter, sie soll's kaufen!" Veri hatte<br />
aber den Säcklermeister unter den Stadtverordneten gesehen,<br />
und weil er seiner Mutter nicht recht traute, wollte er als<br />
kluger Mann die Geschichte gleich in Ordnung bringen und<br />
sagte daher zum Fürsten: „Der Säckler sitzt da drüba; darf<br />
i's dem glei abkaufa?" Man holte den Meister herbei, und<br />
Verl wollte ihm das Geldstück für die Hose geben. Der<br />
wußte aber auch, was sich gehörte: „Nei, Büble", sagte er,<br />
„das Geld b'halt du no; i schenk dir dös Hösle."<br />
Da klopfte ihm der Fürst auf die Schulter und nannte ihn<br />
einen wackeren Mann, bestellte auch bei ihm eine Lederhose<br />
für die Jagd. Und die Hofherren folgten dem fürstlichen<br />
Beispiel, so daß der Säckler noch ein ganz gutes Geschäft bei<br />
der Sache maente. Und die Ehre hatte er obendrein!<br />
So war alles froh an der fürstlichen Tafel; am glücklichsten<br />
aber das Verele. So eine wunderschöne Hose hatte er jetzt<br />
statt der ewigen abgetragenen von seinen Brüdern und dazu<br />
ein Goldstück, wie er noch nie eins gesehen hatte und Vater<br />
und Mutter gewiß auch nicht. Und dann — endlich durfte er<br />
hinausgehen und an einem verschwiegenen Ort die Malefizzwetschgen<br />
ausleeren. So einen Grimm hatte er darauf, daß<br />
er sie nicht einmal aufaß!<br />
Desto besser ließ er sich dann Kaffee und Kuchen schmekken;<br />
die gute Fürstin hatte dafür gesorgt, daß man ihm noch<br />
was übrigließ. Und als die hohen Herrschaften wieder wegfuhren<br />
und alles aus Leibeskräften „Hoch" schrie, da winkte<br />
sie dem Verele, der sie wieder zum Lachen gebracht hatte,<br />
mit ihrem seidenen Sonnenschirmchen noch so lange zu, bis<br />
der Wagen hinterm Schloß verschwunden war und auf der<br />
Straße nach Hennenstein weiterrollte.<br />
Das war also Veris großer Tag gewesen!<br />
Wollt ihr noch weiteres von seinem Ergehen hören? Ein<br />
Bauer ist er nicht geworden, dazu war er den Eltern zu<br />
schmächtig! und weil er doch so gut lernte, gab man ihn im<br />
Städtle in eine Kaufmannslehre. Er ist in der Folge weit in<br />
der Welt 'rumgekommen; schließlich hat er sich in einer<br />
kleinen bayerischen Stadt ansässig gemacht und ist da ein<br />
recht geachteter und beliebter Bürger geworden, der als Magistratsrat<br />
bei manchen feierlichen Empfängen beteiligt war.<br />
Es hat ihn aber keine Fürstin mehr geküßt.<br />
Sein Dukaten hat ihn durchs ganze Leben begleitet; erst<br />
im letzten Krieg, als er schon ein uralter Herr mit schneeweißen<br />
Haaren, aber immer noch freundlich braunen Augen<br />
war, und als das Vaterland das Gold seiner Bürger brauchte,<br />
hat er die Münze hergegeben. Aufhalten hat er das Elend<br />
damit freilich auch nicht mehr können. Aber der liebe Gott<br />
hat ihm die Gnade erwiesen, daß er den Zusammenbruch<br />
nicht mehr erleben mußte.<br />
Jetzt ist er wohl im Himmel; vielleicht hat er da seine<br />
ehemalige Landesmutter wieder getroffen, und sie haben zusammen<br />
noch einmal gelacht über das kleine Abenteuer mit<br />
den Zwetschgen.<br />
Und wißt ihr, wer das Verele war? Mein lieber Vater<br />
war's! Und wenn meine Brüder und idi recht artig waren,<br />
hat er uns zur Belohnung immer wieder das Geschichtlein<br />
erzählen müssen vom Büble, das nicht sitzen konnte.<br />
Auguste Salzmann.
Jahrgang1965 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 51<br />
(Anmerkung: Die obige Erzählung stand bereits im Heft<br />
1 des ersten Jahrganges der <strong>Heimat</strong>zeitung. Diese Nummer<br />
war rasch vergriffen und gelangte nicht in alle Schulen.<br />
Oberlehrer Widemann (heute in Sigmaringen, früher in Steinhilben.)<br />
schrieb dazu: Der Vater dieses Bübleins stammt von<br />
Steinhilben, und auch das Büblein war ein Steinhilber Bub:<br />
Verele Jäger. Auguste Salzmann, die Verfasserin des Stückes<br />
und Tochter dieses Xaver Jäger war eine Verwandte von<br />
Frau t Juliana Geiselhart geb. Pfeffer. Durch mich kam die<br />
Erzählung s. Zt. ins Lesewerk des Kath. Lehrervereins und<br />
war im sogenannten <strong>Heimat</strong>band abgedruckt. Von dieser<br />
Erzählung sagte der damalige preußische Kultusminister von<br />
Studt anläßlich eines Besuches in Sigmaringen, daß diese das<br />
schönste Lesestück des Lesewerkes sei.)<br />
Aus der Geschichte des Nikolausmarktes in Haigerloch geplaudert<br />
Die Märkte waren auch in unserer engeren <strong>Heimat</strong> bis in<br />
das 20. Jahrhundert herein wirkliche Feiertage für Stadt<br />
und Land. Ein bestimmter Höhepunkt bildete für unsere<br />
engere <strong>Heimat</strong> der Nikolausmarkt in Haigerloch, der sich<br />
bis in unsere Zeit herein erhalten hat. Wann eigentlich die<br />
ersten Märkte abgehalten wurden, können wir heute nicht<br />
mehr mit bestimmter Sicherheit sagen. Eines ist jedenfalls<br />
sicher, und das bezeugt auch Franz Xaver Kodier in seinem<br />
Buch über die Geschichte des Oberamts Haigerloch, daß die<br />
Stadt Haigerloch schon sehr früh das Marktrecht besaß.<br />
Schon im Jahre 1551 ist von einem Jahrmarkt die Rede,<br />
und das Stadtbuch aus diesem Jahr enthält Bestimmungen<br />
über die Durchführung des Marktes. Während wir zunächst<br />
nur von einem Jahrmarkt hören, sind es im 17. und 18. Jahrhundert<br />
bereits zwei, und zwar zu Bartholomä und Nikolaus,<br />
während später noch der sogenannte Fasnetmarkt hinzukam.<br />
Zusammen also drei Krämer-, Vieh- und Schweinemärkte,<br />
die in Handel und Wirtschaft der Stadt und Umgebung<br />
eine große Rolle spielten und das ambulante Gewerbe<br />
aus der näheren und weiteren Umgebung, wie die Bevölkerung<br />
von Stadt und Land zu einem bunten Leben und Treiben<br />
auf dem Marktplatz vereinigten. Haigerloch hatte einen<br />
der schönsten Marktplätze im weitesten Umkreis, und man<br />
hat nicht zu Unrecht sich mit der Verlegung des Marktes in<br />
den Stadtteil Haag nie recht abfinden können. Denn vor der<br />
fast mittelalterlich anmutenden Kulisse des Stadtbildes der<br />
Unterstadt mit ihren alten, schmucken Wirtshausschildern<br />
und Gaststätten hatte der Markt immer etwas Reizvolles<br />
an sich, das ihm eigentlich auf dem neuen Platz völlig fehlt.<br />
Bekannt ist das lange Ringen der Haigerlocher Stadtväter<br />
um eine geeignete Lösung der Marktplatzfrage, nachdem<br />
verkehrspolizeiliche Bedenken gegen die Abhaltung auf dem<br />
Marktplatz auftraten. Es gab damals sogar Stimmen, die<br />
einer Aufhebung der Märkte das Wort sprachen. Andererseits<br />
— und diese Auffassung war zweifellos richtig — wurde<br />
von maßgeblicher Seite darauf hingewiesen, daß das Marktrecht<br />
als altes Privileg der Stadt unbedingt erhalten werden<br />
müsse.<br />
Der Markttag war, wie uns erst dieser Tage ein alter<br />
Haigerlocher erzählte, schon im vergangenen Jahrhundert ein<br />
Festtag für Stadt und Land. Rudelweise kam die Landbevölkerung<br />
nach Haigerloch, und der Nikolausmarkt zog seine<br />
Kreise bis in den Kreis Tübingen. Schon Wochen vorher<br />
freuten sich Kinder, Bäuerin und Bauer samt Gesinde auf<br />
den „Markt". Es war Brauch, daß an diesem. Tage alles<br />
seinen „Märktkromet" erhielt. Dies war bei der Bäuerin und<br />
bei der Magd je eine Schürze, der Knecht eine Hose oder<br />
Mütze und für die Kinde • zumeist etwas Leckeres. Kam also<br />
der Tag heran, wurde schon sehr früh gegessen, und dann<br />
stürzte man sich ins „Sonntagshäs", um Haigerloch zuzumarschieren.<br />
Wer einen Landauer besaß, war noch glücklicher<br />
daran. Fröhlich wurden Freunde und Bekannte begrüßt<br />
und zuweilen immer wieder mal ein Knecht oder Bauer<br />
überholt, der eine Kuh, Kalbin oder ein Rindle zum Markt<br />
führte. Dort sah man sich zunächst um, ob der Hannes, der<br />
Christian, der Ludwig vom Nachbarort auch gekommen<br />
waren, ging mit ihnen gemeinsam auf den Schweinemarkt,<br />
wo gefeilscht und gehandelt wurde, daß es eine Art hatte.<br />
Man mußte sich ja wieder den neuen Specksamen in Form<br />
von zwei Milchschweinen erstehen. Freilich war der Handel<br />
nicht gleich perfekt. Der Käufer lief weg und kam wieder.<br />
Der Verkäufer verrenkte sich die Augen vor Bedauern, daß<br />
er nicht mehr weiter zurückkönne und dies bei seinem<br />
Seelenheil der äußerste Preis sei. Und dann ging er doch<br />
noch zurück, weil er eben ein guter Mensch sei und nach<br />
dem Grundsatz „leben und leben lassen" handle. Auf dem<br />
Viehmarkt war es nicht anders. Da wurden all die guten<br />
und schlechten Merkmale einer Kuh oder Kalbin — „wie<br />
lang trait se, was ka se?" — unter die Lupe genommen und<br />
mancher Trick entlarvt. Der Handschlag war das Dokument<br />
des Verkaufs, und er galt früher mehr als heute ein Schrift-<br />
von Josef Schneider<br />
stück. Natürlich folgte der Umtrunk im Gasthaus, wo sich<br />
der Verkäufer nicht lumpen, lassen durfte. Früher ging es<br />
hierbei gleich nebenan in das Gasthaus zur Traube, der<br />
heutigen Bolzfiliale bei der St. Annakirche — der Marktplatz<br />
war im heutigen Stadtgarten — um den, Kauf vollends<br />
ins reine zu bringen. Dort saß man dann zuweilen lange,<br />
und vor allem den Gruoler und Weildorfer Marktbesuchern<br />
scheint es dort immer besonders zugesagt zu haben, wenngleich<br />
sich spät abends die Mondstupfer und Storchen noch<br />
die Köpfe blutig schlugen,. Das, hat es früher immer wieder<br />
mal gegeben, und wenn es nur wegen einer Dorfschönen<br />
war. Indessen ging in der „Sonne" der Taubenmarkt vonstatten.<br />
Sackweise wurden die Tauben zu einem Stückpreis<br />
von 15—20 Pfg. gekauft, um die darauffolgenden Tage in<br />
die Bratpfannen zu wandern.<br />
Indessen gingen Bäuerin, Kinder und Mägde zum Krämermärkt.<br />
Was erstand man sich alles dort? Nun, die Bauern<br />
brauchten eine neue Goaßel (Peitsche), ein Paar Schuhe, ein<br />
Paar Hosen. Ein neues Sackmesser wurde gekauft, während<br />
die Bäuerin sich die in Brüche gegangene große Ton-Suppenschüssel<br />
neu zulegte. Manch, andere Küchen- und Haushaltsgegenstände<br />
oder Kleidung kaufte man sich wieder auf dem<br />
Markt, und als Kinder hing man halt der Mutter am Rockzipfel,<br />
verlangte Magenbrot, das schon immer als das Höchste<br />
der Gefühle für Kinder galt. War man, ganz gut dran, fielen<br />
auch noch ein Paar Schuhe, eine warme Mütze für den<br />
Winter oder ein kleines Spielzeug ab. Junge Liebespaare,<br />
der Heiner aus Weildorf und die Bärbel aus Trillflngen, die<br />
sich auf dem Markt ein Stelldichein gaben, erlebten natürlich<br />
den Markt auf ihre Weise. Zuweilen wurde nach Gegenständen<br />
für den künftigen Hausstand umgeschaut oder in<br />
Mock's Laden die erste Aussteuer erstanden. Ja, Mock's<br />
Laden, das heutige Textil- und Bekleidungshaus I. B. Mock<br />
stand zuweilen dichtgedrängt voll, wie überhaupt Haigerlochs<br />
Geschäftswelt die Märkte immer mit einem gewissen Wohlbehagen<br />
verfolgt hat. Das, kennzeichnet die Tatsache, daß<br />
gegen 16 Uhr die Geschäfte geschlossen wurden und die<br />
Geschäftsinhaber ebenfalls z,'Märkt gingen. Sie fanden sich<br />
in Häuflein und Gruppen zusammen, trafen sich im Dreikönig,<br />
im Schwanen, im Hecht oder Adler und machten<br />
durch bis hinauf in die Oberstadt. 3—4 Schlachtplatten hat<br />
mancher in kurzer Zeit „verdruckt", und der besseren Ehehälfte<br />
schob man eine Bratwurst in die Tasche, damit sie<br />
auch etwas habe. Ja, dieser Marktschoppen hatte immer<br />
etwas an sich. Man traf dort all die lieben Bekannten von<br />
Stadt und Land. Die Dottebäs, der Vetter, der Tochtermann<br />
aus dem Nachbardorf, sie alle gaben sich jetzt ein Stelldichein.<br />
Alles wurde durchgehechelt, was in der Verwandtschaft<br />
und Bekanntschaft sich zugetragen, hat, und zuweilen wurden<br />
auch Heiratspläne geschmiedet und Partien ausgemacht.<br />
Denn früher, versteht sich ja, heiratete man nach dem Reichtum.<br />
Liebe stand an zweiter Stelle. „Hauptsach ischt, daß des<br />
Sach zemmakommt", sagten, die Bauern, und die dicke Uhr-<br />
Haarkette am Leible wippte dabei, als ob sie einen Schwur<br />
tun müßte. Zur gleichen Zeit trafen sich im „Hirsch" die<br />
Knechte und Mägde der ganzen Umgebung in heiterer Stimmung<br />
bei Tanz, sauren Kutteln und Bratwurst. Mit einer<br />
Mundharmonika wurde zum Tanz aufgespielt: Heut isch<br />
Bündeletag, heut ist mei Zeit, heut leck mich der Herr am<br />
A . .., morga sei Weib, so sangen und schrien sie immerfort,<br />
waren, heiter und fidel. Schon bei dieser Gelegenheit wurden<br />
Knechte und Mägde für das kommende Jahr gedungen, Zu<br />
später Abendstunde torkelte mancher heimwärts und freute<br />
sich schon auf den nächsten „Märkt". Am Nikolausmarkt hat<br />
sich bis heute noch nicht viel geändert, wenn auch das<br />
Brauchtum, das sich um ihn rankte, erloschen ist. Gerne aber<br />
ersteht man noch den Marktkrom, trifft sich mit Bekannten,<br />
und über allem liegt auch heute noch ein Abglanz der Romantik<br />
jener Tage, die hereinstrahlt bis in unsere Zeit.<br />
Unsere Kinder freuen sich auch heute noch, wenn der Vater<br />
oder die Mutter sie mitnehmen „uff de Märkt".
