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Hohenzollertsehe Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Hohenzollerlsehe <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

25 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 1.40 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. A c k e r, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 1 Gammertingen, Januar 1965 15. Jahrgang<br />

Sterne strahlen den Frieden der Welt.<br />

Glocken dröhnen empor.<br />

Göttliche Stimmen die Herzen erhellt.<br />

Engel singen im Chor.<br />

Sur $öeit)enadjt<br />

von Maria E. F 1 a d<br />

Weihenacht hält das göttliche Wort<br />

Wie eine Kerze bereit,<br />

Zündet die Liebe am dunkelsten Ort,<br />

Für eine Ewigkeit.<br />

3llm Tnitarbeiteun unö £efern öer „ffatjensollmrdjm f^imat"<br />

töünfrtjen nur (Rottes


Ein Bid unvergleichlicher Schönheit zeigt die Friedhofskapelle in<br />

Gruol als Wahrzeichen des Stunzachtales, mit dem malerischen alemannischen<br />

Fachwerk.<br />

f<br />

Empfingens Kirchturm, Gottesburg des Mittelalters.<br />

(Klischees: Schwarzwälder Bote, Oberndorf.)<br />

h o h e n z o l l e r i s c h e H E I M A T Jahrgang 1965<br />

Ein Zeuge der Romanik ist der Schaft des Römerturms von Haigerloch,<br />

den Steinmetzzeichen in die Zeit von 1050—1100 weisen. Christian<br />

Großbayer hat ihm später die Haube aufgesetzt und den<br />

Umgang geschaffen.<br />

Zum Befestigungsgürtel der Burg Hohenzollern soll einst der heutige<br />

Turm der Pfarrkirche von Weilheim gehört haben. Malerisch seine<br />

Form wie sein Zugang.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 3<br />

Aeltester Turm im Kreis:<br />

Haigerlochs Rom er türm<br />

Wenn wir dem Stilwandel folgen, kann unsere Reise nur<br />

in Haigerloch beginnen, welches den ältesten, zwar profanen,<br />

aber auch in den Dienst des Gottesdienstes gestellten Turm<br />

mit dem romanischen Römerturm besitzt. Diesen letzten<br />

Rest der einstigen Oberstadtbefestigung weisen die Steinmetzzeichen<br />

in die Zeit von 1050—1100. Als riesiges Viereck<br />

mit seinen 3,60 Meter dicken Mauern ohne Zierat und Verputz<br />

aus mächtigen Bossenquadern von 2 Meter Länge und<br />

60 Zentimeter Schichtenhöhe in die Höhe getrieben, schloß<br />

ihn einst oben ein Satteldach mit Fachwerk ab. 1746 hat er<br />

sich dann mit dem heutigen achteckigen Aufbau mit welscher<br />

Haube einen ande; en Hut aufsetzen lassen müssen, was Baumeister<br />

Großbayer besorgt hat. Er hat dann auch den Umgang<br />

geschaffen und mit Balustern geschmückt, während die<br />

Mauern durch Schallöcher durchbrochen wurden. Die Glocken<br />

der abgebrochenen Ulrichskirche kehrten ein, um seitdem<br />

täglich die Großtat Gottes in der Menschwerdung zu verkünden<br />

und zum Gottesdienst zu rufen. Der Römerturm ist<br />

das untrügliche Wahrzeichen der Stadt und weiß Gott wie<br />

oft schon auf Film und Leinwand gebannt worden.<br />

schöne Kirchtürme sind im Kreis Hechingen wertvoller Besitz, sind<br />

weit über das Land grüßende Wahrzeichen, die vom Hauch der Geschichte<br />

umgeben sind. Ein stolzer Zeuge des schwäbischen Klassizismus<br />

ist der Turm der Stiftskirche von Hechingen.<br />

Hoffen wir, daß die im abgelaufenen Jahre begonnenen<br />

Reparaturarbeiten an dem alten Baudenkmal zum guten Erfolg<br />

führen. Die Schäden, die das Bauwerk aufwies, waren<br />

leider größer, als man annahm.<br />

Abgeändert wurde auch der Turm der Schloßkirche, welcher<br />

jäh über der jenseitigen Felswand thront. Er stammt<br />

ebenfalls noch aus der Bauzeit der Schloßkirche, dem Todesjahr<br />

des hl. Karl Borromäus, dessen architektonisch gutgegliederte<br />

und ursprünglich mit Staffelgiebeln aufgeführte<br />

Turm die heutige Gestalt erhalten, welche sich widerspruchslos<br />

in den gewaltigen Wurf der Landschaft fügt.<br />

Der Schriftleiter des Konradsblattes, Albert Krautheimer,<br />

sprach einmal von einem schalkhaften Schwabenlachen, den<br />

der über die 143 Stufen zur Schloßkirche Heraufkeuchende<br />

hinter dem Turm zu erblicken glaubt.<br />

Indessen sind eine Reihe von Brüdern unseres Römerturmes<br />

gar nicht viel jünger. Ein ganz ordentliches Greisenalter<br />

haben auch die Türme der Pfarrkirche Empfingen und der<br />

Friedhofskirche au Gruol, deren Mauerwerk aus der Zeit um<br />

1320 stammen, als die Grafen von Hohenberg hier residierten.<br />

Tausende von Blicken zieht das schöne Gotteshaus und<br />

Marienheiligtum im Stunzachtal auf sich, seine hohe, über<br />

dem quadratischen Schaft aufgesetzte und auskragende Turm


4 Jahrgang 1965<br />

Pyramide mit dem malerischen, alemannischen Fachwerk,<br />

welches ein Zeugnis der Zimmermannskunst vor 500 Jahren<br />

darstellt. Welch ein überwältigender Blick von den, nahen<br />

Höhen aul die in Sonnengold getauchte Landschaft mit dieser<br />

Perle des Stunzachtales, dessen Turm mit der Pfarrkirche<br />

•und der Zollerburg im Hintergrund einen großartigen Dreiklang<br />

in der Landschaft bildet, der schon von vielen, Meistern<br />

der Leinwand eingefangen wurde.<br />

Unter den Türmen mit Satteldächern und Staffelgiebeln<br />

im Kreis tritt vor allem der die reizvolle Landschaft des<br />

Kirchspiels beherrschende Turm der Pfarrkirche Peter und<br />

Paul von Steinhofen stark ins Bild. Auch er stammt noch<br />

aus der Zeit um 1500 und ist der Rest der alten Kirche, die<br />

der heutigen um 1794 erbauten Kirche weichen mußte. Dieses<br />

reizvolle Idyll vor der imposanten Kulisse der Zolleralb<br />

und Burg Kohenzollern ist ein in Stein gewordenes Gedicht,<br />

das auch bekanntlich Nikolaus Lenau zu seinem, „Postillion"<br />

angeregt hat.<br />

Nachdem manche Türme der früheren Zeit, speziell der<br />

Gotik, im Laufe der Jahrhunderte baufällig wurden und sich<br />

im 18. Jahrhundert der Kirchenbau wieder entfaltete, leistete<br />

auch die Barockzeit ihren Beitrag zum Turmbau und 'brachte<br />

eine ganze Reihe schöner Zwiebeltürme hervor, von denen<br />

leider ebenfalls einige wieder dem Zahn der Zeit zum Opfer<br />

fielen. Wir nennen als Beispiel die Pfarrkirche Gruol, die<br />

noch einen Turm aus der Barockzeit übernommen, hatte, welcher<br />

aber Ende des letzten Jahrhunderts dem heutigen Turm<br />

mit Spitzhelm weichen mußte. Auch die Bachreiteriürme<br />

haben sich im Kreis später ausgedehnt. Wir machen einen<br />

Schritt weiter und treten in den Klassizismus, der im Kreis<br />

Hechingen mit der Stiftskirche Hechingen einen stolzen Zeu-<br />

Bürgle und nochmals Bürgle!<br />

Erfahrungen und Daten. —<br />

An den Stammtischen der Junginger Wirtschaften ging es<br />

an den Sonntagnachmittagen zu wie in einer Reichstagssitziung.<br />

Der Lärm war enorm, und die weinselige Redegewandtheit<br />

aller, offenbar mit vollem Herzen beteiligten<br />

Männer, war weithin zu hören. Die Straßen aber waren wie<br />

leergefegt. —<br />

Herr Pfarrer Schneider hatte damals eine Lotterie veranstaltet,<br />

aus deren Erlös er den Kirchturm um ein gutes Stück<br />

aufstocken ließ. Auf den Armen meiner Mütter sah ich das<br />

Hinaufziehen der neuen großen Glocke über einen Flaschenzug.<br />

Am damaligen „Stapelplatz der Intelligenz" gab es auch<br />

Studenten genug, einen Leseverein, einen Albverein, einen<br />

Militärverein und mehr, und man wußte sehr wohl, daß hier<br />

zwei abgegangene Burgställe waren: Hohcnjungingen und<br />

Eineck! Und damit kommen wir zur Sache:<br />

Die Bahnlinie nach Burladingen wurde gebaut, die Bachkorrektion,<br />

es gab neue eiserne Brücken.<br />

Am 30. April 1899 war in den Hohenzollerischen Blättern<br />

ein Artikel gestanden: B. „Die sogenannte Schwedenschanze<br />

bei Jungingen' 1 . Dort schreibt schon dGr Verfasser: Ueber die<br />

Entstehungsgeschichte dieses Walles sind verschiedene Meinungen<br />

verbreitet, Die einen halten ihn für einen römischen<br />

Grenzgraben,, der die römische Provinz Rätien von den nördlich<br />

davor liegenden Agridecimates getrennt haben sqll<br />

(Pfarrer Baur-Veringendorf), Die anderen legen seine Entstehungsgeschichte<br />

in eine spätere Zeit und glauben, daß derselbe<br />

zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges zur Abschließuhg<br />

der Alb nach Norden hin ausgeworfen wurde (1703/1710),<br />

was ja im Prinzip dasselbe war. Die Frage steht also immer<br />

noch offen. Daß der Wall im Jahre 1710 ausgeworfen oder<br />

wieder ausgeworfen wurde, ist dokumentarisch belegt. (Lorch)<br />

Für mich steht im Augenblick nur fest, daß dieser Wall die<br />

beiden Bürgle miteinander verbindet und sehr wohl ein Verr<br />

teidigungsystem darstellen kann, das im Zusammenhang<br />

mit den am ganzen Albrand entlang bekannten Heiden-,<br />

Hussiten- und Schwedengräben nicht erst vor Jahrhunderten,<br />

sondern schon vor Jahrtausenden entstanden sein muß. —<br />

Auch in diesem. Aufsatz heißt es zum Schluß: Ueberreste<br />

von Mauern sind weder auf dem (Ringinger Kapf - Eineck)<br />

noch auf dem Bergkegel zu finden; auch ist bis heute nicht<br />

der geringste Fund in der Nähe der Schanze bekannt geworden.<br />

Dann rücken an einem schönen Nachmittag Leute an mit<br />

Pickeln und Schaufeln. Sie sprechen eine mir unverständliche<br />

Sprache, und jeder hat einen Koffer an einem Stock auf dem<br />

Rücken hängen. Es sind italienische Arbeiter, die an der<br />

Bahnlinie nach Burladingen arbeiten wollen. Man hatte<br />

damals keine Baumaschinen, und die Erde mußte allein mit<br />

Handkarren bewegt werden. Dia Trasse der Bahnlinie ging<br />

gen hervorbrachte. Die Stiftskirche fasziniert immer wieder<br />

mit ihrer reizvollen Turmlösung, wie sie ihre eigene Geschichte<br />

hat und bekanntlich auch als Vorbild mancher Kirchenbauten<br />

im Kreis diente. Könnte der Turm uns erzählen,<br />

wie er emporgewachsen, hörten wir von dem französischen<br />

Architekten Ixnard und dem Baumeister Großbayer aus Haigerloch,<br />

von dem Baudirektor Scheyer, der 1 den bereits begonnen<br />

Turm wieder abriß und bis zur Rundung neu aufführte.<br />

Weit grüßt der mit dem strahlenden Kreuz gekrönte<br />

Turm übei* die Zollerlandschaft, die noch einen weiteren<br />

charakteristischen Turm ihr eigen nennt, nämlich den Kirch-,<br />

türm Weilheim, welcher wie der Römerturm in Haigerloch 1<br />

ursprünglich Profanbau war. Mit seinen 2 Meter starken<br />

Bruchsteinen, glatten Eckquadera. und dem steilen Walmdach<br />

ist er von einem seltenen Stimmungszauber umgeben. Wir<br />

lassen uns ins Ohr raunen, daß er bis 1767 eine Trutzfeste<br />

war, was auch die schmalen Schießscharten und der Zugang<br />

wie zu einem Bergfried noch erzählen. 1674 ist der<br />

Turm entstanden und 1 wurde später mit dem Neubau der<br />

Pfarrkirche (eiin Werk Großbayers) verbunden. Ajuch die Zeit<br />

des Historismus des 19, Jahrhunderts brachte nochmals denkmalswürdige<br />

Zeugnisse und schöne Turmbauten hervor, wenn<br />

wir beipielsweise an den Turm in Rangendingen denken.<br />

Unsere <strong>Heimat</strong> ist also reich an schönen und wertvollen<br />

Baudenkmalern hoher Turmbaukunst. Sie verkünden als verkörperter<br />

Lobgesang das österliche Halleluja, das sich in jubelnden<br />

Tönen in Himmelsnähe schließt. Sie ziehen in ihren<br />

stets verjüngenden Pyramiden, welche die Gotik mit der<br />

Kreuzblume, die spätere Zeit mit dem Kreuz krönte, hinauf<br />

in die lichten Welten der Erlösung, die uns mit der großen<br />

Heilstat und dem Auferstehungsmorgen wieder neu erschlossen<br />

wurden.<br />

- Vorgeschichte der Grabungen in Jungingen<br />

von Casimir Bumilier<br />

oberhalb der Dorfes nahe an die alte Heerstraße nach Killer<br />

heran und dort, wo damals die Furt über den Bach ging,<br />

wurde eine Steinbrüche gebaut. Kurz vor Burladingen, auf<br />

der „Schlichte", stießen die Bauarbeiter auf alte Mauern,<br />

auf ein Kastell, das aus der Römerzeit stammte. Darüberhinaus<br />

gab es aufschlußreiche Funde aus der Bronze- und<br />

Hallstattzeit. Sollte da der Pfarrer von Veringendorf nicht<br />

recht haben?<br />

, Aber in Jungingen sind noch keine Funde gemacht worden.<br />

Auf Eineck sind keine Mauerreete, sondern bloßer Felsboden.<br />

Als ich aber 1901, fünf Jahre und 4 Monate alt, zur Schule<br />

kam, war es immerhin ein Spieß, 60' cm lang, den unser<br />

Nachbar gefunden hatte und den mein Vater hütete, wie<br />

seinen Augapfel; er stammte von Hohenjungingen.<br />

Die Jahre gingen dahin, man hatte einen Musikverein<br />

gegründet, dem auch drei meiner Brüder angehörten. Schon<br />

im russisch-japanischen Krieg wurden Vorbereitungen getroffen<br />

für die Feder zum 100. Todestag von Friedrich Schiller,<br />

am 10, Mai 1905. Aus diesem Anlaß sollte auch eine<br />

Bronzeplastik aufgestellt oder angebracht werden, die sein<br />

Bild zeigte. Da eis aber keine Beziehungen zu der Gemeinde<br />

Jungingen gab, kam man auf die Idee, die Plastik auf dem<br />

Bürgle unter Eineck an einem schon bearbeiteten eichenen<br />

Balken zu befestigen. Nur wenige Meter entfernt waren<br />

jedoch einige tiefe Gräben, die zur Junginger Schanze gehörten<br />

und unweit davon ein Steinbruch,'den die Gemeinde im<br />

Betrieb hatte. Der Betrieb wurde eingestellt.'<br />

Der 10, Mai 1905 brachte zwar kühles, aber trockenes Wetter,<br />

die Sterne funkelten abends wie goldener Flitter auf<br />

dunklem Grund, Der Wind tat das Seinige, das große Feuer<br />

flammte feierlich auf und immer mächtiger empor, als die<br />

kleine Kapelle anstimmte: „Freude, edler Götterfunken!<br />

Tochter aus Elysium...!" Dann kam die großangelegte Rede<br />

des Architekturstudenten Otto Bumiller, anschließend gemeinsam<br />

gesungen: „Brüder reicht die Hand zum Bunde!"<br />

Das Leben, ging weiter. Ich ging jeden Tag zur Schule. Die<br />

Boxer in China und die Hottentotten in Afrika waren besiegt.<br />

Man rüstete zu einer neuen Feier, diesmal auf Hohenj<br />

ungingen, von wo die beiden letzten . Hochmeister des deutschen<br />

Ritterordens herstammen. In der Schlacht "bei Tannenberg,<br />

10. 6. 1410, fiel Ulrich von Jungingen gegen eine große<br />

Uebermacht, während sein Bruder Conrad bereits 1393 gestorben<br />

war.<br />

Der Albverein ließ den Zugang zu dieser Ruine herrichten.<br />

Ich~stand dabei, wie zwei Gemeindearbeiter bei der Anlegung<br />

eines Fußweges auf eine Mauer stießen und sie durchbrachen,<br />

ohne es zu merken, denn die Grundmauern waren<br />

aus demselben Material wie der anstehende Fels. Der Mörtel<br />

war von der Verwitterung zwischen dem Gestein auch von<br />

einem Fachmann kaum zu unterscheiden. Ich wagt© es nicht,


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 5<br />

etwas zu sagen und auch mein Vater, der so sehr darauf<br />

wartete, erfuhr nichts, weil ich nicht ganz sicher war. Die<br />

Mauer stand in der Verlängerung der nordöstlichen Ecke des<br />

Bergfrieds und ist heute als Stützmauer bezeichnet. Sie war<br />

über einen Meter stark. Außer dem bereits erwähnten Spieß<br />

hatte man schon oft Pfeilspitzen und Scherben in großer<br />

Menge gefunden, besonders auch Bruchstücke von Dachplatten.<br />

Mehr nach Westen zu hatte der Zinkenhannes beim<br />

Viehhüten mit seiner Geißel einmal in ein Loch gestochert,<br />

wobei ihm der Burggeist den Stock aus der Hand riß. Er<br />

hatte nur noch gehört, daß es irgendwo geklappert hat. Dort<br />

mußte also der einzige (bis jetzt festgestellte) Keller sein.<br />

Die Hanfbuche, die auch auf einer Mauer stand, war längst<br />

verbrannt. Es standen aber noch drei weitere sogenannte<br />

Krüppelbuchen da, und zwar alle auf Mauern. Die Mauern<br />

wären ja leicht auszumachen gewesen, da sie sich trotz allem<br />

Geröll und dem Einbruch am ehemaligen Keller abzeichneten.<br />

Ich war aus der Schule entlassen. Die Tannenbergfeier<br />

fand unter Mitwirkung der Vereine am 10. Juni 1910 abends<br />

statt und verlief ähnlich wie die Schillerfeier. Das Wetter<br />

war schön, aber oben auf dem Gipfel war wenig Platz für<br />

alle. So mußte ich seitwärts durch den Wald als räudig<br />

Schäflein traben.<br />

Während meiner Lehrjahre fand ich kaum noch Zeit, mich<br />

weiterhin um die Ruinen zu kümmern. Der Musikverein<br />

probte und spielte auch in den umliegenden Dörfern zum<br />

Tanz auf, wobei das Rollwägele der Eisenbahn eine gute<br />

Hilfe war. Denn der Bahnvorstand, der auch mitspielte,<br />

hing dieses dem Zug an bis nach Hausen, und wenn man<br />

dann nachts um drei Uhr ein rasselndes Geräusch, wie heute<br />

von einem Düsenjäger vernahm, dann wußte man, daß die<br />

Musikkapelle von Hausen kam. Oft wurde dabei noch geblasen<br />

und gesungen. Die Bahnübergänge wurden in voller<br />

Fahrt genommen.<br />

Bald kam der Krieg 1914/18. Nach vier Jahren kam ich<br />

wieder zurück. Die Ruinen „standen" noch. Ich kam auch<br />

wieder einmal nach Eineck, und als ich gerade am Bergfried<br />

vorbeiging, sah ich zwischen Gestein und Moos ein Stück<br />

Sandstein herausgucken. Ich stach mit dem Stock danach<br />

und sagte: „Es sind noch keine Funde gemacht worden!"<br />

Auf Hohenjungingen fanden wir in diesen Jahren einmal<br />

ein komplettes Türschloß mit einer Spiralfeder, eine ganz<br />

große Spitze für Armbrust und 13 kleine. Das Schloß mußte<br />

durch den Amtsdiener geholt werden und ist seitdem verschwunden,<br />

die große Spitze landete in Hechingen als Briefbeschwerer,<br />

und kleinere hatten wir genug. Die von mir<br />

selbst gemachten Funde wurden stets mit einem Schreiben<br />

auf dem Rathaus abgeliefert.<br />

Oft war ich in den restlichen zwanziger Jahren noch<br />

oben auf Jungingen. Man hatte eine" Kahlhieb zwischen der<br />

Ruine und dem Himberg gemacht. Es war ein ganz anderer<br />

Ueberblick. Zwei große Steinhaufen waren mir schon lange<br />

aufgefallen. Sie bestanden aus blauem Jura, der nicht hier<br />

gewachsen sein konnte. Ohne zu graben, deklarierte ich den<br />

einen als Eingangsturm, den weiter nach Süden am gleichen,<br />

angenommene]' Auffahrtsweg liegenden etwa 10 Meter langen<br />

Haufen als Brandmauer zwischen (angenommenen)<br />

Gebäuden. Dazwischen lag eine offenbar künstlich aufgefüllte<br />

Ebene, die voller Dachziegel und Mörtelresten war.<br />

Etwa in der Mitte fiel mir ein 2 qm großer Platz auf, unter<br />

Folgende Plaudereien erheben keinerlei Anspruch auf literarische<br />

Höhe und Vollständigkeit. Sie wollen nur in aller<br />

Schlichtheit einige Einzelheit :n aus der Stadt Sigmaringen<br />

und dem Gymnasialleben während des ersten Weltkrieges<br />

erzählen und die Typen einiger Lehrer in knappen Strichen<br />

zeichnen. Vom „Ersten Tertial" ist bereits in der „Hohenzollerische<br />

<strong>Heimat</strong>" 1964 Nr. 1 berichtet.<br />

In den ersten Weihnachtsferien 1916 daheim gab es eine<br />

Ueberraschung. Gleich am Stephanstag erschien des Nachbars<br />

Seffer und überreichte mir im Auftrag des Herrn Lehrers<br />

Reinh. Müller 50 Pfennig. Auf meine erstaunte Frage,<br />

was das soll, kam die Antwort: „Dees isch dr Loh(n) fir<br />

sealle Brenneßla im Sommer." Die hatte ich ganz vergessen<br />

gehabt. In der Not des Krieges (1914—18) hatten wir Schüler<br />

zur Ergänzung des vaterländischen Gespinstvorrates sage<br />

und schreibe Brennesseln sammeln müssen! Das heißt,<br />

wir hätten sammeln sollen. Aber unsern Bubenhirnen<br />

wollte nicht einleuchten, was diese jämmerlich brennenden<br />

Unkräuter, die massenhaft an den Wegrainen und Zäunen<br />

wuchsen, nützen sollten. Man konnte sie höchstens nach<br />

Aus der Schulzeit eines Fidelianers<br />

Erinnerungen an Sigmaringen<br />

dem ich eine Feuerstelle vermutete, gleich dahinter wieder<br />

eine Fläche mit einem qm, auf der nordöstlichen Ecke der<br />

Ebene vermutete ich einen Turm, weil mir genau wie an den<br />

beiden anderen Stellen die Farbe des sowieso spärlichen<br />

Grases auffiel. Weiter nach hinten, hinter der vermuteten<br />

Brandmauer, also Onstmettingen zu, fand ich ebenfalls noch<br />

viele blaue Steine, teilweise noch im Verband. Es mußten<br />

dort also noch mehr Gebäude gestanden haben.<br />

Vom „Turm" aus nach Jungingen zu, entdeckte ich, genau<br />

mit dem Fußweg verlaufend, eine Mauer, wieder aus blauen<br />

Steinen, die bis in die Nähe des Wassergrabens führend,<br />

noch Platz genug für einen Fahrweg ließ, der ja auch seit<br />

Menschengedenken vorhanden ist. Der Auswurf des Wassergrabens<br />

ist nach Norden gerichtet und nach meiner Auffassung<br />

nicht erst durch die Belagerer angelegt worden. (1311)<br />

Wie ich glaubte, hatte ich jetzt die Grundlagen und traf<br />

auch gelegentlich auf der Bahn den Herrn Landeskonservator<br />

aus Sigmaringen, dem ich das alles erzählte. Er forderte<br />

mich auf, auf dem Bürgermeisteramt vorstellig zu werden,<br />

damit die Ausgrabung veranlaßt werde. Das Gelände<br />

wurde auch vermessen. Ob die beantragten Gelder einkamen,<br />

weiß ich nicht. Zu Grabungen kam es nicht mehr. Auch<br />

nicht zu einem Freilichttheater. Die Weimarer Republik<br />

verwandelte sich in das Dritte Reich.<br />

Innerhalb 20 Jahren war ich nur wenigemal auf Jungingen<br />

und auch kaum auf Eineck. Aber 1937 nahm ich einen<br />

Spaten und eine Schaufel mit hinauf nach Jungingen. An der<br />

tiefsten Stelle ziemlich genau in der Mitte der Ruine grub<br />

ich etwa 1,60 Meter tief hinab. Laub, Wurzeln und Steine,<br />

kurz Schutt und Mörtel. Dann kam ein Boden aus Lehm<br />

und Kalkplatten Also konnte es nach meiner Auffassung<br />

nicht mehr weit zu einer Mauer sein. Aber in Deutschland<br />

hatte man anderes zu tun, als Mauern zu suchen.<br />

Der zweite Weltkrieg kam und ging. Die Alliierten kamen,<br />

am Pfingstmontag 1945 war die Kapitulation: Ein ungewöhnliches<br />

Gewitter über dem Schauplatz unserer Ruinen bildete<br />

mit einem Sonnenuntergang und Regenbogen einen bezeichnenden<br />

Abschluß. Aber vorläufig war die Graberei sinnlos.<br />

Im Jahre 1947 packte mich wieder einmal die Wut, und ich<br />

machte an dem inzwischen wieder eingefallenen Loch weiter,<br />

Killer zu. Schon kam mir das Geröll sozusagen von selbst<br />

entgegen, und ich wußte, jetzt gleich muß eine Mauer kommen;<br />

da ließ ich alles liegen und ging nach Hause. Am nächsten<br />

Samstag war ich mit zwei Junginger Bürgern wieder<br />

oben (Walter Bumiller und Bauhardt), und der strömende<br />

Regen konnte uns nicht abhalten, da weiter zu machen. Vorsichtig<br />

gingen sie da mit einer kleinen Picke daran und<br />

kratzten sich langsam nach vorn... wir standen vor der<br />

westlichen Mauer des Bergfrieds, schön mit einem Glattstrich<br />

verbrämt, der allerdings den strömenden Regen nicht<br />

vertrug und in wenigen Tagen absplitterte.<br />

Wir freuten uns wie die Kinder und kratzten dann gleich<br />

den ganzen Bergfried, von der Mauer ausgehend, eckig<br />

herum und heraus, stellten auch fest, daß es da zwei verschiedene<br />

Richtungen gab (nämlich an der östlichen Mauer),<br />

denn wir hatten den Kirchturm von Beuren von der südöstlichen<br />

Ecke her an einvisiert.<br />

Natürlich stürzten wir gleich zum Bürgermeisteramt und<br />

zu Lehrer Lorch und verkündeten ihnen unsere Botschaft!<br />

(Fortsetzung folgt.)<br />

unseren Begriffen in noch zartem Zustand zu Schweinefutter<br />

oder die Wurzeln zu einem Absud für Haarwuchs-Förderung<br />

benützen. Als daher Lehrer Evarist Sch., der die „nationale<br />

Hilfsaktion der Nesselbeschaffung und Sonnenblumen" leitete<br />

(letztere säte man in Ermangelung eines anderen Platzes<br />

in ganz ungeeigneten Lehmboden zur sog. Ziegelhütte),<br />

die jungen Mann- und Mädchenschaften des Dorfes in der<br />

letzten Unterrichtsstunde zum Brennesselsammeln aussandte,<br />

hat auf Verabredung die ganze Schmitteraingasse gestreikt,<br />

nämlich der Seffer, der Gottlieb, Adlerwirts Lina, s' Schultessen<br />

Töchter und natürlich auch ich. Wir zogen einfach<br />

heim und nicht in die Brennesseln. Leider hatten sich die<br />

andern Schüler unserem Kompiott nicht angeschlossen, sondern<br />

brachten, mit dicken Fausthandschuhen oder Lappen<br />

bewaffnet, ihre Buschein Brennesseln zur Schule. Was blieb<br />

den Streikenden anders übrig, als ebenfalls, weil in der Minderheit,<br />

in der Freizeit das Versäumte nachzuholen, wollten<br />

wir nicht mit dem Meerrohr des Herrn Lehrers Bekanntschaft<br />

machen oder zwei Stunden Arrest absitzen. Daß das<br />

Stöcklein schrecklich beißer. konnte, hatten wir schon erfahren,<br />

als schriftliche Nachrichten während des Unterrichts


:(6<br />

zwischen den Bänken erwischt wurden. Seit der Abreise ans<br />

Gymnasium Sigmaringen hatte ich die Brennesseln ganz<br />

vergessen, und so waren die 50 Pfennig eine schöne Ueberraschung.<br />

Es bildete eine nette Summe für uns Buben, zumal<br />

wir gewöhnlich nur 5 bis 10 Pfennig gelegentlich auf den<br />

Namenstag oder Sonntag bekamen, um uns eine Mutschel<br />

oder einen Bärendreck zu kaufen, oder für 10 Pfennig eine<br />

rote Wurst. Waren das Zeiten!<br />

Den Schnee und die prächtige Schlittenbahn haben wir in<br />

den Ferien weidlich ausgenutzt, ich mit meinem Fiedle-<br />

Schlitten oder zusammen mit Seffer auf seinem Zweisitzer.<br />

Rodelschlitten waren ganz unbekannt. Alle abschüssigen<br />

Dorfgassen bildeten hervorragende feste Bahnen für Schlittschuhe<br />

oder Schlitten, für große Holzschlitten oder kleinere<br />

zum Wasserholen am laufenden Brunnen. Die Wasserleitung<br />

war nämlich erst kurz vorher eingebaut worden und Schlitten<br />

noch vorhanden. Auf den großen Schlitten, die zur Holzabfuhr<br />

aus den Wäldern dienten, hatten gut 10 bis 15 Kinder<br />

Platz, und zwei mit Schlittschuhen bewehrte dirigierten die<br />

Deichsel. Es ging prächtig und schnell, natürlich mit viel<br />

Geschrei, das zu einer rechten Gugelfuhr gehört Nur einmal<br />

hat mir ein Neidhammel wegen des Platzes meine unentbehrliche<br />

Kappe heruntergeworfen, sodaß ich abspringen<br />

mußte, um sie zu retten, dabei aber pünktlich auf die Nase<br />

fiel. Die Tränen flössen reichlich, und das Schnupftuch trat<br />

in Tätigkeit, bis der Schlitten zur nächsten Fahrt wieder<br />

oben ankam. Gefahren durch Fuhrwerke oder Autos gab es<br />

kaum. Letztere kamen sowieso nur bei „äberen" (schneefreien)<br />

Wegen, besonders das Dreirädrige des Doktors Lehr<br />

von Burladingen, das wir geradezu ersehnten. Da gab es<br />

nämlich für Waschen und Putzen allerlei „Zickerle" und<br />

süße Brötle. Kurz nach Neujahr setzte Tauwetter ein. Aus<br />

allen Gassen und Rinnen flössen die Bächlein, sodaß sich<br />

unterhalb der Häuser im sog. Kessel unter der Schächerwies<br />

ein nicht tiefer Weiher bildete, der regelmäßig die Jugend<br />

zu gefährlichen Bootsfahrten in Gelten oder der „Metzgermuot"<br />

verleitete, wie an anderer Stelle gesagt wird. Die<br />

unausbleibliche Folge waren nasse Füße und Kleider. Aber<br />

immerhin war es nicht so heimtückisch gewesen wie das<br />

Schleifen oder Schlittschuhlaufen auf der Hilb oder im<br />

Raißle bis 1911.<br />

Das Dorf wimmelte im Krieg von Hamsterern aus<br />

dem Killer- und Fehlatal, die ein Pfündchen Butter oder<br />

Mehl, Milch oder Kartoffeln zu ergattern suchten. Bei einer<br />

Kontrolle durch Soldaten habe ich mit meiner Schwester<br />

einmal vorsorglich einen Sack Mehl kurzfristig in der hinteren<br />

Scheuer vevgraben. Eine Frau flüchtete vor dem<br />

„Schandarm" zu unserer hinteren Tür und durch das stille<br />

Örtchen hinaus und schloß in kluger Vorsicht die Türe. Als<br />

der Verfolger ums Haus und den Brunnen herumsauste, um<br />

sie zu fassen, kam sie schnell wieder, von unserer Mutter<br />

dirigiert, herein und verschwand in der Gasse. Unter einer<br />

Ladung Mist verborgen rollte ein Sack Mehl im gemächlichen<br />

Schritt unserer Ochsen au f den Seeheimerberg hinaus und<br />

wanderte dann vorsichtig die Haide hinab nach Jungingen.<br />

Die Bauern und Müller wußten sich mit den amtlichen Mahlscheinen<br />

zurechtzufinden in Erinnerung an das Bi'oelwort:<br />

„Dem dreschenden bzw. arbeitenden Ochsen sollst Du das<br />

Maul nicht verbinden."<br />

Wieder im Städtchen<br />

Vorsorglich wurden bei der Abreise ins Regierungsstädtchen<br />

auch die Schlittschuhe mitgenommen. Und es hat sich<br />

in den kommenden Jahren reichlich gelohnt. Manchmal war<br />

das ganze Wiesental von Sigmaringen bis Laiz vom Hochwasser<br />

überschwemmt, was bei einsetzender Kälte eine herrliche<br />

große Eisbahn abgab. Jung und alt, Männlein und<br />

Weiblein, tummelten sich dann dort, wo sonst dürftiges Gras<br />

wuchs. Einige „Fachleute" fehlten nicht, die Kunststücke<br />

darboten, was uns Junge mächtig aneiferte, ihnen gleich zu<br />

tun. Auch ich war ein gelehriger Schüler und brachte sogar<br />

einige Fertigkeiten zustande, vorwärts und rückwärts. Einmal<br />

freilich fuhr ich rücklings In eine Gruppe Schüler und<br />

Schülerinnen hinein, so daß alle auf einen Haufen flogen<br />

und ich ganz weich oben drauf. Glücklicherweise passierte<br />

weiter nichts, während ein andermal der Mitschüler Wojahn,<br />

von mir ungewollt angerempelt, hinfiel und den Arm auskugelte.<br />

Doch der vernünftige Vater machte keine große Szene<br />

daraus, als ich mich entschuldigte, trotzdem der Arzt beigezogen<br />

werden mußte. Später sind wir einmal, als es bei<br />

der Stadt kein Eis gab, zum Wusthauer Weiher gen<br />

Krauchenwies zum Schlittschuhlaufen gegangen, haben aber<br />

abends in unserem Eifer den Zug in Josefslust verfehlt, so<br />

daß wir zwei Stunden heimmarschieren mußten. Auch bei<br />

der „Sigmaringer Revolution", als Genosse<br />

Friedrich mit auswärtigen Kumpanen nach Kriegsende<br />

die Druckerei demolierten, den Schriftleiter Stroh mißhan-<br />

HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

delten, protestierend vor das fürstliche Schloß zogen, haben<br />

wir jüngeren Schüler uns währenddessen auf Weisung des<br />

Rektori. Waldner auf dem Eise „verlustiert". Erst abends<br />

erfuhren wir von dem Primaner Brändle und anderen, die<br />

Schloßwache, die vom Heuberg hergerufen worden, sei sofort<br />

zu den Krakeelern übergegangen und habe das am Schloßtor<br />

postierte Maschinengewehr beiseite gesetzt. Der Fürst habe<br />

den Anführer Friedrich und einige andere ins Schloß geladen<br />

und bewirten lassen, während die andern draußen jämmerlich<br />

froren, habe er schließlich eine Millionenstiftung für die<br />

Kriegsopfer gemacht, und dann seien alle friedlich auseinander<br />

gegangen. Allerdings wurde mir nie recht klar, wodurch<br />

der Redakteur der Sigmaringer Zeitung eine solch<br />

brutale Behandlung verdient haben solle. Hat er doch wie<br />

andere Schriftleiter während des Krieges getreulich zum<br />

Zeichnen der Kriegsanleihe aufgefordert, bei jedem Sieg<br />

seine Extrablätter herausgebracht, in denen zu Glockengeläute<br />

und Fahnenhissen aufgerufen wurde. Dabei spielte<br />

sein Sohn als Tertianer insofern eine große Rolle, als er die<br />

Blätter noch druckwarm austrug und mit seiner tiefen<br />

Bärenstimme alle Straßen vollbrüllte: „Sieg, Sieg! Extrablatt!<br />

Fahnen heraus!" Ebenso rätselhaft war das Vorgehen<br />

gegen den beliebten Schloßherrn, der doch so wenig Schuld<br />

an Krieg und Niederlage trug, wie alle andern, der mit der<br />

Fürstin viel Gutes getan an den Verwundeten, für die im<br />

Prinzenbau ein Lazarett errichtet war. Seine Millionenstiftung<br />

war ein neuer Beweis seines Entgegenkommens und<br />

seiner Hilfsbereitschaft in jeder Not. Die beiden Söhne hatten<br />

den Krieg mitgemacht und der Zweitgeborene hatte,<br />

wenn ich nicht irre, noch in englischer Gefangenschaft geschmachtet.<br />

Wenn der Fürst mit seiner dicken Zigarre im<br />

prächtigen Pferdegespann durch die Stadt fuhr — die herrlichen<br />

Rosse seines Marstalls bildeten sowieso die Lieblinge<br />

der ganzen Bevölkerung und der Besucher — oder die Fürstin<br />

Adelgunde durch die Straßen ging, standen wir Schüler<br />

vor Ehrfurcht still und zogen unsere Kappen zum Gruße.<br />

Das Schloß mit seinen Kunstschätzen und der Waffensammlung<br />

hat uns mächtig imponiert, und dankbar spazierten wir<br />

in den vom edlen Fürstenhaus unterhaltenen Anlagen der<br />

Au, des Brenzkofer- oder Mühlberges, oder bei den Grotten<br />

von Inzigkofen und der Teufelsbrücke sowie im Tierpark von<br />

Josefslust. Ein Schreckensschrei erscholl im Fidelishaus, als<br />

einmal einer hereinstürmte und rief: „Die Muttergottes am<br />

Schloß brennt!" Doch war es zum Glück kein Brand, sondern<br />

die elektrischen Glühbirnen, die in den Abend hinausleuchteten,<br />

so daß die Madonna mit dem Kinde selig lächelte.<br />

Auch die Sigmaringer Geschäftswelt hat von der Hofhaltung<br />

nur profitiert. Viele Läden zierte das fürstliche Wappen,<br />

und mit Stolz nannte sich der Inhaber „Hofbuchhändler,<br />

Hofkonditor, Hofapotheker" usw. So war es klar, daß<br />

später der überspannte Regierungpräsident Scberer mit seinem<br />

Verhalten gegen das Fürstenhaus wenig Anklang finden<br />

konnte.<br />

Wenn oben von der Not des Vaterlandes an Gespinstpflanzen<br />

die Rede war, so daß man auch auf den Dörfern<br />

wieder Hanf und Flachs pflanzte und die alten Hanfbrechen<br />

and Spinnräder wieder hervorholte, Mohn- und Leinöl wieder<br />

zu Ehren kam, so darf auch nicht verschwiegen werden,<br />

daß nachher unsere blauen Tertianermützen aus einem<br />

rohen Gewebe bestand, so daß nicht zu entscheiden war, ob<br />

es aus Papierfäden oder sonst einem Notprodukt bestand.<br />

Im Sommer rückten die Klassen des Gymnasiums aus zum<br />

Sammeln von L a u b h e u. Da stellte sich im Antoniustäle<br />

und anderswo heraus, daß die meisten Mitschüler unserer<br />

Klasse aus den Städten nicht einmal eine Buch i von einer<br />

Esche oder Eiche unterscheiden konnten, geschweige von<br />

einer Ahorn, genau so wie vorher im Unterricht bei Papa<br />

Fink viele die Blüte des Huflattichs (bei uns im Dorf „Roßrueben"<br />

genannt) als Löwenzahn angesehen hatten. Einmal<br />

wollte ein Mit-Fidelianer aus einem Städtchen statt Schlehen<br />

dem Rektor Waldner die Giftbeeren des Ligusterstrauchs<br />

sammeln! Allerdings gab es in der Umgebung wenig Schlehen<br />

im Gegensatz zur hohen Alb. Sie geben abgebrüht einen<br />

köstlichen Saft. In diesen Kenntnissen waren wir Buben<br />

vom Lande voraus, und da körperliche Arbeit durch Mithilfe<br />

in der Landwirtschaft eher gewöhnt, lag die Hauptlast des<br />

Laubabstreifens wesentlich auf unseren Schultern. Man hatte<br />

überhaupt den Eindruck, daß eine zweiklassige Dorfschule<br />

mit einiger Nachhilfe durch „Stunden" sicher so gut oder<br />

besser aufs Gymnasium vorbereitete, als eine achtklassige<br />

Stadtschule. Das sollten sich auch die Schulverbesserer von<br />

heute ein wenig überlegen. Man hat nicht so viel am Lehrplan<br />

herumexperimentiert, sondern die nur auf Präparandie<br />

und Lehrerseminar gebildeten Lehrer haben gearbeitet!<br />

Auch sich die nötige Autorität unter Mithilfe der Eltern<br />

zu verschaffen gewußt.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 7<br />

Wir hatten von klein an in Haus und Feld und Wald nach<br />

Kräften mitgeholfen und brauchten es nicht zu bereuen.<br />

Wie viele Holzbuscneln schleppten wir auf dem Kopfe heim,<br />

und doch kam das kindliche Spiel nicht zu kurz, standen doch<br />

Dorf und Wald und Wiese zur Verfügung. Freilich, einmal<br />

wurde es ernst, als ich im Spiel mich von dünneren, sich<br />

biegenden Bäumchen am Waldrand herab zu Boden schweben<br />

ließ, und eines mir unter den Händen abriß, ich hart<br />

auf den Grasweg plumpste, so daß mir der Ätem wegblieb.<br />

So hart bin ich nur einmal noch gestürzt, nämlich auf der<br />

Steintreppe des Zeichensaales des Pennals, wo es mich so<br />

unsanft auf das Hinterteil setzte, daß sekundenlang der<br />

Atem stockte.<br />

Was eigentlich aus unserem gesammelten Laubheu wurde,<br />

nach dem es in der Turnhalle getrocknet und in Säcke verpackt<br />

war, weiß ich nicht. Manche rieten auf Pferdefutter,<br />

andere gar auf Rauchtabak für unsere Soldaten, was schwer<br />

begreiflich wäre.<br />

In einem der Kriegsjahre ging die Grippe um. Ein Teil<br />

der Fidelianer lag schon zu Bett, die andern, darunter auch<br />

ich, wurden in die Buchenwälder gegen Jungnau geschickt,<br />

um „Büchelen" zu sammeln, die ja ein in Kriegsnot doppelt<br />

kostbares Oel ergaben. Als wir abends müde mit unseren<br />

Stumpen heimkamen, waren die andern ausgeflogen und der<br />

Unterricht am Gymnasium geschlossen. So konnten wir erst<br />

andern Tages, aber ziemlich erbost, heimfahren. In der <strong>Heimat</strong><br />

war etwas Ungewohntes vorgefallen: Die „Blooteren"<br />

(Maul- und Klauenseuche) herrschten im Dorf unter dem<br />

Vieh, soweit es Klauen hat. Gegen 10 Stück Großvieh waren<br />

schon gefallen und die Ansteckung groß. Am Ortsausgang<br />

und vor jedem Stall lag eine breite Bahn von Sägmehl, das<br />

mit einer desinfizierten Flüssigkeit getränkt war, um ein<br />

Fortschleppen der Krankheit zu verhindern. Jede Beförderung<br />

von Vieh war verboten; überall fand man polizeiliche<br />

Anschläge. Nach Wochen wurde die Sperre endlich gelockert.<br />

In diesen außerordentlichen Ferien erschien eines Abends,<br />

als wir eben Kartoffeln abluden, ein ungewohnter Wanderer<br />

übers Heufeld und schaute nach uns Pennälern: der Professor<br />

Grünewald, also eine große Ueberraschung! „Na, der ist<br />

ja fleißig", äußerte er bei meinem Anblick. „Mach nur so<br />

weiter!"<br />

Solange die Turnhalle mit Laubheu belegt war, spielten<br />

wir in der Freizeit, in der uns löblicherweise Rektor Waldner<br />

regelmäßig bei jeder Witterung ins Freie schickte, besonders<br />

gerne „Indianer", vor allem am Dettinger oder Eulenberg.<br />

Als „Fliegender Pfeil" hatte ich mein Abzeichen farbig auf<br />

ein Pappschildchen gemalt und mittels des unentbehrlichen<br />

Taschenmessers Pfeil und Bogen und Spieß geschnitzt, wie<br />

die andern alle, womit wir uns regelrechte Schlachten lieferten,<br />

auch Ueberfällt auf unsere Wigwams ausführten. Ohne<br />

Geschrei gings natürlich nicht ab oder ohne große Reden,<br />

wie bei den homerischen Helden. Die Gefährlichkeit dieser<br />

Spiele wurde uns erst klar, als eines Tages dem „Gg." eine<br />

geworfene Lanze den Aermel glatt durchschlug und ein jüngerer<br />

Mitschüler Gaus aus Empfingen eintraf, der bei einer<br />

ähnlichen Gelegenheit durch einen Pfeil ein Auge verloren<br />

hatte. Gelegentlich gab es auch Anfeindungen und fast Schlägereien<br />

der Fidelianer mit den Städtern, d. h. Nicbtgymnasiasten.<br />

Einen eigentlichen Anlaß hierzu kenne ich freilich<br />

nicht. Aehnlich war es schon auf der Alb zwischen uns Buben<br />

und denen von Jungingen auf dem Killemer Wasen zu einem<br />

Zusammenstoß gekommen, wobei schließlich zwei Zwanzigjährige<br />

uns „abschmierten". Die Folge war eine wilde Flucht<br />

des Heerbannes das Seeheimer Tal herauf, wobei d>p Mädchen,<br />

die unserem Sieg hatten zujubeln wollen, den Vortrab<br />

bildeten.<br />

Am Gymnasium gab es nun keine Mädchen, sondern nur<br />

in der Marienschule hinter Liehners Druckerei, denen ältere<br />

Schüler gelegentlich nachstellten. Köstlich war der Ausmarsch<br />

der Kleinkmderschüler, die sorgsam von einer Barmherzigen<br />

Schwester an einem Seil mit Ringen zwei und zwei<br />

über die Straße geleitet wurden. Aehnlich sittsam zwei und<br />

zwei pflegten auch die Haushaltsschülerinnen vom Josefinenstift<br />

mit der Schwester auszugehen, ebenso die Kinder vom<br />

Haus Nazareth in einer Art Uniform. Erstere nannten wir<br />

nur „Heilige Infanterie".<br />

Der Breitseite des Fidelishauses gerade gegenüber wohnte<br />

eine Familie, deren Haupttätigkeit darin zu bestehen schien,<br />

daß Frau und Töchter den ganzen Tag unter dem Fenster<br />

lagen und alle Vorbeigehenden, vor allem uns Gymnasiasten<br />

musterten, als könnten sie einen „Wunderfitz-Ablaß" gewinnen.<br />

Uns hat dies sehr geärgert, vielleicht andere Leute<br />

auch. Aber der Versuch durch Spiegeln ins Gesicht sie zu<br />

vertreiben, hatte nur einen Erfolg, daß sie sich beim Rektor<br />

beschwerten und wir einen scharfen Tadel bekamen. Einige<br />

Mitschüler schwuren Rache. Als die Nachbarn wieder einmal<br />

im Fenster lagen, erscholl aus unserem Fenster der Vers:<br />

„Den lieben langen Tag, ich heut im Fenster lag!" Aber es<br />

nutzte nichts, bis plötzlich aus der hohen Dachgaupe unseres<br />

Schlafsaales — also unsichtbar von unten — sich eine<br />

Ladung Wasser' über die Zeitvertreiberinnen ergoß. Großes<br />

Geschrei und Proteste waren die Folge, aber es kam nie<br />

heraus, wer der Missetäter gewesen war. Mehr noch verhaßt<br />

waren einige betagte Herren der Stadt, die ihre Hauptaufgabe<br />

darin sahen, die Fidelianer auf Schritt und Tritt mißtrauisch<br />

zu betrachten, was ihnen den Namen „Seelenschmecker"<br />

einbrachte.<br />

Im Stadtpfarramt waltete der alte ehemalige Rektor Marmon,<br />

stark gehbehindert, aber zäh, unterstützt vom treuen<br />

Vikar K. G r o m, bei denen wir zu beichten pflegten, falls<br />

der Weg zur Klosterkirche der Franziskaner in Gorheim uns<br />

zu weit war. Das Haus Nazareth stand unter dem Präses<br />

Ant. B i r k 1 e, der später „an Zucker" erkrankte. Von ihm<br />

erzählt man, er habe einmal in seiner Krankheit eine Flasche<br />

Wein zum Namenstag geschenkt erhalten, und hätte ihn<br />

doch nicht trinken sollen, weil er nichts ertragen konnte.<br />

Da habe er sich ins Bett gelegt, die Flasche neben sich gestellt<br />

und den köstlichen Tropfen genießerisch geschlürft<br />

mit den Worten: „So jetz mach ebbes, wenn du ka(nn)st!"<br />

Von Marmon sagt man, daß er als Leiter des Konvikts einmal<br />

zu dem später berühmt gewordenen Schriftsteller Anton<br />

Gabele, der irgendwo durchschlupfte, gesagt: „Ha, Gabele, in<br />

dir steckt a Teifele!" und ihm mit dem Brevier unsanft auf<br />

die Verlängerung des Rückens geklopft.<br />

Im Spätjahr 1918 ließ die Stadt Sigmaringen nach dem<br />

Beispiel anderer eigenes Kriegsnotgeld herausgeben, das die<br />

graphische Anstalt Pelz sehr ansprechend gestaltet hat. Die<br />

50 Pfennigscheine zeigten auf der einen Seite das stolze<br />

Fürstenschloß auf hohem Felsen mit dem weiß-schwarz-gevierten<br />

Zollernschild, auf der andern Seite in geschickter Zusammenstellung<br />

als Stadtwappen den Hirsch, über dessen<br />

Herkunft von den bayerischen Grafen von Hirschberg-Peitingen<br />

ich viele Jahre später Untersuchungen anstellen<br />

konnte, daneben kämpfende Landsturmleute, links das alte<br />

Rathaus mit den zwei Wappenscheiben, den Marktbrunnen<br />

mit dem traurig dasitzenden Narren. Letzterer deutete auf<br />

den in der Kriegszeit ruhenden Sigmaringer Brauch, am<br />

Fastnachtsdienstag die Neuvermählten des Jahres zu „bräuteln".<br />

Nämlich unter Beteiligung einer großen Volksmenge,<br />

besonders der Jugend werden die Bräutlinge einzeln auf<br />

einer primitiven Stange sitzend um den Marktbrunnen getragen,<br />

wobei Sie aus mitgeführtem Korb Brezeln und Gutsele<br />

unter die Menge werfen. Erst nach dem Kriege lebte<br />

dann der schon 1791 nachweisbare Brauch wieder auf, wobei<br />

wir Schüler natürlich nicht fehlen durften. Doch gelang es<br />

in dem Trubel nur selten, eine der ausgeworfenen Gaben<br />

unverletzt zu erhaschen. Unaufhörlich klang dazu von allen<br />

Seiten, aus allen Gassen und Straßen das Fasnetlied:<br />

„Freut Euch des Lebens, d'Simmeringer Mädla hand<br />

Peterle an,<br />

Äiles ist vergebens, koine kriegt koin Man.<br />

Und wenn se dia Mädla mit Spitza garnieret und wenn<br />

se die Preisa am Arm rum füaret,<br />

Alles ist vergebens, koine kriegt koin Man!"<br />

Das 1920 herausgegebene „Notgeld der Stadt Sigmaringen"<br />

zeigt das „Bräuteln" im Bild und den Text: Einseht hot<br />

unser Ländle so heimgsucht der Schwed' — Daß Koiner<br />

hot Luscht zum Heirata g'het, — Der Erseht der's probiert<br />

hot in selbiger Zeit, — Den hot ma vor Freud um da Brunna<br />

rum trait. — Doch heut z'Tag isch umkehrt, do hot mancher<br />

Bua, — d'Luscht wohl und s'Mädle — koi Geld doch dazua,<br />

— Koi Wohnung, nix z'essa, — Koi Kinderwiag — s'ischt<br />

schlimmer als wia im Schweda-Kriag.<br />

Der Ursprung des Brauches verliert sich im Dunkel der<br />

Vorzeit. Offenbar war Freude an neuen Familiengründungen<br />

das Hauptmotiv und das mit ier Stange eben ein ausgelassener<br />

Scherz vor Beginn der strengen Fastenzeit. Die<br />

Leitung hat der „Vetter Guser". Wenn der frivole Spötter<br />

M. Röder in seinem Lexikon des Schwäbischen Kreises 1791<br />

behauptet, nach dem Bräuteln übergebe der „Direktor" das<br />

mit Bän'iern geschmückte Zepter dem Marienbild auf dem<br />

Brunnen in Verwahrung, so will dies aus mehreren Gründen<br />

unglaubhaft erscheinen. Einmal weiß man nichts von<br />

einem solchen Bilde, sondern dort steht die Statue des Fürsten<br />

Meinrad, u. dann hätten die gläubigen Sigmaringer kaum<br />

mit einer solchen Zeremonie ein religiöses Bild „geehrt".<br />

Außer dem obligaten Turnen bestand am Pennal auch ein<br />

privater Turnverein, in dem wir gewöhnlich zweimal in der<br />

Woche nachmittags übten. Kamerad K. Dietrich von Trochtelflngen<br />

brach sich einmal bei einer Reckübung den Arm<br />

durch einen unglücklichen Sturz. Sehr beliebt war das Rundlaufgerät,<br />

das ungemein gelenkig machte und die Bauch-


8 HOHEKZOLLiRISCKBHEIMAT Jahrgang 1965<br />

muskeln stärkte. Viel geübt haben wir Schlagball, während<br />

der erst nach dem Krieg aufkommende Fußball (mit noch<br />

vielen englischen Ausdrücken) uns dann auch sonntags in<br />

den Schneckengarten lockte, wo der Sportplatz war. Heute<br />

sagt kein Mensch mehr Goal, Centerhalf usw. Einmal spielte<br />

auch Prinz Franz Joseph mit einer Altherrenmannschaft.<br />

Wir selber hielten beim Schlagball mehr auf flinkes Zuspiel,<br />

Laufen und Schlagfertigkeit mit dem kleinen Lederball. Einmal<br />

hat mir einer unversehens die Brille zertrümmert, ohne<br />

(zum Glück) das Auge zu beschädigen, trotzdem der erste<br />

Schreck mich förmlich zu Boden warf. Wir erlangten eine<br />

ziemliche Kunstfertigkeit, vor allem durch die Anleitung<br />

von Glas und Graf, so daß wir in der Oberklasse ein Wettspiel<br />

bei Gorheim gegen das Gymnasium Hechingen wagen<br />

konnten und gewannen, während die Gäste uns in Leichtathletik<br />

überrundeten. Auch in den Ferien konnte ich mich<br />

durch Flinkheit beim Spiel mit meinen Altersgenossen wohl<br />

sehen lassen. Aber damit noch nicht zufrieden, wollte ich<br />

noch mehr, ja sogar vor andern großtun. Das sollte zum<br />

Verhängnis werden für meinen Stolz: Ich übte mich in den<br />

Ferien eifrig im Hochsprung, aber unbedacht an ganz ungeeignetem<br />

Ort, nämlich hinter dem Haus neben der Sausteig.<br />

Da ereilte mich das Verhängnis. Nach einem mustergültigen<br />

Sprung blieb ich an einem im Boden steckenden<br />

Holzstecken hängen, stürzte durch den Schwung viel zu<br />

weit vorwärts und landete mit Kopf und schützend vorgestreckten<br />

Händen pünktlich in der übelriechenden Brühe des<br />

offenen Sauloches. Erste Sorge: „Hats jemand gesehen?"<br />

Aber fragt nicht, wie ich und die Kleider dufteten!<br />

Präfekt Josef Rager, der immer an schwacher Stimme litt,<br />

war sehr für das religiöse Leben des Fidelishauses<br />

besorgt, wobei neue Gebetbüchlein in der Kapelle benützt<br />

wurden. Auch pflegte er uns öfter die Aufgaben abzuhören<br />

oder sonstige Prüfungen anzustellen. Zu seinem größten Erstaunen<br />

wußte von uns keiner, was auf lateinisch der<br />

Jude heißt, trotzdem doch eigentlich der Kreuzestitel „Rex<br />

Judaeorum" uns hätte bekannt sein sollen. Aber da versagte<br />

sogar der Primus Joh. Mayer, ein Landmann Ragers. Letzterer<br />

und der Rektor haben sich einmal in psychologischen<br />

Ueberlegungen schwer verrechnet. Einem Mitschüler war<br />

Geld entwendet worden; bei den vielen verlockenden Angeboten<br />

in den Schaufenstern der Stadt eigentlich kein<br />

Wunder! Nun machten die Vorsteher bekannt, einer um den<br />

andern vom unteren Studiersaal solle hinauskommen bis zur<br />

Kapellentür, da könne der Täter von allen unbemerkt das<br />

entwendete Geld dem Rektor abgeben und ohne Nachteil<br />

seinen Fehltritt bekennen. Allein es klappte nicht. Einer der<br />

Buben hatte kurz zuvor von einem Besucher etwas Geld bekommen<br />

und noch nicht abgeliefert, wie es üblich war. Er<br />

hat nun aus Angst sein Geld auf dem Gang in den dort<br />

hängenden Schirm gesteckt, was der auf der Lauer liegende<br />

Präfekt vom kleinen Zimmer aus beobachtete. Sein Triumph,<br />

den Täter entdeckt zu haben, zerrann natürlich sehr bald.<br />

Als einmal der Sepp von Hetlingen nachts im Schlafsaal<br />

redete, als wäre es im Traum, entstand ein großer Spektakel.<br />

Rager jedoch durchschaute die Situation sofort und rief den<br />

Simulanten schnell mit einer Ohrfeige zum „Bewußtsein"<br />

zurück. Fortsetzung folgt!<br />

Aus dem Militärwesen im 18. Jahrhundert<br />

Nach dem Kreisbeschluß von 1732 stellte der Schwäbische<br />

Kreis zum Reichsheer: 4 Infanterieregimenter mit je 850<br />

Mann, 2 Kavallerieregimenter, 1 Kürassier- und 1 Dragonerregiment<br />

mit je 304 Mann. Im Kriegsfalle trat je eine Verdoppelung<br />

ein. Die einzelnen Stände des Schwäbischen Kreises<br />

stellten nicht die Artillerie, sondern sie wurde direkt<br />

vom Kreis geworben. Fürstenberg stellte zur Reichsarmee<br />

des Schwäb. Kreises 388 Mann Infanterie und 66 Mann Reiter.<br />

Die Infanterie des Fürstentums kam zum fürstenbergischen<br />

Regiment, dabei hatten die Aemter Heiligenberg, Trochtelfingen<br />

und Jungnau 112 Mann aufzubringen, zum Kürassierregiment<br />

stellten die 3 Aemter 20 Mann. Die Rekrutierung<br />

bei der Infanterie und Kavallerie besorgten die einzelnen<br />

Stände durch Werbung. Wenn aber die nötigen Mannschaften<br />

dadurch nicht aufgebracht werden konnten, erfolgte die<br />

Aushebung bei den Untertanen. Wollten andere Staaten<br />

Truppen im fürstenbergischen Gebiet werben, so mußten sie<br />

die Erlaubnis des Fürsten haben. 1748 bekamen die Generalstaaten<br />

der vereinigten Niederlande diese Erlaubnis, ebenso<br />

erhielten Württemberg 1755 und Preußen 1790 fragliche Erlaubnis.<br />

1739 sollten auf Ansuchen des Kaisers 140 Rekruten, eine<br />

komplette Kompanie, aus der ganzen Herrschaft angeworben<br />

werden. Die Kosten für Anwerbung, Montierung, Transportierung<br />

und allem übrigen beliefen sich für Heiligenberg<br />

und die Vogteien Trochtelflngen und Jungnau auf 4556 fl. 23<br />

kr. Die Hälfte davon übernahm der Fürst. 1749 sollten vom<br />

Schwäb. Kre für den Kaiser 3000 Rekruten aufgestellt werden.<br />

Fürstenberg übernahm 3 51 „nach dem jetzigen Kreis-<br />

Marticulare Geld Anschlag". Sie sollten dem Kaiserl. Königl.<br />

Infanterie Regiment zugeteilt werden. 1800 mußte das Amt<br />

zur Komplettierung der Kreiskontingente 20 Mann stellen.<br />

In der Friedenszeit lagen die Kontingente der einzelnen<br />

Stände in ihrer <strong>Heimat</strong> und waren nicht einmal kompanie-<br />

Im Jahre 1751, nach der gnadenreichen Geburt des Erlösers<br />

und Weltheilandes Jesu Christi, unter der glorreichen Regierung<br />

des Papstes Benedikt XIV., der Kaiserin Maria Theresia<br />

und ihres Gemahls Franz I. von Lothringen, unter dem<br />

Bischof Fr. Konstantin Roth in Kostniz, als der noch minderjährige<br />

Freiherr Marquard Speth in Gammertingen Territorialherr<br />

über Neufra und Konstantin Adalbert Sallwürk<br />

von Ehingen an der Donau Pfarrer in Neufra war, wurde<br />

zur Erinnerung an 14 aufernande folgende Hagel jähre und<br />

zur Abwendung weiteren Hageischlages die Hochbergkapelle<br />

aus milden Beiträgen auf dem östlich von Neutra gelegenen<br />

Hochberg zu Ehren des hl Kreuzes Christi und zur besonderen<br />

Anrufung und Verehrung der hl. Märtyrer Eulogius<br />

und Vitus erbaut und im Herbste des darauf folgenden Jahres<br />

am Feste der Erhöhung des hl. Kreuzes durch den Hocn-<br />

Die Hochbergkapelle bei Neufra<br />

weise zusammengezogen, doch sollte alle zwei Monate ein<br />

gemeinsames Kompaniexerzieren stattfinden. Es waren daher<br />

im 18. Jahrhundert in Trochtelflngen und den anderen<br />

Orten der Vogtei Musketiere und Kontingentsreiter einquartiert.<br />

Die Zahl der Einquartierten ist nicht bekannt. 1742<br />

wurden 12 Reiter zum Exerzieren beim „Rößle" befohlen, erschienen<br />

aber nicht. Sie erhielten für ihre Meuterei Prügel,<br />

und zwar 75, 50, 30 Streiche und einer mußte 2 Stunden lang<br />

den Sattel tragen. Ob 1742 sich noch weitere Soldaten in<br />

Trochtelflngen befanden, ist nicht angegeben.<br />

Im Januar 1733 ist ein Bauer in Steinhilben von Hans<br />

Georg Scherer erstochen worden, „welcher sich dato in hiesiger<br />

Kirchenfreiheit befindet und genau verwahrt wird, welches<br />

aber gnädigster Herrschaft sehr kostbar sein wird, indem<br />

von Stund zu Stund bis 10 Mann bestellt werden müssen".<br />

— 1736 bekam ein Musketier in Trochtelflngen 50 und<br />

ein anderer 30 Prügelstreiche, weil sie „ein Weibsbild nicht<br />

gut bewacht und in die Kirchenfreiheit hatten gelangen lassen."<br />

— 1764 werden drei Kontigentsreiter in Trochtelflngen<br />

erwähnt, die miteinander Händel mit Verwundung hatten.<br />

Für einen der Reiter gab es zweimal je 50 Stockhiebe auf<br />

den Rücken und auf den Hintern und für die beiden anderen<br />

je 40 und 30 Prügelstreiche. — Auch für sittliche Verfehlungen<br />

werden wiederholt „wohlangebrachte Stockstreiche" erwähnt.<br />

Es werden in den Akten auch Desertionen angeführt. 1760<br />

bekam ein Fahnenflüchtiger von Steinhilben 50 Prügelstreiche,<br />

als er sich wieder stellte. Die Unkosten in einem<br />

solchen Falle wurden vom Vermögen des Deserteurs abgezogen,<br />

sofern er ein solches besaß. 1794 wurde von der<br />

Kreisversammlung beschlossen, wer einen Deserteur einliefert,<br />

bekommt 20 fl., war derselbe ein Kavallerist und wurde<br />

auch dessen Pferd eingefangen, dann wurden 30 fl. bezahlt.<br />

(Eisele, Manuskriptennachlaß.) R. in R.<br />

würdiger Herrn Dekan Josef Matthäus von Tempeibach, damaligen<br />

Pfarrer in Trochtelflngen, feierlich eingeweiht.<br />

1753 wurde das Türmche^: auf die westliche Seite der Kapelle<br />

gebaut um' von den beiden Eheleuten Andreas Herre<br />

und Konstantia Fusa die Hochbergglocke um 77 fl. 6 kr. angekauft<br />

und ex devoto der Kapelle zum Gebrauch Übermacht.<br />

Am St. Andreastag, den 30. November, wird mittags zwischen<br />

11 und 12 Uhr dreimal geläutet zu Ehren der Stifter der<br />

Kapellenglocke. Der Mesner erhält für das Läuten eine Gebühr<br />

von 2 Mark.<br />

1762 wurden beide Nebenaltäre, der Marienaltar von Daniel<br />

Hansenbauer und 1er Eulogiusaltar von Pfarrer F. Konstantin<br />

Salwürk gestiftet.<br />

Im Jahre 1856 stiftete Untermüller Franz Josef Vogel die<br />

5 Register starke Orgel, von Philipp Rädle erbaut, die an-


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 9<br />

fangs auf der Evangelienseite im Presbyterium, im Februar<br />

1866 aber auf die Empore aufgestellt wurde.<br />

Im Jahre 1866 wurde der Stationenweg gemacht. Die Einwohner<br />

leisteten Frondienste. Die Stationsbilder wurden von<br />

Paul Neuburger gestiftet, die Stationen durch milde Beiträge<br />

erbaut, die Bilder von Malermeister C. Hanner von Gammertingen<br />

gemalt. 1886 wurden diese unter Pfarrverweser<br />

Josef Pfister renoviert.<br />

Zur Kreuz- oder Hochbergkapelle führt ein schöner Fußweg,<br />

an dem die Stationen erbaut sind. In der Nähe der<br />

Kapelle ist ein Missionskreuz, das am 2. April 1854 bei der<br />

Mission in Gammertingen benediciert und von 16 hiesigen<br />

Ledigen auf den Hochberg getragen wurde.<br />

Zur Erinnerung an den Krieg 1870/71 wurde bei der Kapelle<br />

für die drei verstorbenen Krieger ein Kriegerdenkmal<br />

erbaut und eine Friedenseiche gepflanzt.<br />

Die Hochbergkapelle war lange Zeit eine von den Gläu-<br />

bigen der ganzen Umgegend viel besuchte Wallfahrtskapelle,<br />

wie auch aus den zahlreichen in der Kapelle aufbewahrten,<br />

zum Teil recht interessanten Votivtafeln ersichtlich ist. Am<br />

Feste des hl. Eulogius wurden von Neufra und benachbarten<br />

Dörfern in früheren Jahren die Pferde auf dem großen Platz<br />

bei der Kapelle gebracht und von dem Geistlichen gesegnet.<br />

An den Festen vom hl. Kreuz und am Blutfreitag, auch bisweilen<br />

am Eulogiusfeste, finden noch heute Prozessionen<br />

nach der Kapelle stati.<br />

Auf der Hochbergkapelle ist wegen der Blitzgefahr ein<br />

Blitzableiter angebracht, da der Blitz schon mehrmals in die<br />

Kapelle eingeschlagen hat, so am 31. Juli 1808 und am 21.<br />

Mai 1816. Den 11. November 1847 brannte es auf dem Hochberg.<br />

Am 21. Juli 1878 abends 9 Uhr kam ein heftiges Gewitter.<br />

Der Blitz schlug in die Hochbergkapelle, zerstörte<br />

die Decke, Kästen etc., daß 180 Mark zur Reparatur notwendig<br />

waren. t Joh. M u s c h a 1.<br />

Ausgrabungen bei der ehemaligen Burg „Ror" bei Bisingen<br />

Sicher ist es nur wenigen bekannt, daß südwestlich von<br />

Bisingen noch Ruinen von der ehemaligen Burg „Ror" sind.<br />

Nicht nur der Flurname für den umliegenden Bereich weist<br />

auf den Standort dieses „festen Platzes" hin, sondern die zum<br />

Teil noch gut erhaltenen Mauerreste geben dem Betrachter<br />

die Möglichkeit, den Burgbereich eindeutig im Gelände zu<br />

erkennen.<br />

Auf einer Bergnase, die dem Hundsrück vorgelagert ist,<br />

dicht an der steil ins Klingenbachtal abfallenden Nordwestspitze,<br />

wurde die Burg errichtet. Ein breiter zum Teil auch<br />

tiefer Graben trennt diesen Bergrücken von dem sehr steil<br />

ansteigenden rückwärtigen Gelände ab.<br />

Beim Betrachten dieser günstig angelegten Burganlage<br />

könnte man denen recht geben, welche diesem Wohnsitz zu<br />

damaligen Zeiten eine Bedeutung zumessen, obwohl nur<br />

spärliche Niederschriften von dem Burgsitz „Ror" Kenntnis<br />

geben.<br />

Die Herren des Bisinger Ortsadels „die Walger", auch<br />

„Walker" genannt, legten Ende des 10. Jahrhunderts diesen<br />

Burgsitz an, daneben wohnten sie auch in Bisingen, wo sie<br />

einen Wohnsitz in der Nähe des heutigen katholischen Pfarrhofes<br />

hatten, doch zeugen nur noch geringe Spuren davon.<br />

Die Burg „Ror" wurde im Jahre 1311 im Verlauf kriegerischer<br />

Auseinandersetzungen zerstört und nicht mehr aufgebaut.<br />

Die Bezeichnung „Schlößle" kam erst später auf, was<br />

keineswegs dazu führen sollte, sich darunter eine geräumige<br />

Schloßanlage vorzustellen. Deswegen dürfen auch keine zu<br />

großen Erwartungen in wertvolle Funde gesetzt werden. Das<br />

Leben hat sich in einem festen Wohnsitz sehr bescheiden abgespielt,<br />

denn nur wenig Raum war für Wohnzwecke ausgewiesen.<br />

Aufgabe der Grabungen wird es nun sein, darüber<br />

etwas Kenntnis zu erhalten, wie das Leben in der Burg<br />

„Ror" ausgesehen hat.<br />

Der <strong>Heimat</strong>verein Bisingen-Steinhofen hat sich für die<br />

Burg zwei Aufgaben gestellt. Erstmals sollen die vorhandenen<br />

Mauerreste vor einem weiteren Zerfall geschützt werden.<br />

Die Mauerreste wurden verfestigt, die Fugen verstrichen und<br />

verkeilt. Durch einen Glattstrich wurde die Mauerkrone abgedeckt.<br />

Diese Arbeiten sind zügig vorangeschritten. Die andere<br />

Aufgabe ist im Bereich der früheren Gebäulicnkeiten,<br />

nach Funden zu schürfen, daneben sollen die angeschnittenen<br />

Mauerreste laufend eine Verfestigung erhalten. Es ist ein<br />

mühevolles Unternehmen, das sich der <strong>Heimat</strong>verein aufgegeben<br />