:(52 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Das Heiligkreuz-Mirakel von Hechingen<br />
Es gibt zahlreiche Erzählungen über geschändete Christusbilder;<br />
schon früh taucht das Motiv auf, das Kruzifix habe<br />
nach der freventlichen Tat geblutet. 1 )<br />
Auch hierzulande ist dieser Legendentypus recht verbreitet,<br />
und nur selten fehlt die Angabe über die Strafe, die den<br />
Frevler ereilt hat. Der Bösewicht, der bei Ellwangen einmal<br />
in ein Kreuz hieb, blieb daran hängen, und einem anderen,<br />
der sich im Zorn zur gleichen Tat verleiten ließ, ging der<br />
Schwerthieb ins eigene Schienbein. 2 ) Der Reiter, der auf ein<br />
Kruzifix zwischen Kappeln und Dürnau schoß, versank mitsamt<br />
seinem Pferd im Boden, 3 ) In Erisdorf schoß ein<br />
Schwede auf den Herrgott unter der Dorflinde, worauf er<br />
gleich versank und wieder ausgegraben werden mußte. Er<br />
starb daraufhin eines jähen Todes (so meinten die einen)<br />
oder aber erst (so meinten die andern), nachdem er sich<br />
bekehrt hatte. 4 ) Und das Pferd jenes Franzosen, so wird<br />
aus Ehingen berichtet, der mit seiner Pistole auf ein Kruzifix<br />
zu schießen gewagt hatte, sei über die Brücke hinabgesprungen,<br />
der Reiter aber sei nicht mehr gesehen worden. 5 )<br />
Die Erzählung über die Entstehung der Wallfahrt zum<br />
„geschossenen Christus" in Geisingen ist in zwei Berichten<br />
aus dem 18. Jahrhundert fixiert. Als die schwedischen Truppen<br />
1633 durch das Städtchen marschiert seien, so heißt es<br />
in einer der Niederschriften 6 ), habe „Einer hinten nachreitendt<br />
sein Bistohl außgezogen, aufschreyendt: Halt Du!<br />
mithin in die Stürne der am Creutz hangendten Bildnuß<br />
Christi mit einer Kugel (welche man heut zu Tag noch klar<br />
sichtet) geschossen ..." worüber ein schwedischer Reutter<br />
diesen Bößwicht gefraget warumb er auf das Cruzifix<br />
schieße? Der geantwortet hatte: ,Seye ja nur Holtz' so dann<br />
der gottlose Reuter abseiths gegen Baldinger Espa sich<br />
wendendt auf der sogenannten Brachwieß blinder vom Pferd<br />
gefallen, auch gleich des gäben Todts gestorben wäre .. ." 7 )<br />
Wird hier die Tat mit der anderen Konfession des Täters<br />
motiviert — denn die Mitteilung seiner Antwort (das Bild sei<br />
ja totes Holz) soll ein Hinweis auf eine Zugehörigkeit zur<br />
protestantischen Konfession sein —, so erscheint die ruchlose<br />
Tat in anderen Versionen als Racheakt: aus Zorn über sein<br />
Unglück beim Würfelspiel sticht ein Mann mit dem Messer<br />
auf ein Kruzifix bei Mund&rkingen ein mit den. Worten:<br />
„Maria, deinen Sohn will ich ermorden!" Aus der Wunde<br />
fließt daraufhin Blut. 8 )<br />
Aehnlich ist eine Erzählung aus Altshausen. Zwei spielten<br />
um ihr Geld, der eine in Teufels, der andere in Gottes Namen.<br />
Der sein Vertrauen auf Gott gesetzt hatte, verlor und<br />
schoß in seinem Zorn auf ein Kruzifix, welches zu bluten<br />
anfing. Der Frevler versank augenblicklich bis zum Hals in<br />
die Erde und nahm sich selbst das Leben, nachdem ihn ein<br />
Priester befreit hatte. Das Loch aber ließ sich nicht auffüllen.)<br />
9<br />
Die Ursprungslegende der Heilig-Kreuz-Kapelle bei Altshausen<br />
unterscheidet sich nur in einem (freilich recht wichtigen)<br />
Punkt von diesem Bericht: das Motiv für die Untat<br />
ist hier der Glaube, der Schuß auf das Kruzifix mache den<br />
Schützen unfehlbar. „Der Schuß gilt ähnlich wie die Schändung<br />
des Kreuzes durch die Hexen als der Vollzug eines<br />
Paktes mit dem Teufel. . ," 10 ) Dies kommt in dem Bericht<br />
„Vom Uhrsprung, Anfang, Aufbau und Weyhung der heiligen<br />
Kreuz-Kapellen etc. bei Altshausen" zum Ausdruck,<br />
den Anton Birlinger und Michel Richard Buck zugänglich<br />
gemacht haben: 11 )<br />
„Nach der Gnadenreichen Geburth Jesu Christi deß Sohnes<br />
Gottes, und Seligmachers der ganzen Welt, im 1617 Jahr, ist<br />
geschehen, daß Wunder-Zeichen, welches noch Manniglich<br />
hierum bekannt und sehr wohlbewußt ist, nämlich, da ein<br />
sehr gottloser Mensch in dieser Nachbarschaft bewohnt gewesen,<br />
welcher aus Eingeben des Teufels und Rath der<br />
Schwarz-Künstlerischen Schützen (um Verbother Kunst im<br />
Schüssen zu erlangen, täglich 3 gewisse Schüze zu haben.)<br />
Sich soweit hat Verführen lassen, das er 3 Samstage Abends<br />
unterm Geläut aller Glocken, für die Christ Gläubige Seelen<br />
im Fegfeuer, Alhier nach dem Bildniß am Kreuz geschossen,<br />
zwar am ersten, am andern Samstag das Bild gefählet, aber<br />
am 3ten Samstag zwo Kugeln mit solchem Teuflischen Vorsaz<br />
geladen, da er die Bildnuß verlezen wolle, wan gleich<br />
Christus der Sohn Gottes selbst Leb- und Wahrhaft da<br />
hangen solte! Also Zihlete er nach dem Herzen, Schoß, und<br />
trafte mit den zwo Kugeln die Bildnuß Christi am Kreuz,<br />
unter der Seiten-Wunden: Welche Schußwunde sich gleich<br />
Fleisch- und Blut-Farb erzeigete, und der böse Mensch alsbald<br />
mit beiden Füßen in die Erde gesunken, seine Verfluchte<br />
Fußtritt den Menschen zur Warnung und Gedächtnuß<br />
verlassen."<br />
von Martin Scharfe<br />
Dasselbe Motiv findet sich in der Legende von der Entstehung<br />
der Heiligkreuzkapelle bei Hechingen. Die älteste erhaltene<br />
Fassung scheint der Bericht zu sein, der in der Zimmerischen<br />
Chronik überliefert ist. Dort heißt es: 12 )<br />
„Es hat der alt graf Jos Niclas von Zollern, den man nur<br />
den Naterer von wegen seines schwurs genempt, ain trewen<br />
und lieben diener gehapt, Wilhalm gehaisen, ist sein raisiger<br />
knecht gewest und eines erlichen burgers geschlechts.<br />
Der hat uf ain zeit heren sagen, oder vileucht hat ers also<br />
gelesen, wann ainer in der carwochen die vier passion here<br />
uf ainem bain stände, dieweil die gelesen werden, und nachgends<br />
mit ainem bogen (dann selbiger zeit die handtbüchsen<br />
nit im gebrauch) drei schütz in ain crucifix thue, so künde<br />
er hernach mit solchem pfeil kain schütz mer feien, sonder<br />
treff, was er begere oder darnach er abziele. Dise kunst hat<br />
herr Wilhalm bei ime betrachtet und erwogen, so es im geraten,<br />
das er seins schiesens in neten möcht gewiss sein,<br />
seitmals der zeit ain grosse reiterei in allen landen, was für<br />
ain nutzer diener er seinen herren sein wurde etc. Darumb<br />
hat er ime entlichen fürgenomen, das zu probieren. Wie nur<br />
die nechst carwochen herzu geruckt, do hat er die vier passion<br />
in der kürchen zu Stetten im closter gehört, alles uf<br />
ainen, bin stehendt, wie dann die verflucht kunst hat ussgewisen<br />
Darnach ist er ingehaim hinauss gangen an das ort,<br />
do iz die capl steht, zum hailigen Creuz genempt. Dozumal<br />
ist aber nur ain bildstecklin alda gewest mit ainem creuz<br />
und ainem salvatcr daran. In diesem crucifix hat er mit<br />
seinen pfil dreimal geschossen. Wie er aber den dritten<br />
Schutz gethon, da hat das bild am crucifix anfahen reulichen<br />
zu schwaissen, auch hat er den pfeil nit mer künden gewinnen.<br />
Do hat in ain angst und ain forcht umbfangen und<br />
allererst, gleichwol zu spat, betrachtet, was er gethan hab.<br />
Darum ist er ganz geschwaift, mit großem kommer haimgangen<br />
und soll darzu geschwiegen. Selbiges tags het es sich<br />
ongefert gefüegt, oder ist villeucht user sonder fürsehung<br />
des allmechtigen beschehen, das ain andechtige, gute, alte<br />
fraw zu disem bildstock kommen, darbei ir gebet, wie sie<br />
vormals vil im geprauch gehapt, zu Volbringen. Die hat den<br />
pfeil im bild gesehen, auch das das bild heftig geschwaist.<br />
Derab sie übel verschrocken, den nechsten gen Hechingen<br />
gangen und das den amptleuten angezaigt. Die habens one<br />
verzug dem grafen fürgebracht, Derselbig, wie er erfaren,<br />
das dem also seie, dann es allernechst bei der statt, do ist<br />
er mit seiner priesterschaft, auch allem sinem gesind und<br />
diener, die er domals bei sich gehapt, under denen dann der<br />
obgenannt Wilhalm, der theter, auch ainer gewest, hinauss<br />
zum bildstock gangen. So bald der graf den pfeil ersehen,<br />
ist er übel erschrocken, dann er ine gleich gekennt, wem er<br />
zugehere, dann ime der Wilhalm under allen seinen diener<br />
der libst und anmutigest gewest; darum gesagt: ,Wilhalm,<br />
das hast du gethon, und der pfeil ist dein.' Hierauf Wilhalm<br />
uf seine knüe gefallen und umb gnad gebetten, darbei angezaigt,<br />
er habs von sein, des grafen, wegen gethon. Aber<br />
der graf hat gesagt: ,Nain, Wilhalm, ich hab dich das nit<br />
gehaisen, du hast ime laider nur gar zuvil gethon'; darmit<br />
hat er ime bevolhen, er solle nochmals den pfeil ziehen.<br />
Wilhalm hat vil versucht, hat ine aber nit gewinnen kinden.<br />
Sobald sichs aber der graf unterstanden, hat ine leichtlichen<br />
ziehen kinden, und hiemit ist der Wilhalm uf bevelch des<br />
grafen fengclichen angenomen, des ander tags fürgestellt<br />
und rechtlichen beclagt worden. Und wiewol von edel und<br />
unedeln grosse bitt für ine beschehen, so hat doch zuletzt<br />
der graf das haupt von ime genommen. Grave Jos Niclas<br />
hat an das ort, do der bildstock gestanden, ain capellin<br />
lassen bawen und ain ewige mess darin gestift. Dohin ist<br />
hernach zu allen hailigcreutztagen ain grosse fart gewest,<br />
das man von verre dahin kommen. Man hat allwegen uf<br />
solche zeit ain vesper und ain ampt da gesungen, auch gepredigt;<br />
aber zu unser Zeiten ist es alles abgangen. Der alte<br />
graf Jos Niclas hat dise geschieht an ain daffel lassen malen,<br />
darzu sich und etlich ander grafen von Zollern auch. Dise<br />
taffei ist bei unsern Zeiten noch in der Capellen gewesen,<br />
aber sie ist mit bewilligung des junger graf Jos Niclasen<br />
von Zollern von ainem grafen von Ötingen hinweg genommen<br />
worden. Gott waist wohin. Hiebei kan ich nit underlassen<br />
zu vermelden, wie der alt graf Jos Niclas die capell<br />
gebawen und sie geweicht worden, do ist ain fraw in aim<br />
hangenden wagen kommen, gestürzt und gementlt, die hat<br />
gebracht ain silberin kelch und was zu ainer mess gehert,<br />
das alles hat sie uf der altar geopfert und ist one gessen<br />
hinweg gefaren; auch unbekannt, das sie niemals gekennt<br />
oder gewist, wer sie sei. Vil haben vermaint, sie sei des<br />
armen Wilhalms muter gewest."
Jahrgang 1965 H O H I N Z O L L E H I S C H I HEIMAT<br />
Die nächsten Fassungen des Mirakelberichts sind an Ort<br />
und Stelle überliefert: in der Heiligkreuzkapelle hängen zwei<br />
Tafeln mit Oelgemälden, die den „höllischen Schuß" und die<br />
Hinrichtungsszene wiedergeben. Den Bildern ist jeweils ein<br />
ausführlicher Text beigefügt.<br />
Das Bild an der Südwand der Kapelle zeigt links den Bildstock<br />
mit dem Kruzifix vor einem Baum. Rechts davon steht<br />
breitbeinig der Schütze, der gerade mit der Armbrust auf<br />
das Ziel anlegt; zwei Geschosse stecken schon im Ziel. Der<br />
Mann ist barhäuptig und bärtig gegeben. Er trägt ein enganliegendes<br />
Wams und ebensolche Hosen; der gefältelte<br />
knielange Rock ist um die Hüften gegürtet. Seine ganze Bekleidung<br />
ist einfarbig silbergrau, nur die Schuhspitzen sind<br />
schwarz. Im Hintergrund rechts sieht man den Hohenzollern.<br />
Unten befinden sich einige Wappen und zum Teil unleserliche<br />
Stifternamen; dazu liest man: „Christ : Miller /<br />
fürstl. Hohen / zoller stall / mei-ster / Renouiert / 1670."<br />
Diese Jahreszahl muß als Terminus ante quem der Entstehung<br />
des Bildes gelten. 13 ) Der Text unter dem Bild lautet:<br />
„Im Jahr . 1390 . hat der hoch wolgeborne . herr . herr<br />
friederich Graf Zu hohen Zollern der Elter sambt dero Gemahlin<br />
Frawen Agnesae Gräfin von fürstenberg Hoch gräfl:<br />
gden auf hohen Zoller RESIDiert vnd einen gotlosen diener<br />
gehabt welcher sich berichten lassen . wan einer ein gueter<br />
schitz sein oder werden wolle, das derselbe drey schitz in ein<br />
Crucifix thuen solle . als dan kenne es ihm nit mer fehlen .<br />
sonder Alle ding warnach er Zu schiessen . begere . gewiss<br />
trefe . welcher es probiert, vnd in ein schönes CRVCIFIX<br />
so vnd: einer Linden in einem bildstockh gestanden . mit der<br />
armbrust . 2. mal geschossen . das es geschwaist . wie er den<br />
dridten schütz thun wolte . hat er den selben nit voll bring:<br />
auch nit mehr von der stell komen könen . deswegen ime<br />
an d: selben stat das haubt abgeschlagen, vnd dahin zur<br />
ewigen gedechtnus ein CAPell erbaut auch das crucifix sambt<br />
dem stockh dahin eingesetzt worden."<br />
Wenn auch der Kern dieses Mirakelberichts im wesentlichen<br />
derselbe ist wie in der Zimmerischen Chronik, so gibt<br />
es doch einen wichtigen Unterschied. Dieser ist weniger in<br />
der vereinfachten magischen Prozedur zu suchen als vielmehr<br />
in der holzschnittartigen Vereinfachung der Fabel: in<br />
der Chronik-Variante war Wilhelm ein „treuer und lieber<br />
Diener", der die Freveltat vollbringt, weil er seinem Herrn<br />
nützlich sein will; er ist auch beliebt —- viele legen Fürsprache<br />
bei ihm ein. So kommt es zu einem tragischen Konflikt,<br />
in dessen Verlauf sich der Graf dann doch zu einem<br />
Todesurteil entscheidet.<br />
In der Bildfassung ist der Knecht von vornherein ein<br />
„gottloser Diener", der die Tat nur aus Eigennutz vollbringt.<br />
Die Tat ist damit so eindeutig böse, daß sofort ein drastisches<br />
Gottesurteil erfolgt; dem Diener ist es nicht nur unmöglich,<br />
den Pfeil herauszuziehen — er bleibt auch an den<br />
Ort seiner Untat gebannt. 14 )<br />
Dies gilt auch für das Mirakelbild an der Nordwand der<br />
Kapelle, dessen Text lautet:<br />
„Vmb die Jahr Zahl Christi . 1390 Vor-vndt nach, Hat der<br />
Hoch: vnd Wollgeborne Herr herr Friderich Graff Zue Höchen<br />
Zollren, Der Eitere, sampt Ihrer Gemahlin, Frawen<br />
Agnese Gräffin von Firstenberg, vnd land Gräffln in der<br />
Bahr, auff dem Schloss hochen Zolleren, in Schwaben gelegen,<br />
Residiert, auch Stattlich Hoff gehalten, vnd Einen<br />
Gottlosen diener Gehapt, welcher ohne Zweiffei aus eingebung<br />
vndt anstifften des Laidigen Satans, größten Faindt<br />
des haillige Creitz Christi, sich vermesentlich beraidt: vnnd<br />
dahin verwendt, wann einer ein gueter Schitz wolle sein,<br />
oder - werden mueste derselbig drey Sitz in ein crucifix, alsdan<br />
könne es ihme nit mehr fohlen Sonder alle ding, wornach<br />
er zu schießen Begehrt, Gewiß vnd vnföhlbar Treffen,<br />
derowegen er solches Zudem probieren ir Ein Schenes Crucifix<br />
so damahlen vnder gedachtem Schloß Hochenzoileren,<br />
Nahent dem Frawen Closter Stetten, vnder einer Großen<br />
Lünden in einem Bildstockh gestanden, mit der Armbrust<br />
Zuem anderen mahl Geschoßen, vndt daßelbig mit dem pfeil<br />
getroffen, vnd dermaßen Beriertt, das es sichtbarlich Bluett<br />
Geschwitzt, wie nun solcher Mensch den dritten Schutz Zue<br />
thun sich vnderstanden, hat er denselben nit allein Volbringen<br />
sonder auch aus straff, vnd Gerechtem Vrteil Gottes<br />
gar nit mehr von Statt khommen können, der Vrsach haben<br />
wohlbedacht, h: Graff Friderich Von Zolleren, nach dem Ihr<br />
Gnaden allen verlauff dises, i-rZehlten großen Hochströfflichen<br />
begangenen ybels, vnd darauf erfolgten Miraculs nottürfftiglich<br />
Bericht, vnd erinnert worden, mit wolbedachtem<br />
Rathe Gaistlich: vnd weltlicher persohnen, vor Gemeltem<br />
Gottlosen diener, Anderen Zue einem Exempel, an der selbigen<br />
Statt, sein haubt in Angesicht vnd versöhnlicher Gegenwärtigkait,<br />
Ihro Gnaden, vnd Dero Jungen Herren, abgeschlagen,<br />
auch solches Crucifix damit Göttlich wunder sich<br />
Zuegetragen, gleich nach Ergangenem erschröcklichen Actu,<br />
in obgesagtes Closter Stetten Gnädig verordnen Laßen, Dahin<br />
es auch, von der fraw priorin Adlheiten Schöneckhin<br />
von Stauffenburg, vnd Ihren Convent Schwesteren, mit gebihrlichen<br />
Solenniteten, vnd der Procession, in aller Andacht<br />
abgeholt, vnd aufbehalten worden, als nun erst Hoch- vnd<br />
wohlermelter Graff Friederich, Bald darauffin Anno 1400, an<br />
S: Catharinatag abgeleibt, auch in bemeltem Closter Stetten<br />
begraben worden, hat ihro Gnaden Hünderlaßen deren Aeltiste<br />
Sohn, Graff Friderich von Zolleren, genandt öttinger,<br />
welcher nach seines herzen vatters Tödt, auf Ernenten<br />
Schloß vnd Vöstung Zollere Regierenter Herr worden, an<br />
das orth alda Beriert Crucifix gestanden, vnd sich erZehlt,<br />
Miracul Zue Getragen, ein schönne Capell erbawet, vnd<br />
damit das lob Gottes, vnd des Heil. Critz an disem orth<br />
desto minder vergeßen werde, sondern vilmehr in Gedächtnuß<br />
Verbleiben mächte, offtgemeltes Crucifix Sambt dem<br />
Stockh, in die newe auffgerichte Capell einsetzen laßen,<br />
Anno 1731."<br />
Das Bild stellt den Augenblick vor der Enthauptung des<br />
Schützen dar. 15 ) Vor der gleichen Landschaftsszenerie wie<br />
im anderen Bild (links Linde und Bildstock, rechts im Hintergrund<br />
der Hohenzollern mit der alten Burg) sieht man<br />
inmitten einer Menschengruppe den Frevler mit umgehängtem<br />
Köcher, bis über die Knie in den Boden eingesunken;<br />
vor ihm liegt die Armbrust. Während hinter ihm der<br />
Henker, drohenden Blickes, schon das Richtschwert geschultert<br />
hat, bemüht sich links ein geistlicher Zusprecher mit<br />
Kruzifix um den armen Sünder. Rechts steht der Graf; er<br />
blickt aus dem Bilde auf den Betrachter; die Rechte hat er<br />
im Redegestus erhoben, als wolle er das Geschehen erläutern.<br />
Zur Gruppe gehören noch mehrere unbärtige Jünglinge<br />
— Söhne oder Knechte des Grafen —und links vorne<br />
eine Frau mit zusammengelegten Händen, wohl die Frau<br />
des Grafen.<br />
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Bild von<br />
einem jungen Lithographen abgezeichnet und vervielfältigt,<br />
allerdings —• so meldet ein zeitgenössischer handschriftlicher<br />
Bericht 16 ) — „ziemlich schlecht gemacht, u. auch die Schrift<br />
nicht ganz richtig copirt."<br />
Wurden Mirakelflugblätter sonst gewöhnlich deshalb herausgegeben,<br />
damit der Ruhm eines bestimmten Wallfahrtsortes<br />
oder Gnadenbildes verbreitet würde, so war das im<br />
Falle des Heiligkreuz-Mirakelflugblattes anders. Das läßt<br />
sich aus der Tatsache erschließen, daß dieser Mirakelbericht<br />
im 19. Jahrhundert auf großes Interesse stieß: er galt als<br />
vaterländisches Denkmal „aus der Vorzeit Hohenzollerns".<br />
1845 war er in W. Binders „Schwäbischen Voikssagen, Geschichten<br />
und Mährchen" erschienen, 17 ) 1860 im dritten Band<br />
von Ottmar F. H. Schönhuths Werk über die Burgen, Klöster,<br />
Kirchen und Kapellen Württembergs und Hohenzollerns,<br />
18 ) 1861 und 1894 in zwei Büchern von Ludwig Egler. 19 )<br />
Dieser schreibt in der Vorrede zu seiner „Mythologie, Sage<br />
und Geschichte der Hohenzoliernschen Lande", bei der Herausgabe<br />
seines ersten Buches (1861) habe ihn der Gedanke<br />
geleitet, „ganz besonders dasjenige festzustellen, welches in<br />
unserer fast ausschließlich von einer materiellen Richtung<br />
beherrschten Zeit nahe daran war, der Vergessenheit anheimzufallen."<br />
Er wünscht dem neuen Buch „bei allen,<br />
welche für Sage und Geschichte, <strong>Heimat</strong>h und Vaterland<br />
Interesse haben, eine wohlwollende Aufnahme" 20 ); seinem<br />
ersten Buch, das eine „ziemlich starke Auflage" gehabt hatte,<br />
war der Erfolg nicht versagt geblieben. 21 )<br />
Ohne poetische Bearbeitung glaubte Egler freilich nicht<br />
auskommen zu können. Während er im zweiten (prosaischen)<br />
Teil seiner „Mythologie" die „Sage vom Heiligkreuz" nach<br />
der Zimmerischen Chronik erzählt und den Text des Hinrichtungsbildes<br />
aus der Kapelle mitteilt, 22 ) bringt er im<br />
ersten (poetischen) Teil auf zehn Seiten eine gereimte Fassung,<br />
die sich stark von den bisher erwähnten Versionen<br />
unterscheidet: 23 ) Junker Berthoid, der in die schöne Adelhaide<br />
verliebt ist, ist wegen eines Nebenbuhlers bekümmert.<br />
Ein „Rothmantel" überredet Berthold schließlich zu dem<br />
Frevelschuß, damit er in einem Wettkampf dem Nebenbuhler<br />
nicht unterliege. Ein „Graubart" sucht ihn von der Untat<br />
abzuhalten, vergeblich allerdings: Berthold schießt.<br />
„Bestürzt schaut er das Wunder; welch schauerlich Geschick!<br />
Starr auf die offne Seite geheftet ist sein Blick.<br />
Ihm däucht, als ob das Bildniß die Augen aufgethan,<br />
Als schaute es ihn schmerzlich und voller Wehmut an.<br />
Er sucht sich abzuwenden vom Bilde, will entflieh'n,<br />
Doch nimmer ist es möglich; die Erde fesselt ihn.<br />
Erfüllt von Todesgrausen, er da zusammenbricht; —<br />
Ihm ward für seinen Frevel ein furchtbar Strafgericht." 24 )<br />
Adelhaide aber geht als Nonne ins nahe Kloster Gnadental;
:(54 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
„Sie ist gehüllt in Trauertuch,<br />
Daß niemals im Entschluß sie fehle:<br />
Zu beten für des Jünglings Seele,<br />
Den furchtbar traf des Kreuzes Fluch." 25 )<br />
Diese Dichtung ist aufs stärkste abhängig von der Sagenfassung,<br />
die Ottmar F. H. Schönhuth ein Jahr zuvor veröffentlicht<br />
hatte; 26 ) auch hier spielen drei Personen die<br />
Hauptrolle: der Knappe Kuno von Baldegg, der die „minnigliche<br />
Bertha", die Grafentochter, liebt, welche ihrerseits Zuneigung<br />
für den Knappen Wolfhard von Schramberg emptindet;<br />
dazu kommen wieder der Rotmantel, der Kuno die höllische<br />
Kunst lehrt, und das Männlein, das ihn von der Untat<br />
abhalten will. Gelähmt, aber reuig und durch Beichte und<br />
Kommunion erquickt, stirbt Kuno.<br />
Otto Borst hat in seiner Biographie des „Historikers, Germanisten,<br />
Volksschriftstellers, Pfarrers" Schönhuth darauf<br />
hingewiesen, daß „reinliche, einläßliche Forscherarbeit...<br />
diese vielen Seiten freilich nicht" begleite. „Vieles ist zeitgenössische,<br />
eigene oder der Mitarbeiter Zutat, die dem<br />
ganzen Werk, trotz seines so statistischen Titels, eine eigentümlich<br />
poetische Aura verleiht. .. " 27 ) In der Tat spielen in<br />
den erwähnten alten Sagenfassungen Liebe und Eifersucht<br />
als Motive für die Freveltat keine Rolle; es fehlen die sentimentalen<br />
und psychologisierenden Züge.<br />
Dieses poetische und romantische Beiwerk war freilich bei<br />
der noch vor Schönhuths und Eglers Veröffentlichungen erschienenen<br />
Bearbeitung durch W. Binder (1845) noch wesentlich<br />
stärker in den Vordergrund getreten: auf 24 Seiten hatte<br />
Binder die Sage vom „höllischen Schuß" neu erzählt. 28 ) Der<br />
erste Teil der Geschichte entspricht den späteren Bearbeitungen<br />
von Schönhuth und Egler, nur die Namen sind anders.<br />
Der zweite Teil jedoch schildert abenteuerliche Entwicklungen.<br />
Nachdem Wilhelm den dritten Schuß getan hat,<br />
ist er „wie gelähmt" und begibt sich im Fieberfrost heim.<br />
Ein gutes Männlein warnt ihn vor der Teilnahme am Wettkampf<br />
des nächsten Tages. Aber Wilhelm hört nicht darauf;<br />
er schießt und — trifft die geliebte Bertha. Er wird ins<br />
Gefängnis geworfen, wo ihn der Rotmantel besucht und sagt,<br />
ein Kuß rette die scheintote Bertha. Im dritten Teil der Erzählung<br />
wird Wilhelm vom Rotmantel befreit, tötet einen<br />
Wächter, holt Bertha; eine Fackel, am Ewigen Licht entzündet,<br />
setzt die Burgkapelle in Brand. Wilhelm flieht, wird<br />
verfolgt und stürzt in einen Abgrund. Der Titelstahlstich<br />
des Buches zeigt diese Szene am Abgrund: man sieht den<br />
Grafen mit dem gezückten Schwert und die gerettete Bertha,<br />
während der Rotmantel Wilhelm in die Tiefe zieht. Bertha<br />
geht ins Kloster Gnadental und betet für Wilhelm, während<br />
am Todesort des Unglücklichen die Gedächtniskapelle Mariazell<br />
errichtet wird.<br />
Daß solche ausführlichen poetischen Bearbeitungen dann<br />
schließlich wieder zu kurzen „Volkssagen" werden konnten,<br />
sieht man an der Fassung, die Rudolf Kapff in seinen<br />
„Schwäbischen Sagen" mitteilt: Em Edelknabe läßt sich um<br />
drei Schüsse auf ein Kruzifix vom „grünen Jäger" die bisher<br />
vergeblich umworbene Zollerngräfin versprechen; aber der<br />
der dritte Schuß dringt in sein eigenes Herz. 28 )<br />
ANMERKUNGEN:<br />
1) Heinrich Günter-: Psychologie der Legende. Studien zu einer wissenschaftlichen<br />
Heiligen-Geschichte. Freiburg i. Br. 1949, S. 229 f.<br />
2) Anton Birlinger: Aus Schwaben. I. Band: Sagen, Legenden, Volksaberglauben.<br />
Wiesbaden 1874, S. 77 (Nr. 95. Quelle: mündlich).<br />
:)) Ebd. S. 82 (Nr. 100). Gleich erging es dem Schweden, der in Wald<br />
ein Marienbild durchgeschossen hatte. Vgl. Ludwig Egler: Mythologie,<br />
Sage und Geschichte der Hohenzollernschen Lande. Sigmaringen<br />
1894, S. 100 f.<br />
•) Ernst Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben.<br />
I. Theil Stuttgart 1852, S. 291 (Nr. 326. Quelle: mündlich).<br />
Darnach auch in Rudolf Kapff: Schwäbische Sagen (Deutscher<br />
Sagenschatz, hg. von Paul Zaunert). Jena 1926, S. 115.<br />
Birlinger bringt aus mündlicher Tradition eine Erzählung zu den<br />
drei Kreuzen zwischen Altshausen und Fridberg: Ein „Gottesleugner<br />
und Wilderer" sank zur Strafe für einen Schuß auf das<br />
Kruzifix in den Boden und konnte erst durch eine Prozession<br />
erlöst werden. Birlinger: Aus Schwaben I, S. 305 (Nr. 343).<br />
Ii)) Jacoby: Kruzifix. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,<br />
hg. von Hanns Bächtold-Stäubi und Eduard Hoffmann-<br />
Krayer. Berlin und Leipzig 1927—1942, Bd. V, Sp. 638. (= HDA).<br />
Vgl. auch Basler: schießen, Schuß. In: HDA VII, Sp. 1063.<br />
11) „Nach drei alten Druckblättern im Privatbesitz in Altshausen".<br />
Birlinger/Buck: Volksthüml. aus Schwaben I, S. 424 f. (Nr. 649).<br />
12) Zimmerische Chronik. Zweite Auflage, hg. v. Karl August Barack.<br />
I. Band, Freiburg i. Br. und Tübingen 1881, S. 450—452.<br />
13) In den „Kunstdenkmälern des Kreises Hechingen" (Die Kunstdenkmäler<br />
Hohenzollerns, hg. v. Walter Genzmer. I. Band: Kreis<br />
Hechingen. Bearb. v. Friedrich Hossfeld und Hans Vogel. Hechingen<br />
1939) ist S. 182 angegeben, Franz Joseph Vogel aus Hechingen<br />
habe 1729 ein Bild mit dem „höllischen Schuß" gemalt; S. 184<br />
heißt es, das hier beschriebene Bild sei bezeichnet: „F. F. 1729".<br />
Diese Inschrift kann ich nicht finden, lese andererseits die Jahreszahl<br />
1670 als Zeitpunkt einer Renovierung. Der stilistische<br />
Charakter schließt m. E. eine frühere Entstehung des Bildes (bei<br />
späterer Uebermalung) nicht aus. Bildmaße: h. = 107, br. = 69<br />
cm. Bild- und Textbeschreibung vgl. auch: Kunstdenkmäler des<br />
Kreises Hechingen, S. 183 f.<br />
H) in einer mündlich weitererzählten Version, die Ernst Meier aus<br />
Hechingen aufgezeichnet hat, versinkt der Schütze sofort in den<br />
Boden (E. Meier: Deutsche Sagen I, S. 290 f. = Nr. 325). Auf dem<br />
Hinrichtungsbild (s. u.) scheint der Delinquent in den Boden<br />
eingesunken zu sein, wobei durchaus die Möglichkeit besteht, daß<br />
das Bild die mißverstandene Kopie eines älteren Ist, denn der<br />
Text berichtet nichts davon, daß der Diener eingesunken wäre.<br />
15) Maße: h. = 145, br. = 87 cm. Kunstdenkmäler des Kreises Hechingen,<br />
S. 184. Vgl. hier auch die Abb. 318—321 (u. a. auch eine<br />
Wiedergabe des Hinrichtungsbildes).<br />
i'O Im Besitz der Württembergischen Landesstelle für Volkskunde,<br />
Stuttgart, Eugenstraße 3. Der Bericht ist undatiert, dürfte aber<br />
etwa vom Jahre 1860 stammen, da mitgeteilt wird, der „junge<br />
Dichter Louis Egler dahier", ein „strebsamer Gewerbsmann",<br />
plane die Herausgabe einer Sammlung hohenzollerischer Sagen.<br />
Eglers Sagensammlungen erschienen 1861 und 1894. 1894 war Egler<br />
nicht mehr „jung" — der Bericht muß also im Jahre 1861 oder<br />
vorher verfaßt sein. Da er vor allem Mitteilungen über die<br />
Mundart enthält, dürfte er zu jenen Berichten gehören, zu denen<br />
Adelbert von Keller bei seinen Vorarbeiten zum „Schwäbischen<br />
Wörterbuch" aufgerufen hatte. (Vgl. dazu Martin Walker: Adelbert<br />
von Keller, in: Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung<br />
in Württemberg — Festschrift für Helmut Dölker —.<br />
Volksleben V. Tübingen 1964, S. 80—95, bes. S. 91—95). Aus dem<br />
Bericht erfährt man, die Lithographie sei ca. 12—14 Jahre vorher<br />
angefertigt worden. Blattgi-öße: h. = 32,9, br. = 21,1 cm. Bildgröße:<br />
h. = 12,9, br. = 17,3 cm. Text: „Um die Jahrzahl Christi<br />
1930 . . . einsetzen lassen. Anno 1731." Ohne nähere Druckangaben.<br />
17) w. Binder: Schwäbische Volkssagen, Geschichten und Mährchen.<br />
Stuttgart 1845.<br />
i«) Ottmar F. H. Schönhuth. Die Burgen, Klöster, Kirchen und Ka<br />
pellen Württembergs und der Preußisch-Hohenzollern'schen Landestheile<br />
mit ihren Geschichten, Sagen und Mährchen. Unter<br />
Mitwirkung vaterländischer Schriftsteller . . III. Bd. Stuttgart 1860.<br />
i») Ludwig Egler: Aus der Vorzeit Hohenzollerns, Sagen und Erzählungen.<br />
Sigmaringen 1861. — Ders.: Mythologie, Sage und Geschichte<br />
der Hohenzollernschen Lande. Sigmaringen 1894. — In<br />
dem in Anm. 16 dieses Aufsatzes genannten handschriftlichen<br />
Bericht liest man, eine Bearbeitung der Sage durch L. Egler „in<br />
schwäbischem Dialekt" befinde sich in Firmenichs Germaniens<br />
Völkerstimmen Ich kann sie dort nicht finden.<br />
20) Egler: Mythologie, Sage und Geschichte der Hohenzollernschen<br />
Lande, S. II (Vorrede).<br />
21) Ebd. S. I.<br />
22) Ebd. S. 202—206. Bei der Beschreibung des Bildes mit dem höllischen<br />
Schuß" ist er nicht sonderlich genau. Er liest beispielsweise:<br />
„Christ. Müller, Hohenstattr. renov." statt: „Christ Miller / fürstl.<br />
Hohen / zoller stall / meister / Renouiert / 1670."<br />
23) Ebd. S. 64—73.<br />
24) Ebd. S. 69.<br />
25) Ebd. S. 71.<br />
2i») Schönhuth: Die Burgen, Klöster, Kirchen und Kapellen usw. III,<br />
S. 43—48: „Der Schuß in das Christusbild".<br />
27) Otto Borst: Ottmar F. H. Schönhuth. Historiker, Germanist,<br />
Volksschriftsteller, Pfarrer. 1806—1864. (In: Lebensbilder aus Schwaben<br />
und Franken, hg. von Max Miller und Robert Uhland. 7. Bd.<br />
der Schwäbischen Lebensbilder, Stuttgart 1960, S. 214—251), S. 223.<br />
2«) Binder: Schwäbische Volkssagen, Geschichten und Mährenen,<br />
S. 1—24.<br />
2») Kapf: Schwäbische Sagen, S. 115 (Quellenangabe: Nach P. Eith<br />
und J. A. Geiger, <strong>Heimat</strong>freund. Ebingen o. J., S. 48).
.lahrgang 1 965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 55<br />
Die Grabungen im „Alten Schloß" bei Gammertingen 1964-1965<br />
Die in den Jahren 1963 und 1964 begonnenen Arbeiten an<br />
der Burgruine „Altes Schloß" bei Gammertingen, wurden<br />
auch in diesem Jahr, in der Zeit vom 26. 7. bis 2. 8. 1965<br />
fortgesetzt. Wie bereits in den vergangenen Jahren stand die<br />
Grabung unter Leitung von Dr. Gerhard Wein, Tübingen und<br />
Georg Bodin, Gammertingen. Sie wurde in Zusammenarbeit<br />
mit dem Landesamt für Denkmalspflege und der Stadtverwaltung<br />
Gammertingen durchgeführt.<br />
Das im Jahre 1964 teilweise freigelegte „Steinhaus" im<br />
Nord-West-Teil der Anlage, das größte Gebäude der ehemaligen<br />
Burg, wurde vollends freigelegt und die bis zu 4<br />
m hohen Mauern restauriert. Im Gegensatz zu der Grabung<br />
im Jahre 1963 wurde 1964 und bei der diesjährigen Grabung<br />
eine 30—80 cm starke Brandschicht freigelegt, in der noch<br />
Reste von verkohlten Balken zu finden waren. Ein Zeichen<br />
dafür, daß die Burg einst abgebrannt ist. Die eingehende<br />
Untersuchung dieser Brandschicht nahm 1964 und 1965 die<br />
meiste Zeit in Anspruch.<br />
Folgende F'unde wurden 1964 in dieser Schicht oder unmittelbar<br />
darüber gemacht:<br />
1. Scherben von Keramiken, an denen ein hohes Wellenmuster<br />
klar erkennbar ist. Die Art des verwendeten Materials<br />
macht eine Datierung verhältnismäßig einfach. Die<br />
Scherben stammen aus dem 11. bis Mitte des 12. Jahrhunderts.<br />
Da bis auf eine einzige Ausnahme, über die<br />
noch zu sprechen ist, nur o. a. Scherben gefunden wurden,<br />
ist mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen,<br />
daß die Burg spätestens im 11. Jahrhundert entstand<br />
und bis Mitte des 12. Jahrhunderts zerstört worden<br />
ist.<br />
2. Schachfiguren (Bauern).<br />
Eine Figur ist kegelförmig glatt, die andere ebenfalls<br />
kegelförmig, jedoch mit senkrecht verlaufenden Rillen.<br />
3. 4 runde, aus Hirschhorn gefertigte Steine eines bisher unbekannten<br />
Brettspieles. Die ca. 0,5 cm hohen und 3 cm<br />
großen Steine zeigen im einzelnen auf der Oberseite folgende<br />
Tierdarstellungen.<br />
2 Steine einen stilisierten Adler (ähnlich der Adler-Darstellung<br />
aus der Völkerwanderungszeit),<br />
1 Stein ein Raubtier, wahrscheinlich Wolf oder Schakal,<br />
1 Stein eine Vogeldarstellung, der im Schnabel ein fast<br />
aufgerolltes Pergament trägt.<br />
4. Ein runder, im Durchmesser ca. 5 cm betragender Spielstein,<br />
der beidseitig geschnitzt ist. Eine Seite zeigt 2 in-<br />
Vor 50 Jahren — Kleinigkeiten<br />
Während im benachbarten Burladingen die Industrie am<br />
Ende des 19. Jahrhunderts Fuß faßte, ist damals ein ähnlicher<br />
Versuch in Ringingen mißglückt. Erst 1923 wurde<br />
dann eine Filiale von dort als Trikotnäherei in der ehemaligen<br />
„Sonne" eingerichtet. Bis dahin nähten manche Frauen<br />
und Mädchen für Tailfingen. Manche gingen zum Nähen nach<br />
Burladingen, so auch meine Schwester eine Zeitlang zur<br />
Firma Blau am Bahnhof, nachdem sie auch einmal kurz in<br />
Jungingen im Dienst gewesen war. Ueberhaupt gab es damals<br />
noch ziemlich viele Ehehalten, also Knechte und Mägde,<br />
letztere besonders aus Salmendingen, Melchingen und Stetten<br />
u. H. Fabrikarbeit wurde von den Bauern nicht besonders<br />
hoch geschätzt und man rümpfte die Nase über „diese Fabrikler".<br />
Wie sich das seitdem änderte!<br />
Maschinen gab es zum Grasmähen mit Pferdeantrieb, zum<br />
Futterschneiden mit mühseligem Handantrieb, zum Fruchtsäubern<br />
und Dreschen, Göpel bzw. Dampfdreschmaschinen.<br />
Letztere kamen von Hausen i. Kill, und Weiler Haid (Dorn).<br />
Die Burschen verdienten nebenher einiges durch Wegmachen,<br />
im Winter durch Holzhauerei, andere daheim durch „Zwikken"<br />
von Bletzschuhen nach Jungingen bzw. Stetten b. Hech.<br />
Hier arbeiteten z. B. Brotasius Faigle und Josef Dietmann,<br />
die einmal unbemerkt mit einem Kleinbahnkarren auf den<br />
Schienen das Killertal hinabfuhren. Einige Einwohner trieben<br />
Handel mit Holz und Getreide, besonders mit dem gut<br />
gedeihenden Haber und Korn (Dinkel). Weizen baute man<br />
erst nach cTem ersten Weltkrieg zaghaft an. Grasen an den<br />
Rainen und Waldwegen oder Unkrautausreißen in den Äckern<br />
zum Füttern des Viehes war an der Tagesordnung. Wieviel<br />
schleiften die Frauen auf dem Kopf oder Rücken heim!<br />
Sammeln von Leseholz in den Wäldern selbst durch Kinder<br />
galt als selbstverständlich. Einzelne suchten Heilkräuter (z. B.<br />
Amann), andere fertigten Unterstöcke und ganze Peitschen<br />
einander verschlungene Flügeldrachen (germanisches Motiv).<br />
Die andere zeigt einen Löwen. Der äußere Rand; des<br />
Steines besteht aus einer zwischen 2 Ringen geführten<br />
„Zick-Zack"-Schnitzerei. Dieser Stein ist stellenweise stark<br />
abgegriffen.<br />
5. Eine Armbrust-Bolzenspitze.<br />
Bei der Grabung 1965 wurden im einzelnen folgende Teile<br />
freigelegt bzw. nachstehende Funde gemacht:<br />
1. Im Westteil der südlichen Mauer des Steinhauses wurden<br />
ca. 2,5 m voneinanderliegende 1,5 m hohe und 0,7 m<br />
breite Schießscharten freigelegt. Die Scharten, einstmals<br />
für Armbrustschützen gedacht, sind durch ein Gewölbe<br />
abgedeckt, nach außen verjüngen sie sich stark. Eine<br />
Schießscharte war vollkommen erhalten, die andere war<br />
teilweise zerstört, konnte jedoch durch Restaurierung in<br />
den ursprünglichen Zustand versetzt werden.<br />
2. Eine Schachfigur, ein Bauer in der bereits bekannten Art.<br />
3. Ein Spielstein in der Größe der unter 1964/3 erwähnten<br />
Art. Die Darstellung auf der Oberseite besteht aus ineinander<br />
greifenden Ringen.<br />
4. Scherben (nahezu komplett) eines blauen Glasgefäßes.<br />
Dieses hauchdünne Glas trägt auf der Außenseite Verzierungen<br />
aus weißem Glasguß.<br />
5. Zwei kleine Hufeisen.<br />
6. Ein Messer.<br />
7. 2 Wetzsteine aus Sandstein.<br />
8. Teile eines Hirschgeweihs mit Arbeitsspuren (vielleicht<br />
das Rohmaterial für die Schachfiguren?).<br />
9. Drei bronzene Beschläge eines Pferdegeschirres.<br />
10. Eine Anhäufung von Scherben, die im Material in der<br />
bekannten, unter 1964/1 erwähnten Art sind. Das Muster<br />
besteht jedoch aus einfachen, übereinander liegenden eingeritzten<br />
Strichen.<br />
Die Arbeiten werden im Oktober und November 1965 durch<br />
Mitglieder des <strong>Heimat</strong>vereins Gammertingen unter Leitung<br />
von Georg Bodin fortgesetzt. Es ist geplant, an der Außenseite<br />
der Südmauer des Steinhauses nach Westen weiter vorzugehen.<br />
PS.; Die in Heft 1964/3 erwähnte Münze wurde von mir<br />
falsch gedeutet. Eine genaue Bestimmung erfolgte 1964 durch<br />
Herrn und Frau Dr. Hätz, Hamburg. Es handelt sich um eine<br />
Ostfriesische Nachprägung einer Lüneburger Münze Herzog<br />
Bernhard I (973—1011). Sie wurde um das Jahr 1000 wahrscheinlich<br />
in Jever/Ostfriedsland geprägt. Bodin.<br />
aus dem Alltag eines Albdorfes<br />
(„Goisla") aus Eschenholz, was besonders nach dem ersten<br />
Weltkrieg in Schwung kam. Mit „Lauchela" (Schnittlauch),<br />
die es in Talwies massenhaft wild gibt, verdiente sich die<br />
Maiermarie einige Groschen. Waldbeeren wie Hegen (Hagebutten),<br />
Braobeeren (Brombeeren), Heintela, Aibbera (Himund<br />
Erdbeeren) sammelte man eifrig, an Pilzen nur Maura<br />
(Speisemorcheln), die man im Schmalzpfändle briet. Der<br />
„Postie", der alte Rosenwirt Neser und Vater Emele stellten<br />
aus „säle" (Salweiden) Holz „Koleffel" (Kochlöffel) her. Der<br />
Freudemann und andere machten kunstvolle Habergeschirre<br />
Der Jochem von Haus 109 beim Mosten um 1938.