hat.<br />

Die Grabungen haben die Zerstörung der Burg durch Feuer<br />

eindeutig bestätigt. So deuten z, B. die Brandspuren an den<br />

Mauersteinen und die verkohlten Balkenstücke hierauf hin.<br />

Ebenso weisen 5ie kleinen Dachziegelsplitter auf ein größeres<br />

Feuer mit starker Hitzeentwicklung. Es ist aber auch daraus<br />

zu schl ~ßen. 'laß zum Burgbau viel Holz verwendet worden<br />

ist. Selbst die Art der Ausfachung der Wände kann aus<br />

den freigelegten Trümmern, welche unter dem Waldboden<br />

seit Jahrhunderten liegen, nachgewiesen werden. Die mit<br />

Lehm bestrichenen Flechtwerke zwischen den Pfosten sind<br />

bei der Hitze zu harten Gebilden gebrannt worden.<br />

Die freigelegten Fußböden bestehen aus Steinplatten, daneben<br />

sind die als Lehmstrich hergestellten Fußböden gut zu<br />

erkennen, teilweise sind diese zu Ton gebrannt. Auf diesen<br />

Flächen finden wir nun das, was uns besonders interessiert.<br />

So entdeckte man eiserne Türbeschläge wie Kloben, Bänder<br />

und Verriegelungen. Diese Bescniagteile sind in schmuckloser,<br />

aber zweckmäßiger Form hergestellt. Die kräftige<br />

Ausführung der Türbänder läßt darauf schließen, daß die<br />

zugehörigen Türen sehr stark gewesen sein müssen. Reste<br />

von Tongefäßen, Pfeilspitzen und Bolzen lagern unter Ziegel-<br />

Von Kreisbaumeister Wachendorfer, Hechingen<br />

splitt. Ebenso sind lange, spitz ausgeschmiedete Nägel mit<br />

dicken unregelmäßigen Köpfen zu finden, Kettenglieder und<br />

Teile von Saumzeug liegen zerstreut am Boden, bemerkenswert<br />

sind Teile und Scherben von Tongefäßen, die nach<br />

ihrem Zusammensetzen die Größe eines mittleren Blumentopfes<br />

haben. Zuerst hielt man diese für Haushaltsgeräte.<br />

Aus der Menge und Lage schließen Fachleute, daß es sich um<br />

Ofenteile handelt. Eine Feuerstelle, zu der diese Teile gehören<br />

könnten, ist jedoch noch nicht angeschnitten worden.<br />

Die Tonkörper wurden in die Wände des Ofens eingemauert<br />

und dienten zur besseren Wärmeabgabe. Eine kunstvoll geformte<br />

Abdeckung des Ofens wurde in mühevoller Arbeit<br />

aus den einzelnen Scherben zusammengefügt. Hierbei handelt<br />

es sich wohl um einen der schönsten Funde, welche ausgemacht<br />

wurden. Auf einer kreisrunden Schale mit etwa 25<br />

cm Durchmesser ist ein kegelförmiger Aufbau bzw. Aufsatz,<br />

der 3 reliefartig geformte Gesichtsmasken von Männern<br />

trägt. Die Modellierung ist sehr fein gegliedert.<br />

Das wertvollste Fundstück ist eine aus Hirschhorn reliefartig<br />

geschnitzte Madonna. Wenn auch der untere Teil fehlt,<br />

so lassen sich an der Ausbildung des Schleiers und der wohlgeformten<br />

Gesichtszügen mit der leicht unter dem Schleier<br />

herausschauenden Haartracht gotische Merkmale feststellen;<br />

daß sie aus Meisterhänden hervorgegangen ist, verraten die<br />

so maßgerechten Proportionen.<br />

Bemerkenswert ist auch der Fund eines etwa pfenniggroßen<br />

Silberplättchens, welches beinahe Kreisform aufweist.<br />

Die Prägung auf der Vorderseite, welche eine offene Handfläche<br />

darstellt, verrät den „Haller Heller". Pfeilspitzen, mit<br />

einem Oehr versehen, haben sich als Brandpfeile ausmachen<br />

lassen. In das Oehr wurde ein ölgetränkter Flachsbausch<br />

gesteckt, welcher vor seinem Abschuß in Brand gesetzt<br />

wurde.<br />

Eine Vielzahl von Hausgeräten, vor allem Töpfe und<br />

und Krüge, wurden sichergestellt. Teilweise sind diese ohne<br />

Zierat in einfachen Zweckformen, andere verraten künstliche<br />

Fertigkeiten hinsichtlich ihren Formen.<br />

Mehr als 10 Jahre uemüht sich der <strong>Heimat</strong>verein Bisingen-<br />

Steinhofen, die Geschichte der Burg „Ror" durch Ausgrabungen<br />

zu veranschaulichen. Nicht immer werden bei diesen<br />

Grabungen alle Erwartungen befriedigend erfüllt. Zu dieser<br />

Arbeit gehören viel Ausdauer und Geduld. Behutsam muß<br />

Schichte für Schichte mit leichten Geräten gelockert, durchgesiebt<br />

und genau untersucht werden. Der noch so unbedeutend<br />

erscheinende Scherben kann Bruchstück eines vielleicht<br />

sehr wertvollen Gegenstandes sein. Niehl nur Fachwissen,<br />

sondern auch etwas Phantasie und Kombinationssinn müssen<br />

für die Aufgabe dasein.<br />

Ein Problem bildet die Beseitigung des anfallenden Schuttes.<br />

Es geht nicht an, daß dieser einfach hinter den MauerteSlen<br />

als Geröllhalde gelagert wird. Er sollte aus der Burganlage<br />

hinaus an eine passende Stelle befördert werden. Eine<br />

Brücke über dem Wallgraben und ein besserer Zufahrtsweg<br />

wären hierfür anzulegen.<br />

Das Geschlecht der Walger und ihr Burgsitz „Ror" mag<br />

für unsere <strong>Heimat</strong>geschichte keine so wesentliche Bedeutung<br />

gehabt haben. Doch ist das Bemühen für die Erforschung<br />

dieser Burganlage in der heutigen Zeit recht anerkennenswert.<br />

Seine Freizeit für die Erforschung der <strong>Heimat</strong>geschichte zu<br />

verwenden, ist eine sinnvolle und lobenswerte Beschäftigung.<br />

Es ist zu hoffen, daß es dem Verein gelingen werde, das<br />

<strong>Heimat</strong>museum in Bälde zu eröffnen, um einem größeren<br />

Kreis von Interessenten das Ergebnis ihrer Bemühungen zu<br />

zeigen.


:(10 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Das wilde Heer (Wuotisheer) zu Veringen ^ nach der zimmeren chromk.<br />

Die Nacht ist kühl, der Mond scheint fahl,<br />

Da kommen Schatten ohne Zahl<br />

Das Tal heraufgezogen.<br />

Es braust wie ein erregtes Meer,<br />

Vor Veringen das wilde Heer<br />

Ist um die Eck gebogen.<br />

Beim untern Turme auf der Bruck,<br />

Da stauet sich der seltsam' Spuk,<br />

Man hört ans Stadttor pochen.<br />

Der Wächter aus dem Schlaf erwacht,<br />

„Wer wil! noch rein um Mitternacht?"<br />

Hat murrig er gesprochen.<br />

Doch kaum ward er des Volks gewahr,<br />

Da sträubt der Schreck ihm Bart und Haar,<br />

Die Stimm' hats ihm verschlagen.<br />

Er rennt den flnstem Torweg rauf,<br />

In atemlosen, raschen Lauf<br />

Diesmal gehts ihm an' Kragen!<br />

Dieweil das Tor sich selbst aufschließt<br />

Und in den stillen Ort sich gießt<br />

Die Schar auf Geisterschwingen.<br />

Grad um die mitternächtlich' Zeit,<br />

Tief schlafen alle Bürgersleut;<br />

Zur Burg hinauf sie springen.<br />

Dort Wirbeln sie zum Tor hinein,<br />

Und bei des Mondes Zauberschein<br />

Umtanzen sie die Mauern.<br />

Dazu ein dumpfer Trommelklang,<br />

Und düst'rer grauslicher Gesang<br />

Läßt Herz und Mut erschauern.<br />

„Huh! Huh! Wir sind das Wuotisheer,<br />

Vom Welschland kommen wir daher,<br />

Vor Monden ausgezogen.<br />

Als brave deutsche Landsknechtschar,<br />

Dem Kaiser dienten wir manch Jahr,<br />

In Treue ungelogen.<br />

In heißer, blut'ger Mänerschlacht.i)<br />

Hab'n wir den Feind zur Streck' gebracht,<br />

Der Frundsberga) führt die Haufen.<br />

Bevor man zur Retraite blies,<br />

Von uns gar mancher s'Leben ließ,<br />

Vergaß für immer s'Schnaufen!<br />

Drauf steckt man uns ins Massengrab,<br />

Den Bayr, den Frank, den Sachs, den Schwab,<br />

Wir ruhten aus vom Streiten.<br />

Und Jahre lagen wir beisamm'<br />

Bis wieder uns die Kunde kam,<br />

Von deutscher Not und Leiden!3)<br />

Da hielt uns nichts mehr in dem Loch,<br />

Ein jeder aus dem Boden kroch,<br />

So wie er grad gelegen.<br />

Und nordwärts ging der wilde Zug,<br />

Wie mit gespensterhaftem Flug,<br />

Auf nächtlich stillen Wegen.<br />

Erst, wenn dem römisch-deutschen Reich<br />

Der Frieden wird, dann alsogleich,<br />

Auch uns wird wieder Frieden.<br />

bann steigen wir zurück ins Grab,<br />

Der Bayr, der Frank, der Sachs, der Schwab,<br />

Im fernen welschen Süden!"<br />

So singen sie, so gröhlen sie,<br />

In düst'rer Landsknechtmelodie<br />

Und drehen wilde Reigen.<br />

Aus dem Gemäuer aufgeweckt<br />

Flieh'n Käuze kreischend und erschreckt.<br />

Im Tal herrscht tiefes Schweigen.<br />

Der eine überm Kopfe schwingt<br />

Sein rechtes Bein und hüpft und springt<br />

Ganz wacker auf dem linken.<br />

Ein andrer gar, der eitle Tropf,<br />

Trägt unter'm Arm den eig'nen Kopf<br />

und gibt ihm noch zu trinken.<br />

Noch einer läßt, daß Gott erbarm,<br />

An einer Schnur den losen Arm<br />

Um seine Schultern baumeln.<br />

Es klingt und klappert bleich Gebein,<br />

Dazu das Kalbfell schlägt Freund Hein,<br />

Bis sie vor Schwindel taumeln.<br />

So tanzen sie, so springen sie,<br />

Nach schwerer Landsknechtmelodie<br />

Die häßlichen Gestalten.<br />

Dieweil der Wächter von dem Tor,<br />

Von ferne lauscht mit bangem Ohr<br />

Und sieht ihr schaurig Walten.<br />

Da trennt ein Schatten sich vom Häuf<br />

Und ist in überstürztem Lauf<br />

Zum Markt hinabgesprungen.<br />

„Hoi, Mano! Hoi, brüllt dumpf der Wicht,<br />

Mano! Hans Droscher, hörst mich nicht?"<br />

Hat's durch die Nacht geklungen.<br />

Den Wächter fasset Schreck und Graus,<br />

Und tät zum heiligen Nikolaus*)<br />

Mit großer Inbrunst flehen.<br />

Doch ehe er sichs recht versah,<br />

Ist auch der Geistermann schon da.<br />

Er kann ihn deutlich sehen.<br />

Der vor ihm steht, das ist, Pardauz,<br />

Ein äußerst kurioser Kauz,<br />

Beinahe wärs zum Lachen.<br />

Ein wüster Spalt den Schädel trennt,<br />

Gemacht mit scharfem Instrument,<br />

Vom Wirbel bis zum Rachen.<br />

„Ich bin", mault der, „Sepp Häberlein<br />

Aus Veringen, bin einst im Mai'n<br />

Als Landsknecht requirieret.<br />

Im Süden, so ein welscher Dieb,<br />

Hat mir im Kampf mit einem Hieb<br />

Den Schädel durchhalbieret.<br />

Doch da kein Feldscher in der Schar,<br />

Muß ich nun schon seit Tag und Jahr<br />

Halbierten Hauptes wandern.<br />

So nehmt dies Tuch, ich bitt Euch drum,<br />

Verbind't die Hälften um und um<br />

Die eine mit der andern."<br />

Hans Dröscher fasset wieder Mut,<br />

Er wundert sich und spricht: „Nun gut!<br />

Ich wills einmal probieren!"<br />

Er dreht das Tuch zu einem Strick,<br />

„Wohlan versuchen wir das Glück,<br />

Den Schaden zu kurieren!"<br />

Zusammen klappt er, was geteilt,<br />

Alsdann umschlingt er unverweilt<br />

Den Schädel dieses Schwaben.<br />

Zum Schluß noch einen festen Knopf<br />

Macht er an seines Landmanns Kopf.<br />

„So, jetzt laß dich vergraben!"<br />

„Habt ewig Dank!" Der andere spricht.<br />

„Ach leider muß ich armer Wicht<br />

Noch weiter mit den andern.<br />

Grüß mir den Vetter Veit, die Bas,<br />

Die ehrsam Jungfer Anastas!<br />

Muß leider weiter wandern.<br />

Dies eine sei Euch noch gesagt,<br />

Daß Eure Neugier nicht es wagt,<br />

Dem Zuge nachzugucken.<br />

Drum rat ich Euch, Gevatter, seht<br />

Nach rückwärts jetzt und hübsch umdreht<br />

Wohl Euren breiten Rucken!"<br />

Der Dröscher macht, gesagt, getan<br />

Die Wendung, die der Geistermann<br />

Ihm eben anempfohlen.<br />

Der andere räuspert sich und meint:<br />

„So jetzt leb wohl, mein guter Freund!<br />

Ich mach mich auf die Sohlen!"<br />

Drauf huscht er weg zur Geisterschar,<br />

Die schon beim Obern Tore war<br />

Und eben wollt verschwinden.<br />

Der Wächter schreit: „He, Landsmann, du!<br />

Der Herr geb' Dir die ewige Ruh,<br />

Die Du nicht konntest finden!"<br />

Der Tölpel ruft's und dreht sich rum,<br />

Da wird im Kopfe ihm ganz dumm,<br />

Ist wie vors Hirn geschlagen.<br />

Obwohl er wollt nach Hause geh'n,<br />

Blieb er am selben Flecke steh'n,<br />

Die Füß den Dienst versagen.<br />

Doch als der helle Morgen kam,<br />

Da war vor Traurigkeit und Gram<br />

Er auf die Erd gesunken.<br />

Und aus dem nächst gelegenen Haus<br />

Hat er den Vetter Michel Stauß,<br />

Stumm zu sich hergewunken.<br />

Hans Dröscher, in sein Heim gebracht,<br />

Hat nicht geweint, hat nicht gelacht,<br />

Ist in sein Bett gekrochen.<br />

Sinnierte still und starrte trüb,<br />

In eine Eck und liegen blieb,<br />

Er sechzehn lange Wochen.<br />

Was weiter mit dem Mann geschah,<br />

Darüber die Historia<br />

Hat nun sich ausgeschwiegen.<br />

Jahrhundert rauschten übers Land,<br />

Was einst hier lebt' und litt, verschwand,<br />

Ist längst ins Grab gesunken.<br />

Noch heute schwebt der Vorzeit Hauch<br />

Ums Städtchen, leicht wie Höhenrauch,<br />

Umkreiset Burg und Mauern.<br />

Aus finstern Felsenlöchern weht<br />

Und durch die stillen Tannen geht<br />

Geheimnisvolles Trauern.<br />

Wolfrat 1928.<br />

E. Burkarth.<br />

1) Belagerung von Pavia im Jahre 1525.<br />

2) Frundsberg, Feldhauptmann der Landsknechte,<br />

starb 1528 in Mindelheim (Bay.).<br />

Dort beerdigt.<br />

3) Religiöse-politische Kämpfe in Deutschland.<br />

4) Der hl. Nikolaus ist noch heute der<br />

Kirchenpatron in Veringenstadt.


Jp'^rgapg "965 H O H E N Z O T L E R I S C H E H E I M A ^ II<br />

Zwei römische Gebäude bei Sigmaringen ausgegraben<br />

Immer wieder stößt man im Räume Laiz—Inzigkofen—Sigmaringen<br />

auf römische Gebäudefunde, Straßen oder Bodenfunde<br />

mannigfacher Art. So stellte Ende Juli 1964 der Bahnbeamte<br />

Max Beck aus Inzigkofen 1,2 km südlich des Ortes<br />

(300 Meter südlich des Kieswerkes Baresel) fest, daß sich auf<br />

der Wiese des Landwirts Paul Burth, auf dem höchsten<br />

Punkte des „Alt Belai", durch Dürre des Graswuchses die<br />

Fundamente eines Gebäudes abzeichneten. Die Feststellungen<br />

ergaben, daß etwa 8 cm unter der Grasnarbe die sehr gut<br />

erhaltenen Fundamente eines römischen Gebäudes, in einer<br />

Größe von 7 mal 9,30 Meter, zum Vorschein kamen. Das<br />

Mauerwerk überraschte durch die Güte des Mörtels, den teilweise<br />

noch erhaltenen Estrichfußboden und vor allem durch<br />

den tadelosen Verband des Kalksteinmauerwerks. Welchem<br />

Zweck das Gebäude diente, ob zu einem Gutshof oder einer<br />

militärischen Anlage gehörig, konnte noch nicht festgestellt<br />

werden, da keine planmäßige Ausgrabung erfolgte. Das<br />

Staatliche Amt für Denkmalspflege in Tübingen riet, da die<br />

Stelle nicht gefährdet sei, die Fundamente wieder abzudecken<br />

und zu vermessen.<br />

*<br />

Seit dem Tode des für die Vorgeschichte im Kreis Sigmaringen<br />

so verdienten Oberpostrates Peters führte das Staatliche<br />

Amt für Denkmalspflege in Tübingen erstmals wieder<br />

im September 1963 und 1964 zwei planmäßige Ausgrabungskampagnen<br />

im Gewann „30 Jauchert", etwa 1 km südlich<br />

Sigmaringen, 400 m südwestlich von der Bauunternehmung<br />

E. Steidle, durch, welche die Fundamentmauern von zwei<br />

römischen Gebäuden freilegten.<br />

Dr. Philipp Filtzinger vom Staatlichen Amt für Denkmalspflege<br />

in Bonn, ein Experte für Provinzial-Römisch, der<br />

vor einigen Jahren auch das claudisch-domitianische Kastell<br />

in Emerkingen, Kreis Ehingen, ausgegraben hatte, suchte<br />

1960 durch Luftbild weitere Kastelle des Donau-Limes festzustellen.<br />

So wird schon seit langem ein Kastell auf dem<br />

Enetacher Berg und im Räume Laiz-Inzigkofen vermutet.<br />

Auf der Suche nach letzterem stellte er im Juli 1960 fest,<br />

wie sich vom Flugzeug aus in einem grünen Haberfeld<br />

durch die Dürre des abgestorbenen Getreides die Fundamente<br />

von zwei Gebäuden samt Zwischenmauern abzeichneten. Auf<br />

beherrschender Höhe liegt dieser Punkt, nur 1 km von den<br />

Furten in Laiz entfernt.<br />

Dr. Filtzinger begann im September 1963 mit den Ausgrabungen.<br />

Dabei wurde er unterstützt von 3 hauptberuflichen<br />

Ausgräbern vom Römisch-Germanischen Museum in Köln,<br />

freiwilligen Bundeswehrangehörigen, dem Vertrauensmann<br />

für Bodendenkmäler im Kreis Sigmaringen, Studiendirektor<br />

Johann Jerg, und vor allem auch durch Verwaltungsrat<br />

Mühlebach vom Hohenzollerischen Landeskommunalverband.<br />

Fürst Friedrich von Hohenzollern förderte das Unternehmen<br />

in jeder Beziehung, liegt doch das Gebäude auf seinem Grund<br />

und Boden. Wiederholt informierte er sich an Ort und Stelle<br />

über Fortschritt und Ergebnisse der Ausgrabungen, die von<br />

der Presse ausgezeichnet unterstützt, das Interesse der breiten<br />

Oeffentlichkeit fanden und auch von vielen Dienststellen<br />

und Firmen gefördert wurden. Im Durchschnitt arbeiteten<br />

während beider Ausgrabungskampagnen etwa 20 Personen.<br />

T m September 1963 wurden die Fundamente des Hauptgebäudes<br />

mit 25 mal 21 m Ausmaß größtenteils freigelegt.<br />

An der Süd- und Westfront lagen insgesamt 6 Räume, die<br />

teils Estrichfußböden, teils Packlagen aus Kalkstein aufwiesen.<br />

Die Nordostecke des Gebäudes war offener Innenhof, der<br />

nur teilweise überdacht war. Bemerkenswert erscheint die Unter-Flurbeheizung<br />

eines Raumes an der Westfront. Bei dieser<br />

römischen Hypokausten-Anlage wurden der Fußboden und<br />

die Wände mit Holzkohle geheizt. Sie hat doppelten Fußboden<br />

mit etwa 50 cm hohem Hohlraum dazwischen, durch<br />

den die Wärme streicht. Auf 50 cm hohen Kalksteinsockeln<br />

in 60 cm Abstand lagen Kalksteinplatten, die mit Estrich-<br />

..iattstrich abgedeckt waren. Die Abgase führte man in Tonkacheln,<br />

Tubuli genannt, unter Putz in den Außenwänden<br />

ins Freie. Die Heizung erfolgte von außen her durch 2<br />

Füchse von der Nord- und Westseite aus. Anscheinend genügte<br />

eine Feuerstelle nicht.<br />

Freude und einiges Kopfzerbrechen anfangs machte den<br />

Ausgräbern ein Schatzfund von 44 römischen Silberdenaren<br />

aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. Davon stammen die<br />

5 jüngsten Münzen von Kaiser Alexander Severus, der von<br />

222—235 nach Chr. regierte. Die Ausgräber vermuteten anfangs<br />

ein Gebäude aus dem 1. Jahrhundert und fanden nun<br />

Münzen aus dem 3. Jahrhundert. Die Münzen waren in<br />

einem Tonkrug unter dem Fußboden eines Eckraumes ver-<br />

von Studiendirektor Johann J e r g, Sigmaringen<br />

steckt. Während der Estrichboden ringsum erhalten war,<br />

zeichnete sich im Schnitt über den Münzen deutlich der<br />

Durchbruch im Fußboden und darunter die Störung im gewachsenen<br />

Boden ab. Also waren die Münzen vom Besitzer<br />

beim Nahen des Feindes im Boden versteckt worden. Nach<br />

dem Alter der jüngsten Münzen muß dies frühestens beim<br />

ersten großen Alemanneneinbruch des Jahres 234, spätestens<br />

beim entscheidenden Alemannensturm des Jahres 259 erfolgt<br />

sein, der die Römer über den Bodensee zurückwarf. Vieles<br />

deutet auf das Jahr 234 und eine planmäßige Räumung hin<br />

nach dem „System der verbrannten Erde".<br />

Beim Schluß der Ausgrabungskampagne des Jahres 1963<br />

blieb vollkommen offen, welchem Zweck das Gebäude gedient<br />

hatte. Gegen das Prätorium oder die Principia (Stabsgebäude)<br />

eines Kohorten-Kastells, das an dieser Stelle nur<br />

einen Sinn von 44 bis 85 n. Chr. haben konnte, sprach die<br />

Tatsache, daß kaum Funde aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.<br />

gemacht wurden. Scherben, Relief-Sigillaten und andere<br />

Funde stammen aus dem 2. und 3. Jahrhundert, hauptsächlich<br />

aus der Zeit der Severer. Der Grundriß des Gebäudes<br />

hatte wohl große Aehnlichkeit mit dem Prätorium der bisher<br />

ausgegrabenen Kastelle des Donau-Limes, dagegen haben<br />

die Grundrisse der römischen Gutshöfe unserer Gegend mit<br />

unserem Grundriß nichts Gemeinsames oder auch nur Aehnliches.<br />

Neben den gemachten Funden sprach gegen die Annahme<br />

eines Kastells vor allem auch die Tatsache, daß trotz<br />

der 400 m langen Suchgräben der typische Spitzgraben der<br />

Kastellumwallung nicht gefunden wurde. Fest stand also nur,<br />

daß es sich weder um einen Gutshof noch ein Prätorium,<br />

sondern um ein öffentliches römisches Gebäude des 2. und 3.<br />

Jahrhunderts handelte.<br />

Im September 1964 begann Dr. Filtzinger, der inzwischen<br />

beim Staatlichen Amt für Denkmalspflege in Stuttgart einen<br />

Spezialauftrag für Provinzial-Römisch erhalten hat, gleichzeitig<br />

an der restlichen Freiligung des Hauptgebäudes und<br />

Nebengebäudes, das im Luftbild festgestellt war und 11 mal<br />

16 m Außenmaß hat. Am Hauptgebäude ergaben sich keine<br />

neuen Erkenntnisse. Eindeutig konnte nachgewiesen werden,<br />

daß im Hauptgebäude ein freier Innenhof vorhanden ist, der<br />

wie aus Sockeln geschlossen werden kann, höchstens an der<br />

Ostseite eine nach dem Hof zu offene Ueberdachung hatte.<br />

Im Nebengebäude waren nur noch die Sockel der Fundamente<br />

erhalten. Alles aufgehende Mauerwerk war vom Pflug<br />

weggerissen oder „verstürzt". Aus den Resten mehrerer<br />

Holzschwellen konnte man die Unterteilung in mindestens 4<br />

Räume erkennen. Auch eine kräftige Zwischenmauer war<br />

noch erhalten. Außerdem konnte man Feuerstellen innerhalb<br />

und außerhalb des Gebäudes erkennen. Alle Funde, vor<br />

allem die Bildsigillaten und Scherben deuteten auf die<br />

Gleichzeitigkeit mit dem Hauptgebäude hin. Dies wird erhärtet<br />

durch den Fund einer Mittelerz-Münze der Augusta<br />

Mamäa, der Mutter des Kaisers Alexander Severus, die ihren<br />

Sohn auf allen Feldzügen begleitete. Beide wurden zusammen<br />

im Jahre 235 n. Chr. In Mainz von den Legionären auf<br />

Betreiben des Nachfolgers, Maximin Thrax, ermordet.<br />

Als ersichtlich war, daß das Nebengebäude Wohnzwecken<br />

gedient hatte, blieb nur noch die Annahme übrig, daß es sich<br />

bei diesen Gebäuden um eine sogenannte Benefiziarier -<br />

Station, auch Mansio genannt, gehandelt hat. Dafür spricht<br />

außer den Gebäuden selbst und den Funden auch die beherrschende<br />

Lage. Hier führte die römische Militärstraße von<br />

Laiz nach Günzburg-Augsburg vorbei, die Militärstraßen von<br />

Laiz nach Winterlingen—Sulz und Burladingen, sowie von<br />

Laiz nach Vilsingen—Stein a. Rh.—Windisch waren von hier<br />

aus kilometerweit einzusehen, ebenso die Donauübergänge in<br />

Laiz.<br />

Welchem Zweck dienten diese Beneflziarierstationen? Beneflziarier<br />

waren früher römische Legionäre, die nach 20jähriger<br />

Dienstzeit ehrenvoll aus dem Heer ausschieden und hiermit<br />

das begehrte römische Bürgerrecht erhielten und nach ihrer<br />

Entlassung vom Statthalter einer Provinz als „Beneflciarius<br />

Consularis" mit der Führung einer „Statio" oder „Mansio"<br />

beauftragt wurden. Nur selten war ein solcher Benefiziarier<br />

im Range eines Centurio oder Hauptmann? Ihr Rang entsprach<br />

meistens dem eines neutigen Stabsfeldwebels.<br />

Die Benefiziarier hatten für die Sicherheit auf den römischen<br />

Militärstraßen zu sorgen und Räuberbanden niederzuhalten.<br />

Außerdem oblag ihnen die Unterhaltung der Straßen,<br />

Furten und Brücken. Eine solche kann in Laiz etwa vom<br />

Jahre 100 ab angenommen werden. Weiterhin diente die<br />

Mansio Militärkurieren zum Pferdewechsel und als Herberge.


12 H O H E V Z O H S R I S C H I I HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Möglicherweise leistete die Station auch Vorspanndienste für<br />

amtliche Fahrzeuge beim Aufstieg aus dem Donautal.<br />

Benefiziarierstationen sind in unserem Lande nur wenige<br />

als solche bekannt. In Rötenberg bei Waldmössingen wurde<br />

vor 65 Jahren in einem Gutshof ein Votivstein eines solchen<br />

Beneficiariers gefunden, den er der Göttin des Schwarzwaldes,<br />

Abnoba, geweiht hatte, und auf der der ehemalige Mainzer<br />

Centurio alle 6 Legionen aufzählt, in denen er einst gedient<br />

hatte. Es handelte sich aber dort um einen Gutshof,<br />

der an der Militärstraße vom Kinzigtal zum Kastell Waldmössingen<br />

führt.<br />

Bemerkenswert an der Station bei Sigmaringen ist ferner-<br />

hin, daß sie nicht nur den wichtigen Straßenknotenpunkt<br />

Laiz beherrscht, sondern daß sie ganz in der Nähe der Grenzlinie<br />

zwischen den beiden römischen Provinzen „Obergermanien"<br />

mit dem Statthalter in Mainz und den Legionen in<br />

Windisch,-Straßburg und Mainz, und der Provinz „Rhätia II.",<br />

mit dem Statthalter in Augsburg und der Legion in Oberhausen<br />

bei Augsburg lag. Zur Provinz Rhätien zählte der<br />

heutige Landkreis Sigmaringen mit Ausnahme wohl von<br />

Beuron-Bärenthal und Thiergarten, die wahrscheinlich nach<br />

Obergermanien gehörten.<br />

Hoffen wir, daß Dr. Filtzinger recht bald seinen wissenschaftlichen<br />

Bericht über die Ausgrabungen veröffentlicht.<br />

Von der Karwoche 1786 in Storzingen<br />

Am Schluß des Taufbuches 1631 findet sich folgender Eintrag:<br />

Den 8. aprilis 1786 ist ein Dekret vom Bischof kommen,<br />

das man den Polm Esel nicht mehr herumbführen soll. Hob<br />

also die Prozession ohne Polmesel gehalten. 2 do: Das man<br />

aas hl. Grab nicht mehr soll auffmachen, so auch vollzogen.<br />

3. Das man am grünen Donnstag soll nach der hl. Meß in<br />

dem tobernakul auff dem Wendolinaltar setzen mit 2 brennenden<br />

Kerzen vnd den gantzen Tag dovor die Bethstunden<br />

halten soll, i Luch zu den metten so also umb 6 Uhr ongefangen<br />

Vnd umb 7 Uhr sich geendigt vnd die große hosten in<br />

die Sacrastey in Tobernakul ist gestellt worden. Am chor<br />

freytag ist umb 8 Uhr die predig die gewohnlich gottesdienst<br />

gehalten hernach die hl. Hoste in den Tobernakul<br />

gesetzt mit 2 brennenden Kertzen umb 2—3 Uhr den hl.<br />

Kreuzweg umb 6 Uhr die Metten gebettet. Die stonden bis<br />

zu den metten so angefangen noch geendigtem Gottesdienst<br />

nach der mette auch das Sanctissimum in den Täbernakul in<br />

die Sacristey gestellt, 'on da alles vmb 7 Uhr amb sambtag<br />

die weihung der scheiter oder stauff die hl. Meß wo man<br />

;ytet bey gloria in Excelsis. Vnd nach dem Ende der hl.<br />

Meß den Christus aufgehebt der im Grab liget. Das Ciborium<br />

in dem Tobernacul gesetzt. Und alles aus ist. So ich<br />

also nach Von bischoff und von dem hochfürstlichen regierung<br />

von Donaueschingen ist Decret kommen so geschehen<br />

vnd ich es erstemahl gehalten, on dem Donnerstag betet<br />

man nach der mette 7 Pater 7 ave... bey dem gefangenen<br />

Christum sambt dem Gebet zu Christum in dem Kerker. —<br />

Soweit der Eintrag.<br />

Sogut man konnte, wurden allenthalben die erschütternden<br />

Gottesdienste der Leidenswoche gehalten. Wie ein König<br />

zog Christus am Palmsonntag in der Pfarrgemeinde ein. Der<br />

Palmesel, in Holz geschnitzt, mit der daraufsitzenden, ebenfalls<br />

holzgeschnitzten Christusgestalt, gefolgt von den Kindern<br />

mit den Palmen in der Hand, ließen die Gläubigen<br />

das Geschehen des Einzugs Christi in Jerusalem erleben.<br />

Manche Palmprozessionen waren durch ihre Prachtentfaltung<br />

berühmt. Als 12 Apostel schritten Männer in schöner<br />

Kleidung mit schwarzen Barten, Judas mit fuchsrotem Bart,<br />

hinter dem Palmesel her. Mancherorts war es Vorrecht der<br />

Zünfte, diesen Dienst zu übernehmen. Auch Ratsherren und<br />

Patrizier hielten es nicht unter ihrer Würde, bei diesem<br />

Gottesdienst den auf dem Esel sitzenden Heiland zu begleiten.<br />

Nach dem Einzug in die Kirche wurde der Palmesel<br />

neben dem Altar aufgestellt.<br />

Obiger "intrag im Anhang des Taufbuches Storzingen gibt<br />

Kunde, daß man auch in kleineren Pfarreien — aber wohl<br />

nicht überall—, einen Palmesel hatte. Die Feierlichkeit des<br />

Palmsonntags war da selbstverständlich einfacher. Die Ministranten<br />

zogen den Palmesel in die Kirche hinein, Pfarrer<br />

und palmentragende Kinder folgten. Zuweilen mag der Ein-<br />

21. Mit dem Wort Dietenbach hängt auch der Name<br />

„Du fei weg" = „Tiefen weg" zusammen. Tiefenw<br />

e g ist der C undbuch-, Dufelweg aber der Volksname.<br />

Beides ist richtig, denn sowohl tief als auch duf aus t o b e 1<br />

bedeutet einen Geländeeinbruch oder eine Schlucht (siehe<br />

oberer Dufelweg). Ein anderer Ausdruck, der mit dufel zusammenhängt,<br />

ist der Dufel- oder „T ö f f e 1 b a c h", ein<br />

tatsächlich tiefer Graben am ehemaligen Schloß Heimburg,<br />

heute „S c h 1 ö ß 1 e s nater" beim unteren Homburger<br />

Hof. Der Name „T ö f f e 1 ö a c h" ist zwar abgegangen<br />

und durch „Heldgraben" ersetzt worden. )er<br />

Grundbestandteil des Bestimmungswortes „h e 1 d" ist das<br />

ahd. hell = laut tönend oder hallen. Doch können auch<br />

von Nikolaus M a i e r<br />

Grosselfinger Flurnamen<br />

von Josef S t r o b e 1<br />

zug in die Kirche nicht recht geklappt haben: wenn der<br />

Mesner etwa nicht nachgeschaut hatte, ob die Räder am<br />

Palmesel noch ganz waren, ob man die Figur ohne Hindernis<br />

ziehen konnte usw. Es mag vorgekommen sein, daß der<br />

Pfarrer und die Ministranten ohne den Palmesel ihren Einzug<br />

in die Kirche halten mußten — unter dem Gelächter<br />

eines Teils der Kirchenbesucher. Den Palmesel brachte man<br />

erst hinterher. So kam der Palmesel in Verruf. Er wurde<br />

verboten. So erklärt sich auch der heute noch gebrauchte<br />

Satz, wenn man die Zuspätkommenden meint: „Sie<br />

kommen wie der mit dem Palmesel" oder sie kurz als<br />

„Palmesel" verspottet.<br />

Palmeselfiguren finden sich heute meist nur noch in Museen.<br />

Seit 1786 sind sie außer Dienst, wenigstens in der<br />

Diözese Konstanz, zu der Südbaden, Hohenzollern und Südwürttemberg<br />

gehörten. Deshalb sind diese Figuren selten.<br />

Im obigen Taufbucheintrag merkt man den Gehorsam des<br />

Pfarrers gegenüber den bischöflichen Erlassen und gegenüber<br />

der Fürstenberger Regierung, der Storzingen unterstand.<br />

Es scheint aber, daß der Pfarrer mit erstauntem<br />

Kopfschütteln den Befehl durchführte. Aber Befehl ist Befehl.<br />

„Hob also die Prozession ohne Polmesel gehalten."<br />

Der Eintrag gibt uns noch weitere Auskunft über die Feier<br />

der Karwoche in Storzingen. Am Gründonnnerstag sind den<br />

ganzen Tag bis abends zur Mette Betstunden. Ebenso den<br />

ganzen Karfreitag hindurch, anscheinend vor dem Allerheiligsten<br />

in der Monstranz. Es ist ja von der großen Hostie<br />

die Rede.<br />

Um die Erinnerung an das Leiden unseres Herrn den<br />

Gläubigen besonders nahezubringen, ließ der Pfarrer in<br />

Storzingen den Maler Fidelis Wetz in Sigmaringen eine<br />

Reihe eindrucksvoller Prozessionsbilder anfertigen, die heute<br />

noch ein Schmuck der Storzinger Kirche sind: Jesus am<br />

Oelberg, die Geißelung und die Dornenkrönung. Dazu die 14<br />

Kreuzwegstationen. Außerhalb r,er Kirche, an der F iedhofsmauer,<br />

ist die Gefängnis-Christi-Kapelle mit der Hc.lzstatue<br />

„Christus in Ketten". Die Christusfigur ist 1,90 m hoch, trägt<br />

auf der Rückseite die Jahreszahl 174P 'ind rep. 1787. Sie ist<br />

also älter als das heutige Kirchlein. Die Andacht zum Heiland<br />

im Gefängnis war sehr beliebt. Derartige Darstellungen<br />

sieht man noch in manchen Kirchen: Hedinger Kirche in<br />

Sigmaringen, Ennetach bei Mengen, Deutstetten, im Bildstock<br />

in Straßberg.<br />

„Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es um es<br />

zu besitzen." Nicht nur Zeugen des Opfersinnes und Zeugen<br />

der Frömmigkeit unserer A orfahren sollen diese Statuen und<br />

Bilder in unseren Gotteshäuserr und auf den Fluren sein,<br />

wir sollen in Andacht vor ihnen ;>eten. Wir haben denselben<br />

Glauben, pflegen wir auch die Frömmigkeit der früheren<br />

Generation.<br />

Höhle oder Hölle in Frage kommen. Das d ist zur Bekräftigung<br />

angehängt worden. Vielleicht haben beide Wurzeln<br />

h e 11 a = laut tönend und Hölle = schauerliche Schlucht<br />

die Bildung des Flurnamens „Heiagraben" beeinflußt;<br />

denn in jener Gegend haben wir als Junge oft irgend ein<br />

Wort in den Wald hineingerufen, das dann hell widerhallte.<br />

Hierzu wäre auch der Name „H e 11 e n s t a 11" in der Gegend<br />

des „Grießenbohl" zu rechnen; auch dort war<br />

'eicht ein Echo zu bilden, was die Hirtenbuben auf der<br />

„Viehwoad" wohl ausgenützt haben, um die Langweile<br />

beim Hütedienst zu vertreiben (siehe aber Ziffer 88). In der<br />

Bisinger Gemarkung gibt es die Flur „Ludenstall";<br />

stall bedeutet Stelle, „lüde n" kann das Imperfekt von


,1 Tin gang J.fle? HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 13<br />

„laden" sein, also eine Stelle, wo man etwas „abgeladen"<br />

oder hingelegt hat; es kann aber auch mit mhd. „luder"<br />

oder Lockspeise zusammenhängen. Die Lockspeise kann ein<br />

Aas oder Luder gewesen sein, mit dem man Raubtiere anlockte.<br />

22. Diebesgraben und Diebesgarten. Beide Namen<br />

kommen wohl noch 1544, aber nicht mehr 1730 vor. Sie<br />

sind im Talkessel des Brand zu suchen, und zwar dort, wo<br />

es der Sandgrube zugeht. Etymologisch sind beide Namen<br />

zu tief bzw. diup zu stellen (siehe Ziffer 20 und 21).<br />

23. Der tholenacker; so steht es im Hagenschen<br />

Lagerbuch von 1544. Der Ausdruck bezieht sich offenbar auf<br />

ein Einzelgrundstück, das mit einer Dohle versehen war. Die<br />

Dohle aber ist ein unterirdischer Wasserabzugsgraben. Dieser<br />

wurde in alter Zeit mit Steinplatten, später mit Tonröhren<br />

gebaut, oder man warf in den ausgeschachteten Graben einfach<br />

mittelgroße Bruchsteine, wodurch das Wasser langsam<br />

durchsickerte. Das langsame Durchsickern nennt man dialektisch<br />

„s u 11 e r n" und derartige Dohlen „Sutterdoh-<br />

1 e n". Bei der ausgemauerten Kanaldohle fließt das Wasser<br />

rasch ab, bei der Sutterdohle langsam, wodurch dem Boden<br />

dauernd eine gewisse Feuchtigkeit erhalten bleibt. Etymologisch<br />

kommt suttern von sinken, sickern und dies<br />

vom ahd. sincan. Dazu gehören auch seihen und versiegen<br />

und die Flurnamen Sigental, Seaggäßle, auch Ziegelwäldle,<br />

wie dies schon früher erläutert wurde (siehe auch Ziffer 46).<br />

24. Durren- oder Thurrental und dazu Durrenund<br />

Thurrenberg. Manche leiten das Bestimmungswort<br />

dieser Namensgruppe von T u r n = Turm ab, weil am Eingang<br />

dieses Tales in alter Zeit ein Turm gestanden sei, ein<br />

sogenannter Wachturm, wie der anliegende Name „Hochwacht"<br />

(Hauwacht) beweise. Aehnliche Parallelbauten<br />

seien ja die H a i n b u r g bei Grosselfingen und die Staufenburg<br />

unterhalb des Lindich gewesen. Dann wird dürr,<br />

dialektisch durr = trocken, hereinbezogen. Diese Herleitung<br />

ist deshalb abzulehnen, weil sowohl im Tal wie an den beiderseitigen<br />

Hängen zu jeder Zeit eine naturwüchsige Pflanzenwelt<br />

vorhanden war. Heute kommt in den dortigen Wäldern<br />

vielfach der Schwarzdorn vor. In früherer Zeit, als der<br />

Wald noch wenig gepflegt wurde, hat das Dorngestrüpp den<br />

Wald zu einem fast undurchdringlichen Dickicht gemacht.<br />

Das Durren- oder Thurrental wäre also das Dornental,<br />

denn Dorn ist ahd 1 . thurn.<br />

25. Erlen. Um diesen Namen gruppiert sich eine Reihe<br />

von mit ihm zusammengesetzter Namen. So heißt es: hinter,<br />

vor, in und uff Erlen, im Erlenwasen, beim<br />

Erlenbrunnen, vor Erlen auf dem Bühl, die<br />

H o 1 z w i e s vor Erlen, die E m t w i e s hinter Erlen, hinter<br />

Erlen bei de Böhm, hinter Erlen im G ä ß 1 e und bei den<br />

Erlen hinter dem Berg. Ausgangspunkt der vielen Namen<br />

sind die Erlen, bei uns die Schwarzerle, welche das Wasser<br />

lieben. Den Hauptteil der vorgenannten Namen nimmt<br />

„Hinter Erlen" ein, einst ein Moor, das sich bandartig<br />

nördlich dem „Alten Berg" entlang zieht und eine Breite von<br />

300 bis 600 m hat. Das Moor ist heute verlandet, hat aber<br />

immer noch einige Stellen, an denen man leicht einbrechen<br />

kann. Das Gelände nimmt eine zum größten Teil versauertes<br />

Wiesengelände ein, was wohl mit der fast vollständigen<br />

Ausrottung der Erlen zusammenhängt. Erlen sind nach den<br />

neuesten Forschungen von großer ernährungs-physiologischer<br />

Bedeutung; sie produzieren namentlich stickstoffhaltige<br />

Nährbestandteile. Botanisch gehörte das Moor zum „M o 1 i -<br />

n e t u m - T y p u s" denn unter dem Schutz der Erlen wuchs<br />

das Pfeifengras (M o 1 i n a coerula). Da dieses Gras wegen<br />

der Kaltgründigkeit des Bodens erst spät vegetierte und daher<br />

auch erst im September zur Reife kam, zur Zeit der<br />

Ehmd- oder Öhmdernte, so wurden die Hintererlenwiesen<br />

Ehmdwiesen genannt Im Halbschatten der Erlen wuchsen<br />

ferner das Knäuelgras (Dactilus glomerata), wolliges<br />

Honiggras (Holcus lanatus) und die Waldsimse (Scirpus silvaticus).<br />

Die Kohldistel (Cirsium oleraceum, im Volk<br />

Schächtele genannt) gab es nur am Rand, weil sie die Sonne<br />

liebt. Wichtig für den langsam zunehmenden Verlandungsprozeß<br />

war das Schilfrohr (Phragmites communis), weil<br />

es mit seinen weitausgreifenden Wurzeln den Schlamm festhielt.<br />

In diesem Moor entspringen mehrere Quellen, von<br />

denen namentlich eine wegen ihres eiskalten Wassers bekannt<br />

und gefürchtet ist. Offenbar kommt sie aus großer<br />

Tiefe. Da ihr Wasser sich aber nicht der Temperatur der<br />

Umgebung anpaßt, also das ganze Jahr gleichmäßige Temperatur<br />

hat, so haben sich einige Pflanzenarten dieser Temperatur<br />

angepaßt und können das ganze Jahr assimilieren.<br />

Die Nährstoffe werden zunächst in Blattrosetten niedergelegt<br />

und sind die Ursache, daß sie ihre Blüten frühzeitig entfalten,<br />

wie das bittere Schaumkraut (Cardamine amare), die<br />

Bachbunge (Veronica baccabunga) und das Sumpfweidenröschen<br />

(Epilobium palustre). Im Hintererlenmoor wurde bis zur<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts, wie auf Aechtwiesen, eine wildwachsende<br />

Niederwaldwirtschaft betrieben.<br />

26. Beim unteren Homburger Hof gab es einst<br />

den „F r a u e n g a r t e n" und die Fischgruben (vischgruben),<br />

den Groß-Garten (die große Wiese daselbst),<br />

das Hühnergärtlein und das Bonzental (siehe Ziffer<br />

12). Der obere Homburger Hof war ein Schafhof.<br />

Dazu gehörten der Hofacker, die Herrenäcker, der<br />

Steinbühl, die Reute, ein Wiesental nördlich vom Hof.<br />

Der obere Hof hatte nur eine Quelle, einige Meter östlich<br />

vom Hof, die aber nur als Viehtränke brauchbar ist. Das<br />

Trink- bezw. Haushaltungswasser mußte aus einem Brunnen<br />

in der Reute geholt werden, der wahrscheinlich einen ähnlichen<br />

Ursprung hat, wie der Wolschbrunnen. Vor einigen<br />

Jahren ist sein Wasser durch ein Pumpwerk auf den Hof<br />

geleitet worden. Der „S t e i n b ü h 1" ist das große Gelände<br />

(hinter) westlich vom Wohngebäude. Der Endteil heißt „G u -<br />

gich"; denn von dort aus kann man weit ins Gäu hinaussehen.<br />

Das Schloß der Bubenhofen stand drunten im Tal<br />

beim unteren Hof auf einer Bergnase. Die „R e u t e" (Rewte)<br />

wurde wohl schon im 13. Jahrhundert gerodet.<br />

27. „Halde n" wird der Nordhang des Galgenberges genannt;<br />

dazu „H a 1 d e n g a s s e( (siehe Ziffer 98).<br />

28. „H a u p t" wird das weite Feld zwischen „Riete n"<br />

und „Oberhausen" genannt. Ursprünglich wurde nur<br />

das hügelartige Gelände um das dortige Feldkreuz Haupt<br />

genannt. Das Gelände nördlich davon ist heute ein verlandetes<br />

Moor und war ehemals, wie der urkundlich<br />

alte Ausdruck „Holzwiesen" zeigt, wie Ächtwiesen ein<br />

Buschgelände mit Niederwaldwirtschaft, worauf das Feld<br />

durch einen Hauw, das heißt einen Holzhieb gewonnen<br />

wurde. Wie in Hintererlen und auf Aechtwiesen gibt es dort<br />

keine Versteinerungen. Ein Teil des „Hauptes" ist Gemeindebzw.<br />

Hagenwiese, der andere Allmende.<br />

Wird fortgesetzt.<br />

Worüber sich ein Landpfarrer vor 225 Jahren beklagte<br />

Im jähre 1740 war es in Heiligenzimmern wegen der Allmandnutzunj-"<br />

zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen.<br />

Schließlich sah sich der fürstl. Oberamtmann in Haigerlocii<br />

gezwungen, sich an Ort und Stelle über die strittigen<br />

Punkte persönlich zu informieren. Bei seiner Anwesenheit<br />

im Dorfe sprach er auch im Pfarrhause vor und ersuchte<br />

den Ortsgeistlichen, sich über seine Anliegen und Beschwerden<br />

schriftlich zu äußern. Der damalige Pfarrer von<br />

Heiligenzimmem, Johann Simon Gebel, gebürtig von Rottweil,<br />

kam der Aufforderung des Oberamtmanns nach und<br />

faßte seine Klagen und Wünsche in nachstehende 12 Punkte<br />

zusammen, die inhaltlich, wie folgt, lauteten:<br />

1.) Einige der Dorfbewohner würden des öfteren schon vor<br />

dem (sonntäglichen) Gottesdienste die Branntweinhäuser aufsuchen<br />

und hernach „mehr voll als nüchtern" in der Kirche<br />

erscheinen.<br />

2.) Der Fleckenschütz pflege nach dem Gottesdienst schon<br />

vor der inneren Tür zu läuten (zur Gemeindeversammlung),<br />

wodurch die an den Gräbern stehenden Leute in ihren guten<br />

Gedanken für die Abgestorbenen gestört würden. 1 ) Man<br />

könnte mit dem Läuten auch zuwarten, bis die Gräberbesucher<br />

den „Freithof" 2 ) verlassen hätten.<br />

3.) Der Schütz pflege auch vielmals in unbedeutenden und<br />

schlechten Sachen das Zeichen mit der Glocke zu geben, wodurch<br />

sowohl die Glocken, wie die Glockenseile unnötigerweise<br />

zum Schaden des Heiligen abgenützt (!) würden.<br />

4.) In einigen Häusern würde die ganze Nacht hindurch<br />

gespielt. Auch sei keine feste Zeit bestimmt, wann das Tanzen<br />

aufhören müsse.<br />

5.) Die Sonn- und Feiertage würden zum Aergernis der<br />

Lutheraner in den benachbarten Dörfern 3 ) schlecht geheiligt<br />

und besonders zur Sommerszeit durch Feldarbeiten, wie<br />

Mähen, Sensendengeln, Heu- und Garbenabladen, „Obstklauben<br />

und Kirschengewinnen" entweiht. 4 )<br />

6.) Am Pfingsttag pflegten die Stierbuben zum nicht geringen<br />

Aergernis einen der Ihrigen zu verkleiden und mit<br />

„abscheulichem Geschrei" in den Brunnen zu werfen.<br />

7.) In der Kirche müßte ein Aufseher bestellt werden, um<br />

das vielfältige und unnötige Schwätzen und das ärgerliche<br />

„Trucken auf der Baarbühne" abzustellen. 5 )<br />

8.) Die Gemeinde weigere sich, ihm das nötige Bauholz zu<br />

verabfolgen, sogar gegen Bezahlung, obwohl anderen dergleichen<br />

Holz gratis gegeben würde.


14 HÖHBSZOLI.ERIS.CH E H E ITVEA T •Jahrgang 1965<br />

9.) Die Wege zur Kirche und um die Kirche seien so beschaffen,<br />

daß er an den Sonntagen nur kümmerlich mit dem<br />

Hochwürdigen Gut durch den Kot und Schmutz kommen<br />

könne.<br />

10.) Bekanntlich gebühre dem Pfarrei der Obst- und andere<br />

Zehnte. Das Obst aber werde oft heimlich geholt und<br />

die Zehntgarben in der Nacht sogar entfremdet. 6 ) Oefters<br />

komme es auch vor, daß die guten zehnten Garben gegen<br />

minderwertige ausgewechselt würden.'<br />

11.) Es sei unverantwortlich, daß einige Wohlhabende armen<br />

Bürgern Geld ausliehen gegen einen Zins, der den<br />

„göttlichen Zins" um das doppelte übersteige.<br />

12.) Der Bürgermeister hätte sich unterstanden, ihn als<br />

Vorgesetzten, sogar bei öffentlicher Gemeinde, um 10 Kreuzer<br />

zu strafen. Der Herr Oberamtmann möchte doch die<br />

Pfarrkinder zu mehr „Respekt und Submission" anweisen.<br />

Zu den einzelnen Punkten im Schreiben des Ortsgeistlichen<br />

nahm das fürstl. Oberamt, wie folgt, Stellung:<br />

1.) Wenn Wirte und Branntweinbrenner vor dem Gottesdienste<br />

Branntwein oder andere starke Getränke ausschenken,<br />

so werden sie um 3 Pfd. Heller bestraft, sofern eine<br />

Anzeige erfolgt.<br />

2.) Der bisherige Brauch des Läutens (zur Gemeindeversammlung)<br />

wird bleiben, da die Beter teils durch das vordere,<br />

teils durch das hintere Tor die Kirche verlassen. Um<br />

die Leute zusammen zu halten, bevor sie nach Hause gehen,<br />

werde es bei dem bisherigen Herkommen bleiben.<br />

3.) Weil das Läuten ein alter Brauch ist und dem Heiligen<br />

durch das öftere Läuten weder an den Glocken, noch an den<br />

Seilen ein großer Schaden entstehen kann, wird der Brauch<br />

nicht wohl abzustellen sein.<br />

4.) Spielen und Tanzen über 9 Uhr - abends ist nach der<br />

Landesordnung nicht erlaubt. Der Vogt soll ein wachsames<br />

Auge haben und die Uebertreter der nach der Landesordnung<br />

festgesetzten Zeit für Spielen und Tanzen beim Oberamt<br />

angeben.<br />

5.) Sonn- und Feiertage sollen und müssen geheiligt werden.<br />

Daher seien alle knechtlichen Arbeiten aufs neue den<br />

Untertanen auf das schärfste verboten. Wer von Gott Glück<br />

und Segen haben will, sollte übrigens aus eigenem Antriebe<br />

den Sonntag heiligen. Wer ohne äußerste Not an Sonn- und<br />

Feiertagen knechtliche Arbeit verrichtet, den soll der Vogt<br />

zur Anzeige bringen, damit er nach der Landesordnung um<br />

3 Pfd. Heller bestraft werden kann.<br />

6.) Die närrischen Bräuche an den Pflngstfeiertagen seien<br />

aller Orten eingeschlichen. Solange sie kein öffentliches Aergernis<br />

gäben, würden sie künftig gleichwohl zu gestatten<br />

sein, weil sie doch nicht verhindert werden könnten.<br />

7.) Um das unnötige Geschwätz in der Kirche und das<br />

ärgerliche Drängen auf der Empore zu verhindern, soll der<br />

Vogt einen Mann bestellen.<br />

8.) Aus den Gemeindewaldungen könnte dem Herrn Pfarrer<br />

„titulo obligationis" (auf Grund eines Rechtstitels) weder<br />

Bau-, noch Brennholz gewährt werden, da die Gemeinde<br />

selbst an Reisig und anderem Holz Mangel habe. Wenn das<br />

benötigte Hulz nicht in dem Pfarr- und Heiligenwald beschafft<br />

werden könne, so seien die Amtsvorgänger schuld,<br />

die teilweise mit dem Holz verschwenderisch umgingen,<br />

teilweise aber Wald ausstocken und Ackerfeld anlegen ließen,<br />

um in den Genuß des Zehnten zu gelangen. Im übrigen<br />

könne man der Gemeinde nicht zumuten, Holz abzugeben,<br />

solange sie selbst Mangel habe, der Heilige aber Holz<br />

verkaufe.<br />

9.) Der Weg um die Kirche ist von der Gemeinde tunlichst<br />

in Ordnung zu bringen, nicht allein aus Wohlanständigkeit,<br />

sondern auch zur Ehre Gottes.<br />

10.) Die Obst- und Gartendiebe könnten ohne weiteres bestraft<br />

werden, wenn der Pfarrer dieselben namhaft mache.<br />

11.) Mehr als 5 oder 6 Prozent Zinsen zu nehmen sei nicht<br />

erlaubt. Sofern eine Anzeige erginge und der Pfarrer die<br />

übermäßige Forderung bezeugen könne, werde das Oberamt<br />

ohne Verzug die Strafe aussprechen.<br />

12.) Nach dem eingeholten Bericht sei nicht der Herr Pfarrer,<br />

sondern sein Dienstbote in Strafe genommen worden.<br />

Dieser sei nicht mit der gesamten Gemeinde ins „Besenreis"<br />

gegangen, sondern allein und zur ungewöhnlichen Stunde.<br />

Auch die Dienstboten des Pfarrers müßten sich an die Verordnungen<br />

der Gemeinde halten!<br />

Soweit die Stellungnahme des Oberamts zu dem Vorbringen<br />

des Ortspfarrers. Man wird die Ausführungen der Behörde<br />

als sachlich und korrekt bezeichnen müssen. Uns Menschen<br />

des 20. Jahrhunderts berührt es natürlich etwas eigenartig,<br />

wt ".n der Staat in Dinge und Verhältnisse eingreifen<br />

soll, die ihn nach unserer Auffassung überhaupt nichts angehen,<br />

so etwa bei der Anstellung eines Kirchenordners oder<br />

Kirchenschweizers! Einst aber war das Verhältnis zwischen<br />

Staat und Kirche viel enger. Der Landesherr sah es als<br />

göttlichen Aufträg an, für Sitte und Recht im Lande Sorge<br />

zu tragen und die Untertanen zu einem rechtschaffenen,<br />

frommen Lebenswandel zu erziehen. So kommt bei den Landesordnungen<br />

auch stets in den ersten Paragraphen das religiöse<br />

Moment zur Geltung, die Befolgung der Kirchengebote,<br />

die Bestrafung der Gotteslästerer, die Einhaltung der<br />

Sonn- und Feiertage usw.<br />

Kulturhistorisch von Interesse ist die Tatsache, daß das<br />

Ladezeichen der Bürger oder Dorfgenossen zur Gemeindeversammlung<br />

durch den Glockenruf gegeben wurde, und die<br />

Versammlungen wohl regelmäßig des Sonntags nach dem<br />

Hauptgottesdienst stattfanden. Die kirchliche Einrichtung des<br />

Läutens wurde also ins bürgerliche Leben übernommen und<br />

ist schließlich, wie auch anderswo, ein wesentlicher Bestandteil<br />

des öffentlichen Rechtslebens geworden. Daher wird auch<br />

das Ersuchen des Pfarrers, die Tagungen der Gemeinde nicht<br />

mehr durch die Kirchenglocke anzukünden, vom Oberamt<br />

rundweg abgelehnt, übrigens auch, weil das Läuten ein alter<br />

Brauch sei! Weiter hören wir von den närrischen Bräuchen<br />

an Pfingsten, die „aller Orten eingeschlichen" seien. Der<br />

Pfingstbuz war vermummt und wurde schließlich in den<br />

Brunnen geworfen. Wenn anderwärts die Roßbuben, d. h.<br />

die Söhne der Roßbauern, das Vorrecht hatten, beim Brauchtum<br />

an Pfingsten mitzuwirken, so waren es in Heiligenzimmern<br />

die Stierbuben. Wann mit den alten Sitten und<br />

Ueberlieferungen an den Pfingsttagen gebrochen wurde, ist<br />

dem Schreiber nicht bekannt. Vielleicht veranlaßten grobe<br />

Mißbräuche und Unfug die Behörden, die Pfingstbräuche der<br />

männlichen Dorfjugend zu verbieten. — Daß zum Kehren<br />

von Tenne, Stall und anderen Wirtschaftsräumen auch heute<br />

noch Besen von Tannenreisig oder Laubholz gebraucht werden,<br />

ist bekannt. Noch um die Jahrhundertwende wurden<br />

mit solchen Besen auch die Wohnungen rein und sauber gehalten.<br />

Wenn nun jeder nach Belieben sich das nötige Besenreis<br />

geholt hätte, wären die Waldungen begreiflicherweise<br />

nicht wenig beschädigt oder verwüstet worden. Daher wurden<br />

bestimmte Tage und Zeiten angesetzt, an denen jeder<br />

Haushaltung Gelegenheit geboten war, unter Aufsicht des<br />

Waldschützen das nötige Reisig zum Anfertigen der Besen zu<br />

holen. Offenbar hatte der Knecht des Pfarrers an dem gemeinsamen<br />

Besenreisholen nicht teilgenommen, vielmehr war<br />

er allein und zu ungewöhnlicher Stunde in den Wald gegangen<br />

und daher bestraft worden. M. S c h a i t e 1.<br />

Anmerkungen:<br />

1) Die alte Kirche von Heiiigenzimmern stand im „Oberen Pfarrgarten".<br />

Um die Kirche herum, also im Hofe der Kirche, wurden,<br />

wie auch anderswo, die Toten beerdigt. Die Einwohnerschaft<br />

spricht auch heute noch nur vom „Kirchhof", obwohl der neue<br />

Bestattungsplatz, eingeweiht 1835, abseits vom Dorfe im Esch<br />

„Weier" liegt.<br />

2) Das Wort Freithof kommt vom ahd. vrithof und bedeutet eingefriedigtes<br />

Grundstück. Durch spätere Einwirkung des urverwandten<br />

Wortes Friede hat sich aus Freithof das Wort Friedhof entwickelt,<br />

das aber, wie bereits gesagt, die alte Bezeichnung Kirchhof<br />

bis heute nicht verdrängen konnte.<br />

3) Die Nachbargemeinden Hosenfeld, Vöhringen und Bergfelden sind<br />

altwürttembergisch, also evangelischen Bekenntnisses.<br />

i) Obstklauben = Obst zusammenlesen; Kirschengewinnen = Kirschen<br />

pflücken.<br />

5) Baarbühne = Borbühne, hergeleitet von Emporbühne, Empore.<br />

Da die Herkunft des Wortes Borbühne in Vergessenheit geraten<br />

war, machte der Volksmund aus Borbühne das Wort Vorbühne,<br />

womit bis zur Gegenwart in Heiligenzimmern die Männerempore<br />

bezichnet wird.<br />

6) entfremden = wegnehmen, stehlen.<br />

Kleine Mitteilungen<br />

Jänichen Hans, Markung und Allmende und die mittelalterl.<br />

Wüstungsvorgänge im nördlichen Schwaben, in „Vorträge<br />

und Forschungen" 1964, VII, 163—222, Verlag Thorbecke-Konstanz,<br />

mit 16 Abbildungen. Man ist im allgemeinen<br />

geneigt, die Markungen unserer Dörfer als ziemlich unveränderte<br />

Größe anzusehen. Jänichen weist an Hand genauer<br />

Karten und Grundbücher nach, daß dem gar nicht so<br />

sein muß! Vielmehr lassen sich zahlreiche Beispiele beibringen,<br />

daß Markungsgrenzen sich änderten, vor allem durch<br />

Abgang lebensunfähiger Gemeinden, alsc durch Wüstungsvorgänge.<br />

Auf Grund der verschiedenen Bebauung der drei<br />

Esche oder Zeigen eines Dorfes und dabei feststellbaren Unregelmäßigkeit.:'!<br />

kommt er zu erstaunlichen Ergebnissen.<br />

Aus unserer Gegend untersucht er die Orte Engstlatt, Tailfingen,<br />

Margrethausen, Leidringen, Gottmadingen, Tübingen<br />

und Trossingen. Weiterhin richtet er unser Augenmerk auf<br />

den Gemeindebesitz und die Allmende sowie die Entstehung<br />

des Gemeindewaldes. Folgerung: Man muß in jedem einzelnen<br />

Falle die Markungen unter die Lupe nehmen! Kr.


Jahrgang 1965 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 15<br />

Kirchenmaler Josef Wannenmacher 1722—1780<br />

Zur Zeit wird in der Stiftskirche St. Gallen das Hauptwerk<br />

des Kirchenmalers Josef Wannenmacher freigelegt<br />

und wiederhergestellt. Aus diesem Anlaß sind in letzter Zeit<br />

verschiedene Anfragen wegen der Herkunft dieses bislang<br />

wenig bekannten Künstlers und seiner Vorfahren ergangen.<br />

Dr. M. R e i s 11 e, prakt. Arzt in Langenau/Württ. betreibt<br />

seit Jahren Forschungen über Leben und Werk von Josef<br />

Wannenmacher. Dieser wurde 1722 in T. merdingen/Württ.<br />

als Sohn des Georg Wannenmacher, Hafner, geboren. Der<br />

Vater stammte, wie unlängst einwandfrei festgestellt werden<br />

konnte, aus unserem hohenzollerischen Owingen (Aubingen)<br />

und hat sich 1696 in Tomerdingen verheiratet. Kirchenmaler<br />

Josef Wannenmacher ist aus seiner dritten Ehe mit Barbara<br />

Schmid hervorgegangen. Zahlreich sind Sie Orte und Stätten,<br />

an denen er später als Künstler geschafft und gewirkt hat,<br />

so u. a. in Straß bei Ulm, in Elchingen, Rüttweil, 1758—1764<br />

in der Stiftskirche und in der Bibliothek in St. Gallen, in<br />

Gmünd und in Donzdorf. Auch der Kreuzweg in der Kirche<br />

in Owingen scheint von Josef Wannenmacher gemalt worden<br />

zu sein.<br />

Nun ist vor allem über den liildungsweg des Künstlers<br />

noch wenig bekannt. Dr. M. Reistie hat die Absicht, nächstes<br />

oder übernächstes Jahr eine Biographie über diesen bedeutenden<br />

Maler des Barock zu schreiben.<br />

Wer kann mit weiteren zweckdienlichen Hinweisen oder<br />

Beiträgen übei den Lebensweg und das Schaffen von Josef<br />

Wannenmacher dienen?<br />

Joh. Wannenmaclier, Schulrat a. D.<br />

Rangendingen<br />

Zum Hexenglauben<br />

Die „Schuldbekenntnisse" der angeblichen Hexen bei der<br />

Folterung über ihre dämonischen Luftritte und Teufelstänze<br />

waren nach Ansicht heutiger Forscher, soweit nicht einfach<br />

Zeitansichten nachgeplappert, entweder Furchterzeugnisse<br />

oder von den fragenden Folterknechten suggeriert (eingeredet),<br />

oder Folge von Träumen, die durch Einwirkung einer<br />

besonders zubereiteten Salbe oder Pille erzeugt waren. Es<br />

gab verschiedene Rezepte für diese Präparate. Der Volkskundler<br />

Willi Erich Peukert hat nach einem Rezept aus der<br />

berühmten „Magia naturalis" von Giambattista della Porta<br />

sich Drogen hergestellt, deren bewußtseinsverändernde Wirkungen<br />

man lange schon kennt. N° :h Einnehmen dieser Pillen<br />

wurde er in einen zwanzig Stunden dauernden Schlaf<br />

versetzt. Was er da in seinen Träumen erlebte, entspricht<br />

genau jenen, wegen deren man den angeblichen Hexen den<br />

Prozeß machte, Nicht umsonst hat man zu Beginn des dritten<br />

Reiches alte Hexenprozesse u. a. aus Sigmaringer Archiven<br />

geholt, um zu studieren, wie man unbeliebte Leute zu<br />

Bekenntnissen bringen kann. Die Kommunisten Chinas übten<br />

an den Missionaren und Christen ähnliche Praktiken. In Offenburg<br />

wurden 1627 bis 163i sechzig Personen hingerichtet.<br />

Für Fangen eines Verdächtigen waren zwei Schilling<br />

Heller ausgesetzt. Auch nach Friedrich von Spees Angriff<br />

auf den Hexenglauben dauerte es noch über 100 Jahre, bis<br />

der Unfug ein Ende fand. Noch Maria Theresia verfügte am<br />

1. März 1755, daß alle vorkommenden Fälle von sog. Hexerei<br />

nicht nur von Geistlichen, sondern unter Beizug eines vernünftigen<br />

Physikus untersucht werden sollen. Krs.<br />

Die Ostrichtung der alten Kirchengebäude hat schon im<br />

Heidentum ein Vorbild. Die aufgehende ^onne wurde in<br />

christlicher Zeit gern als Sinnbild Jesu Christi angesehen.<br />

So hat man die Toten lange Zeit mit dem Blick nach Osten<br />

in den Gräbern beigesetzt. Wer nun die Ostrichtung einer<br />

alten Kirche anband eines Kompasses oder Ortsplans oder<br />

unseres hohenzoll. Kunstdenkmälerwerks beachtet, wird feststellen,<br />

daß fast niemals die genaue Orientierung sondern<br />

meist eine Abweichung vom genauen Ostpunkt vorliegt<br />

Manchmal ist sogar fast die Nordost richtung gewählt.<br />

Man nimmt an, daß am Beginn des Kirchenbaues der Aulgang<br />

der Sonne als Ostpunkt genommen wurde und dies<br />

auch dann, wenn Chor oder Schiff oder Turm (wie in Bingen<br />

z. B.) eine andere Orientierung zeigt. Früher meinte man,<br />

es sei damit symbolisch das Neigen des Hauptes Christi am<br />

Kreuz dai gestellt worden. Neuestens hat ein französischer<br />

Forscher behauptet, an etlichen Beispielen beweisen zu können,<br />

es sei der Sonnenaufgang nicht am Tag des Baubeginns,<br />

sondern am Tag des Kirchenheiligen maßgebend<br />

gewesen. Falls diese Theorie zutrifft, ergäben sich auch für<br />

den event. Wechsel des Patrons wichtige Anhaltspunkte.<br />

Doch sollten m. E. noch weitere Beweise beigebracht werden.<br />

Daher die Bitte an alle <strong>Heimat</strong>freunde, auf die Ostung<br />

der Gotteshäuser zu achten, besonders am Tage des Kirchenpatrons.<br />

Krs.<br />

Trochtelfingen. Feuerwehr. 1729 hatten Trochtelfingen und<br />

Steinhilben „seit langer Zeit" eine Feuerspritze. \750 war die<br />

alte Feuerspritze unbrauchbar. Die Stadt beschloß daher die<br />

Anschaffung einer neuen mit doppeltem Werk um 690 fl. von<br />

Biberach. Da diese zweifache Spritze für die Landorte zu<br />

schwer war, wurde eine weitete einfache um 300 fl. von<br />

Reutlingen bezogen. Der Fürst gab zu diesem Zweck 50 fl. —<br />

1817 wird bestimmt, daß, wenn eine Prozession in die Haia,<br />

nach Steinhilben usw. geht, wer Ostens ein Spritzenmeister<br />

und eine Rotte zu Hause bleiben sollen. Während des<br />

Gottesdienstes in der Stadt sind außer den Kommandierten<br />

2 bis 3 Bürger als Wache aufzustellen.<br />

Trochtelfingen. Mühlen. 1439 wurden in Trochtelfingen 3<br />

Müller erwähnt. Damals klagte die Stadt gegen diese drei<br />

Müller, daß sie die aufgestellte Ordnung nicht hielten, nämlich<br />

daß kein Müller mehr als 12 Hennen und 1 Hahn haben<br />

sollte. Die Klägerin und die Beklagten wurden von „ihren<br />

Herren" an das Stadtgericht in „Tübingen" gewiesen. Die<br />

Müller bekamen Recht, es sollte alles beim alten bleiben wie<br />

seither, sie durften also mehr als 12 Hennen halten.<br />

Trochtelfingen. Die Einteilung des Bauernstandes erfolgte<br />

1792 nach der Größe ihres Besitzes. Es gab damals in Tr. 12<br />

ganze Bauern, d. h. solche, die 36 Jauchert und darüber besaßen,<br />

18 Halbbauern, die zwischen 20 bis 36 Jauchert hatten<br />

und 13 Einzelstüekler mn 6 bis 20 Jauchert. Durch Verordnung<br />

vom Jahre 1809 wurde eine Mindestgröße von 1 U Jauchert<br />

= 3 /e Württ. Morgen = 11,82 ar festgelegt. Es durften<br />

also Parzellen unter 11,82 ar (Gärten ausgenommen) nicht<br />

neu gebildet werden.<br />

Trochtelfingen. Bürgerwehr. Die Trochtelfinger Bürgerwehr<br />

begründet ihre 400jährige Tradition auf eine Urkunde aus<br />

dem Jahre 1564. Geistl. Rat Eisele erwähnt diese Pergamenturkunde<br />

— Einladung des Schützenmeisters und der Schießgesellen<br />

der Stadt Trochtelfingen an die Stadt Reutlingen zu<br />

einem Preisschießen — bereits schon in seinem Manuskriptennachlaß<br />

und bemerkt, daß diese Urkunde aus dem Stadtarchiv<br />

Reutlingen schon 1928 bekannt war. (Hohenz. Volkszeitung<br />

1928 Nr. 163.)<br />

(Aus dem Manuskriptennachlaß von Geistl. Rat Eisele.)<br />

Mitgeteilt von R. in Rottenburg.<br />

Rangendingen. Zahl der Frondienstpflichtigen 1761, Im<br />

Jahre 1761 lebten in Rangendingen 65 Bauern, die mit ihren<br />

Gespannen Zugfronen zu leisten hatten. 55 Taglöhner, 3 Hintersassen,<br />

23 Witfrauen und 2 ledige Personen mußten Handfronen<br />

verrichten. W.<br />

Patroziniumsforscher seien hingewiesen auf die gründliche<br />

Untersuchung von Bruno Neundorfer „Zur Entstehung von<br />

Wallfahrten und Wallfahrtspatrozinien im mittelalterlichen<br />

Bistum Bamberg" im 99. Bericht des Histor. Vereins Bamberg,<br />

1963 S. 1—132.<br />

An das<br />

Postamt<br />

In


:(16 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Eine Inneringer Urkunde von 1374<br />

Ich Hans von Rischach, Ritter, den man nennt den Flachen,<br />

urkunde mit diesem Brief, daß ich mit guter Vorbetrachtung<br />

durch meines und meiner Vor- und Nachfahren<br />

Seelenheiles willen hiermit vermache luterlich durch Gott,<br />

dem Altar der Kapelle zu Inaringen in dem Dorf, da<br />

Unser Frowe (Maria) gnädig und Hauswirtin ist, zwanzig<br />

Malter und sechs Malter Korn in Veringer Meß, halb Vesen<br />

und halb Haber, aus dem großen Zehnten der Pfarrei Inaringen,<br />

die ich zu leihen han und deren Kirchensatz mein ist.<br />

Man soll sie jährlich aus dem Zehnten dem genannten Kapellenaltar<br />

und dessen Kaplan richten ohne ihre Kosten, und<br />

dazu das Widemgut zu Inaringen, das z. Zt. Hein G e r o t<br />

bebaut, das jährlich 30 Schilling, zwei Hühner und Va Viertel<br />

(= 60) Eier gibt. Dies alles gab ich dem Altar und dem<br />

Kaplan daselbst zu einer Besserung der Pfründe. Der Herr<br />

Peter der Maiger (Maier), derzeit Kirchherr zu Inaringen<br />

und sein Nachfolger soll den Altar der Kapelle besetzen<br />

mit einem ehrbaren Priester, daß er die Kapelle besorge,<br />

wie ein Kaplan es von Rechts wegen soll. Wie schon<br />

bisher jeder Kirchherr den Altar geliehen hat, soll er ihn<br />

auch fürbaß leihen samt dem Einkommen, das ich stiftete zu<br />

dem bisherigen. Weder ich noch meine Nachkommen dürfen<br />

den Kirchherrn und den Kaplan irren oder kränken an den<br />

genannten Gütern und Nutzungen. Dies soll jeder Pfarrer zu<br />

Inaringen alle Jahre in der Kilchen an der Kanzel auf den<br />

Tag der rechten Kilwihe und uf den Tag der Kirwihi der<br />

Kapelle verkünden und eröffnen. Wenn ich, vorgenannter<br />

Ritter Hans von Rischach, abgang von Todes wegen, was<br />

Gott lang aufspar, so soll danach ewiglich ein jeglicher<br />

Kylchherr und Kaplan zu Inaringen meine und meiner Vordem<br />

Jahrzeit began (begehen) uf minen jährlichen Tag mit<br />

Vigilen und Seelmessen, wie gewohnlich ist. Und dies alles<br />

zu einer stäten ewigen Sicherheit gib ich vorgenannter Ritter<br />

Hans von Rischach für mich und meine Erben und Nachkommen<br />

dem genannten Altar der Kapelle zu Inaringen diesen<br />

Brief besiegelt mit meinem Insiegel. Ich der genannte<br />

Pfaff Peter der Maiger, Kylchherr, bekenne, daß alle genannten<br />

Sachen mit meinem Willen und guter Gunst vollbracht<br />

sind. Und des zu Urkund han ich für mich und<br />

meine Nachfolger mein Siegel an diesen Brief gehenkt, der<br />

gegeben ist uf nächsten Donnerstag .or sant Johannestag ze<br />

Sunnwenden (22. Juni) do man von Gottes Geburt zalte drüzehenhundert<br />

Jahr und dar n a u c h in dem vierten und sübenzigoscen<br />

Jahre. - Or. Pergament. - Das Siegel des Ausstellers<br />

fehlt heute, das des Pfarrers Maier ist spitzoval und<br />

zeigt einen Schild, worin ein Falke auf einem Dreiberg steht.<br />

Die Umschrift ist zerbröckelt (Erzb. Archiv Freiburg: Z 595.)<br />

Joh. Adam Kraus.<br />

Es dürfte sich um die heutige hl. Kreuzkapelle am Südrand<br />

des Dorfes handeln, die somit nicht erst im 15. Jahrhundert<br />

entstanden wäre.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />

durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />

Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />

zugspreis von DM 1.40.<br />

Vor- und Zunarre<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nach-<br />

bestellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />

deutliche Schrift wird gebeten.<br />

Gammertingen - Flurname Schrot. Am 21. Januar 1330<br />

verkaufte Volkart von Gammertingen den Klosterfrauen von<br />

Maria-Berg seinen Acker Srot bei dem Lewen und seinen<br />

Garten bei des Franchen Wöri um 11 Pfund Heller (Vergl.<br />

Kraus Hohenz. Jahresheft 1962 S. 63.) Der Name Srot (heute<br />

Schrot) bedeutet nach Bucks Flurnamenbuch = jäher Absturz.<br />

Die steile Halde gehörte einst dem herrschaftlichen<br />

Bierbrauer (Volksmund Brui) und heißt bis heute Bruiles<br />

Halde. Bei dem Acker Srot lag ein „Lewen", d. h. ein großer<br />

Grabhügel. Der Name „bei dem Lewen" kommt in Urkunden<br />

bis im 18. Jahrhundert vor. Wahrscheinlich ist der Hügel in<br />

diesem Jahrhundert eingeebnet worden. 1929 fand man auf<br />

dem Gelände in einem Doppelgrab wohl den schönsten<br />

Bronceschmuck Hohenzollerns. Beim Tuffsandgraben deckten<br />

die Arbeiter einen Urnenfriedhof auf. Die grauschwarzen<br />

schlanken Urnen steckten zum Teil unversehrt im Kalktuff.<br />

Die oben erwähnte Wöri (auch Würi geschrieben) war<br />

eine Wiese im Brühl, wo heute das Sägewerk Genkinger<br />

steht. Wiest.<br />

Glatter Urkunde: Am 24. Dez. 1456 verkaufte Kaspar<br />

von Nüwneck (Neuneck) zu Glatt an die St. Nikolauskapelle<br />

zu Göttelf ingen (bei Horb) und deren 2 Pfleger<br />

Hans Besenfeld und Claus Böglin sein Viertel des großen<br />

und kleinen Zehnten zu Göttelfingen, die er schon lange besessen,<br />

um 80 rheinische Gulden. Sein Bruder Lienhart von<br />

Nüwneck stimmt zu und siegelt mit ihm, ebenso ihre Vettern,<br />

die Gebrüder Wilhelm und Hans von Nüwneck zu<br />

Glatt. Alle vier Siegel sind erhalten. (Erzb. Archiv Freiburg:<br />

Z 665). — Ebenso verkaufte das Karmeliterkloster Rottenburg<br />

seinen Teil am Kleinzehnten zu Göttelfingen an den<br />

Pfarrer Lorenz Kaltmayer daselbst bzw. an die Pfarrei um<br />

16 rheinische Gulden. (Ebenda Z 666; Siegel zerbrochen). Zu<br />

Mitt. Hohz. 13 (1879) S. 90.) Krs.<br />

Das Hechinger Hudelgäu (Schadenweilerstraße) ist schon<br />

öfter Gegenstand der Ueberlegung gewesen. Schon in Egler-<br />

Ehrenbergs Chronik wird gefragt (S. 148), ob das Wort nicht<br />

„Düngerland" bedeuten könne. Spätere dachten an eine mögliche<br />

Niederlassung oder Haltestelle von „Hudelesware" in<br />

früherer Zeit. Aber befriedigen will keiner der beiden Erklärungsversuche.<br />

Vor allem wäre wichtig, die ältere Schreibart<br />

festzustellen, denn die Endung -gäu sieht etwas verdächtig<br />

aus. In Bickelspergs zollerischem Lagerbuch von 1435 S.<br />

38 steht üu lesen, der Steger von Boll bebaue u. a. auch 2<br />

Juchart Acker, die heißen „der H u d e.1 g e r". Zwar handelt<br />

es sich um einen Nachtrag um 1500 und ist nicht gesagt,<br />

wo dieser Hudel-Ger lag. Aber wichtig ist zu wissen, daß<br />

es in Ringingen einen Hasen-Ger gab, der zu Hasengairle<br />

und heutigem Hasengaile wurde. Es war ein Dreieck<br />

acker eines "3auern Haas (Ger = Dreieck). Aehnlich<br />

müßte in der schwäbischen Mundart der alte Hudelger zu<br />

Hudeigair und „H u d e 1 g a i" geworden sein, wenn, wie<br />

in Ringingen, das r verschwand. Wir hätten somit einen<br />

Dreieck-Acker eines Mannes namens Hudel,<br />

wie sie im genannten Lagerbuch mehrfach vorkommen!<br />

Das Hudel gäu wäre demnach eine falsche Verhochdeutschung<br />

eines schwäbischen Flurnamens! Krs.<br />

Familie Wesner. Im Jahre 1686 heiratete Matheis Faigles<br />

Tochter von Ringingen, namens Maria, nach Stetten u. Holstein,<br />

und war den aus Gambs ir Schweizerland stammenden<br />

Michael Wesner. Er war 1680 eingewandert. Krs.<br />

Hermann des Lahmen (t 1054) und seines Bruders Manegolds<br />

von Altshausen Vorfahren hat Karl Schmid anhand<br />

von Hermanns Chronik und der Vita des hl. Ulrich von<br />

Augsburg festgestellt: Ihr Vater war Wolferad, die Mutter<br />

N., die Tochter eines Pilgnm und der Bertrada. Die Großeltern<br />

hießen wieder Wolferad und Bertha. Der Vater<br />

dieses Wolferad hieß M a n e g o 1 d und dessen Eltern<br />

P e i e r e und L i u t g a r d, die Schwester des hl. Bischofs<br />

Ulrich von Augsburg war. Deren Eltern hießen H u p o 1 d<br />

und Dietburg (v. Dillingen). P e i e r e war ein f r ä k i -<br />

scher Graf, der in den Verbrüderungsbüchern bedeutender<br />

Klöster vorkommt. (Karl Schmid, Kloster Hirsau und<br />

seine Stifter, 1959, Verl. Albert-Freiburg, S. 96 und Register).<br />

Die Grafen von Altshausen stammten somit, wie die meisten<br />

Geschlechter des schwäbischen Hochadels eigentlich aus dem<br />

fränkischen Gebiet. Krs.<br />

Die Verfasser tragen für den Inhalt ihrer Abhandlungen die Verantwortung.


<strong>Hohenzollertsehe</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

25 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 1.40 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 2 Gammertingen, April 1965 115. Jahrgang<br />

Am 6. Februar 1965 verstarb in Krauchenwies<br />

Seine Königliche Hoheit Friedrich Fürst von Hohenzollern.<br />

Der Hohenzollerische Qesdiichtsverein verlor mit ihm seinen hohen Protektor, der die Bestrebungen<br />

der landeskundlichen Forschung in Hohenzollern mit wachem Interesse verfolgte<br />

und die „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>" stets wirksam unterstützte.<br />

Sein Andenken wird dankbar In Ehren gehalten werden.<br />

Oberstaatsarchivrat Dr. Gönner schreibt in seiner Arbeit<br />

zur Landeskunde Hohenzollerns „Die Revolution von 1848/49"<br />

von einer großen „Trillfinger Versammlung" am 24. Sept.<br />

1848. Bewaffnete Bürgerwehren wären aus den Nachbardörfern<br />

mit Musik erschienen. Ueberhaupt wäre das Dorf<br />

Trillfingen Mittelpunkt der revolutionären Bewegung von<br />

1848 gewesen.<br />

de Nachforschungen darüber am Ort haben nun ergeben,<br />

daß die Quellenangaben von Dr. Gönner auch anhand der<br />

Gemeinderechnungen belegt werden können.<br />

Wohl ist die Angabe, daß über 5000 Besucher an der Versammlung<br />

teilgenommen haben sollten, leicht übertrieben.<br />

Der Ortskundige kann sich nicht vorstellen, wo sich im oder<br />

ums Dorf soviele Menschen versammelt haben sollten, daß<br />

man sie versammlungsmäßig noch hätte ansprechen können.<br />

Es wäre zwar denkbar, daß die Versammlung auf dem jetzt<br />

als Neusiedlung bebauten „Lehrenacker" bei der Kapelle<br />

stattgefunden hätte, ein großes Gelände, das am 24. Sept.<br />

abgeerntet war. Aber das ganze Gelände gehörte zu einer<br />

fürstlichen Domäne, und ob der Domänepächter eine Versammlung<br />

der Revolution darauf duldete, ist doch fraglich.<br />

\ls Führer am Ort ist der junge Provisor Bürkle anzusehen.<br />

Er war vermutlich ein Sigmaringer, Sohn des dortigen Advokaten<br />

Bürkle von Trillfingen und kam später nach Empfingen.<br />

Sein einziger Sohn ist im ersten Weltkrieg als aktiver<br />

Stabsarzt gefallen. Das Einkommen des Provisors war gering,<br />

so daß die Unzufriedenheit schon einen Grund hatte.<br />

Der ältere Lehrer, Isidor Bürkle, bezog von der Gemeinde<br />

ein Jahresgehalt von 117 Gulden, dazu aus der Mesnerei<br />

etwa 33 Gulden, so daß er jährlich 150 Gulden verdiente, was<br />

an Geldwert dem Lohn von 375 Arbeitstagen eines Maurers<br />

entsprochen hat (24 Kreuzer). Daß Lehrer Isidor Bürkle ein<br />

Republikaner gewesen sein könnte, ist nicht anzunehmen. Er<br />

war ein fleißiger, frommer Mann, dessen einziger überlebender<br />

Sohn Ordensgeistlicher wurde.<br />

Die rote Faune in Trillfingen<br />

Die Revolution 1848 in Trillfingen<br />

von Josef Schäfer<br />

Dr. Gönner berichtet von einer roten Fahne, die bei den<br />

Beratungen geschwungen wurde. Nach der Gemeinderechnung<br />

von Trillfingen aus den Revolutionsjahren bezahlte Bürgermeister<br />

Bürkle am 29. 1. 1848 dem Schneider Kid von Trillfirgen<br />

für eine „große Fahne" 24 Kreuzer und für drei kleine<br />

Fähnchen 45 Kreuzer, sowie für eine andere große Fahne 1<br />

Gulden 21 Kreuzer. Der Schreiner Xaver Stelzer lieferte am<br />

8. 2. 1848 zwei Spießstangen für 24 Kreuzer. Anton Henle,<br />

Schuster, lieferte zwei Stangen mit Spieß und erhielt für<br />

den Anstrich 20 Kreuzer. Für den Anstrich der alten Stangen<br />

ert" Jlt er 6 Kreuzer, Noch am 25. 11. 1848 wurde für 1<br />

Gülden 12 Kreuzer eine neue Lanze und für 15 Kreuzer eine<br />

neue Schlagfeder beschafft. Diese Handlanzen konnten bei<br />

Dr. Stemmler, Vorsitzender<br />

der späteren Revolution leicht versteckt werden und erschienen<br />

noch um die Jahrhundertwende auf den Rathäusern<br />

als wehmütige Erinnerung an die Bürgerzeit als „Saufedern"<br />

wieder. Auch Wunibald Stelzer, Schreiner, hatte am 9. 10.<br />

1848 für 24 Kreuzer zwei Spießstangen geliefert.<br />

Die Bürgerwehr von Trillfingen<br />

Am 6. 3. 1848 hatte Fürst Karl die vom Volk se't l r Jahren<br />

geforderte Volksbewaffnung versprochen und die Durchführung<br />

am 28. 3. 1848 angeordnet. In der Ständeversammlung<br />

in Sigmaringen hielt der Abgeordnete Stelzer eine Lobrede<br />

auf die Bürgerwehr (Dr. Gönner, S. 122). Stelzer war<br />

Obervogt in Trochtelflngen und stammte aus einer konservativen<br />

Familie von Trillfingen.<br />

Wann in Trillfingen die Bürgerwehr gegründet wurde, läßt<br />

sich nicht mehr ermitteln. Streitigkeiten „Wer soll das bezahlen",<br />

sind in den hiesigen Akten nicht nachzuweisen.<br />

Auch die Begeisterung hat in Trillfingen sicher bis in die<br />

„preußische Zeit" hinein angehalten.<br />

Als der Franzosenlärm am 23. und 24. März 1848 das Land<br />

erschütterte, war nicht nur die Bürgerwehr, sondern die<br />

ganze ledige Mannschaft „ausmarschiert". 77 Männer und<br />

Jungmänner waren, mit wenigen Handwaffen und Wehrmannssensen<br />

bewaffnet, über Mühringen bis r -„eh. Horb gezogen<br />

und von dort wieder umgekehrt, um auf dem Heimweg<br />

beim Badwirt Hillebrand ordentlich zu zechen. Hillebrand<br />

forderte für jeden Wehrmann 24 Kreuzer, „'isammen<br />

25 Gulden 52 Kreuzer. Die Rechnung wurde allerdings erst<br />

am 6. März 1849 bezahlt.<br />

Am andern Tage schon, am 25. März 1848, rückte eine<br />

kleinere Wehrmannschaft nach Sulz aus, um von dort über<br />

Empfingen den Rückweg anzutreten, In Empfingen w irden<br />

38 Maß Braunbier getrunken, wofür die Gemeinde 5 Gulden<br />

4 Kreuzer ausgeben mußte (1 Maß 8 Kreuzer = 4 Stundenlöhne).<br />

Dominikus Schmid und seine „10 Mitkollegen" kehrten<br />

vom Sturmlaufen nach Horb am 26. März 1848 beim<br />

Beckenwirt Dionys Haid in Imnau ein und verzehrten für<br />

1 Gulden 36 Kreuzer „Speis und Trank". Nur Albrecht Henle<br />

und Gabriel Bürkle waren „vom Ausrücken gegen die Franzosen<br />

am 24. März ohne jesondere Zöhrung in Haigerloch<br />

und Imnau nach Haus gegangen" und erhielten von der Gemeindekasse<br />

gleichwohl jeder 2< Kreuzer,<br />

Am 13. 4. 1848 machte Augustin Stelzer nach Haigerloch<br />

in der Nacht „einen Gang bei der Revolution" und erhielt<br />

dafür 30 Kreuzer.<br />

Schon am 25 . 3. 1848 waren die Rekruten nach Sigmaringen<br />

einberufen worden und erhielten von der Gemeinde jeder 11<br />

Gulden Handgeld. Es waren dies: Gabrie 1 Bürkle, Josef<br />

Rapp, Bernhard Stehle, Albert Hähnle, Wendel Keßler, Johann<br />

Heim und Gabriel Rapp.


II5 HOHÜNZOLLERISC1IE BEIHAT Jahrgang 1.965<br />

Am 9. April 1848 reisen Josef Keßler, Bürgermeister<br />

Hähnle und Georg Bürkle im Auftrag der Gemeinde nach<br />

Gammertingen zur Bestimmung eines Abgeordneten zum<br />

Parlament, Zehrung 5 Gulden, Tagegeld 2 Gulden.<br />

Die Gemeinde betreibt auch die Bewaffnung der Bürgerwehr.<br />

Am 8. Februar 1848 erhält Xaver Sauter für den<br />

„Transport der Gewehre von Rottweil nach Trillflngen" 3<br />

Gulden 19 Kreuzer. Am 22. September 1848 liefert das Oberamt<br />

noch für 22 Gulden Trommeln und am 17. August 1848<br />

reisen Josef Guide und Georg Bürkle „in Sachen Bürgerbewaffnung"<br />

nach Sigmaringen, Tagegeld 6 Gulden. Felix<br />

Burkart liefert 2 Stück „Exerzierregelement für das Bürgermilitär"<br />

für 1 Gulden 16 Kreuzer. Erst ein Jahr später, am<br />

14. August 1849, wird die Bürgerwehr auf die Reichsverfassung<br />

„beeidigt" und erhält dafür 2 Gulden 27 Kreuzer<br />

Zehrgeld.<br />

Nachdem die Revolution gegen Ende des Jahres 1848 zusammengebrochen<br />

war, mußten die Gewehre nach Sigmaringen<br />

abgeliefert werden. Der Fuhrmann Xaver Schreiner von<br />

Empfingen erhielt den Auftrag, seiner Fuhre vom Wehrsteiner<br />

Amt die Gewehre von Trillflngen beizuladen und erhielt<br />

für den Transport von 10 Gewehren und 4 Patronentaschen<br />

am 20. Dezember 1848 aus der Gemeindekasse 2<br />

Gulden. Fridolin Hähnle, Bürgermeister, Adam Beiter und<br />

Adam Stelzer waren am 14. Dezember 1848 schon beim Amt<br />

„wegen der Gewehre, die man haben soll", vorstellig geworden.<br />

Auch zum Amt ging am 12. November 1848 eine<br />

Deputation „wegen Militär". Der Bürgermeister führte am<br />

2. Dezember 1848 insgeheim Verhandlungen mit einem Gewehrhändler<br />

in Oberndorf am Neckar.<br />

Nachdem die Bürgerwehr ihre Waffen abgeliefert, also<br />

„abgerüstet" hatte, wurde im Jahre 1849 ihre Bewaffnung<br />

erneut durchgeführt. Am 30. 4. 1849 fährt Xaver Sauter im<br />

Auftrag der Gemeinde nach Rottweil, „hat die Gewehre hierher<br />

geführet", Fracht 2 fl. Bürgermeister ist jetzt Georg Bürkle.<br />

Schlossermeister Wilhelm Stehle reist vom 9. 5.—17. 5. 1849<br />

im Auftrag der Gemeinde in die Schweiz, um Musketen zu<br />

kaufen; er erhält für 9 Tage je 40 Kreuzer, zusammen 6<br />

Gulden Tagegeld und bringt für 14 Gulden 14 Musketen mit.<br />

Außerdem liefert er der Bürgerwehr noch 7 Wehrmannssensen<br />

je 20 Kreuzer, zusammen 2 Gulden 20 Kreuzer, dazu<br />

eine kleine Trommel für 8 Kreuzer.<br />

Beim Ausmarsch des Sigmaringer Kontingents nach Baden<br />

waren eingerückt: Thomas Keßler, Paul Beck, Fridol. Hähnle<br />

und Stefan Waibel. Jeder Soldat erhielt von der Gemeinde<br />

4 Gulden Handgeld. Ihre Namen wurden außerdem mit den<br />

Namen der Ausmarschierten der Kriege 1864, 1866 und 1870/71<br />

auf dem Ehrenmal vor der Pfarrkirche für die Nachwelt festgehalten.<br />

Die Bürgerwehr war sicher der Stolz der Gemeinde, denn<br />

sie beteiligte sich ganz offiziell am Fronleichnamstag auch<br />

bei der Prozession.<br />

Die Bürgerwehr erhielt am 30. 6. 1848 wegen „Mitwirkung<br />

bei der Prozession am Fronleichnamstag" beim Bußwirt Felix<br />

Burkhart<br />

84 Maß Braunbier ä 8 Kr = 11 fl 12 Kr<br />

27 Würste ä 3 Kr = 1 fl 21 Kr<br />

35 Behten ä 4 Kr = 2 fl 20 Kr<br />

zusammen 14 fl 53 Kr<br />

Daran zahlte der Pfarrer 7 fl (Gulden)<br />

der Bürgermeister 1 fl<br />

die Gemeinderäte 1 fl 36 Kr<br />

die Gemeindekasse 5 fl 17 Kr<br />

Bei Wilhelm Sauter, Bräumeister, Hirschwirt, verbrauchte<br />

das Bürgermilitär am 22. 6. 1848<br />

Braunbier 78 Maß = 10 fl 8 Kr<br />

Würste 24 Stück = 1 fl 12 Kr<br />

Brot 24 Batzen = 1 fl 36 Kr<br />

zusammen 12 fl 56 Kr<br />

Die historische Bürgerfahne<br />

Die Bürgerwehr von Trillflngen hatte auch eine eigene<br />

Fahne, die durch einen Zufall aufgefunden wurde. Nachdem<br />

nach der Trillfinger Versammlung (24. September 1848) die<br />

Revolution des Jahres 1848 zunächst zusammengebrochen<br />

war, hat der Fähnrich die Fahne säuberlich in einen Karton<br />

verpackt und diesen hinter einen Dachsparren der Rathausbühne<br />

versteckt, wo sie später mit Akten zusammen verwahrt<br />

worden ist. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Provisor<br />

Bürkle, selbst aktiv an der Revolution beteiligt und, Bewohner<br />

des unteren Rathauszimmers, die Fahne „versorgt"<br />

hat, dann versetzt worden ist und später nie mehr Gelegenheit<br />

gehabt hat, den kostbaren Schatz hervorzuholen. Nachdem<br />

wir „kgl. Preußen" geworden waren, standen die Revoluzzer<br />

von 1848 doch in ständiger Gefahr.<br />

Der Bürgersinn und die Rechte eines freien Bürgers sind<br />

in Trillflngen auch heute noch bewußt erhalten, weshalb die<br />

heutigen Gemeindeväter diese Bürgerfahne als ein Symbol<br />

des Kampfes ihrer Urgroßväter um die Bürgerrechte mit<br />

einigen geldlichen Opfern haben erneuern lassen. Die Bürwe-fahne<br />

ist heute der Stolz der <strong>Heimat</strong>freunde und das<br />

Schmuckstück der Gemeinde und wird einmal einen Ratssaal<br />

oder ein Gemeindemuseum zieren.<br />

Das Fahr entucn ist schwarz-rot-golden. Die eine Seite<br />

ist ausgestickt mit „Bürgerwehr Trillflngen 1848", die andere<br />

Seite trägt den Doppeladler mit dem Spruch. Die Eichenlaubverzierung<br />

hat in den Ecken, in Gold und Silber gestickt,<br />

den Hohenzollernschild (geviert) und den Schild von<br />

Haigerloch-Hohenberg. Die Umrandung ist mit gedrehten<br />

Gold- und Silberfäden in den Bundesfarben noch besonders<br />

verziert. Auch die beiden über das Fahnentuch hängenden<br />

Quasten tragen die Bundesfarben. Die Fahne hing in Ringen<br />

an einem Schaft (Stange) mit einer Fahnenspitze.<br />

Die Bürgel wehrfahne von Trillflngen ist in den Hohenzollerischen<br />

Landen wohl noch die einzige, erhaltene Fahne<br />

ihrer Art, ein Prachtstück kunstgewerblicher Arbeit. Und<br />

wenn nicht alles täuscht, dann trifft auch die heute noch im<br />

Dorf verbreitete Ueberlieferung zu. Die damalige „Stricklehrerin"<br />

Regina Henle, eine Tochter „der Witwe des Jakob<br />

Henle", habe die Fahne gestickt. Eine Entschädigung dafür ist<br />

in der Gemeinderechnung nicht ausgewiesen. Schneider Kid<br />

erhielt „für eine Fahne schneidern mit Tuch" 1 Gulden 21<br />

Kreuzer (27. Januar 1848).<br />

Der Heraldiker unseres Landes, Oberarchivrat Dr. Gönner,<br />

schreibt, daß aus dem Lande ähnliche Fahnen im Original<br />

nicht bekannt sind.<br />

Die Einquartierung<br />

Dr. Gönner schreibt (S. 137), die Begeisterung der Trillfinger<br />

Versammlung habe schnell in Kleinmut umgeschlagen.<br />

Die Angst vor einer militärischen Besetzung habe diesen<br />

raschen Stimmungswechsel veranlaßt. Diese Vermutung trifft<br />

sicher zu, denn die Einquartierung kostete viel Geld, abgesehen<br />

von der Not, im Dorf etwa eine Kompagnie Soldaten<br />

unterzubringen. (1848 = 150 Wohnhäuser mit 800 Einwohnern.)<br />

Die Einquartierung für nur eine Woche (vom 14. bis<br />

22. August 1849, 10. Komp. des 2. Rheinischen Inf. Rgts.) ko-


Jahrgang 1965 I]01IB!F20IILEEISCEE HEIMAT 19<br />

stete die Gemeinde rund 625 Gulden. Für die Zeit vom 23. 8.<br />

1849 bis 7. 9. 1849 wurden berechnet: 2 Verpflegungsrationen<br />

zu 20 Silbergroschen, 4 Rationen zu 15 Silbergroschen und 436<br />

Rationen für die Mannschaften, zusammen Ausgaben: 436<br />

Gulden 52 Kreuzer.<br />

Als die erste Besatzung am 22. 8. 1849 abzog, mußte Bürgermeister<br />

Bürkle „die Preußen nach Dettingen ausfolgen,<br />

weil der Herr Hauptmann einen Reiter verlangt hatte", er<br />

erhielt dafür 1 Gulden 30 Kreuzer.<br />

Die Revolution 1848<br />

in der Gemeindeverwaltung<br />

Auch in der Gemeindeverwaltung fand die Revolution<br />

ihren Niederschlag.<br />

Bürgermeister Stehle, der Straßenbauer des Jahres 1847,<br />

wurde schon „im Vorfeldgefecht" 1847 nicht mehr gewählt.<br />

An seine Stelle tritt der Ratsschreiber Fridolin Hähnle. Die<br />

Begeisterung bei seiner Wahl muß groß gewesen sein, denn<br />

in der Gemeinderechnung erscheinen 9 Gulden 24 Kreuzer<br />

Wahlkosten. Als Mann der Revolution muß er aber im Jan.<br />

1849, nach 18monatiger Amtszeit, zurücktreten. Für ihn zieht<br />

am 25. Januar 1849 Georg Bürkle als Bürgermeister auf. In<br />

der Verwaltung kommt er aber offensichtlich ohne seinen<br />

Vorgänger nicht aus. Zahlreiche Belege und Unterlagen und<br />

Schriftsätze aus dieser Zeit stammen von „Altbürgermeister"<br />

Hähnle. Am 9. Februar 1850 tritt Georg Bürkle schon als<br />

„Altbürgermeister" auf, so daß auch seine Amtszeit nur ein<br />

knappes Jahr betragen hat. Sein Nachfolger im Amt ist Josef<br />

Keßler, der mit zwei Gemeinderäten an der Erbhuldigung<br />

teilgenommen hat.<br />

Auch auf schriftlichem Wege, manchmal etwas „agressiv",<br />

Technik, Maschinen und Industrie bringen in unseren Tagen<br />

im Eiltempo einen Wandel ins Leber, der Menschen<br />

in Stadt und Land, wie er wohl noch niemals in der Geschichte<br />

stattgefunden hat. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts<br />

gab es in unseren Dörfern außer der Kirche und<br />

den Kapellen eigentlich nur Bauernhäuser, die aus<br />

„Ghäusget", Stall und Scheuer bestanden. Auch die Kleinbauern<br />

oder Taglöhner und Handwerker, bis ins 16. Jahrhundert<br />

und noch länger da und dort „Seidner" (von Seide =<br />

kleines Gütlein) genannt, besaßen mindestens eine Kuh oder<br />

einige Geißen und daher auch ein Ställchen. Dasselbe war<br />

gelegentlich auch bei Einzeistehenden und Altledigen der<br />

Fall, soweit sie ein eigenes Häuslein besaßen und nicht bei<br />

Angehörigen wohnten. Im 18. Jahrhundert fällt bei uns in<br />

Ringingen auf, daß viele Häuser von 2—3 Familien besetzt<br />

waren, offenbar weil bei der Ueberbevölkerung sich die<br />

Menschen selten zur Auswanderung entschließen konnten,<br />

wie eine größere 1784 überliefert ist.<br />

1.) Auch der Pfarrer und Lehrer, den man damals Schulmeister<br />

nannte, waren „Bauern", Ersterer hatte seine Knechte<br />

und Mägde zum Umtreiben des Pfarrgutes. Von einem dieser<br />

Seelsorger berichtet die Geschichte, daß er um 1725 einmal<br />

seinem Knecht den Pflug aus der Hand nahm und eigenhändig<br />

die Grenzfurchen seines Ackers auf Gallenbühl weiter<br />

hinauszog, als es dieser gewagt hätte. Ein stattlicher<br />

Viehstand wurde im Pfarrhof unterhalten, und selbst die<br />

Hägen und der Eber der Gemeinde standen vielfach im<br />

Pfarrer-Stall, in Ringingen bis um 1690. Die Schulmeister<br />

waren ohnehin bis 1780 Handwerker oder Kleinbauern vom<br />

Ort. Erst 1792 baute die Gemeinde ein Schulhaus (am Platz<br />

Von Ringinger Häusern und Leuten<br />

gä&nj<br />

/<br />

UC f^ffif»<br />

3S1 JE BP:<br />

1 Kirche und Pfarrhof in Ringingen um 1780<br />

(nach einer alten Zeichnung).<br />

versucht man von Trillfingen aus etwas zu erreichen. Deputationen<br />

und Petitionen gehen immer wieder nach Sigmaringen<br />

und ans Amt. Am 17. Juni 1848 wird eine Deputation<br />

beim Rentamt vorstellig wegen des Brachzehnten. Am 4.<br />

Juli 1848 unterzeichnet der Gemeinderat eine Petition an<br />

die Abgeordneten. Am gleichen Tage fertigt Hähnle eine<br />

Bittschrift an den Fürsten wegen der in der Gemeinde verhängten<br />

15 Gulden Forststrafen. Am 20. Juli 1848 werden<br />

Josef Keßler, Georg Bürkle und Adam Beuter vorstellig wegen<br />

„Zehntbezug". Am 16. August 1848 fertigt Provisor<br />

Bürkle eine Petition an den außerordentlichen Landtag in<br />

Sigmaringen wegen der Domänenverhältnisse des Landes<br />

und erhält dafür von der Gemeindekasse 2 Gulden. Wegen<br />

der Wahl der Abgeordneten zum Bundestag nach Frankfurt,<br />

am 23. September 1848, erhalten Bürgermeister Hähnle einen<br />

Gulden, Gemeinderat Josef Keßler und Obmann Dominikus<br />

Stelzer und Protokollführer Konstantin Stehle, jeder 48 Kr.<br />

Das rote Halstuch, das die Revoluzzer gerne trugen, verschwindet<br />

wieder. Es war eben ein Zeichen der Freiheit. Es<br />

ist die Zeit, in der für einen Mutwilligen (Halbstarken) der<br />

Name „Hecker" aufkommt. Noch heute ist im Wöhrsteiner<br />

Aemtchen der Name als Schimpfname nicht ausgestorben.<br />

Und es gab dort noch vor dem Weltkrieg einen „Heckerlisbeck",<br />

weil einer seiner Vorfahren ein Anhänger Heckers<br />

gewesen war und dann nach Amerika fliehen mußte. Er hat<br />

die <strong>Heimat</strong> nie mehr gesehen. Auch der Dichterarzt Egenter<br />

ist als Revoluzzer in einem Asyl arm und unbekannt gestorben,<br />

ohne daß seine Verwandten sich um ihn gekümmert<br />

hätten. Die Träger der Revolution von 1848 haben also allerorten<br />

den Kampf um die Freiheit und um die Bürgerrechte<br />

hart bezahlen müssen.<br />

des jetzigen Rathauses), in dem dann 1854 ein kleines Ratszimmer<br />

eingerichtet wurde. Vorher erledigte der Schultheiß<br />

seine Amtsgeschäfte zu Hause, und die Urkunden waren in<br />

der Heiligenlade verwahrt. Die Gemeinde pflegte der Vorsteher<br />

nach dem Sonntagsgottesdienst in der Kirche selber<br />

zu sich zur Versammlung einzuladen, wenn diese nicht wie<br />

bis um 1730 im Freien auf dem Dorfplatz „Kreben" stattfinden<br />

konnte. Aus Kettenacker wird 1661 berichtet, daß die<br />

ledernen Feuerkübel für Brandfälle in der Kirche aufbewahrt<br />

wurden.<br />

Merkwürdigerweise hatte man im alten Schulhaus zu<br />

Ringingen anfangs die Schulstube unmittelbar über dem Hagenstall<br />

angelegt. Gesundheitliche Skrupulanten waren offenbar<br />

damals selten!<br />

2.) Der Pfarrer hat hier um 1800 den landwirtschaftlichen<br />

Eigenbetrieb eingestellt und seine Grundstücke verpachtet<br />

wie noch heute, allerdings noch lange nur gegen Naturallieferungen.<br />

Unser Bildchen (1) zeigt die frühere Kirche und<br />

das alte Pfarrhaus (das Dach ist nicht steil genug geraten!)<br />

mit Scheuer, an der auch der Stall sich befand. Das Haus<br />

wurde 1589 erbaut, wovon noch heute die Rechnungen im<br />

Pfarramt zeugen. Das mit Ziegeln gedeckte Pfarrhaus war<br />

1865 53 württembg. Fuß (zu je 28,6 cm, also 15,15 m) lang,<br />

39 Fuß oder 11,15 m breit. Die Mauern aus kleinen Bruchsteinen<br />

waren je 50 cm stark, der obere Teil der Giebel aus<br />

Fachwerk, hing aber beiderseits bedenklich nach außen.<br />

Das Gebälk war vielfach morsch. Scheuer mit Stall völlig<br />

aus Fachwerk und nur mit Stroh gedeckt, hatten eine Länge<br />

von 89 Fuß (= 25,45 m), Breite von 34 Fuß (= 9,65 m). Beide<br />

Bauten sind 1868 und 1869 als baufällig abgerissen worden,<br />

indem die Angabe der Zehntablösung 1861, man habe es mit<br />

gesunden Gebäuden zu tun, sich als Irrtum (wenn nicht zu<br />

sagen: Schwindel) erwiesen hatte. Mit dem Bauschutt füllte<br />

man teils c e Weedlache im Kreben aus, teils legte man<br />

damit nördlich des Lustgartens einen erhöhten Beerengarten<br />

an. Das alte Wohnhaus stand so v o r dem heutigen Pfarrhaus,<br />

daß man die Treppe zu diesem erst nach Wegräumen<br />

des Altbaues anbringen konnte. Unser Bildchen zeigt auch<br />

noch die alte Friedhofmauer mit Tor und in der Mitte das<br />

ehem. Beinhäusle, in dem man die beim Ausgraben im<br />

Kirchhof zutage kommenden Gebeine unterzubringen pflegte.<br />

Der Chor der alten Kirche, 1707 bis 1905, war schmäler<br />

als das Schiff und darum seine Mauern bis zum Dach hinauf<br />

etwas höher, trugen auch über dem Hochaltar ein Rundfenster<br />

und je eines über dem Fenster der beiden abgeschrägten<br />

Chorwände. Der Chor hatte somit einen Dreiachtelsciiluß.<br />

D Kirche soll nach kaum glaubhafter Angabe<br />

des Hechinger Baumeisters Kapitzke vom 24. Juni 1865 über<br />

der jetzigen Empore noch eine kleinere mit der Orgel gehabt<br />

haben, auf der außer dem Kirchenchor noch etwa 20<br />

Personen Platz gefunden hätten. Dies scheint jedoch eine<br />

Verwechslung mit - ner Nachbargemeinde darzustellen. Denn<br />

der Platz auf der Empore kann höhenmäßig schwerlich noch<br />

eme zweite zugelassen haben. Da nach anderer Mitteilung<br />

vielmehr der Kirchenchor im Blickfeld der auf der Empore


:(20 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

untergebrachten Ledigen stand, verdient eine mündliche<br />

Ueberlieferung mehr Glauben: Die Orgelempore sei damals<br />

an der Südwand der Kirche ein Stück vorgelaufen.<br />

Ein Bild der Kirche von Norden her ist auf dem Dekkenbild<br />

der Kapelle von 1763 von Franz Ferdinand Dent<br />

noch zu sehen, samt Pfarrhof und Beinhaus. Als man 1841<br />

den Gottesacker zur Kapelle Unserer Lieben Frau verlegte,<br />

ist im Lauf von 10 Jahren die alte Mauer um die Kirche<br />

zerfallen. 1852 wurde durch eine herabstürzende „Dachplatte"<br />

ein Knabe am Kopf verwundet. Die Polizei zu Hausen<br />

i. K. erstattete Anzeige. Die Gemeinde erklärte sich zu<br />

Hand- und Spannfron zur Wiederherstellung bereit. Im<br />

Oktober hatte dann die fürstl. Verwaltung als Zehntherr<br />

einen Teil reparieren lassen, die Gemeinde aber ihren Teil<br />

noch nicht, worauf erneut Anzeige des Gendarmen erfolgte<br />

(Dekanatsakten). Wohl nicht viele Jahre danach hat man<br />

die Mauer ganz abgerissen und einige Reihen von Tännchen<br />

gesetzt mit Obstbäumen dazwischen, die aber um 1918 wieder<br />

wegkamen. Der heutige Lattenzaun und die Stützmauer<br />

sind inzwischen ebenfalls überholungsbedürftig geworden<br />

und bilden keine Zierde des Dorfes mehr.<br />

3.) Während das Pfarrhaus seit dem 16. Jahrhundert wie<br />

auch die Kirche mit Ziegeln gedeckt waren, trugen die gewöhnlichen<br />

Bauernhäuser in Ringingen noch 1867 (nach dem<br />

Zeugnis der Schulchronik von Jakob Barth) zum größten<br />

Teil noch Strohdächer. Diese waren im Sommer kühl<br />

und hielten im Winter sehr warm. Die Brandgefahr wird<br />

seitens der Versicherung stark übertrieben. Tatsächlich brannten<br />

im Schwarzwald die Strohhäuser erst, als man eine<br />

Versicherung eingeführt hatte! Die Bauten waren einst wie<br />

im Schwarzwald nur einstöckig und die Dächer tief<br />

herabgezogen. Das letzte Strohdach dahier befand sich um<br />

1904 auf Viesels Haus (Bild 3) im Weißengäßle, aber bereits<br />

über einem Ziegeldach. Dadurch hatti; das Strohgelege, das<br />

sonst an den Latten festgemacht war, keinen Halt und eines<br />

schönen Tages rutschte die ganze Herrlichkeit ins „Kipfen<br />

Garten" hinunter.<br />

Wohl das altertümlichste Haus, das sich bis in unsere<br />

Tage herübergerettet hatte, war das um 1952 abgebrochene<br />

Peter-Paules-Haus Nr. 125 in der Enggasse (Bild 2). Die<br />

2) Peterpaules-Haus Nr. 125 (Enggasse) von ca. 1550—1952.<br />

heute noch rechts (östlich) davon stehende Scheuer mit<br />

Stallung trägt die Jahreszahl 1692. Das Wohnhaus selber<br />

dagegen wird nahe an das Jahr 1500 herangereicht haben,<br />

war also älter als das vorige Pfarrhaus. Es hatte, wie eine Anzahl<br />

anderer alter Bauernhäuser, Giebelsteilung gegen<br />

die Gasse, während Scheuer und Stall getrennt<br />

davon im rechten Winkel dazu standen. Dies war auch bei<br />

den Häusern 43 in der gleichen Enggasse (s'Becken),48 am<br />

Bach (s'Välles), 61 oberhalb am Bach (s'Vinzes, mit der Jahrzahl<br />

1688 am Türsturz), 98 im Gäßle, auf das wir unten zurückkommen<br />

werden, 109 ob der Kirche (s'Lexes), 70 im<br />

Bach (s'Bachbauern) 68 im Bach (Schwarzwälders) und zum<br />

Teil auch früher Nr. 50 im Bach (Josef Hipp). Diese Anordnung<br />

der Gebäude scheint hier die ältere für die Bauerhöfe<br />

gewesen zu sein. Sie geht aber allmählich ab, wie<br />

man schon z. T. beobachten kann.<br />

4.) Das Haus 125 mit Scheuer 126 in der Enggasse (Bild 2)<br />

gehörte zu einem Ebinger St. Martinslehen, dessen Garten<br />

bis an die Rauße hinabreichte, bis um 1880 Johann Adam<br />

Hipp dorthin das Haus Nr. 53 an die untere Gasse baute.<br />

Zum Hof gehörten einst etwa 20 ha Felder, die im Jahre<br />

1524 ein Barthle Haug bebaute, 1540 Hans Kingott, später<br />

dessen gleichnamiger Sohn, um 1585 Georg D i e m e r von<br />

Meldungen und Anna Kingott. Im Jahre 1609 heiratete eine<br />

Tochter beider den Hans Kraus des Klaus von Stetten-<br />

Hörschwag, der Stammvater der heutigen Kraus<br />

dahier wurde. Schon 1614 war er unter Hinterlassung der<br />

Kinder Klaus und Hans und vermutlich Christina nicht<br />

mehr am Leben. Klaus (1610—55) übernahm den Hof und<br />

nach ihm sein Sohn Georg (1630—75), dessen Söhnlein Georg<br />

schon 1678 tot war, worauf der Hof auf Georg Dorn überging.<br />

1683 hatte ihn Hans Frey mit Anna d Gg., 1695 Balthas<br />

M a i c h 1 e und diese Anna Dorn, 1722 Josef Kraus<br />

d. Mich, und Frau Anna Maichle, 1727 Balthas N ad ler<br />

d. Seb. und diese Anna Maria Maichle, und seit 1736 Veronika<br />

Dorn d. Joh., 1749 Johann Dorn und diese Veronika<br />

Dorn, die 1761 Witwe mit 10 Kindern war. Augustin Nad-<br />

1 e r des obigen Balthas (1742—94) ehelichte 1767 die Theresia<br />

Kraus d. Mich. (1744—1825). Im Jahre 1799 folgte als Inhaber<br />

des Lehens Michael Nadler d. Aug. (1770—1844) mit<br />

Frau Kath. Dietz d. Melch. (1779—1864). Die Tochter Amalie<br />

Nadler d. Mich, heiratete 1830 den Peter-Paul Hipp<br />

d. Johann Adam (1803—64). Es folgte 1861 der Sohn \ id<br />

Mesner Josef Hipp mit Marianne Beck d. Raimund, die<br />

fünf Söhne hatten. Allein der Sohn Josef verzog ins Haus<br />

172 an Hälschloch. Für die „alte Arche" aber schlug um<br />

1952 die letzte Stunde. Wie man leicht meint, sind die alten<br />

Häuser nicht so bequem klein zu bekommen, da die Balken<br />

gut verzapft und verzahnt schon einige Mühe beim Abbruch<br />

machen. Das Haus hatte den Zugang von Osten, vom Stall<br />

her. Links neben dem Hausgang war die Stube, dahinter die<br />

Stubenkammer. Vom Gang geradeaus kam man in die<br />

Küche, an die das stille Oertchen angehängt war. Rechts im<br />

Gang führte eine Stiege in die oberen Kammern und die<br />

Bühne, eine Tüi aber rechts in eine weitere Kammer. Die<br />

Giebel waren bei den Strohdächern und auch hier gewöhnlich<br />

ziemlich steil.<br />

3) Viesels Haus Nr. (Weißengäßle) von ca. 1670—1939.<br />

5.) Oben wurde erwähnt, daß das Haus Nr. 98 (Bild 3) noch<br />

um 1904 ein Strohdach trug. Hier lag die mit dunklen Brettern<br />

an Wänden und Decke getäfer te Stube rechts<br />

vom Hausgang, der in die Küche führte, wo man noch um<br />

1914 ein offenes Kamin und darin die Schweineschinken<br />

zum Räuchen sehen konnte. Stubenkammer und Dachkammer<br />

fehlten nicht Ein eingebauter Eckschrank in der Stube,<br />

festgemachte Bänke, durch Latten verbundene Tischfüße<br />

und vor allem an den 2 Wänden um den Ofen schöne<br />

farbige Plättchen mit Blumen und Fantasiebäumen,<br />

auch der Jahrzahl 1788 und den Buchstaben W L bildeten<br />

die Ausstattung. Die Buchstaben dürften den Hafner bezeichnen,<br />

denn der Inhaber hieß damals (1788) Johann Bailer.<br />

Diese Ofenplättchen wurden erfreulicherweise auch in<br />

den Neubau übernommen. Bei uns sind sie selten, im württembergischen<br />

Schwarzwald waren sie häufig anzutreffen.<br />

Erst kürzlich hat man in Calw die <strong>Heimat</strong>stube mit einer<br />

reichlichen Auswahl solcher Plättchen geziert.<br />

Links am Hausgang führte eine Stiege in den Dachraum<br />

und eine Türe in den Stall, der nach Süden mit einem Fut-


Jahrgang 1965 COMMZOLLEIHSCIIII II II T M A T<br />

tergang abgeschlossen war. Zwischen, diesem und der quer<br />

gestellten Scheuer Nr. 99 (mit einem längst verlassenen weiteren<br />

„Ghäusget" im Westen) stand der Göpel, der durch<br />

die rings herumlaufenden Ochsen getrieben, die Dresmaschine<br />

in der Scheune in Gang setzte. Die Obstgärten hinter<br />

dem Wohnhaus und der Scheuer, schon im 16. Jahrhundert<br />

erwähnt, gehörten damals zusammen und dazu auch der<br />

Platz des Hauses 100, das um 1720 entstand. Im Jahre 1392<br />

wohnte hier am Platz 98 ein Heinz Weiß, von dem das<br />

Gäßle den Namen Weißengäßle erhielt. Der Inhaber war<br />

Lehenmann des Heinrich von Killer genannt Affenschmalz,<br />

und nach 1534 Fürstenbergs. Die lückenlose Reihe der Besitzer<br />

ist seit 1524 bekannt, und wie bei allen andern im<br />

Häuserbuch des Rathauses niedergelegt. Im Jahre<br />

1656 war es ein Kaspar Kipf (daher der „Kipfengarten), 1686<br />

ein Hans Kaspar Hipp von Salmendingen. Im Jahre 1855<br />

kaufte Isidor Viesel des Melch. (1820—90) das Haus und heiratete<br />

1860 mit Marianne Hipp des Peter-Paul von Haus 125.<br />

Während 2 Söhne dem Lehrerberuf im Badischen dienten<br />

und 1947 starben, übernahm der ältere Sohn Melchior 1872<br />

mit Frau Sophie geb. Dietrich von Hs. 81 die <strong>Heimat</strong>, die<br />

dann 1939 der dem Aehne nachgetaufte Sohn bekam und<br />

1939 einen Neubau der Scheuer und des „Ghäusget" aneinander<br />

erstellte. Die Entstehungszeit des alten Hauses dürfte vor<br />

1680 liegen.<br />

6.) Der oben erwähnte Hans Kraus des Hans (1611—68)<br />

heiratete um 1633 in den Bach ins Haus Nr. 66, von dem wir<br />

freilich nur eine neuere Aufnahme bringen konnten. Sicher<br />

war das Haus bis um 1900 auch nur einstöckig und ohne<br />

Garten, also das Haus eines Kleinbauern. Der Sohn Mattheis<br />

Kraus wurde Schuhmacher (1635—1715), heiratete<br />

1675 eine Anna Böhler des Jakob. Der Sohn beider namens<br />

M a 11 h e i s jun. mußte Taglöhner werden (1682—1741),<br />

diente in Trochtelfingen, wo er auch 1710 seine Frau Marursula<br />

Scherer holte. Dagegen gelang es einer Generation<br />

später 1743 dem Sohn Ferdinand (1710—88) die Erbtochter<br />

eines fürstenbergischen Lehens aus Haus 116 bei der Kirche<br />

zu heiraten. Seine Frau hieß Emerentia Stölzle. Das Haus 66<br />

im Bach ging 1749 kaufweise an den Hintersassen Paul Bihler<br />

über, von den. das Pfarrbuch Salmendingen schreibt, er<br />

habe die 1,2 Zentner schwere Glocke 1747 für den Kornbühl<br />

von Villingen hergetragen. Sein Lohn betrug 4 Gulden 34<br />

Kreuzer. Heutiger Hausherr ist Makkar Ott bzw. sein Sohn<br />

Karl mit Maria Kraus des Klemens (116).<br />

7.) Der Lehenhof Fürstenbergs bei der Kirche Nr. 116,<br />

den Ferdinand Kraus 1743 zu drei Vierteln heiratete, war<br />

nacheinander von mehreren Familien bebaut worden: 1530<br />

Kornau B e y r e r (Byrer), 1545 Johann Frey, 1578 Junghans<br />

Lang und Frau Anna Koler, 1617 Martin V o 1 m a r<br />

und Anna Büler; 1620 Hans Volmar, 1630 Kaspar Volk<br />

und Barbara Volmer, 1658 Mattheus Pf ist er (angeblich<br />

von Gruol) und Katharina Volk, 1698 jung Mattheis Pflster<br />

und Rosina Hipp bzw. Maria Rhein, 1715 Christian Stölzle<br />

und diese Maria Rhein. Deren Tochter war die erwähnte<br />

Emerentiana Stölzle, die Frau des Ferdinand Kraus (1718<br />

bis 1776). Es folgte beider Sohn Bartholomäus Kraus<br />

mit Frau Gertrud Steinheisler bzw. Juliana Heinzelmann,<br />

1825 der Enkel Synesius mit Frau Viktoria Mayer, 1851<br />

der Urenkel Klemens Kraus mit Brigitta Ott bzw. Elisabeth<br />

Kraus. Dieser Klemens hat 1871 Haus und Scheuer<br />

neu gebaut: unter einem Dach (Bild 4 links) mit Front nach<br />

Süden an der Schmitterain-Gasse. Vorher stand das Wohnhaus<br />

getrennt im Garten mit Blick zum Pfarrhaus, die<br />

Vorgeschichte<br />

Eine Burg zu Haigerloch wird im Jahre 1095 urkundlich<br />

erwähnt. Im 13. Jahrhundert wurden die beiden Städte in<br />

Haigerloch gegründet. So bekamen sie, durch die verfassungsgeschichtlichen<br />

Erscheinungen, die das Bild einer Stadt<br />

ergeben: Markt, Gericht, Befestigung und Gemeinde, die<br />

privilegierte Stellung einer Stadt. Von einer Bürgerwehr aus<br />

dieser Zeit ist uns nichts überliefert. Wir dürfen aber annehmen,<br />

daß damals in Haigerloch — wie in anderen benachbarten<br />

Städten — eine Bürgerwehr errichtet wurde, die<br />

sich, wie in späteren Jahren, wenn nötig, ad munitionem et<br />

robur civitatis zttr Verteidigung der Stadt, vor allem aus<br />

den Zünften rekrutierte.<br />

Schützengesellschaft:<br />

Zeichen bürgerlicher Wehrnaftigkeit waren viele Jahrhunderte<br />

hindurch die sogenannten Schützengesellschaften.<br />

Die Haigerlocher Stadtgarde<br />

von Karl Werner S t e i m<br />

4) Piarrhaus von 1868 mit Nr. 116 (links) und 107 (rechts).<br />

Scheuer am heutigen Platz. Der Hofraum war also ziemlich<br />

„winterig". Als Besitzer folgte 1886 der Sohn Synes (1856<br />

bis 1925) mit: Frau Katharina Dieter (1856—1902) des Josef<br />

Anton von Haus 38, dann 1920 Klemens Kraus (geb. 1890)<br />

mit Frau Rosina Dorn des Gabriel (geb. 1896), endlich 1954<br />

Gabriel Kraus mit Frau Agnes Pflster des Theod. (Hs. 7).<br />

8.) Auf dem letzten Bildchen Nr. 4 sieht man das neue<br />

Pfarrhaus, das unter Pfarrverweser Nerz 1868 von Baurat<br />

Laur-Sigmaringen unter Bauführer Kirn um 8000 fl geplant<br />

wurde, aber nur 7743 fl kostete, ohne daß freilich die<br />

Fronen der Bürger berechnet sind. Die Maurerarbeiten<br />

führte Otto Diebold von Gammertingen aus, die Zimmerarbeit<br />

Maier von hier. Das alte Haus ergab bei der Versteigerung<br />

einen Erlös von 320 fl. Rechts auf dem Bild sieht man<br />

mein Elternhaus Nr. 107. Der Großvater Klemens Kraus vom<br />

gegenüber liegenden Haus 116 hat es 1882 von der sog. Reiberkätter<br />

(Dietz) käuflich erworben. Nach einem Brand 1883<br />

wurde es in der jetzigen Form für meinen Vater Christian<br />

neu erbaut. Rechts dahinter stand das sog. „Krutzes-Haus"<br />

Nr. 108, dessen Scheuer ursprünglich zum Haus 109 (Lexes)<br />

gehörte und dann um 1730 um ein Wohnhaus gegen Norden<br />

erweitert wurde. Unsere Mutter kaufte 1920 diese „Baracke",<br />

wie sie zu sagen pflegte, und ließ sie abreißen, worauf mein<br />

Bruder Klemens die Hocheinfahrt zur Scheuer 1922 errichtete,<br />

wie er solche im Schwarzwald gesehen hatte. Der Platz<br />

zum Haus 107 war stark beengt gewesen. In alter Zeit hatten<br />

die Hausplätze von Nr. 103, 104, 105 und 107 und deren breite<br />

Hofraiten zusammen einen fürstenbergischen Lehenhof gebildet,<br />

der schon 1720 zweigeteilt war und später immer<br />

mehr zerfiel. Bei der Teilung unter arme Leute legten diese<br />

keinen Wert auf große Hausplätze, die nur viel Bodensteuer<br />

kosteten, sondern verzichten bei der Vermessung auf den<br />

breiten Hofraum vor den Häusern. So gehört dieser heute<br />

der Gemeinde.<br />

Eine gewisse aber nur zögernde Entwicklung in der<br />

Hausform läßt sich aus den Bildern unschwer feststellen. Ob<br />

dies auch in Zukunfa der Fall sein wird, ist bei dem Beispiel<br />

der Städte und der wachsenden Bedeutung der Industrie<br />

kaum anzunehmen. Noch ist jedoch kein „Bungalow" zu<br />

sehen, wohl aber reine Arbeiterhäuser, die es vor 10 Jahren<br />

noch nicht gab. J. Adam Kraus.<br />

Sie waren öffentlich rechtliche Verbände, hatten aber keinen<br />

Vereinscharakter, was die Landesherren auch nie zugelassen<br />

hätten. Die Schützengilde war also eine private Vereinigung,<br />

die 'aei Festlichkeiten und Uebungen der späteren Bürgerwehr<br />

vorarbeitete. In einer Urkunde des Jahres 1716 wird<br />

ausdrücklich betont, daß die Haigerlocher Schützengesellschaft<br />

schon lange die Erlaubnis des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

habe, auf Scheiben zu schießen. Die<br />

Gründung dieser Gilde läßt sich wohl nicht mehr genau<br />

feststellen. „Büchsenschützen" werden schon 1548 in Haigerioch<br />

erwähnt.<br />

Neugrün d u n gsversuche der Stadtgarde:<br />

In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts scheint die Haigerlocher<br />