:(56 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
zur Getreidemahd, Seagessenwarbe, Rechen, Gabeln, Schaufelstiele<br />
usw., deren Hauptkontingent freilich aus Burladingen<br />
kam. Die Wagner hatten Arbeit mit Rädern, Leiterwägen,<br />
Holzpflügen (Schar und „Seach" aus Eisen), auch<br />
Ackerwalzen aus Holz samt Egden. Auch die zwei Schmiede<br />
hatten genug zu tun, dazu die Schuhmacher und der Flaschner<br />
(Klempner) und der Küfer. Letzterer unterhielt ein fahrbare<br />
„Moste", eine Mühle mit Messern und Mahlsteinen und<br />
die Handpresse. War das immer ein Fest für die Kinder,<br />
wenn ein Nachbar mostete und sie natürlich den süßen Saft<br />
probieren durften, mochte er noch so kalt sein.<br />
„Klai-Sooma" holte man gewöhnlich im Unterland, da auf<br />
unserer Höhe die Hösle schlecht reif wurden. Eines Tages um<br />
1917 fuhr ich mit meinem Dette zu diesem Zwecke nach<br />
Rangendingen, von wo wir nach Hirrlingen ins Württembergische<br />
hinüberpilgerten. Da ich die Pennälermütze trug,<br />
fragten mich dortige Neugierige, ob ich „Lährer" werden<br />
wolle, was ich jedoch nicht verstand. Ein „Lährer" ist bei<br />
uns einer, der z. B. das Güllenfaß leert, im Gegensatz ium<br />
Lehrer, der Weisheit lehrt. Vor der Fahrt hatte mein Begleiter<br />
gewissenhaft den „Ballmeeter" (Barometer) studiert,<br />
ob das Wetter auch halte. Mohnsamen nannte man „Oelmaga"<br />
(mhd. mage = Mohn), einen notorischen Trinker dagegen<br />
einen „Saumagen". Das Tuch wurde mit dem „Ehlmeaß" gemessen,<br />
das freilich gelegentlich auch als Zuchtmittel für<br />
Unbotmäßigkeit von uns Lausern dienen mußte. Am Schluß<br />
des „Engel des Herrn" abends, dessen Glockenzeichen die<br />
Vorfahren „Auve-Märga-Leita" genannt, betete man immer<br />
noch auch für die „Arme Saila".<br />
Vor vielen Häusern fand sich ein Ruhebänklein für den<br />
Feierabend. Heute kennt man beides nicht oder kaum mehr!<br />
Noch sehe ich unsern Nachbarn, den alten Riescherbeck, der<br />
nicht mehr arbeiten konnte, dort sitzen und uns Kindern<br />
erzählen: Im Burladinger Weg sei ihm einmal spätabends<br />
ein „Geist" erschienen, der ihm schon von ferne drohend<br />
zugewinkt habe. Schreck sei ihm in die Glieder gefahren, daß<br />
er stockte und sich nicht mehr weiter wagte. Als der „Geist"<br />
jedoch sich nicht von seinem Platze am Straßengraben bewegte,<br />
habe er ein Herz gefaßt und sei langsam und vorsichtig,<br />
den Spazierstock fest in der Faust, weitergeschlichen.<br />
Beim Näherkommen entpuppte sich das Ungeheuer als große<br />
Distel, deren Kopf immer im Winde hin- und herschwankte.<br />
Voll Zorn und Erleichterung habe er ihn drauf<br />
mit dem „Steirsteacka" zusammengehauen mit den Worten:<br />
„So Du vrschreckst neamer mai!"<br />
Auf manchen Dächern, besonders auf der Scheuer vom<br />
Melchervetter, sah man noch alte, ganz glatte graufarbige<br />
Dachplatten aus Zement von der hiesigen längst abgegangenen<br />
Ziegelhütte. An sie erinnert noch ein Flurname<br />
An Viesels Ställchen-Türe war ein uraltes hilzernes Schloß<br />
angebracht, das nur ein riesiger seitlicher Holzschlüssel mit<br />
drei Bärten öffnete. Letztere hoben je einen Sperrbolzen,<br />
so daß man den Holzriegel zurückschieben konnte.<br />
Auch andere Dinge in meiner Ahne Haus, das als letztes<br />
noch bis 1904 ein Strohdach getragen, konnte damals Interesse<br />
wecken. Da war eine altertümlich dunkel getäferte<br />
Stube mit Eckschrank, die Ofenwand mit farbigen Tönplättchen<br />
von 1788, uralte hilzene Krippenfiguren in Gold und<br />
Farben gefaßt, Heargle (Heiligenbildchen) und andere farbige<br />
Bildle aus Seidenfäden auf Papier gewoben und ein<br />
kleines Webstühle, mit dem nan „Schuuzbendel" von 1 cm<br />
Breite weben konnte. Von einer feststellbaren Rolle liefen<br />
etwa 8—10 Fäden zur Webwand vor, die Hälfte hier durch<br />
kleine Löcher, die andere in senkrechten Schlitzen, durch die<br />
man sie auf und ab bewegen konnte, während jedesmal das<br />
Schiffchen mit dem davon ablaufenden Faden quer durch<br />
die 10 Fäden durchgeschlagen wurde. Das Stühlchen kam<br />
später durch mich ins <strong>Heimat</strong>museum auf den Zoller, wie<br />
auch die „Gooskräga" genannten altertümlichen Ringlenuster<br />
oder Männerrosenkränze. Ob sie alle dort den neuerlichen<br />
„preußischen Museumssturm" (eine bisher totgeschwiegene<br />
Kulturschande ersten Ranges) überlebten, oder in<br />
Hechingen auf einem Schutthaufen landeten, ist mir nicht<br />
bekannt.<br />
Als mein Neffe zur Welt gekommen war, durfte sein<br />
4j ähriger Vetter Gabriel zusammen mit der Mutter beim<br />
„Weisen" (Beschenken) den Kleinen bewundern. Nach Säuglingsart<br />
lag das Kind friedlich schlummernd im Bettchen,<br />
hielt aber die Hände zu Fäusten geballt neben dem Kopf.<br />
Das muß den „Streiter Gabriel" irgendwie herausgefordert<br />
haben. Plötzlich sagte er: „Dea bann i no!" (Bannen sagen<br />
die Ringinger statt überwältigen!) Es gab ein allgemeines<br />
Gelächter, das den kleinen Christian zum Glück jedoch nicht<br />
weckte. Aehnlich erzählt man von einem Knirps, der in<br />
seinem kleinen neugeborenen Brüderlein einen Nebenbuhler<br />
fürchtete, er habe zum Vater gesagt: „Vatter, wenn goht<br />
dear do wieder?"<br />
Da die alten Pflüge sehr lang waren, brauchte man einen<br />
Treiber oder „Menebueben". Wegen der vielen Steine mußte<br />
der Pflüger die „Goitzaklingel" fest in der Hand behalten,<br />
während der Fuß oft eine zu entlaufen suchende Maus erlegte.<br />
Das „Umscheiben" auf der Anwand war und ist nur<br />
möglich durch das gegenseitige Tretrecht auf den Nachbargrundstücken.<br />
Hilfsbereit halfen die Nachbarn und Dorfgenossen beim<br />
Hausbau, besonders nach einem Brandunglück, auch schon<br />
Kinder beim Blatten-Strecken, in einer Reihe übereinander<br />
auf der Leiter sitzend. Wie da dann das Vesper mundete!<br />
Das vordere Kappeldach bestand damals noch in altertümlicher<br />
Weise aus ineinander gemauerten Hohlziegeln „Münch<br />
und Nonnen".<br />
Wir Buben verschmähten weder Schlehen noch „Buebenägele"<br />
(Weißdornfrüchte), Fluigadreck (schwarze Beeren des<br />
wolligen Schneeball), Habermarken, „Hega", junges Buchenlaub,<br />
Holderbeeren, Distelköpfe (Silberdistel), Saurefezen,<br />
Sauerklee und wilde Stachelbeeren. Neben Aepfeln<br />
und Birnen wurden auch rote Johannisbeeren nebst gekauften<br />
Zibeben zu Most verarbeitet. Vor gegorenem Johannisbeerwein<br />
freilich war besondere Vorsicht geboten, er stieg<br />
einem „seile" in den Kopf.<br />
Meine Schwester kochte einmal Beeren ein, ließ sie aber<br />
zu lange auf dem Feuer schmoren. Sie war nämlich als leidenschaftliche<br />
Leserin gerade an einer spannenden Geschichte.<br />
Das Eingemachte aber war in einen solchen Zustand<br />
geraten, daß wir es nur als „Wagenschmiere" bezeichneten<br />
und die Künstlerin ihr Produkt fast ganz selber aufessen<br />
mußte. Als die Mutter sie beim Schmalzrühren erwischte, wie<br />
sie gerade naschte, mußte die Arrne zur Strafe davon essen,<br />
bis sie den Aberwillen bekam. Besonders fein ist das sog.<br />
„Hegamark", Marmelade aus Hagebutten, deren haarige Kernen<br />
von den Buben als „Juckpurvel" benutzt wurden.<br />
Auf Mariä Himmelfahrt richteten alle Kinder, wie noch<br />
jetzt, kunstvolle Weihsangen (vgl. Hanfsang) aus Kräutern<br />
des Gartens und Feldes, überhöht von einer prächtigen Königskerze,<br />
auf Palmsonntag „einen Palmen" aus Schluchten<br />
der Weidenkätzchen und einem Zweiglein dürren Eichenlaubes,<br />
aus dem ein Kreuzlein aus Haselnußholz hervorragte.<br />
Im Herbst interessierten wir Buben uns für die Obstbäume.<br />
In Dettes und Ahnes Garten gab es allerlei zu naschen, wenn<br />
auch nicht von feinster Sorte in unserer Höhe von 800 m.<br />
Schon im 16. Jahrhundert werden bei den Lehenhöfen auch<br />
„Bomgärten" erwähnt. Luiken, Postanzer, Saueräpfel, dazu<br />
Schweizer-, Wasser-, Butterbirnen und Geißhirtle kannten<br />
wir sehr wohl, um nur einige zu nennen. Unser Wasserbirnbaum<br />
im Hälschlochgarten, also weit vom Haus, war bei den<br />
dortigen Kindern immer in Gefahr! Dazu liebten wir Haberpflummen,<br />
Zipperen, Griechelen. An den Feldwegen sah man<br />
viele Ebereschen, deren rotglühende Beeren für die Vögel<br />
ein Leckerbissen waren. Bei uns galten sie irrig als giftig.<br />
Auf dem Friedhof pflegten manche aus solchen Beeren allerlei<br />
religiöse Figuren auf die Gräber zu zaubern. Die Holderbüsche<br />
lieferten ein gesundes, aber etwas fades Gsälz, die<br />
Syringen (Flieder) am pfarrlichen Lustgarten das Holz bzw.<br />
die Rinde für Pfeifen und Hupen. Zur Bereitung dieser<br />
kannten wir beim Klopfen der Ruten ein „Zauberwort". Es<br />
hieß: „Glatt dura, glatt dura, oder i reiß dir d'Wada ra."<br />
Die Rinde eines frischen Eschenbengels ergab, zusammengedreht<br />
und mit einem großen Dorn befestigt, ein Waldhorn,<br />
in das man eine Hupe steckte, deren Ton mächtig und tief<br />
durch die Gassen klang. Die Früchte der Kirschbäume an den<br />
Wegen freilich bestanden fast nur aus Haut und Steinen,<br />
waren aber doch sehr begehrt, ja selbst das fade Baumharz<br />
dieser Stämme wurde nicht verschmäht. Einzelne Walnußbäume<br />
fanden sich im Ort. Der meines Freundes Josef Emele<br />
(Haus 106) wurde von uns oft heimgesucht, mochte auch die<br />
noch äußere grüne Nußschale unsere Hände noch so gelb<br />
färben. Nur die angerösteten Früchte konnte ich nicht ausstehen.<br />
Haselnüsse suchte man damals besonders an den<br />
Salmendinger Bühlen und beim „Piiß" auf Burladinger Feld,<br />
da die in der Nähe des Dorfes meist schon vor dem Reifen<br />
weggeholt wurden.<br />
Handwerksburschen oder „Fechter" nannten wir die täglichen<br />
Bettler oder Landstreicher, die fast abwechselnd mit<br />
Zigeunern alle Häuser abklopften. Sie hatten längst nichts<br />
mehr mit Handwerk und noch weniger mit Säbelfechterei<br />
alter Zeit zu tun. Vielmehr hatte „feachta" die Bedeutung<br />
betteln angenommen.<br />
In der Ernte klang morgens und abends das Dengeln der<br />
Segessen durch die Gassen. Eiserne Rechen kannte man nicht.<br />
Der große Fruchtrechen hieß „Hansel". Außer den verschiedenen<br />
Klee-Arten pflanzte man auch Esper, dessen Körner
.lahrgang 1965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 57<br />
Klemens und Barbele (Haus 107) am Dangelstock.<br />
man gemeinsam in der Scheuer mit den Fingern abstreifte.<br />
Esparsette gab eine gute Bienenweide. Der alte Freudernann<br />
hatte seine Imen noch in Strohkörben. Dagegen fabrii'erten<br />
wir Buben aus „Loi(m)" einen „Imenbinker", d. h. ein Kästchen<br />
mit Flugloch und oben einer Glasscheibe zum Hineinsehen,<br />
in dem wir Bienen einsperren wollten in der Hoffnung,<br />
sie würden uns Honig liefern. Doch das war vergebliche<br />
Mühe. Wir konnten nicht ahnen, daß in dem Wort der<br />
uralte Bien-Kar oder Bienenkasten verborgen sei. Da waren<br />
die Waben der Humselernester am Wiesenrain zum Schlekken<br />
schon ergiebiger, auch die brummenden Gesellen weit<br />
ungefährlicher als die Imen und als die weitaus gefährlicheren<br />
„Weafzga", deren Nester man nur mit größter Vorsicht<br />
zerstören konnte.<br />
Es wurde viel Mühe auf das Mähen des Getreides mit<br />
dem Habergeschirr verwendet, damit nichts verloren ginge.<br />
Hude! und Sichel wurden nicht benutzt; ersteres war hier<br />
unbekannt. Scharen von Aehrenlesern aus dem Killertal und<br />
Burladingen bevölkerten den Kornösch, die oft mächtige<br />
Stumpen zusammenbrachten. Eine Lägel mit Wasser, d. h.<br />
ein Holzfäßlein mit 6—8 Liter Inhalt, hing egelmäßig am<br />
Heu- und Erntewagen, damit man den schlimmsten Durst<br />
löschen konnte. Mit nassem Gras suchte man das Fäßlein<br />
kühl zu halten. Oben auf der Lägel war ein Röhrlein zum<br />
Trinken angebracht. Milch nahm man gewöhnlich in doppeltem<br />
Zwieselhafen mit, dazu oft Gesälz- oder Butterbrot oder<br />
Brot und Speck. Eine große Flasche Bier kostete damals<br />
20 Pfennig. Im Herbst pflegte man das Vieh vielfach auf<br />
die entlegenen Wiesen des Heufeldes zu treiben. Einmal sind<br />
dabei unsere beiden starken Zugochsen mit wilder Lust<br />
durch das Dickicht der Thaddeußen-Kultur gestürmt, daß mir<br />
als Hirten angst und bange wurde. Das Unkraut der Aecker<br />
wurde unreif ausgerupft und verfüttert. Senfsamen bot freilich<br />
Gelegenheit, daraus Oel schlagen zu lassen. Man trennte<br />
die schwarzen Körnlein vom Getreide, indem man sie über<br />
einen schräg gestellten Tisch rinnen ließ. Im Herbst kam der<br />
Sattler auf die Stör in die Häuser zur Arbeit, für die Kinder<br />
immer eine Sensation, wenn sie sich beim Schuhmacher,<br />
Schreiner, Schmied oder sonst müde geguckt hatten. Zu den<br />
Rettichen des Krautlandes gab es ausnahmsweise auch einmal<br />
eine gekaufte Gukummer (Gurke). Die Jungen kennen<br />
heute nicht einmal mehr den uralten Namen!<br />
Merkwürdigerweise trug man damals allgemein, bei uns<br />
wenigstens, rechts und links genau die gleichen Schuhe, die<br />
also nicht m.Ji dem Fuß gearbeitet waren. Zur Schonung der<br />
Absätze wechselte man daher oft. Die Schuhbändel bestanden<br />
meist aus Lederriemen. Halbschuhe sah man im Dorfe<br />
kaum außerhalb des Hauses. Schuster und Sattler nähten<br />
rtilt Pechdraht, den sie mit vorgesetzter Sauborste eigenhändig<br />
drehten. Ein Metalldraht dagegen hat wie die<br />
Schreibfeder den Namen nur in übertragenem Sinne. Zum<br />
Schreibzeug gehörte noch die Streusandbüchse, die jedoch<br />
bald vom Löschblatt abgelöst wurde. Einen Mantel kannten<br />
die Ringinger Kinder nicht, auch die Großen trugen nur selten<br />
einen. Erst als ich 1916 ans Gymnasium kam, erhielt ich<br />
eine warme Pelerine, deren Kapuze größte Freude bereitete,<br />
später aber abmontiert wurde.<br />
Als Wundsalbe diente meist Schweineschmalz, als Zugsalbe<br />
bei Mateere und Aissen aber kannten die Ringinger seit<br />
Generationen das braune, wohlriechende, harzähnliche „Laiwangersälble"<br />
in Holzbüchslein, welche die „Duradei" und<br />
ihr Karle aus Sachsen bezogen. Angesehen waren Kamillenund<br />
Pfefferi-iinzt.ee. Einige alte Frauen konnten für das<br />
Grimmen oder die Warzen tun, selbst beim Vieh. An Ostern<br />
ließ die Jugend am Nähberg und Hälschloch Eier „ruselen",<br />
steckte sie auch gelegentlich in einen Klammerhaufen, wo sie<br />
dunkel gefärbt wurden. Als Eierfarbe dienten sonst Kaffeesatz,<br />
Zwiebelschalen oder Farben vom Krämer. Kleinkinder<br />
sagten statt Er „Gackaale". Als Knirps von 2—3 Jahren entdeckte<br />
ich in der Trippelkammer ein Körbchen mit Eiern.<br />
Da standen aber auch die hohen Rohrstiefel unseres Knechtes<br />
Michel. Ich weiß nicht, was für ein Teufel mich da reizte:<br />
Ich pfefferte ohne viel Federlesen die Eier in die Stiefel, in<br />
denen bald ein kleiner See stand. Dann verkündete ich<br />
triumphierend in der Küche: „Aelle Gack sind hi!" Mutter<br />
und Schwestern waren baff und wußten nicht, sollen sie<br />
lachen oder weinen, so entwaffnet waren sie. Dann wurde<br />
versucht, das noch Brauchbare herauszufischen. Vermutlich<br />
hat das knisternde Geräusch der brechenden Schale mir so<br />
gefallen gehabt, wie im Frühwinter oder Frühling das Zertreten<br />
der dünnen Eisdecke auf den Straßenpfützen, die es<br />
vor Teerung der Gassen ja reichlich gab, oder das Bersten<br />
der Fensterscheiben am alten Krutzehaus, als wir im Uebermut<br />
mit einem Tremel probierten, wieviel sie aushalten<br />
könnten.<br />
Als Bub hatte ich vor den zahlreichen Gänsen im Ort<br />
einen Mordsrespekt, nachdem sie mich einmal noch als<br />
Rockträger zischend und pfusgend verfolgt und am Kleid<br />
gezerrt gehabt. Seitdem machte ich um sie einen großen Bogen,<br />
bis der Bruder mich auslachte: „Du dummer Kerle, sei<br />
doch nicht so Oifältig! Guck, so muesch macha!" Dab • packte<br />
er eines der frechsten angriffslustigen Viecher am Kragen,<br />
schwenkte es im Ring herum und ließ es in die schnatternde<br />
Schar hineinplumpsen, daß sie erschreckt auseinanderstob.<br />