Bürgerwehr kaum mehr öffentlich aufgetreten zu sein,<br />

obwohl sie jedenfalls dem Namen nach immer noch bestand.<br />

Erst am Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts


22 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

begann man sich in Haigerloch wieder um die 1 Stadtgarde<br />

zu kümmern. In den kommenden zwei Jahrzehnten richtete<br />

das fürstl. Oberamt Haigerloch mehrere Schreiben an die<br />

Regierung in Sigmaringen und bat um die Genehmigung<br />

einer Neugründung der Haigerlocher Stadtgarde. So bereits<br />

im Jahre 1839. Aber das Gesuch wurde abgelehnt. Die Regierung<br />

war der Meinung, daß in Haigerloch eine Bürgergarde<br />

nicht nötig sei.<br />

Welch starkes Gewicht man jedoch in Haigerloch auf eine<br />

Wiederbelebung der Stadtgarde legte, zeigen die vielen Gesuche,<br />

die in den folgenden Jahren an die Regierung gerichtet<br />

wurden. Der Zweck der Bürgergarde sollte sein: „Zur Verherrlichung<br />

des hl. Fronleichnamsfestes, und zur Verherrlichung<br />

der Geburts- und Namensfeier des Landesfürsten,<br />

wie auch auf Verlangen nur nöthigen Hilfe der Polizey beizutragen."<br />

Das Wichtigste aus den Statuten: Die „Capitulationszeit<br />

beträgt vier Jahre. Eintreten in die Bürgergarde<br />

kann jeder Haigerlocher Bürger, der noch keine „Kriminal -<br />

Untersunchung" oder Zuchthausstrafen erlitten hat. Jeder<br />

Gardist hat seinen Dienst unentgeltlich zu versehen.<br />

Später wurde der Bürgergarde noch anderer Nutzen zugeschrieben.<br />

So z. B. auch die niedere Klasse der Bürger<br />

solle Zutritt bekommen. Dann wolle man so die Trunksucht,<br />

Unsittlichkeit und dergl. bekämpfen. Doch alle Gesuche von<br />

Seiten der Haigerlocher wurden abgelehnt. Doch die wurden<br />

nicht müde, immer neue Begründungen zu finden, die für<br />

eine Neugründung der Stadtgarde sprachen.<br />

Es muß auch erwähnt werden, daß sich die Haigerlocher<br />

Gardisten praktisch wenig um die Verbote der Regierung<br />

kümmerten. Die Stadtgarde bestand schon während der Verhandlungen.<br />

Sie war auch bewaffnet und trat sogar öffentlich<br />

auf.<br />

Inzwischen gingen bei der fürstlichen Regierung in Sigmaringen<br />

außer dem Gesuch des Haigerlocher Oberamts noch<br />

mehrere Gesuche ein, eine Bürgergarde gründen zu dürfen.<br />

Diese Angelegenheit wurde nun vor die höchste Verwaltungsstelle<br />

Hohenzollerns gebracht. „Die Fürstlich Hohenzollernsche<br />

Geheime Conferenz". Diese faßte folgenden Beschluß<br />

:<br />

Wo bisher keine Garde bestand, ist die Errichtung einer<br />

Bürgergarde bis zum Erscheinen allgemeiner Vorschriften<br />

über Landwehr, nicht zu gewähren.<br />

In den Revolutionsjahren 1848/49<br />

Die Revolutionsjahre unterbrachen die Haigerlocher bei<br />

ihren Bemühungen um eine Neugiündung der Stadtgarde.<br />

Während dieser Zeit bestand die Garde nun eben ohne die<br />

erbetene Genehmigung. Die Geschichte des Fürstentums<br />

Hohenzollern-Sigmaringen kannte keine derartigen Kämpfe<br />

zwischen Untertanen und Landesherren, wie dies im benachbarten<br />

Fürstentum Hohenzollern-Hechingen der Fall gewesen<br />

war. Dies hatte verschiedene Gründe, würde aber hier<br />

zu weit führen.<br />

Merkwürdig war, daß die Hechinger Regierung keine Sympathie<br />

finden konnte, als sie die Bürgerwehr einführen<br />

wollte. Wie anders war es doch in Baden, wo die Einführung<br />

der Bürgerwehren stürmisch verlangt wurden. Aehnlich war<br />

es ja auch in Haigerloch. Eine interessante Begebenheit vom<br />

März 1848: Seitdem in Paris die Republik ausgerufen worden<br />

war, rechnete die Bevölkerung in Deutschland mit einem<br />

französischen Angriffskrieg. Als am 24. März 1848 das Gerücht<br />

nach Hohenzollern kam, daß sich ein großes französisches<br />

Heer nähere, herrschte in fast ganz Hohenzollern<br />

eine Panikstimmung. Viele Bürgerwehren wurden, soweit<br />

sie es noch nicht waren, bewaffnet. In Haigerloch schoß die<br />

Bürgerwehr am selben Tag abends vom Kirchberg über die<br />

Eyach zum Schloß, da sie annahm, dort befänden sich. Franzosen.<br />

Wie erstaunt aber waren sie, als sich herausstellte,<br />

daß es nur einige Kundschafter aus der Gegend von Hechingen<br />

waren, die ebenso der Meinung waren, der Feind sei<br />

ihnen gegenüber.<br />

Die Sigmaringer Bürgerwehr hatte im Nachmärz sehr an<br />

Bedeutung gewonnen. Die Begeisterung für das Exerzieren<br />

ließ jedoch vor allem bei den benachbarten Gemeinden bald<br />

nach. In Haigerloch wurde am 29. Oktober 1848 die von 167<br />

Frauei_ und 'ungfrauen der Stadt gestiftete Fahne der 3ürlergardt<br />

aufs feierlichste eingeweiht. (Diese Fahne wird<br />

bald in der Waffenkammer des fürstl. Museums in Sigmaringen<br />

zu sehen sein.)<br />

Die Hai crlocher Stadtgarde hatte auch eine türkische Musik.<br />

Im Jahre 1848 begünstigte der damalige Dekan Engst<br />

(später stellte er sich gegen die Stadtgarde), daß aus der<br />

St. Nicolai- und St. Anna-Pflege etwa 120 fl. für Instrumente<br />

der Stadtgarde ausgegeben wurden.<br />

Nach d e r R e v o 1 u t i o n<br />

Im März 1851 stellte die Bürgerwe-hr von Haigerloch die<br />

„Neu-Revidierten Statuten" auf. Danach war der Zweck der<br />

Bürgergarde: Einmal bei Festlichkeiten zur Erhöhung der<br />

Feier beizutragen; sodann die Polizei zu unterstützen. Eintreten<br />

konnte jeder unbescholtene Bürger. Die gesamte<br />

Garde bildete eine Kompanie unter einem Hauptmann, zwei<br />

Leutnants und einem Feldwebel. Die Garde hatte auch, wie<br />

schon erwähnt, eine türkische Musik. Der erste Hauptmann<br />

war Jakob Bürkle; Offiziere: Benjamin Back, Kaufmann<br />

Pfeiffer und Gerber Manz. Doch auch diesmal stieß die<br />

Haigerlocher Bürgerwehr bei der Regierung in Sigmaringen<br />

auf keine Gegenliebe.<br />

Auch im Jahre 1852 wechselten das Oberamt Haigerloch<br />

und die Königl. Regierung in Sigmaringen mehrere Schreiben<br />

die Neugründung der Stadtgarde betreffend. Aber alle<br />

Schreiben wurden abschlägig beantwortet. Im August richteten<br />

dann das Oberamt und die Stadtgarde Haigerloch gemeinsam<br />

ein umfangreiches Schreiben an die Regierung in<br />

Sigmaringen: Die Stadtgarde sei ein seit 150 Jahren bestehendes<br />

Institut (soweit damals bekannt) mit Genehmigung<br />

der fürstl. Regierung. Die Stadtgarde sei dem Wesen nach<br />

eine vielerorts bestehende Schützengilde. Ausdrücklich möchte<br />

siö betonen, daß sie den Namen „Stadtgarde" trage und nicht<br />

Bürgergarde". Wenn auch die sonst üblichen Schützenfeste<br />

allmählich ausgefallen seien, so habe das Institut der Stadtgarde<br />

dennoch ununterbrochen bestanden; sie sei immer im<br />

Besitz von Waffen gewesen und sei es auch heute noch.<br />

Die Haigerlocher Stadtgarde sei ein Institut sowohl des Vergnügens<br />

als auch des allenfalligen Ernstes, denn sie sei dem<br />

Oberamte Haigerloch Gehorsam zu leisten verpflichtet.<br />

Die Antwort der Regierung auf obiges Schreiben: „Das<br />

Oberamt hat darauf zu achten, daß die kirchliche Abhaltung<br />

von Feierlichkeiten, namentlich Prozessionen nach Anordnung<br />

der betreffenden Geistlichen erfolgen. Wenn aber hiervon<br />

Bittsteller zu einem Privatverein ohne öffentlichen Charakter<br />

zusammentreten wollen, so bleibt ihnen das unbenommen.<br />

Wenn sie aber zu öffentlichen Versammlungen<br />

namentlich bewaffnet zusammentreten wollen, so haben sie<br />

in jedem einzelnen Falle die Erlaubnis des Oberamtes Haigerloch<br />

einzuholen.<br />

Mit diesem Schreiben endlich klärte sich die rechtliche<br />

Stellung der Haigerlocher Stadtgarde. Sie durfte also bewaffnet<br />

sein, hatte jedoch die Erlaubnis des Oberamtes einzuholen,<br />

wenn sie bewaffnet ausrücken wollte. Sicher war<br />

die Erlaubnis des Oberamtes nicht schwer zu erhalten, da<br />

es sich sehr für die Wiederbelebung der Stadtgarde eingesetzt<br />

hatte.<br />

Allgemeiner Ueb erblick<br />

Die Bürgergarden waren dem früheren Aufgebot der wehrhaften<br />

Stadtbürger nachgebildete, militärisch organisierte<br />

Freiwilligenverbände. Gewöhnlich hatten sie für die Aufrechterhaltung<br />

der Ordnung zu sorgen. In den Wirren der<br />

französischen Revolutionszeit erstanden diese Bürgerwehren<br />

neu aus dem Verlangen nach Volksbewaffnung. Die deutschen<br />

Bürgerwehren erlebten zwar im 19. Jahrhundert eine<br />

neue Blütezeit, hatten aber meist nur geringe militärische<br />

Bedeutung. Sie waren hauptsächlich eine Paradetruppe des<br />

städtischen Bürgertums. Da sich die Bürgergarden auch für<br />

kommunale Angelegenheiten verwenden ließen, sind sie durchaus<br />

positiv zu bewerten. Sie unterstützten Polizei, Feuerwehr,<br />

Kirche und andere Institutionen.<br />

Daß auch heute noch großes Interesse an Bürgerwehren<br />

besteht, zeigen die vielen Garden, die noch bestehen. Als die<br />

Trochtelfinger Bürgerwehr im vergangenen Jahr ihr 400jähriges<br />

Bestehen feierte, erschienen zahlreiche Stadtgarden,<br />

Bürgerwehren, Reitergarden u. a Ein schönes Zeichen für<br />

das Interesse an diesen alten Institutionen!<br />

Es ist zu bedauern, daß gerade in Haigsrlocn, dieser sonst<br />

so traditionsbewußten Stadt, die Bürgergarde restlos eingegangen<br />

ist!<br />

Quellen und Literatur;<br />

I. Handschriftliche Quellen:<br />

Akten des Staatsarchivs Sigmaringen,<br />

Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv Zoll. Rechnungen.<br />

II. Literatur:<br />

1. Gönner, Eberhard: Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen<br />

Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen,.<br />

Hechingen 1952.<br />

2. Schoser, Gustav: Die Bürgerwehr in Trochtelfingen in: Trochtelfinger<br />

<strong>Heimat</strong>tage — 400 Jahre Bürgerwehr 9. bis 10. Mai.<br />

o. O., o. J.<br />

3. Hodler, F. X.: Geschichte des Oberamts Haigerloch.<br />

Hechingen 1928.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 23<br />

Gräberfunde auf dem Alemannenfriedhof Jungingen<br />

M. Lorch<br />

Nachdem bereits im Jahre 1959 „auf der Lehr"<br />

(auf dem Burren) in Jungingen sieben Alemannengräber<br />

gefunden waren, mußten im vergangenen<br />

Sommer (Juni 1964) hinter dem Gemeinde-<br />

M.: 1-seo<br />

haus erneut Baggerarbeiten vorgenommen werden,<br />

weil die Gemeinde z. Zt. einen Erweiterungsbau<br />

zum Gemeindehaus erstellt. Dabei<br />

wurden zwölf weitere Gräber angeschnitten, die<br />

alle, wie die früher entdeckten Gräber, genau<br />

die gleiche Struktur aufweisen, nämlich: eine<br />

Grabkammer aus Blaukalkplatten (Steinkiste)<br />

war in die ausgehobene Grube gestellt und mit<br />

Steinplatten abgedeckt. Teilweise waren die<br />

Deckplatten eingebrochen. Sämtliche Gräber enthielten<br />

noch Skelette, aber nicht die erhofften<br />

Beigaben. Wenn in einzelnen Fällen der Schädel<br />

bei den Füßen gefunden wurde, deutet dies<br />

darauf hin, daß in früheren Jahrhunderten<br />

vielleicht schon einmal Störungen durch „Schatzgräber"<br />

stattgefunden haben.<br />

Wie die beigegebene Planskizze zeigt, berechtigen<br />

die neuen Funde, den Friedhof als „Reihengräber-Friedhof"<br />

anzusprechen. Die<br />

Gräber sind numeriert in der Reihenfolge, wie<br />

sie entdeckt wurden. Die noch in den Reihen<br />

bestehenden Lücken deuten darauf hin, daß noch<br />

nicht alle Gräber aufgefunden sind, obwohl der<br />

größte Teil des Grundstücks durch den Bagger<br />

umgewühlt wurde. So sind die Gräber Nr. 20,<br />

21 und 22 im Steilhang zur ehemaligen Landstraße erst<br />

jetzt entdeckt worden, obwohl sie schon jahrzehntelang oder<br />

noch länger so an der Oberfläche lagen, daß die Platten der<br />

Steinkammern ans Tageslicht gekommen waren, ohne als<br />

Gräber erkannt zu werden. Von den Skeletten dieser drei<br />

Gräber sind Schädel und Brustkorb schon längst den Hang<br />

hinabgerutscht; sie mußten doch einmal entdeckt und gefunden<br />

worden sein. Darüber ist seltsamerweise weder<br />

mündlich noch schriftlich etwas überliefert worden, sonst<br />

wäre der Reihengräberfriedhof nicht erst in unseren Tagen<br />

entdeckt worden. Ueberlegt man ferner, daß gerade diese<br />

Gräber der ersten Reihe die ersten und ältesten gewesen<br />

sein mochten, dann müßten sie auch, weil noch in heidnischer<br />

Zeit entstanden, Waffen oder Gebrauchsgegenstände<br />

als Beigaben enthalten haben. Auch diese sind mit dem<br />

Knochen den Abhang hinabgerollt, ohne jemals geborgen<br />

zu werden. Die südwestliche Trauflinie des Hügels (in der<br />

Skizze als „Zaun" bezeichnet) ist seit der Zeit, da der Friedhof<br />

angelegt wurde, also in rund 1300 (dreizehnhundert)<br />

Jahren, um etwa zwei Meter rückwärts gewandert, bedingt<br />

teils durch natürliche Einflüsse, teils durch<br />

(Straßenbau).<br />

Menschenhand<br />

Nachdem jetzt ein Gesamtplan der Friedhofsanlage gefertigt<br />

werden konnte, ist es angebracht, eine Gesamtübersicht<br />

über die Funde zu geben. Dabei ist eine teilweise Wiederholung<br />

der Angaben des 1. Fundberichtes vom Juni 1959<br />

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Schematische Darstellung des Reihengräber-Friedhofs mit der Lage der Gräber<br />

nicht zu umgehen. Grab Nr. 2 enthielt ein Halsband aus<br />

Tonperlen und zwei Bronceohrringe von je 8 cm Durchmesser<br />

mit Silberauflagen, zwei kleinere Bronceringe und<br />

Broncekapsel, deren Bedeutung jetzt erkannt und bei Bericht<br />

über Grab 10 gezeichnet und geklärt ist. Es ist kaum<br />

anzunehmen, daß diese Riesen-Ohrringe im durchlöcherten<br />

Ohrläppchen getragen wurden, wie dies heute der Fall ist;<br />

denn Bronze mit Grünspanpatina wäre ein dauernder Herd<br />

für Blutvergiftung gewesen. Der gesundheitliche Schaden<br />

wird auch schon damals erkannt worden sein. Der große<br />

Durchmesser von 6 bis 8 cm gestattete es ohne weiteres,<br />

die Ringe einfach über die Ohren zu hängen. Grab Nr. 3<br />

enthielt in 60 cm Tiefe dicht über dem Skelett den Unterkiefer<br />

eines Pferdes. Diese Beigabe ist für die Forschung<br />

vielleicht wichtiger als ein erhoffter Waffenfund. Die Alemannen<br />

waren um 500 n. Chr. vermutlich noch Heiden.<br />

Ein Christ gewordener Grieche namens Agathius berichtet<br />

um 575, was die Alemannen besonders verehrten. Es waren<br />

gewisse Bäume, Gewässer, Hügel und Bergschluchten. Der<br />

Hügel (Burren zwischen drei Gewässern, Starzel, Mühlbach,<br />

Weilbach) ist hier angegeben. Von den Kultfeiern sagt Agathius:<br />

„Die Alemannen schnitten den Pferden und Stieren<br />

die Köpfe ab. Vermutlich wurden diese Teile den Göttern<br />

geweiht, während das Opferfleisch verzehrt wurde." Es ist<br />

bekannt, daß in gleicher Weise mit den Ziegen, Widdern,<br />

Farren und Schweinen verfahren wurde. Auch in der ersten<br />

Eine Gräberreihe nach ihrer Entdeckung und Oeffnung (das in unserem Text angegebene Foto Nr. 1).


:(24 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

christlichen Zeit sah es bei den Franken, die seit der Schlacht<br />

bei Zülpich 496 die Herren über die Alemannen waren, nicht<br />

viel anders aus. Gregor von Tours mußte die Königin Brunhilde<br />

auffordern, den Kult der Häupter der Tiere abzustellen<br />

(nach Dr. E. E. Hahn, Forschungsfahrt durch Süddeutschland).<br />

Aus Grab Nr. 6 kamen einige römische Topfscherben<br />

zutage, deren Bedeutung in Verbindung mit den Namen<br />

der angrenzenden Fluren bereits 1959 dargelegt wurde. Grab<br />

Nr. 7 enthielt das vollständige Skelett eines etwa 7jährigen<br />

Kindes. Wahrscheinlich wurde es neben der Mutter (Grab<br />

Nr. 1) beigesetzt. Die Beigabe (Halskette aus Tonperlen)<br />

läßt auf weibliches Geschlecht schließen. Es ist gelungen,<br />

sämtliche Teile dieses Skeletts zu bergen, sie wieder in ihre<br />

natürliche Lage zusammenzufügen und jetzt in einem<br />

„Schneewittchensarg" im Schulmuseum aufzustellen. Die<br />

Knochen der Gräber 1 bis 6, soweit sie nicht nach Tübingen<br />

geholt sind, wurden in einer mit Zinkblech ausgeschlagenen<br />

Kiste gesammelt, mit „Flaschenpost" versehen und verschlossen<br />

im Grab Nr. 1 vor dessen Zuschüttung wieder beigesetzt.<br />

Das Bild der Gräberreihe 8 bis 17 nach seiner Entdeckung<br />

und Oeffnung zeigt Photo Nr. 1. Grab Nr. 8 enthielt einen<br />

sehr gut erhaltenen Alemannenschädel; Grab Nr. 10 gab<br />

zwei Kapseln aus Bronzeblech frei, die ihrer Lage nach vom<br />

Halsschmuck stammen dürften (Zeichn. Nr. 2).<br />

Wie mag der Bronzeschmied diese Anhänger<br />

hergestellt haben? Eine Treibarbeit aus<br />

Bronzeblech ist bei der Kleinheit der Kapseln<br />

wohl nicht möglich gewesen. Bleibt also nv.r<br />

Brcnzeguß Man überlege, was zur Form nötig<br />

war: Kern, „falsche" Kapsel und Mantel, ähnlich<br />

wie bei unse em heutigen Glockenguß.<br />

Eine Technik und Präzision, die füi jene Zeit<br />

kaum für mög'ich gehalten wird, was mag<br />

dem Künstler, (denn das war er!) als Vorbild<br />

gedient haben? Nehmen wir im Herbst eine<br />

Grab Nr. 10 gab zwei Kapseln aus Bronzeblech frei,<br />

die ihrer Lage nach auch vom Halsschmuck stammen<br />

dürften.<br />

Am Sonntag Estomihi, 1 ) den 15. Februar 1589, fand im<br />

Schloß zu Sigmaringen die Hochzeit des Marx Fugger d.<br />

J., Freiherrn zu Kirchberg und Weißenhorn<br />

und der Anna Maria Gräfin von Hohenzollern-<br />

Sigmaringen, statt. Die Braut war am 16. Januar 1573<br />

zu Ensisheim im Elsaß, als Tochter Karls II., Grafen von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen und der Euphrosine Gräfin von<br />

Oettingen-Wallerstein, geboren. Der Graf hatte das Amt<br />

eines Landvogts im Elsaß inne, weshalb er öfters in seiner<br />

Residenz Ensisheim weilte.<br />

Eines der wichtigsten Hofämter dieser Hochzeit bekleidete<br />

Joachim von und zu Hausen, der als zweiter gräflicher Oberhofmeister<br />

für den Verlauf des Festes mitverantwortlich war.<br />

Von seiner Hand hat sich im Gräflich Douglas'schen Archiv<br />

zu Schloß Langenstein, Kreis Stockach, ein Verzeichnis der<br />

Gäste und Hofdienste erhalten. 2 ) Der Hochzeitszettel gliedert<br />

sich in 6 verschiedene Teile. Im 1. Teil werden die von zollerischer<br />

Seite geladenen Fürsten (Landesherrn), die zugesagt<br />

oder abgesagt haben, aufgeführt, im 2. Teil folgen die Grafen,<br />

Freiherrn und Prälaten, im 3. Teil sind die Träger der<br />

Hofämter wie Hofmeister, Superintendenten, Truchsesse und<br />

Vorschneider verzeichnet, im 4. Teil werden die von Fuggerscher<br />

Seite geladenen und entschuldigten Gäste aufgeführt.<br />

Der 5. Teil berichtet von der Reihenfolge, wie die Teilnehmer<br />

der Hochzeit an 8 Tischen gesetzt wurden, im 6. Teil werden<br />

die Vortänzer genannt, die aus den Reihen der Gäste und<br />

Hofdienste bestimmt wurden.<br />

Eichel, setzen darauf als Krönchen eine Pfaffenhütchenfrucht<br />

und stecken als Verbindung einen Drahtstift hindurch, der<br />

zur Oese gebogen im Hinglein eingehängt wird, dann haben<br />

wir wohl das natürliche Vorbild. Grab Nr. 17 (Photo Nr. 2)<br />

enthielt das Skelett eines Mannes, dessen beide Oberschenkel<br />

auffallend krumm waren. Daraus dürfte man schließen,<br />

daß er den größten Teil seines Lebens „zu Pferde" zugebracht<br />

hat. Grab Nr. 21 endlich kündet vom tragischen<br />

Schicksal seines Bewohners. Er muß zu Lebzeiten bei einem<br />

Unglücksfall auf der Jagd oder im Kampfe einen Oberschenkel<br />

gebrochen haben, der dann ohne „Röntgenkontrolle"<br />

wieder richtig „eingerichtet" und zusammengewachsen war.<br />

Hier muß doch wohl schon ein sachverständiger „Medizinmann"<br />

Hilfe geleistet haben. Von den insgesamt 22 Gräbern<br />

müssen etwa 6 als Kindergräber angesehen werden. Aus der<br />

Knochen- und Grabkistengröße läßt sich dies unschwer feststellen.<br />

Der Anteil der Kindergräber beträgt also ein Viertel<br />

der bis jetzt bekannten Gräberzahl.<br />

Das Landesamt für Denkmalspflege in Tübingen hat nach<br />

Einsichtnahme auch diesmal wie vor 5 Jahren die Bronzefunde<br />

und den schönen „alemannischen Dickschädel" zu Forschungszwecken<br />

weggeholt mit dem Versprechen, sie später<br />

der Landessammlung auf der Zollerburg zu übergeben.<br />

Das Skelett eines Mannes, der zweifellos viel geritten ist (die Oberschenkel<br />

sind auffallend krumm). Skizzen u. Fotos: M. Lorch<br />

Eine zollerische Hochzeit Anno 1589<br />

Alois Beck, Offenburg<br />

An der Tafel des Brautpaares hatten neben den Eltern<br />

die anwesenden Landesfürsten oder ihre Gesandten, der Abt<br />

von Salmansweil (Salem), der das Paar wohl auch getraut<br />

hat und einige nächste Verwandte, Platz genommen. An 2<br />

weiteren Tischen saßen die Grafen, Freiherrn und die Gesandten<br />

der Prälaten. Die 4. Tafel war den verheirateten<br />

Damen und die 5. den Fräulein vorbehalten. Der Schreiber<br />

des Zettels vermerkt noch 3 weitere Tafeln mit Frauenzimmern,<br />

deren Namen er uns leider verschweigt. Die Trennung<br />

der Gäste an den Tafeln 2—8 nach Familienstand und Geschlecht<br />

entspricht den Tischsitten der Zeit. 3 ) Auch die Gesprächsthemen<br />

dürften hierfür mitbestimmend gewesen sein.<br />

Die aufgetragenen Gänge wurden, rangmäßig abgestuft, gereicht<br />

4 ) und die mit viel Gewürzen zubereiteten und oft zusätzlich<br />

mit Rosenwasser parfümierten Speisen 5 ) waren<br />

schwer verdaulich und verlangten längere Pausen zwischen<br />

den einzelnen Gängen, die durch musikalische Darbietungen<br />

und allerhand Mummenschanz verkürzt wurden. Sicher<br />

waren nicht nur die im Gefolge Hans Fuggers genannten drei<br />

Musikanten anwesend. Die übrigen Fugger und Graf Eitelfriedrich<br />

von Hohenzollern-Hechingen hatten in ihren Diensten<br />

mehrere zu Ruhm gelangte Musiker und unterhielten<br />

wie der Vater der Braut bedeutende Musikkapellen. In Sigmaringen<br />

amtete zu jener Zeit Melchior Schramm als Kapellmeister.<br />

6 ) Schmid vermutet, daß der Musiker Narzissus<br />

Zängel mit seinem Dienstherrn Jakob Fugger und Ferdinand<br />

di Lasso, der Sohn des großen Orlando, im Gefolge des Gra-


fen Eitelfriedrich an dieser Hochzeit teilgenommen haben, 7 )<br />

um das Fest mit ihrer hohen Kunst würdig auszuschmücken.<br />

Die Zahl der Ho-chzeitsgäste dürfte mit den Hofdiensten<br />

kaum 120—125 überstiegen haben, hinzukommen auf Fuggerscher<br />

Seite 93 Personen Dienerschaft mit 143 Pferden, auf<br />

zollerischer Seite ist eine ähnliche Zahl anzunehmen. Es war<br />

nicht leicht, im Winter mehrere Tage so viele Gäste mit Gefolge<br />

und Dienerschaft unterzubringen. Im Schloß zu Sigmaringen,<br />

wie in den Herbergen und Bürgerhäusern des<br />

Städtleins war sicher jeder verfügbare Raum belegt. 8 ) Der<br />

bevorstehende Aschermittwoch hat die Festdauer auf 3 Tage<br />

beschränkt. Für die damalige Zeit eine Adelshochzeit in bescheidenem<br />

Rahmen. 9 )<br />

Verzeichnis der (Landes-)Fürsten, Grafen, (Frei-)Herrn und Prälaten,<br />

die teilweise persönlich oder durch einen Gesandten aus beidseitiger<br />

Freundschaft zur Hochzeit des wohlgebornen Herrn Marx<br />

Fugger und dem Fräulein Anna Maria Gräfin von Hohenzollern auf<br />

Estomihi Ao. 89 zu- oder abgeschrieben haben.<br />

Erstlich der Fürsten, Gesandte die auf zollerischer Seite zugeschrieben<br />

haben:<br />

Kurfürstlich Brandenburg'scher Gesandter Graf Eitelfriedrich von<br />

Hohenzollern (Hechingen);<br />

Erzherzog Ferdinands von Oesterreich Gesandter, Graf Wilhelm von<br />

Oettingen;<br />

Herzog Wilhelm und Ferdinand von Bayern schicken Grafen<br />

Schweikhart von Helfenstein als Gesandten;<br />

Markgranich Tirol'scher Gesandter, Georg von Stain;<br />

Markgräflich Ansbach'scher Gesandter, Graf Eitelfriedrich von<br />

Hohenzollern;<br />

Herzoglich Württemberg'scher Gesandter, Graf N. von Eberstein,<br />

Anwesende Fürsten:<br />

Markgraf Jakob von Baden;<br />

L.-m.dgraf Ludwig zu Leuchtenberg und seine Gemahlin.<br />

Nachfolgende fürstliche Personen haben abgeschrieben:<br />

Die altere Herzogin von Sachsen entschuldigt sich wegen ihres Alters<br />

da sie bei roich kaltem Weiter nicht über Land reisen kann.<br />

Die r,iiw Herzogin vo.i Bayern schreibt ab mit der Bemerkung: sie<br />

scii.ck. seit dem Tod ihres Gemahls keine Abgeordneten mehr<br />

zu Hochzeiten.<br />

Nun folgen die anwesenden Grafen und (Frei-)Herm mit ihren<br />

Gern .hl innen.<br />

Graf Chrisioph Ladislaus von Tengen, Domprobsi zu Straßburg;<br />

Graf Christoph von Hohenzollern (-Haigerloch) mit seiner Gemahlin,<br />

1 Fraulein (Tochtcr), 3 Frauenzimmern, 2 Adeligen, 4 Kutschenund<br />

12 r...isigen Pferden = 16 Pferde;<br />

Graf Eit^lfritdrich von Hohenzollern (-Ileciiingen) mit seiner Gemahlin,<br />

2 Fräulein (Tochter) und 4 Personen der Gräfin Frauenzimmer;<br />

Graf hristoph von Sulz, Domherr zu Straßburg, mit 3 Adeligen;<br />

Graf Rudolf von Sulz;<br />

Graf Wilhelm von Oettingen, seine Gemahlin, 1 jungen Herrn (Sohn)<br />

und 6 Adeligen;<br />

Rheingraf Friedrich;<br />

Graf Konrad von Tübingen d. J. 1<br />

Graf Albert von Oettingen;<br />

Graf Schweikhart von Helfenstein, seine Gemahlin, 1 Jungfrau,<br />

2 Kammermägde, 1 Adeliger, 8 Reisigen- und 10 Wagenpferde<br />

= 18 Pferde;<br />

Graf Georg von Montfort;<br />

Jakob von Geroldseck und seine Gemahlin;<br />

Georg Ludwig von Freiberg, Freiherr zu Justingen.<br />

Die anwesenden geistlichen Herrn und ihre Gesandte;<br />

Der Landkomtur zu Altshausen;<br />

Der Abt von Salmansweil (Salem) mit einem Conventual;<br />

Der Abt von Schussenried schickt als Gesandten seinen Obervogt;<br />

Der Abt zu (Ober-)Marchtal ist ebenfalls durch seinen Gesandten<br />

vertreten.<br />

Folgende Grafen und (Frei-)Herrn haben sich entschuldigt:<br />

Graf Gottfried von Oettingen schickt N. N. als Gesandten;<br />

Graf Heinrich von Fürstenberg entschuldigt sich wegen der Leibschwachheit<br />

seiner Gemahlin, sein Gesandter Wolf Walter v. Fulach;<br />

Graf Joachim von Fürstenberg entschuldigt sich wegen vorgefallener<br />

Geschäfte, sein Gesandter N. von Hersperg;<br />

Graf Friedrich von Fürstenberg, des nochlöblichen kaiserlichen Kammergerichts<br />

Präsident entschuldigt sich wegen seines tragenden<br />

Amtes:<br />

Jakob Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg, entschuldigt sich wegen<br />

Bodengrans (Gicht) und anderer Leibsschwachheiten, sein Gesandter<br />

Hans Kaspar von Ulm, Obervogt der Herrschaft Zeil;<br />

Philipp Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg und Domherr zu Straßburg,<br />

Köln und Konstanz entschuldigt sich wegen dringend zugefallener<br />

Sachen des Kapitels zu Konstanz;<br />

Georg Erbtruchseß, Freiherr von Waldburg, Domherr zu Augsburg,<br />

ist aus bewegter Ursache ausgeblieben;<br />

Graf Rudolf von Helfenstein;<br />

Freiherr Georg von Königsegg;<br />

HOHENZOLLERISCHEHEIMAT 25<br />

Freiherr Marquard von Königsegg, fürstl. Bayrischer Marschall;<br />

Bertold v. Königsegg entschuldigt sich etlicher zugefallener Geschäfte.<br />

Die abwesenden Gräfinnen:<br />

Die Aebtissin des Gotteshauses Buchau schreibt ab;<br />

Frau Gräfin von. Löwenstein, geborene Markgi'äfin von Baden,<br />

entschuldigt sieh wegen Leibsschwachheit;<br />

Frau Gräfin von Helfenstein Witib zu Neufra erscheint nicht;<br />

Frau Gräfin von Helfenstein geb. von Montfort entschuldigt sich<br />

ihres Alters und Leibssch>vachheit;<br />

Frau Witib (von Helfensein?) geb. Gräfin von Fürstenberg zu<br />

Mengen erscheint nicht wegen ihres Alters und Leibsverunmöglichkeit;<br />

Frau Gräfin von Schwarzenberg schreibt ab wegen ihres Alters;<br />

Frau Anna Gräfin von Lupfen Witib schreibt ab wegen des Absterbens<br />

Geschwei (Verwandte) von Merspurg;<br />

Frau Witib von Frundsberg zu Haßloch (welches?) entschuldigt sich;<br />

Frau Barbara v. Montfort Witib erscheint nicht wegen ihres Alters;<br />

Frau Gräfin Ursula von Montfort Witib.<br />

Hofämter:<br />

Der gräflichen Hochzeit Oberhofmeister:<br />

Hans Christoph Wendler von Bergerat<br />

Joachim von und zu Hausen.<br />

Aller Frauenzimmer Hofmeister:<br />

Christoph Vollandt.<br />

Der Grafen und (Frei-)Herrn Tafel Hofmeister:<br />

Hans Christoph Reidinger.<br />

Der Gräfinnen und Fräulein Hofmeister:<br />

Hans Heinrich Escher (Escher von Binningen, Breisgau).<br />

Der fürstlichen Tafel Superintendenten: Friedrich von Westerstetten;<br />

Jakob von Ehingen.<br />

Der Frauenzimmer Tafel Superintendenten: Sebastian von Fulach:<br />

Christoph Artzet.<br />

Der fürstlichen Tafel Truchsesse: Eitelbilgerim von Stain; Philipp<br />

Adam von Freyberg; Ulrich Gremiich von Jungingen; Hans<br />

Adam von Freyberg; Hans Konrad von Bernhausen; Georg Adam<br />

von Freyberg; Hans Jakob von Stotzingen; Hans Gremiich von<br />

Jungingen; Peter Schar zu Oberhausen; Hans Georg Eglof von Zell;<br />

Kaspar Herter (v. Hertier geadeltes Geschlecht zu Konstanz); Eberhard<br />

Gremiich; Hans von Freyburg Geschlecht zu Ueberlingen;<br />

Reinhaid von Dettingen; Georg von Dettingen; Friedrich Kraft<br />

Geschlecht in Basel-Breisach und Ulm); Gallus Schütz; N. Lay; Hans<br />

von Burgau; N. v. Leschwang; Wildhans von Neuneck; N. Schindelin;<br />

Eschers Sohn (vermutlich Hans Nikolaus); Christoph Gremiich<br />

(kein Truchseß).<br />

Der andere Hofmeister: Stebenhaber Hofjunker zu Sigmarmgen.<br />

Der Hofmei^br des Hofgesinds: Hyronimus Pflumer Doktor und<br />

Rat des Grafen Karl von Hohenzollern; Georg Walch, Erzherzogs<br />

Ferdinands zu Oesterreich, Landschreiber der Herrschaft Hohenberg.<br />

Folgen die auf Herrn Fuggers Seite zugeschriebenen Gäste: Erzherzog<br />

Ernst v. Oesterreich schickt einen Gesandten; Hans Fugger mit<br />

Kammerdienern, 1 Lakaien, 3 Musikanten, 3 Stallknechten, 1 Stalljungen,<br />

den Pfleger zu Murkhausen mit 16 Reisigen- und 2 Kutschen<br />

daran 10 Pferde = 25 Pferde; Marx Fugger der ältere samt Fräulein<br />

Elisabeth 4 Kammerdienern, 7 Klepper- und 6 Kutschenpferden = 13<br />

Pferde; Georg Fugger mit 7 Dienern, 6 Kutschen- und 2 Reisigen<br />

Pferden = 8 Pferde; Jakob Fugger und seine Gemahlin, 1 Fräulein<br />

(Tochter), 1 Hofmeisterin 2 Jungfrauen, 1 Kammerjungen, 22 Dienern-,<br />

Reisig- und Wagenpferde = 22 Pferde; Christoph Fugger mit<br />

4 Kammerdienern, 1 Jungen, 1 Lakaien, 4 Knechten, 6 Kutschen- und<br />

7 Reisigen Pferden = 13 Pferde; Graf Georg von Montfort mit 7<br />

Dienern, 9 Kutschen- und 7 Reisigen Pferden = 16 Pferde; Konrad<br />

von Beminelberg der ältere mit seiner Gemahlin, 10 Reisigen- und<br />

7 Kutschenpferden = 17 Pferde; Antoni Fugger mit 13 Pferden; Georg<br />

Villinger Freiherr mit 6 Dienern 3 Reisigen-, 4 Kutschenpferden<br />

= 7 Pferde; Hans von Rechberg mit 8 Pferden, Junker Hans Ulrich<br />

Ehinger.<br />

Wie die Fürsten, Grafen, Herrn und deren Gesandte gesetzt wurden:<br />

Herr Bräutigam; Fräulein Hochzeiterin; Markgraf Jakob von<br />

Baden; Landgraf zu Leuchtenberg; der Churfürstlich Brandenburg'<br />

sehe Gesandte, Graf Eitelfriedrieh von Hohenzollern; der Gesandte<br />

des Erzherzogs Ferdinands von Oesterreich; Graf Wilhelm von Oettingen;<br />

der Bayrisch Gesandte, Graf Schweikhart von Helfenstein;<br />

der Württembergische Gesandte, Graf zu Eberstein; der Markgräflich<br />

Tirol'sche Gesandte, Georg von Stain; Graf Karl von Hohenzollern;<br />

Hans Fugger; Marx Fugger; Der Prälat zu Salmansweil; Graf<br />

Christoph Ladislaus von Tengen, Domprobst zu Straßburg; Frau<br />

Gräfin (Euphrosine) von Hohenzollern; Frau Jakob Fugger.<br />

Der fürstlichen Tafel Fürschneider;iO) Christoph Schar zu Oberhausen;<br />

Hans Georg Eglof von Zell.<br />

An der zweiten Tafel der Grafen und Herin saßen: Jakob Fugger;<br />

Herr Landkomtur; Graf Christoph von Hohenzollern; Graf Georg<br />

von Montfort; Rheingraf Friedrich; Antoni Fugger; Georg Fugger;<br />

Graf Christoph von Sulz, Domherr zu Straßburg. Jakob von Geroldseck<br />

(Graf von Veldenz); Freiherr Konrad von Bemmelberg d.<br />

Aeltere; Graf Rudolf von Sulz; Christoph Fugger des Bräutigams<br />

Bruder.


An der dritten Tafel nahmen Platz: Gral Albrecht von Oettingen;<br />

Graf Konrad von Tübingen; Conrad von Bemmelberg d. J.; Freiherr<br />

Villinger d. J.; Georg Freiherr Schenk von Limpurg; der<br />

Gesandte des Grälen Heinrich von Fürstenberg, Wolf Walter von<br />

Fulach; der Gesandte des Grafen Joachim von Fürstenberg, N. von<br />

Hersperg; der Gesandte des Erbtruchseß Jakob Freiherr zu Waldburg;<br />

Hans Kaspar von Ulm; der Gesandte des Truchseß Karl,<br />

Martin Memminger; Georg Ludwig von Freyberg, Freiherr zu Justingen;<br />

der Schussenried'sche Gesandte; der Marchtalische Gesandte.<br />

An der vierten Tafel saßen die Gräfinnen: Frau von Bemmelberg<br />

d. J.; Frau Gräfin von Helfenstein; Frau von Bemmelberg d. Aelt.;<br />

Frau Gräfin von Oettingen; Frau Gräfin von Hechingen; Frau Truchsessin;<br />

Frau Gräfin von Haigerloch; die Frau von Geroldseck; der<br />

Gräfinnen Fürschneider: ein junger Gral v. Oettingen, Carlo genannt.<br />

An der fünften Tafel waren folgende Fräulein vereinigt: Fräulein<br />

von Sulz; Fräulein Fuggerin, Jakob Fuggers Tochter; Fräulein von<br />

Schwarzenberg; das ältere Fräulein von Hechingen; Fräulein von<br />

Welsperg; das junge Fräulein von Hechingen; Fräulein Maria Jacobe<br />

Gräfin von Zollern; die Landgräfliche Hofmeisterin; die Oettingische<br />

Hofmeisterin.<br />

Folgen noch 3 Tafeln mit Frauenzimmern.<br />

Der gräflichen Hochzeit verordnete Vortänzer: Graf Konrad von<br />

Tübingen; Graf Rudolf von Sulz; Jakob von Geroldseck; Georg<br />

Schenk von Limpurg; N. von Grafeneck; Georg Ludwig von Freyberg,<br />

Freiherr zu Justingen.<br />

Vortänzer von Adel: Philipp Adam von Freyberg; Hans Georg<br />

Eglof von Zell; Georg Adam von Freyberg; Hans von Burgau.<br />

Anmerkungen :<br />

1) Fastnachtsonntag,<br />

2<br />

) Der Schriftsatz wurde der heutigen Schreibweise angepaßt. Zeitgenössische<br />

Wortbilder sind in ihrer Form wiedergegeben worden.<br />

Ergänzte Namen, Titel usw. wurden in Klammern gesetzt.<br />

3) Günther Schiedlausky: Essen und Trinken, Tafelsitten bis zum<br />

Ausgang des Mittelalters, Prestel-Verlag München, 1956, S. 19 ff.<br />

S. 30 ff.<br />

i) Als Herzog Johann von Sachsen sich 1500 in Torgau mit Sophie<br />

von Mecklenburg vermählte, wurde die Anzahl der Gänge rangmäßig<br />

abgestuft, etwa daß am Fürstentisch 16 Essen gereicht wurden,<br />

für die Grafen, Räte und Prälaten 10 Essen, für die Ritter<br />

und Frauenzimmer nur 8 Essen usw. Vgl. G. Schiedlausky S. 52.<br />

Die Gerichte bestanden nicht nur aus den heute noch üblichen<br />

Fleisch-, Wild-, Geflügel- und Fischarten. Es wurden u. a. noch<br />

Igel, Murmeltiere, Eichhörnchen, Meerschweinchen, Fischreiher,<br />

Schwäne, Kraniche, Pfauen, Raben und manchmal auch Schlangen<br />

verzehrt, die damals nicht besser als heute geschmeckt haben.<br />

Vgl. G. Schiedlausky a.a.O. S. 48 ff.<br />

») Ernst Fritz Schmid: Musik an den schwäbischen Zollernhöfen<br />

der Renaissance,<br />

?) Ebenda Seite 45.<br />

Bärenreiter-Verlag Kassel 1962<br />

8) Das Schloß hatte vor der Zerstörung durch die Schweden am<br />

5. März 1633 mindestens 25 bewohnbare<br />

Vgl. E. F. Schmid a.a.O. Seite 135.<br />

Zimmer.<br />

») Die Hochzeit des Grafen Christoph von Zollern-Haigerloch und<br />

der Freiin Katharina zu Welsperg und Primör, die im August 1577<br />

in Sigmaringen gefeiert wurde, dauerte 5 Tage. Dem Fest wohnten<br />

mindestens 200 Gäste mit 525 Pferden bei. Die Zahl der Die-<br />

:(26 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

nerschaft ist nicht bekannt. Vgl. Alois Beck: Ein zollerischer<br />

Hochzeitszettel aus dem Jahre 1577 in Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />

2. Jahrgang Nr. 1 Seite 14 ff; E. F. Schmid a.a.O. Seite 101 ff:<br />

Die große zollerische Hochzeit, die Vermählung des Erbgrafen<br />

Johann -Georg von Zollern-Hechingen mit der Rheingräfin Franziska,<br />

die im Oktober 1598 mit großer Pracht gefeiert wurde, erstreckte<br />

sich über 8 Tage. Der Furierzettel nennt 984 Gäste und<br />

865 Pferde. Vgl. E. F. Schmid a.a.O. Seite 591 ff.<br />

10) Schiedlausky a.a.O. Seite 23 ff; Abb. Nr. 10—11 Nr. 18—19.<br />

„Eine besondere Rolle spielte bei den Gastmahlen der Vorschneider<br />

mit der schwierigen Aufgabe betraut, die hereingetragenen<br />

Fleischstücke, die oft aus ganz gebratenen Tieren bestanden,<br />

kunstgerecht, schnell und so zu zerteilen, daß jeder Gast ein<br />

Stück abbekam. Es muß Virtuosen ihres Faches gegeben haben,<br />

die sehr gesucht und hoch bezahlt waren. Sie mußten zum Beispiel<br />

in der Lage sein, ein Geflügel „in der Luft" zu zerteilen,<br />

wie man es nannte, das heißt, ein auf eine senkrecht gehaltene<br />

Gabel gespießtes Geflügel durch kunstvolle Messerschnitte so zu<br />

zerlegen, daß keine Hand die Speise berührte, eine geradezu<br />

artistische Leistung, zumal wenn man bedenkt, daß dieses Zerlegen<br />

vor fürstlichen Häuptern im Knien geschehen mußte.<br />

Ueberhaupt gehörte das Tranchieren zur Ausbildung eines Hofmannes.<br />

Der Vorschneider arbeitete mit einem Besleck, das meist<br />

aus mehreren Messern und Gabeln verschiedener Größen bestand.<br />

Die Bestecke waren samt den dazugehörigen Lederetuis<br />

prächtig gestaltet, da sie an bevorzugter Stelle der Tafel verwendet<br />

wurden und der Vorschneider bei seiner Arbeit im Blickpunkt<br />

der Gäste stand."<br />

11) In Klammern gesetzte Ergänzungen stammen aus: Kindler von<br />

Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch Bd. I—III. 'f<br />

Das Geheimnis der Osternacht<br />

Es schwelt und es brodelt im Dunkel der Nacht —<br />

Inmitten von stummem Gewoge.<br />

Es zünden sich Kerzen - ein Toter erwacht!<br />

„Halleluja" singt's aus dem Troge.<br />

Lebendiges Wasser fließt um und um,<br />

Geleitet von segnenden Händen:<br />

Von Seele zu Seele im Heiligtum<br />

Erteilt der Erstandene Spenden.<br />

Er geht durch den Frühling, den eigens er schuf,<br />

Zu laden die Ärmsten der Armen:<br />

Er weckt seine deiche mit flammendem Ruf<br />

Zum Frieden auf und zum Erbarmen.<br />

Forschung um die Grafen von Gammertingen<br />

Hansmartin S c h w a r z m a i e r hat in einer Dissertation 1 )<br />

über bayerisches Gebiet zwischen Iiier und Lech auch einen<br />

Exkurs über die Grafen von Gammertingen gemacht. 2 ) Der<br />

Hauptteil seiner Arbeit betrifft die Familie der Grafen bzw.<br />

Markgrafen von U r s i n (heute Irsee) bzw. Ronsberg,<br />

deren Stammfolge und ausgedehnter Besitz ausführlich geschildert<br />

wird. Bekanntlich hat Graf (seit 1182 Markgraf)<br />

Heinrich von Ronsberg um 1150—1160 die Tochter<br />

Udiihild des Gammertinger Grafen Adalbert I. (1101—39)<br />

geehelicht. 3 ) Diese Udilhilde hatte Emil Krüger bei seinen<br />

Ausführungen übsr die Grafen von Gammertingen 4 ) noch<br />

nicht gekannt. F. Ludwig Baumann vermutete in ihr die<br />

Tochter Ulrichs II. von Gammertingen, worin der Unterzeichnete<br />

ihm noch 1937 folgte, später aber die zeitliche Unmöglichkeit<br />

dieser Zuweisung erkannte und sie dem Adelbert<br />

I. zuwies. Schwarzmaier hat nun nochmal den ganzen<br />

Fragenkomplex durchgedacht, jedoch kann man ihm nicht<br />

in allen Punkten folgen. So z. B. ist die Angabe S. 176 Anmerkung<br />

19 nicht zu belegen, der Vater des Grafen Arnold<br />

von Gammertingen habe ebenfalls Arnold geheißen.<br />

Wir wissen leider seinen Namen nicht sicher. Jänichen 5 ) vermutet<br />

in ihm einen Ulrich. Das Rätsel Wrrunberg")<br />

kann Schwarzmaier anhand der Originalurkunde von 1182,<br />

die er im Münchner Hauptstaatsarchiv entdeckte, als „Wizzinhorn"<br />

klären. Gemeint ist Berthold von Weißenhorn-Neiffen.<br />

Aber die Deutung einer Stelle dieser<br />

Maria E. Flad.<br />

Urkunde will nicht ganz überzeugen, „daß zwei nahe Verwandte<br />

ihren Besitz in Altingen bei Herrenberg jeweils an<br />

den Gemahl ihrer Tochter weitergegeben haben, nämlich an<br />

Berthold von Weißenhorn und an Heinrich von Ronsberg",<br />

und „daß zwischen diesen beiden eine Eibabsprache stattgefunden<br />

hat unter Anwesenheit der beiden Erblasser, von<br />

denen der eine der Schwiegervater des Ronsbergers, der andere<br />

der des Weißenhorners war" (S. 173).<br />

Aus der Urkunda von ca. 1182 kann man m. E. nur entnehmen:<br />

„Heinrich von Ronsberg und seine Gattin Udiihild<br />

(von Gammertingen) schenken ans Kloster Ottobeuren<br />

u. a. den ihrem Weinberg in Ailingen unmittelbar anstoßenden<br />

Teil des Tales, gemäß einer Güterteilung, die bei den<br />

S c h w i e g e r s ö h n e n ihrer selbst (der Schenker) und<br />

ihres V e r w a n d t e n Berthold von Weißenhorn<br />

im Beisein vieler Zeugen vorgenommen wurde.<br />

Heinrich von Ronsbeig und Berthold von Weißenau hatten<br />

somit 1182 bereits Schwiegersöhne, also verheiratete<br />

Töchter, was Sch. nicht erkannt zu haben scheint. Daß<br />

zur Zeit der Erbabspiache die beiden Adelberte von Gammertingen<br />

(Vater und Sohn) noch gelebt hätten, ist nicht<br />

bewiesen. Auf Seite 69 gibt Sch in der Stammtafel der Familie<br />

Ronsberg-Ursin (im Widerspruch mit Seite 116!) an,<br />

die 1182 mit ihren Geschwistern Gottfried, Heinrich,<br />

Konrad und I r m i n g a r d genannte Adelheid von<br />

Ronsberg habe den Grafen Ulrich von Berg geheiratet,


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 27<br />

Seite 116 jedoch den Grafen Heinrich! Damit stimmt<br />

freilich der treffliche Stälin') auf Grund des Nekrologs von<br />

Zwiefalten nicht überein. Denn hier steht klar zu lesen,<br />

die Frau des Gr. Ulrich von Berg, der um 1207 starb, habe<br />

U d i 1 h i 1 d geheißen. 8 ) Sie war zweifellos eine von Ronsberg.<br />

Denn nur so konnte dann der Sohn der beiden, Heinrich<br />

III. von Berg, im Jahre 1212 nach Absterben des letzten<br />

Ronsberger Markgrafen Berthold dessen ansehnliche<br />

Herrschaft nebst dem Titel eines Markgrafen erben. 8 ) Sowohl<br />

dieseUdilhild, wie auch ihr Bruder Berthold als Letzter<br />

des Hauses Ronsberg sind ca. 1182 nicht als Kinder<br />

Heinrichs und der Udilhild von Gammertingen genannt, also<br />

wohl noch minderjährig, oder schon verheiratet gewesen!<br />

Die dort genannte Adelheid aber kann man mit jener<br />

Frau dieses Namens gleichsetzen, die zunächst den Grafen<br />

Konrad von Heiligenberg und dann um 1208 den<br />

Grafen Gottfried von Sigmaringen-Helfenstein<br />

heiratete. 18 ) In diesem letzten Jahre hatte sie schon<br />

einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe!<br />

Daß die Erbschaftsübergabe nicht gleichzeitig mit der Heirat<br />

zwischen Heinrich von Ronsberg und Udilhild von Gammertingen<br />

erfolgte, sondern erst nach dem Tode des letzten<br />

Achalmer-Gammertinger Grafen, wie Sch. 10 ) sagt, kann nicht<br />

ganz überzeugen. Ulrichs von Gammertingen Sohn K o n r a d,<br />

der 1139 genannt ist, kann unmöglich mit dem gleichnamigen<br />

Abte Konrad von Gammertingen identisch sein, da dieser<br />

doch erst im Jahre 1251 das Zeitliche segnete! Es ist ein<br />

Irrtum, dem schon Elisabeth Meyer-Marthaler 11 ) bei Behandlung<br />

der Engadiner Urkunden zum Opfer fiel. Die OA-<br />

Beschreibung Münsingen entschied schon die Frage: Es handelt<br />

sich bei dem Abt um einen Konrad aus niederadeligem<br />

Hause, das sich von einer der Gammertinger Burgen<br />

schrieb! 12 )<br />

Wenn Sch. annimmt, der ältere Adalbert von Gammertingen<br />

habe im Jahre 1156 noch gelebt, so steht sein Beweis<br />

auf sehr wackeligen Füßen. Zwar wurde der erste Teil der<br />

Petershauser Chronik im Jahre 1156 fertig, aber dies besagt<br />

doch nur, die Gammertinger Brüder Adalbert und Ulrich<br />

hätten noch bei Niederschrift der Stelle gelebt,<br />

nicht aber auch noch 1156. Beweis: In der Ausgabe von<br />

O. Feger 13 ) Seite 45 steht unmittelbar vorher: „Adelheid,<br />

die Gattin Hartmanns d. ä. von Dillingen, gebar den<br />

Hartmann d. jüngeren und den Adelbert der, heute noch<br />

lebt." Dieser Adalbert von Dillingen ist jedoch nach König-<br />

Müller 14 ) im Jahre 1151 gestorben. Diese beiden Stellen sind<br />

somit vor 1151 geschrieben worden und daher kann der Tod<br />

des älteren Adalbert von Gammertingen sehr wohl früher<br />

eingetreten sein, als Schwarzmaier annimmt.<br />

Nach St. Galler Geschichtsquellen 15 ) starb der St. Galler<br />

Vogt „Udalrich von Gamertingen" und sein noch kindlicher<br />

Sohn, worauf der Abt Wernher (t 1167) um 300 Mark<br />

Silber die Vogtei dem Grafen Rudolf von Pfullendorf übertrug.<br />

Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt. Vanotti 16 )<br />

vermutete als Todesjahr 1157. Da der Gammertinger Erbe<br />

Berthold von Weißenhorn-Neiffen im Jahre 1172 sich urkundlich<br />

Graf nannte, muß der letzte Gammertinger Adalbert<br />

II. damals tot gewesen sein Vielleicht starb er um 1165,<br />

da wohl e r, und nicht der Pfullendorfer, Vogt von St. Gallen<br />

geworden wäre.<br />

Reute und Baldenstein, die Sch. in Nähe von Gammertingen<br />

angibt 17 ), dürften schwerlich hier zu suchen gewesen<br />

sein. Ersteres wird näher bei Neresheim vermutet, und die<br />

Mühle zu Baldenstein verlegt Sulger (außer einem irrigen<br />

Baldenstein bei Inneringen) in die Nähe von Wimsen. Ob<br />

der p Ronsberger Vasali Heinrich von Niufiron tatsächlich<br />

nach Nufringen im Krs. Böblingen zu versetzen ist<br />

und nicht eher mit Gebhard von Lichtenstein in die<br />

Nähe Gammertingens, nämlich nach Neufra an der Fehla<br />

(mundartlich Nuifera), bleibe dahingestellt.<br />

Die oben genannten Schwiegersöhne von ca. 1182 waren<br />

vermutlich von Seiten Ronsbergs: Egino von Eppan, Konrad<br />

von Heiligenberg, Ulrich von Berg; von Seiten Weißenhorns:<br />

Egino VI. von Urach und vielleicht Gerhard von Hirschberg.<br />

18 ) J. Adam Kraus.<br />

Anmerkungen: i) Hansmartin Schwarzmaier, Königtum,<br />

Adel und Klöster zwischen Oberer Iiier und Lech, Augsburg 1961:<br />

Bd. 7 der „Studien zur Geschichte d. bayer. Schwabens". 2) ebenda<br />

S. 173—179. 3) Stammtafel S. 124 im Hohenzoll. Jahresheft" 1956 mit<br />

Bezug auf dieselbe Zeitschr. 1937, 59—90; und besonders 1950; 147—148.<br />

Ueber die Ahnen der Grafen von Gammertingen siehe „Hohenzoll.<br />

<strong>Heimat</strong>" 1956, 48; über die Engadiner Urkunden ebenda 1957, 14.<br />

•i) Emil Krüger, Ursprung des Hauses Württemberg in Württ. Vierteljahresheft<br />

für Landesgeschichte 8, 1899, S. 169 ff. 5) Hans Jänichen,<br />

Bericht in „Hohz. <strong>Heimat</strong>" 1956, 48. 0) Urkunde von ca. 1182<br />

im Wirtb. UB. II, 423. 7) Chr. F. Stälin, Wirtbg. Geschichte II, 357<br />

Anmerkung. 8) Necrol. Zwiefalten unterm 20. Febr. „Udilbilt comi-<br />

>a de Bergin uxor Oudalrici comitis"; Mon Germ. Necr. I, 244.<br />

») Stälin a.a.O. II, 358. i«) Schwarzmaier Seite 175, Anmerkung 13.<br />

ii) Elisabeth Meyer-Marthaler in „Zeitschrift für Schweizerische Geschichte"<br />

25, 1945. 12) Beschreibung des Oberamts Münsingen, 1912<br />

S. 825. ") Otto Feger, Die Chronik des Klosters Petershausen, 1956<br />

Seite 45. ») König-Müller, Die Zwiefalter Chroniken, 1941, S. 352.<br />

15) Continuatio casuum st. Gallen in „Mitteilungen z. vaterländischen<br />

Geschichte" v. St. Gallen XVII, 1879, S. 103. i») J. N. von Vanotti,<br />

Geschichte der Grafen von Montfort, 1845, S. 18, Anmerkung 1.<br />

17) Schwarzmaier, a.a.O.: Karte Seite 176. >3) Stammtafel in Hohz.<br />

Jahresheft 1956, Seite 124. Die Jahrzahl 1182 in Note 6 ist keineswegs<br />

sicher. Die Urkunde könnte auch einige Jahre später, aber<br />

vor 1191, entstanden sein.<br />

Hohenzollerische Studenten auf der Universität Siena<br />

Ausgezogen von M. Schaitel<br />

Zu den von deutschen Studenten am meisten aufgesuchten<br />

Universitäten Italiens gehörte neben Bologna und Padua die<br />

Hoschchule Siena, südlich von Florenz, gegründet im 13. Jahrhundert.<br />

Die uns erhaltene Matrikel der Deutschen Nation<br />

umfaßt 166 Jahre, von 1573—1738. Der zeitliche Endpunkt<br />

erklärt sich aus dem Erlöschen der Organisation der deutschen<br />

Studenten, deren Zustrom seit dem letzten Jahrzehnt<br />

des 17. Jahrhunderts immer spärlicher wurde und schließlich<br />

ganz versiegte.<br />

In der Fürsten - und Herrenmatrikel sind eingetragen:<br />

1624 Itelius Fridericus cardinalis de Z o 11 e r n, 10 sc.<br />

(Skudi).<br />

1696 Meinardus Carolus Antonius s. R. i. princeps de<br />

Hohenzollern Sigma ringen,.<br />

In der Matrikel der Grafen und Freiherrn werden<br />

aufgeführt:<br />

1601 Ithelius Fridericus comes ab Hohenzollern can.<br />

Coloniensis et Eystettensis ser. dorn, nostri Clementis<br />

VIII. camerarius secretus cardinalis et episcopus Osnabrugensis<br />

praepositus Coloniensis.<br />

1601 Ernestus Georgius comes ab Hohenzollern.<br />

1617 Eitelius Fridericus comes ab Hohenzollern.<br />

In der Matrikel des niederen Adels und der Bürgerlichen<br />

werden genannt:<br />

1575 Christophus Gremiich a Jungingen Hasenweiller<br />

et Betenreitin fürstlich-constanzischer Erbkämmerer<br />

- 12. Jan - 1 sc.<br />

157b Hieronymus Stor ab Ostrach jur. utr. dr. reverendissimi<br />

illustrissimi Bambergensis episcopi consiliarius et<br />

in spriritualibus vicarius generali: etc. - 1 sc.<br />

1580 Joannes Hieronymus Stor ab Ostrach iur. utr. lic. 3.<br />

Jan. - 1 sc.<br />

1580 Joannes Laurentius Stor ab Ostrach - 2 sc.<br />

1600 Johannes Stotzius Enganus decanus et parochus<br />

Haigerlochanus - 23. Apr. - '/a sc.<br />

1580 Joannes Casparus a Neineck - 18. Jun. - 2 sc.<br />

1590 Hans Conrad von Neuneck - 31. Jan. - 1 sc.<br />

1604 Joannes Henricus a Neyeckh - 21. Nov. - Vz sc.<br />

1609 Rudoiphus a Neuneckh - 6. Jan. - 6. jul. (= julius).<br />

1613 Wildhans a Neyneckh Hertz-Sylvanus Suevus -<br />

31. März - 1 cor. (= Corona).<br />

1624 Alexarider de N o y n e c k h - 27. Dez. - 1 cor.<br />

Noch zwei Beispiele für Haberhurm<br />

Das Protokoll Gutenstein von 1620 im Archiv des<br />

Schlosses Langenstein berichtet S. 7: Kauf abrede und Leibg<br />

e d i n g zwischen Jakob Kemmerle zu Gutenstein und Hans<br />

Kienle, dem der erste seinen Erblehenhof anno 1619 (wohl<br />

Frühjahr) verschreibt: „Das Leibgeding soll auf Weihnachten<br />

1619 anfangen, ausgenommen daß das jährlich zu stellende<br />

Korn erst angehen soll, wenn der Käufer selber auch Korn<br />

schneidet. Denn dieser zieht jetzt gleich lediglich die<br />

Haberhurm an sich, der Verkäufer aber hat noch den<br />

Winterbluomen im Feld auf seine eigenen Kosten zu schneiden,<br />

aber der Kienle sie ihm gegen Stellung des Strohes und<br />

Brietses heimzuführen."<br />

Daselbst S. 36: „Hans Huckle der alte Fischer von Gutenstein<br />

verkauft seinem gleichnamigen Sohn am 5.<br />

Oktober 1621 sein Erblehengütle, doch hat der Vater den<br />

Wintersamen im Feld einzuschneiden vorbehalten, daß der<br />

Sohn erst auf künftiges Frühjahr in die Haberhurm<br />

stehen soll" (d. h. Besitzer der Haberhurm werden soll,<br />

da der Vater über Winter noch davon brauchen darf).<br />

Aus den 2 Beispielen ergibt sich, daß die Haberhurm nur<br />

den Habervorrat auf der Bühne (nicht im Feld) bedeuten<br />

mag. — Die Nachweise verdanke ich wieder meinem Confrater<br />

Willy Burth-Freiburg. — Vgl. Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1962,<br />

63 und 1963, 24. Krs.


:(28 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Die nachfolgenden Erinnerungen an Pater Desiderius<br />

Lenz wurden 1930 geschrieben und mir von Frau Johanna<br />

Eubser-Bantle zur Verfügung gestellt.<br />

Der Malermönch<br />

von Kunstmaler Hermann Anton B a n 11 e t<br />

Martha Schneider-Schwärtzel.<br />

Lenz studierte in Berlin ausschließlich vorchristliche Kunst<br />

in dem dortigen reichhaltigen ägyptischen Museum<br />

Im gleichseitigen Dreieck und dem Hexagramm, dem<br />

sechsstrahligen Stern als Verbindung zweier gleichseitiger<br />

Dreiecke, fand Lenz nun das Urmaß der Verhältnisse, ~un 1<br />

des normalen menschlichen Körpers. Schon Leonardo da<br />

Vinci und Albrecht Dürer hatten sich um einen Kanon heiß<br />

bemüht, den Lenz nun, wie er selbst sagt, in Berlin gefunden<br />

hat. So hoch wissenschaftlich und durchaus überzeugend<br />

dieser Kanon ist, kann er doch für den bildenden Künstler<br />

nur in Verbindung mit einem Studium an der lebenden Natur<br />

ein beschränktes Hilfsmittel bleiben. Ja, bei mißverstandener<br />

Anwendung desselben kann er sogar das Kunstwerk<br />

schematisieren und ihm das Innenleben zunichte machen.<br />

Für Lenz selbst war er ein Universalmittel geblieben,<br />

ein „instrumentum sanctum".<br />

In Berlin fand er weniger Anschluß an die Zeitkunst. Das<br />

Opus, das er im Donautal vollendet hatte, sagte ihm doch zu<br />

sicher, daß sein Wollen richtig fundiert sei. Er war davon<br />

absolut überzeugt. Das Urteil der Welt durfte ihn nicht mehr<br />

berühren, noch ihn zu Konzessionen an die Zeit verleiten.<br />

Sein Genius war zeitlos, wie seine Kapelle namenlos in den<br />

endlichen Raum gestellt blieb. Zeit- wie namenlosen Werken<br />

steht die Menschheit feindlich gegenüber, sie betrachtet den<br />

zeugenden Künstler als den an sie verpflichteten Diener.<br />

Lenz aber wollte nie Menschendiener sein. Seines Schaffens<br />

Ziel war Gottesdienst.<br />

Mit dem Auffinden des Kanons, des Urmaßes aller großen<br />

Kunst, erreichte sein Wollen erst eine Norm. Seine Unruhe,<br />

die ihn durch Welt und Kunst trieb, bekam gewissen<br />

Ausgleich.<br />

Oft und intensiv hatfc; er mit dem Freunde Wüger in<br />

München und insbesondere zu Rom Pläne besprochen — eine<br />

Kunstschule auf religiöser Grundlage zu gründen. Die ehemalige<br />

Lukasgilde in Rom und eine angestrebte Vereinigung<br />

religiöser Künstler die zu St. Isidore in Rom jene Idealistengruppe<br />

der Nazarener versuchten und nicht voll zu verwirklichen<br />

vermochten, schwcbten den beiden Freunden vor, anderen<br />

Bekannten lag ein ähnliches Wollen im Sinn.<br />

Auf der Insel Reichenau, woselbst die Familie der Malerin<br />

Bensinger ein größeres Haus besaß, war die Neugründung<br />

einer derartigen Schule für christliche Kunst auch viele Jahre<br />

ernstlich erwogen worden. Das Schloß Meersburg plante man<br />

als ihren ständigen Sitz.<br />

Doch derartige Ideale sind meist schwer oder nie realisierbar.<br />

Nun sandte Gott selbst diesen Zweien seinen Willen, indem<br />

er sie nach Beuron brachte. 1872 treibt es Lenz von<br />

Berlin nach Nürnberg. In demselben Jahr sieht er wieder<br />

seine Kapelle, klopft an die Klosterpforte und bittet den<br />

zum Abte geweihten ordinierten Pater Maurus Wolter um<br />

Aufnahme, um als Oblate in künstlerischer Betätigung dem<br />

Orden dienstbar zu werden.<br />

Was wollte er, der Führer, ohne den Freund, der ihn so<br />

außergewöhnlich verstanden hatte, machen? So kam er zu<br />

dem Freunde zurück, der wiederum ohne seinen Führer<br />

nichts Großes hätte senaffen können. Zartfühlender veranlagt,<br />

hatte er rascher als Lenz den Willen Gottes verspürt<br />

und trat schon nach Beendigung der Kapellenmalung in<br />

Beuron als Mönch ein. Mit dem Erfolg des Kanon ausgereift,<br />

war Lenz ein Vollendeter, der sich leichthin der Welt, die<br />

ihm nichts Weiteres mehr zu geben vermochte, entziehen<br />

konnte. So war er heimgekehrt zu seinem Geisteskind, zum<br />

Freunde und zu den Gönnern seiner Kunst, an die Stätte,<br />

die Gott ihm bestimmt hatte. Er war hier mehr als ein bildender<br />

Künstler, er sollte vielleicht unbewußt, mithelfen,<br />

die Beuroner Kongregation und ihre Sendung zu verwirklichen.<br />

Lenz wurde Mitbegründer von Beuron. Beuron<br />

bekam durch seine Kunst einen eigenen Namen.<br />

Man darf nicht annehmen, daß seine Ideen und Pläne die<br />

unumschränkte Billigung oder gar jene künstlerische Freiheit<br />

erhielten, die seiner Schöpfernatur zugestanden hätten.<br />

Ungeheuerliche Hemmungen und Verdemütigungen mußte<br />

dieser Genius von seinen unbarmherzigen Auftraggebern<br />

hinnehmen. Keines seiner größeren Projekte blieb ungerupft,<br />

immer kamen nur Stückwerke davon in Ausführung.<br />

Leider nie ein Bauwerk.<br />

Lenz war mit seiner Kapelle seiner Zeit ein halbes Jahrhundert<br />

vorausgeeilt. Der Gründer Beurons, der kluge und<br />

fromme' Erzabt Maurus fühlte wohl die geistige Macht, die<br />

diese eigenartige Kunst für seine Neugründung bedeuten<br />

konnte und war oft von ihrer Originalität mitgerissen. Als<br />

geborener Rheinländer aber fundierte seine xvunstanschauung<br />

in der Aera des einflußreichen August Reichensberger.<br />

Für ihn gab es nur eine kirchliche Kunst, das Mittelalter.<br />

Durch seine Kunsterziehung, die in der Gotiknachbildung,<br />

wie sie am Rhein länger und intensiver als sonstwo geduldet<br />

war, bedingt, mußte der Abt nur zu oft gegen Entwürfe von<br />

Lenz trotz oder wegen ihrer absoluten Neuheit und Urtümlichkeit<br />

einschreiten und ihre Ausführung unterbinden, aus<br />

Sorge, dem werdenden Konvent allzuviele Feinde zuzuziehen.<br />

Lenz hatte von Anfang seines Lebens den benediktinischen<br />

Geist als Gottesgabe in sich. Der neuen Benediktinergründung<br />

in Beuron eine eigene künstlerische Form zu geben,<br />

war seine Mission. Wüger half ihm.<br />

Verschiedene Fresken in den Klosterräumen künden ihre<br />

Tätigkeit: zwei im Klaustrum gemalte Engel, knieend, von<br />

wunderbarem Duft, der eine von Lenz, der andere von Pater<br />

Gabriel Wüger, voll zartester Empfindung in nassen Kalk<br />

gemalt, und zwei gute Kompositionen im Refektorium stammen<br />

aus dieser Zeit. Sie tragen starke Anklänge an Fra Angelico<br />

und sind von auffallender Linienreinheit und Farbgebung.<br />

Sie wurden nur ausgeführt, weil es derzeit in Beuron<br />

keine künstlerischen Aufträge gab. Man mußte recht sparsam<br />

leben.<br />

Damals, gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts, ging<br />

jene unglückliche Bewegung gegen die mißverstandene Barock-<br />

und Rokokokunst durch Deutschland. Mail purgierte<br />

Kirchen und Klöster von dieser „verweltlichten" grandiosen<br />

Kunst. Neugotisch war das Schlagwort, das Reichensberger<br />

und seine Anhänger durch ganz Deutschland schleuderten.<br />

An die Stelle origineller Altäre, Beichtstühle und Skulpturen<br />

stellte man gefühllos hochhinaufragende Holzaltäre einer<br />

geistlos nachgemachten Schreinergotik in den Kirchenraum,<br />

die ebenso mit Lineal und Winkelmaß zusammengesägt und<br />

aneinandergeleimt blieb wie der zirkelgerechteste aller gotischen<br />

Bauwerke, der Kölner Dom, der durch Reichensbergers<br />

Bemühungen in jener Zeit seine beiden Turmhelme bekommen<br />

hat.<br />

Unschätzbare künstlerische Werte vernichtete man für<br />

wertlose Surrogate, die von jedem talentlosen Menschen ausgeführt<br />

werden konnten und durften. Es war die tiefste<br />

Verfallzeit christlicher Kultur, der unsere Vorfahren wie<br />

einer Hypnose so leichthin anheimfielen.<br />

Auch ins Donautal hinein wehte es diesen barock- und<br />

rokokofeindlichen Geist. In der Begabung von Lenz lag<br />

ohnehin schon eine Gegenstellung gegen die willkürlichen<br />

Ausklänge der Spätrenaissance. Seine Absicht, das Innere<br />

der rokokosierten Klosterkirche in seiner Art umzugestalten,<br />

fand zunächst kein günstiges Echo. Er plante eine totale<br />

Umstellung der Kirche. Der Haupteingang sollte von der<br />

Straße, neben dem „Gasthof zum Pelikan" durch das vorhandene<br />

Chor kommen. Nach hinten wollte er eine ganz neue<br />

Choranlage über den Gottesacker legen, die in großen Ausmaßen<br />

den liturgischen Gottesdiensten mehr Raum geboten<br />

hätte.<br />

Dieser ausgearbeitete Plan, den man begründen, verstehen<br />

und möglich halten konnte, blieb damals unausgeführt. Es<br />

fehlte an Verständnis, an Mut und an Geld.<br />

Zu Rom, wo der hochgelehrte Erzabt Maurus lange weilte,<br />

hat gewiß der rheinische Gotikgeist, den seine Zeit und <strong>Heimat</strong><br />

ihm anerzogen, einige Breschen erlitten. Das neue Rom<br />

ist ja die absolute Renaissance-, die Barockstadt schlechthin.<br />

Das Barock nahm seinen Weltlauf von Italien, und kein<br />

Mensch hätte dort an heiligster Stätte behaupten mögen, daß<br />

diese gewaltige Kunst weniger kirchlich sei als die mittelalterliche.<br />

— Als Maurus Wolter das leerstehende Augustinerchorherrenstift<br />

im einsamen Donautal zum erstenmal sah,<br />

schrieb er an die Fürstin Katharina in einem ausführlichen<br />

Bericht: „Schön ist die Sakristei — prächtig die Kirche!"<br />

Abt Maurus wie Fürstin Katharina standen jeder Aenderung<br />

der Beuroner Kirche ablehnend gegenüber und hatten<br />

allen von Lenz vorgebrachten einfacheren Umbauplänen die<br />

Zustimmung versagt. Da ließ Lenz, der als Laie im Kloster<br />

lebte, sich verleiten, mit einem sehr energischen jungen<br />

Mönch, Pater Hildebrand de Hemptinne aus Belgien, der<br />

später als Abtprimas in Rom starb, während des Mittagsmahles<br />

der Mönche am 12. August 1872 den herrlichen Stuckhochaltar<br />

zusammenzuschlagen. Auf solch ein impulsives, unüberlegtes<br />

Treiben war kein Mensch gefaßt, Das Kircheninnere<br />

mußte nun doch umgeändert und der unruhige Geist<br />

des Künstlers beschäftigt werden. Nicht lange vorher hatten


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 29<br />

noch Josef Back von Sigmaringen, der ein geborener Haigerlocher<br />

war, diesen herrlichen Rokokoaltar photographisch<br />

festgehalten. In meines Großvaters Nachlaß waren diese drei<br />

guten Aufnahmen vorhanden.<br />

Der Altar wird wohl eine der besten Arbeiten des vortrefflichen<br />

süddeutschen Stukkateurs Feichtmayer bedeutet<br />

haben. Er stellte eine Maria Himmelfahrt dar, und ging teilweise,<br />

wie es im Rokoko üblich war, in ein Tafelbild über,<br />

auf dem die Apostel vor dem leerstehenden Grabe gemalt<br />

waren.<br />

Die Rokokokirche wurde dann nach Plänen von Lenz umgestaltet<br />

soweit die vorhandene Architektur dieses Umändern<br />

zuließ. Im Chor kamen Gemälde von Pater Gabriel Wüger<br />

als provisorische Leinenwände zur Aufstellung.<br />

Man darf annehmen, daß weder Lenz selbst noch sonst<br />

jemand diese Umgestaltung der Beuroner Klosterkirche als<br />

befriedigende oder gar beglückende Tat begrüßte. An Unglücklicherem<br />

hat sich Lenz — Gott sei es gedankt — nie<br />

mehr betätigt. Es war und blieb die unglücklichste Tat seines<br />

Lebens, die man ihm verzeihen muß, die man aber schwer<br />

verstehen kann, weil sie eine Einheit zerstörte, die jetzt<br />

nicht mehr ist.<br />

Durch einen dunkelgetönten Anstrich mit dem man den<br />

ganzen Kirchenraum und die ursprünglich licht gehaltenen<br />

Stuckornamente belegte, hat man die farbfrohen Deckengemälde,<br />

kunsthistorisch gut, wie vernichtet. An der Chordecke<br />

sind überhaupt Stuck- und Fresken abgetragen. Durch Emporeverschalungen,<br />

An- und Einbauten wurde dem Raum<br />

viel Fremdes zugetragen, das unharmonisch in Wirkung tritt.<br />

Allgemein wird eingewendet: „Barock und Rokoko sind oft<br />

nur theatralisch aufgebauscht". Aber es gibt mehr Menschen<br />

als man annimmt, die zu ihrer innerlichen Erhebung diese<br />

Kunst benötigen.<br />

Oder man hört sagen: „Barock und Rokoko haben viele<br />

gotische Kirchen in ihrem Zeitstil geändert." Das bleibt wahr!<br />

Aber jene Barockmenschen waren Kraftnaturen erster Ordnung.<br />

Sie besaßen Gnade und Phantasie, das mittelalterliche<br />

Gehäuse so zu meistern, daß es wie aus ihrem Fleisch und<br />

Blut gewachsen schien und aus ihrem mächtig pulsierenden<br />

Inneren eine neue Totalität ergeben mußte. Diese Kräfte<br />

haben weder die Neugotiker am Rhein, noch Peter Lenz gehabt.<br />

Die Zeit war dazu zu innenkühl geworden. Heute erkennt<br />

man, daß mehr zerstört als gut gemacht worden ist.<br />

Was an der Beuroner Kirche geändert wurde, ist zu wenig,<br />

um für den strengen Stil von Lenz einen Eindruck zu vermitteln.<br />

Und es ist zuviel, um die Einheitlichkeit der Rokokoanlage<br />

noch wirksam werden zu lassen. So bleibt eine Dissonanz<br />

bestehen, die in jeder neueren Zutat erweitert wurde.<br />

Der Kulturkampf kam. die Mönche wurden vertrieben. Sie<br />

gingen nach Oesterreich und einige blieben in Laiengewändern<br />

als Gärtner, Oekonom, Hofkaplan der Fürstin, Pfarrer<br />

Lehrer im Kloster als Hüter des Hauses zurück. Lenz und<br />

Pater Gabriel Wüger m't Lukas Steiner wurden während der<br />

Kulturkampf jähre in das Erzkloster des Ordens nach Monte<br />

C a s s i n o beordert, um dort den ältesten Klosterteil,<br />

die sogenannte Torretta mit Fresken und Plastiken zum<br />

vierzehnten Jahrhundertjubiläum von St. Benedikts Geburt<br />

zu schmücken.<br />

Zehn Jahre später, nachdem er die St. Mauruskapelle gebaut<br />

hatte, befindet sich Lenz nun hier auf hohem Berge.<br />

Er sieht hinab in geweitetes Land, auf der Menschen Dörfer<br />

und Städte, hinein in die Abruzzen und hinüber ans Weltmeer<br />

nach dem Golt von Gaeta in ein wahres Paradies. Unter<br />

sich das Tal des Liris, das langgedehnte Felsennest Roccasecca<br />

neben Aquin, wo St. Thomas geboren. „Es ist sehr<br />

schön in Monte Cassino und die Aussicht erhebend, dabei<br />

immer die angenehmste Temperatur", schrieb er mir einmal.<br />

Er, der auf tief herbem, sonnenarmen Talkessel wie aus<br />

der Menschen Niederungen höher und höher stieg, legt in<br />

der hellen Höhe am ] 5. August 1878 seine geistigen und körperlichen<br />

Kräfte in die Hände des altehrwürdigen Ordens<br />

und verpflichtet sich durch Gelübde, ein Benediktiner auch<br />

der Regel nach zu werden. Man gab ihm den auf dem Monte<br />

Cassino hochangesehenen Namen Desiderius als besondere<br />

Auszeichnung.<br />

Im Jahre 1066 residierte hier jener kunstsinnige und<br />

kunstfördernde Abt Desiderius, nachmaliger Papst Viktor<br />

III., der die herrlichen Erztüren der Mutterabtei-Kirche zu<br />

Konstantinopel anfertigen ließ, auf deren Fläche alle Besitzungen<br />

der Abtei in silbernen Lettern eingelassen sind.<br />

Lenz, zu demütig, um Priester zu werden, wollte seine<br />

Kräfte der Kunst allein lassen und blieb Frater. Erst viele<br />

Jahre später gab man ihm noch die Subdiakonatsweihe.<br />

Die zu ebener Erde gelegenen Gemächer der Torretta, die<br />

noch aus der Zeit des Mönchpatriarchen St. Benedikt stammen<br />

sollen, haben meist sehr beschränkte Lichtquellen. Alle<br />

Wandungen und Decken dieser Räume sind vollständig mit<br />

Malereien bedeckt, die in nassen Kalk gemalt sind. Das Leben<br />

und Werden des Ordensstifters, der zu Monte Cassino<br />

seinen Orden gründete und die Regel schrieb, auch daselbst<br />

begraben ist, ergab in zahlreichen Bildfolgen eigenartige<br />

Darstellungen als Wandfries wie auch in vielfarbigen großen<br />

Fresken geschildert.<br />

Es ist beachtenswert, welch reiches Fabuliervermögen hier<br />

Lenz offenbart und wie tiefsinnig er das Leben St. Benedikts<br />

und der Benediktiner überhaupt zu schildern vermag. In<br />

einfachen, oft von klassischem Rhythmus gebauten Kompositionen<br />

stehen die Bilder als Wandfriese auf einem gelblich<br />

getönten Hintergrunde. Die Figuren sind nur mit Umbra auf<br />

den hellen Wandton gezeichnet, um als ein Präludium, jene<br />

größeren Wandbilder der Einzelzellen, die starkfarbig gemalt<br />

sind, zu hoher feierlicher Wirkung zu steigern und aufleuchten<br />

zu lassen.<br />

Wer das Leben des Ordensstifters St. Benedikt so vielseitig<br />

und reich zu illustrieren vermag, wie er es in den<br />

Zellen der Torretta zu Monte Cassino und an der St. Mauruskapelle<br />

verstanden hat, der kommt aus einer poesiegeschwangerten<br />

Welt.<br />

Lenz kam aus dem Barock. Hier enthüllt er die in seiner<br />

Jugend und kunstgerichteten <strong>Heimat</strong> eingesogene Poesie und<br />

geschwellte Rokokophantasie zu hoher Reife und Dankbarkeit,<br />

wie sie aus der klassischen Regel St. Benedikts reichlich<br />

sprudelt, die ein Kunstwerk selbst ist und bleibt, entsprungen<br />

aus der römischen Hochkultur als hohe Geistes-<br />

Schöpfung.<br />

Vom Burladinger Kirchenpatron<br />

Gemeint ist natürlich der Schutzheilige der alten Pfarrkirche,<br />

und dies ist St. Georg. Manche meinen, er sei vom<br />

Kloster Reichenau hier eingeführt worden, das nach Gallus<br />

Oeheim Besitz in Burichingen vom Grafen Gerold vor 799<br />

erhielt. Der Burichingen ist nicht identisch mit unserem<br />

alten „Burdiaidingen", vielmehr irgendwo in der Gegend<br />

abgegangen. Andere Anhaltspunkte hat man nicht. Vielmehr<br />

kann St. Georg schon vor Gründung Reichenaus (724) Schutzherr<br />

geworden sein, wie z. B. in Diemaringen im Elsaß schon<br />

vor 712. Elmar Blessing vermutete in seiner Doktorarbeit<br />

„Die Kirchenpatrone im Kreis Hechingen" als ältesten Schutzherrn<br />

Burladingens den hl. Martin, weil in Bickelsbergs<br />

Lagerbuch von 1435 einige Grundstücke als „st. Martin zugehörig"<br />

bezeichnet werden. Allein diese scheinen noch kein<br />

hinreichender Beweis zu sein, da ja in Ringingen und Ebingen<br />

der hl. Martin Patron ist und auch vielleicht im abgegangenen<br />

Maigingen gewesen sein kann! Blessing meint jedoch,<br />

die von ihm angenommene Pfarrkirche St. Martin zu Burladingen<br />

habe im Römerkastell auf der Schlichte gestanden,<br />

Sie sei identisch mit dem Kapellchen, dessen Dachwasser<br />

nach Merians zollerischer Landtafel auf einer Seite<br />

zu Starzel-Neckar-Rhein, auf der andern Seite zu Fehla-<br />

Lauchert-Donau geflossen sei. Blessing baut seine Theorie<br />

auf einen Eintrag in Hagens Lagerbuch von 1544 (fürstl,<br />

Archiv Sigmaringen): „Ein Wiespietz, genannt Sant Martins<br />

Bürg". Dieser Eintrag könne sich nur auf die genannte<br />

Kapelle beziehen, deren Patron unbekannt ist. Damals im<br />

16. Jahrhundert müßten die Reste des Römerkastells noch<br />

so weit erhalten gewesen sein, daß sie von der Bevölkerung<br />

für Reste einer Burg gehalten und nach der darin stehenden<br />

Kapelle „St. Martins Burg" genannt wurden.<br />

Somit nimmt Blessing an, es handle sich um die älteste<br />

Pfarrkirche von Burladingen, eine Martinskirche. Allein<br />

dies sind doch leere Vermutungen! Denn einmal<br />

stand die Kapelle gar nicht in dem Kastell, sondern<br />

weiter nördlich dort, wo die Markungsgrenze den heutigen<br />

Bahneinschnitt schneidet. Dann ist der Platz viel zu weit<br />

vom alten Dorf Burladingen entfernt. Ferner hat Blessing<br />

gar nicht die ganze Stelle 1 ) im genannten Lagerbuch beachtet,<br />

wo es heißt: „Ein Wiespietz, genannt Sant Martins Bürg<br />

an Sant Peters Wieslin, ist verloren", d. h, man wußte<br />

1544 nicht mehr, wo dieses Grundstück einer älteren Beschreibung<br />

lag! Also ist es mit den Kastellruinen um 1544<br />

nichts! Das St. Peter-Wieslin deutet vielmehr in die Nähe<br />

Gauselfingen s, und da kein Esch angegeben ist,<br />

ins Gebiet des westwärts gelegenen Forsts! Dort im sog.<br />

„Schwandach" hatte St. Peter zu Gauselfingen 1486 eine<br />

Mannsmahd Wiesen neben einem Manne Ragor. Und endlich<br />

wissen wir gar nicht, ob „St. Martins Bürg" nicht einfach<br />

ein Grundstück mit einer Birke bzw eine „Bürgschaft"<br />

meinte! Krs.<br />

i) Hagens Band Burladingen S. 67, wie Herr Archivrat Dr. H. Seigel<br />

mir mitzuteilen die große Güte hatte.


:(30<br />

HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Grosselfinger Flurnamen<br />

von Josef S t r o b e 1<br />

29. Homburg, auch Hein- oder Heimburg genannt, ist<br />

die Burg im Hain, wobei das n zu m dissimilierte; aber auch<br />

das ai oder ei wurde durch denselben Vorgang zu o (im<br />

Dialekt zu oa).<br />

30. H u d e 1 g ä u ist der euphemistische Name für eine<br />

kleine Gasse, die vom Schrieth zum Wolschbrunnen führt.<br />

Das Wort Hude] kommt von hudeln = schnell und oberflächlich<br />

arbeiten. Das Substantiv davon heißt H u d 1 e r,<br />

und eine Fruchtsense, mit der man schnell arbeiten kann,<br />

heißt H u d e 1. Hudler sind im allgemeinen keine zuverlässigen<br />

Menschen; sie kommen dadurch in sozialer Hinsicht<br />

rückwärts und landen schließlich in kleinen Bodenhäuschen<br />

oder Bauden, die an Gassen stehen, die man mit diesem<br />

Namen kennzeichnet.<br />

31. Kaniterwald. Das ist der 20 Jaucherten große<br />

Wald in den Münch - oder Mönchwi :sen, der einst<br />

den Karmelitern in Rottenburg gehörte. 1760 steuerten<br />

sie der Gemeinde Grosselfingen als Fronanteil quartaliter 59<br />

Batzen, iVa hl, also umgerechnet 3 fl 57 Batzen, an Steuern<br />

36 Batzen, in Hundsgeld 20 Batzen und an Contierungs- das<br />

heißt Quartiergeld 30 Batzen.<br />

32. Das Kearle war einst ein Graben auf der Hochwacht,<br />

in den man im Herbst Kartoffeln, Rüben usw. für<br />

die Wildschweine eingraben mußte. Der große Wald nördlich<br />

von Grosselfingen wurde von dem Fürsten Joseph Wilhelm<br />

(1717/1798) in einen Wildpark verwandelt und von<br />

einem Zaun umgeben, der 9500 fl kostete. Das Futter,<br />

namentlich für die Wildschweine, mußten die Bauern stellen.<br />

Durch diesen Park sollte der seit mehreren Jahrhunderten<br />

dauernde Streit um die „freie Pürscn" gelöst werden,<br />

was aber keineswegs der Fall war und Anlaß zu neuen<br />

Streitigkeiten gab.<br />

33. K o h 1 g r u b e. So nennt man eine trogartige Stelle<br />

im Hannaberg. Bei Wilflingen (siehe Walter: Hohenz.<br />

<strong>Heimat</strong> 1956 S. 18) gibt es auch eine Kohlgrube, in der vor<br />

100Jahren der Versuch gemacht wurde, die Gagatkohle<br />

zu fördern. Dazu Kohlwald und Kohlplatte, wo einst<br />

Kohlenmeiler standen. Das Wort Gagat ist griech. Herkunft<br />

und heißt dort „gagates" = steinhartes Erdpech, zuerst gefunden<br />

bei der Stadt Gagai in Lykien. Im franz. heißt sie<br />

„jais" = Pechkohle, auch schwarzer Bernstein<br />

34. Kreut ist Kurzname für gerodeten Wald im Tal;<br />

dazu Kreutrain.<br />

35. und 36. Langenacker, Krumm enacker und<br />

Langgasse erklären sich selbst.<br />

37. M a d a c h (abgegangen). Der Name kommt von marach<br />

nasse Wiesen. Vermutlich lag die Madach im Tal, westwärts<br />

vom Weihroale.<br />

38. Der M o o 1 a c k e r ist ein kleineres Ackerfeld im<br />

Homburger Esch. Der Name bezieht sich auf ahd. mool =<br />

weich und locker (s. Nr. 100).<br />

39. O h n e t, auch Wunet, ist Kurzname für Hohnhart<br />

oder Hohenhart, wie das Gelände noch 1544 genannt<br />

wurde. Die Ohnet liegt dorfwärts vor dem „Härle", mit dem<br />

es einst einen Wald bildete.<br />

40. Pfaffengarten. So nennt man das kleine Tal am<br />

Gießenbol, das bis zum Geißapfel (= Steilabfall) reicht.<br />

Das Wort Pfaffe kommt nicht vom lat. papa = Vater, sondern<br />

ist aus dem Griechischen über das Gotische in unsere<br />

Sprache eingedrungen, mit dem man einen niederen Kleriker<br />

bezeichnet. Dazu gehört auch das Wort Pope, was der<br />

Titel eines orthoxen Geistlichen ist. Das Tälchen gehört heute<br />

zum Pfarrgut, hieß aber vorher „Schalksgrund".<br />

Wahrscheinlich gehörte das Tälchen zu der Beginensied-<br />

1 u n g, die m. E. dort auf dem Hügel stand und von der<br />

heute im Rechteck gelagerte Steine Zeugnis geben. Das Andenken<br />

an sie ist auch heute noch nicht erloschen. Aeltere<br />

Leute reden von „grauen Schwestern" in Bezug auf<br />

deren Kleidung (siehe Ziffer 50).<br />

41. Hannaberg ist m. E. Kurzname für Hainbuchberg<br />

Daß aber das Waldstück „Hannaberg" heute mit Tannen<br />

bepflanzt ist, so könnte auch die Tanne den Namen gegeben<br />

haben. Im Besitzbuch von 1760 bildete das Gelände „Hannaberg"<br />

eine „besondere Bemarkung".<br />

42. Rieten, Dies ist das weite, größtenteils Wiesengelände<br />

nördlich vor dem westlichen Teil des Bisingerberges.<br />

Es ist in eine Reihe von Unterfluren eingeteilt. Man sagt:<br />

in, vor, hinter, auf, ob und unter Rieten, im Rietengarten,<br />

Hinterrieten, in Rieten über dem Bühl, im oder beim Rietenwäldle,<br />

hinter Rieten am Wasen, hinter Rieten der Spitza<br />

ker, hinter Rieten der Burzen-, Bunzen- und Binzenwasen,<br />

hinter Rieten bei der Lucken ( = Oeffnung in einem Hag),<br />

hinter Rieten beim Eichle, hinter Rieten am Haag und hinter<br />

Rieten der Steinbühl, in dem der Herrenbach entspringt.<br />

Das Wort Burzen ist mhd. borzen; von bor = empor, mdh.<br />

inbore = in der Höhe. (Die in bore = oder Empor = oder<br />

Vorbühne in der Kirche oder eine Galerie). Der Burzenwasen<br />

ist demnach ein erhöhter Rasen. In Rieten bei der Lucken<br />

stand um 1500 ein Aussenhof.<br />

43. Rausagata = Rausengarten hat nichts mit den Rosen,<br />

Rossen oder ötzen zu tun, sondern ist, wie las Hagensche<br />

Lagerbuch von 1544 eindeutig ausweist, des Parrs Roßgarten",<br />

das heißt des Pfarrers „Roßwagergarten". Dtr<br />

Roßwagerwein war, wie aus den herzoglich-württemb^rgischen<br />

Kellerrechnungen hervorgeht, ein Festwein (Fischer,<br />

Schwäb. Mundart von 414); die Roßwager Rebe Wird noch<br />

heute im Weingut des Johann Lämmle in Stuttgart-<br />

Feuerbach angebaut. Lämmle nennt die Rebe zw=r „Riesling".<br />

Ich bin aber der Ansicht, daß er als Tiroler Burgunder<br />

zum blauen Trollinger oder Tiroler zu rechnen ist.<br />

44. Der Rohr- mundartlich Rauracker ist ein an<br />

einem ehemaligen Moor gelegenes Ackerfeld, in dem immer<br />

noch das Schilfrohr (Phragmites communis) wächst. Diese<br />

Pflanze hat eine stark amphibische Natur mit einem tiefgründigen<br />

Wurzelstock und gedeiht daher dort, wo das Moor<br />

schon längst verlandet ist.<br />

45. Westlich vom „dicken Boom", dem „Umlauf" zu, stand<br />

ehemals ein rot angestrichenes Feldkreuz, Davon sagt man<br />

noch heute „beim roten Kreuz". M. E, war es ein Kreuz<br />

zur Abwendung der Pest, wie sie früher immer an den<br />

Grenzmarken, hier dem „U m 1 a u f", das heißt der Grenzbesiichtigungslinie,<br />

errichtet wurden.<br />

46. Das Seagäßle. Die Flur, die man mit diesem<br />

Namen bezeichnet, ist i-elativ klein und liegt am Eingang<br />

zum „Tal". Eine besondere Bedeutung geht vom örtlichen<br />

Dialekt aus und Sdgt, daß der Name daher komme, weil<br />

dort einst eine Säge gestanden sei. Das Wort Säge werde<br />

aber Seag gesprochen; dazu seaga = sägen und Seagis =<br />

Sense. Diese dialektische Bemerkung ist richtig; aber es ist<br />

höchst unwahrscheinlich, daß auf dem in Frage kommenden<br />

und relativ kleinen Gelände jemals eine Säge alter Art, das<br />

heißt eine Sägevorrichtung mit sogenannten Böcken gestanden<br />

ist, weil dafür für die Säge und die zu sägenden Baumstämme<br />

gar kein Platz vorhanden war. Eine Säge mit Gatter<br />

und Wasserbetrieb war an sich scr in ausgeschlossen.<br />

In Frage kommt m. E. allein die Etymologie. Das Urwort<br />

von Säge ist ahd. sega, was schneiden heißt. Davon sind<br />

gebildet das Seach oder Pflugmesser vom lat. secum bzw.<br />

secare = schneiden. Vom secare kommt auch das franz.<br />

Scie = Säge, aber auch Gebirgsnamen, deren Grat sägeartig<br />

gezackt ist: Sierra Nevada, Sierra Sagra Sierra Alkaraz und<br />

Sierra Morena in Spanien und eine Sierra in Mexiko. Eine<br />

solche Sierra oder Säge bildet auch den Eingang zu dem<br />

Grosselfinger „S e a g g ä Ö 1 e". Da wir aber die paar Zacken,<br />

die man dort mit viel Phantasie sehen kann, nicht ausreichend<br />

für eine Flumamengebung halten, sind wir der<br />

Ansicht, daß das Grosselfinger Bestimmungswort „seag" in<br />

dem Flurnamen „Seaggäßle" zu dem keltischen bzw. gotischen<br />

sinquam, ahd. sincan — sinken, auch sickern, suttern<br />

und seihen zu stellen ist und dieses Gäßle, wie das größere<br />

„S i g e n t a 1" bei Weilheim eine Talsenke oder gar ein<br />

Taleinbruch ist. Als solchen kann man sich auch nur das<br />

„Z i e g e 1 w ä 1 d 1 e" im Tal vorstellen. Auch dieses ist ein<br />

Siken- oder eingebrochenes Tälchen, wobei der Anlaut s zu<br />

z assimilierte wie bei „Z i e 1 s c h e i t" was ja „S i 1 s c h e i t"<br />

heißt oder wie bei „Zusann", was man „Susan na"<br />

schreibt. Im weiten Umkreis vom „Ziegelwäldle" gibt es im<br />

Stubensandstein keinen Lehm zur Ziegelherstellung.<br />

Merkwürdige Sitte aus Oberharmersbach (Dek. Kinzigtal),<br />

vom dortigen Pfarrer bezeugt: Bei Totenämtern (Requiems)<br />

tragen die männlichen Anverwandten des Verstorbenen beim<br />

Opfergang in der Kiiche den Hutaufdem Kopfe!<br />

Grund und Alter des Brauches sind unbekannt. Wo existiert<br />

er sonst noch? Krs.<br />

Knochenschnitzerei, wie sie sich ähnlich auf der alten<br />

Fehlaburg bei Gammertingen fanden, sind bei Ausgrabung<br />

der Burg W a r b er g am Nordrand der Elms (Braunschweig),<br />

die 1199 zerstört wurde, zutage gekommen: Tiere, ein Burgturm,<br />

Armbrustschloß, ferner aus Eisen: Bolzen, Schere,<br />

Messer, Hufeisen, Sporen, Pfeilspitzen, Beschläge, Hammer,<br />

•-'chlüssel mit Schloß, und viele Tonscherben (Abbildung und<br />

Beschreibung in „Braunschweigisches Jahrbuch" Bd. 45, 1964,<br />

Waisenhaus-Druckerei Braunschweig. Offenbar sind solche<br />

Schnitzereien einst auf Burgen sehr beliebt gewesen und<br />

die Gammertinger „Schachfiguren" keine Ausnahmen! Krs.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 31<br />

Kalkreute, seit 1125 Reichenauischer Besitz<br />

In der Schenkungsurkunde des Rudolf von Rheinfelden an<br />

das Kloster St. Blasien vergabt dieser 1125 das Hofgut<br />

Schluchsee. Mit ihm treten als Schenker auf: Graf Otto und<br />

sein Sohn Friedrich Echebertus von Sachsen, Ita von Sachsen<br />

und von Birchdorf, Tuto von Wagenhausen und Hezelo, Vogt<br />

von der Reichenau. Sie gaben zum Heile ihrer Seelen St.<br />

Blasien und den Brüdern, die Gott ewiglich dienen, einhellig<br />

dieses Gut Schluchsee zu eigen.<br />

Dieses Gut bestand aus Teilen, die in der Nähe lagen,<br />

dann aber auch aus einem Teil, der der Kirche in der Reichenau<br />

gehörte, welchen aber Hezelo, der Vogt dieser Kirche,<br />

mit seinem eigenen Gut „R ü t i n bei O s t r a" vertauscht<br />

und gewechselt hat, um jenen dann St. Blasien frei übereignen<br />

zu können. Diesen Tausch haben der Markgraf von<br />

Almistorf, Bertold von Litzelstetten und Burkhard von Böhringen<br />

(„Beringen") an der Brücke bei Singen bestätigt.<br />

Außerdem waren bei diesem Wechsel zugegen: Eckhard,<br />

der Abt der Reichenau und Herzog Bertold und deren Leute,<br />

Freie und Dienstpflichtige und viele andere. Dieser Tausch<br />

wurde in gutem vereinbart und ohne Schaden der Kirche<br />

von Reichenau. (Dümge, Reg.-Bad. und Stumpf, Reichskanzler<br />

II. 272.)<br />

Ein Hezelo von Königseggwald bei Ostrach kommt schon<br />

bei der Gründung von St. Georgen (1085) vor und unser<br />

Hezelo dürfte ein Nachfahre dieses Hezelo sein, der das Gut<br />

Rütin bei Ostrach im Tausch mit Besitz im Schluchsee-Gebiet<br />

an das Kloster Reichenau übergab. Da wir bei Ostrach nur<br />

eine Reute, nämlich das hohenzollerische Kalkreute kennen,<br />

dürfte dieses wohl gemeint sein. Es geht aber auch aus<br />

der Urkunde hervor, daß an diesem Schenkungs- und<br />

Tauschbriefe hohe und höchste deutsche Adelige beteiligt<br />

waren, deren Beziehungen zu Herzog Bertold von Zähringen<br />

und zum „vorübergehenden" König Rudolf von Rheinfelden<br />

reichten. Der Name Königseggwald dürfte also auch in diesem<br />

Falle einen Hinweis auf die hohe Abkunft des Hezelo<br />

bieten, dem einst Kalkreute gehörte.<br />

Dr. W. Fauler, Bad Krozingen.<br />

Eine Burg Azilum bei Burladingen?<br />

Nach der Chronik des Mönches Berthold vom Kloster<br />

Zwiefalten (hgg. von König u. Müller, 1941, S. 211) schenkte<br />

„ein Otto von Urach zusammen mit seiner Gattin Tuticha<br />

vor dem J. 1138 dem Kloster einen halben Mansus ( l k Gut)<br />

in Burladingen, den jedoch Tutichas Bruder Konrad von<br />

A z i 1 u n wieder wegnahm". Die Herausgeber suchen diese<br />

Burg Azilun in Hohenzollern und vermuten darin Starzein,<br />

wobei sowohl die anlautenden ST als auch das R<br />

ausgefallen sein müßten. Das will jedoch nicht recht einleuchten,<br />

da der Ort Starzila schon um 1192 in den St.<br />

Georger Gründungsnotizen vorkommt. Vielmehr gab es bei<br />

Burladingen einst eine Flur „U f dem A z 1 e n b r u n n e n",<br />

der in der Hohz. <strong>Heimat</strong> 1957 S. 46 vom Jahr 1468 zitiert<br />

ist und mehrfach in Bertholds Hagens Lagerbuch von Burladingen<br />

von 1544 vorkommt. Das <strong>Heimat</strong>buch allerdings erwähnt<br />

nur einen Flurnamen (S. 40) „Apelbrunnen", der wohl<br />

richtig „Azelbrunnen" heißen müßte? Aber die Lage ist<br />

leider nicht angegeben. Auch war es mir vor 30 Jahren beim<br />

Durcharbeiten von Hagens Lagerbuch nicht möglich, den<br />

Brunnen zu identifizieren. Und doch könnte er m. E. sehr<br />

wohl einen Fingerzeig zum Auffinden der abgegangenen<br />

Burg geben. Einmal meinte ich, ihn in den Fluren gegen<br />

Gauselfingen suchen zu müssen, später wieder dagegen in<br />

Richtung Hausen i. K. Dort liegt über dem Wegrain der<br />

Hausener Kapf mit einer namenlosen Burgstelle und am<br />

nördlichen Abhang gegen das Tiefental entspringt tatsächlich<br />

eine Quelle. Aber in dieser Höhe gibt es (heute) keine Aecker<br />

mehr, auch liegt der Platz m. W. auf Gemarkung Hausen.<br />

In Richtung Gauselfingen findet sich unterhalb der Mühle<br />

am Waldrand und Markungsgrenze ein munteres Wässerlein,<br />

dessen Namen ich nicht kenne. Oberhalb auf dem Berge<br />

stehen auf Markung Gauselfingen die Ruinen einer Burg, die<br />

heute im Volksmund „Hasenfratz" heißen. Wäre hier der<br />

Azlenbrunnen vor uns, dann könnte der alte Name der Burg<br />

Azilun geheißen haben. Welcher Kenner der Burladinger<br />

Fluren kann hier Gewißheit geben? Beide Burgstellen sind<br />

bekannt in den Albvereinsblättern 1933 Sp. 10—15.<br />

Joh. Adam Kraus.<br />

Abendliches Singen auf der Straße bis 10 Uhr von „nicht<br />

sehr erbaulichen Liedern" (die im Laufe des Schreibens sich<br />

in „unanständige" und schließlich in „verdächtige Lieder"<br />

verwandeln), wird 1819 im Januar aus Dettensee gemeldet,<br />

und bei diesem „unangenehmen Umstand dem Pfarrer<br />

Schwarz die nötige Klugheit abgesprochen, und der Auf-<br />

trag erteilt, bei der Polizeibehörde darauf zu dringen, daß<br />

das Singen solcher Lieder in Zukunft unterbleibe." Auch sei<br />

die Verbreitung besserer Lieder sehr zu empfehlen. — In<br />

den letzten Jahren haben Radio und anderes gründlich für<br />

„Abhilfe" dieses Uebels gesorgt, m. a. W. dem Singen in<br />

den Dörfern, wie überhaupt den Volkslied, völlig (?) den<br />

Garaus gemacht! Krs.<br />

Neufra - Muttergotteskapelle<br />

Wir begreifen es, wenn richterliche Entscheidungen nicht<br />

vergänglichem Papier, sondern haltbarem Pergament anvertraut<br />

wurden, um sie der Nachwelt umso sicherer zu erhalten<br />

und weiteren Streitigkeiten vorzubeugen. Aber auch gewöhnliche<br />

Kaufbriefe wurden für wichtig genug erachtet, als Dokumente<br />

der Nachwelt erhalten zu bleiben, weil es ja kein<br />

Grundbuchamt gab, wo man die Eigentumsrechte dem einzelnen<br />

wahrte. So ist für uns eine Urkunde von nicht geringem<br />

Interesse, in der der Neufraer Müller Jörg Acker<br />

im Jahre 1589 ein Stück Garten verkauft, in dem die neue<br />

Kapelle steht. Es heißt da:<br />

„Ich Georg Acker, Müller zu Neufra, bekenne hiermit<br />

öffentlich, für mich und meine Erben und Nachkommen und<br />

mache bekannt durch diesen Brief, daß ich verkauft habe<br />

der edlen Frau Dorothea Spetin von Zwiefalten, geborene<br />

von Rechberg, die Witwe ist, ein eigenes Stück Garten zu<br />

Neufra bei meiner Behausung an der Straße gelegen, darauf<br />

jetzt die Capelle steht. (Auf der gleichzeitigen Rückenschrift<br />

heißt es „neue Kapelle"!) Und ist der Kauf geschehen um 70<br />

Gulden, wovon 50 baar bezahlt und die restlichen 20 mir<br />

über ein Jahr von meiner Schuld abgezogen werden sollen.<br />

Des zu wahrer Urkunde habe ich Georg Acker erbeten die<br />

fürsichtigen, ehrsamen und weisen Schultheiß, Burgermaister<br />

und Gericht zu Hettingen, daß sie ihr Stadtsiegel gehängt<br />

haben an diesen Verkaufsbrief, der gegeben ist den 1. Mai<br />

1589." Das anhängende Siegel ist beschädigt in halber Holzkapsel.<br />

Es zeigt einen schlecht modellierten sitzenden Löwen<br />

mit erhobenen Vorderpranken und Schweif, über ihm ein 5<br />

zinkiges Hirschhorn mit der Spitze rechts vom Beschauer.<br />

Die Umschrift heißt: S. civ hettingen („Siegel der Bürgerschaft<br />

Hetingen".) (Pfarramt Neufra). Wie man vermuten<br />

darf, handelt es sich um die jetzige Muttergotteskapelle am<br />

Weg nach Freudenweiler, bei der sich später der Gottesacker<br />

befand. Die Jahreszahl 1591 über dem Eingang, die<br />

sowieso späteren Ursprungs ist, wird also nicht sti mm<br />

e n, oder so zu verstehen sein, daß damals eine Erweiterung<br />

oder Neuausstattung der Kapelle stattgefunden hat.Kr.<br />

Ringinger Fuhrleute haben zusammen mit anderen aus<br />

Jungingen, Gruol, Hausen und Starzein im J. 1723 sich eidlich<br />

verpflichten müssen, die in Derendingen bereitliegenden<br />

300 Mühlsteine aus den dortigen Brüchen Sigmunds<br />

nicht wie bisher in die Schweiz und an den Bodensee zu fahren.<br />

(J. Sydow in Jahresgabe 1964 S. 10 des Sülchgauer Altertumsvereins<br />

Rottenburg a. N.) Namen sind jedoch keine genannt.<br />

Krs.<br />

An das<br />

Postamt<br />

in


:(32 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Eine zweite Starzel, also Schwester unseres hohenzollerischen<br />

Baches, gibt es tatsächlich bei den Orten Schörzingen—<br />

Wellendingen—Neufra im Kreis Rottweil. Sie mündet bei<br />

Neufra in die Prim, wie mir von befreundeter Seite mitgeteilt<br />

wird. Das ändert freilich nichts an meiner Behauptung<br />

in der Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1964 Nr. 4 am Schluß, daß es unrichtig<br />

sei (das Dorf!) Starzila der St. Georger Gründungsakten<br />

dort suchen zu wollen, statt in unserem Killertal. Unser<br />

„S taazla" (also alt „Starzila") als Weiler oder Dorf<br />

ist seit 1253 bis heute nachzuweisen, dagegen bei Schörzingen<br />

am dortigen Bach muß erst noch künstlich eine Siedlung<br />

dieses Namens fabriziert we r d e n. Nicht das Geringste<br />

ist von einer solchen dort bekannt! Krs.<br />

Weilheimer Inschriften, bzw. Bruchstücke von solchen, fanden<br />

sich 1964 unter dem Putz bei der Außeninstandsetzung<br />

der Pfarrkirche in Nähe des jetzigen nördlichen Seitenaltars.<br />

Auf der Ostseite des gerade geschlossenen Chors trat ein<br />

zugemauertes gotisches Fenster heraus, und wurde konserviert.<br />

Auf der Nordseite kam eine zugemauerte Türe zum<br />

Vorschein, deren halbrundes Tympanon (oberer Deckstein) in<br />

lateinischen Großbuchstaben (um 1200?) eine Schrift zeigt<br />

Die rechte Hälfte fehlt und ist hier in Kleinbuchstaben nach<br />

Vermutung ergänzt:<br />

ALMA D(omina) = „Hehre Herrin<br />

SiS NOBIS (patrona) sei uns Schützerin!"<br />

Etwas oberhalb dieser Türe finden sich wieder zwei Instriftsteine<br />

eingemauert, deren dritter (bzw. der vorausstehende)<br />

fehlt. Wir ergänzen somit nach unserer Vermutung<br />

wieder in Kleinbuchstaben:<br />

(dedicata) E(st) hEC. ECCLESIA<br />

(ab hildebrando) EP(iscop)0. E. I(stettensi) IN hONORE<br />

(st ? . . .) Pr I(die) CRIS. ANTI ET DARIE<br />

(anno domini..) = Geweiht wurde diese Kirche / vom<br />

Bischof (Hildebrand) von Eichstätt (?) zur Ehre / des heiligen<br />

... ?? am Vortage von Crysantus und Daria" (also am<br />

24. Oktober 1274?)<br />

Merkwürdigerweise sind die E dieser Inschrift teils eckig,<br />

wie die heutigen, teils rund wie die C mit Mittelstrich. Teilweise<br />

wäre man sogar versucht, daraus ein S zu lesen. Die<br />

Deutung der Buchstaben EI auf den im Jahre 1274 als Konstanzer<br />

Weihbischof nachzuweisenden „Hildebrandus ep. Eistettensis"<br />

klingt mir selber etwas gewagt. Aber vielleicht<br />

kann einer der Leser eine bessere Erklärung der Bruchstücke<br />

geben!? Die Punkte in der zweiten Inschrift sollen<br />

nur das Ende des ersten Steines anzeigen, sonst nichts! Das<br />

h ist jeweils klein, also in der Form des heutigen, Ueber den<br />

Kirchenpatron ist nichts zu entnehmen. Die Muttergottes<br />

(die heutige Patronin) wäre doch wohl über dem Hauptportal<br />

und nicht an der nördlichen Seitentüre angeredet worden!<br />

J A. Kraus.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />

durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />

Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />

zugspreis von DM 1.10.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nach-<br />

bestellungen der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />

deutliche Schrift wird gebeten<br />

Inzigkofen und Emmingen<br />

„Kaufbrief über das Pfarrhaus zu Emmingen,<br />

Herr Hans Specken des Pfarrherrns daselbst,<br />

wegen der Frauen von Untzkoven ao. 1509."<br />

Im St. Blasianischen Archiv in St. Paul im Lavanttal (Kärnten)<br />

steht ein Kopeienbuch, das die Lehen, Käufe und verschiedene<br />

Urkunden und vielerlei Sachen der Landgrafschaft<br />

Stühlingen von alten Jahren her enthält (Band XX a 112/2).<br />

Darin ist der obige Kaufbrief auf der Seite 417/210 enthalten.<br />

Eine Fotokopie besitzt jetzt auch das Pfarrarchiv der Pfarrei<br />

Emmingen ab Egg.<br />

Hier heißt es: Ich Johannes Speck, Priester Konstanzer<br />

Bistums, dieser Zeit Vicarius der Pfarrei zu Emmingen, bekenn<br />

öffentlich mit diesem Brief und tue kund, daß ich mit<br />

vollbedachtem Sinn und Mut einen ewigen Kauf getätigt<br />

habe, in Gegenwart des öffentlichen Notars und der Geistlichen<br />

Frauen, der Pröpstin und des Konvents des Gottshauses<br />

zu Untzkoven, regulierter Chorfrauen St. Augustins<br />

Orden, im Namen ihrer Pfarrkirchen zu Emmingen und derselben<br />

Pfarrkirchen Haus und Hofreitin daselbst zu Emmingen,<br />

den Platz vor der Kirchen gelegen mit allen Rechten<br />

und Zugehörden, so ich durch eine ehrbare Gemeinde des<br />

Dorfes zu Emmingen um Gottes willen in die Pfarrei erbauen<br />

habe. So ist der Kauf ergangen um 58 Gulden rheinischer<br />

Währung, die ich bar empfing. Hinfüro soll das Haus<br />

zu Emmingen ewiglich als Pfarrhaus mit allem Zubehör und<br />

Gerechtigkeit zur Pfarrkirche zu Emmingen eine rechte Zubehör<br />

und Pertinenz sein und bleiben. Das soll ich und<br />

meine nachfolgenden Vikare zu Emmingen, wie die andern<br />

Renten, Gülten und Güter inne haben, brauchen, nutzen und<br />

nießen. Diese sollen das Haus in guten Zustand erhalten<br />

ohne der Frauen Kosten und Schaden. Zum Zeugen dieses<br />

Kaufes hat Pfarrer und Vicar Speck den hochgelehrten Johannsen<br />

Schlupf, der heiligen Schrift Lehrer, Kirchherren zu<br />

Ueberlingen, gebeten, auch sein Siegel an den Kaufbrief anzuhängen.<br />

Desgleichen waren Zeugen der ehrbare Stefan<br />

Dietrichs Starkenknecht, und Martin Mornigs Substitut, beide<br />

von Ueberlingen. Die Urkunde wurde am Dienstag nach St.<br />

Georgentag (24. April) 1509 ausgestellt. Sie wurde noch von<br />

Konradus Baur, Kleriker des Konstanzer Bistum und von<br />

kaiserlicher Gewalt offenem geschworenem Notar, derzeit<br />

Stadtschreiber zu Ueberlingen, beglaubigt.<br />

Aus dieser und einer anderen Urkunde im gleichen Buche<br />

geht hervor, daß die Frauen von Inzigkofen die Pfarrkirche<br />

zu Emmingen ab Egg inne hatten. Sie war ihnen von den<br />

Grafen von Zollern käuflich überlassen worden. Im Jahre<br />

1435 hat Graf E :+ elfritz von Zollern den Gebrüdern Rudolf<br />

und Peter den Emmingern den Widemhof unterhalb der<br />

Kirche und den Kirchensatz (Patronatsrecht) geliehen, und<br />

vor J. 1463 hatte Junker Hans von Wyßenberg vom Grafen<br />

Friedrich von Zolr selig, genannt öttinger, den Zehnten zu<br />

Emmingen als Lehen empfangen gehabt. (Krieger, Töpogr.<br />

Wörterbuch I, 508.) Endlich hat Graf Jos Nikiaus von Zollern<br />

am 29. April 1485 dem Rudolf von Memerschwyl und Antonius<br />

Mayer dessen Schwager erlaubt, der Pröpstin und dem<br />

Konvent zu Inzigkofen den Kirchensatz, die Widemhöfe und<br />

den Groß- und Kleinzehnten zu verkaufen, wie alles bisher<br />

Lehen der Grafschaft Zollern war. Er verzichtet zugleich auf<br />

alle Eigenschaft und Lehenschaft. (Fürstenberg. Urk.-Buch 7,<br />

S. 38). Die Kaufsumme betrug 1450 rheinische Gulden. Auch<br />

in Mauenheim hatten einst die genannten Grafen Besitz.<br />

Dr. W. Fauler, kirchl. Archivpfleger<br />

Bad Krozingen.<br />

Große Armut 1857 wird aus Dettensee berichtet. Der<br />

Pfarrverweser Mattes schreibt, die Gemeinde sehe sich während<br />

der Sommerzeit zum großen Teil genötigt, ihre Kinder<br />

ins württembergische Oberland zu schicken, damit sie<br />

beim Einheimsen der Früchte für sich und die Ihrigen etwas<br />

verdienen. Dies habe einen verderblichen Einfluß auf die<br />

Moral der Kinder durch den beständigen Umgang mit verdorbenen<br />

Knechten und des Hausgesindes überhaupt, indem<br />

ihre zarten Gemüter verrohen und durch schlüpferige Reden<br />

vergiftet würden, daß der gute Same durch das Unkraut erstickt<br />

werde ... Es sollte eine Möglichkeit des Erwerbs für<br />

die Gemeinde gefunden werden. Die schon in mehreren Gemeinden<br />

errichteten Webereien sollen sich vielfach anstatt<br />

verderblicher Erwerbsquellen bewährt haben. Herr Dompräbendar<br />

Marmon habe z. B. in Empfingen durch<br />

Einführung von frequentierten Webstühlen seiner ehemaligen<br />

Pfarrei geholfen. Erzbischof Hermann von Vicari<br />

riet darauf dem Pfarrer, mit der Gemeinde Empfingen Fühlung<br />

zu nehmen betr. der dort eingeführten Strickerei und<br />

Weberei. (Registratur Freiburg.) Krs.<br />

Die Verfasser tragen für den Inhalt ihrer Abhandlungen<br />

die Verantwortung.


<strong>Hohenzollertsehe</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schrif tleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

I<br />

25 Y 3828F<br />

Nummer 3 Gammertingen,<br />

Preis halbjährlich 1.40 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S.Acker, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Juli 1965 115. Jahrgang<br />

Sinnbilder der Begegnung mit Gott<br />

Gotische Gewölbe im Kreis Hechingen ein kultureller Reichtum<br />

Unser <strong>Heimat</strong>kreis Hechingen gehört ohne Zweifel zu<br />

jenen Gebieten in Baden-Württemberg, die sich eines großen<br />

Kunstreichtums glücklich schätzen dürfen. Allen Stilepochen<br />

begegnen wir im Kreis, und es fehlen selbst nicht Zeugen der<br />

romanischen Zeit. Sie sind zwar wesentlich seltener als die<br />

der nachfolgenden Gotik, die uns immerhin noch eine große<br />

Anzahl Zeugnisse aus Malerei, Plastik und vor allem auch in<br />

der Architektur hinterlassen hat. Ihre wesentlichen Elemente<br />

sind sowohl einige wenige Türme, vor allem jedoch die gotischen<br />

Chorgewölbe mit ihren Rippennetzen als Zeugen<br />

hoher gotischer Baukunst, die sich damals über ganz Europa<br />

verbreitet hat und vor allem in Frankreich und Deutschland<br />

die gewaltigen Dome und Münster schuf.<br />

In den edelsten Kirchenbauten dieser Zeit bildet innerhalb<br />

der gotischen Raumarchitektur vor allem der Chor das lichte<br />

Haupt mit seinem weihevollen Blickziel, dem Hochaltar. Der<br />

Chor wird als ein Hauptelement hier zu einem Teil der überirdischen<br />

Raumharmonien, in denen sich lastende Mauerschwere<br />

in das vergeistigte Formenspiel der Architekturen<br />

verwandelt. Die Baumeister, Mystiker und Gottsucher jener<br />

Zeit, in der bedeutende Heiligengestalten wie ein Dominikus,<br />

Elisabeth von Thüringen, Herzogin Hedwig, Thomas von<br />

Aquin, Nikolaus von der Flüe lebten, sind der Spur jener<br />

Gottessucher gefolgt und haben in ihren großartigen Bauwerken<br />

lebendige Sinnbilder der Begegnung mit Gott geschaffen,<br />

ein „Sursum corda" angestimmt, das bis heute nicht<br />

verklungen ist.<br />

Denn die Bauanliegen der Gotik, aus der Geborgenheit der<br />

romanischen Gottesburgen auszubrechen in eine hinaufdrängende<br />

Gottessuche, haben den Ausdrucks wert und die Formensprache<br />

geschaffen. Der Stein, zu feinsten Gebilden behauen,<br />

wild in Türmen, Bündelpfeilern, Rippen und Gewölben zum<br />

Himmel gejagt, verwegen wie die Ritterschaft des Abendlandes,<br />

die in den Kreuzzügen dieser Zeit in das Heilige<br />

Land zog, um Christi Grab zu erobern,<br />

Ueber den Schiffen schweben die monumentalen Rippengewölbe,<br />

die unsere Gedanken in den Raum einer eigenen<br />

künstlerischen Sprache rufen. Die Ruhe und Klarheit ihrer<br />

Gliederung hält trotz größter Spannweiten ein Gleichgewicht,<br />

das keine Bauform versprühen läßt.<br />

Ein genialer Künstler mußte zunächst den Aufriß ersinnen<br />

und die Wölbung über dem Raum mit den Bogenkrümmungen<br />

verschiedene Spannweiten finden, was auch mit reicher<br />

Gestaltungsfreude geschah. Kirchengewölbe wie strahlende<br />

! erne zu formen, war die reife Spätform der Gotik, die die<br />

einfachen Kreuzgewölbe der Frühgotik ablöste.<br />

Diese Gedankenfülle wird noch sehr wesentlich ausgedeutet<br />

durch den formenreichen Gehalt der vielen Kleinplastiken,<br />

die wir in den Schlußsteinen entdecken und zum<br />

geistigen Programm der Gewölbekunst dieser Zeit gehörten.<br />

Es sind dies in den meisten Fällen bemalte Reliefs und<br />

Nachbilder, in denen neben den verschiedenen Heiligen,<br />

Kirchenpatronen und Wappen von Stiftern und Erbauern<br />

auch die Gottesmutter erscheint, welche überhaupt in der<br />

gotischen Zeit in den Bildwerken, Plastiken eine hohe Verherrlichung<br />

erfuhr.<br />

Bedeutende künstlerische Zeugnisse<br />

im Kreis Hechingen<br />

Die Betrachtung dieser hohen Zeugen eines gläubigen<br />

Mittelalters weist über größere Räume hinweg auch in die<br />

Von Josef Schneider<br />

heimatlichen Bereiche mit ihren vielfältigen AeuKrungen<br />

der Gotik. Sie hat unsere Landschaft mit einer Anzahl ehrwürdiger<br />

Bauwerke würdig ausgestattet, und zwar sowohl<br />

mit Türmen mit ihren charakteristischen Staffelgiebeln und<br />

ebenso mit wertvollen Plastiken. Aber auch mit schönen,<br />

netzgewölbten Chören, die zum kulturellen Reichtum, zum<br />

Laudatio dieser Landschaft zwischen Schwarzwald und<br />

Schwäbischer Alb gehören Die Gotik, welche das Bauschaffen<br />

über weiteste Räume hinweg so reich befruchtete und<br />

auch stark nach Hohenzollern strahlte, hat uns im Kreis<br />

Hechingen noch 8 netzgewölbte Chöre mit gekehlten Rippen<br />

hinterlassen, die als Künder hochgotischen Geistes eine wertvoller<br />

Besitz sind. Sie erfreuen jeden <strong>Heimat</strong>-, Kunst- und<br />

Architekturfreund und ringen ihm die Bewunderung für die<br />

Baukonstruktion dieser Zeit ab. Ihre Zahl wäre sicher größer,<br />

wenn nicht im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Neu-<br />

I"ine KLiiiderin liodigotisehen Geistes ist die ehemalige Klosterkirche Sterten<br />

im Guadent.il mir ihren 'chiin gegliederten Kreuzgewölben.


34 HOHEKZOLLEEJäCHE HE IM'AT Jahrgang 1965<br />

bauten an ihre Stelle getreten wären. In diesem Falle hat<br />

jedoch überlegter Sinn dafür gesorgt, daß die Chöre stehen<br />

blieben, wobei die meisten von ihnen in jüngster Zeit wieder<br />

stilvoll renoviert wurden. Hierbei sind vielfach die schönen<br />

Schlußsteine mit ihren wertvollen Reliefs, Kleinplastiken 'und<br />

Ornamenten freigelegt worden. Sie sind in Dettensee noch<br />

als Blumenornamente ausgebildet, in Haigerloch und Dießen<br />

wird bereits die Uebergangsperiode zur Renaissance in den<br />

leuchtenden, FlammenoTnamenten sichtbar.<br />

Das älteste Gewölbe, noch als Kreuzgewölbe ausgebildet,<br />

•finden, wir aus dem. 13, Jahrhundert in der ehemaligen Klosterkirche<br />

Stetten im Gnadental, die erst letztes Jahr stilvoll<br />

renoviert wurde, Ein reizvolles Netzgewölbe besitzt das<br />

nächst jüngere Bauwerk dieser Landschaft, nämlich, die<br />

Michaelskapelle auf der Burg Hohenzollern, welche den<br />

ältesten Teil der Burg darstellt.<br />

Wenn wir durch den sehönea Chorbogen eingetreten sind,<br />

ziehen uns unwillkürlich die 1 Glasfenster mit ihrer Farbenglut<br />

an. Sie gehörten ehedem ih die Klosterkirche Stetten<br />

und zählten zu den bedeutendsten Glasgemälden, im weitesten<br />

Raum. Man weist ihr Alter in die 1 Zeit von 1280—90.<br />

Unter den alt- und neutestamicntlichen Szenen befindet sich<br />

auch das älteste Weihnachtsbild Hohenzollerns.<br />

Die zweite Hälfte des 15, Jahrhunderts muß eine sehr<br />

baufreudigo Periode gewesen sein. In dieser Zeit erhielt auch<br />

die aus dem 13, Jahrhundert stammende Unterstadtkirche<br />

Haigerloch den jetzigen 3/8 Chorschluß, 'lind das Rippen-Netzgewölbe.<br />

In Dießen, Dettensee, Glatt lassen ebenfalls noch<br />

die Chorgewölbe' diese Periode lebendig werden. Gleich vier<br />

Zeugen der gotischen Gewölbekunst besitzt die Landschaft<br />

rund um den Zoller. Das sind außer der Michaelskapelle und<br />

Eine «IIa FoHnejispractie ist dem Netzgewölbe der Unterstadtkirchu<br />

Haigerloch zu eigen. Gewölbe w strahlende Sterne zu formen, war vor<br />

allem der Kunstgriff der Spätgotik, Die Fliimmenoruamenti; weisen hier<br />

bereits zur Renaissance luii.<br />

M<br />

eiche GestaltLUigsfreude mit den Bhimenörnamenten um die Schlußsteine<br />

herum, zeigt das NetzgewSlbc der Pfarrkirche Oetternre,<br />

Pfarrkirche in Diesson,


.lahrgang 1965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 35<br />

Stetten noch die Pfarrkirche Zimmern und nicht zuletzt die<br />

Heiligkreuzkapelle bei Hechingen, welche als Sühne für<br />

..höllischen Schuß" erbaut und 1403 eingeweiht wurde. Sie<br />

besitzt ein flachgespanntes Sternengewölbe mit flachgekehlten<br />

Rippen.<br />

Auf die Schönheit der Gewölbekunst hat man auch in der<br />

darauffolgenden Renaissance nicht verzichten können, wie<br />

die Beispiele der Spitalkirche und St. Luzen in Hechingen,<br />

sowie die Schloßkirche Haigerloch beweisen. Ja selbst die<br />

Zeit des Historismus des letzten Jahrhunderts hat geistige<br />

Anleihe bei den gotischen Baumeistern gemacht und nochmals<br />

denkmalswürdige Zeugen im Kreis Hechingen hervorgebracht.<br />

Die Glut gotischen Bauens war aber allerdings<br />

erloschen und der Kunstraum der Gotik schon zu Ende des<br />

15. Jahrhunderts abgeschlossen.<br />

Die gotischen Baumeister und Künstler waren Gottsucher.<br />

Wo immer sie einen Grundriß entwarfen, wo die Steinmetzen<br />

den spröden Stein in juwelierhaftes Filigran verwandelten,<br />

war ihr Lenken und Planen nach oben gerichtet,<br />

schufen sie Hinweise auf die geistigen Träger der Christenlehre.<br />

Sie werden zum Lobpreis an den Höchsten, denn schon<br />

der theologischen Gedankeninhalt will es ja zum Ausdruck<br />

bringen: Sursum corda — Empor die Herzen!"<br />

Wetterläuten. Bei den engen Wechselbeziehungen zwischen<br />

dem religiösen und bürgerlichen Leben im Mittelalter konnte<br />

es nicht ausbleiben, daß auch das Glockenläuten in die weltliche<br />

Sphäre hineingezogen wurde. So war das Glockengeläute<br />

nicht allein der Ruf für den gebotenen Kirchgang und<br />

die täglichen Gebetszeichen, ja die Glocke rief auch die Bürger<br />

zur Gemeindeversammlung, meldete Feuersbrünste und<br />

warnte in Kriegszeiten vor drohender Gefahr. Sie tönte auch<br />

über das Land, wenn schwere Gewitter am Himmel standen<br />

und unter Blitzen und Donnerschlägen prasselnder Regen<br />

oder Hagelschlag niederging. Ob das Läuten mit der Kirchenglocke<br />

die Menschen nur auf das aufziehende Unwetter aufmerksam<br />

machen sollte oder ob man mit der kirchlich geweihten<br />

Glocke nicht auch die unheilvollen Mächte von<br />

Sturm, Gewitter und Hagelschlag vertreiben und bannen<br />

wollte'' — Zäh hing das Landvolk am Althergebrachten und<br />

an den überlieferten Bräuchen. Als im Jahre 1857 Pfarrer<br />

Maximilian Schnell von Sigmaringen auf die Pfarrei Heiligenzimmern<br />

aufzog, die wegen dem Kirchenbau 12 Jahre<br />

nur Verweser hatte, wurde ihm der Wunsch nach Wiederaufnahme<br />

des Wetterläutens geäußert. Da die Gemeinde, in<br />

deren Eigentum der Turm der neuen Kirche steht, die Vergütung<br />

für das Läuten bei Gewittern ablehnte, wandte sich<br />

Schnell an das preußische Oberamt Haigerloch. Dieses wiederum<br />

ersuchte das Bürgermeisteramt Heiligenzimmern um<br />

eine Stellungnahme und erhielt von Bürgermeister Matthias<br />

Bächle folgende Antwort: Das Wetterläuten ist bei uns seit<br />

1811 ganz abgestellt und außer Uebung gekommen. Es geschah<br />

dies unter Pfarrer Stähle. Man ist gar nicht mehr<br />

daran gewöhnt. Wenn das Blitzen und Donnern den Menschen<br />

nicht zum Gebete erinnert, so wird auch das Geläut<br />

wenig Einfluß auf ihn haben. Im Jahre 1809 hat das Wetter<br />

bei immerwährendem Geläut alles total verhagelt. Obwohl<br />

nicht mehr geläutet wird, wurde durch Unwetter, Gott sei<br />

Dank, kein Schai :i mehr angerichtet. Somit liegt auch keine<br />

Ursache vor, die Kosten des Wetterläutens zu, übernehmen.<br />

Die Antwort des Oberamts an Pfarrer Schnell ist nicht bekannt.<br />

Unbekannt ist auch, ob das Wetterläuten nochmals<br />

aufgenommen wurde oder unterblieb. M. Sch.<br />

Das Konzil zu Konstanz, die größte Kirchenversammlung<br />

des Mittelalters und die einzige auf deutschem Boden, dauerte<br />

vier .Jahre, von 1414 bis 1418. Neben den kirchlichen Veranstaltungen.<br />

Gottesdiensten, Prozessionen und Tagungen der<br />

Konzilsväter, fanden auch zahllose weltliche Festlichkeiten<br />

statt, feierliche Einzüge und Empfänge. So war von nachhaltiger<br />

Bedeutung die Belehnung des Burggrafen von Nürnberg,<br />

Friedrich VI, von Zollern, mit der Mark Brandenburg.<br />

Konzilsteilnehmer und prominente Gäste hat der Nachwelt<br />

Ulrich von Richental überliefert, dessen Chronik in mehreren<br />

Abschriften in deutsche]' Spiache erhalten ist. Eine davon,<br />

die Aulendorfer Handschrift, 1881 von Richard Michael Buck<br />

von Ehingen/ Donau herausgegeben, wurde 1936 vom Hendel-<br />

Verlag zu Meersburg a. B. neu gedruckt. Auf ihr fußen nachstehende<br />

Angaben,<br />

Unter den Aebten, die am Konzil zu Konstanz teilnahmen,<br />

steht an erster Stelle der Abt des Klosters Reichenau: „Dominus<br />

Fridericus de Z o 1 r, abbas Aye maioi'is, Constan en-<br />

sis." Es ist dies Friedrich, Graf von Zollern-Schalksburg,<br />

gen. Weißgraf; 1381 Klosterherr zu Reichenau, 1396 Großkeller,<br />

1401 Dekan und Propst und seit 1402 Abt des Inselklosters.<br />

Uebrigens wurde Abt Friedrich 1419 abgesetzt,<br />

konnte sich aber weiter halten und starb 1427 (Wappen:<br />

Geviertet, in 1) und 4) in Silber ein rotes Kreuz, in 2) und 4)<br />

geviertet von Silber und Schwarz). „Unter den weltlichen<br />

fürsten, die och gen Costentz komen sind mit unßerm herrn<br />

dem künig und nachhin fürsten, herren, graufen, fryen, ritter<br />

und knecht" werden unter den Grafen aufgeführt: „Grauf<br />

Fridrich von Zolr, Grauf Fridrich von Zolr Intelfritz, Grauf<br />

Fridrich von Zolr genannt Oetinger, Grauf Fridrich von Zolr<br />

thumbherr zu Straußberg und Basel" (Wappen: Von Silber<br />

und Schwarz geviertet). Da nach der „Genealogie des Gesamthauses<br />

Hohenzollern" Graf Friedrich XI. fünf Söhne mit<br />

dem Namen Friedrich hatte, drei näher bezeichnet sind, einer<br />

vor 1413 gestorben ist, muß der von Richental zuerst aufgeführte<br />

Zollergraf „Friedrich gen. „Aeppeli" sein, der 1402<br />

canonicus capitularis zu Straßburg war. Besser bekannt sind<br />

die „feindlichen Brüder", der fehdelustige, unversönliche<br />

Oettinger und der kluge, besonnene Eitel Friedrich I. Der<br />

IV. Bruder, gen. Fritzli, Domherr zu Straßburg und Basel,<br />

wurde 1433 Bischof von Konstanz, starb schon 3 Jahre später<br />

und liegt im Konstanzer Münster, heute Basilika, begraben.<br />

Von adeligen Herren der <strong>Heimat</strong>, die in Konstanz anwesend<br />

waren, nennt Richental noch den Truchseß von Ringingen<br />

(Wappen: In Silber ein roter Büffelkopf mit zwei goldnen<br />

Nasenringen), ferner Lienhardt von Jungingen mit den Söhnen<br />

Conrad und Wolff (Wappen: Geviertet von Blau und<br />

Silber). Es werden weiterhin erwähnt Conrad und Wolff von<br />

Bubenhofen, Heinrich und Rudolf von Holenstein, Hans von<br />

Hornstein, Heinrich und Conrad von Rischach und endlich<br />

Burkart Schenk von Stauffenberg. M. Sch.<br />

Gotische Chorgewölbe gehören zum kulturellen Reichtum. Hier eine der<br />

Kronbauten, die Michaelskapelle auf der Burg Hohenzollern, deren kostbarster<br />

Schatz der frühgotische r.l^emäldezyklus darstellt.