So habe ich es dann herzhaft auch gemacht, d. h. die schlauen<br />
Tiere kamen schon gar nicht mehr so nahe heran, wenn man<br />
keine Furcht zeigte! In der Zwischenzeit sind die Gänse und<br />
Enten ziemlich ausgegangen im Ort. Damals waren gute Federn<br />
für die Betten teuer, und das Geld war rar. Das<br />
„Brupfen" der Gänse war für uns Kinder immer eine Sensation.<br />
Aehnlich sagten wir statt hüpfen stets „bhupfa".<br />
Gelegentlich schwebte in großer Höhe und majestätischer<br />
Ruhe ein Freiballon über unsere Gemarkung weg, von jung<br />
und alt gebührend angestaunt.<br />
Furchtbar erschrak ich eines Abends, als olötzlich, während<br />
wir beim traulichen Schein der Erdöl-Lampe uns unterhielten,<br />
vor dem Fenster ein sog. „Daodavogel" Kiwittkiwitt<br />
schrie. „Jetz stirbt jabber, des hoißt jo „Komm mit!"<br />
meinte unsere Vittorbäs, was jedoch von. der Mutter als Aberglauben<br />
zurückgewiesen wurde. Tatsächlich geschah nichts,<br />
sondern der Lichtschein hatte offenbar den Vogel angelockt.<br />
Wenn wir im Dunkeln des Kellers oder abends auf<br />
der finsteren Bühne ohne Licht einen Brotlaib holen sollten<br />
und Zeichen von Furcht erkennen ließen, pflegte die Mutter<br />
zu sagen: „Wea firchst denn? Da Butza i dr Nas? Nimm dei<br />
Schnupftuech und schneitz, noch brauchst koe Angst mai<br />
hao!" Andere Kinder dagegen waren oft wegen Kleinigkeiten<br />
vergeistert.<br />
In der Werkstatt unten setzte gewöhnlich die Mutter eine<br />
Gluckhenne zum Brüten auf Eier. War das eine Freude,<br />
wenn die Kücken ausschlüpften und schon laufen konnten!<br />
Nun war Vorsicht geboten vor der sonst so nützlichen Katze.<br />
Manchmal mußte man den Hühnern den ,. Pfiffes" nehmen,<br />
d. h. ein hartes Häutiein an der Zungenspitze, welches das<br />
Futternehmen verhinderte. Zum Schluß bekam die Operierte<br />
einen Schmalzbrocken in den aufgesperrten Schnabel. Ein<br />
Eierdötschle gabs gewöhnlich am Namenstag, sonst regelmäßig<br />
auf Ostern weiche Eier.<br />
Die Rekruten fuhren zum „Spielen" (d. h. Musterung!)<br />
auf dem Leiterwagen nach Gammertingen. Bei der Rückkehr<br />
hatten die Tauglichen ihre Hüte mit bunten Kunstblumen<br />
und Federn geschmückt. Singend zogen sie ins Dorf ein und<br />
wurden gebührend bewundert. Der dann bald folgende Krieg<br />
1914 freilich ließ die Begeisterung umschlagen in religiösen<br />
Ernst zum Sakramentenempfang und zu Kriegsandachten.<br />
Vom Schirmeck im Elsaß kam alsbald die erste Trauerbotschaft<br />
. . .<br />
Die Verlobungsfeier in der Wirtschaft nannte man noch<br />
1929 „Bräutlauf" (Brauttanz). Beim Einzug der Braut mit<br />
ihrer Aussteuer * Wirde mit Schnüren und Seilen „fürgespannt",<br />
bis die beiden sich mit einem kleinen Geldbetrag<br />
loskauften. Im Elsaß taten dies kürzlich auch die Ministranten<br />
nach der Trauung an der Kirchentür! Der Dreitänzer<br />
führt die Braut zur Kirche und nachher zum ersten Tanz.<br />
Mit buntpapierenen Bändeln geschmückte Tännlein flankierten<br />
Haus- und Wirtschaftstüren, wo sich auch immer einige<br />
Zuckerweiber mit hochwillkommenen Süßigkeiten (Brötle,<br />
Bärendreck etc.) zum Verkauf Anfanden. Den Abend beschloß<br />
beim Heimgeleit das wehmütige Lied: „Tut man ins<br />
Leben seinen ersten Schritt, bringt man als Kind schon eine<br />
Träne mit .." Fortsetzung folgt
38 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T J ihrgc 1965<br />
55. S c h ö n b e r g. Dies war ehem. ein Hofgut, nordwärts<br />
von des Pfaffengarten, auch „Schan - und Schönharter<br />
G u t" genannt. Am 13. 9. 1403 wurde dieses Gut von dem<br />
Grafen Friedrich von Zollern, Herr zu Schalksburg<br />
und Müli genannt, dem Kitter Voltz von Weitingen<br />
zu Mannlehen gegeben. Als Mannlehen bezeichnete man ein<br />
„rechtes" Lehen, das nur ein Ritter erwerben konnte. Zu<br />
dem Schönharter Gut gehörte auch der „Seiler Ho f", den<br />
damals „waither der Seiler", Dieterli der Seiler und haintz<br />
der feser bauten; dazu eines, das damals hans Gislin, der<br />
Schuler genannt und ein drittes, das Hans brisli baute. Die<br />
genannten Personen waren Weilheimer und ihre Nachfahren<br />
Saile (Seiler) und Schuler leben dort noch heute. Der „Sellerhof"<br />
wurde 1348 „S e 1 h o f" genannt; das sei ist verkürztes<br />
Seide, womit man eine Viertelshufe verstand. In demselben<br />
Jahr wurde der Hof an das Kloster Stetten um 17 Pfund<br />
Pfennig verkauft. (Das Pfund hatte damals schon seinen Gewichtsbegriff<br />
verloren; es war nur noch ein Zahlbegriff. Aus<br />
dem karolingischen Pfund wurden im 13. Jahrhundert 240<br />
Silberdenare geprägt; ein Denar war gleich 12 Solidi und ein<br />
Solidus 30—80 Pfennig. Nehmen wir bei dem wechselnden<br />
Wert des Pfennigs nur dessen Mittelwert an, so ergeben die<br />
genannten 17 Pfund Pfennig folgendes Bild: 240 mal 17 mal<br />
12 mal 50 = 2 448 000 Pfennig = 24 480 Mark.<br />
56. Der Schwertacker im Branderweg. Der Ausdruck<br />
bezieht sich auf ein Einzelgrundstück; dies ist m. E.<br />
die Anwandel an der Gabelung von Brander- und Dufelweg.<br />
Namegebend war die Ackerform oder die dort wachsenden<br />
Schwertlilien nach den schwertförmigen Blättern.<br />
57. Schweiz. So wird ulkig das Unterdorf genannt. Der<br />
Ulk bezog sich auf einen früheren Bewohner in diesem Dorfteil,<br />
den Michael Beck, den Pfätzermichel, der seine<br />
Jugend in der Schweiz verbrachte und viel davon erzählte.<br />
58. S t o a g 1 e, mhd. S t e i g 1 e wird ein steiler Abstieg in<br />
Hengelbrunnen genannt. Der Hengelbrunnen ist am Hang<br />
des Durrenberges (siehe Ziffer 24). „Stoagle" ist nicht<br />
nur Verkleinerungsform von Stieg = Stoag, sondern hat<br />
auch die damit im Zusammenhang stehende Lautbrechungsform,<br />
wie in heiß-hoaß, Bein-Boa, Fleisch-Floasch, Stein-<br />
Stoa, heim-hoam, <strong>Heimat</strong>-Hoamat usw. — Von „s t i g"<br />
kommt das dialektische „Stic h" = abschüssig, gäh oder<br />
jäh. Gaeh ist mhd. gaehe von gah = schnell und davon der<br />
Ortsname Gasein. Der Flurname „Stich" kommt in Grosselfingen<br />
zweimal vor und bezeichnet den letzten Aufstieg am<br />
Weg nach Bisingen, der infolge seiner Steilheit beim Bau<br />
der Straße nach Bisingen im Jahr 1847 durch Serpentine<br />
(Schlangenwege) umgangen wurde und den steilen Weg am<br />
Ende des Reuterweges gegen Owingen. Wenn das Wort<br />
„Stich" nicht wie Stiege-Steige gebrochen wurde, so lag dies<br />
darin, daß ihm keine Silbe mit assimilierendem „a" folgte<br />
wie in Biß, Riß.<br />
59. S10 a z - bzw. Steins- auch Steigswäldle am nördlichen<br />
Abhang des „L ö c h 1 e" bzw. „Erlen hinter dem<br />
B e r g". Das Grundwort bezeichnet ein Wäldle, das zur Zeit<br />
der Namengebung noch vorhanden war. Nach „Erlen hinter<br />
dem Berg" kommt man über den Fahrweg am „K a 1 k -<br />
o f e n" oder den steilen Fußweg über das „L ö c h 1 e", die<br />
Löchlesebene, heute Allmende und den steilen Fußpfad an<br />
V-iele jüngere Kräfte mußten hier erst lernen. So ergaben<br />
sich oft Versuche und Aenderungen, die jene Frische vermissen<br />
lassen, die der erfreuliche Ausdruck fertiger Künstler<br />
an der St. Mauruskapelle bleibt. Noch so minutiöser Schuldi-ill<br />
allein vermag das Gefühl nie zu ergänzen, wohl aber<br />
die Bedeutung des Kunstwerks zu mindern.<br />
Die Entwürfe von Lenz, die mit seiner zunehmenden Erfahrung<br />
immer strenger und kompositionell geschlossenener<br />
wurden, werden von den Schülern getreulich ins Große umund<br />
nachgebildet, so gut es ein jeder erkraftete. Doch, jene<br />
sich federnde Elastizität der Linie, die geradezu ideal im<br />
Benediktusfries der Mauruskapelle sich offenbart, können<br />
diese Schüler zu St. Gabriel den Kompositionen nicht mehr<br />
Eigenes zulegen. Es bleibt wohl die überwältigende Linienidee<br />
ihres Urhebers und der architektonische Bau der Komposition<br />
bestehen, aber es ist ein Vortrag ohne jene Gefühlszugabe,<br />
die aller Kunst erst die lebensspendende Beseelung<br />
zuträgt. . .<br />
Grosselfinger Flurnamen<br />
von Josef Strobel<br />
Der Malermönch<br />
von Kunstmaler Hermann Anton B a n 11 e t<br />
(veröffentlicht von Martha Schneider-Schwärtzel)<br />
Fortsetzung<br />
dem vorgenannten Wäldle vorbei. Da dort der Abgang und<br />
damit auch der Fußweg sehr steil sind, konnte man ihn nur<br />
gehen, wenn man sich mit den Stiefelabsätzen gegen den<br />
Abhang stemmte, wobei in den Pfad treppenartige Stufen<br />
eingehauen wurden. Die etymologische Entwicklung des Namens<br />
„S t o a z w ä 1 d 1 e" dürfte folgende sein: aus stigan<br />
wurde stige, daraus durch Lautbrechung Steige und Stoag,<br />
in der Verkleinerungsform Stoagle und in Bezug auf das<br />
anliegende Wäldchen „Stoagswäldle" und daraus durch Assimilation<br />
„S t o a z w ä 1 d 1 e". Wenn der Schreiber der Besitzbücher<br />
von 1730 und 1760 Steins- oder sogar Stoinswäldle<br />
geschrieben hat, so kannte er weder die etymologischen Vorgänge<br />
noch den Grosselfinger Dialekt. In Grosselfingen heißt<br />
der Stein S t o a, niemals S t o i.<br />
60. „Der Stelzenacker" wird auf dem. Atzenbol ein<br />
einzelner Acker genannt, von dem etwa 4 bis 5 Furchen in<br />
die am Kopfende angrenzende andere Ackerlänge hineinreichen.<br />
Diese sonderbare Flurgestaltung rührt offenbar von<br />
einer Erbteilung her. Sonst sind Stelzen Hölzer oder<br />
Stangen, auf denen man im Spiel hochbeinig einhergehen<br />
kann. Dazu gehören auch der Stelzfuß und die Bachstelze.<br />
Auch der Storch hat Stelzbeine<br />
61. Stetzier nennt man ein Acker- und Wiesengelände<br />
im Hagenbacher Esch, östlich vom Hofstättie. Das Wort<br />
„S t e z 1 e r" kommt von dem dialektischen „Stozen" und<br />
dieses vom got. stautan, ahd. stozan, mhd. stoßen. Was aber<br />
gestoßen wird, kann ein Degen, ein Pfahl, ja selbst der Fuß<br />
oder der Arm sein. Hier ist „der S t o t z e n" ein Pfahl, der<br />
in die Erde gestoßen wird. Da dies wiederholt getan wurde,<br />
so handelt es sich um eine Reihe derartiger Stotzen, die<br />
dazu dienten, das Weidevieh von einer bebauten Flur abzuhalten.<br />
62. Stockbrunnen wird ein ganz kleines Gewann in<br />
der Nähe des Stetzlers genannt. Offenbar war dort eine<br />
Viehweide, in der ein Stock, das heißt ein ausgehöhlter<br />
Baumstamm in die Erde eingestoßen war, in dem dann das<br />
Grund- und Druckwasser aus der höheren Umgebung aufstieg<br />
und in einen Brunnentrog floß, damit das Vieh<br />
trinken konnte. Sonst wird als Stock auch ein Baumstumpf<br />
mitsamt den Wurzeln genannt. Stock wird auch eine Bienenwohnung<br />
genannt, die man nach dem Vorbild des Bienenbaues<br />
in einem ausgehöhlten Baumstamm, später aus einem<br />
ähnlichen Geflecht von Stroh oder Schaub herstellte (siehe<br />
Ziffer 51).<br />
63. S tong e. Mit diesem seltsamen Namen wird in den<br />
Besitzbüchern von 1544, 1730 und 1760 ein sehr fruchtbares<br />
Ackergelände über bzw. „uff dem Branderweg" bezeichnet.<br />
Da dieser Name in den genannten Büchern oft vorkommt,<br />
muß das Gelände für die Bauern jener Zeit sehr<br />
wichtig gewesen sein. Doch gehen über die Herkunft des<br />
Namens die Meinungen auseinander. Ich leite ihn aus der<br />
charakteristischen Entstehung und Eigenart des in Frage<br />
kommenden Geländes ab.<br />
Geht man auf dem Branderweg westlich, so stößt man<br />
schon nach etwa 500 Metern von der Abzweigung des Branderweges<br />
vom Dufelweg auf einen gut bonitierten flachen<br />
Hügel, der als Alluvialland anzusprechen ist.<br />
Fortsetzung und Schluß<br />
Von allen Heiligen sprach Pater Desiderius in devotester<br />
Verehrung, in Sonderheit von der Muttergottes. Sprach er<br />
von ihr, oder ging er daran, ihr Bild zu formen, wuirde er<br />
zartfühlendster Lyriker. Stets war ihren Darstellungen seine<br />
besondere Liebe zugetan. In allen Phasen seines Werdens<br />
wie seines Lebens tritt immer wieder das Problem hervor,<br />
die Mutter Gottes zu verherrlichen. Stets rein und keusch<br />
weiß er die Linie, die Form und Farbe zu halten, um ihrer<br />
Würde gerecht zu werden. Hat je ein Bildner mit mehr Beseelung<br />
und keuscherer Innigkeit ihre ewige Jungfräulichkeit<br />
typisiert? In seiner Jugend in München bildete er sie zum<br />
erstenmal in Plastik als Schmerzensmutter. Noch realistisch<br />
ist sein Marienloh. Je reiner er sich selbst und dem Genius<br />
hörig wird, umso entmaterialisierter schreibt er später ihr<br />
Bild in zartesten Entwürfen nieder. Als er in Tirols Bergeinsamkeit<br />
begnadet wird, entsteht als Frucht seiner bedeutungsvollen<br />
Wende und Ausreife ein Pietaentwurf, der so<br />
vollendet ist, daß, so oft er auch Jahrzehnte hindurch den-
Jahrgang 1965 HOHSEKZULXjERISCHJS HiiMAT 59<br />
selben immer wieder variiert, er nie mehr über ihn hinauskam.<br />
Schon damals 1865 hält er jenen Entwurf wie etwas Heiliges<br />
in Ehren. Wenn er zur sonntäglichen Messe hinunter<br />
nach Laas steigt, nimmt er die Mappe mit, in der diese<br />
Pieta ihn begleitet, und am Abend geht er wieder mit ihr in<br />
seine Berghütte. Er trug sein Lebenswerk wie ein Amulett<br />
mit sich.<br />
Nie konnte er diese Pieta vor die Menschen stellen. Alle<br />
Versuche dahin wurden von seinen Vorgesetzten abgewiesen.<br />
Endlich in Prag bei den Klosterfrauen kann er die Sehnsucht<br />
seines Lebens stillen. An der großen Rückwand der<br />
Klosterkirche findet er eine Fläche, der er sein Lebensgedicht<br />
überantworten kann, das er dreißig Jahre nur als Entwurf<br />
in sich trug.<br />
Frauen werden auch zu dieser Originalschöpfung Vermittler,<br />
wie sein Erstlingswerk bei Beuron durch eine Frau ermöglicht<br />
wird.<br />
Ueberlebensgroß ist diese Muttergottes in Farbe und: Linie<br />
gebildet. Sie ist ein Urbild und hat ihresgleichen nirgends! —<br />
Ein Symbol!<br />
Alle Natur ist in dieser Darstellung gelöst und nur ein<br />
geistig Gebilde geoffenbart. Für Menschen geschaffen, die<br />
frei sind von jeder Diesseitsbindung.<br />
„Ganz ägyptisch", ist der erste Eindruck. Aber schon setzt<br />
Reue ein. Ein verspürbarer Ewigkeitshauch weht von dieser<br />
Wand herab. Es fördert Achtung. Ein beispielloses Wissen<br />
ruht in ihm. Eine tiefe, ehrfurchtsvolle Frömmigkeit strahlt<br />
heraus, zieht in seinen Bann.<br />
Das ist keine Pieta mehr. „Regina Martyrum!" — steht<br />
dabei geschrieben. Ja, das ist eine KÖNIGIN!<br />
Man könnte die Komposition leichthin mit dem Zirkel in<br />
Dreiecke und Quadrate auflösen. In den Urgesetzen, die in<br />
der geschaffenen Natur so herrlich sich offenbaren, ist sie<br />
aufgebaut.<br />
Auf breitem Thronus sitzt die Königin und hat ihre Hände<br />
opfernd geöffnet vor dem Opfer, das ausgebreitet wie eine<br />
Patene über ihrem Schöße liegt. Eine hohe Opferwürde ist<br />
dieser Königin der Schmerzen eingehaucht. Nur ein starker<br />
Glaube konnte sie zeugen. Mehr als Mutter, die ihren toten<br />
Sohn auf dem Schöße hält (ER ist kleiner gestaltet als sie<br />
selbst) deutet diese mächtige Pieta. Sie ist Symbol der Heiligen<br />
Messe. Die beiden Engel sekundierend, beten staunend<br />
mit ihr. Schönster und reinster Opferhymnus klingt uns<br />
abgeklärt wie größte Selbstverständlichkeit entgegen. Nirgends<br />
sind Schattenpartien — im Heiligsten ist das Licht<br />
selbst lichtdurchleiuchtend. Ob dem Haupte der Muttergottes,<br />
das feierliche Ruhe ausdrückt, schwebt der Hl. Geist.<br />
Und ist nicht in der Mutter selbst Gott Vater symbolisiert?<br />
Reich wie die Melodik der Farben ist der Rhythmus<br />
der Linien.<br />
Tröstliche Lyrik spricht dieses Hohe Lied in den beiden<br />
Psalmen, die rechts und links der Komposition stehen.<br />
"iele verstehen es nicht, weil es so tief und erhaben ist.<br />
Die Kirche hat in der neublühenden benediktimschen Liturgie<br />
eine verheißungsvolle Wiedergeburt begrüßt, die uns<br />
den ewig jungen und doch so alten Kirchengesang wieder<br />
geben will, der nichts Erdverbundenes, wohl aber äternale<br />
Feierlichkeit in sich birgt. Soll diesem Rückbesinnen nicht<br />
auch der Künstler sich anschließen dürfen? Darf nicht auch<br />