:(6 H O H E N Z O L L E B SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Früher, als durch unser hohenzollerisches Ländchen von<br />

Haigerloch bis Sigmaringen, hoch oben auf dem Bock der<br />

Postillion saß und von Zeit zu Zeit seinem Posthorn gar liebliche<br />

Weisen entlockte, als die Eisenbahn nur ganz kleine<br />

Teile unseres Ländchens durchschnitt, damals, als noch kein<br />

Auto und kein Motorrad in sausender Hast die Straßen<br />

durchflog, damals waren noch ganz patriarchalische Verhältnisse<br />

und auch gegenseitiges Vertrauen und Nächstenliebe<br />

zu beobachten.<br />

Zur damaligen Zeit lebte man auf dem Lande von eigenen<br />

Erzeugnissen, Haberbrei, Knöpfle mit Sauerkraut und Speck,<br />

Suppe, Milch und Kartoffeln; Kaffee gab es nur an Festtagen.<br />

Man blieb gesund und kräftig dabei. Greifen wir noch<br />

etwas weiter zurück, in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts,<br />

so finden wir unsere Vorfahren vom Frühjahr bis in<br />

den Herbst auf der Viehweide mit Haustieren, jede Gattung<br />

unter Aufsicht erprobter Hirten, die wiederum ihre<br />

Hirtenbuben unter sich hatten. Gar manch originelle Dinge<br />

haben sich auf solchen Weideplätzen zugetragen. Wir wollen<br />

nur einige aufführen. Der Geißenhirt hatte die leckerischen<br />

und oft auch die schadhaftigsten Tiere zu bewachen. Eines<br />

Tages ging der damalige Dekan, Pfarrer Eisele, spazieren,<br />

Die Pfarrkirche Gruol ist eine Zeuge der Neugotik, deren Baumeister<br />

geistige Anleihen bei ihren Vorfahren vor der hochgotischen Zeit machten.<br />

Aber auch sie brachten nochmals denkmalswürdige Zeugnisse hervor. Die<br />

stilvolle Renovation, welche Ende 1964 zum Abschluß kam und von der<br />

Kirchenmalerei Lorch, Sigmaringen, durchgeführt wurde, ließ dieses Gotteshaus,<br />

einem der größten von Hohenzollern, in sakraler Schönheit erstehen<br />

und gehört heute zu den sehenswürdigen Kirchen unserer <strong>Heimat</strong>. Ebenso<br />

stilvoll wurde auch die Pfarrkirche Rangendingen renoviert.<br />

Klischees: „Schwarzwälder Bote", Oberndorf<br />

Aus alter Zeit<br />

und traf den Geißhirten ohne seine Herde an. Sehr verwunderlich<br />

fragte der Pfarrer den Hermate Hipp, wo denn<br />

seine ihm anvertrauten Geißen wären, und der Geißhirt<br />

zeigte ganz vergnügt in die Halde hinunter, wo junger Wald<br />

war und die Tiere sich über die jungen Bäumchen hermachten.<br />

Der Pfarrer sagte, er müsse unbedingt die Geißen<br />

aus dem Wald bringen. Der Hirte erwiderte, dies sei keine<br />

Kunst, aber solange der Pfarrer da sei, könne er die Geißen<br />

nicht aus dem Wald bringen. Etwas neugierig, ließ der Pfarrer<br />

dann den Geißenhirten nicht los und bestand darauf, daß<br />

die Dinger unbedingt aus dem Wald müßten. Nach langem<br />

hin und her ließ der „Mate" sich endlich bewegen, nachdem<br />

ihm noch der Pfarrer versichert hatte, daß es ihm nicht zur<br />

Sünde angerechnet werde und der Pfarrer ihm nicht böse<br />

sei, tat er einige kräftige Peitschenhiebe in den Wald und<br />

als Zutat ebenso kräftige Flüche, und der Wald hatte sich<br />

blitzschnell von den Geißen geleert.<br />

Ringingen und Salm endingen hatten auf demHeufeld gemeinsames<br />

Weidefeld; in der Hauptsache wurden die Plätze mit<br />

Rindvieh und den Gemeindefarren abgeweidet. Kamen dann<br />

die Farren aufeinander oder wurden sie von den Hirten<br />

aufeinander gehetzt, so stießen sie so erbärmlich, bis ihnen<br />

Blut aus Maul und Nase floß und die Hirten viel Mühe hatten,<br />

bis die verboßten Bullen von einander getrennt waren.<br />

Gar manches könnte noch über das Hirtenleben aufgeführt<br />

werden. Wenn der heutige Fortschritt solche Dinge längst,<br />

überholt hat, und die Technik uns in andere Bahnen gelenkt<br />

hat, so steht aber doch eines fest: es war keine so<br />

nervenzerrüttemde, hastende Zeit, man lebte friedlicher und<br />

gemütlicher.<br />

Wie gerne denkt man noch an die Zeit zurück, wo man<br />

jeden Abend nach Feierabend — man hatte solchen die<br />

Nachbarn, oft 15 bis 20 Mann, beieinander saßen und ihre<br />

Tageserlebnisse besprachen, mit Rat und Tat aushalfen, auch<br />

etwas Politik trieben oder dieser oder jener von Krieg oder<br />

sonstigen Abenteuern erzählte. Und so war es jahraus, jahrein.<br />

Mancher hätte nicht schlafen können, wenn er seinem Nachbarn<br />

nicht „Gute Nacht" hätte sagen können.<br />

Im Winter wurden die Lager in die Stuben verlegt und<br />

auch die Kameradschaft weiter gepflanzt. Gar viel erzählten<br />

die Männer noch von der Erzgräberei im Eisenloch, wie sie<br />

und ihre Väter oft verschüttet worden seien und doch niemals,<br />

wie durch Wunder, einer das Leben lassen mußte.<br />

Jeden Tag, ehe sie in die finsteren tiefen Gruben hinabstiegen,<br />

beteten sie laut und gemeinsam einige Vaterunser.<br />

Sie wußten, daß an Gottes Segen viel, ja alles gelegen war.<br />

Aber bei allem Ernst, der diesen Männern eigen war, waren<br />

sie doch keine Kopfhänger. Wenn es galt, lustig zu sein, stellten<br />

auch sie ihren Mann. Ich kann mich noch ganz gut erin -<br />

nern, wie so eine Männerlichtstube sich auf Fastnacht als<br />

türkische Musik einübte. Und die Verteilung der Rollen der<br />

einzelnen Mitwirkenden war ausgezeichnet. Der alte „Postkaspar"<br />

mit seinem langen wallenden Vollbart war Kapellmeister<br />

und konnte mit wahrer Bravour seinen Knüppelstock<br />

schwingen. Der Schellenbaumträger, der alte Benjamin,<br />

hatte einen hinkenden Schritt und blieb so immer beim<br />

Marschieren im Tritt, und der Schellenbaum mit seinen<br />

vielen Glocken, gekrönt mit dem Halbmond, gab immer den<br />

richtigen Takt. Die damals gut eingeübte Dorfmusik, alle in<br />

türkischen Uniformen mit Turban, bliesen dazu so kräftig<br />

wie die Israeliten vor Jericho. Der einzige der Ueberlebenden<br />

der türkischen Musik, der Baßmichel, erzählt immer<br />

noch recht gern von dieser Musik.<br />

Ja, es waren noch Männer von altem Schrot und Korn,<br />

man hielt viel auf Manneswort, Feindschaften und Prozesse<br />

waren selten. Aber auch die Ortsvorsteher und Gemeinderäte<br />

wurden von den Männerlichtstuben auf den Thron gehoben.<br />

Aber auch die Frauen hatten ein Bedürfnis zur Aussprache.<br />

So oft es ihnen die Zeit erlaubte, und wenn es nur eine<br />

halbe Stunde war, gingen sie in die Lichtstuben. Da wollte<br />

das Erzählen oft kein Ende nehmen. Am liebsten hechelten<br />

die Frauen ihre bösen Ehemänner in schonungsloser, erbärmlicher<br />

Weise durch.<br />

Wie schön war es, nachdem abends die Schulaufgaben gemacht<br />

waren, man mit der Großmutter noch in die Lichtstube<br />

durfte. Da kamen alte Weiber zusammen und erzählten von<br />

alten Zeiten und Gebräuchen, von Hexen und Geistern, die<br />

umgingen und diesem oder jenem im Haus oder im Wald<br />

ihr Unwesen trieben. Namentlich der Schloßgeist der Schwel


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 37<br />

her oder der Kirchholzengeist, der in Gestalt eines schwarzen<br />

Ochsen sich sehen ließ, war den Alten ihr Steckenpferd,<br />

das sie dutzendmal zum besten gaben. Wenn die alte Maier-<br />

Margret die Geschichte vom Scharfrichter von Trochtelflngen<br />

erzählte, der nachts in einer verschlossenen Kutsche, nachdem<br />

ihm die Augen verbunden waren, an einen ihm unbekannten<br />

Ort geführt worden sei und als man ihm die Binde<br />

abnahm, er in einem Gewölbe zwölf alten ehrw. Herren das<br />

Haupt abschlagen mußte, da gruselte es mir doch ganz kalt<br />

über den Rücken. Am liebsten wäre ich jetzt im warmen<br />

Bett gelegen. So ging der Klatsch der Alten den ganzen Winter<br />

hindurch fort. Wie oft erzählten sie, Tränen in den<br />

Augen, von den Hunger jähren, wo man nichts zu essen<br />

hatte, wo man sich von Wurzeln und Kräutern ernähren<br />

mußte. Zum guten Glück war der Wildbestand noch reichlich.<br />

Die Männer gingen über die Grenzen ins württembergische<br />

Gebiet und holten sich dort ungehindert ihr Wildbret. Aber<br />

auch Hohenzoller-Hechinger Jagdgründe wurden von den<br />

Wildschützen heimgesucht. Die Sache kam zur Anzeige. Eines<br />

Tages, als sich die Wildschützen auf Schlattwasen über die<br />

Ausweidung eines Hirsches hermachten, kam der fürstliche<br />

Oberjägermeister mit Mannschaften angerückt und wollte<br />

sie nach Hechingen abführen. Die Wildschützen nahmen aber<br />

auch ihre Gewehre in Anschlag, und es hätte Menschenleben<br />

wegen eines Hirsches gekostet. Doch der Oberjäger wollte es<br />

nicht und zog Hechingen und die Wildschützen schwer beladen<br />

Ringingen zu. Mit vielen so alten Geschichten gingen<br />

die Abende sehr schnell ihrem Ende zu. Die Dichtfrau zündete<br />

jeder Lichtgängerin ihre Handlaterne an, und nun gings<br />

wieder der <strong>Heimat</strong> zu und schnell ins warme Bett.<br />

Wie die Alten singen, so die Jungen zwitschern. Auch sie,<br />

die Jungen, wollten und kamen zur Geltung. Schon als kleine<br />

Kinder wollte man Kameradschaft pflegen. Inzwischen<br />

kamen die Schuljahre, wo man sich erst so recht kennen<br />

lernte. Mit welchem Stolz gings da nicht •— die Buben mit<br />

dem Zwilchsack, die Mädchen mit der Strohtasche — der<br />

Schule zu. Man hatte schon das Gefühl, etwas zu sein. Aber<br />

den meisten war schon der Mut entfallen, als sie der Lehrer<br />

nach dem Namen fragte. Aber die acht Schuljahre gingen<br />

wie im Flug vorbei, und die Schulentlassung kam für die<br />

Faulen wie für die Fleißigen. Jetzt begann des Lebens Ernst,<br />

das werktätige Leben begann. Als aber nach sechs arbeits-<br />

Am 18. Januar 1514 gab der Visitator des Klosters der<br />

Zisterzienserinnen in Wald, Abt Jodokus Neckar von Salem,<br />

gebürtig von Ueberlingen, seinen unterstellten Schwestern<br />

eine neue Ordnung, die betr. bisheriger Mißbräuche sehr vielsagend<br />

ist:<br />

„Wir Bruder Jodokus, Abt des Klosters Salem, Zisterzer<br />

Ordens in der Diözese Konstanz, machen allen Gegenwärtigen,<br />

die dieses lesen oder hören kund, daß wir heute bestrebt<br />

waren, das Kloster in Wald zu visitieren, zu einer<br />

heilsamen Lebensregel zurückzuführen und zu reformieren,<br />

soweit es uns untersteht. Somit befehlen wir allen Ordens-<br />

Insassen des Klosters folgende Bestimmungen zu studieren<br />

und unverbrüchlich zu beobachten.<br />

1) Da dem Gottesdienst nach unserer Ordensregel nichts<br />

vorgezogen werden darf, ermahnen wir alle eindringlich in<br />

Christo, zum Tages- und Nachtoffizium sofort nach Glockenschlag<br />

sich in den Chor zu begeben und dort die Gebete<br />

langsam und mit entsprechenden Pausen zu Gottes Lob mit<br />

Andacht zu verrichten.<br />

2) Die Tagzeiten der allersel. Jungfrau Maria sind einmütig<br />

und exakt in rechter Andacht von allen ohne Ausrede<br />

zu halten, außer es hätte jemand einen Entschuldigungsgrund<br />

bzw. Erlaubnis.<br />

3) Mit Rücksicht auf die weiblichen Schwächen gestatten<br />

wir, die Vigilien der seligsten Jungfrau Maria vom Feste<br />

Kreuz-Erhöhung (14. Sept.) bis Ostern im Refektorium zu<br />

verrichten mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß alle auf<br />

den Glockenschlag aus Liebe zur Gottesmutter eiligst sich<br />

dorthin verfügen und abwechselnd wie im Chor psallieren.<br />

Die Nachlässigen und Trägen sind von der Aebtissin oder<br />

den Vorsteherinnen scharf zu bestrafen.<br />

4) Der Vers „Dulce nomen domini nostri Jesu Christi et<br />

nomen gloriosae virginis Mariae Sit benedictum in saeculum"<br />

am Schluß des Offiziums ist vollständig nach dem Brauch des<br />

Ordens von der Aebtissin, Priorin und den andern Vorsteherinnen<br />

zu sprechen<br />

5) Das Stillschweigen als Hüter der Religion, als<br />

Schlüssel der Tugend und Nährmittel für das ganze Ordensleben<br />

ist innerhalb des ordentlichen Stundengebets und an<br />

den vom Orden bestimmten Orten strikte zu beobachten. Die<br />

Reform im Kloster Wald 1514<br />

reichen Tagen der Sonntag kam, da war alle Müdigkeit verschwunden.<br />

Am Sonntagnachmittag nach der Vesper zogen<br />

die Mädchen, oft 6 bis 8 in einer Reihe, dem Nähberg zu,<br />

wo schon bereits einige junge Burschen auf ihrer Mundharmonika<br />

schmelzende, lustige und einladende Walzer und<br />

Polka spielten. Nicht lange und die Paare hatten sich zum<br />

Tanz gefunden, denn die Tänzer, soweit sie noch nicht da<br />

waren, kamen schnell herbei. Hei, wie war das für das junge<br />

Volk ein lustiges Treiben. Als aber die Zeit zum Viehfüttern<br />

kam, zogen jung und alt singend und frohgemut dem Dorfe<br />

zu. Wehe dem, das sich verspätet hatte; eine empfindliche<br />

Strafe von Seiten der Eltern wäre sicher gewesen. Und so<br />

trieb es das Jungvolk den Sommer über. Wenn aber der<br />

Winter kam, so mußten sich die einzelnen Gespielschaften<br />

um Lichtstuben umsehen. Wenn sie endlich eine solche gefunden<br />

hatten, dann kamen sie mit Spinnrad und Kunkel,<br />

sogar noch mit dem Stickstock, bis die Stube voll war. Nur<br />

kurze Zeit, wenn nicht sofort, so kamen die Heimführer.<br />

Bald war fröhliches Leben, denn jetzt wurde gesungen und<br />

musiziert bis 9 Uhr. Auch bei ihnen ging es jeden Abend<br />

so fort bis Weihnachten. Mehrere Tage vor Weihnachten<br />

trugen die Mädchen Mehl, Butter und Milch zusammen,<br />

damit man Weißbrot für den Schlaput backen lassen konnte.<br />

Die Burschen mußten ihrerseits zum Schlaput am Stefanstag<br />

Bier, Branntwein, Wurst und Käse stellen. So ehrbar und<br />

züchtig es sonst in den Lichtstuben zuging, an diesem Abend<br />

war oft ein wüstes Saufgelage, nicht sehr erbaulich für die<br />

Hausfrau. Am andern Abend wurde das übrig gebliebene<br />

Brot zu dem von den Mädchen gestifteten Kaffee gegessen.<br />

War da oder dort in den Lichtstuben etwas passiert,, so<br />

konnte man sicher sein, daß an der Fastnacht das Großmaul,<br />

der Hanswurst, die Sache in derben Versen zum Gaudium<br />

vor der ganzen Gemeinde zum besten gab. Als dann der<br />

Winter so allmählich dem Frühling das Feld räumen mußte<br />

und das Osterfest in Sicht kam, rüstete man sich nochmals<br />

zum Schlaput. Nun waren aber die Mädchen verpflichtet,<br />

der Hausfrau zu zünden, d. h. sia legten Geld zusammen,<br />

um der Hausfrau etwas Nützliches zu kaufen und bedankten<br />

sich für das Winterquartier. Beim ersten Frühlingstag ging es<br />

wieder frohgemut und heiter hinaus in Feld und Flur, um<br />

mit den anderen Hausgenossen die Aecker und Wiesen in<br />

stand zu setzen, K. Dietrich - Ringingen.<br />

Widerspenstigen aber und Brecher des Silentiums müssen<br />

jedesmal bei Wasser und Brot bestraft werden.<br />

6) Wir bestimmen daher: Jeden Tag ist Kapitelversammlung<br />

zu halten, bei der nach Verlesung und Erklärung<br />

eines Kapitels der Regel durch die Vorsitzende die<br />

Verkündigungen, Zurechtweisungen und Strafen gemäß der<br />

Uebertretungen vorgenommen werden. Wenn dabei jemand<br />

(was ferne sei) sich leichtfertig gibt oder frech der Aebtissin<br />

oder den andern das Maul anhängt oder unzufrieden murmelt,<br />

ist er noch strenger zu bestrafen, da wir nichr die Aebtissin<br />

oder anderen Vorsteherinnen bei ihren Beschwerden<br />

tauben Ohres übergehen wollen.<br />

7) Da die Töchter Sions sich nur in ihrem Bräutigam Christus<br />

rühmen sollen, setzen wir fest: An Kleidern und<br />

Gewändern sollen sich keine auffälligen Kuriositäten,<br />

keine weltliche Eitelkeit finden, die bei den Zuschauern anstoßen<br />

könnten, keine gestutzten weißen Schuhe nach Mode<br />

der Edelfrauen. Pflichtvergessenen sollen diese unschicklichen<br />

Dinge weggenommen und sie ordentlich bestraft werden.<br />

8) Da, wie die Erfahrung zeigt, durch das Betreten des<br />

Klosters seitens von Männern und durch das Hinauslaufen<br />

der Nonnen schwerste seelische Schäden entstehen, oft<br />

schmachvolle Skandale und andere Verstöße gegen die klösterliche<br />

Sittkamkeit täglich vorkommen, verbieten wir anmit<br />

für Männer jeden Zugang, gleichweichen Standes sie<br />

auch seien, in die Räume des Klosters, es handle sich denn<br />

vielleicht um eine ehrwürdige oder hochwürdige Person, der<br />

von der Aebtissin der Zutritt nicht gut verweigert werden<br />

kann.<br />

9) Die Dienerschaft und die Arbeiter können<br />

hineingelassen werden, dodi haben sie nach getaner Arbeit<br />

sofort wieder zu gehen.<br />

10) Das Hinauslaufen der Schwestern soll so eingeschränkt<br />

werden, daß niemand das erste Tor der Klausur ohne dringenden<br />

und vernünftigen Grund durchschreiten darf außer<br />

der Aebtissin mit den andern Vorsteherinnen zu wichtigen<br />

Geschäften.<br />

11) Um künftigen Gefabren zuvorzukommen und zur besseren<br />

Wahrung des guten Rufes des Hauses als bisher, verbieten<br />

wir der Frau Aebtissin unter der Strafe unseres


:(38 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

schwersten Tadels, künftig die Schwestern über Nacht<br />

ohne unsere spezielle Zustimmung ausbleiben zu lassen.<br />

12) Da eine Verminderung der Ueberzahl an Mägden<br />

zur Zeit nicht zu empfehlen ist, befehlen wir in Fürsorge<br />

für das Kloster, daß die, denen sie dienen, jährlich 6<br />

Schilling Heller für Salz und Gemüse der Säckelmeisterin zu<br />

zahlen haben.<br />

13) Da endlich ohne Eintracht und Frieden der<br />

Urheber des Friedens nicht verehrt werden kann, da sonst<br />

alle Verdienste und versprochenen Güter verloren gehen, befehlen<br />

wir hiermit allen Ordenspersonen dieses Hauses,<br />

Händel und Streit, Lärmen und Ausstreuen von Gerüchten<br />

gegeneinander energisch auszurotten, wodurch bisher<br />

in dieses Haus so viel Aergernisse und schwerste Verletzung<br />

der gegenseitigen Liebe entstanden. Alle sollen wie früher<br />

der Einheit, der Rücksichtnahme und dem Frieden dienen<br />

und das Gegenteil durch die entgegengesetzte Tugend ausmerzen.<br />

Euer Licht soll durch die Werke des Friedens und<br />

der Eintracht vor den Menschen leuchten, daß sie sich daran<br />

erbauen und den Herrn im Himmel lobpreisen.<br />

14) Wer jedoch Beschimpfungen, Streit oder Händel gegen<br />

andere anfängt oder fördert, besonders aber den von uns<br />

wiederhergestellten Frieden mit Worten, Zeichen oder Werken<br />

selber bricht oder auf irgend eine Weise gefährdet, soll<br />

mit seinen Mitschuldigen dem Kerker verfallen, oder es auf<br />

entsprechende Weise sühnen.<br />

15) Außerdem verbieten wir, daß irgend jemand etwas von<br />

den Kapitels- oder Ordenssachen nach außen trägt. Straffällige<br />

sind von der Aebtissin schwer zu bestrafen.<br />

16) Das gemeinsame Bad des Konvents hat sonst<br />

niemand zu betreten noch durch seine Inanspruchnahme den<br />

Konvent zu hindern.<br />

17) Die Priorin und Vorsängerin sollen das Regelbuch und<br />

Ordinarium öfter lesen und die Vorschriften bei Durchfüh-<br />

rung im Gottesdienst und bei anderen Zeremonien treu einhalten.<br />

18) Wir bestimmen: An dem festgesetzten Tage müssen<br />

alle Ordenspersonen nach der Gewissenserforschung: demütig<br />

und fromm ihre Sünden beichten und dann die allerheiligste<br />

Eucharistie unseres Herrn Jesus Christus<br />

empfangen. Wer zur Zeit der Kommunion außerhalb des<br />

Klosters weilt, wird dies nach der Rückkehr nachholen. Wer<br />

dagegen ohne vernünftigen Grund und ohne Erlaubnis der<br />

Aebtissin die hl. Kommunion unterläßt, wird jeden Freitag<br />

bei Wasser und Brot büßen, bis er seine Schuldigkeit nachnolte.<br />

19) Zu dieser hl. Kommunion darf keine Ordensfrau<br />

ohne das ordnungsgemäße (Buß-)Gewand hinzutreten. Uebertreterinnen<br />

werden aus dem Orden ausgestoßen und gehen<br />

ihres Erbteils verlustig.<br />

20) Endlich ermahnen wir alle Ordenspersonen dieses Hauses<br />

und beschwören die Aebtissin, ihren Mitschwestern wie<br />

eigenen Töchtern eine Mutter zu sein, besonders sich, der<br />

Kranken und Bedrückten mütterlich anzunehmen, sie in<br />

christlicher Zuneigung zu lieben. Alle Glieder des Konvente<br />

soll die Aebtissin in wahrer Liebe umhegen, sie sollen ihr<br />

in Demut gehorchen, alle gegenseitig müssen zusammenstehen,<br />

Frieden halten, und der Gott des Friedens und der<br />

Liebe wird immer mit Euch, sein!<br />

Diesen Visitations- und Reform-Bescheid befehlen wir<br />

treu zu halten und jeweils an den Quatembern öffentlich im<br />

Kapitel zu verlesen und zu erklären, damit sich keine Nachlässigkeit<br />

in diesen Dingen einschleiche.<br />

Gegeben unter Anhängung unseres Abtssiegels am Tag<br />

der hl. Jungfrau Priska im Jahre 1514."<br />

(Orig. im fürstl. hohz. Archiv Sigmaringen. Das Hängesiegel<br />

ist verloren. Kopie im Erzb. Archiv Freiburg unter<br />

Z 462.) Joh. Adam Kraud.<br />

Verschwundene Siedlungen bei Jungnau<br />

Die Gegend um Jungnau an der unteren Laudiert muß<br />

siedlungsgeschichtlich als „höchst interessant" genannt werden.<br />

Eine ganze Reihe ehemaliger Siedlungen, Höfe und<br />

Weiler, sind dort im Laufe der Jahrhunderte verschwunden.<br />

Man nennt solche Plätze „Wüstungen", wie man von einem<br />

unbebauten Acker zu sagen pflegt, „er liegt wüst". Die Siedlung<br />

Jungnau selbst hatte schon eine Vorgängerin in Burg<br />

und Weiler S c h i 11 a u. Als dann ums Jahr 1316 der Ritter<br />

Berthold von Schiltau seine Burg an den Ritter Burkart von<br />

Jungingen (aus dem Killertal) verkaufte, entstand nördlich<br />

der Burg Schiltau auf dem dortigen Felsen eine zweite<br />

Burg, deren mächtiger Turm noch heute als Wahrzeichen<br />

des Dorfes neben dem Kirchlein zu sehen ist. Die Burg<br />

Schiltau dagegen stand auf dem südlichen Felsen im Dorf,<br />

von der neuen Burg getrennt durch die heutige Bahnhofstraße,<br />

wo noch wenige Trümmer zu sehen sind. Die neue<br />

Burg wurde in der folgenden Zeit nach den Jungingern<br />

„Junginger Au" oder Jungnau benannt, während der<br />

Name Schiltau langsam verschwand. Michael Walter 1 ) nimmt<br />

mit gutem Grunde an, daß dieser Name Schiltau von der<br />

dreieckigen schildförmigen Gestalt des Geländes gekommen<br />

sei, während A u soviel bedeutet als „W iesengelände<br />

am W a s s e r". Durch einen künstlichen Arm der Laudiert<br />

waren die beiden Burgsiedlungen in alter Zeit' zusätzlich gesichert.<br />

Die Jungnauer Burg ist erst 1842 unverständlicherweise<br />

abgerissen worden, um dem neuen Schulhaus Platz zu<br />

machen, das nun im Schatten des Burgturms steht.<br />

Wegen der sicheren Lage in Fehdezeiten hat sich Jungnau<br />

durch die Jahrhunderte halten können, während z. B. das<br />

alte Dorf Empfingen in der Nähe des Bahnhofes und des<br />

Gottesackers völlig verschwunden ist. Auch die „Ajltie<br />

Burg" südlich von Veringendorf (östlich von Lauchert und<br />

Landesbahn) war schon ums Jahr 1300 so benannt, also nicht<br />

mehr in Gebrauch. Unweit dieses Platzes sieht man auf dem<br />

südlichen Ausläufer des „Kirchberges" (westlich von Lauchert<br />

und Biundesstraße an einem Trockentälchen) die spärlichen<br />

Ruinen der Burg Affelstetten, von deren Bewohnern<br />

nur noch wenige Urkunden zeugen. Ein Flurname<br />

Endelfingen ist der letzte Ueberrest des ehemaligen<br />

Indelfingen oder Sindelfingen, von dem Gust.<br />

Hebeisen 2 ) urkundliche Nachrichten gebracht hat, auch das<br />

Habsburger Urbar berichtet. Westlich der Stelle, an der sich<br />

unterhalb Jungnaus das Laucherttal verengt, sieht man einen<br />

steilen Felsen, der den Namen „Altes Schloß" trägt. Hier<br />

stand ernst die Burg der Herren v. Hertenstein, einer<br />

Linie der Herren von Hornstein seit dem 13. Jahrhundert.<br />

Außer einem Abschnittgraben ist jedoch die ganze Herrlichkeit<br />

des Hertensteins verschwunden. Wenige hundert Meter<br />

lauchertaufwärts finden wir die Flur Isikofen, daselbst<br />

östlich der Lauchert und der Bahn die schwachen Ruinen<br />

der Burg. Hier stand der alte Grenzort Isinghofen<br />

(nicht zu verwechseln mit dem Kloster Inzigkofen!) der Grafschaft<br />

Sigmaringen und des Forsts uf der Scheer. Den Platz<br />

zeichnete eine Lauchertfurt aus, die längst weggeräumt ist.<br />

Den Flurnamen Endlekofen erkannte schon M. Walter 1 )<br />

als Ueberbleibsel einer Siedlung. Sie hieß jedoch im 17. Jahrhundert<br />

als Flur „Enkelkhofen", und kommt schon 1138<br />

in der Zwiefalter Chronik des Mönches Berthold als A n -<br />

kilkofen neben dem schon erwähnten Isinkofen vor. 3 )<br />

Kurz vorher hatte nämlich der Graf Heinrich von Berg d. j.<br />

dem Kloster Zwiefalten sechs Mansen (Bauerngüter) in A n -<br />

kilkofen, sein Bruder Bapoto in Isingkofen eine Mühle<br />

geschenkt. An diese erinnert nur noch die lange Mühlhalde<br />

Östlich gegenüber vom Hertenstein. Nebenbei gesagt:<br />

Um 1300 gab es in Veringendorf nicht weniger als<br />

vier Mühlen!<br />

Endlich stellte auch der erst um 1920 verschwundene Hof<br />

Hoppental eine uralte Siedlung dar. Er lag in der Mitte<br />

zwischen Jungnau und Hornstein, etwa 900 m nordöstlich<br />

vom Hertenstein. Dort wurden aus einigen Grabhügeln ein<br />

menschlicnes Skelett, Schmuckgegenstände und eiserne Lanzen-<br />

bzw. Pfeilspitzen gehoben. 4 ) Schon die genannte Zwiefalter<br />

Chronik berichtet 1138 an der angegebenen Stelle mit<br />

Ankilkofen und Isinkofen: Der Graf Heinrich von Berg der<br />

ältere haben in O p p i n t a 1 sechs Mansus (Bauerngüter) dem<br />

Kloster Zwiefalten geschenkt. Merkwürdigerweise haben die<br />

württembergischen Forscher A. Sulger (1698), Chr. Fr. Stälin<br />

(1847), die Oberamtsbeschreibung Ehingen (1893) und neuestens<br />

E. König und K. O. Müller (1941) dieses Oppintal<br />

fälschlich mit Mochental (Gmd. Kirchen b, Ehingen)<br />

gleichgesetzt, was schon aus rein sprachlichen Gründen völlig<br />

unmöglich erscheinen will. Was hindert uns, die drei zusammen<br />

genannten Orte Ankilkofen, Isinkofen und Oppintal von<br />

1138 auch beisammen zu suchen, und zwar bei Jungnau? Und<br />

hier haben wir den Beweis: In der Beschreibung der Güter<br />

von Jungnau, die 1667 dem Kloster Zwiefalten gehörten bzw.<br />

zinsten, sind Grundstücke aufgezählt in Hoppental,<br />

Enkelkhofen und Isinkhofen, so wie auch ein Endelfinger<br />

(d. i. Indelfinger bzw. Sindelf inge r)<br />

T ä I e" genannt wird. 6 ) Man hätte also, in Stuttgart nur in<br />

'en Zwiefalter Grundbüchern nachzusehen brauchen, um<br />

Oppintal richtig zu lokalisieren!<br />

Schließlich wird in alten Urkunden 2 ) noch (ca. 3 km westlich<br />

von Jungnau) eine Siedlung F r o w e n s b e r g genannt.<br />

Unrichtig dagegen scheint mir die Angabe A. Sulgers zu sein,


Jahrgang 1965 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT 39<br />

die vielmal schon nachgeschrieben wurde, daß nämlich zwischen<br />

Inneringen und Jungingen (d. h. richtig: Jungnau!) ein<br />

Ort Baldenstein abgegangen sei. In diesem Baldenstein<br />

hat Adelheid von Gammertingen, Tochter des Grafen Ulrich,<br />

dem Kloster Zwiefalten vier Mansus und eine Mühle<br />

geschenkt. 6 ) In der angegebenen Gegend ist jedoch eine<br />

Mühle ausgeschlossen! Vielmehr verdient die weitere Angabe<br />

Sulgers eher Glauben, bei Wimsen-Zwiefalten habe es einen<br />

Ort Baldenstein gegeben. 7 ) Joh. Adam Kraus.<br />

Anmerkungen: i) ,,S' Zollerländle" von Flad, Beilage zu „Der Zoller",<br />

Hechingen 21. 3, 1925, S. 1—3. 2) Gust. Hebeisen, Mitteilungen<br />

des Vereins f. G. in Hohz. 60, 1926, S. 56 ff. Habsburger Urbar I,<br />

402. 3) König-Müller, Die Zwiefalter Chroniken, 1941, S. 172. 4) wie<br />

Note 1. Seite 3. 5) Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 23G, Nr. 81. «) König-Müller<br />

a.a.O. S. 201. ?) Arsenius Sulger, Annales monast. Zwiefaltensis,<br />

1698, S. 276—277. — Der Hof Hoppental war nach 1930 auf<br />

den Karten in einer großen Waldlichtung eingetragen. Heute ist.<br />

alles Wald!<br />

Von Pfund und Mark in früherer Zeit<br />

Das Wort Pfund kommt vom lateinischen Worte pondo<br />

(pondus) — Gewicht. Abgekürzt wird es als lb, das oft aussieht<br />

wie ein lateinisches M mit Durchstrich, was wieder eine<br />

Abkürzung aus 1 i b r a = Pfund ist. Während man seit 1856<br />

auf 1 Zollpfund 500 g rechnet, das seit 1886 gesetzlich außer<br />

Kurs ist, aber privat noch viel verwendet wird, gab es in<br />

früherer Zeit keine einheitliche Größe dafür. Das römische<br />

Pfund z. B. hatte 327,45 g, das Wiener Pfund 280 g, im Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen waren 1811 vier verschiedene<br />

Pfund gebräuchlich: zu 467,7 g, 482,32 g, zu 496,9 g und<br />

zu 584,6 g (Hohenzoll. Jahreshefte 1936, S. 143). Im Gebiet der<br />

alten Grafschaft Hohenzollern-Hechingen rechnete man schon<br />

im 16. Jh. mit zweierlei Pfund, dem leichteren mit 32 kölnischen<br />

Lot oder 467,7 g, und dem schweren Pfund mit 36 kölnischen<br />

Lot (für Fleisch und Eisen) mit 526 g. In Freiburg<br />

i. Brsg. hatte 1 Pfund Trockengewicht 32 Lot mit 473,6 g,<br />

das Pfund Naßgewicht mit 502,3 g. Als württembergisches<br />

Pfund werden 486,4 g und als Nürnberger Apothekerpfund<br />

375,85 g angegeben. Die verwirrende Vielzahl der verschiedenen<br />

Gewichte im heutigen Hohenzollern früherer Zeit<br />

kann man im oben erwähnten Jahresheft nachlesen.<br />

Unter Karl dem Großen hatte das Pfund 367,2 g, geteilt<br />

in 15 Unzen. Man schlug aus dem karolingischen Pfund Silber<br />

240 Denare (d = Pfennige). Als man im Jahre 1208 in<br />

Schwäbisch Hall anfing „Häller Pfennige" aus Silber<br />

zu prägen („H eile r"), gingen ebenfalls 240 Stück<br />

auf ein dortiges Pfund. Das „Pfund Heller" blieb<br />

von da an bis ins 17 Jh. eine Rechnungseinheit für<br />

240 Stück Heller (die zuletzt in Kupfer geprägt wurden),<br />

ohne daß man eigentlich noch auf deren<br />

Gewicht schaute.


:(40 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Eine alte Bibliothek in Sigmaringen - von Kari wemer steim<br />

Hohenzollern ist reich an alten Bibliotheken, und ganz<br />

besonders Sigmaringen, Hier finden wir die Fürstl. Hohenz.<br />

Hofbibliothek, die Handbibliothek des Fürstl. Archivs, die<br />

Amtsbücherei des Staatsarchivs, die Landesbücherei, die<br />

Bibliothek des Klosters Gorheim usw.<br />

Nicht oder kaum genannt wurde bis vor kurzer Zeit die<br />

alte Kapitelsbibliothek des katholischen Dekanats<br />

Sigmaringen. Warum? Nun, sie war seit Jahrzehnten mehr<br />

oder weniger verschollen. Auch wußte niemand genau, was<br />

für Bücher sie enthielt. Dabei handelt es sich um eine Bibliothek<br />

von eineinhalbtausend Bänden. Seit über zehn Jahren<br />

befindet sie sich im Erzbischöflichen Studienheim St. Fidelis,<br />

wo sie ein unbeachtetes und fast gefährdetes Dasein führte.<br />

Hunderte von Büchern waren direkt unter dem Dach, untergebracht,<br />

wodurch sie zum Teil unter der Feuchtigkeit litten.<br />

Diese Bücher wurden in monatelanger Arbeit in der Freizeit<br />

vom Verfasser dieses Berichtes neu geordnet, katalogisiert und<br />

aufgestellt. Doch nachstehend zur Geschichte der Kapitelsbibliothek.<br />

Seit 1820 besteht diese Bücherei. Nach dem Beschluß des<br />

Kapitels (Kapitelsstatuten von 1825) sollten für die Kapitelsbibliothek<br />

und die Lesegesellschaften jährlich 20 bis 30 fl. aus<br />

der Kapitelskasse aufgewandt werden, während jeder Pfarrer<br />

1 fl. 30 kr. für denselben Zweck entrichten mußte. Damals<br />

wurde der Grundstock für diese heute so umfangreiche<br />

Bücherei gepflanzt.<br />

Nachdem die Bibliotheken der aufgehobenen Klöster Hedingen<br />

und Beuron jahrelang sehr schlecht und ungeschützt<br />

untergebracht waren, erbot sich das Kapitel Sigmaringen,<br />

für 50 fl. die Bibliotheken aufzukaufen. Die Regierung in<br />

Sigmaringen — Besitzer der Bibliotheken — stimmte dem<br />

Kauf bei, der dann 1825 erfolgte. Die aufgekauften Bücher<br />

— es waren nur bestimmte ausgewählt worden — wurden im<br />

Pfarrhaus in Krauchenwies aufgestellt, Im Jahre 1853 veröffentlichte<br />

Dekan Emele ein Verzeichnis dieser Bücher. Dessen<br />

Titel; „Verzeichnis der Bücher, welche aus den angekauften<br />

Bibliotheken der Klöster Beuron und Hedingen als<br />

der Aufbewahrung würdig ausgelesen und in fünf dazu bestimmten<br />

Schränken im Pfarrhause in Krauchenwies aufgestellt<br />

worden sind." Der Katalog wurde eingeteilt in:<br />

I. Bibeln, Neue Testamente oder einzelne Teile der heiligen<br />

Schrift A. T. und N. T. (ca. 20 Bd.)<br />

II. Concordanzen. (ca. 10 Bde)<br />

III Biblische Commentare, Paraphrasen etc. (ca. 100 Bde)<br />

IV. Kirchenväter und andere berühmte kirchliche oder<br />

geistliche Schriftsteller, (ca. 100 Bde.)<br />

V. Geschichte, Kirchengeschichte, Acta Sanctorum,<br />

Legende, Biographien, (ca. 70 Bde.)<br />

VI. Concilien, Verordnungen der Päpste, Zuammenstellungen<br />

derselben, Decretum, Decretales, Bullarien, Ius<br />

Canonicum, Abhandlungen über einzelne Materien<br />

desselben, (ca. 100 Bde.)<br />

VII. Dogmatik, Moral, Pastoral, Controversschriften.<br />

(ca. 40 Bde.)<br />

VIII. Katechetischer Religionsunterricht, Predigtsammlungen,<br />

Liturgische Werke, Varia, (ca. 60 Bde.)<br />

IX. Philosophie, Jurisprudenz, Medicin, Naturlehre,<br />

Geschichte, Sprache, Poesie etc. (ca. 80 Bde.)<br />

Wenn wir die Bestände dieses Kataloges mit den Büchern<br />

vergleichen, die heute noch davon im Besitze des Dekanates<br />

sind, müssen wir feststellen, daß über die Hälfte der im<br />

Katalog aufgeführten Druckwerke fehlt. Dies hat wohl seinen<br />

Hauptgrund darin, daß die Bibliothek oft verlagert<br />

wurde. Anscheinend blieben an fast jedem Lagerort einige<br />

Bücher „hängen"! So sind, um nur zwei kleine Beispiele zu<br />

nennen, über 10 Bibelausgaben und über 20 Bibelkommentare<br />

des 15. Jahrhunderts verschwunden.<br />

Die Bibliothek erhielt im letzten Jahrhundert aber auch<br />

großen Zuwachs, wie die vielen Besitzvermerke in den Büchern<br />

zeigen. Meist handelt es sich um Nachlässe verstorbener<br />

Pfarrer. So vermachte z. B. der damalige Stadtpfarrer<br />

von Sigmaringen, der selber einige Bücher geschrieben hat,<br />

Maximilian Joseph Herz, viele Bücher der Kapitelsbibliothek.<br />

Natürlich kaufte das Kapitel auch viele Bücher<br />

und Schriften.<br />

Um die letzte Jahrhundertwende war die Dekanatsbibliothek<br />

im Kloster Gorheim bei Sigmaringen zur Aufbewahrung.<br />

Dort wurde von einem Frater des Klosters ein<br />

Iwein-Fragment (Q) des Hartmann von Aue<br />

entdeckt, das einem Buch als Einband gedient hatte. Das<br />

Fragment wurde herausgelöst (das Buch ist noch vorhanden)<br />

und in der „Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche<br />

Literatur 47 (1904)" veröffentlicht. In der Kapitelsbibliothek<br />

befindet es sich sicher nicht mehr, vielleicht im Kapitelsarchiv,<br />

das aber nicht zugänglich ist. Es ist bedauerlich für<br />

so ein wertvolles Stück, zumal im Kapitel nicht einmal bekannt<br />

war, daß es diese Handschrift noch besitzen müsse!<br />

Im Jahre 1955 wurden die Druckwerke — rund 200 Bände<br />

— die zum- ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Beuron<br />

gehörten, an die heutige Benediktiner-Erzabtei Beuron zurückgegeben,<br />

wenn auch nur als Depositum, also mit dem<br />

Besitzrecht des Dekanates Sigmaringen. Die Erzabtei ist seit<br />

Jahren bemüht, die einst sehr umfangreiche Bibliothek des<br />

Augustiner-Chorherrenstifts, die nach der Säkularisation in<br />

alle Winde zerstreut worden war, wieder zurück nach Beuron<br />

zu bringen. Auch heute noch tauchen hier und dort Bücher<br />

dieser kostbaren Bibliothek auf.<br />

Was war der Zweck der Kapitelsbücherei? Der Name sagt<br />

schon, daß sie dem Kapitel gehört, also dem heutigen kath.<br />

Dekanat Sigmaringen. Diese Sammlung Bücher sollte — bis<br />

in unser Jahrhundert — den Pfarrern der Stadt u 9 Umgebung<br />

von Sigmaringen zur Information und Weiterbildung<br />

dienen. Eine solche Einrichtung war sehr sinnvoll, denn im<br />

vergangenen Jahrhundert konnte sich nicht jeder Dorfpfarrer<br />

die nötigen Bücher aus eigenen Mitteln kaufen. Wenn dagegen<br />

jeder Pfarrer eine bestimmte Summe beisteuert, können die<br />

Bücher gekauft werden. In der Kapitelsbibliothek fand der<br />

Pfarrer alle Bücher, die er für Kirche, Schule und dgl.<br />

brauchte. Heute besitzt natürlich jeder Pfarrer die Bücher,<br />

die er laufend braucht, selbst. So kommt es auch, daß diese<br />

Bibliothek, in der ohne Zweifel Tausende an Wert stecken,<br />

heute nicht mehr benutzt wird. Auch ist sie längst nicht<br />

mehr auf dem neuesten Stand; aber es gibt doch viele Bücher<br />

in ihr, die man ab und zu auch heute noch braucht. Diese<br />

werden dann nicht benutzt, weil nicht bekannt ist, bzw. war,<br />

welche Werke die Bibliothek besitzt.<br />

Was enthält die Kapitelsbibliothek heute? Von den einst<br />

relativ zahlreich vorhandenen Inkunabeln, Druckwerken also,<br />

die vor dem Jahr 1500 gedruckt worden sind, und von den<br />

Frühdrucken bis 1530, sind nur noch wenig über 20 vorhanden,<br />

darunter das älteste Buch aus dem Jahr 1470. Ferner<br />

finden wir aus dieser Zeit zwei Bibelausgaben des Erasmus<br />

von Rotterdam aus den Jahren um 1520. Mehrere<br />

Concordanzen des frühen 16. Jahrhunderts sind auch<br />

noch vorhanden. Meist finden sich theologische Werke, viele<br />

Predigtsammlungen, Apologien, Wegweiser zur Seelsorge,<br />

auch philosophische Arbeiten, Literaturgeschichten, Kirchengeschichten<br />

u. a. Besonders erwähnt seien auch die rel.<br />

zahlreichen frühen Bibelausgaben und Kommentare. Als Seltenheit<br />

fällt ein syrisches Neues Testament des 17. Jahrhunderts<br />

auf. Unter den Büchern, die an das Kloster Beuron<br />

abgegeben wurden, befindet sich auch das Buch von S e b.<br />

S a i 1 e r: Lehrend und Bittende Großmutter des Christenthums<br />

Heilige Anna v. 1757. Es enthält die Ansprache Seb.<br />

Sailers zur Einweihung der St. Anna-Kirche in Haiger<br />

1 o c h. Dieses Buch ist besonders selten und wertvoll.<br />

(Vergl. „Hohenz. <strong>Heimat</strong>" Jahrg. 1955 S. 22.) Ferner findet<br />

sich in der Kapitelsbibliothek in Sigmaringen viel Schrifttum<br />

von und über den damaligen Konstanzer Bistumsverweser<br />

Freiherrn von Wessenberg und die damalige Diözese<br />

Konstanz. Sogar lutherische Schriften, einige von Luthers<br />

Sendschreiben, fehlen nicht.<br />

Sehr bedeutend ist auch die Zeitschriftenabteilung<br />

der Bibliothek. Mehr als dreißig verschiedene Zeitschriften<br />

sind in einer oft beachtlichen Anzahl von Jahrgängen<br />

vorhanden: Zum Beispiel: Stimmen aus Maria Laach,<br />

Theolog.-prakt. Quartalschrift, Hist.-pol. Blätter fürs kath.<br />

Deutschland, Der Katholik, Archiv für die Pastoralkonferenzen<br />

des Bistums Konstanz, Freiburger Diözesanarchiv u. a.<br />

Die Zeitschriften, die zum Teil gebunden sind, ergeben eine<br />

Reihe von 25 lfd. Metern.<br />

Der Verfasser legte zwei Zettelkarteien der Bibliothek an<br />

und hektografierte den Alphabetskatalog, der zahlreichen<br />

Interessenten zugegangen ist. Auch die Oeffentlichkeit nahm<br />

großes Interesse an der Bibliothek. Berichte über die Neuordnung<br />

kamen in fünf Tageszeitungen und zwei Zeitschriften.<br />

Ferner brachte der Südwestfunk einen Bericht über die<br />

Bibliothek und der Süddeutsche Rundfunk ein Gespräch mit<br />

dem Verfasser über die Art und Ordnung der Bücherei.<br />

Wie alle Bibliotheken mit wissenschaftlichem Buchbestand,<br />

erhielt auch diese ein S i g e 1, und zwar von der Staatsbibliothek<br />

Marburg der Stiftung Preuß. Kulturbesitz, das S i g e 1<br />

S i g 2. Außerdem ist der wissenschaftliche Buchbestand der<br />

Kapitelsbibliothek im Zentralkatalog von Baden-Württemberg<br />

erfaßt.<br />

Nachdem die Bibliothek des Dekanates Sigmaringen, dio<br />

alte Kapitelsbibliothek, im großen Treppenhaus des Erzbischöflichen,<br />

Studienheims in Sigmaringen untergebracht ist<br />

(in eigens neu angeschafften Regalen), ist sie nicht nur die<br />

bedeutendste Kapitelsbibliothek Hohenzollerns, sondern kann<br />

sich auch mit anderen Bibliotheken ihrer Art über die<br />

Grenzen unseres Zollerländchens hinaus messen. Trotz der<br />

großen Verluste, die sie erlitten hat, hat sie immer noch<br />

alte und seltene Schätze aufzuweisen.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 41<br />

Das Benediktusleben, das Lenz komponiert hat, wirkt so<br />

überzeugend, daß man die weichlichen Barock- oder Rokokobilder<br />

von Benediktinerheiligen nicht mehr sehen kann. In<br />

Italien habe ich mich nach Benediktusbildern großer Künstler<br />

vergebens umgesehen. Es fällt auf, daß sich die darstellende<br />

Kunst für diesen großen Ordensvater erst im Barockzeitalter<br />

intensiver interessiert hat und daß sein Führergeist vierzehnhundert<br />

Jahre warten mußte, bis ein Künstler großen<br />

Formates ihn in monumentaler Auffassung bildlich verherrlichte.<br />

Es ist schon merkwürdig, wenn man an das Franziskusleben<br />

in der Oberkirche St. Francesco zu Assisi oder an<br />

die Dominikanerbilder im St. Marcokloster zu Florenz denkt.<br />

Diese Aufgabe blieb Pater Desiderius Lenz gestellt. Seine<br />

Erfüllung trug ihm Unsterblichkeit ein. Die Kunst, die Lenz<br />

uns schenkte, fußt im römischen Geiste St. Benedikts. Sie ist<br />

jeder Individualität bar und voll aristokratischer Ruhe. Aber<br />

sie konnte nur in der engeren Peripherie des Ordens gedeihen.<br />

Verheißungsvoll setzt sie mit der Gründung Beurons<br />

ein. Wenn auch mehr geduldet als absolut verstanden, erreicht<br />

sie aber dennoch ihren Höhepunkt in der Torretta und<br />

später in Soccorpo am Grabe St. Benedikts zu Monte Cassino.<br />

Kommt man aus der engeren <strong>Heimat</strong> des Künstlers auf<br />

den Berg St. Benedikts nach Monte Cassino, ist man hochinteressiert,<br />

die Beuroner Kunst in den alten historischen<br />

Räumen zu sehen und man versucht nachzufühlen, was aus<br />

der Verheißung im oberen Donautal weiterhin geworden und<br />

wie sie sich in die südliche Landschaft, Architektur und zu<br />

deren Menschen stellte.<br />

Das erkennt man sofort: zu Monte Cassino hat monumentale<br />

Kunst nicht nur eine symbolische Bedeutung und einen<br />

historischen Rahmen. Sie hat <strong>Heimat</strong>rechte innerlichster Art.<br />

Sie hat eine Mission an die ganze Welt.<br />

Die Malereien erinnern sofort an die Fresken der Mauruskapelle<br />

zu Beuron. Das ist der Primäreindruck. Pater Desiderius<br />

mußte sich in vorgefundene Raumverhältnisse einfühlen.<br />

Sein architektonischer Sinn dokumentiert sich stark.<br />

Das ist der zweite Eindruck. Doch ab und zu meint man, den<br />

Räumen sei etwas Gewalt angetan, und das lineare Auf- und<br />

Nebeneinander mutet nicht mehr so weich geschlossen an wie<br />

zu St. Maurus. Es kommt eine mehr strengere Note in der'<br />

Vortrag — etwas Bewußtes. Man spürt, die Künstler sind<br />

sich ihres Wollens klarer bewußt. Oder ist diese strengere<br />

Wirkung die Folge des von Pater Desiderius erst nach der<br />

Erstellung der Mauruskapelle gefundenen Kanons? Jedenfalls<br />

spürt man die Mollnote von Pater Gabriel Wüger, die<br />

an und in der Mauruskapelle so wohltuend in Ausführung<br />

gelangte, hier minder stark. Der eigenwillige Architekt<br />

kommt auffallend in der gesamten Raumdisposition zum<br />

Durchbruch, schaut aus Ornament und figuraler Komposition<br />

heraus. Es ist und bleibt bedauerlich und unbegreiflich, daß<br />

dieser übergewöhnlich mächtigen Urbegabung kein Mäzen<br />

erstand, der ihr Bauaufträge übermittelt hätte! Hier StHrie<br />

seine Veranlagung geradezu laut vernehmbar nach architektonischer<br />

Berufung.<br />

Die meist in Quadraten angelegten Zellen tragen in ihrer<br />

Anlage schon starken Durakkord. So ist wohlbegreiflich, daß<br />

von den Italienern diese Beuroner Kunst fast nie verstanden<br />

wurde. „Troppo duro" — viel zu hart — war das welsche<br />

Urteil.<br />

Auf der Reise nach Neapel und öfters von Rom aus war<br />

ich nach Monte Cassino gekommen. Aber jedesmal, da ich<br />

in die Torretta kam, war ich froh, daß die Torretta in Italien<br />

und die St. Mauruskapelle in Hohenzollern ist. Dort im Donautal<br />

ist die Urtümlichkeit rein, jungfräulich, unbewußt, es<br />

fließt noch ein besonderes Quantum Naivität mit. Hier aber<br />

kam es mir vor, als ob schon zu viel Wissen in das Schaffen<br />

mit eingeflossen sei, das das Primäre, Naive vom Donautal<br />

nicht mehr aufkommen lassen will.<br />

Die Zirkelspuren wohl abgemessener Teilungen möchte<br />

man weniger markant wünschen und malerisch gelockerter<br />

vorgetragen sehen. Eines erlebt hier eine beispiellose Höhe:<br />

die Reliefplastik. Ein fein fühlender und zart empfindender,<br />

aus dem Schreinerhandwerk hergekommener Joseph<br />

Leiburger aus Mühlheim bei Beuron, der die architektonisch-plastische<br />

Form von Lenz rein nacnzuschaffen vermochte,<br />

bildete Reliefe, die man um der Einheit ihrer Form,<br />

um die Wohlklänge ihres Rhythmus neben die beste antike<br />

Plastik stellen kann. In einer ähnlichen Zartheit hat nie<br />

mehr ein Plastiker den Meister nachzuempfinden vermocht.<br />

Schöpferisch unbegabt, aber als Nachschaffender eine vor-<br />

Der Malermönch<br />

von Kunstmaler Hermann Anton Bantle t<br />

(Fortsetzung)<br />

treffliche Hilfe. Nicht vorgebildet, folglich auch nicht verbildet.<br />

Er starb in Monte Cassino, zu früh.<br />

Joseph Leiburger, von dem kein Mensch spricht, war nicht<br />

Mönch. Er kam als Schreinergehilfe nach Beuron und unterstützte<br />

von seinem bescheidenen Verdienst seine alte Mutter.<br />

Man nannte ihn nur den Schreinerjosef. Lenz entdeckte sein<br />

künstlerisches Nachempfindungsvermögen. Als er dann in<br />

Monte Cassino seine manuellen Dienste benötigt, holte er<br />

ihn nach dort. Dieser Schüler, man denkt an die Meisterschüler<br />

früherer Zeiten,entwickelte sich zum treuen Nachempfinden<br />

und wurde des Meisters ausübende Hand, die uns<br />

Reliefplastiken von erstaunlicher Vollendung und Reife<br />

schenkte. Restlos sind seine Plastiken der Intension, der Inspiration<br />

von Lenz gefolgt. Seine Begabung kam unter des<br />

Meisters Leitung und unter Einwirkung einer befruchtenden<br />

Umgebung alter Kultur, wie der heilige Berg sie bietet, zu<br />

schöner Entfaltung. Vielleicht wäre sie auf einer obligaten<br />

Schule untergegangen. Tatsache bleibt, daß kein zweiter die<br />

Entwürfe von Lenz so vollendet und ungequält wiedergeben<br />

und vergrößern konnte. Von den Italienern, die der Lenzschen<br />

Kunst nicht allzuviele Sympathien entgegenbrachten,<br />

wurden diese streng linienbetonten Plastiken stets bewundert.<br />

Leiburger zeigt, wie in der bildenden Kunst vor allem<br />

das Erfinden, der eigentliche Schöpfungsakt ist.<br />

Das Ausführen aber, das die bildende Kunst benötigt,<br />

bleibt im wesentlichen handwerkliches Können. Je<br />

nach Gefühlszutat vermag es die Ursprungsidee festzuhalten,<br />

zu vertiefen oder zu verflachen. Leiburger war ein glücklichst<br />

veranlagter Handwerker von künstlerischer<br />

Qualität.<br />

1880 wurde die Torretta fertig. Die Künstler zogen nach<br />

dem Norden, um in der Abtei von Abt Benedikt Sauter in<br />

Emaus zu Prag Kirche und Kloster auszumalen. Dort waren<br />

wieder Einordnungen in schon gegebene Raumverhältnisse<br />

notwendig. Pater Gabriel Wüger kam, wohl unter persönlicher<br />

Einwirkung von Abt Sauter, in einem Marienzyklus zu<br />

besonderer Auswirkung.<br />

Abt Benedikt Sauter, der als Kantor eine erste Kraft war,<br />

dessen herrliche Stimme und reiner Vortrag hohe Bewunderung<br />

hervorrief, war eine gemütstiefe Künstlernatur. Er<br />

wußte aus Erfahrung, daß selbst die höchste Kunst bei korrektem<br />

technischen Vortrag ohne Beimischung von Gefühlsmomenten<br />

nicht in die Seele zu greifen vermag. Er gab seinem<br />

Vortrage innerliches Erleben mit. Er wollte die strengen<br />

Kompositionsgesetze, die Pater Lenz aufgestellt hatte, durch<br />

die persönliche Begabung Pater Wügers gemildert haben. Und<br />

so sehen wir in dem in der Emauser Klosterkirche gemalten<br />

Bilder-Zyklus die Gefühlswerte von Pater Gabriel bis an<br />

die Grenze des Nochmöglichen erschöpft und ausgebeutet.<br />

Die Muttcrgottes-Darstellung lag tief im Rahmen seiner<br />

Begabung, entsprach ganz und gar seiner Vollveranlagung.<br />

Das Werk trägt in vollster Weise seine persönliche Note.<br />

Zwei Kompositionen davon stammen von Pater Lukas Steiner.<br />

Der ganze Zyklus ist an eine große Seitenwand der gotischen<br />

Abteikirche in nassen Kalk gemalt.<br />

Es folgte der Auftrag, in die neugotische Marienkirche zu<br />

Stuttgart einen Kreuzwegfries zu malen. Die Ausführung<br />

erfolgte nicht in Fresko, sondern in Keimscher Mineralmalerei,<br />

die damals als Freskoersatz von Keim in<br />

München erfunden war.<br />

Diese Maltechnik, die auf eigens präpariertem Grund sowohl<br />

auf Leinwand als auch auf der Wand ausgeführt wer -<br />

den kann, sollte die Schwierigkeiten der Freskotechnik beheben<br />

und das Malen erleichtern. Beim Freskomalen muß<br />

der Künstler ein vom Maurer wohl präpariertes Mauerstück<br />

an dem Tage fertig malen, an welchem die Mauerfläche aufgetragen<br />

wird. Nur solange diese frischgemauerte Partie noch<br />

naß ist, kann man auf sie malen. Nur der Künstler, der<br />

rasch arbeitet und der keinen Fehlstrich macht,<br />

vermag in nassen Kalk, — ins Frische — al fresco — zu<br />

malen. Das ist eine nervenzehrende Sache. Wenigen Künstlern<br />

gereicht das Freskomalen zur Freude. Um die außergewöhnliche<br />

Schwierigkeit zu beheben, brachte Keim eine<br />

Ersatztechnik für das Fresko, die dieselbe Wirkung eines in<br />

nassen Kalk gemalten Wandbildes haben sollte. Bei dieser<br />

Keim'schen Mineralmalerei kann man zu jeder beliebigen<br />

Zeit anfangen oder aufhören. Man kann malen, wie man<br />

will.. Es hat aber diese Technik in den Künsterkreisen nicht<br />

die Aufnahme gefunden, die ihr Erfinder ihr zudachte. Alle<br />

Farben mußten mit Baryweiß gemischt sein. So bekamen<br />

durch diesen Zusatz von Schwerspat die Farben etwas Kai-


42 HOHSKZOLLERI9CHIS H U M A T Jahrgang 1965<br />

tes.. Jene warmen und tiefen Tinten, die das Fresko ermöglicht,<br />

sind hier nicht mehr erreichbar.<br />

Diesen Hangel trägt das Stuttgarter Werk der Beuroner<br />

Künstler in auffallender Weise an sich. Anklänge an die St.<br />

Mauruskapelle erkennt man nicht so leicht. Es kommt eine<br />

Farbnote in Auswirkung, die man vorher bei diesen Künstlern<br />

nicht kannte.<br />

Als Pater Gabriel und Pater Desiderius an den Kartons<br />

dieser Kreuzwegstationen arbeiteten, kam ich während eines<br />

Besuches in das Atelier zu Beuron. Damals befremdeten<br />

mich die überladenen Kompositionen. Das war gar nicht<br />

mehr die Einfachheit der St. Maurusmalerei! Gewiß, Einzelfiguren<br />

dieses Kreuzwegs sind unvergleichlich, in ihrer Empfindung<br />

aber zu einer dramatischen Darstellung, wie wir sie<br />

heute von einer Passionskomposition fordern, konnte die monumentale<br />

Kunstsprache von Lenz nichts absolut Befriedigendes<br />

geben. Dafür war auch die Veranlagung von Pater<br />

Wüger wiederum zu rein lyrisch.<br />

Schon an der Hauptfigur, der Christusdarstellung, versagte<br />

eine Kunst, die alle Gefühlswerte auf das Mindestmaß<br />

reduziert und um ihrer Prinzipien wegen einschränken muß.<br />

Sie ging über die Grenze des Monumentalen. Sie gab eine<br />

Konzession an das Tafelbild, an das Erzählenwollen oder an<br />

das Literarische in der Kunst, dem Lenz in seiner Kapelle<br />

bei Beuron bewußt ausgewichen war.<br />

Ob die Stuttgarter Auftraggeber, als sie dem Abte zu Beuron<br />

ihren Wunsch mitteilten, von seinen Künstlern einen<br />

gemalten Kreuzweg für ihre Marienkirche zu erhalten, die<br />

Bedingung gestellt, daß die Figuren nicht so „steif" sein<br />

dürfen wie die St. Maurusbilder?<br />

Das schwäbische Volk, dem die Mauruskapelle sehr wohl<br />

gefiel, meinte oft: „Die Bilder sind schön, wenn sie nur nicht<br />

so steif wären!" (Steif wäre hier gleichbedeutend mit gefühlsarm,<br />

gestenlos, unerregt.)<br />

Und so wird wohl der Abt seine Künstler verpflichtet<br />

haben, ihren Stil bei diesen Passionsbildern zu mildern.<br />

Der bodenständige Süddeutsche ist Barockmensich. So sieht<br />

er alle Kunst durch das Barock hindurch. Während hervorragende<br />

Malereien vom 9. bis 11. Jahrhundert der Oberzellkirche<br />

auf der Insel Reichenau, Goldbach bei Ueberlingen,<br />

der Michaelskirche zui Burgfelden und andere hochwertige<br />

gotische Kunstdenkmäler in Architektur, Plastik und Malerei<br />

den meisten Süddeutschen bekannt sind, steht der Alemanne<br />

und Schwabe in keiner Beziehung zum Mittelalter. Ihn hat<br />

die Reformation so erschüttert, daß er ihrer vorausgehenden<br />

Kultur mit dem Verstände, aber nicht mehr mit dem Gefühl<br />

nahezukommen vermag.<br />

Deshab sollte der Stuttgarter Kreuzweg als Volksandachtskunst<br />

Gefühlsmomente bringen. Die Prinzipien von Pater<br />

Desiderius mußten so hier versagen.<br />

Das Resultat wurde — wie es immer ward und wird —<br />

wenn man den schöpferischen Genius bevormundet.<br />

Nur der Künstler selbst kann für den Schöpfungsakt maßgebend<br />

sein und sich dafür verantworten.<br />

Dieser Kreuzweg ist Beispiel eindringlichster Wirkung, wo<br />

die Grenze des Nurmonumentalen und die Möglichkeit des<br />

tragischen Vortrages sich trennen müssen.<br />

Die Beuroner Künstler zogen ihre Lehren: Sie haben nie<br />

mehr Aehnliches versucht.<br />

Vielleicht wäre der Kreuzweg erträglicher, wenn nur in<br />

einem Farbton gemalt worden wäre, wie das Benediktusleben<br />

in Monte Cassino. Seine in Linie und Farbe überladenen<br />

Kompositionen bringen auch im Kolorit keine Passionseindrücke<br />

auf. Man bleibt unbefriedigt.<br />

Die Beuroner Kunst ist Freskalkunst, auch als Mosaikausführung<br />

berechtigt. Beim Täfelbild, das in sich selbst ruhend<br />

eine eigene Welt darstellt, nicht an Architektur gebunden<br />

ist, wirkt die Flächenhafte Freskostil-Behandlung der Beuroner<br />

Art nicht...<br />

Die Benediktinerinnen, die in einer Vorstadt von Prag ein<br />

Kloster gebaut hatten, das dem Abt Benedikt Sauter unterstellt<br />

war, baten ihn, Kirche und Chor auszumalen. Sie lassen<br />

Lenz seinen Genius frei entfalten. Noch einmal setzt er seine<br />

Prinzipien rein durch. Doch der Freund, Pater Gabriel Wüger,<br />

der 63jährig zu Monte Cassino das Zeitliche gesegnet hatte,<br />

ist ihm nicht mehr Helfer.<br />

Mit einem Stabe von Schülern wirkte der Meister jetzt<br />

jahrelang an der Ausschmückung der Frauenabteikirche und<br />

dem Frauenchor zu St. Gabriel in Prag. Da die mitschaffenden<br />

und ausführenden Kräfte aus jüngeren Künstlern bestanden,<br />

konnte die Freskotechnik, die Kunst gewandter<br />

Männer, wie Michelangelo sagte, nicht angewendet<br />

werden. Die Malereien wurden in Temperatechnik ausgeführt.<br />

Diese Technik, bei der die Farben durch Ei-Emulsion gebunden<br />

werden, hat die Leuchtkraft nicht, die das Fresko in sich<br />

trägt. Wir können somit in St. Gabriel jene unvergleichliche<br />

Transparenz der Farben, wie wir sie an der St. Mauruskapelle<br />

erkennen, nicht erwarten.<br />

Besitz des Kl. Güterstein um Steinhilben<br />

Am Tag des hl. Märtyrers Valentin, 14. Februar des Jahres<br />

1475, verkaufte das Karthäuserkloster Güterstein bei Urach<br />

allen seinen Besitz um Trochtelfingen, nämlich Steinhilben,<br />

Haid, Stetten u. Holst, und Feldhausen, an den Allerseelenaltar<br />

zu Trochtelfingen um 1008 Pfund und 14 Schilling Heller<br />

wirtembergischer Münze.<br />

Ich Bruder Konrad, der Prior 1 ) und wir, der Konvent des<br />

Gotteshauses zu dem Güterstein, Cartuser Ordens in dem<br />

Konstanzer Bistums, bekennen, daß wir mit wohlbedachtem<br />

Sinn zum besseren Nutzen unseres Gotteshauses hiermit an<br />

den Schultheiß, Burgermeister und das Gericht zu Trochtelfingen<br />

als Pfleger, und an Herrn Hans Wieland von<br />

Trochtelfingen, Kirchherrn zu Ellwangen als einen Stifter<br />

der neuen Pfründe des Altars der armen elenden<br />

Seelen 2 ) und aller gläubigen Seelen, die der genannte<br />

Herr Hans Wieland an die Pfarrkirche zu Trochtelfingen gestiftet<br />

hat, alle unsere Hofe und Güter samt deren Zubehör<br />

zu Steinhilben, Wettishausen 7 ) Meidelstetten,<br />

in der Haid, Stetten unter Holnstein und Feldhausen<br />

verkauft haben.<br />

Nämlich das Gut Ludwig Heinzelmanns 2 a) zu<br />

Steinhilben, samt dem Steinhaus, der Scheuer, dem<br />

Garten und den Wiesen, die dazu gehören und was er derzeit<br />

innehat, wovon er und seine Erben jährlich geben 4<br />

Pfund und 5 Schilling (ß) Heller. Das Haus mit Zubehör ist<br />

ihm vererbt worden als Erblehen, und der Inhaber gibt davon<br />

10 ß Handion und 10 ß Weglösin, wann oder wie er<br />

oder seine Erben davon fahren, lebend oder tot. Item derselbig<br />

Lud. Heinzelmann hat des Haupts Hof 3 ) zu Steinhilben,<br />

wovon er und seine Erben jährlich 6 Scheffel Vesen<br />

und ebensoviel Haber liefert Er soll neun Trochtelfinger<br />

Viertel geben für einen Reutlinger Scheffel. Er gibt ferner<br />

davon 1 Pfd. 9 ß hlr jährlichen Zins. Der Handion dieses<br />

Erblehens beträgt 15 ß hlr und die Weglösin ebensoviel.<br />

Item Konrad Heinzelmann daselbst hat ein Gut<br />

und Hof mit Zubehör gegen jährlich 4 schf 4 vtl beiderlei<br />

Korns, halb Vesen, halb Haber, auch 9 vtl für einen Reutlinger<br />

Scheffel gerechnet. Er gibt auch 1 ß hlr jährlich Zins<br />

aus der Egerd an dem Crützberg zu Steinhilben. Der Hof<br />

ist Erblehen und gibt als Handion und Weglösin bei Veränderung<br />

des Besitzers je 15 ß hlr.<br />

Item Aberlin Höniß zu Steinhilben gibt aus des Maisers<br />

Hof 4 ), den er als Erblehen besitzt, jährlich 5 schf und<br />

drei vtl. beiderlei Korns, je zur Hälfte Korn und Haber,<br />

ebenfalls Reutlinger Meß. Gibt auch 2 ß hlr Zins aus dem<br />

Gut und der Hofstatt und Hofraite, darin ein „Ker" 5 ) ist,<br />

gelegen bei der Hül b, stoßt an sein Haus und Scheuer.<br />

Er gibt als Handion und Weglösin 15 ß hlr, wenn er oder<br />

seine Erben davon fahren, lebend oder tot.<br />

Item Heinz Schaidlin hat ein Erblehen, das Blankensteins<br />

gewesen ist. Er gibt daraus jährlich 10 vtl Vesen<br />

und 10 vtl Haber, Trochtelfinger Meß, wovon neun Viertel<br />

einen Reutlinger Scheffel machen. Ferner gibt er daraus 10<br />

ß hlr Zins und 60 Eier „uf Ostran", auch 1 Herbsthuhn und<br />

1 Schulter (Schinken, Schäufele), dazu Handion und Weglösin<br />

je 10 ß hlr.<br />

Item Heinz Beck, Benzen Becken ehelicher Sohn, und<br />

seine Erben geben jährlich 8 ß hlr Zins und 1 Herbsthuhn<br />

aus seiner Hofstatt, darauf Haus und Scheuer stehen, auch<br />

dem Garten dahinter, ist gelegen an der Schrayen 6 ) bei<br />

Klausen Rümlis Haus zu Steinhilben.<br />

Ferner Klaus R ü m 1 i n (Külmin?) gibt jährlich 3 ß hlr<br />

Zins und 1 Herbsthuhn aus Hofraite, Haus, Hofraite, gelegen<br />

bei Heinz Becken Hofstatt an der Schrayen zu Steinhilben.<br />

Dabei ist zu wissen, daß Herr Diem von Steinhülben<br />

3 ) alle seine Güter und Leute und Rechte zu Steinhilben<br />

Unsrer lb. Frau zu dem Güterstein frei ergeben hat<br />

mit allem Zubehör, wie er es als väterliches Erbe innehatte.<br />

Dieselben Rechte übergeben wir anmit den Pflegern zu Trochtelfingen,<br />

nämlich:<br />

Das Gut W e t i s h u s e n "'), ein Drittel an dem oberen<br />

Holz und Feld, Zwing und Bann, Gewaltsamy und Rechten,<br />

Gewohnheiten und Zugehörden. Auch das Drittel der Landgarbe<br />

aus Wetishusen, wenn der Hof in Bau ist. Ferner 1<br />

Pfund Heller jänrlichen Zins aus dem unteren Teil Wettishausen<br />

und aus dem Brühl. Im Fall der Verleihung auch


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 43<br />

einen Teil des Zinses, nämlich gewöhnlich 15 ß hlr im Jahr.<br />

Diesen Zins allen gibt der Schultheiß von Trochtelfingen im<br />

Namen des gnäd. Herrn, Grafen Jörgen von Werde<br />

n b e r g.<br />

Item Cunz Gysnay 8 ) zu Trochtelfingen und seine<br />

Söhne Heinz und Konzlin Güsnay, die zwei Wiesen zu<br />

Wettishausen um jährlich 10 ß hlr und 4 Heller innehaben,<br />

geben uns davon ein Drittel, nämlich 3 ß und 4 hlr. Es<br />

stoßen die Auhwies und die Schürwies daran. Dieses Drittel<br />

soll fürohin der Seelenpfründe zukommen. Ferner haben die<br />

genannten beiden Brüder Gysnay eine Wiese zu Wettishausen<br />

hinter der genannten Auhwies, die dem Jakob Murer<br />

von Trochtelfingen gehörte. Davon geben sie und ihre<br />

Erben jährlich 16 hlr Zins als Drittel.<br />

Item Konrad Sailer, genannt K n e c h 11 i n, der<br />

Schultheiß zu M e i d e 1 s t e 11 e n, des Nitharts Tochtermann,<br />

hat ein Gut und Lehen mit Zubehör. Er gibt daraus<br />

2 Pfd hlr. Zins den Seelen.<br />

Item Heinz Stahlecker und Henslin Gerung zu<br />

Engstingen haben zusammen eine Wiese, gegen 10 Mansmad<br />

groß, die in der Haid liegt neben Konrad Bosch-<br />

1 i s Wies, darauf Unser Frowen Cappel jetzo steht. 10 )<br />

Davon geben sie beide den Seelen 1 Pfd. 1 ß hlr.<br />

Item Peter Hoch und Heinz Tötte von Engstingen<br />

haben 1 Wiese in der Haid bei 20 Mansmad<br />

groß, auch an obigem Konrad Böschlin bzw. der Frauenkapelle<br />

gelegen, geben daraus llß hlr. Wenn die Wiese<br />

ledig wird, mag man den Zins erhöhen.<br />

Item Hans Dietrich u ), genannt Hanselmann zu<br />

Stetten unter Holnstein, hat ein Hofgut, woraus er 5 Pfd<br />

hlr und W i ß pf e n n i g zinst, dazu 5 schf Vesen und 5 schf<br />

Haber (Reutlinger Meß), 1 Vtl Eier, zwo Schultern oder dafür<br />

3 ß hlr, 2 Herbsthühner und 1 Fastnachtshenne. Er gibt<br />

von diesem Erblehen je 12 ß hlr Handion und Weglösin.<br />

Item Eberlin Dietrich zu Stetten gibt aus seinem<br />

Gut 8 schf Vesen und ebensoviel Haber Reutl. Meß,<br />

dazu 1 Fastnachtshenne und 6 ß hlr aus einer Wiese in<br />

M ö r t i n g e n. 12 )<br />

Item Hans Flamer 13 ) zu Stetten gibt aus seinem<br />

Lehengut 3 schf beiderlei Korn, halb Vesen, halb Haber<br />

(Reutl. Meß), dazu 7 ß hlr Zins, 2 Schultern, 60 Eier, 2<br />

Herbsthühner, 1 Fastnachtshenne.<br />

Hans Pfueger d. ält. 13 ) gibt aus «einem Lehen jährlich<br />

1 schf Vesen und 3 ß hlr. Diese beiden Zinse sind rechte<br />

Vorzinse, während dasselbig Gut danach zinst an Sant Micheln<br />

M ) gen Trochtelfingen.<br />

Item zu Stetten aus den Wiesen zu Mörtingen 12 )<br />

gehen jährlich für Heuzehnten 18 ß hlr, die jetzo der jung<br />

Diepolt zu Salm endin gen und Auberlin Rangending<br />

zu Meldungen geben.<br />

Item Peter Brendlin zu Feldhusen, genannt<br />

Schodel, hat einen Acker von 3 Jauchert, gibt daraus 6 Vtl,<br />

was darauf wächst, oder vier Viertel alle Jahre.<br />

Diese Stücke und Güter samt Registern und Rodeln, also<br />

Häusern, Scheuern, Hofstätten, Hofraiten, Wiesen, Gärten,<br />

Aecker und Wiesen, Egerten, Wasen, Weide, Wasser und<br />

Wasserleiten, Wälder, Holz und Feld, Zwing und Bann, was<br />

alles dazugehört, ober oder unter der Erde, mit Zinsen und<br />

Gilten, usw. gehen hiermit an die Seelenpfründe über.<br />

Ausgenommen sind lediglich die Dienste, die der gnäd.<br />

Herrschaft von Werdenberg gehören, und die Maier 15 )<br />

zu Steinhilben zu leisten vertädingt 16 ) sind, nach laut des<br />

Tädingbriefs. Der Verkauf geschah um 1008 Pfund und 14<br />

Schilling Heller wirtembergischer Münze, die gänzlich bezahlt<br />

sind, worauf wir auf obige Güter endgiltig verzichten und<br />

47. S a 1 z w i e s e. Diese ehemalige Wiese liegt nördlich an<br />

der Gabelung von Hechinger Weg und Friedhofweg. Heute<br />

sind dort Krautgärten; aber eine große Zahl von Pflanzen<br />

zeigen den Sumpfcharakter des Geländes. 1730 und 1760 befand<br />

sich dort die „H a f n e r h ü 11 e" der Familie Walter.<br />

Wie der Name Walter sagt, waren die ersten Walter herrschaftliche<br />

Verwaltungsbeamte, die wohl durch die Herren<br />

auf der Haimburg nach Grosselfingen kamen. Um 1800 stand<br />

das Hafnergewerbe der Walter in hoher Blüte; sie formten<br />

nicht nur Häfen, Schüsseln und dergl., sondern bauten auch<br />

hochwertige Kachelöfen, z. B. jene auf dem Lindich. Der<br />

Senio" der Hafner-Walter war der „Häfnermichele",<br />

der Großvater des auch unserer Zeitschrift bekannten verst.<br />

Regierungsdirektors Michael Walter.<br />

Grosselfinger Flurnamen<br />

von Josef S t r o b e 1<br />

diesen Verkaufsbrief ausstellen. Die Verkäufer siegeln mit<br />

ihrem Konventsiegel am Valentinstag des Märtyrers im<br />

Jahre 1475.<br />

(Nach einer Kopie des Pfr. Friedrich Eisele. Zur Kartause<br />

Güterstein siehe Freibg. Diöz,-Archiv Band 26, 1898, S. 127<br />

bis 192. Der Prior Albrecht Krus 1511—1515 scheint aus<br />

Stetten u. Holst gestammt zu haben, somit aus meiner<br />

Verwandtschaft.) Joh. A. Kraus.<br />

Anmerkungen.<br />

i) Es war Konrad Münchinger, vorher Propst zu Freiburg i. B.<br />

(FDA 26, 155). 2) Schon 1390 erscheint zu Trochtelfingen „der eilenden<br />

(Seelen) Kerze", die dann vermutlich durch diese Altarstiftung erweitert<br />

wurde. In Ringingen und Salmendingen ist eine „Elenden<br />

Kerze" 1525, in Gauselfingen 1485 erwähnt. 2a) Die Familie Heinzelmann,<br />

abzuleiten von Heinz-Heinrich, wie Konzelmann von Konz,<br />

kommt in Steinhiben schon 1422 vor und zog im 16. Jh. nach Stetten<br />

u. Holnstein. 3) Am 14. Febr. 1386 schenkte Diemo von Steinh<br />

ü 1 w dem Kloster Güterstein als Seelgerät (Jahrtagsstiftung) sein<br />

eigenes Gut samt dem leibeigenen Heinz Houpt, sowie 43 ß<br />

hlr und 5 Hühner jährlicher Gilt aus anderen Gütern, sein Haus,<br />

sowie das Viehhaus, Gärten, 9 Mannsmahdt Wiesen im Brühl und<br />

im Harpfental zu Steinhilben (Freib. Diöz.-Arch. 26, 141; Fürstenbg.<br />

UB 6 S 151). Drei Tage darauf gab Graf Eberhard der Greiner<br />

von Wirtemberg dazu seine Einwilligung als Lehnsherr und verzichtete<br />

auf das Obereigentum (FUB 6 S. 151 Nr. 4). Am 23. Dezember<br />

1393 gab Ritter Schwänger von Liechtenstein als Seelgerät<br />

die Hälfte der Burg und des Steinhauses zu Steinhilben<br />

dem Gotteshaus Güterstein, wobei auch sein Bruder Ulrich siegelte<br />

(ebenda 6, 151). Am gleichen Tage versetzte derselbe Schwänger dem<br />

Kloster für eine Schuld von 50 Pfd hlr seine zwei Höfe zu Steinhilben,<br />

die 22 Scheffel, halb Vesen, halb Haber, sowie 2 Pfund weniger<br />

4 ß hlr giltete. Am 15. Dezember 1394 verkaufte Edelknecht<br />

Hans von Steinhilben 3i/2 Malter Roggengilt aus Haus und<br />

Hof zu Steinhilben ans genannte Kloster. Sie waren ihm (von seinem<br />

verstorbenen Vetter Diemo selig von Steinhilben herrührend)<br />

durch Urteil des Landgerichts Rottenburg zugesprochen worden<br />

(ebenda 6, S. 152). Ein weiteres halbes Gut daselbst ging 1467 von<br />

Hans Späth von Schülzburg an die Martinskirche in Trochtelfingen<br />

über. 4) Die M a i s e r von Steinhilben erscheinen in Stettener und<br />

Mariaberger Urkunden öfter, so Hohz. JHeft 1955, 80 ff und 1962).<br />

Fälschlich redet das Festbuch 1962 des Männergesangvereins Steinhilben<br />

von einem Meisterhof, statt Maiserhof! 5) Ker, wohl unser<br />

schwäb. Käar = Keller. Ein Kairnhaus = Speicher nennt allerdings<br />

das Fürstenbg. UB 6, 158. 6) Die Schraye, Schraige (= Schrägzaun<br />

aus langen Stangen) kommt auch in Weilheim bei Hechg. vor. Davon<br />

stammt der Name „Maria Schray = Maria zu der Schraige" bei<br />

Pfullendorf. ') Wettishausen, abgegangener Ort auf Gemarkung<br />

Steinhilben gegen Meidelstetten. 8) Die Mutter des Weihbischofs<br />

Melchior Fattlin von Trochtelfingen war eine geborene Gießnay.<br />

Auch in Ringingen gab es den Namen. 9) Wohl Großengstingen<br />

nördlich von Trochtelfingen. 10) Diese Haidkapelle wurde um 1470<br />

erbaut. Ein Wappenstein an der Außenseite zeigt die Jahrzahl 1476.<br />

ii) Am 3. Mai 1454 verkaufte der alte Dietrich zu Stetten u. Holnstein<br />

eine Hofstatt in seinem Garten um 3 Pfund Hlr. an Güterstein<br />

(FDA 26, 160). Schon am 23. Juni 1402 hatte das Kloster die<br />

Kastenvogtei, den Kirchensatz (Patronatsrecht) und das Widdum zu<br />

Stetten u. Holnstein von Märklin von Melchingen, Adelheid, der<br />

Tochter Reinhards von Melchingen und deren Bruder Hans um 230<br />

Pfd hlr erworben. Den Kaufpreis bezahlte jedoch der Edelknecht<br />

Gerloch von Steinhilben (FDA 26, 143). 12) Mertingen, eine Flur in<br />

Nähe der Melchinger Mühle, aber zu Stetten gehörig, hieß im 8.<br />

Jahrhundert M e r i o 1 d i n g e n. 13) Zu diesen Familien vgl. Hohz.<br />

JHeft 1938, 138—142 nach Württ. Reg.-Nr. 203. Zum Kirchenpatronat:<br />

Hohz. JHeft 1955, 86 f. 14) Ehemalige Kapelle bei der Pfarrkirche<br />

Trochtelfingen 15) Maier = Lehenbauern. 16) vertädingt = gerichtlich<br />

angehalten, entschieden.<br />

48. S a 1 z g ä r 11 e, offenbar eine Kompostanlage am<br />

Schriethang dort, wo das Transformatorenhäuschen steht. In<br />

diesen Salzgärten wurde Salpeter gewonnen. Der Inhaber<br />

dieser Salpeterplantage war ein Johannes Ruff. Die einzelnen<br />

Gartenstücke waren aus Schutt, Erde, Haaren, Knochen aufgeschüttete<br />

Haufen, die man mit Jauche übergoß und öfters<br />

umschaufelte. Innerhalb von drei Jahren verwandelte sich<br />

der in diesen Stoffen enthaltene Stickstoff in Salpeter und<br />

wurde ausgelaugt.<br />

49. S a n d g r u b. Die Grosselfinger kennen eigentlich nur<br />

die „Sandgrub" im Tal, wo der weiße Stubensandstein<br />

gebrochen wird. Er gibt dauerhafte Bausteine, Treppen und<br />

dergl. Früher wurde er zerklopft, und mit dem Sand bestreute<br />

man Treppen, Fluren und Zimmerböden. Neben die-


:(44 HOHENZOLLEB S C H E HEIMAT Jahrgang 1965<br />

ser Sandgrub gibt es auch die Sandgrub und den<br />

Sandacker beim unteren Homburger Hof. So heißt das<br />

südliche Feld vor Eintritt des Sträßle in den Wald.<br />

50. Schalksgrund. So wird in alten Urkunden das<br />

romantische Tälchen genannt, das man heute „Pfaffengarten"<br />

nennt. Dieses Tälchen gehörte früher unzweifelhaft<br />

zu der in Urkunden oft genannten Klause bei<br />

W e i 1 h e i m und kam später zum Pfarrgut von Grosselfingen.<br />

Kopfzerbrechen macht nur das Bestimmungswort<br />

„Schalk ". Zwar kennen wir den Schalk als Schelm, Spitzbuben,<br />

Betrüger, Possenreißer. Der mittelalterliche Schalk<br />

hieß Knecht oder Diener, noch erhalten in dem Wort Seneschall<br />

= Oberhofmeister. Da dieser Schalksgrund zur Klause<br />

von Weilheim gehörte, liegt m. E. die Möglichkeit vor, daß<br />

die Beginen oder grauen Schwestern ihre Toten in dem romantischen<br />

Tälchen begraben haben; sie wollten auch noch<br />

im Tode Knechte bzw. Mägde des Herrn sein.<br />

51. Der Schaubacke r. Dies ist nach der Ausdrucksweise<br />

ein Einzelgrundstück zwischen Haupt und dem Teil<br />

von Hinterrieten, der an den Harrenbach grenzt. Mit<br />

„Schau b" bezeichnet man das Stroh von Spelz und Roggen,<br />

das nach dem Abklopfen der Aehren durch den Flegel<br />

übrig bleibt. Es wird nach dem Dreschen „aufgeschaubt"<br />

und ausgeschüttelt. In Verbindung mit der „Wied" diente es<br />

zum Binden der Garben (Bindschaub). Da das mit Schrubacker<br />

bezeichnete Gelände von geringwertiger Bonität ist, so<br />

liegt der Gedanke nahe, daß dort die Aehren sich nur gering<br />

entwickelten und aussahen, wie wenn sie schon Schaub<br />

wären. Aus solchem Stroh flocht man auch das „Schaubkrättle",<br />

ein muldenförmiges Körbchen, in das man vor<br />

dem Backen den Brotlaib legte und formte.<br />

Wahrscheinlich hat aber der Ausdruck „S c h a u b a c k e r"<br />

einen anderen Hintergrund; er kommt m. E. vom „Schaub<br />

er wagen". Dies war der große Frachtwagen der ehemaligen<br />

Postfamilie von Thum und Taxis, dessen Oberteil<br />

mit Stroh oder Schaub gepolstert war. Der Schauberwagen<br />

verkehrte auf der großen Straße Tübingen—Hechingen—Balingen—Rottweil<br />

und Schweiz. Er wurde vorher angekündigt,<br />

und von allen Seiten kamen die Leute herbei,<br />

denn an den Steigen, besonders an der großen Steige bei<br />

Wessingen, brauchte er Vorspann, was ein großes Schauspiel<br />

war. Dieser wurde von den Fuhrleuten aus den benachbarten<br />

Gemeinden geleistet. Von Grosselfingen kam der Fuhrmann<br />

Anselm Dehner, dem der Volkswitz den Uebernamen<br />

„Schauber" gegeben hat. Dieser Uebername hat sich dann<br />

auf seine Nachkommen vererbt, als man längst den sozialen<br />

und wirtschaftlichen Wert dieser Hilfe vergessen hatte. Da<br />

es im Besitzbuch von 1760 „der Schauback er" heißt,<br />

liegt die Vermutung nahe, daß dieser Acker dem Fuhrmann,<br />

der den Vorspann leistete, als eine Art Benefizium (Wartegeld)<br />

von der Gemeinde übereignet wurde.<br />

Der genannte Anselm war in seiner Jugend Diener eines<br />

Engländers, mit dem er die ganze Welt bereiste. Als er<br />

wieder nach Grosselfingen zurückgekehrt war, erzählte er<br />

viel von seinen Reisen. Und, da er ein Erzählertalent war,<br />

hörten ihm die Leute gerne zu, nannten ihn aber nur den<br />

„Engländer" und seinen Hof den „Englischen Hof". Da<br />

er mit Humor und natürlichem Mutterwitz ausgestattet war,<br />

konnte er auch den Witz ertragen, der ihm galt.<br />

52. S c h i e ß m a u e r. Im Besitzbuch von 1730 heißt es:<br />

„bei der Schießmauer am Schrieth".<br />

Ablacher Star-Operation und St. Anna<br />

Am 5. Januar 1763 legte Franz Joseph Fischer, Okulist<br />

(Augenarzt) aus Frastanz nächst Feldkirch (Vorarlberg) beim<br />

Gutensteiner Amt eine Abmachung vor, die er am 13. Juli<br />

1759 mit dem Schmied Matteus Uetz von Ablach<br />

getroffen hatte: „Wenn er dem Uetz wieder zu seinem<br />

Gesicht verhelfe, soll dieser ihm 18 Gulden bezahlen."<br />

Darauf habe er eine Operation vorgenommen und<br />

ihm dadurch wieder das Gesicht (Sehkraft) verschafft. Uetz<br />

will aber nicht zahlen, sondern gibt vor, die hl. Mutter<br />

Anna und nicht der Fischer habe ihm geholfen. Letzterer<br />

habe sich vielmehr drei Trage nach der Operation fortgemacht<br />

und ihm nur Medizin für 8 Tage hinterlassen. Er<br />

habe darauf ungemein Schmerzen bekommen, so daß er sich<br />

des Apothekers in Ablach bedienen mußte. Fischer<br />

dagegen sagt, er habe richtig operiert, die Cataractum"<br />

(Grauen Star) habe er ihm hin (weg) genommen,<br />

die Schnur gezogen, auch Medizin auf 18 Wochen zurückgelassen.<br />

Mehr habe er nicht tun können und vielen andern<br />

auf ähnliche Weise schon geholfen. Es sei eben unmöglich,<br />

ohne Schmerzen zu operieren. Uetz redet sich hinaus,<br />

die hl. Mutter Anna habe ihm geholfen und nicht der<br />

Fischer. Somit sei er auch nichts schuldig. Der Arzt erwiderte:<br />

Der Kaplan zu Ablach habe ihm gestern selbst gesagt,<br />

der Beklagte sei zu ihm gekommen und habe begehrt, er<br />

solle sein erlangtes Gesicht in das Mirakelbuch eintragen.<br />

Er habe solches jedoch nicht getan, weil ja Uetz vorher<br />

operiert worden und die Schnur bis zum wiedererlangten<br />

Gesicht getragen habe. Folglich müsse dies den guten Effekt<br />

nach sich gezogen haben. Beschluß des Gutensteiner<br />

Amts: Der Uetz muß die 18 Gulden bezahlen! (Gutensteiner<br />

Protokoll 1760—64 S. 161 im Schloß Langenstein.)<br />

Die Schnur scheint ein Augenschützer anstatt einer<br />

Binde gewesen zu sein? St. Anna war damals noch nicht<br />

53. Die Schildgasse. Sie ist heute der Verbindungsweg<br />

zwischen Lang- und Löchlesgasse. Die Häuser, die dort<br />

stehen, sind alle erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut<br />

worden. Das Haus Nr. 90 wurde von dem Gastwirt „zur<br />

Färb", Heinrich Dehner, im Jahre 1827 erbaut. Dieses<br />

kaufte dann mein Urgroßvater Leopold Beck, der hinter<br />

dem Hause einen Obstgarten anlegte und denselben mit<br />

einem Hag von Zwetschgenbäumen umgab, die er nur etwa<br />

2 m hoch werden ließ. Nur in kleineren Abständen überließ er<br />

die Bäume dem natürlichen Wachstum. Aber schon standen<br />

die Grosselfinger mit ihrem natürlichen Hang für Uebernamen<br />

bereit; sie nannten ihn allgemein den Hagenleopold,<br />

eine Bezeichnung, die weit über seine Lebensdauer anhielt.<br />

Aber wir spätere Nachkommen hatten jedes Jahr Zwetschgen<br />

in Hülle und Fülle.<br />

An dem Kreuzweg von Laggasse und Schildgasse stand<br />

1766 nur ein Wirtshaus, das zu seiner Kennzeichnung mit<br />

einem Schild versehen war. Besitzer der Wirtschaft war<br />

ein Gabriel Dehner, der von seinem Haus „ussen<br />

im Dorf" 4 Heller Steuern zahlte. Die Ortsbezeichnung<br />

„ussen im Dorf" gibt eindeutig die Lage seines Hauses an.<br />

Spätere Besitzer waren Lorenz und Anton Seifert. Das Schild<br />

des Wirtshauses hat der Gasse den Namen gegeben.<br />

54. Schlechtenhart. Das Grundwort „hart" bedeutet<br />

„Wald", das Bestimmungswort „schlecht" kommt vom<br />

ahd. slaht oder sieht und bedeutet ein mit Schilfrohr bewachsenes<br />

Sumpfland, als „slad" eine Talmulde oder Einsenkung.<br />

Zu Grosselfingen gehören zwei Schlechtenharte; die<br />

eine liegt im Wald gegen Rangendingen, die andere an der<br />

Furt von Oberhausen (Hinterrieten) gegen Engstlatt. In Grosselfingen<br />

gibt es das Wort ..gschlacht", was einfach, glatt,<br />

geschmeidig bedeutet.<br />

Kirch enpatronin wie heute, das Mirakelbuch<br />

dagegen scheint längst verloren. Schade! Vielmehr steht in<br />

den Gutensteiner Amtsprotokollen 1610 1 —24 (ebenfalls auf<br />

Schloß Langenstein) S. 31: Pauly Strobel zu Ablach leiht<br />

am 31. Januar 1611 von seinem Bruder Christian Strobel,<br />

Wirt, 90 fl bares Geld und verpfändet dafür eine Mannsmahd<br />

Wiesen, „so dem hl. Stephanus zu Ablach mit Grundrecht<br />

unterworfen." Ferner: Am 2. Dezember 1615 gibt Paule Strobel<br />

sein dem hl. Stephanus zu Ablach Zinsendes<br />

Heiligengütlein dem Galle Strobel und erhält von<br />

diesem dessen Herrschaftsgütlein nebst 550 fl Aufzahlung<br />

(S. 214 v.).<br />

Endlich hat Thomas Waibel (zuvor Galle Strobel) zu Erblehen<br />

1688 ein Gütlein, das dem hl. Stephanus zu<br />

Ablach zinsbar ist, bestehend in Haus, 2 Gärten, 6 1 /«<br />

Jauchert Acker und 3 Mannsmahd Wiesen (Urbar der Herrschaft<br />

Gutenstein 1690, S. 810 auf Schloß Langenstein.) Die<br />

hl. Anna wird erstmals 1828 als Mitpatronin der Pfarrrkir<br />

che zu Ablach erwähnt, als Hauptpatronin dagegen (v ö 1 -<br />

lig falsch) der hl. Josef! (FDA 60. 155 und 62, 27.) Ebenfalls<br />

ein Irrtum ist es, wenn 1757 der hl. Laurentius als<br />

Patron zu Ablach erscheint, der doch solcher in Krauchenwies<br />

ist, dessen Pfarrer lange Zeit Ablach mitversorgte,<br />

wie heute! Ablacher Kinder heißen darum irrig die<br />

Krauchenwieser „Heiligenstehler", weil sie meinen, sie<br />

hätten den Ablachern den Kirchen - Patron gestohlen.<br />

Vielmehr geht aus obigen Nachrichten einwandfrei hervor,<br />

daß St. Stephanus der alte Kirchenpatron war,<br />

der im Laufe der Zeit zugunsten der hl. Anna zurückgetreten<br />

ist. Vielleicht geschah dies durch die Volkstümlichkeit<br />

der hl. Mutter, deren Festtag am 26. Juli zudem viel günstiger<br />

liegt, als der 26. Dezember des Erstlingsmärtyrers.<br />

Willy B u r t h, Freiburg.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 45<br />

Hohenzollerische Bürger liehen ü<br />

Das Handelshaus Zimmermann in Pfullendorf, ein blaugetönter<br />

Hochbau am Ostchor der Stadtkirche, gehörte nach<br />

1700 dem reichen Handelsherrn Franz Anton Walter I.<br />

(t 1746). Er war aus Schussenried zugezogen und brachte es<br />

zum Amtsbürgermeister. Von seinen 22 Kindern erwählten<br />

neun den geistlichen Stand. Unter diesen ist Franz Fidelis<br />

Walter (1732—1782), zuletzt Stadtpfarrer in Pfullendorf. Er<br />

hatte großes Erbarmen mit den sozial Niedrigen und vermachte<br />

5 433 Gulden für Stiftungen, die armen Knaben und<br />

Mädchen zur Erlernung eines Berufes, aber auch zur Ausbildung<br />

im religiösen Wissen Hilfe leisten sollten. Schon von<br />

Haus aus war er gut situiert. Dazu kamen die Einkünfte<br />

seiner großen Pfarrei. Die geldbedürftigen Bauern und Geschäftsleute<br />

der engern und entferntem Nachbarschaft nützten<br />

diese nicht versiegende Quelle gut aus.<br />

So kamen in den Jahren 1764 bis 1779 in elf hohenzollerische<br />

Orte Darlehen von insgesamt über 13 000 Gulden,<br />

also einer Summe, wie wir sie in den Pfullendorfer Erbschaftsakten<br />

kaum je einmal antreffen. Stadtpfarrer Fidelis<br />

Walter hatte sich zuverlässige Vertrauensleute ausgesucht,<br />

ließ sich von ihnen beraten über die pfandschaftlichen Sicherungen<br />

und vertraute ihnen, wenigstens, soweit sich noch<br />

erkennen läßt, auch als Mandataren (Beauftragten) die regelmäßige<br />

Zinseinziehung an. Da sehr viele der Schuldner<br />

heute noch Nachfahren am Ort haben, habe ich sie aus dem<br />

Faszikel 205 der Pfullendorfer Erbschaftsakten hier zusammengestellt.<br />

Diese wichtigen Akten sind gut geborgen in<br />

Karlsruhe im Badischen Generallandesarchiv in der Abteilung<br />

70.<br />

Die Gemeinde Bisingen nahm am 16. Oktober 1764 3 000<br />

Gulden und am 8. Mai 1765 1 000 Gulden als Darlehen zu<br />

5"/ip auf. In Frohnstetten bekam Josef Schuster 40 Gulden<br />

und der Burger Bartlome Hoz 150 Gulden. Ferner der<br />

Burger Math. Horn 300 Gulden und Christ. Dreher 150 Gulden.<br />

Zu Gaisweiler ließ sich am 23. 1. 1773 der Königsbronnische<br />

Erblehenmayer Bernhard Biechler 150 Gulden zu<br />

5"/« als Darlehen geben. In Haigerloch bekam die Stadtgemeinde<br />

ein Darlehen von 1 000 Gulden. Dem dortigen<br />

Amtsbürgermeister Meinrad Brucker (oder Brugger) wurden<br />

100 Gulden ohne Zins geliehen. Weil er die Schuldzinsen<br />

eintrieb, schenkte ihm der Stadtpfarrer Walter seine Zinsen.<br />

Feiner hatte der dortige Hans Bürkle 500 Gulden als Darlehen<br />

erhalten. Dem in ärmlichen Veihältnissen lebenden<br />

Schutzjuden Salomon Weyl hatte der gutmütige Stadtpfarrer<br />

66 Gulden und 7 silberne Löffel geliehen, doch war dieses<br />

Guthaben so gut wie verloren, und man übte keinen Zwang<br />

aus, die Schuld einzutreiben. Aus der Gemeinde Hart bemühten<br />

sich 3 Gruppen von Bürgern um Pfullendorfer Wallerische<br />

Darlehen. Am 31. 1. 1766 wurden 1 000 Gulden an<br />

8 Bürger ausgeliehen: Georg Bieger, Andreas Bieger, Witwe<br />

Joseph Klingler, Hans Michael Bieger, Joseph Horn, Johann<br />

Klingler jung, Joseph und Fechter und Josef Klinger. Bis<br />

Lichtmeß 1782 hatte der Amtsbürgermeister Meinrad Brucker<br />

von Haigerloch pünktlich die Zinsen dieser Gruppe eingezogen<br />

und in Pfullendorf abgeliefert. Am 29. 11. 1765 bekam<br />

Unbekanntes aus<br />

Wer da meint, daß F. X. Hodler in seiner Geschichte des<br />

Oberamts Haigerloch die Geschichte aller zugehörigen Gemeinden<br />

erschöpfend geschildert habe und man also auf<br />

seinen Lorbeeren ausruhen könne, ist auf dem Holzweg. Das<br />

neue Heft 1963 des <strong>Geschichtsverein</strong>s „Hegau" bringt S. 131 f.<br />

aus der Feder von Ernst Schneider eine Lehenbeschreibung<br />

der Freiherren von Rosenegg (bei Rielasingen-<br />

Konstanz), die von 1259 bis 1481 nachzuweisen sind. Darin<br />

sind auch Daten enthalten, die den hohenzollerischen Ort<br />

Dettingen am Neckar und Adeisgeschlechter aus unserer Gegend<br />

betreffen.<br />

Es heißt S. 132: „Herr Volz von Weitingen hat als<br />

Lehen von Rosnegg den vierter Teil der Burg zu Niederdettingen<br />

mit allem Zubehör und den vierten Teil<br />

der dazu gehört am Dorfe Oberdettingen mit Zwing<br />

und Bann, an Holz und Feld, Aeckern und Wiesen, Wunn<br />

(Waldweide) und (Feld-)Weide und an Weingärten, und was<br />

sonst zu diesem Viertel gehört.<br />

Lutz von Liechtenstein hat von uns zu Lehen<br />

anno 1402 den Halbteil der Burg zu Niederdettingen<br />

mit Zubehör, was vom Dorfe Oberdettingen<br />

zu dieser Hälfte gehört, mit Leuten und Gütern usw. (wie<br />

oben), auch an der Mühle, an Wasser, Fischereirechten und<br />

Wasserleitung, wie es von alters dazu gehörte.<br />

Wilhelm Schenk von Stauffenberg hat anno<br />

1402 als Lehen von Rosnegg den vierten Teil der Burg<br />

er 12000 Gulden in Pfullendorf<br />

eine 2. Gruppe aus Hart 800 Gulden. Es sind dies Hans Beutter,<br />

Anton Bieger, die Witwe des Georg Bieger, Xaveri Hebrank<br />

(Hebsack?), Witwe des Joseph Klingler, Hang Georg<br />

Klingler, Fidel Bieger. Einer 3. Gruppe aus Hart gab der<br />

Stadtpfarrer Walter am 6. 12. 1777 765 Gulden. Es sind 10<br />

Personen: Johann Bieger, Joseph Kessler, Andreas und Sebastian<br />

Bieger, Anton Mader, Fidel Bieger, Joseph Klingler,<br />

der Schuster Johannes Bieger, die Witwe Michael Bieger und<br />

Martin Ferle. Zu Hechingen bekam ein Herr Schmidt<br />

200 Gulden Darlehen. Zu Kaiseringen bekam Balthas<br />

Bandtie 100 Gulden, am 15. 2. 1781 Johann Beck 100 Gulden<br />

und Niklas Dreher 150 Gulden zu 5%>. Nach Otterswang<br />

wurden am 7. 11. 1775 dem Andreas Weißhaupt 100 Gulden<br />

geliehen. Die Stadt Sigmaringen nahm am 23. 2. 1777<br />

400 Gulden zu 5°/o auf, der dortige Hirschwirt 200, dann noch<br />

40 Gulden. Am 26. 3. 1766 erhielt Herr Balleirat Schmid 400<br />

Gulden zu 4%, am 5. 4. 1778 der Burger und Weißgerber<br />

Jakob Hafner 100 Gulden, am 13. 8. 1779 Fidel Glanz 360<br />

Gulden. Die sehr arme Frau Maria Anna Rappoldin hatte<br />

um 1775 und 1780 eine Darlehensschuld von 250 Gulden und<br />

kam mit der Schuldtilgung in größte Schwierigkeiten. Aus<br />

Straßberg wurde dem Johann Bantle, Schloßbauer, mit<br />

400 Gulden, dem Gabriel Rener mit 200 Gulden, dem Adlerwirt<br />

Anton Hartmann mit 200 Gulden zu 5% geholfen im<br />

Jahr 1774; Johann Höni hatte 1200 Gulden geliehen und war<br />

1767 nur noch 900 schuldig. Das kleinste Darlehen nahm Anton<br />

Fauler aus Straßberg mit 50 Gulden. Ferner bekamen<br />

aus Straßberg im Jahr 1774 der Bauer Hans Jerg Gern 400<br />

Gulden, der Schuster Anton Gern 100 Gulden und der Burger<br />

Josef Höni 400 Gulden. Maria Anna Gschwindtmann,<br />

Witwe des Fidelis Hönig, erhielt 1777 eine Summe von 250<br />

Gulden zu 5"/o vorgestreckt und Christian Heny am 25. 4.<br />

1781 im Namen des Johann Zimmermann 150 Gulden zu<br />

5°/o. Endlich ist noch Trillfingen zu erwähnen. Hier wurden<br />

einer Vierergruppe 1 000 Gulden gegeben, wovon 1779 schon<br />

400 zurückerstattet waren. Die daran Beteiligten sind: Johann<br />

Stelzer, Andreas Horn, Fidel Beutter und Sebastian<br />

Horn.<br />

Wir wären über diese Namen und Beträge nicht so genau<br />

unterrichtet worden, wenn nicht nach dem Tode des Erblassers,<br />

des Stadtpfarrers Fidelis Walter ein Teil der Schriften<br />

auf die Seite geschafft worden wäre. Besonders peinlich<br />

war der Verlust des Schuldhauptbuches, Es kam zu einem<br />

Verhör und der behandelnde Arzt Dr. Steinmann aus Ehingen<br />

gab der Stadtobrigkeit sehr interessante Beobachtungen<br />

zur Kenntnis, daß z. B. sogar ein Betrunkener ins Zimmer<br />

kam, wo der Tote lag, und sich herumtrieb. Hinterher gab<br />

es viele Nachfragen nach den Schuldnern. Zum Glück hatte<br />

sich der Erblasser und Stifter bei diesen Geldgeschäften um<br />

eine gewisse Aufsicht durch Ehrenmänner bemüht, wie um<br />

den Amtsbürgermeister Meinrad, Brucker von Haigerloch.<br />

Der edle Stifter und Geldverleiher Stadtpfarrer Franz Fidelis<br />

Walter hat 1782 in der St. Jakobuskirche Pfullendorf<br />

ein schönes Denkmal beim Dreikönigsaltar erhalten mit einer<br />

der prunkvollen Rokokozeit entsprechenden Grabinschrift.<br />

Dr. Johann Schupp, Neudingen.<br />

Dettingen a. N.<br />

zu Niederdettingen mit allem Zubehör am Dorfe<br />

Oberdettingen, mit Leuten und Gütern usw., an Mühlen,<br />

Wasser, Fischenzen, wie das von Alters dazu gehörte,<br />

und vorher Herr Burkart von Liechtenstein von<br />

uns zu Lehen hatte."<br />

S. 133: „Conrad von Reischach, seßhaft zu Hohenhöwen<br />

(Hegau), den man nennt Böskunrad,, hat Lehen von<br />

uns empfangen, nämlich die an die Niedere Burg zu<br />

Dettingen gehören, die Herr Burkart von Liechtenstein<br />

von uns zu Lehen hatte, die er Tromen (wohl<br />

Thoman = Thomas) von Dettingen für eigen zu kaufen gegeben<br />

hat, nämlich die Fischenz und die Wiesen. Dieses<br />

Fischereirecht fängt an bei der Burg Dettingen und<br />

geht bis Ihlinger Furt. Die Wiese liegt an dieser und heißet<br />

„der Brand" in Größe von 3 Mannsmahd. Eine weitere Wiese<br />

heißt der Brühl, gegenüber der Burg, und stoßt an den<br />

Neckar, ist sieben Mannsmahd groß. Eine dritte Wiese<br />

heißt Ucht-Wies, ist drei Mannsmahd und stößt an den Werd.<br />

Item Neß (Agnes) von Liechtenstein, Klosterfrau<br />

zu Kirchberg ist gewiesen (als nutzungsberechtigt) auf ein<br />

anderes Gut, weswegen sie einen Brief mit unseres Vaters<br />

(Hans v. R. f 1422) Siegel besitzt, nämlich die Wiese „der<br />

Brand", die jährlich 6 Pfund Heller bringt, solange sie lebt."<br />

Vorausgänge und Ende dieser Lehen scheinen nicht bekannt<br />

zu sein, offenbar mangels Urkunden. Das Lehenbuch<br />

liegt im Gen. Landesarchiv Karlsruhe Nr. 229/87824. Krs.


:(46<br />

Beim Ordnen der älteren Akten der Pfarrei Burladingen<br />

in der Erzbischöfl. (stehenden) Registratur, kamen einige Daten<br />

zutage, die bisher unbekannt und daher auch in der<br />

Pfarr- bzw. Vikarsliste dieser Pfarrei (Kirchenblatt 11. XI.<br />

1951) nicht berücksichtigt waren. Sie seien hier festgehalten:<br />

1692 starb Pfarrer Johann Jakob Scheller (Schaller) von<br />

Jungingen. Seinen Nachlaß regelten Dekan Joh. Jak.<br />

Klingenstein zu Oberstetten, Kammerer Daniel Uelin zu<br />

Trochtelfingen und Pfr. Benedikt Schmid zu Burladingen.<br />

1694 starb Pfr. Johann G e g a u f zu Stetten u. Holst.: Dekan<br />

Klingenstein und Kammerer Uelin waren Nachlaßverwalter.<br />

1711 starb Pfr. Johann Jak. Schibel von Jungingen unter<br />

Dekan Bened. Schmid in Trochtelfingen.<br />

1721 am 30. März starb im Alter von 72 Jahren Pfr. Andreas<br />

Scholter zu Stetten u. Holst., seit 22 Jahren hier.<br />

1729 starb Pfr. Leopold Schopf zu Hausen i. Kill., gebürtig<br />

von Hechingen, unter Dekan Melchior Senftlin zu<br />

Trochtelfingen und Kammerer Georg Daigger zu Burladingen<br />

(geb. v. Hechg.).<br />

1738 segnete auch dieser Pfarrer Johannn Gg. Daigger zu<br />

Burladingen das Zeitliche unter Dekan Anton Holderried<br />

zu Neufra und Kammerer Johann Gg. Weizmann<br />

zu Gammertingen.<br />

1791 im Februar hat Pfarrer Franz Val. von Frank zu<br />

Burladingen ein Bein gebrochen. Mit seinen Vikaren<br />

und ihm harmoniert es nicht recht.<br />

1804 Vikar Johann Mathes (nicht Matter!) zu Burladingen<br />

bittet um Aufbesserung seiner Bezüge, hat nur 40 fl.<br />

Am 5. Juli wird er dann als Cooperator nach Mengen<br />

angewiesen, worauf ein Franziskaner von St. Luzen<br />

ihn ablöst.<br />

1806 der angewiesene Vikar Josef Laiber lehnt ab und<br />

kommt als kranker Mann nach Triberg als Pönitentiar.<br />

Vikar Karl Beck, bisher in Schörzingen, kommt nach<br />

Burladingen auf 30. Oktober. Pfr. Frank ist krank. Beck<br />

bleibt nur kurze Zeit.<br />

1806 5. Novb. „Vikar J. Hollinger zu Burladingen ist<br />

brustkrank und bittet um Ablösung. Josef Laiber sei<br />

nicht gekommen. Er hatte von Saulgau aus am 16. Okt.<br />

Kleine Mitteilungen<br />

Tabaktrinken. Im Jahre 1730 wurde in Heiligenzimmern<br />

Jonas Schaitel mit 1 Pfund Heller „wegen zugelassenem,<br />

unrechtsamen Tabaktrinken einiger Fremden und dadurch<br />

verursachter Feuersgefahr" vom Oberamt Haigerloch gestraft.<br />

Leider ist nicht gesagt, weshalb Feuergefahr bestand, bzw.<br />

in welchen Räumen geraucht wurde. Betrieb Schaitel eine<br />

Schankstätte oder hatte er die Konzession zum Verkauf von<br />

Tabakwaren? M. Sch.<br />

HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Aus Burladinger Pfarrakten<br />

Neujahrs- und Hochzeitsschießen. Das Schießen der ledigen<br />

Burschen bei den verschiedenen Anlässen, wie Taufen, Hochzeiten<br />

usw. ist alter Brauch und bis auf den heutigen Tag<br />

nicht ausgestorben, trotz der vielen Verbote im Laufe der<br />

Jahrhunderte. Im Jahre 1803 wurden in Trillfingen diejenigen<br />

Ledigen, die in der Neujahrsnacht geschossen hatten,<br />

mit vier Tagen Handarbeit bestraft. Musketier Bürkle aber,<br />

der die Anzeige beim Oberamt erstattet hatte, erhielt zur<br />

Belohnung 1 fl. — Als Apotheker Maier in Haigerloch Hochzeit<br />

hielt, hatte seine Mutter, Maria Anna Kitzingerin, die<br />

jungen Leute, Edelmann, Narr, Vogt und Zeiser zum Schiessen<br />

bestellt und ihnen das benötigte Pulver besorgt. Frau<br />

Kitzinger wurde mit vier Tagen Handfron bestraft, beziehungsweise<br />

zur Zahlung von 24 Kr. für jeden Tag verurteilt,<br />

während die Burschen einen Tag öffentliche Arbeiten verrichten<br />

mußten. M. Sch.<br />

Die sog. „Junginger Schwedenschanze" (H. H. 1964, 4) ist im<br />

Jahre 1704 gegen die in Oberschwaben operierenden Bayern<br />

und Franzosen angelegt worden. (Nachweis: Zollerheimat<br />

1939 S. 33 ff.)<br />

um Aufhebung seiner Anweisung nach Burladingen gebeten,<br />

da es mit Herrn Pfr. Frank schwierig sei.<br />

1807 12. Sept.: Vikar Johann Michael Sauter von<br />

Alleshausen (Vik. Nr. 16) zu Burladingen, ist 30 Jahre<br />

alt, möchte ins Württembergische, um sich eine Taxissche<br />

Pfarrei geben zu lassen.<br />

1807 29. Okt.: Priester Anastasius Reiner zu Salem (wohl<br />

aus Hechingen gebürtiger Pater) verbittet sich das Vikariat<br />

bei Pfarrer Frank in Burladingen, d. h. weigert<br />

sich, dorthin zu gehen und „wird daher seinem Schicksal<br />

überlassen!"<br />

1808 28. Juni: Gottfried Lukas Sauter von Hechingen<br />

(Vikarsliste Nr. 17), ehemals Kapuziner in Wangen<br />

im Allgäu, hat 2 Jahre im Priesterseminar Dillingen<br />

studiert, erhält vom Regens Gerhauser ein gutes Zeugnis<br />

und bemüht sich um eine Vikarstelle. Man verlangt,<br />

er solle sich am Priesterseminar Meersburg weiter ausbilden<br />

lassen und sich dann einer Prüfung unterziehen.<br />

Ende des Jahres 1808 war er in Stetten u. Holst. Dekan<br />

Weiger-Steinhofen prüft ihn. Am 1. Dezember will er<br />

nicht auf das angewiesene Eichsei, sondern nach Burladingen<br />

als Vikar. Er scheint identisch mit dem 1842 verstorbenen<br />

Pfarrer von Münchweier, geb. Hechg. 1. 6.<br />

1782, ord. 8. 6. 1805, seit 29. 3. 1817 Pfarrverw. Herbholzheim/Lahr,<br />

1826 Forbach, 1834 Schlatt i. Brsg. und dann<br />

in Münchweiler, wo er am 19. 11. 42 starb. Der Hechinger<br />

Fürst hatte bestimmt, da er Kapuziner an einem<br />

bayerischen Ort gewesen, soll er dort sein Auskommen<br />

suchen. Daher ging er vermutlich dann ins Badische.<br />

1808 30. Okt. Raphael Huber aus Owingen, Vik. zu<br />

Stetten bei Haig., soll als Vikar nach Stetten u. Holst.<br />

(Ist 1816 Pfr. in Jungingen, geb. 9. 3. 76, ord. 30. 5. 1801.)<br />

1810 12. Juli war Huber Vikar in Burladingen, hat beim<br />

Pfr. Johann Adam Grausbeck zu Meldungen sein Examen<br />

gemacht, wie vorher schon Pfr. Reiser von Kettenacker<br />

und Kapl. Kiener zu Gammertingen. 1813 war<br />

Liborius Klingler Kaplan zu Zimmern, 1815 Karl Reitinger<br />

Kanoniker zu Hechingen.<br />

1816—181!) der bisherige Vikar Johann Gg. Clarus<br />

Sauter, früher Franziskaner in St. Luzen, soll von<br />

Burladingen nach Zimmern versetzt werden, nachdem<br />

Pfarrer Frank am 4. Juli gestorben und die Pfarrei an<br />

Karl Reitinger verliehen worden war. Klingler<br />

von Zimmern kommt nach Weilheim. Clarus Sauter<br />

war dann 1821 Pfarrer in Stein und starb als Pfarrer<br />

von Grosselfingen 14. 11. 1830. Ei war geboren zu Hechingen<br />

am 10. Aug. 1775 und am 18. 5. 1799 ordiniert worden.<br />

Der St. Luzer Guardian Meinrad Ertle wurde 1811 Pfarrer<br />

zu Stein. J. A. Kraus.<br />

Arzt-Vergütung. Am 30. Januar 1787 wird in Haigerloch<br />

Dr. med. Xaver Kizinger als Stadt- und Landschafts-Physicus<br />

angestellt. Als Vergütung erhält er von der Landschal't.skasse<br />

jährlich 50 fl, von der Stadt 25 fl und von der Herrschaft<br />

4 Klafter Brennholz samt dem zugehörigen Reisig.<br />

Der Patient hat zu bezahlen für jedes Rezept 15 x, für 1<br />

Krankenbesuch 30 x, für die nachfolgenden Besuche je 15 x.<br />

Dauert 1 Besuch bis 2 Stunden erhält der- Physikus 1 fl.<br />

M. Sch<br />

Die Ringinger Kirchweih des Jahres 1553 wurde nicht so<br />

schnell vergessen. Beim Kirbetanz im Freien kam es unter<br />

den L-edigen von hier und der Nachbarschaft zu einer<br />

Schlägerei, bei der Enderlin Segmüller von Starziii<br />

so hart getroffen wurde, daß er an den Folgen starb. Die<br />

in Frage kommenden Täter Sigmund Heiter gen. Kruß von<br />

Stetten u. H. und die beiden Ringinger Hansjerg Locher und<br />

Sohn Melchior suchten, um der Volkswut zu entgehen, am 4.<br />

Jan. 1554 das Asyl von Reutlingen auf. Der Tanz hat wohl<br />

auf dem alten „Tanzplatz" im Kreben stattgefunden,<br />

an den eine Freiheit oder Asyl von nur 24 Stunden geknüpft<br />

war. In Reutlingen dagegen war das Asyl für unfreiwillige<br />

Totschläger unbegrenzt. Die Kirchweih war Ende Oktober.<br />

(Asylbuch im Stadtarchiv Reutlingen.) Näheres ist nicht bekannt.<br />

Kis.<br />

D s Gschiill odei die „Gatter" an den Altären zu Meßkirch<br />

mußte der Maler um 1580 in den zimmerischen Farben anstreichen.<br />

Gschöll ist wohl gleich G e s c h ä 1, d. h. Rahmenwerk,<br />

Gitterwerk, Zieraten. Davon könnte auch der in der<br />

Pfarrei Feldhausen nachweisbare Familienname Geschöll abgeleitet<br />

sein, eher als von Geschell (Gscheall) der Schlittenrosse.<br />

Krs.


.lahrgang 1965<br />

Hohenzollerische Studenten<br />

an der alten Universität Straßburg (1621—1793)<br />

Ausgezogen von M. S c h a i t e 1<br />

Die Gründung der Universität Straßburg fällt in das Jahr<br />

1621. Auch als Straßburg 1681 mitten im Frieden von Ludwig<br />

XIV. annektiert wurde, bedeutete dies keineswegs den<br />

Abbruch der seit der Reformation besonders lebhaft gepflegten<br />

geistigen Beziehungen der Stadt zum alten Mutterlande.<br />

Die reichsstädtische Universität blieb vielmehr bis zu ihrer<br />

Auflösung in den Stürmen der großen Revolution ihrem<br />

Grundcharakter nach im wesentlichen deutsch. Ist doch bekannt,<br />

daß sich Goethe im Jahre 1770 an der Straßburger<br />

Hochschule inscribierte und nach anderthalb-jährigem Aufenthalt<br />

seine juristische Studien mit der Promotion abschloß.<br />

Übrigens hatte sich 30 Jahre vorher auch des Dichters Vater,<br />

der Kaiserliche Titularrat Johann Kaspar Goethe, an der<br />

Straßburger Universität seine juristische Ausbildung erworben.<br />

Aus unserer engeren <strong>Heimat</strong> enthalten die Universitäts-<br />

Matrikel — ein Teil ist verloren gegangen oder verschollen<br />

nachstehende Namen:<br />

Bachhaupten: 1775 Nov. 14. Josephus Antonius Conradus<br />

Anseimus Sutor, Bachhauptensis, stud. jur., apud<br />

Dnm Reinbolt in der Spitzengass. 1777 Apr. 19. cand.<br />

jur.<br />

Gammertigen: 1747 Dez. 4. Franciscus Xaverius C1 av<br />

e 1, Gamertingensis Suevus, stud. jur.<br />

Hechingen: 1737 Aug. 12. Franciscus B a r a 11 i, Hechinganus,<br />

stud. jur. 1771 Okt. 26. Godefridus Egler, Hechinganus<br />

Suevus, in ardibus Nicolaus Thoman pistoris.<br />

(Matricula generalis major). 1771 Okt. 31. stud. philosophiae.<br />

1772 Febr. 2. stud. med. — 1782 Jan. 13. Joseph<br />

Nipp, Hechingae, stud. phil., (löge chez) Madame Meison<br />

au fosse de Tailleurs.<br />

Hettingen: 1780 Jan. 13. Aloysius de N e u m i 11 e r,<br />

Hettingensis, stud. jur. löge chez Madame Nitard.<br />

Krauchenwies: 1784 Aug. 9. Mathias Lutz, ex Krauchenwis<br />

Suevus, stud. jur., logiert in dem Oelhaus beym<br />

H. Mähn am Schiffleut-Staden.<br />

Neufra: 1757 Jul. 18. Hector Amadeus C 1 a v e 1, Neufracensis<br />

Suevus, stud. jur.<br />

Tr ochtelfingen : 1625. Apr. 7. Christopherus Eber-<br />

1 i n u s, Trochtelfingerus, stud. phil. — 1774 Jan. 20.<br />

Josephus Clavell, Trochtelfingensis, stud. jur., bei<br />

Herren Bernard Schneider.<br />

Wald: 1784 Jan. 3. Carolus Josephus B a u r, Waldensis (?),<br />

Matricula generalis major).<br />

Hohenzollerische Mönche in St. Blasien<br />

Möhr Carolus aus Hechingen, Eintritt November 1597,<br />

Pi'ofeß 1598, am 18. Mai; Priester: September 1601; starb<br />

mit 57 Jahren in Wislighofen am 2. April 1638.<br />

Schneide r Stephan, gb. Inzigkofen 25. Juli 1609,<br />

Eintritt 21. 8. 1640; Profeß 21. 8. 1641; gestorben mit 40<br />

Jahren am 2. April 1649.<br />

Ginthert Wilhelm, gb. Sigmar ingen 13. 11. 1703;<br />

Eintritt im Wilhelmiten-Kloster Mengen am 18. 1<br />

1723, Profeß 18. 1. 1724; 1725 als Diakon nach St. Blasien<br />

übernommen, dort gest. mit 24 Jahren am 20. 12. 1727.<br />

Fauler Fidelis, gb. Jungnau 20. 11. 1716; Novize 28. 10.<br />

1736; Profeß 28. 10. 1737; Priester 24. 9. 1740; Primiz in<br />

.Jungnau; gestorben 11. Mai 1800, 84 Jahre im Krankenhaus<br />

St. Blasien.<br />

Neye r (Neher) Athanasius, gb. H e c h i n g e n 25. 4. 1754,<br />

Novize 13. 11. 1773. Profeß 1. Mai 1775; Priester 13. 6.<br />

1778; gestorben als Frühmesser in Grünwald bei Kappel<br />

im Schwarzwald an Wassersucht am 10. 4. 1826.<br />

Weiger Friedrich, gb. Hech ingen 2. 10. 1764, Novize<br />

15. 11. 1785; Profeß 15. 11. 1786; Priester 19. 9. 1789; gestorben<br />

als Pfarrer in Brenden mit 46 Jahren am 16.<br />

April 1810.<br />

Ott Modestus, gb. Boll b. Hechingen 22. 2. 1769; Novize<br />

8. 1. 1789; Prof. 8. 11. 1790; Priester 30. 5. 1795; gestorben<br />

als Pfarrer von Flitzen mit 68 Jahren am 13. 6. 1R36<br />

(vgl. FDA 16, 311; in Fützen seit 1806).<br />

Sauter Hermann, gb. H e c h i n g en 10 9. 1777; Profeß<br />

20. 10. 1798; Priester 28. 10. 1802; gest. als Pfarrer in<br />

Oberried kurz nach der hl. Messe an Schlag: 18. August<br />

1824 mit 47 Jahren.<br />

Speidel Hieronymus, gb. Grosselfingen 21. 3. 1780;<br />

Profeß 26. Mai 1801; Priester 24. 9. 1803; 1807—15 Professor<br />

am Gymnasium Freiburg; gest. als Pfarrer in Neuershausen<br />

bei Freiburg 7. Januar 1853. FDA 17 (1885) 24<br />

und M. Walter in Hohz. Zeitung 7. 1. 1953.<br />

(Entnommen aus Nachlaß Beringer 3, S. 3 ff, aus Mskr.<br />

Einsiedeln, 112/590. Erzb. Archiv Freiburg.)<br />

HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 47<br />

Beringer 4, 10: Angst Heinrich, gb. Sigmaringen<br />

2. 3. 1660; Profeß 16. 1. 1684; Priester zu Kreuzlingen<br />

1687: 1697 in Wurmlingen bei Rottenburg, 1699—1707 in<br />

Riedern als Pfarrer. Er starb in Kreuzlingen am 15. Dez.<br />

1727 mit 68 Jahren. Krs.<br />

Hüte auf dem Kopf trugen in der Kirche laut frdl. Mitteilung<br />

von Dr. Hans Rommel (in seinen „Freudenstädter<br />

<strong>Heimat</strong>blättern" i960 1 Nr. 19) auch die prot. Baiersbronner<br />