die bildende Kunst, so sie dem Altare dient, wieder zur Nurfeierlichkeit<br />
der alten Kulturen zurückgreifen und versuchen,<br />
ob sie nicht im Einfachen, Uebersinnlichen allein wieder den<br />
Ausdruck des Göttlichen findet? Darf nicht der Schmerz der<br />
Mutter, der uns doch die Erlösung brachte, von dieser Erlösergnade<br />
überstrahlt, als Symbol gebildet werden?<br />
Nicht jeder muß alles verstehen. Wie viele Geheimnisse<br />
hält die Kirche, die nie verstanden werden! Auch die Kunst<br />
kann den Menschen i ; :ht alles in faßbare Nähe rücken. Der<br />
profanen Kunst mag dies eher möglich sein. Religiöse Kunst<br />
aber hat Hohes und Höchstes zu behandeln. Sie rückt damit<br />
in Sf :, ären, die ewig ihre ungelösten Reste behalten werden<br />
oder besser, an die wir immer bloß heranreichen, aber die<br />
wir nie durchdringen können. Versuche, diese Dinge zu ent-<br />
'leiern, müssen fehlschlagen, solche Entschleierungen töten<br />
Hohes und Heiliges!<br />
Einfach und einheitlich ist die Kirche in ihren Grundzügen.<br />
Gerade damit verbindet sie einen unvergleichlichen Ewigkeitshauch.<br />
E i Künstler, der gleiche Wege geht, hat das Gotteswerk<br />
pr Kirche auf Erden in einem der lichtesten Punkte erfaßt.<br />
Was viele Suchende dunkel erfühlen, hat Pater Desiderius<br />
in seiner Pieta schon gegeben. Freilich, für Gefühlsmenschen<br />
ist d iese Kunst, die sich schon von aller Materie befreit hat,<br />
nichts. Ist !s überhaupt Aufgabe der Kunst, mit Gefühlswerten<br />
allein zu wirken? Kann und darf es nicht auch eine<br />
Kunst geben, die da sie doch aus dem Paradiese stamme,<br />
eben nur paradiesische Mittel gebraucht, deren Motive weder<br />
Fleisch noch Blut, sondern nur Geist sind? Hat der Geistesmensch<br />
nicht Rechte, sich in dieser überirdischen Sphäre auszudrücken?<br />
— Haben wir die sinnliche Natur nicht ständig<br />
in und um uns? Dürfen wir nicht auch mit dem Uebersinnlichen<br />
umgehen, auf daß es uns in jene Gefilde führt, wo<br />
es keine Enttäuschung mehr geben kann? Kann man das<br />
Heilige überhaupt anders als symbolisch bilden?<br />
Wer tritt mit staubigen Schuhen, nassen und beschmutzten<br />
Kleidern in den Saal des Königs? Diese zöge er vorher aus<br />
und käme gereinigt vor den Thron. — Wer Seelenadel trägt,<br />
ist an die königlichen Gesetze verpflichtet. Nicht jeder kann<br />
die Sprache der Kunst verstehen. Doch wer einmal die reine<br />
Luft der Berge eingeatmet, ihre befreiende Wirkung in sich<br />
erspürt hat, wird immer wieder zu der Höhe der Reinheit gezogen,<br />
um dort stärkenden Lebensodem zu sammeln. Die<br />
Bergluft beschwert nicht. Sie scheint dem Menschen Flügel<br />
zui schenken.<br />
Das reife Kunstwerk von Pater Desiderius Lenz beschwert<br />
nicht, es befreit. —<br />
Von der traditionellen Kunstsprache weit entfernt, durfte<br />
er nicht auf viele Gönner rechnen.<br />
Sie wurde abgelehnt.<br />
Der Prager Kardinal ließ seine Schöpfung in St. Gabriel<br />
verhängen. Geisteswerke leben auch hinter Vorhängen. Sie<br />
reden laut, wenn ihre Stunde kommt.<br />
Gebilde, die ein geistig hochstehender Mensch ein Leben<br />
lang in sich wachsen läßt, ehe er sie der Öffentlichkeit übergibt,<br />
kann und darf man mit einem ersten Blick und zwei<br />
Worten nicht abweisen. Irgend wann haben sie etwas zu<br />
sagen. Das erste Kunstwerk, das nicht an die Mode gebunden<br />
ist, hat Zeit. Es kann auf seine Mission warten. So auch<br />
die Prager Pieta von Desiderius Lenz.<br />
Die Stadt Wien wollte eine Herz-Jesu-Kirche bauen. Sie<br />
schrieb einen Wettbewerb dafür aus. Pater Desiderius entwarf<br />
einen Plan. Nur außerhalb der Konkurrenz beteiligte<br />
er sich. Er wollte die Welt an sein architektonisches Talent<br />
erinnern. Der Plan begeisterte einzelne überschwenglich. Die<br />
Mehrzahl stieß er ab. Ein nicht verstehendes Echo!<br />
Ein junger Architekt fertigte unter Hilfe des Meisters<br />
später die maßgebendsten Details dieses einzigartigen Planes<br />
aus, so daß das Erbe als ein abgeschlossenes Werk uns überliefert<br />
bleibt. Vielleicht schreit dieser Kirchenplan einmal<br />
laut um seine Erfüllung. Sowie man die Mauruskapelle<br />
neben die modernste Eisenbetonarchitektur stellen könnte,<br />
ohne das Gesamtbild durch ihr Hinzukommen zu stören,<br />
ebensogut könnte dieser Entwurf, der für Wien gedacht war,<br />
in jede Umgebung modernster Architektonik eingefügt werden.<br />
Sogar in Betonausführung könnte man ihn sich verwirklicht<br />
denken.<br />
Im Geistesleben gilt die Zeit nichts, nur die Ideen. Sie<br />
allein haben ewiges Leben.<br />
Es war ein glücklicher Gedanke des verstorbenen Erzabtes<br />
Krug von Monte Cassino (ein Deutscher), Gelder zu sammeln,<br />
damit der große Benediktinerkünstler auch noch die<br />
Krypta von Monte Cassino, das Grabgewölbe des hl. Benedikt<br />
und seiner Schwester Scholastika ausschmücke. Der<br />
großzügige Auftrag war in seiner Ausführung in dauerhaftem<br />
Mosaik und Marmor gedacht. Kein italienischer Erzabt<br />
hätte je solchen Wunsch gehegt. Die Kunstsprache dieses<br />
Deutschen war ihnen wenig sympathisch.<br />
Das Vorhaben des klassinensischen Abtes, der in Amerika<br />
und in der ganzen Well oettelte, realisierte sich. Pater Desiderius<br />
kam mit seinen Schülern auf den Heiligen Berg. Die<br />
Krypta-AussJ.mückung wurde seine ausgedehnteste, größte<br />
und tinsterbliche Schöpfung. Sie wird die Maurusfresken<br />
überdauern, seine Kunst kommenden Geschlechtern noch<br />
künden.<br />
Der erfahrene Harfner greift tief ins Instrument und holt<br />
die letzten Möglichkeiten aus seiner Seele Grund. Dem ördensstifter<br />
und seinen Erstberufenen St. Marus und St. Plazidus<br />
gilt sein Loblied. Er nahm diese neue umfangreichste<br />
und ausgedehnt este Arbeit, die seinem Schöpfertum gestellt<br />
wurde, sehr ernst. „Ich bin jetzt 70 Jahre und such^ immer<br />
noch zu lernen", schrieb er von Monte Cassino am 31. Mai<br />
1902 an seinen Neffen Peter Lenz und will ihm damit Mut<br />
isprechen Ein Loblied in Mosaik klingt Jahrtausende.<br />
Nur Höchstberufenen wird das Glück zuteil, in dieser Jahrhunderttechnik<br />
ihre Kunst ferneren Zeiten zu übermitteln.<br />
Lenz war es beschieden.<br />
Anklänge an die musivischen Werke, die Italien in glänzender<br />
Fülle wie Größe im ravennatischen Gebiet, in Rom,<br />
und an anderen Orten hat, sind in diesem Werk vorhanden.<br />
Der technische Apparat erfordert immer ähnliche Handhabung.<br />
Hier liegt schon ein mehr dekorativer Sinn in den
:(60 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Ausdrucksmitteln vor. Auch die figürliche Darstellung darf<br />
das Dekorative nicht zu weit überschreiten. Erste Forderung<br />
ist strengste Eingliederung der Farbornamentik wie der Figurendarstellung<br />
an die Architektur. Die Wandfläche muß<br />
belebt, darf aber nie aufgehoben werden.<br />
Die Deckenmosaiken in der Krypta Soccorpo erinnern teils<br />
an die Galla Placidia-Kapelle zu Ravenna, teils an die<br />
römischen Deckenbehandlungen des 5.—8. christlichen Jahrhunderts,<br />
und doch sind sie nicht kopiert, sondern eigene<br />
Schöpfungen, voll persönlicher Prägung.<br />
Noch ehe das Chaos Europa überzog, wird die Soccorpo<br />
festlich eingeweiht und dem Gottesdienste wieder geöffnet.<br />
Der Meister hatte seine Aufgabe gelöst. Sie wird seinen<br />
Ruhm weiter tragen in seinem Werk.<br />
Vor seinem letzten wie größten Opus schweigen selbst die<br />
Gegner strenger Formen. Auch die Italiener bekennen sich<br />
zur Kryptaausschmückung in hohem Maße. Das Mosaik ist<br />
ihnen geläufig. Daran sind 1 sie gewöhnt. Daß diese Monumentalkunst<br />
herben Stil fordert, wissen sie, und daß die<br />
musivische Technik vieles mildert, auch. Der Romane, der<br />
von vornherein das Pathos mehr liebt als der Deutsche, sieht<br />
im Mosaik den stärkeren Ausdruck würdevoller Pracht.<br />
Diese Erfahrung hat er in zahlreichen alten kirchlichen<br />
Räumen gewonnen. Das Mosaik, selbst wenn es noch so<br />
schematisch zur Ausführung käme, bringt viele Zufälligkeiten<br />
in das Bild. Es mildert durch sich selbst allzu strenge<br />
Linien einer Komposition, weil die Steine und Gläser, aus<br />
welchen sich das Mosaik zusammensetzt, nie gleich intensiv<br />
wirken. Schon die Oberfläche ist nie gleichwertig eben. Es<br />
entstehen oft reizende Spiegelungen, die mit jeder Bewegung<br />
des Beschauers oder mit dem Wechsel des einfallenden Lichtes<br />
sich ändern und die Blickfläche beleben. Ueberreich ist<br />
diese Krypta mit der St. Maurus und St. Placiduskapelle<br />
dekoriert und in Gold strotzend. Das ist einzig die Kunst,<br />
die Würde ausdrückt, ein königliches Gepräge hat und das<br />
Hoheitsvolle in Kraft kündet. Im Mosaik drückt sich der<br />
Gesetzesgedanke des Benediktinerordens aus. Vornehmheit<br />
ruht in ihr und feierlicher Ernst. — Der Choial ist nie in<br />
Farbe eindringlicher übersetzt worden als durch Mosaikmalerei,<br />
wenn sie Stil hat, und ihr Gestalter die Liturgie<br />
der katholischen Kirche in Geist und Blut trägt.<br />
In der Krypta, deren Räume nur geringe Höhe haben,<br />
sind vor allem die Deckenfelder und die oberen Teile der<br />
Wandungen mit Mosaik geschmückt. Die unteren Wandpartien<br />
sind mit farbigem Marmor bekleidet, d :r aus zwei großen<br />
Relieffriesen besteht. Die großen Benediktiner der Anderthalb<br />
jahrtausende finden in dieser langen Prozession<br />
ihren Platz. Man hat auch in diese Plastik Milderungen der<br />
desiderianischen Strenge getragen, — das ist schade! Jene<br />
Reliefe aus früherer Zeit, die in der Torretta stehen, sind<br />
der Intention des Meisters näher gekommen.<br />
Der heilige Franziskus, der Poet, lag dem umbrischen<br />
Menschen und den Dichtern und Malern, die alle aus dem<br />
Zwiefalter Besitz<br />
A.<br />
1331 Dietrich von Liechtenstein bekennt durch Brief und<br />
Siegel, die Vogtei über die Mühle in W i c k e n t a 1 sei ihm<br />
vom Kloster Zwiefalten auf Lebenszeit verliehen. Mit ihm<br />
siegeln SWigger und Eberhard von Liechtenstein. (Sulger,<br />
Annales Zwif. 1698 S. 276.)<br />
B.<br />
15. Jh.: Zwiefalter Neuerung Wickental, Trochtelfingen und<br />
Harthausen b. Feldhausen (1468?).<br />
Wickental (am östl. Ortsrand von Mägerkingen!): Aus<br />
der Mühlstatt und Wiese samt Zubehör: 2 Pfund Hlr. Dazu<br />
gehören bei 2'/a Mm. Wiesen zu Wickental an der Mühlstatt.<br />
Item ein Holz, genannt Totenhalde, stoßt an Heinrichs Berg.<br />
Die Mühlstatt soll Lehen von uns sein. Hat ein Abt und<br />
Convent vor langen Zeiten hingegeOsn. Die 2 Pfd. Hlr. gibt<br />
Heinz Dachs zu Trochtelfingen. Das ander auch jüngst.<br />
Trochtelfingen : Die Brälin geben 2V2 Pfd. Hlr. und<br />
2 Schilling aus einem gemeinsamen Gut (NB Steinlehen), genannt<br />
Brälins Gut. Darin gehören 1 Garten, auf 8 Mm. Wiesen<br />
und uf 20 Juchert Acker in allen drei Eschen.<br />
Harthausen: Schimpf Hans gibt jahrs uf Martini 1<br />
Pfd. Hlr. us 1 Wies.<br />
C. 1537<br />
I. Hans Henis von Trochtelfingen hat den dritten Teil des<br />
Brüelins-Gut. Darin gehört 1 Vtl. Wies, 4 Vtl. Hanfgarten<br />
dabei in Wasserwiesen vor Veckentürlin (Rockentürlin?) über<br />
(gegenüber), einthalb an Felix Werdenberger, anderseits an<br />
Conzen Glarissen Wies, beide in berührt Gut gehörig, stoßt<br />
Volke kommen, näher als der Aristokrat St. Benedikt, den<br />
vor Pater Desiderius kaum ein paar Künstler bildend hervorragend<br />
dargestellt hatten.<br />
Allerdings, Franz kam beinahe 700 Jahre später in die<br />
Welt, als die Menschen seiner bedurften, da die Aristokratie<br />
mit hrer Macht Mißbrauch trieb, nichts destoweniger, die<br />
Aristokraten brauchen größere Distanz, längere Zeit, bis sie<br />
sich durchsetzen. Sie sind die Bergspitzen, die Firnen.<br />
Der Leichnam des Hl. Franz war kaum beigesetzt, als<br />
schon Poesie und Malerei die Gloriole um ihren Liebling<br />
breiteten. Er übte einen unerhörten Einfluß auf die bildenden<br />
Künste aus, weil er der künstlerische Mensch seiner Zeit<br />
war und der Kirche mächtiger denn je alle Künste zuführte.<br />
Monte Cassino liegt hoch.<br />
St. Benedikt entfloh der Niederung.<br />
Die Vornehmen des ersten christlichen Jahrtausend wohnten<br />
immer auf den Höhen. Von oben beherrscht man das<br />
Menschengeschlecht. Man ist dem Ewigen näher.<br />
Franziskus ging auf die Höhe, nur um zu beten, Dort<br />
brannte ihm Christus die Wundmale ein. Dann aber mußte<br />
er seine brennende Seele mitten in die Menschen hineintragen,<br />
sie Feuer von seinem Feuer zünden lassen. Er stieg<br />
in die Ebene des flutenden Lebens hinab. Sein Herz war<br />
übervoll. Er mußte es den Brüdern und Schwestern im Tal<br />
Maria von den Engeln zum Schöpfen reichen.<br />
Auch mit dem unvergleichlich reichhaltigen und durchaus<br />
erschöpfenden Bildkreis, den Pater Desiderius uns über seinen<br />
Ordensstifter geschenkt hat, ist uns St. Benedikt nicht<br />
näher gebracht worden. Jene überzeugende Bindung von der<br />
Bilddarstellung zum Volke, die in der Oberkirche in St.<br />
Francesco zu Assisi von der Giotoschule uns überliefert ist,<br />
lag nicht im Vermögen von Pater Desiderius. Zum Volke<br />
konnte er mit seiner Kunst den Weg nie finden.<br />
Das ist das Urbenediktinische an seiner Begabung<br />
und der letzte Grund, warum seine Kunst nie in<br />
die Breite des Volkes dringen konnte. Selbst im eigenen<br />
Orden findet sie nicht ungeteilten Widerhall. —<br />
Ein Germane war berufen. Eine außergewöhnliche Erscheinung!<br />
Ob die Söhne St. Benedikts vor neue Aufgaben gestellt<br />
werden müssen? Sollen sie ihren aristokratischen Geist<br />
kommenden Geschlechtern neu aufprägen? —<br />
Die Künstler der verschiedenen Töchterabteien Beurons<br />
gingen nach Beendigung der Arbeiten in Monte Cassino wieder<br />
in ihre Klöster zurück. Pater Desiderius Lenz nach Beuren.<br />
(Vgl. Hohenz. <strong>Heimat</strong> Jahrg. 1957 Seite 39.)<br />
Er war ein Einundachtzigjähriger geworden. Wie ein Patriarch<br />
sah er in seinem mächtigen weißen Barte aus. E r<br />
ist ein Patriarch! So reich läßt er die Spuren seines<br />
Geistes bei den Menschen, daß sie Jahrtausende Gültigkeit<br />
bewahren, Hunderte und Tausende befruchten.<br />
Ein Wunder bleibt es. Frisch und feurig wie am ersten<br />
Tage bewahrte der vierzehnhundertjährige Orden solche<br />
Begeisterung, wie der ßenediktussohn mit seinen Helfern<br />
den Ordensvater und seine Erstsöhne auf Monte Cassino<br />
glorifizierte!<br />
um Trochtelfingen<br />
herab ans Wasser. Mehr 2 Mm. ^A^iesen (jetzt Acker) uf dem<br />
Bühl vor dem Buch. Furchgenoß enthalb das Gerrieinmerk,<br />
anderthalb der Vischerin Lehen, trett uf Felix Werdenberger.<br />
Mehr 1 Mm. Wiesen in Sälen und hat Felix Werdenberger<br />
auch 1 Mm. dabei, sind nit getailt. Mehr 1 Mm. in<br />
Schopfenloch, einthalb an Ursula Benglerin, anderseits am<br />
Wald, stoßt uf des Staigers Wechselwies gegen dem Zypfel.<br />
Aecker im Esch bei Unser Lieben Frauen:<br />
1 Juchert vor dem Banholz, Furchgenoß Michel Kruß, anderseits<br />
Heinrich Fattlin, trett uf den Weg. 1 J. im Brand<br />
hinter sankt Martins Köbelin, Furchgenoß Felix Werdenberger,<br />
andererseits ist ein Anwander, stoßt uf Hans Staiger.<br />
Esch Kalenberg:<br />
1 J. hinter Kallenberg (!) zw. Heinz Seitz und dem Mesneracker,<br />
den Heinrich Vattlin (Fattlin) innehat, trett uf den<br />
Weg. 1'Ii J. auf Michel Bengs Rain, zwischen Conz Glaris<br />
und Felix Werdenberger, trett uf den Weg. 2 J. vor dem<br />
Glamper, zw. den Wiesen und Felix Werdenberger, trett uf<br />
Hans Bengern.<br />
Esch vor der Burg:<br />
2 J. im Bottental bei dem Stein zwisch. Ludwig Schnidt<br />
(Schnider? soll wohl Schmidt heißen), und dem Rain, trett<br />
if den Staiger. 1 J. hinter Stettberg zwisch. Felix Werdenberger<br />
u. Benz Feger, trett uf Conz Ciarissen. 2 J. uf ob<br />
Hungerbrunnen, zw. Conz Glaris u. Felix Werdenberger, tr.<br />
uf Conr. Mürlin. 1 J. ob Stumpach zw. Fei. Werdenberger u.<br />
Conz Glaris, trett uf Benedikt Krusen; Er geit darus 1 Pfund<br />
Heller.
.lahrgang 1965<br />
II. Conz Glans hat Vs von berühmtem Gut: 1 Vtl. Wiesen<br />
in Wasserwiesen vor Vocken-Tor unten herüber, zwisch.<br />
Gebhard Dräer und Hans Hemsen.<br />
Esch Kalenberg:<br />
3 J. Michel Bengs Rain zw. dem Rain u. Hans Henis, tr. uf<br />
d. gemeinen Weg.<br />
Esch an der Burg:<br />
1 J. vor Tettenloch zwischen Martin Sterk u. Hans Arnolt,<br />
tr. uf Melchior Bengern. 1 J. uf dem Ehenruns, zw. Conrad<br />
Mürlin und Hans Henis, trett uf Conrad Mürlin. 1 J. an<br />
Stumpen zwischen Hans Henis und den Wiesen, trett uf den<br />
gemeinen Weg. Er geit daraus 12 Schilling Hlr.<br />
III. Felix Werdenberger hat inne den übrigen Teil des<br />
Lehens: 1 Vtl. Wiesen und 4 Vtl. Hanf garten in Wasserwiesen<br />
vor Vockentürlin über, einerseits an Sant Jakobs Pfrend-<br />
Wiesen, anderseits Hans Henis, stoßt uf das Wasser. 2 Mm.<br />
Wiesen vor dem Buch (sind jetzt Aecker) zwischen der Vischerin<br />
Lehen und Jerg Gilg Saurer, anderseits der Weg,<br />
trett uf den Weg. 1 Mm. Wiesen hinter Sälen, ist gegen<br />
Hansen Henis nit getailt.<br />
Esch bei Unser Frowen:<br />
1 J. ob dem Talweg zwischen m. gnäd. Herren Graf Friedrich<br />
v. Fürstenberg), und Ludwig Schnidt (Schnidr? wohl<br />
„Schmidt"!), trett uf die Talwies, so Veit Krangier innehat.<br />
1 J. im Brand ob sant Martins Kobel, an Hans Henis, anderseits<br />
ist ein Anwander, trett uf den Weg.<br />
Esch Kalenberg:<br />
1 J. in Weechnis Tal an Melchior Benger u. Conz Glairs,<br />
anderseits Hans Henis, trett uf Hans Betzen. P/2 J. an Michel<br />
Bengs Rain, zwisch. Hans Henis u. gnäd. Herrschaft, trett<br />
uf den Weg.<br />
Esch an der Burg:<br />
2 J. vor dem Glannberg an Hans Henis, anderseits ists ein<br />
Anwander, tr. uf den Weg. 1 J. hinter Stettberg zw. Hans<br />
Zipfel u. Hans Henis, trett uf Conz Glairs. 1 J. ob dem<br />
Hungerbrunnen zw. Henis beiderseits, trett uf Conrad<br />
Mürlin. Ein Juchert an dem hinteren Stumpach zw. Hans<br />
Henis u. den Wiesen, trett uf Benedikt Krusen. Geit auch<br />
darus 1 Pfund Hlr.<br />
Actum in Beisein der Zeisleut, die ein yeder bekannt (hat),<br />
Josue Eglingers Vogt zu Trochtelflngen und Burkhart Fattlin<br />
daselbst des Gerichts, Anthonis Beck Pfarrers; dann Hans<br />
Ackers Schultheißen und Michel Schidlis (beide) zu Wilsingen,<br />
uf Zinstag post Quasimodo anno etc. XXXVII (= 10.<br />
April 1537).<br />
Dionysius Hipp von Megerkingen hat inne 3 Mannsmahd<br />
Wiesen aneinander zwischen Ulrich Geckeller, den langen<br />
Weg an der Wickengassen, mehr 1 Holz genannt Tottenhalde,<br />
stoßt an an Heinrichsberg. Geit darus 2 Pfd. Heller. Schimpf<br />
Hans von Harthausen geit us 1 Wies daselbst, st. an die obere<br />
Gasse u. an Martin Ungemuets Wiesen und a. Jousen Guldin<br />
u. Hans Steinhart. Geit darus 1 Pfd. Hlr. (Arch. Stuttgart<br />
H 236, Nr. 21.)<br />
D.<br />
Beschreibung vom 6. Mai 1672<br />
Das Steinlehen, das 1537 Hans Henis, Conz Glairs und<br />
T"elix Werdenberger innehatten, besitzen jetzt Jung Hans<br />
Betz, Maria Wallin als Witib des Martin Hüringer und Andreas<br />
Reiser.<br />
Erlaubnis zur Neubeschreibung gab Franz Ludwig v. Gall,<br />
fürstlicLfürstenberg. Rat und Obervogt zu Trochtelflngen;<br />
durchgeführt wurde sie von Herrn Bernhard Knüttelin, Amtmann<br />
des Klosters Zwiefalten.<br />
Abgaben jährlich an Fürstenberg: 8 Vtl. Vogthaber und 6<br />
Tage lang zwei Pferde zu unterhalten, an Zwiefalten als<br />
Eigentumsherrn: jährlich 1 fl. 44 kr. oder 2>/> Pfund 2 Schilling<br />
Heller Zins.<br />
(Wir setzen hier Hans Betz als dritten an die erste Stelle,<br />
den Reiser als den ersten aber an dritte Stelle, entsprechend<br />
der Beschreibung von 1537!)<br />
I.<br />
Jung lans Betz hat Vs des Steinlehens, gibt der Herrschaft<br />
3 Vtl. Vogthaber und an Zwiefalten 40 kr. Lehenzins aus:<br />
1 Vtl. Mannsmahd Wiesen, worauf dermalen die (Stadt-)<br />
Meuren stehen und nicht genutzt wird. 1 Garten hinter den<br />
Meur ti, zw. Andr. Reiser u. dem Pfründgarten, hinaus uf<br />
den Karrweg, herein uf gn. Herrschaft stoßend. 2 Mm. vor<br />
dem Buch, ist ein Acker, zw. Andr. Reiser u. den Bossenbühls<br />
Aeckern, hinauf uf den Acker des Forstknechts in<br />
Steinhilben, herein uf Herrschaft. 1 Mm, hinter Sailen zw.<br />
Andr. Reiser u. jung Jakob Schwenk, herein uf den Wald,<br />
hinab uf das Breininger Tal stoßend.<br />
Esch Unser Ib. Frauen:<br />
1 J. ob dem i'alweg zw. Herrschaft u. Christian Koller,<br />
hinauf uf Gg. Schneider, hinab uf die Talwies stoßen 1 J.<br />
im Brandt hinter st. Martins Köbelin (irrig: Käppelin!)<br />
HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 61<br />
zw. Andr. Reiser u. Hans Heinzelmann Mesner, anwandet<br />
hinus uf gn. Herrschaft, herein uf Joh. Schnützer.<br />
Esch Kallenberg: IV2 J. an Michelsberg Rain, zw. Andr.<br />
Reiser u. Herrschaft, hinab uf Theuß Koch, heruf uf d. gemeinen<br />
Weg.<br />
Esch Burg: 2 J. vor Glamberg zwisch.. Herrschaft u. Sebast.<br />
Eyselins Anwander, unten uf Herrschaft, oben uf d. weg<br />
stoßend. 1 J. hinter Stettberg, zw. Andr. Reiser u. Herrschaft,<br />
hinus uf Johann Alber, herein den Rain. 1 J. ob Hungerbrunnen<br />
oder Ehenrauns zwisch. Herrschaft u. Andr. Reiser,<br />
hinaus Jak. Betz, herien Joh. Alber. 1 J. hinter Stumpach<br />
zw. Andr. Reiser u. Martin Heinzelmann, hinuf uf Franz<br />
Alber, herein uf Sebast. Eyselin. Hat 1 J. im Megerkinger<br />
Tal im Esch Kallenberg gehabt, welcher 1628 mit Consens<br />
der Herrschaft verkauft, dafür 1 Juchert im Esch Burg ob<br />
dem Ehenrons in dies Lehen gegeben worden, dermalen aber<br />
nit gefunden worden.<br />
II.<br />
Maria Wallin, Witib d. Martin Hüringer, gibt 24 kr, und<br />
der Herrschaft 2 Vtl. Vogthaber aus: 1 Vtl. Wiesen hinter<br />
den Meuren, worauf dermalen die (Stadt-)Meuren stehen<br />
und nicht zu nießen ist. Esch Kallenberg: 3 J, uf Michelsbergen<br />
Rain, zw. Andr. Reiser u. dem Dürnental, stoßt hinus<br />
uf den Rain, herein uf die Straß. Esch Burg: 1 J. im<br />
Wolfstock zw. Herrschaft u. Matheus Braun, honab uf Mathis<br />
Koch, heruf uf Hans Wolfers sei. Erben.<br />
1 J. uf Ehrnrons zw. Johann Böhem u. Martinn Holders<br />
sei. Erben, hinus uf Jakob Betz, herein uf Johann Alber<br />
stoßend. 1 J. an Stumpach zw. dem Haidweg u. Andr. Reisers<br />
Lehenackers, hinus uf Franz Alber, herein uf d. Weg<br />
stoßen.<br />
III.<br />
Andreas Reiser gibt für V3 Lehen 40 Kreuzer an Zwief.<br />
und 3 Vtl. Vogthaber an die Herrsch. Fürstberg aus: 1 Vtl.<br />
Wiesen hinter den Meuren zw. Matth. Koch und Johann<br />
Seitz, oben uf Hans Heinzelmanns Garten, unten an die<br />
Herrschaftswies stoßend. 1 Garten hinter den Meuren an<br />
Hans Heinzelmann Mesner, andererseits jung Hans Betzen<br />
Lehengarten, stoßt oben an den Fahrweg, unten an Joh.<br />
Seitz. 1 Mannsmahd Wiesen unter Sälen zw. jung Jakob<br />
Schwenk, Mattheus und Johann die Böhmen, streckt hinus<br />
uf den Wald, unten ans Breininger Tal. 2 Mm. auf dem Bossenbühl,<br />
derzeit 1 Acker, zwischen dem Buch und Bossenbühl,<br />
stoßt hinuf uf den Acker des Forstmeisters von Steinhilben,<br />
herein uf die Herrschaftsäcker. 1 Mm. im Schopfenloch<br />
z. Herrschaftäckern und der Stattwies, str. hinus uf d.<br />
Wald, herein uf Georg Hanners Acker.<br />
Esch bei Unser Lb. Frauen:<br />
1 J. an dem Banholz zw. Inhaber und dem Weg zum<br />
Brandt, trett hinein uf Joh. Schnitzer, hinaus uf d. Herrschaft.<br />
1 J. im Kappelösch ob der Staig zw. Sebast. Eiselin<br />
und jung Jakob Schwenk, str. herein uf. den Weg.<br />
Esch Kallenberg:<br />
1 J. hinterm Kallenberg zw. Herrschaftsäckern u. Peter<br />
Meichlin, unten uf Gg. Hanner, oben uf die gemeine Gasse<br />
stoßend, l'/a J. uf Michelsbergs Rain zw. Martin Hüringers<br />
Wtw. u. jung Hans Betzen Lehenäcker, str. hinab uf Betzen<br />
Theiß, hinuf uf d. gemeine Straße.<br />
Esch Burg:<br />
1 J. im Hasental zwisch. Sebast. Eyselin und dem Ziegelberg,<br />
spitzt sich uf den Rain hinaus, herin uf Gg. Graminger<br />
stoßend. 1 J. hinter dem Stettberg z. Inhaber und jung Hans<br />
Betz, hinus uf Joh. Alber herein uf den Rain. 2 J. am Hungerbrunnnen<br />
zw. jung Hans Betz u, Mattheus Betz, herein<br />
uf Johann Alber, hinus uf Jakob Betz. 1. J. uf Stumpach zw.<br />
Martin Hüringers Wtw. u. jung Hans Betzen Lehen, herein<br />
uf die Straß, hinus uf Franz Alber. 2 J. vor dem Glamberg,<br />
zwischen Christian Koller und gnäd. Herrschaft, unten uf<br />
den Inhaber selbst, oben uf jung Hans Betzen stoßend.<br />
2 Exemplare ausgefertigt: 6. Mai 1672.<br />
Wickental, Mühlstatt und Wiese, soll dermalen Franz Alber<br />
zu Trochtelflngen inhaben und ist ein württbg. Lehen, ins<br />
Pfullinger Amt gehörig.<br />
(Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 14/15 Nr. 375. Neue Abschrift<br />
des 19. Jh. ebenda H 236 Nr. 82.) Joh. Adam Kraus.<br />
Barchent = dichter, auf einer Seite rauher Stoff.<br />
Barchet Tuchmaß, in Nürnberg 22 und in Ulm 24 Ellen.<br />
Fardel = Ulmer Tuchmaß = 45 Barchet.<br />
Rauchhuhn = rauhes, noch lebendiges und befiedertes Huhn,<br />
das der Hühnerhalter in manchen Gegenden dem Pfarrer<br />
als Zins brachte.<br />
Staupbesen = große Rute, mit der ein Verbrecher öffentlich<br />
gestäupt oder gezüchtigt wurde. Heute noch sagt man:<br />
Er wird ausgestäupt. w.
:(62 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Kleine Mitteilungen<br />
Bemerkungen zur Geologie des südlichsten Hohenzollerns<br />
Dieser Tage erschien eine Arbeit von Schmidle (Das geologische<br />
Landschaftsbild des südlichen Hohenzollern von Wilhelm<br />
Schmidle) Mincenmay in Hohenzollerische Jahreshefte<br />
(24. Band, 1964; Seite 297—318). Da nun aber in jüngster Zeit<br />
die geologische Karte des Blattes Stockach mit Erläuterungen<br />
von Ludwig Erb, Heinrich A. Haus und Erwin Rütte erschienen<br />
ist (Stuttgart 1961, Landesvermessungsamt Baden-<br />
Württemberg) so soll in dieser Zeitschrift doch auch auf diese<br />
Arbeit verwiesen werden. Diese Karte umfaßt die hohenzollerischen<br />
Orte Mindersdorf, Liggersdorf, Selgetsweiler, Deutwang,<br />
Kalkofen und Obemdorf mit Breitenerlen, Heggelbach,<br />
Höllsteig und Waldsteig. Die Karte wurde besonders hinsichtlich<br />
der Erdölforschungen in diesem Gebiet beschleunigt<br />
herausgegeben und enthält auch die Bohrergebnisse der<br />
Bohrungen von Billafingen (badisch) und Stockach (Nr. 2—8).<br />
Das geologisch interessanteste Gebiet ist die Gegend um<br />
Schloß Hohenfels in der Gemarkung Kalkofen. Hier sind<br />
alle tertiären (Miozän) Molasseschichten dieser Gegend auf<br />
kurzem Raum erschlossen und einzusehen. Angefangen von<br />
der Unteren Süßwassermolasse bei der Neumühle an der<br />
Straße Billafingen—Mahlspüren über die Sandschiefer der<br />
Meeresmolasse, worauf Schloß Hohenfels steht und den Bodmannsanden,<br />
Samtsanden der Kirchberger Schichten in der<br />
Eichhalde bei Hohenfels und den darüber liegenden höchsten<br />
Schichten der oberen Süßwassermolasse hinauf zum Rapenhof<br />
liegend ist also auf einem Profil alles erschlossen und in<br />
den Erläuterungen zeichnerisch gut dargestellt.<br />
Was die Gegend außerdem noch auszeichnet ist das Vorkommen<br />
der mindestens 400 000 Jahre alten Mindelschotter<br />
der Mindeleiszeit am Josenbühl und Guggenbühl, östlich von<br />
Kalkofen. Oestlich von Waldsteig sind noch ältere, wahrscheinlich<br />
der ältesten Eiszeit (Günz) zuzählende Schotter<br />
ermittelt worden, deren hohes Alter nicht nur durch die hohe<br />
Lage sondern auch durch Schotteranalysen ermittelt wurde.<br />
Daß der Rißeiszeitliche Schotter und die Grundmoränen dieser<br />
Zeit ebenfalls vorhanden und dargestellt sind, kann wohl<br />
erwähnt werden, wenn man auch weiß, daß dieser Riß-<br />
Rheingletscher mit einem Seitenast bis in die Gegend von<br />
Sigmaringen reichte und seine Ablagerungen auf dem Blatt<br />
Pfullendorf und Sigmaringen auf großen Flächen dargestellt<br />
sind. Die Jüngste Eiszeit (Würm) erreichte auf dem Blattgebiet<br />
in dem Raum um Selgetsweiler und Kalkofen seinen<br />
höchsten und weit vorgeschobenen Stand, denn dort sind<br />
die Endmoränen zwischen Deutwang, Kalkofen bis nach<br />
Selgetsweiler schön ausgebildet und ihre frische Formen in<br />
der Natur auch gut zu erkennen. In den Schotterfeldern, der<br />
zur Würmeiszeit zuzuordnenden Terrassenschotter um Liggersdorf<br />
beginnt die Ablach ihren Lauf, die sich mit der<br />
Würmeiszeit gebildet und entwickelt hat. Es versteht sich,<br />
daß die Bodenbildungen erst nach dieser Zeit einsetzen<br />
konnten, denn vorher wurde ja immer noch ab- und umgelagert.<br />
So ist unser heutiger Boden immerhin an die 20 000<br />
Jahre alt, die größten Teile sind jedoch etwas jünger.<br />
Bald wird das Blatt Engen im Hegau und darauf das Blatt<br />
Heiligenberg erscheinen und das Blatt Pfullendorf mit vielen<br />
hohenzollerischen Ortschaften dürfte im Rohkonzept fertig<br />
sein. W. F.<br />
Esch und Espan haben sprachlich nichts miteinander zu<br />
tun. Erstes hat kurzes, zweites aber langes E! Esch (oder<br />
irrig auch Oesch) entstand aus dem althochd. ezzisc (gotisch<br />
atisk) und bedeutet Saatfeld oder Feldflur und ist wahrscheinlich<br />
urverwandt mit dem lat. ador = Spelz, Vesen.<br />
Man unterscheidet nach der Bebauung: Winteresch, Sommeresch<br />
und Brachesch. Letzterer wird heute meist mit Klee,<br />
Kartoffeln und Rüben beflanzt, soweit er überhaupt noch unterschieden<br />
wird. Der Espan dagegen (auch Eßbann, Espen,<br />
Espach, Espen, A i s p e n, Aispele) bezeichnete einen Weideplatz<br />
in Nähe des Dorfes, auf dem jeder Gemeindeberechtigte<br />
sein Zugvieh weiden lassen durfte. Eine Ableitung von<br />
Esch und bannen ist wegen des langen, manchmal zu<br />
ai gewordenen E nicht möglich. Vielmehr liegt nach Schnetz<br />
das lateinische Wort e w a, e, (wie in ehehaft, Ehehalten)<br />
zugrunde, das soviel wie „Gesetz, gesetzliche Ordnung" bedeutet,<br />
also etwas, „worauf die Allgemeinheit ein Recht hat".<br />
Das Span dagegen bedeutet einen Platz, auf dem man die<br />
weidenden Haustiere „spannt e", d. h. die Vorderfüße<br />
locker fesselte, um sie am Fortlaufen zu hindern. Neulich<br />
sah ich noch ein solches Gespann in Furtwangen! Der<br />
Ausdruck kommt auch 1530 im Ringinger Fleckenbüchle vor,<br />
wo es heißt, auf Heufeld soll man das Vieh auf dem Seinigen<br />
„spannen". Der Espan ist also die Gemeindeweide, wo<br />
das Weidevieh gespannt wurde. Statt Esch sagt man<br />
in manchen Gegenden auch Zeig in der Bedeutung „Teilflur".<br />
Sigmaringer Bräuteln (zu H. H. 1965, S. 7). Der Ursprung<br />
des damals noch dunklen Brauchs wurde inzwischen durch<br />
die Forschungen von Pfaff, Baur, Frick und Rieger klargestellt<br />
(Zusammengefaßt von Uta Beck in einer Arbeit „Sigmaringer<br />
Fastnachtsbräuche" 1960; maschinenschriftlich in<br />
der Landesbücherei Sigmaringen). Der Name erscheint erstmals<br />
1817, die Schilderung des Vorgangs schon 1791/92 im<br />
„Lexikon des Schwäbischen Kreises" von Diakon M. Röder<br />
in Marbach. Auf das Bräuteln deutet man einen Eintrag in<br />
der Renteirechnung vom Fastnachtsdienstag, den 9. Februar<br />
1723: „Aus gnäd. Befehl wurden den jungen Gesellen für<br />
die gewöhnliche Auskaufung des Bronnentragens<br />
4 fl 10 kr bezahlt." Man nimmt an, der am 20.<br />
April 1722 mit der Gräfin Maria Franziska von Oettingen-<br />
Spielberg vermählte Fürst Josef Friedrich von Hohenzollern<br />
habe sich mit dieser Summe vom Bräuteln losgekauft.<br />
Dies wäre somit etwas Gewöhnliches, und kein Sonderfall<br />
gewesen. Den Bericht des genannten Röder: „am<br />
Schlüsse überreiche der „Direktor" sein mit Bändern geschmücktes<br />
Zepter dem Marienbild auf dem Marktbrunnen",<br />
kann man schwerlich durch den unbewiesenen Einwand entkräften,<br />
damals habe kein Marienbild mehr dort gestanden,<br />
sondern wie später ein Obelisk. Nach W. Baurs einleuchtendem<br />
Nachweis ist das Bräuteln eine von der Regierung beeinflußte<br />
starke Abschwächung des vielfach verbreitet<br />
gewesenen Fastnachtsbrauches, manche Leute in den Bach<br />
oder Brunnen zu werfen, was man „Baden" nannte.<br />
Dem Bräutling wurden nämlich früher wenigstens noch die<br />
Stiefel am Brunnen benetzt. Noch im Jahre 1672 hatte Fürst<br />
Meinrad den jungen Burschen „das mißbräuchliche Baden<br />
oder Werfen in die Donau" verboten. Eine angebliche Schilderung<br />
des Bräuteins vom Jahre 1525 erwies sich als plumpe<br />
Erfindung. Krs.<br />
Chinesische Levitenröcke 1886: Das Landkapitel Hechingen<br />
beschloß 1886, neue weiße Levitenröcke mit roten Borten zur<br />
Ausleihe an die Pfarreien anzuschaffen für Patrozinium usw.<br />
Als es aber ans Zahlen ging, wollte keiner der Herren mehr<br />
etwas davon wissen. Ausreden: „Die chinesischen Levitenröcke"<br />
hätten es weiterhin auch getan", man bekomme<br />
doch keine Herren zur Aushilfe. Waren diese Levitenkleider<br />
der Hechinger Stiftskirche vielleicht aus chinesischer Seide<br />
mit entsprechenden Malereien gearbeitet? (Steh. Registratur,<br />
Freiburg, Kap. Hechingen, Vermögen.)<br />
Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />
Um diese Vierteljahresblätter beneiden uns viele heimatkundliche<br />
Vereine. Daß sie 15 Jahrgänge erlebte, beweist<br />
ihre Notwendigkeit. Sie will und kann keine Konkurrenz<br />
für die „Hohenzollerischen Jahreshefte" sein, sondern eine<br />
Ergänzung. Sie ist ein Kleinorgan für alle Belange der <strong>Heimat</strong>kunde,<br />
soll berichten über Bodenfunde, Erdfälle, Geschichte<br />
und Kunst, alles was für Natur und Kultur unseres<br />
Hohenzollerischen Landes von Interesse ist.<br />
Sie will eine Handreichung sein für den Lehrer, der unsere<br />
Jugend unterrichtet und Liebe zur <strong>Heimat</strong> und Ehrfurcht<br />
vor der Vergangenheit pflanzen will.<br />
Sie möchte unseren <strong>Heimat</strong>forschern offen stehen, hier die<br />
Ergebnisse ihrer Arbeit mitzuteilen. Schön wäre es, wenn<br />
auch die heimatkundlichen Artikel der Tagespresse abgedruckt<br />
werden könnten, sonst geraten sie allzuschnell in<br />
Vergessenheit.<br />
Verschiedene Vorgänger seien bei dieser Gelegenheit in<br />
Erinnerung gebracht, die in Bibliotheken eingesehen werden<br />
können. Die Liste ist wohl unvollständig.<br />
1925—1927 brachte Studienrat Dr. Eugen Flad ,,s' Zoller-<br />
1 ä n d 1 e" im Verlag des Hohenz. Preßvereins „Der Zoller"<br />
in Hechingen heraus.<br />
„H ohenz. <strong>Heimat</strong>blat t", herausgegeben vom Verein<br />
für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Dr. Gustav<br />
Hebeisen. Gedruckt in der Liehnerschen Hofbuchdruckerei<br />
Sigmaringen. Nr. 1 vom 1. April bis 4. Jahrgang,<br />
31. Dezember 1931.<br />
„<strong>Heimat</strong>klänge", Beilage zum „Der Zoller", Hechingen.<br />
1934 und 1935.<br />
„Zollerheima t", Blätter zur Förderung der Hohenz.<br />
<strong>Heimat</strong>- und Volkskunde. Herausgegeben mit Unterstützung<br />
des <strong>Geschichtsverein</strong>s im Verlag Holzinger-Hechingen. Verantwortlich<br />
Walter Sauter. Dr. Senn-Konstanz bezeichnete sie<br />
als Klein- und Nachrichtenorgan, als „ideales Unternehmen",<br />
getragen vom Opfergeist des Verlags wie von dem ihrer<br />
Autoren, die keinerlei Honorare beziehen, weil dies unmöglich<br />
ist. Verlag und Autoren schenken sie also dem Land<br />
und der Forschung. 1. Jahrgang 1931 bis 10. Jahrgang 1941.
.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 63<br />
St. Barbara, die Patronin der Bergleute und der Artilleristen<br />
von Josef Schneider<br />
An der Eingangspforte zum Salzwerk Stetten bei Haigerloch<br />
bemerken wir seit einigen Jahren vor einer hc zernen<br />
Rückwand das Bildnis einer im Volk verwurzelten Heiligen.<br />
Aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens wurde die Statue<br />
von St. Barbara aufgestellt una schmücki seitdem das Werksgelände<br />
des Salzwerks. Sie ist gleichzeitig auch ein Symbol<br />
dafür, daß sich die Bergleute ihrem Schutze ai vertrau-n.<br />
St. Barbara ist die Patronin dieser Männer, die täglich mit<br />
dem Förderkorb in die Tiefe des Stollens fahren, in diese<br />
geheimnisvolle Welt, die auch heute noch in der fortgeschrittenen<br />
Technik Gefahren in sich bergen kann. Wenn daher die<br />
Bergleute Sankt Barbara als ihre Schutzherrin verehren, ihr<br />
Bild in vielen Bergmannskirchen aufstellen, dann erweist<br />
sich der Glaube des Volkes an die Fürbitte dieser mächtif n<br />
Heiligen, die von ihm selbst in die Schar der 14 Nothelfer<br />
eingereiht wurde. Sie wird ja nicht nur von altershe*- als<br />
Patronin der Bergleute oder der Sterbenden verehrt. Wenn<br />
am gewitterschweren Himmel die Blitze zucken und Hab und<br />
Gut bedrohen, empfiehlt sich das gläubige Landvolk dem<br />
Schutze dieser Heiligen. Die Jungfrau aus Nikomedien, die<br />
auf den Altären, Bildern oder wo sie auch sonst '"an der<br />
Kunst verherrlicht wird, mit dem Turm dargestellt wird,<br />
stand aber auch während der Kriege als Schutzherrin bei den<br />
Artilleristen an den Geschützen. Ihr Name fand sich dann<br />
und wann an den Unterständen und Feuerstellen, und es<br />
ist eigentlich so, daß sie als Patronin der Artilleristen besonders<br />
stark im Gedenken lebt. Zwei Kriegsgenerationen dieser<br />
Gegenwart könnten darüber berichten, wie in den Tagen<br />
heißen Kampfes und der Artilleriefeuer in manchem Herzen<br />
ihr Bild eingegraben ward.<br />
St. Barbara hat viele Namensträgerinnen im Volk. Mag es<br />
letztlich davon herrühren, daß sie eine so breite Verehrung<br />
genießt als Patronin der Bergleute, der Artilleristen oder<br />
als eine der vierzehn Nothelfer. Ein Rückschluß läßt<br />
aber auch die Tatsache zu, daß St. Barbara die Adventsbotin<br />
ist, deren Namensfest bereits von der Hoffnung<br />
des Advents umhüllt ist. Unzertrennbar mit ihrem<br />
Namen verbunden ist der Barbarazweig, der am 4. Dezember<br />
ins Wasser gestellte Kirschzweig, dessen Blüten an Weihnachten<br />
sich öffnen. Nach altem Volksglauben hat derjenige,<br />
der die Zweige zum Blühen bringt, Glück und Erfolg im<br />
kommenden Jahre. Jenes junge, nach der Heirat sich sehnende<br />
Mädchen erwartet im kommenden Jahre den künftigen<br />
Ehegefährten. Alte Leute jedoch, denen der Zweig nicht<br />
mehr blüht, sehen nach diesem Volksglauben ein Zeichen<br />
ihres baldigen Todes. So verquicken sich am Tage von St.<br />
Barbara alter Volksglaube und gläubige Verehrung um diese<br />
Heilige, deren Glaube unter dem Götzenspuk ihres Vaterhauses<br />
hold und wunderbar aufblühte und alle Verfolgung<br />
überwand.<br />
AM EINGANG DES SALZBERGWERKES STETTEN bei<br />
Haigerloch steht eine große Statue St. Barbara, die als<br />
Schutzheilige von den Bergleuten verehrt wird und anläßlich<br />
der Hundertjahrfeier des Werkes vor einigen Jahren aufgestellt<br />
wurde.<br />
Keltische Viereckschanzen kennt man in Bayern über 150,<br />
in Baden-Württemberg nur etwa 50, während sich in Frankreich<br />
eine weit größere Zahl nachweisen läßt. Oberschulrat<br />
Fr. Kuhn in Lörrach entdeckte neuestens eine bei Wyhlen,<br />
stark 1 km nordöstlich im Walde Rührberg. Sie ist 100 zu<br />
70 ft'eter groß und hat wie alle derartigen Anlagen nur<br />
e i n Tor, und zwar hier in der Mitte der Ostseite. Ihr Wall<br />
und Graben gleichen fast denen der römischen Kastelle<br />
(Feldlager), die aber alle vier Tore aufweisen. Durch die<br />
Ausgrabung einer solchen keltischen Anlage in Holzhause<br />
n an der Isar (Lkr. Wolfahrtshausen) 1957 bis 1962 durch<br />
Dr. Klaus Schwarz kam endlich Licht in das Geheimnis dieser<br />
Bauten, die nun statt Schanzen richtiger als O p f e r -<br />
bezirke angesprochen würden. Der Erdanlage in Holzhausen<br />
ging eine solche aus Holzpalisaden voraus. Im Innern<br />
fand man den Grundriß je eines Gebäudes sowohl der Holzals<br />
Erdanlage und drei merkwürdige Gruben oder Schächte.<br />
Der erste hatte eine Tiefe von 6,5 m, die man mit Gips ausgoß.<br />
Bei dessen Erstarrung bildete sich eine Säule, bzw. der<br />
Abdruck eines Holzpfahles von 2 m Länge. Die chemische<br />
Untersuchung der Bodenschichten um den Pfahl ergab kompackte<br />
Lehmfüllungen mit hohem Nitratgehalt, wi", er entsteht<br />
beim Abbau von 'leisch und Eiweiß, ebenso sog. Leichenwachs,<br />
wie auf Friedhöfen, auf denen die Verwesung<br />
wegen Sauerstoffmangels gestört ist. Offenbar handelt es<br />
sich um einen Opfer- oder Marterpfahl. Der zweite Schacht<br />
war über 18 m tief. Auch hier fanden sich Packungen mit<br />
starkem Nitratgehalt, unterbrochen von Brandschichten.<br />
Offensichtlich war ein Teil der Opfergaben verbrannt worden.<br />
Der dritte Schacht bot die größte Ueberraschung, schon<br />
weil er in eine Tiefe von über 35 m führte. Der Durchmesser<br />
betrug oben 3,6 m. In zwei m Tiefe verengte ei sich, wo die<br />
verkohlten Reste einer viereckigen Holzverschalung von 2 zu<br />
2 m sichtbar wurden. In 5 m Tiefe verengte sich die Verzimmerung<br />
auf 1 zu 1 m, und in 16,5 m Tiefe wurde Nagelfluh<br />
erreicht, so daß eine Verschalung unnötig war. Von hier<br />
an war der Schacht rund bis hinab zur Sohle. Das Niederbringen<br />
der Ausräumung dieses Schachtes war nur möglich<br />
durch drucksichere Verschalung, elektrischen Aufzug und<br />
Lichtleitung und ein Wetterdach über dem Ganzen. (Jahresbericht<br />
der bayer. Bodendenkmalspflege 1960 und 1962 und<br />
Bericht Kuhns in der in Müllheim/Baden erscheinenden Zeitschrift<br />
„Die Markgrafschaft" Nr. 6/1965.) Da viele dieser<br />
Kultstätten von Bayern bis Frankreich, in denen von den<br />
Druiden oder Priestern auch Menschenopfer dargebracht<br />
wurden, vermutlich nur aus Holz angelegt waren, ist<br />
ihre genaue Zahl noch lange nicht festgestellt. Zwei liegen<br />
bei Aldingen in Nähe des Dreifaltigkeitsberges. Oskar Paret<br />
zählt in seinem Buch „Württemberg in vor- und frühgeschichtlicher<br />
Zeit", Stuttgart 1961, S. 307, alle hier nachzuweisenden<br />
Viereckschanzen aus spätkeltischer oder Latene-<br />
Zeit einzeln auf. Es sind 54, die er für militärische Anlagen<br />
hält. In Gammertingen im Waldteil Blaize stellte Herr Dr.<br />
Herbert Burkarth eine 90 m lange und 45 m breite Viereckschanze<br />
fest. (Vergl. unsere Zeitung Jahrg. 1957 Seite 63 und<br />
1964 Seite 38.) Kr.<br />
Hankrot ist der alte Name aus dem 14. Jahrhundert des<br />
heutigen Kaiserstuhlberges bei Endingen, auf dem an der<br />
Markungsgrenze die Kapelle der hl. Katharina steht, der<br />
Patronin der zum Tod Verurteilten. Man möchte vermuten,<br />
daß sich hier in alter Zeit ein Galgen erhob und Hankrot<br />
soviel wie Henkerstätte bedeute. Krs.<br />
Annabruderschaft zu Veringenstadt. Ein Breve des Papstes<br />
Benedikt XIV. vom 14. 12. 1754 berichtet: Der Kirche des<br />
Hl. Nikolaus in Veringenstadt und dem in ihr stehenden<br />
Bruderschaftsaltar unter Anrufung der Hl. Anna, für den<br />
noch kein ähnliches Privileg besteht, verleihen wir im Vertrauen<br />
auf Gottes Barmherzigkeit und Fürbitte der heiligen<br />
Apostelfürsten Petrus und Paulus die spezielle Gnade: Sooft<br />
ein Welt- oder Ordensgeistlicher eine Totenmesse am Allereeientag<br />
und dessen Oktav und jedem Dienstag des Jahres<br />
für die Seelenruhe eines Bruderschaftsmitgliedes zelebriert,<br />
Hrd ein vollkommener Ablaß gewährt für die betreffenden<br />
'erstorbenen. Daue. des Privilegs- 7 Jahre. Der Konstanzer<br />
Bis '• lof bestimmte durch seinen Generalvikar „von Ratzenried"<br />
am 1. Februar 1755 den Hochaltar der F i 1 i a 1 kirche<br />
Veringenstadt zum Bruderschaftsaltar. (Perg. Orig. im Erzb.<br />
Archiv Freiburg Z 757 § Das Fischerringsiegel ist abgesprungen).<br />
Krs.<br />
Das Milter (Mahllohn des Müllers in natura) heißt im<br />
Breisgau „Der Molzer".<br />
An das<br />
Postamt<br />
in
:(64 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />
Alte Kapitelsbibliothek/Sigmaringen 40<br />
Ablach, Preise 48<br />
Ablach-Staroperation 44<br />
Baufarla 48<br />
Bisingen, Burg Ror 9<br />
Burladingen-Burg Azilum 31<br />
Burladingen, Kirchenpatron 29<br />
Burladinger Pfarrakten 46<br />
Desiderius Lenz 28. 41. 58<br />
Dettensee, abendliches Singen 31<br />
Dettensee/Empfingen, große Armut 32<br />
Dettingen a. N.-alte Urkunden 45<br />
Esch/Espan 62<br />
Fürst Friedrich v. Hohenzollern f 6- 2. 1965 17<br />
Gammertingen-Altes Schloß 55<br />
Gammertingen Flurname Schroth 16<br />
Gammertingen, Grafen 26<br />
Geologie/Südhohenzollern 62<br />
Geschöll-Familienname 46<br />
Glatter Urkunde 1456 16<br />
Gotische Gewölbe/Krs. Hechingen 33<br />
Gruol, Grangärten 47<br />
Grosselfingen-Flurnamen 12. 30. 43. 58<br />
Gutenstein, Haberhurm 27<br />
Haigerloch Arzt-Vergütung 46<br />
Haigerloch, Nikolausmarkt 51<br />
Haigerloch, Stadtgarde 21<br />
Hankrot 63<br />
Hechingen, Heiligkreuz-Mirakel 52<br />
Bekanntgabe<br />
Seit Gründung der <strong>Heimat</strong>zeitung i. J. 1951 bis zu dem<br />
hier vorliegenden Jahresabschluß sind 15 Jahrgänge erschienen.<br />
Der damalige Vorsitzende des Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>s,<br />
H. H. Dekan Maier-Gammertingen, beauftragte mich mit der<br />
Schriftleitung der neuen <strong>Heimat</strong>zeitung und versprach Mithilfe.<br />
Aus gesundheitlichen Gründen ist mir die Fortführung der<br />
Arbeit ab 1. Oktober 1965 nicht mehr möglich.<br />
Allen Mitarbeitern und Lesern danke ich für die <strong>Heimat</strong>treue.<br />
Die noch hier lagernden Zeitungsbeiträge werden<br />
meinem Nachfolger übergeben. Josef Wiest.<br />
Es war ein Wagnis, als Herr Oberlehrer J. Wiest vor 15<br />
Jahren die Schriftleitung übernahm. Mit viel Idealismus hat<br />
er aus Liebe zur Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong> die Arbeit geleistet.<br />
Es war immer eine Freude, wenn eine neue Nummer<br />
fertiggestellt war. Ihm und den vielen Mitarbeitern sei hier<br />
aufrichtigst gedankt. Mit Bedauern vernehmen wir, daß<br />
Herrn Wiest die Fortführung der Schriftleitung aus gesundheitlichen<br />
Gründen nicht mehr möglich ist. Wir wünschen<br />
ihm baldige Rückkehr der Gesundheit. Man kann ihm nachfühlen,<br />
daß der Entschluß schwer wurde. Seit den Jahren<br />
bald nach dem 1. Weltkrieg müht er sich um die Erforschung<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />
durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />
Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />
zugspreis von DM 1.40.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />
deutliche Schrift wird gebeten.<br />
Sachregister des Jahrgangs 1965<br />
Hechingen-Hudelgäu 16<br />
Heiligenzimmern, Klagen des Pfarrers 13<br />
Heiligenzimmern Neujahrs-<br />
Hochzeitsschießen ' 46<br />
Heiligenzimmern Tabaktrinken 46<br />
Hermann der Lahme-Vorfahren 16<br />
Hexenglauben 15<br />
Hohenzollerische <strong>Heimat</strong> 62<br />
Hüte auf dem Kopf 30. 47<br />
Inneringer Urkunde 16<br />
Inzigkofen-Emmingen 32<br />
Joh. Adam Kraus-Jugenderinnerungen 64<br />
Jungingen, Alemannenfriedhof 23<br />
Jungingen, Bürgle 4<br />
Jungingen Schwedenschanze 46<br />
Jungnau, verschwundene Siedlungen 38<br />
Kalkreute-Reichenau 31<br />
Keltische Viereckschanze 63<br />
Killer, Kirche 48<br />
Kloster Wald-Reform 37<br />
Kreis Hechingen, Kirchtürme 1<br />
Militärwesen i. 18. Jhrh. 8<br />
Neufra, Hochbergkapelle 8<br />
Neufra, Muttergotteskapelle 31<br />
Ostrichtung der Kirchen 15<br />
Pfund u. Mark in früherer Zeit 39<br />
Rangendingen, Frondienstpflichtige 15<br />
Ringingen, aus alter Zeit 36<br />
Ringinger Häuser 19<br />
Ringingen Kirchweihe 46<br />
Ringingen, Mühlsteinfuhren 31<br />
Hingingen, vor 50 Jahren 55<br />
St. Blasien, hohenz. Mönche 47<br />
Schulzeit eines Fidelianers 5<br />
Schriftleitung-Josef Wiest 64<br />
Schoder, Hauptlehrer, neuer Schriftleiter 64<br />
Sigmaringen-Bräuteln 62<br />
Sigmaringer Römerbau 39<br />
Sigmaringen, römische Gebäude 11<br />
Siena, Hohenz. Studenten 27<br />
Steinhilben, Kl. Güterstein-Besitz 42<br />
Stetten b. Haigerloch-St. Barbara 63<br />
Stoffmaße 61<br />
Storzingen Karwoche 12<br />
Straßburg, hohenz. Studenten 47<br />
Trillfingen Revolution 1848 17<br />
Trochtelfingen, Feuerspritze, Mühlen<br />
Bauernstand, Bürgerwehr 15<br />
Veringenstadt-Annabruderschaft 63<br />
Veringen, Wuotisheer 10<br />
Vom Büblein, das nicht sitzen konnte 49<br />
Wannenmacher, Kirchenmaler 15<br />
Weilheim, Inschriften 32<br />
Wesner-Einwanderung 16<br />
Zollrische Hochzeit 1589 24<br />
Zoller-Wappen 48<br />
Zwiefalter Besitz um Trochtelfingen 60<br />
der <strong>Heimat</strong>, vor allem der Stadt Gammertingen. Wir hoffen,<br />
daß ihm auch jetzt, nachdem er äußerlich entlastet ist, noch<br />
mancher Beitrag für unser Blatt möglich ist.<br />
Die Schriftleitung übernimmt mit dem neuen Jahrgang in<br />
dankenswerter Weise ein Landsmann des Herrn Oberlehrers<br />
Wiest, Herr Hauptlehrer Schoder. Damit ist die Verbindung<br />
mit der hohenzollerischen Lehrerschaft wieder gewährleistet.<br />
Möge dem neuen Schriftleiter gleich von Anfang an<br />
volles Vertrauen und freudige Mitarbeit entgegengebracht<br />
werden.<br />
Unterstützung braucht aber auch der Verlag Sebastian<br />
Acker, Gammertingen, der so viele Opfer für die „Hohenzollerische<br />
<strong>Heimat</strong>" bringt. Das Blatt sollte mehr Bezieher<br />
haben. Andere <strong>Geschichtsverein</strong>e beneiden uns um dieses<br />
Organ, das jedem offen steht. Laßt es nicht aus Gleichgültigkeit<br />
eingehen.<br />
Mit besten Wünschen für das Weiterbestehen unseres<br />
Blattes Nikolaus M a i e r.<br />
Ju§enderinnerungen von Johann Adam Kraus. In der „Hohenzollerischen<br />
<strong>Heimat</strong>" erschien in Nr. 1/1964 aus der Feder<br />
des Erzb. Archivars J. A. Kraus ein Bericht über sein Erstes<br />
Tertial im Fidelishaus und am Gymnasium in Sigmaringen.<br />
In Nr. 1/1965 erzählt er „Aus der Schulzeit eines Fidelianers".<br />
Die Beiträge fander dankbare Leser. Das mochte den Verfasser<br />
ermuntert haben, weitere „Jugenderinnerungen" zu<br />
schreiben. Er hat sie als Manuskript in der Buchdruckerei<br />
Acker, Gammertingen, herausgebracht. „Der <strong>Heimat</strong> und den<br />
Freunden gewidmet." Ein Bändchen mit 152 Seiten liegt vor<br />
mit einem 16seitigen Bilderanhang. Man findet das Leben<br />
eines Bauernknaben geschildert. Tatsächlich ist aber die<br />
Kultur in einem Albdorf während und nach dem 1. Weltkrieg<br />
festgehalten. Da die Verhältnisse heute auch auf dem Dorf<br />
verändert sind, sind die geschilderten Kulturbilder von Wichtigkeit.<br />
Wie primitiv war das Leben damals! Und doch wie<br />
erlebnisreich. Im Alltag. Erst recht bei besonderen Vorkommnissen.<br />
Fremdes Volk im Dorf beim Bau der Wasserleitung<br />
- Zigeunerbesuche - die Vieh- und Schweinehändler,<br />
die ihren Bedarf oft mit großem Stimmenaufwand vor dem<br />
Stall holten, - der Laubtag, - der Besuch beim Schmied<br />
und seinen Kohlenmeilern, - dörfliche Bräuche und vieles<br />
andere wird geschildert, oft mit den Worten, die schon heute<br />
außer Gebrauch sind. — Mit dankbarer Liebe kommt dann<br />
die Zeit im Fidelishaus und am Gymnasium Sigmaringen zur<br />
Sprache. Als Anhang folgt noch eine Ahnenliste des Verfassers<br />
mit 513 Ziffern, und der Geschwister mit 256 Nummern.<br />
Besonders wertvoll ist die Zusammenstellung heimatkundlicher<br />
Aufsätze des Verfassers mit 316 Namen, die das<br />
Büchlein abschließt.<br />
Wer das Büchlein zu erwerben wünscht, wende sich an<br />
den Herrn Verfasser in Freiburg-Brsg., Herrenstraße 35.<br />
Nikolaus M a i e r.<br />
Berichtigung:<br />
In der H. H. 1965 Seite 45 muß es in der Ueberschrift und<br />
in Zeile 17 heißen: „über 15 000 Gulden" (genau: 15 771 fl.).<br />
Für den Inhalt der Abhandlungen<br />
tragen die Verfasser die Verantwortung.