Männer 1685 bei der Predigt über einer wollenen Zipfelmütze.<br />

Ferner im Jahre 1821 die prot. Männer von Klein-<br />

Eislingen bei Göppingen. Nur beim Namen Jesus der Predigt<br />

lupften sie die letzteren (wie auch die Baiersbronner<br />

die Hüte), ihren Dreispitz auf den Emporen, so daß ein<br />

Fremder meinte, „die ganze Kirche verdunkle sich so, daß<br />

man glauben könnte, es sey eine Schar Raben von beiden<br />

Seiten gegeneinander im Anzug." Es sei ein unfürdenkliches<br />

Herkommen gewesen. In Nr. 3 des Jg. 1961 berichtete Dr.<br />

Rommel nochmal von Lombach. Fürnsal und Rötenberg ob<br />

Alpirsbach von diesem Brauch, der nach 1910 abging. Da nun<br />

im kath. Oberharmersbach der Besuch beim Opfergang bei<br />

Totenämtern besteht (Hohz. <strong>Heimat</strong> 1965, 30), dürfte er doch<br />

wohl uralt sein, trug ja noch bis in unsere Zeit der Pfarrer<br />

bei der Predigt das Birett und lupfte es beim Namen Jesus!<br />

Kis.<br />

Grangärten zu Gruol 1594: „Wenn der Inhaber eines Grangartens<br />

stirbt, soll der Erbe seines Hauses auch den Granngarten<br />

beim Haus behalten. So er vom Haus kommt, fällt<br />

der Grangarten dem Flecken heim und kann vom Vogt und<br />

Gericht wieder nach, Belieben verliehen werden. Niemand<br />

darf einen Granngarten ohne Zustimmung der Ortsvorsteher<br />

käuflich erwerben. Auf Margarethentag 1600 wurde betr. der<br />

neu ausgegebenen Grangärten also geordnet: weil sie<br />

jedem für 2Va Gulden als eigen zugestellt: sind, soll es weiterhin<br />

gehalten werden, wie oben gesagt. Keiner darf einen<br />

kaufen ohne Vorwissen des Vogts und Gerichts. Der Flecken<br />

hat jederzeit das Auslösungsrecht für 2V2 fl. Die alten Krangärten,<br />

die ohne Vorwissen des Vogts und Gerichts verkauft<br />

wurden, kann der Flecken wieder für einen Gulden an sich<br />

zurücklösen." (Fleckenbuch von Gruol, Art. 89—90, Rathaus.)<br />

Zur Erklärung von Gran, Grann, Kran, konnte Fischers<br />

„Schwäb. Wörterbuch" nichts beitragen! Oder dürfte man<br />

an „Gran-Simpel" als großen Simpel denken? (althochdeutsch<br />

g r a n d = groß.) Der Artikel geht unmittelbar der „Allmand"<br />

voraus. Die Grangärten scheinen auch eine Art Allmende<br />

darzustellen. In Heiligenzimmern gibt es sie auch heute noch<br />

als Gras- früher Krautgärten, ca. 700 m vom Ort auf einer<br />

Halde, Krausenrain genannt. Ob man an mhd krage<br />

Hacke erinnern darf, oder „Der Krank" Umkreis (des<br />

Dorfes), oder mhd krank klein, unbedeutend? Michel Buck<br />

bringt ein Wort „Grange" Scheuer, Wirtschaftshof. Wer<br />

gibt die Lösung? Krs.<br />

An das<br />

Postamt<br />

m


48<br />

Kirche in Killer: Pfarrer Hüetlin von Hausen i. Kill, berichtet<br />

am 24. Januar 1778 an die bischöfliche Behörde nach<br />

Konstanz: Wie auch der Dekan Bitzenhofen von Ringingen<br />

unterm 16. d. M. bezeuge, sei die Filialkirche in Killer so<br />

ruinös, daß sie unbedingt repariert gehöre, was bei den<br />

spärlichen Mitteln fast unmöglich sei. Die Heiligenpfleger<br />

können kaum die jährlichen Ausgaben aufbringen. Doch<br />

hätten der Pfarrer, die Hechinger Räte und die zwei Pfleger<br />

folgenden Ausweg gefunden: Die Heiligenpflege (fabrica) besitze<br />

13 Jauchert Aecker an entferngelegenen Orten, über<br />

den Bergen drüben, die selten gedüngt und bisweilen 6 bis 9<br />

Jahre wüst liegen gelassen würden, bis sie sich erholt hätten.<br />

Diese Aecker bringen jährlich kaum 18 fl ein. Nun haben die<br />

genannten diese Grundstücke zum Verkauf ausgeboten, in<br />

der Hoffnung, dafür die kirchenamtliche Genehmigung zu<br />

erhalten. Sie hätten 1000 Gulden gelöst mit dem Vorbehalt,<br />

daß auf diesen Aeckern ein unablöslicher Zins in Höhe von<br />

jährlich 50 fl stehen bleibe und die Grundstücke dafür als<br />

Pfand dienen. Hierdurch würden die jährlichen Einkünfte<br />

des Heiligen um 30 fl erhöht und außerdem Mittel zur Reparatur<br />

der Kirche gewonnen. — Die kirchliche Genehmigung<br />

wurde denn auch am 26. Januar 1778 erteilt.<br />

Die Filialkirche Killer verkaufte 1899 das überflüssige<br />

Hochaltargemälde, dessen Rahmen zerstört war (Kreuzigung),<br />

an die Filialkirche Gauselfingen um 15 fl. Der Hochaltar<br />

war erst erneuert worden. Der alte wurde 1934 wieder<br />

aufgestellt. (Registratur Freiburg). Krs.<br />

Ablacher Preise 1749 anläßlich, einer Erbteilung: 1 Knöpfle-<br />

Icessele 2 fl; 1 Waschkessel 3fl; 2 Sperrstrick mit 22 Pfund<br />

2 fl 24 kr; 1 gute Kettinen (Kette) von 14 Pfund 1 fl 34 kr;<br />

1 Vorkette mit 10 Pfund 1 fl 10 kr; 2 Krezeisen zum Wagen<br />

von 8 Pfund 56 kr; 2 Bomstrick zu 12 Pfund 48 kr; 1 Bömennagel<br />

(Bindnagel für Strohband?) 15 kr; 1 Schrotaxt 30 kr;<br />

1 Scheitaxt 30 kr; 1 Beil 10 kr; 1 Pfannenknecht 12kr; 1 Bratpfanne<br />

40 kr; 1 kupfernes Bratpfännle 30 kr; 1 schlechter<br />

Seynapf 10 kr; 1 eiserner Rost 6 kr; große eiserne Pfanne<br />

30 kr; 1 Schaum- und 1 Schöpflöffel 10 kr; 1 Bachspieß und<br />

2 Löfflen 6 kr; 1 Brotmesser 20 kr; 1 Schnellwaage 30 kr;<br />

1 Feuerhund 16 kr; 1 schlechte Winde 4 fl 30 kr; 2 Dängelgeschirr<br />

20 kr; 5 alte Seegessen (Sensen) je 10 Bazen 4 kr;<br />

2 Hauen 40kr; 1 Haumesser 24 kr; 1 Spalter (Wecken zum<br />

Holzspalten) 6 kr; 20 Ehlen Enwerke Tuch zu je 10 kr; 16<br />

Ehlen Reiste Tuch zu je 12 kr; 1 Himmelbettstatt (ohne Bett)<br />

2 fl; 1 Lotterbettstättle 1 fl; 1 Trog 1 fl; 10 Leinstühl (Lehnstühle)<br />

lfl; 1 alte Wasserlägel (Fäßchen) 2 kr; 2 Schmalzkübel<br />

20 kr; 1 Krautstanden 24 kr; 8 Reutern (Siebe) lfl;<br />

2 Habergeschirr —; 1 Deichsel mit dem Öther 2 fl; 1 Pflug<br />

samt Gestell und Egten 1 fl 20kr; 1 zweijähriger Stier<br />

10 fl; 1 alte Kuh 10 fl; 1 jähriges Hagele 5 fl; 1 jähriges Roß<br />

mit doppeltem Geschirr 28 fl; 1 zehnjähriges Roß Hfl; 1 gar<br />

alter Braun 5fl; 1 braune Stute samt Fohlen 24 fl:<br />

2 Schafe samt 2 Lämmern 4fl; 2 Schweine 7 fl; 6 starke Wagen<br />

Heu je 9 fl, (Gutensteiner Amtsprotokoll 1749 ff, Seite<br />

12 f; Schloß Langenstein). Krs.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />

durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />

Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />

zugspreis von DM 1.40.<br />

Vor- und Zunarre<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />

deutliche Schrift wird gebeten<br />

Ueber die Schenken von Stauffenberg brachte Dr. Gerhard<br />

Wunder in „Hohenzollerische Jahreshefte" 1952 und 1954<br />

zwei Arbeiten, denen hier folgendes nachgetragen sei: 1310<br />

sind die Brüder d. (== dominus) Fredericus dictus Schenk<br />

und d. Walterus dictus Schenk als socii des Grafen Friderich<br />

von Zollern auf der Universität Bologna, Italien.<br />

— Auf der Universität S i e n a, Italien, wurden immatrikuliert:<br />

1577, Juli 4. Wernherus Schenk a Stauffenberg Suevus,<br />

Joannes Christopherus Schenk a Stauffenberg und Sebastianus<br />

Schenck a Stauffenberg. 1605, Nov. 6.: Joannes Rudolphus<br />

Schenck a Stauffenberg - 1606, Apr. 20.: Albert Schenck<br />

a Stauffenberg - 1708, Sept. 22.: Filipo Adamo Sigismundo<br />

Schenk liber baro di Stauffenberg - 1733 Francesco Guilielmo<br />

Schenck barone di Stauffenberg, canonico delle chiese<br />

cathedrali di Erbipoli Augusta ed Aichstätt. M. Sch.<br />

Das Zollern-Wappen, von Silber und Schwarz geviertet, ist<br />

allgemein bekannt. Beachtenswert ist, daß es in den Wappen<br />

der bundesdeutschen Landkreise — zur Zeit haben 69 Landkreise<br />

noch kein eigenes Wappen angenommen — zwölf<br />

mal vertreten ist. Im Wappen des Krs. Hechingen wird der<br />

Zollernsehild vom rotbewehrten und -bezungten schwarzen<br />

Adler gehalten, während im Sigmaringer Kreiswappen der<br />

Schildfuß von Silber und Schwarz geviertet ist. Das Zollernwappen<br />

zeigt auch die linke Seite des gespalteten Schildes<br />

im Wappen des Krs. Crailsheim. In den bayerischen Landkreisen<br />

Ansbach, Dinkelsbühl, Ebermannstadt, Hilpoltstein,<br />

Kitzingen, Pegnitz, Rehaus, Schwabach und Uffenheim ist jeweils<br />

e i n Feld des Wappens von Silber und Schwarz geviertet.<br />

Bei den genannten Kreisen weist das Zollerwappen auf<br />

Besitzungen und Rechtstitel der einstigen Burggrafen von<br />

Nürnberg und der markgräflichen Linien zu Ansbach und<br />

Bayreuth hin. M. Sch.<br />

Baufarla (!) sage man angeblich in Burladingen zum Kinderspielball<br />

(Fischer, Schwäb. Wörterbuch Nachtragband 1936<br />

S. 1862). Das ist natürlich ein Irrtum aus Verkennung der<br />

alten Burladinger Aussprache des L., die dem Englischen ähnlich<br />

ist. Vielmehr heißt das Wort „B a u f a 11 a" wie in Onstmettingen.<br />

Starzein, Ringingen, Tuttlingen, Laupheim, Betzenhausen,<br />

während anderwärts die Form „Faubalia", Fuballa,<br />

Faudaballa o. ä. lautet, Dagegen sagt man in Straßberg<br />

„Bauballa", in Freudenweiler „Schuballa (wie auch in Dangstetten<br />

/ Waldshut), in Neufra „R u g b a 11 a". Schuckballa<br />

würde gleich Wurfball sein: Fu-, Fau- (schweizerisch Für-)<br />

Balla sind bei Fischer unerklärt. Doch hält er (II, die Form<br />

Bauballa für die sicher ältere Form, ohne es zu begründen<br />

oder deuten! Ein Bufballa könnte vielleicht gleich Stoß-Ball<br />

sein. Krs.<br />

Alfons Kasper, Kunstwanderungen kreuz und quer der Donau<br />

(-Oberschwaben III) 1964 im Selbstverlag des Verfassers,<br />

Schussenried/Württbg, Abt-Rohrerstr. 12. DM 6.-; 168 Seiten<br />

mit 84 Abbildungen, Ein entzückendes Bändchen, das viel<br />

Freude machen kann. Alle wichtigen Kirchen, Kapellen, Burgen<br />

und Ruinen von Beuron bis Riedlingen sind nach Geschichte<br />

und Kunst behandelt. Abstecher führen nach Stetten<br />

a. k. M., Jungnau, Veringen, Schatzberg, Langenenslingen,<br />

Kreenheinstetten, Meßkirch, Wald, Habstal, Krauchenwies,<br />

Mengen, Herbertingen und die Orte dazwischen.<br />

Berichtigung: Das in H. H. 1964, S. 64 genannte Gugenwald<br />

ist nicht abgegangen, sondern das heutige Gaugenwald<br />

bei Aichhalden im Kreis Calw, trotz WUB II, S. X.<br />

In der Abhandlung: „Die Revolution 1848 in Trillfingen"<br />

von Josef Schäfer in der letzten Ausgabe der „Hohenzollerischen<br />

<strong>Heimat</strong>", ist dem Autor leider ein Fehler unterlaufen.<br />

Der Verfasser schreibt, die Bürgerwehrfahne von Trillfingen<br />

sei die einzige, erhaltene Fahne ihrer Art in Hohenzollern.<br />

Bekräftigt wird diese Meinung durch die Aussage: Oberarchivrat<br />

Dr. Gönner schreibt, daß aus dem Lande ähnliche<br />

Fahnen im Original nicht bekannt sind." Wie mir Oberstaatsarchivrat<br />

Dr. Gönner schreibt, wird hier der Sinn seines<br />

Schreibens an den Verfasser falsch wiedergegeben. Richtig<br />

muß es heißen, daß Herrn Dr. Gönner keine ähnliche Fahnen<br />

im Original bekannt sind.<br />

Die Fahne der Haigerlocher Stadtgarde (Bürgerwehr) ist<br />

ebenfalls noch vorhanden. Sie wurde am 29. Oktober 1848<br />

eingeweiht, wie ich schon in meinem. Aufsatz „Die Haigerlocher<br />

Stadtgarde" in derselben Ausgabe der Hohenzollerischen<br />

<strong>Heimat</strong> vom April schreibe.<br />

Karl Werner Steim<br />

Die Verfasser tragen die Verantwortung für den Inhalt<br />

ihrer Abhandlungen.


Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Rangendingen<br />

25 Y 3828 F<br />

Preis halbjährlich 1.40 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Postscheckkonto Stuttgart 35 892<br />

Bank: Hohenz. Landesbank Gammertingen 15<br />

Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1965 \ 15. Jahrgang<br />

Vom Büblein, das nicht sitzen konnte<br />

Der kleine Xaver, Verele genannt, war ein nettes siebenjähriges<br />

Bauernbüblein, als das größte und schönste Ereignis<br />

seines Lebens eintrat. Bis jetzt wars ziemlich armselig verlaufen;<br />

er war der jüngste von acht Geschwistern, und es<br />

ging recht knapp her in der großen Familie. Die Eltern hatten<br />

geheiratet, als der alte Napoleon mit der ganzen Welt<br />

Krieg führte; als seine Franzosen das deutsche Land überschwemmten<br />

und dem Landmann alles Korn wegaßen, das er<br />

mit Mühe und Not gesät und geerntet, alles Vieh, das er aufgezogen<br />

hatte. Als Veri auf die Welt kam, wars ja schon<br />

besser geworden; denn die Franzosen waren längst über den<br />

Rhein zurückgejagt. Aber es sind noch alte Schulden aus der<br />

bösen Zeit auf dem Haus gewesen, und an allen Ecken und<br />

Enden mußte gespart werden.<br />

Der Vater trieb neben der Feldarbeit die Schusterei und<br />

machte seinen Buben rindslederne Stiefel von einer Haltbarkeit,<br />

daß sie keiner zerreißen konnte, sondern daß sie immer<br />

wieder vererbt wurden. Und ebenso erging es mit den Jankern<br />

und Hosen; wenn sie sich dann bis zum Verele heruntergeerbt<br />

hatten, waren sie freilich recht dünn und abgeschabt,<br />

und er hätte schon auch lieber bessere Kleider, wenigstens<br />

für den Sonntag, haben mögen — aber da kannte die<br />

Mutter keine Gnade. — Hunger leiden mußten die Kinder<br />

nicht; das Brot war grob und schwarz, aber genügend, und<br />

ein paar wackere Kühe im Stall gaben die nötige Milch.<br />

Wem das Jahr nicht zu trocken war, gerieten auch die<br />

Grundbirnen in dem magern, steinigen Boden.<br />

Das Dorf Steinhilben, in dem Veri geboren war, lag auf<br />

der Hochebene der Rauhen Alb im damaligen Fürstentum<br />

Hohenzollern-Sigmaringen; eine halbe Stunde davon entfernt<br />

war im Tal ein freundliches Landstädtchen mit einem stolzen,<br />

alten Schloßbau, in dem der fürstliche Rentmeister und noch<br />

ein paar Beamte hausten. Alles in allem eine sehr hübsche<br />

Gegend, viel Wälder und Berge; den Bauern wär' freilich<br />

lieber gewesen, wenn sie mehr ebene Aecker und einen<br />

fetteren Boden gehabt hätten.<br />

Um wieder auf die Familie Jäger zu kommen: alle gediehen<br />

bei der mageren Kost ganz gut, bloß beim Verele<br />

wollte nichts anschlagen, der blieb ein recht schmächtiges<br />

Bürschlein. Aber nett war er mit seinen lustigen braunen<br />

Augen und dabei gescheit — der Herr Lehrer lobte ihn sehr.<br />

Im Sommer 1840 war nun eins große Aufregung im Dorf:<br />

der Landesfürst wollte mit seiner jungen Gemahlin ins<br />

Städtle (wie die Stadt Trochtelflngen kurzweg genannt wurde)<br />

kommen, und die ganze Umgebung sollte ihnen einen feierlichen<br />

Empfang bereiten. Die Frau Fürstin war nämlich gemütskrank;<br />

ihr war vor einem halben Jahr ihr erstes Kindlein<br />

gestorben, und sie konnte sich gar nicht darüber trösten.<br />

Der Fürst hatte schon alles mögliche versucht, um sie aufzuheitern,<br />

aber alles vergebens; kaum der Schatten eines Lächelns<br />

flog mal über ihr Gesicht. Nun hatte er den Gedanken<br />

gefaßt, eine Reise durch das ganze Ländle könnte sie vielleicht<br />

zerstreuen und erheitern — und so stand auch der<br />

Rauhen Alb die Freude des durchlauchtigsten Besuches vor.<br />

Steinhilben, als das stattlichste Dorf der nächsten Umgebung,<br />

hatte die Ehre, einen Festwagen zu stellen, der die<br />

Landwirtschaft versinnbildlichen sollte. Die Trochtelfinger<br />

wollten den Gewerbefleiß darstellen, und nun wetteiferten<br />

die zwei Gemeinden darin, wer den schönsten Wagen zustande<br />

bringen würde. Roggensteins Juliane, die „größte"<br />

Bauerntochter des Dorfes, durfte die Landwirtschaft vorstellen,<br />

und der kleine Veri, der so gut lernte, sollte das Verslein<br />

aufsagen und der Landesmutter einen großen Strauß überreichen;<br />

ein Vorzug, um den er sehr beneidet wurde.<br />

Fast 1 lätte er sich dies Glück verscherzt. Er machte nämlich<br />

bald darauf einen Streich — wenn der aufgekommen oder<br />

nicht so gut ausgegangen wäre, dann hätt's von den strengen<br />

Eltern wohl Prügel gegeben statt der Erlaubnis zum Festredner.<br />

Eines Tages in der Erntezeit war alles auf dem Feld,<br />

und nur Verele mußte daheim bleiben und das Büblein<br />

seiner ältesten, schon verheirateten Schwester hüten, das<br />

noch in der Wiege lag. Eine harte Aufgabe an so einem schönen<br />

Sommertag! Noch härter und langweiliger dadurch, daß<br />

er vor dem Fenster ein paar Schulfreunde spielen und von<br />

dem bevorstehenden Fest reden hörte. Also bei dieser Beratung<br />

mußte der Veri dabei sein, — er war doch die Hauptperson.<br />

Er suchte also einen festen Strick, knüpfte ihn um<br />

das Gitter der Wiege und warf das andere Ende zum offenen<br />

Fenster hinaus. Dann kam er selber auf die Straße zu den<br />

Kameraden und zog während ihres eifrigen Gesprächs immer<br />

langsam am Strick, so daß man die Wiege ganz deutlich<br />

schaukeln hörte. Als aber der Geiselhart Simon eine Behauptung<br />

aufstellte, die nicht stimmte, und Veri in immer größeren<br />

Redeeifer geriet und den Strick immer heftiger anzog —<br />

— bums! da tats einen Krach und Fall, und zugleich hörte<br />

man das Wickelkind kläglich schreien. Die pflichtvergessene<br />

Kindsmagd, der Veri, hatte die Wiege samt dem Würmlein<br />

umgeworfen! Wie aber der ins Haus gesaust ist! Zum Glück<br />

hatte sich das Kind doch nichts getan, bloß das Näschen ein<br />

wenig aufgeschürft; kleine Kinder haben eben einen wakkeren<br />

Schutzengel! Und so ist die böse Geschichte für beide<br />

Teile gut abgelaufen. Auch später zeigten sich keine schlimmen<br />

Folgen. Der kleine hinausgeworfene Peter wurde ein<br />

himmellanger, stämmiger Mann und mit der Zeit sogar Bürgermeister<br />

von Steinhilben und bewies als solcher bei jeder<br />

Gelegenheit, daß er durchaus nicht auf den Kopf gefallen war.<br />

Immer näher kam der Tag des fürstlichen Besuchs, der 15.<br />

September. Nun galt es, die Kostümfrage zu erledigen. I ^ß<br />

Veri mit dem abgewetzten Hösle seiner älteren Brüder nicht<br />

als Genius der Landwirtschaft auftreten und den Spruch<br />

sagen konnte, war ja klar; er mußte eine schöne, neue Ledf<br />

hose haben mit gestickten Trägern. Aber die Mutter wollte<br />

von einer Ausgabe nichts hören; sie wußte schon, warum.<br />

Ging also mit ihrem Jüngsten zum Säcklermeister ins Städtle<br />

und bat ihn, ob er für den Ehrentag ihres Verele nicht ein<br />

Lederhösle leihen wolle; der Bub müsse schon recht acht<br />

geben darauf.<br />

Gern tat's der Säckler nicht, aber schließlich lieh er doch<br />

eine nagelneue tiefschwarze Lederhose mit grüner Stickerei<br />

her, schärfte aber der Jägerbrigitt ein, er nehme sie nur<br />

ganz unbeschädigt zurück. Gut weit waren sie dem mageren<br />

Veri schon; doch das machte ja weiter nichts. Unterm Knie<br />

konnte man sie durch Versetzen der Knöpfe ganz schön anschließend<br />

machen. So war auch diese schwierigste Frage gelöst.<br />

Aber man kann sich denken, wie dem Veri ans Herz<br />

gelegt wurde, daß der Hose ja nichts passieren dürfe.<br />

Der 15. September war herangekommen, glühheiß, wolkenlos.<br />

Schon in aller Frühe hatte man den geschmückten Brükkenwagen<br />

ins Städtle gefahren; da, wo die Straße von Steinhilben<br />

neben dem Trochtelfinger Friedhof umbiegt und über<br />

die Brücke geht, wurde er vollends hergerichtet und mit<br />

seinem lebenden Inhalt beladen. Vorn stand die rotbackige<br />

Juliane in ihrem schönsten Sonntagsstaat mit Aehrenkranz<br />

und Sichel als „Landwirtschaft"; ihr zu Füßen saß auf einem<br />

Schemel das frischgewaschene, blitzsaubere Verele als Genius<br />

mit seinem mächtigen Buschen von Feldblumen und<br />

Halmen. Und über die beiden spannte sich eine dicke Girlande<br />

von Obst, besonders von Zwetschgen. Weiter hinten auf<br />

dem Wagen saßen und lagen dann noch allerlei andere Steinhilber<br />

Kinder, jedes mit irgendeinem landwirtschaftlichen<br />

Gerät in der Hand. Der Heinzelmann hatte eine Mistgabel,<br />

die war dreimal so lang als er selber. Der Stolz!


:(50<br />

Es war ein sehr hübsches Bild, und die Leute mußten alle<br />

sagen, daß der Trochtelfinger Wagen „nicht daran hinkommt".<br />

Langsam fuhren sie durch die Hauptstraße des Ortes, bis<br />

das Rathaus in Sicht kam, vor dem die Begrüßung st ttfinden<br />

sollte. Schon während der Fahrt über das niederträchtige<br />

Straßenpflaster der Stadt Trochtelfingen merkte der Veri,<br />

dem die steife Lederhose hinten wie der Schnabel an einem<br />

Milchkännle weit abstand, daß ihm von obe i was in diese<br />

Oeffnung hineinfiel, was Rundes, Kühles, Weiches. Beim<br />

zweitenmal hatte er keinen Zweifel mehr; — es mußte eine<br />

Zwetschge aus dem Fruchtkranz sein, die sich wahrscheinlich<br />

infolge der Hitze und des Geholpers losgelöst hatte. Und so<br />

ging's noch gut ein dutzendmal; auch über die „Landwirtschaft"<br />

purzelten etliche Zwetschgen; aber die fielen ruhig<br />

zu Boden, während sie gerade bei ihm so einen günstigen<br />

Platz zum Verstecken fanden. Eine nette Geschichte! Veri<br />

traute sich gar nimmer zu schnaufen, damit er ja keine zerdrücke.<br />

Er hatte ja die kostbaren entlehnten Hosen an, denen<br />

nichts geschehen durfte. Das hieß man: „Auf glühenden<br />

Kohlen sitzen."<br />

Auf einmal krachten Böller, von der Schloßseite her trabte<br />

das Viergespann des fürstlichen Wagens und rollten die Kutschen<br />

der Hofdamen und -herren. Sie hielten am Rathaus,<br />

begrüßt in einer Ansprache des Bürgermeisters, von der<br />

Geistlichkeit, den Beamten und Stadtverordneten. Die hohen<br />

Herrschaften stiegen aus, und der Fürst unterhielt sich leutselig<br />

mit seinen Untertanen; aber die Augen der Fürstin<br />

blickten traurig und teilnamslos ins Leere. — Veteranenschützen<br />

zogen vorbei und sdirien „Hoch"; und dann kam<br />

der Glanzpunkt, die zwei Festwagen: der Trochtelfinger Gewerbefleiß<br />

und die Steinhilbener Landwirtschaft. Der Veri<br />

wurde von seinem Lehrer heruntergehoben, und dabei senkte<br />

sich die süße Last hinter seinem Rücken in die Tiefe. Gut,<br />

daß die Hosen am Knie zugeknöpft waren, sonst wären die<br />

Zwetschgen unten durchgerutscht!<br />

So konnte er nun doch mit Ehren vor die Landesmutter<br />

treten und machte die anbefohlene Verbeugung. „Tiefer!"<br />

sagte der Herr Lehrer hinter ihm; aber der Veri dachte sich:<br />

„Du hast gut reden! Wenn ich mich stärker bücke, verdrück'<br />

ich sie ja!"<br />

Dann stellte er sich stramm und sagte herzhaft sein<br />

Sprüchlein:<br />

Hohe Herrschaft! Durch das Ländle<br />

fahrt ihr jetzt in eurem Wagen,<br />

und die treuen Untertanen<br />

freuen sich, gar nicht zu sagen.<br />

Jeder eilt vergnügt herbei,<br />

daß er Hoch und Vivat schrei'.<br />

Holde Fürstin! Nimm denn gütig<br />

diesen Strauß aus meinen Händen;<br />

möge Gott dir so viel Freuden,<br />

als ich Blumen bringe, spenden,<br />

als euch grüßt in Fleiß und Kraft<br />

eurer <strong>Heimat</strong> Landwirtschaft!<br />

Die hohe- Frau nahm seinen Strauß wirklich gütig entgegen<br />

und sah dem netten, frischen Büblein in die freundlichen<br />

Augen. Hatten sie Aehniichkeit mit denen ihres toten Prinzleins?<br />

Ich weiß es nicht — aber plötzlich beugte sich die feine<br />

Dame in ihrem duftigen, weiß und schwarz getüpfelten Kleid<br />

herunter und küßte den kleinen Veri herzlich auf den Mund.<br />

Der stand ganz starr; so was war ihm noch nie vorgekommen!<br />

Denn auf dem Land ist das Küssen nicht üblich; wenn<br />

ein Kind mal über das erste Jahr hinaus ist, hat die<br />

„Schmatzerei" ein Ende. Gar erst von einer fremden Dame!<br />

Eilfertig fuhr der Veri mit dem Hemdärmel über sein rotes<br />

Cöschl und wischte den fürstlichen Kuß ab. Und da mußte<br />

die junge Durchlaucht doch wirklich ein bißchen lächeln;<br />

denn so etwas war ihr auch noch nie vorgekommen! —<br />

Sie nahm den Buben bei der Hand und nun ging alles<br />

in den Rathaussaal, wo die hohen Herrschaften von der Stadt<br />

bewirtet wurden. Auch für die übrigen Festgäste war gedeckt,<br />

und die Kinder hatten einen eigenen geschmückten Tisch, auf<br />

dem mächtige Kuchenberge standen, und von dem es wunderbar<br />

nach etwas roch, was damals in diesen Kreisen noch<br />

etwas sehr Festtägliches war — nach echtem Kaffee.<br />

Die Landesmutter hatte den Veri losgelassen, damit er sich<br />

ein Plätzlem am Tisch suchen könne. Aber — da stand nun<br />

der arme Tropf und wußte sich keinen Rat. Das hätte ja ein<br />

Unglück gegeben, wenn er sich auf die anderthalb Dutzend<br />

Zwetschgen in seiner Hose gesetzt hätte! Dabei hatten sich<br />

aber die andern schon gierig über Kaffee und Kuchen herangemacht,<br />

und ihm ließen sie gewiß nichts mehr übrig! Wie<br />

ein Häuflein Elend stand er im Saal, und die hellen Tränen<br />

liefen ihm über die roten Backen.<br />

Die Fürstin hatte von ihrem Sitz aus den Blick gerade auf<br />

den Kindertisch frei und sah das Verele stehen und weinen.<br />

HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Sie sagte was zu ihrem Gernahl, und der führte sie heran<br />

und sprach zu Veri: „Ja, Büble, warum setzt du dich nicht<br />

nieder und ißt mit?"<br />

Eine peinliche Frage! Aber die schönen blauen Augen der<br />

hohen Frau blickten so gütig, daß der Veri sich ein Herz<br />

faßte und seinen Jammer bekannte. „Ja, woisch, Frau Fürsehtin",<br />

sagte er, „i kann mi net hinsitze; in han's Hösle voller<br />

Zwetschga!" Er langte mit der Hand nach seiner Rückseite<br />

und krabbelte ein paar von den Unglücksdingern aus den<br />

Abgründen seines Lederhösles heraus. Gottlob, sie waren<br />

noch heil und ganz; es hatte noch keine Flecken gegeben!<br />

Der Fürst mußte hellauf lachen, und horch, wie ein silbernes<br />

Glöcklein klang auf einmal das Lachen der jungen<br />

Frau darein, das man schon lange nicht mehr gehört hatte.<br />

Und die Hofgesellschaft, die die Heiterkeit ihrer Herrschaft<br />

sah, lachte gleichfalls mit, im Anschluß daran die übrigen<br />

Gäste, sogar der gestrenge Herr Rentmeister, der noch viel<br />

vornehmer war als der Fürst.<br />

Der letztere konnte vor Lachen fast nicht 'rausbringen:<br />

„Ja, Büble, wie kommen auch die Zwetschgen da hinter?"<br />

„Dia send runtergfalla von der dumma Girland und grad<br />

in mei Hos nei. Und i derf doch koane verdrucka, weils<br />

Hösle net mir ghört; dös hammer verdlehnt (haben wir entlehnt!)",<br />

sagte Verele treuherzig und rief damit einen neuen<br />

Ausbruch der Heiterkeit hervor; auch die „Frau Fürstin"<br />

lachte aus vollem Halse mit und wunderte sich selber, daß<br />

sie's noch so konnte. Dann zog der Fürst, der überglücklich<br />

war über die Fröhlichkeit seiner Gemahlin, seine Börse,<br />

schenkte dem Veri einen blitzenden goldenen Dukaten und<br />

sagte: „Nein Verele, das schöne Hösle sollst du nimmer hergeben<br />

müssen, sondern zum Andenken an den heutigen Tag<br />

behalten. Sag nur der Mutter, sie soll's kaufen!" Veri hatte<br />

aber den Säcklermeister unter den Stadtverordneten gesehen,<br />

und weil er seiner Mutter nicht recht traute, wollte er als<br />

kluger Mann die Geschichte gleich in Ordnung bringen und<br />

sagte daher zum Fürsten: „Der Säckler sitzt da drüba; darf<br />

i's dem glei abkaufa?" Man holte den Meister herbei, und<br />

Verl wollte ihm das Geldstück für die Hose geben. Der<br />

wußte aber auch, was sich gehörte: „Nei, Büble", sagte er,<br />

„das Geld b'halt du no; i schenk dir dös Hösle."<br />

Da klopfte ihm der Fürst auf die Schulter und nannte ihn<br />

einen wackeren Mann, bestellte auch bei ihm eine Lederhose<br />

für die Jagd. Und die Hofherren folgten dem fürstlichen<br />

Beispiel, so daß der Säckler noch ein ganz gutes Geschäft bei<br />

der Sache maente. Und die Ehre hatte er obendrein!<br />

So war alles froh an der fürstlichen Tafel; am glücklichsten<br />

aber das Verele. So eine wunderschöne Hose hatte er jetzt<br />

statt der ewigen abgetragenen von seinen Brüdern und dazu<br />

ein Goldstück, wie er noch nie eins gesehen hatte und Vater<br />

und Mutter gewiß auch nicht. Und dann — endlich durfte er<br />

hinausgehen und an einem verschwiegenen Ort die Malefizzwetschgen<br />

ausleeren. So einen Grimm hatte er darauf, daß<br />

er sie nicht einmal aufaß!<br />

Desto besser ließ er sich dann Kaffee und Kuchen schmekken;<br />

die gute Fürstin hatte dafür gesorgt, daß man ihm noch<br />

was übrigließ. Und als die hohen Herrschaften wieder wegfuhren<br />

und alles aus Leibeskräften „Hoch" schrie, da winkte<br />

sie dem Verele, der sie wieder zum Lachen gebracht hatte,<br />

mit ihrem seidenen Sonnenschirmchen noch so lange zu, bis<br />

der Wagen hinterm Schloß verschwunden war und auf der<br />

Straße nach Hennenstein weiterrollte.<br />

Das war also Veris großer Tag gewesen!<br />

Wollt ihr noch weiteres von seinem Ergehen hören? Ein<br />

Bauer ist er nicht geworden, dazu war er den Eltern zu<br />

schmächtig! und weil er doch so gut lernte, gab man ihn im<br />

Städtle in eine Kaufmannslehre. Er ist in der Folge weit in<br />

der Welt 'rumgekommen; schließlich hat er sich in einer<br />

kleinen bayerischen Stadt ansässig gemacht und ist da ein<br />

recht geachteter und beliebter Bürger geworden, der als Magistratsrat<br />

bei manchen feierlichen Empfängen beteiligt war.<br />

Es hat ihn aber keine Fürstin mehr geküßt.<br />

Sein Dukaten hat ihn durchs ganze Leben begleitet; erst<br />

im letzten Krieg, als er schon ein uralter Herr mit schneeweißen<br />

Haaren, aber immer noch freundlich braunen Augen<br />

war, und als das Vaterland das Gold seiner Bürger brauchte,<br />

hat er die Münze hergegeben. Aufhalten hat er das Elend<br />

damit freilich auch nicht mehr können. Aber der liebe Gott<br />

hat ihm die Gnade erwiesen, daß er den Zusammenbruch<br />

nicht mehr erleben mußte.<br />

Jetzt ist er wohl im Himmel; vielleicht hat er da seine<br />

ehemalige Landesmutter wieder getroffen, und sie haben zusammen<br />

noch einmal gelacht über das kleine Abenteuer mit<br />

den Zwetschgen.<br />

Und wißt ihr, wer das Verele war? Mein lieber Vater<br />

war's! Und wenn meine Brüder und idi recht artig waren,<br />

hat er uns zur Belohnung immer wieder das Geschichtlein<br />

erzählen müssen vom Büble, das nicht sitzen konnte.<br />

Auguste Salzmann.


Jahrgang1965 H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT 51<br />

(Anmerkung: Die obige Erzählung stand bereits im Heft<br />

1 des ersten Jahrganges der <strong>Heimat</strong>zeitung. Diese Nummer<br />

war rasch vergriffen und gelangte nicht in alle Schulen.<br />

Oberlehrer Widemann (heute in Sigmaringen, früher in Steinhilben.)<br />

schrieb dazu: Der Vater dieses Bübleins stammt von<br />

Steinhilben, und auch das Büblein war ein Steinhilber Bub:<br />

Verele Jäger. Auguste Salzmann, die Verfasserin des Stückes<br />

und Tochter dieses Xaver Jäger war eine Verwandte von<br />

Frau t Juliana Geiselhart geb. Pfeffer. Durch mich kam die<br />

Erzählung s. Zt. ins Lesewerk des Kath. Lehrervereins und<br />

war im sogenannten <strong>Heimat</strong>band abgedruckt. Von dieser<br />

Erzählung sagte der damalige preußische Kultusminister von<br />

Studt anläßlich eines Besuches in Sigmaringen, daß diese das<br />

schönste Lesestück des Lesewerkes sei.)<br />

Aus der Geschichte des Nikolausmarktes in Haigerloch geplaudert<br />

Die Märkte waren auch in unserer engeren <strong>Heimat</strong> bis in<br />

das 20. Jahrhundert herein wirkliche Feiertage für Stadt<br />

und Land. Ein bestimmter Höhepunkt bildete für unsere<br />

engere <strong>Heimat</strong> der Nikolausmarkt in Haigerloch, der sich<br />

bis in unsere Zeit herein erhalten hat. Wann eigentlich die<br />

ersten Märkte abgehalten wurden, können wir heute nicht<br />

mehr mit bestimmter Sicherheit sagen. Eines ist jedenfalls<br />

sicher, und das bezeugt auch Franz Xaver Kodier in seinem<br />

Buch über die Geschichte des Oberamts Haigerloch, daß die<br />

Stadt Haigerloch schon sehr früh das Marktrecht besaß.<br />

Schon im Jahre 1551 ist von einem Jahrmarkt die Rede,<br />

und das Stadtbuch aus diesem Jahr enthält Bestimmungen<br />

über die Durchführung des Marktes. Während wir zunächst<br />

nur von einem Jahrmarkt hören, sind es im 17. und 18. Jahrhundert<br />

bereits zwei, und zwar zu Bartholomä und Nikolaus,<br />

während später noch der sogenannte Fasnetmarkt hinzukam.<br />

Zusammen also drei Krämer-, Vieh- und Schweinemärkte,<br />

die in Handel und Wirtschaft der Stadt und Umgebung<br />

eine große Rolle spielten und das ambulante Gewerbe<br />

aus der näheren und weiteren Umgebung, wie die Bevölkerung<br />

von Stadt und Land zu einem bunten Leben und Treiben<br />

auf dem Marktplatz vereinigten. Haigerloch hatte einen<br />

der schönsten Marktplätze im weitesten Umkreis, und man<br />

hat nicht zu Unrecht sich mit der Verlegung des Marktes in<br />

den Stadtteil Haag nie recht abfinden können. Denn vor der<br />

fast mittelalterlich anmutenden Kulisse des Stadtbildes der<br />

Unterstadt mit ihren alten, schmucken Wirtshausschildern<br />

und Gaststätten hatte der Markt immer etwas Reizvolles<br />

an sich, das ihm eigentlich auf dem neuen Platz völlig fehlt.<br />

Bekannt ist das lange Ringen der Haigerlocher Stadtväter<br />

um eine geeignete Lösung der Marktplatzfrage, nachdem<br />

verkehrspolizeiliche Bedenken gegen die Abhaltung auf dem<br />

Marktplatz auftraten. Es gab damals sogar Stimmen, die<br />

einer Aufhebung der Märkte das Wort sprachen. Andererseits<br />

— und diese Auffassung war zweifellos richtig — wurde<br />

von maßgeblicher Seite darauf hingewiesen, daß das Marktrecht<br />

als altes Privileg der Stadt unbedingt erhalten werden<br />

müsse.<br />

Der Markttag war, wie uns erst dieser Tage ein alter<br />

Haigerlocher erzählte, schon im vergangenen Jahrhundert ein<br />

Festtag für Stadt und Land. Rudelweise kam die Landbevölkerung<br />

nach Haigerloch, und der Nikolausmarkt zog seine<br />

Kreise bis in den Kreis Tübingen. Schon Wochen vorher<br />

freuten sich Kinder, Bäuerin und Bauer samt Gesinde auf<br />

den „Markt". Es war Brauch, daß an diesem. Tage alles<br />

seinen „Märktkromet" erhielt. Dies war bei der Bäuerin und<br />

bei der Magd je eine Schürze, der Knecht eine Hose oder<br />

Mütze und für die Kinde • zumeist etwas Leckeres. Kam also<br />

der Tag heran, wurde schon sehr früh gegessen, und dann<br />

stürzte man sich ins „Sonntagshäs", um Haigerloch zuzumarschieren.<br />

Wer einen Landauer besaß, war noch glücklicher<br />

daran. Fröhlich wurden Freunde und Bekannte begrüßt<br />

und zuweilen immer wieder mal ein Knecht oder Bauer<br />

überholt, der eine Kuh, Kalbin oder ein Rindle zum Markt<br />

führte. Dort sah man sich zunächst um, ob der Hannes, der<br />

Christian, der Ludwig vom Nachbarort auch gekommen<br />

waren, ging mit ihnen gemeinsam auf den Schweinemarkt,<br />

wo gefeilscht und gehandelt wurde, daß es eine Art hatte.<br />

Man mußte sich ja wieder den neuen Specksamen in Form<br />

von zwei Milchschweinen erstehen. Freilich war der Handel<br />

nicht gleich perfekt. Der Käufer lief weg und kam wieder.<br />

Der Verkäufer verrenkte sich die Augen vor Bedauern, daß<br />

er nicht mehr weiter zurückkönne und dies bei seinem<br />

Seelenheil der äußerste Preis sei. Und dann ging er doch<br />

noch zurück, weil er eben ein guter Mensch sei und nach<br />

dem Grundsatz „leben und leben lassen" handle. Auf dem<br />

Viehmarkt war es nicht anders. Da wurden all die guten<br />

und schlechten Merkmale einer Kuh oder Kalbin — „wie<br />

lang trait se, was ka se?" — unter die Lupe genommen und<br />

mancher Trick entlarvt. Der Handschlag war das Dokument<br />

des Verkaufs, und er galt früher mehr als heute ein Schrift-<br />

von Josef Schneider<br />

stück. Natürlich folgte der Umtrunk im Gasthaus, wo sich<br />

der Verkäufer nicht lumpen, lassen durfte. Früher ging es<br />

hierbei gleich nebenan in das Gasthaus zur Traube, der<br />

heutigen Bolzfiliale bei der St. Annakirche — der Marktplatz<br />

war im heutigen Stadtgarten — um den, Kauf vollends<br />

ins reine zu bringen. Dort saß man dann zuweilen lange,<br />

und vor allem den Gruoler und Weildorfer Marktbesuchern<br />

scheint es dort immer besonders zugesagt zu haben, wenngleich<br />

sich spät abends die Mondstupfer und Storchen noch<br />

die Köpfe blutig schlugen,. Das, hat es früher immer wieder<br />

mal gegeben, und wenn es nur wegen einer Dorfschönen<br />

war. Indessen ging in der „Sonne" der Taubenmarkt vonstatten.<br />

Sackweise wurden die Tauben zu einem Stückpreis<br />

von 15—20 Pfg. gekauft, um die darauffolgenden Tage in<br />

die Bratpfannen zu wandern.<br />

Indessen gingen Bäuerin, Kinder und Mägde zum Krämermärkt.<br />

Was erstand man sich alles dort? Nun, die Bauern<br />

brauchten eine neue Goaßel (Peitsche), ein Paar Schuhe, ein<br />

Paar Hosen. Ein neues Sackmesser wurde gekauft, während<br />

die Bäuerin sich die in Brüche gegangene große Ton-Suppenschüssel<br />

neu zulegte. Manch, andere Küchen- und Haushaltsgegenstände<br />

oder Kleidung kaufte man sich wieder auf dem<br />

Markt, und als Kinder hing man halt der Mutter am Rockzipfel,<br />

verlangte Magenbrot, das schon immer als das Höchste<br />

der Gefühle für Kinder galt. War man, ganz gut dran, fielen<br />

auch noch ein Paar Schuhe, eine warme Mütze für den<br />

Winter oder ein kleines Spielzeug ab. Junge Liebespaare,<br />

der Heiner aus Weildorf und die Bärbel aus Trillflngen, die<br />

sich auf dem Markt ein Stelldichein gaben, erlebten natürlich<br />

den Markt auf ihre Weise. Zuweilen wurde nach Gegenständen<br />

für den künftigen Hausstand umgeschaut oder in<br />

Mock's Laden die erste Aussteuer erstanden. Ja, Mock's<br />

Laden, das heutige Textil- und Bekleidungshaus I. B. Mock<br />

stand zuweilen dichtgedrängt voll, wie überhaupt Haigerlochs<br />

Geschäftswelt die Märkte immer mit einem gewissen Wohlbehagen<br />

verfolgt hat. Das, kennzeichnet die Tatsache, daß<br />

gegen 16 Uhr die Geschäfte geschlossen wurden und die<br />

Geschäftsinhaber ebenfalls z,'Märkt gingen. Sie fanden sich<br />

in Häuflein und Gruppen zusammen, trafen sich im Dreikönig,<br />

im Schwanen, im Hecht oder Adler und machten<br />

durch bis hinauf in die Oberstadt. 3—4 Schlachtplatten hat<br />

mancher in kurzer Zeit „verdruckt", und der besseren Ehehälfte<br />

schob man eine Bratwurst in die Tasche, damit sie<br />

auch etwas habe. Ja, dieser Marktschoppen hatte immer<br />

etwas an sich. Man traf dort all die lieben Bekannten von<br />

Stadt und Land. Die Dottebäs, der Vetter, der Tochtermann<br />

aus dem Nachbardorf, sie alle gaben sich jetzt ein Stelldichein.<br />

Alles wurde durchgehechelt, was in der Verwandtschaft<br />

und Bekanntschaft sich zugetragen, hat, und zuweilen wurden<br />

auch Heiratspläne geschmiedet und Partien ausgemacht.<br />

Denn früher, versteht sich ja, heiratete man nach dem Reichtum.<br />

Liebe stand an zweiter Stelle. „Hauptsach ischt, daß des<br />

Sach zemmakommt", sagten, die Bauern, und die dicke Uhr-<br />

Haarkette am Leible wippte dabei, als ob sie einen Schwur<br />

tun müßte. Zur gleichen Zeit trafen sich im „Hirsch" die<br />

Knechte und Mägde der ganzen Umgebung in heiterer Stimmung<br />

bei Tanz, sauren Kutteln und Bratwurst. Mit einer<br />

Mundharmonika wurde zum Tanz aufgespielt: Heut isch<br />

Bündeletag, heut ist mei Zeit, heut leck mich der Herr am<br />

A . .., morga sei Weib, so sangen und schrien sie immerfort,<br />

waren, heiter und fidel. Schon bei dieser Gelegenheit wurden<br />

Knechte und Mägde für das kommende Jahr gedungen, Zu<br />

später Abendstunde torkelte mancher heimwärts und freute<br />

sich schon auf den nächsten „Märkt". Am Nikolausmarkt hat<br />

sich bis heute noch nicht viel geändert, wenn auch das<br />

Brauchtum, das sich um ihn rankte, erloschen ist. Gerne aber<br />

ersteht man noch den Marktkrom, trifft sich mit Bekannten,<br />

und über allem liegt auch heute noch ein Abglanz der Romantik<br />

jener Tage, die hereinstrahlt bis in unsere Zeit.<br />

Unsere Kinder freuen sich auch heute noch, wenn der Vater<br />

oder die Mutter sie mitnehmen „uff de Märkt".


:(52 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Das Heiligkreuz-Mirakel von Hechingen<br />

Es gibt zahlreiche Erzählungen über geschändete Christusbilder;<br />

schon früh taucht das Motiv auf, das Kruzifix habe<br />

nach der freventlichen Tat geblutet. 1 )<br />

Auch hierzulande ist dieser Legendentypus recht verbreitet,<br />

und nur selten fehlt die Angabe über die Strafe, die den<br />

Frevler ereilt hat. Der Bösewicht, der bei Ellwangen einmal<br />

in ein Kreuz hieb, blieb daran hängen, und einem anderen,<br />

der sich im Zorn zur gleichen Tat verleiten ließ, ging der<br />

Schwerthieb ins eigene Schienbein. 2 ) Der Reiter, der auf ein<br />

Kruzifix zwischen Kappeln und Dürnau schoß, versank mitsamt<br />

seinem Pferd im Boden, 3 ) In Erisdorf schoß ein<br />

Schwede auf den Herrgott unter der Dorflinde, worauf er<br />

gleich versank und wieder ausgegraben werden mußte. Er<br />

starb daraufhin eines jähen Todes (so meinten die einen)<br />

oder aber erst (so meinten die andern), nachdem er sich<br />

bekehrt hatte. 4 ) Und das Pferd jenes Franzosen, so wird<br />

aus Ehingen berichtet, der mit seiner Pistole auf ein Kruzifix<br />

zu schießen gewagt hatte, sei über die Brücke hinabgesprungen,<br />

der Reiter aber sei nicht mehr gesehen worden. 5 )<br />

Die Erzählung über die Entstehung der Wallfahrt zum<br />

„geschossenen Christus" in Geisingen ist in zwei Berichten<br />

aus dem 18. Jahrhundert fixiert. Als die schwedischen Truppen<br />

1633 durch das Städtchen marschiert seien, so heißt es<br />

in einer der Niederschriften 6 ), habe „Einer hinten nachreitendt<br />

sein Bistohl außgezogen, aufschreyendt: Halt Du!<br />

mithin in die Stürne der am Creutz hangendten Bildnuß<br />

Christi mit einer Kugel (welche man heut zu Tag noch klar<br />

sichtet) geschossen ..." worüber ein schwedischer Reutter<br />

diesen Bößwicht gefraget warumb er auf das Cruzifix<br />

schieße? Der geantwortet hatte: ,Seye ja nur Holtz' so dann<br />

der gottlose Reuter abseiths gegen Baldinger Espa sich<br />

wendendt auf der sogenannten Brachwieß blinder vom Pferd<br />

gefallen, auch gleich des gäben Todts gestorben wäre .. ." 7 )<br />

Wird hier die Tat mit der anderen Konfession des Täters<br />

motiviert — denn die Mitteilung seiner Antwort (das Bild sei<br />

ja totes Holz) soll ein Hinweis auf eine Zugehörigkeit zur<br />

protestantischen Konfession sein —, so erscheint die ruchlose<br />

Tat in anderen Versionen als Racheakt: aus Zorn über sein<br />

Unglück beim Würfelspiel sticht ein Mann mit dem Messer<br />

auf ein Kruzifix bei Mund&rkingen ein mit den. Worten:<br />

„Maria, deinen Sohn will ich ermorden!" Aus der Wunde<br />

fließt daraufhin Blut. 8 )<br />

Aehnlich ist eine Erzählung aus Altshausen. Zwei spielten<br />

um ihr Geld, der eine in Teufels, der andere in Gottes Namen.<br />

Der sein Vertrauen auf Gott gesetzt hatte, verlor und<br />

schoß in seinem Zorn auf ein Kruzifix, welches zu bluten<br />

anfing. Der Frevler versank augenblicklich bis zum Hals in<br />

die Erde und nahm sich selbst das Leben, nachdem ihn ein<br />

Priester befreit hatte. Das Loch aber ließ sich nicht auffüllen.)<br />

9<br />

Die Ursprungslegende der Heilig-Kreuz-Kapelle bei Altshausen<br />

unterscheidet sich nur in einem (freilich recht wichtigen)<br />

Punkt von diesem Bericht: das Motiv für die Untat<br />

ist hier der Glaube, der Schuß auf das Kruzifix mache den<br />

Schützen unfehlbar. „Der Schuß gilt ähnlich wie die Schändung<br />

des Kreuzes durch die Hexen als der Vollzug eines<br />

Paktes mit dem Teufel. . ," 10 ) Dies kommt in dem Bericht<br />

„Vom Uhrsprung, Anfang, Aufbau und Weyhung der heiligen<br />

Kreuz-Kapellen etc. bei Altshausen" zum Ausdruck,<br />

den Anton Birlinger und Michel Richard Buck zugänglich<br />

gemacht haben: 11 )<br />

„Nach der Gnadenreichen Geburth Jesu Christi deß Sohnes<br />

Gottes, und Seligmachers der ganzen Welt, im 1617 Jahr, ist<br />

geschehen, daß Wunder-Zeichen, welches noch Manniglich<br />

hierum bekannt und sehr wohlbewußt ist, nämlich, da ein<br />

sehr gottloser Mensch in dieser Nachbarschaft bewohnt gewesen,<br />

welcher aus Eingeben des Teufels und Rath der<br />

Schwarz-Künstlerischen Schützen (um Verbother Kunst im<br />

Schüssen zu erlangen, täglich 3 gewisse Schüze zu haben.)<br />

Sich soweit hat Verführen lassen, das er 3 Samstage Abends<br />

unterm Geläut aller Glocken, für die Christ Gläubige Seelen<br />

im Fegfeuer, Alhier nach dem Bildniß am Kreuz geschossen,<br />

zwar am ersten, am andern Samstag das Bild gefählet, aber<br />

am 3ten Samstag zwo Kugeln mit solchem Teuflischen Vorsaz<br />

geladen, da er die Bildnuß verlezen wolle, wan gleich<br />

Christus der Sohn Gottes selbst Leb- und Wahrhaft da<br />

hangen solte! Also Zihlete er nach dem Herzen, Schoß, und<br />

trafte mit den zwo Kugeln die Bildnuß Christi am Kreuz,<br />

unter der Seiten-Wunden: Welche Schußwunde sich gleich<br />

Fleisch- und Blut-Farb erzeigete, und der böse Mensch alsbald<br />

mit beiden Füßen in die Erde gesunken, seine Verfluchte<br />

Fußtritt den Menschen zur Warnung und Gedächtnuß<br />

verlassen."<br />

von Martin Scharfe<br />

Dasselbe Motiv findet sich in der Legende von der Entstehung<br />

der Heiligkreuzkapelle bei Hechingen. Die älteste erhaltene<br />

Fassung scheint der Bericht zu sein, der in der Zimmerischen<br />

Chronik überliefert ist. Dort heißt es: 12 )<br />

„Es hat der alt graf Jos Niclas von Zollern, den man nur<br />

den Naterer von wegen seines schwurs genempt, ain trewen<br />

und lieben diener gehapt, Wilhalm gehaisen, ist sein raisiger<br />

knecht gewest und eines erlichen burgers geschlechts.<br />

Der hat uf ain zeit heren sagen, oder vileucht hat ers also<br />

gelesen, wann ainer in der carwochen die vier passion here<br />

uf ainem bain stände, dieweil die gelesen werden, und nachgends<br />

mit ainem bogen (dann selbiger zeit die handtbüchsen<br />

nit im gebrauch) drei schütz in ain crucifix thue, so künde<br />

er hernach mit solchem pfeil kain schütz mer feien, sonder<br />

treff, was er begere oder darnach er abziele. Dise kunst hat<br />

herr Wilhalm bei ime betrachtet und erwogen, so es im geraten,<br />

das er seins schiesens in neten möcht gewiss sein,<br />

seitmals der zeit ain grosse reiterei in allen landen, was für<br />

ain nutzer diener er seinen herren sein wurde etc. Darumb<br />

hat er ime entlichen fürgenomen, das zu probieren. Wie nur<br />

die nechst carwochen herzu geruckt, do hat er die vier passion<br />

in der kürchen zu Stetten im closter gehört, alles uf<br />

ainen, bin stehendt, wie dann die verflucht kunst hat ussgewisen<br />

Darnach ist er ingehaim hinauss gangen an das ort,<br />

do iz die capl steht, zum hailigen Creuz genempt. Dozumal<br />

ist aber nur ain bildstecklin alda gewest mit ainem creuz<br />

und ainem salvatcr daran. In diesem crucifix hat er mit<br />

seinen pfil dreimal geschossen. Wie er aber den dritten<br />

Schutz gethon, da hat das bild am crucifix anfahen reulichen<br />

zu schwaissen, auch hat er den pfeil nit mer künden gewinnen.<br />

Do hat in ain angst und ain forcht umbfangen und<br />

allererst, gleichwol zu spat, betrachtet, was er gethan hab.<br />

Darum ist er ganz geschwaift, mit großem kommer haimgangen<br />

und soll darzu geschwiegen. Selbiges tags het es sich<br />

ongefert gefüegt, oder ist villeucht user sonder fürsehung<br />

des allmechtigen beschehen, das ain andechtige, gute, alte<br />

fraw zu disem bildstock kommen, darbei ir gebet, wie sie<br />

vormals vil im geprauch gehapt, zu Volbringen. Die hat den<br />

pfeil im bild gesehen, auch das das bild heftig geschwaist.<br />

Derab sie übel verschrocken, den nechsten gen Hechingen<br />

gangen und das den amptleuten angezaigt. Die habens one<br />

verzug dem grafen fürgebracht, Derselbig, wie er erfaren,<br />

das dem also seie, dann es allernechst bei der statt, do ist<br />

er mit seiner priesterschaft, auch allem sinem gesind und<br />

diener, die er domals bei sich gehapt, under denen dann der<br />

obgenannt Wilhalm, der theter, auch ainer gewest, hinauss<br />

zum bildstock gangen. So bald der graf den pfeil ersehen,<br />

ist er übel erschrocken, dann er ine gleich gekennt, wem er<br />

zugehere, dann ime der Wilhalm under allen seinen diener<br />

der libst und anmutigest gewest; darum gesagt: ,Wilhalm,<br />

das hast du gethon, und der pfeil ist dein.' Hierauf Wilhalm<br />

uf seine knüe gefallen und umb gnad gebetten, darbei angezaigt,<br />

er habs von sein, des grafen, wegen gethon. Aber<br />

der graf hat gesagt: ,Nain, Wilhalm, ich hab dich das nit<br />

gehaisen, du hast ime laider nur gar zuvil gethon'; darmit<br />

hat er ime bevolhen, er solle nochmals den pfeil ziehen.<br />

Wilhalm hat vil versucht, hat ine aber nit gewinnen kinden.<br />

Sobald sichs aber der graf unterstanden, hat ine leichtlichen<br />

ziehen kinden, und hiemit ist der Wilhalm uf bevelch des<br />

grafen fengclichen angenomen, des ander tags fürgestellt<br />

und rechtlichen beclagt worden. Und wiewol von edel und<br />

unedeln grosse bitt für ine beschehen, so hat doch zuletzt<br />

der graf das haupt von ime genommen. Grave Jos Niclas<br />

hat an das ort, do der bildstock gestanden, ain capellin<br />

lassen bawen und ain ewige mess darin gestift. Dohin ist<br />

hernach zu allen hailigcreutztagen ain grosse fart gewest,<br />

das man von verre dahin kommen. Man hat allwegen uf<br />

solche zeit ain vesper und ain ampt da gesungen, auch gepredigt;<br />

aber zu unser Zeiten ist es alles abgangen. Der alte<br />

graf Jos Niclas hat dise geschieht an ain daffel lassen malen,<br />

darzu sich und etlich ander grafen von Zollern auch. Dise<br />

taffei ist bei unsern Zeiten noch in der Capellen gewesen,<br />

aber sie ist mit bewilligung des junger graf Jos Niclasen<br />

von Zollern von ainem grafen von Ötingen hinweg genommen<br />

worden. Gott waist wohin. Hiebei kan ich nit underlassen<br />

zu vermelden, wie der alt graf Jos Niclas die capell<br />

gebawen und sie geweicht worden, do ist ain fraw in aim<br />

hangenden wagen kommen, gestürzt und gementlt, die hat<br />

gebracht ain silberin kelch und was zu ainer mess gehert,<br />

das alles hat sie uf der altar geopfert und ist one gessen<br />

hinweg gefaren; auch unbekannt, das sie niemals gekennt<br />

oder gewist, wer sie sei. Vil haben vermaint, sie sei des<br />

armen Wilhalms muter gewest."


Jahrgang 1965 H O H I N Z O L L E H I S C H I HEIMAT<br />

Die nächsten Fassungen des Mirakelberichts sind an Ort<br />

und Stelle überliefert: in der Heiligkreuzkapelle hängen zwei<br />

Tafeln mit Oelgemälden, die den „höllischen Schuß" und die<br />

Hinrichtungsszene wiedergeben. Den Bildern ist jeweils ein<br />

ausführlicher Text beigefügt.<br />

Das Bild an der Südwand der Kapelle zeigt links den Bildstock<br />

mit dem Kruzifix vor einem Baum. Rechts davon steht<br />

breitbeinig der Schütze, der gerade mit der Armbrust auf<br />

das Ziel anlegt; zwei Geschosse stecken schon im Ziel. Der<br />

Mann ist barhäuptig und bärtig gegeben. Er trägt ein enganliegendes<br />

Wams und ebensolche Hosen; der gefältelte<br />

knielange Rock ist um die Hüften gegürtet. Seine ganze Bekleidung<br />

ist einfarbig silbergrau, nur die Schuhspitzen sind<br />

schwarz. Im Hintergrund rechts sieht man den Hohenzollern.<br />

Unten befinden sich einige Wappen und zum Teil unleserliche<br />

Stifternamen; dazu liest man: „Christ : Miller /<br />

fürstl. Hohen / zoller stall / mei-ster / Renouiert / 1670."<br />

Diese Jahreszahl muß als Terminus ante quem der Entstehung<br />

des Bildes gelten. 13 ) Der Text unter dem Bild lautet:<br />

„Im Jahr . 1390 . hat der hoch wolgeborne . herr . herr<br />

friederich Graf Zu hohen Zollern der Elter sambt dero Gemahlin<br />

Frawen Agnesae Gräfin von fürstenberg Hoch gräfl:<br />

gden auf hohen Zoller RESIDiert vnd einen gotlosen diener<br />

gehabt welcher sich berichten lassen . wan einer ein gueter<br />

schitz sein oder werden wolle, das derselbe drey schitz in ein<br />

Crucifix thuen solle . als dan kenne es ihm nit mer fehlen .<br />

sonder Alle ding warnach er Zu schiessen . begere . gewiss<br />

trefe . welcher es probiert, vnd in ein schönes CRVCIFIX<br />

so vnd: einer Linden in einem bildstockh gestanden . mit der<br />

armbrust . 2. mal geschossen . das es geschwaist . wie er den<br />

dridten schütz thun wolte . hat er den selben nit voll bring:<br />

auch nit mehr von der stell komen könen . deswegen ime<br />

an d: selben stat das haubt abgeschlagen, vnd dahin zur<br />

ewigen gedechtnus ein CAPell erbaut auch das crucifix sambt<br />

dem stockh dahin eingesetzt worden."<br />

Wenn auch der Kern dieses Mirakelberichts im wesentlichen<br />

derselbe ist wie in der Zimmerischen Chronik, so gibt<br />

es doch einen wichtigen Unterschied. Dieser ist weniger in<br />

der vereinfachten magischen Prozedur zu suchen als vielmehr<br />

in der holzschnittartigen Vereinfachung der Fabel: in<br />

der Chronik-Variante war Wilhelm ein „treuer und lieber<br />

Diener", der die Freveltat vollbringt, weil er seinem Herrn<br />

nützlich sein will; er ist auch beliebt —- viele legen Fürsprache<br />

bei ihm ein. So kommt es zu einem tragischen Konflikt,<br />

in dessen Verlauf sich der Graf dann doch zu einem<br />

Todesurteil entscheidet.<br />

In der Bildfassung ist der Knecht von vornherein ein<br />

„gottloser Diener", der die Tat nur aus Eigennutz vollbringt.<br />

Die Tat ist damit so eindeutig böse, daß sofort ein drastisches<br />

Gottesurteil erfolgt; dem Diener ist es nicht nur unmöglich,<br />

den Pfeil herauszuziehen — er bleibt auch an den<br />

Ort seiner Untat gebannt. 14 )<br />

Dies gilt auch für das Mirakelbild an der Nordwand der<br />

Kapelle, dessen Text lautet:<br />

„Vmb die Jahr Zahl Christi . 1390 Vor-vndt nach, Hat der<br />

Hoch: vnd Wollgeborne Herr herr Friderich Graff Zue Höchen<br />

Zollren, Der Eitere, sampt Ihrer Gemahlin, Frawen<br />

Agnese Gräffin von Firstenberg, vnd land Gräffln in der<br />

Bahr, auff dem Schloss hochen Zolleren, in Schwaben gelegen,<br />

Residiert, auch Stattlich Hoff gehalten, vnd Einen<br />

Gottlosen diener Gehapt, welcher ohne Zweiffei aus eingebung<br />

vndt anstifften des Laidigen Satans, größten Faindt<br />

des haillige Creitz Christi, sich vermesentlich beraidt: vnnd<br />

dahin verwendt, wann einer ein gueter Schitz wolle sein,<br />

oder - werden mueste derselbig drey Sitz in ein crucifix, alsdan<br />

könne es ihme nit mehr fohlen Sonder alle ding, wornach<br />

er zu schießen Begehrt, Gewiß vnd vnföhlbar Treffen,<br />

derowegen er solches Zudem probieren ir Ein Schenes Crucifix<br />

so damahlen vnder gedachtem Schloß Hochenzoileren,<br />

Nahent dem Frawen Closter Stetten, vnder einer Großen<br />

Lünden in einem Bildstockh gestanden, mit der Armbrust<br />

Zuem anderen mahl Geschoßen, vndt daßelbig mit dem pfeil<br />

getroffen, vnd dermaßen Beriertt, das es sichtbarlich Bluett<br />

Geschwitzt, wie nun solcher Mensch den dritten Schutz Zue<br />

thun sich vnderstanden, hat er denselben nit allein Volbringen<br />

sonder auch aus straff, vnd Gerechtem Vrteil Gottes<br />

gar nit mehr von Statt khommen können, der Vrsach haben<br />

wohlbedacht, h: Graff Friderich Von Zolleren, nach dem Ihr<br />

Gnaden allen verlauff dises, i-rZehlten großen Hochströfflichen<br />

begangenen ybels, vnd darauf erfolgten Miraculs nottürfftiglich<br />

Bericht, vnd erinnert worden, mit wolbedachtem<br />

Rathe Gaistlich: vnd weltlicher persohnen, vor Gemeltem<br />

Gottlosen diener, Anderen Zue einem Exempel, an der selbigen<br />

Statt, sein haubt in Angesicht vnd versöhnlicher Gegenwärtigkait,<br />

Ihro Gnaden, vnd Dero Jungen Herren, abgeschlagen,<br />

auch solches Crucifix damit Göttlich wunder sich<br />

Zuegetragen, gleich nach Ergangenem erschröcklichen Actu,<br />

in obgesagtes Closter Stetten Gnädig verordnen Laßen, Dahin<br />

es auch, von der fraw priorin Adlheiten Schöneckhin<br />

von Stauffenburg, vnd Ihren Convent Schwesteren, mit gebihrlichen<br />

Solenniteten, vnd der Procession, in aller Andacht<br />

abgeholt, vnd aufbehalten worden, als nun erst Hoch- vnd<br />

wohlermelter Graff Friederich, Bald darauffin Anno 1400, an<br />

S: Catharinatag abgeleibt, auch in bemeltem Closter Stetten<br />

begraben worden, hat ihro Gnaden Hünderlaßen deren Aeltiste<br />

Sohn, Graff Friderich von Zolleren, genandt öttinger,<br />

welcher nach seines herzen vatters Tödt, auf Ernenten<br />

Schloß vnd Vöstung Zollere Regierenter Herr worden, an<br />

das orth alda Beriert Crucifix gestanden, vnd sich erZehlt,<br />

Miracul Zue Getragen, ein schönne Capell erbawet, vnd<br />

damit das lob Gottes, vnd des Heil. Critz an disem orth<br />

desto minder vergeßen werde, sondern vilmehr in Gedächtnuß<br />

Verbleiben mächte, offtgemeltes Crucifix Sambt dem<br />

Stockh, in die newe auffgerichte Capell einsetzen laßen,<br />

Anno 1731."<br />

Das Bild stellt den Augenblick vor der Enthauptung des<br />

Schützen dar. 15 ) Vor der gleichen Landschaftsszenerie wie<br />

im anderen Bild (links Linde und Bildstock, rechts im Hintergrund<br />

der Hohenzollern mit der alten Burg) sieht man<br />

inmitten einer Menschengruppe den Frevler mit umgehängtem<br />

Köcher, bis über die Knie in den Boden eingesunken;<br />

vor ihm liegt die Armbrust. Während hinter ihm der<br />

Henker, drohenden Blickes, schon das Richtschwert geschultert<br />

hat, bemüht sich links ein geistlicher Zusprecher mit<br />

Kruzifix um den armen Sünder. Rechts steht der Graf; er<br />

blickt aus dem Bilde auf den Betrachter; die Rechte hat er<br />

im Redegestus erhoben, als wolle er das Geschehen erläutern.<br />

Zur Gruppe gehören noch mehrere unbärtige Jünglinge<br />

— Söhne oder Knechte des Grafen —und links vorne<br />

eine Frau mit zusammengelegten Händen, wohl die Frau<br />

des Grafen.<br />

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Bild von<br />

einem jungen Lithographen abgezeichnet und vervielfältigt,<br />

allerdings —• so meldet ein zeitgenössischer handschriftlicher<br />

Bericht 16 ) — „ziemlich schlecht gemacht, u. auch die Schrift<br />

nicht ganz richtig copirt."<br />

Wurden Mirakelflugblätter sonst gewöhnlich deshalb herausgegeben,<br />

damit der Ruhm eines bestimmten Wallfahrtsortes<br />

oder Gnadenbildes verbreitet würde, so war das im<br />

Falle des Heiligkreuz-Mirakelflugblattes anders. Das läßt<br />

sich aus der Tatsache erschließen, daß dieser Mirakelbericht<br />

im 19. Jahrhundert auf großes Interesse stieß: er galt als<br />

vaterländisches Denkmal „aus der Vorzeit Hohenzollerns".<br />

1845 war er in W. Binders „Schwäbischen Voikssagen, Geschichten<br />

und Mährchen" erschienen, 17 ) 1860 im dritten Band<br />

von Ottmar F. H. Schönhuths Werk über die Burgen, Klöster,<br />

Kirchen und Kapellen Württembergs und Hohenzollerns,<br />

18 ) 1861 und 1894 in zwei Büchern von Ludwig Egler. 19 )<br />

Dieser schreibt in der Vorrede zu seiner „Mythologie, Sage<br />

und Geschichte der Hohenzoliernschen Lande", bei der Herausgabe<br />

seines ersten Buches (1861) habe ihn der Gedanke<br />

geleitet, „ganz besonders dasjenige festzustellen, welches in<br />

unserer fast ausschließlich von einer materiellen Richtung<br />

beherrschten Zeit nahe daran war, der Vergessenheit anheimzufallen."<br />

Er wünscht dem neuen Buch „bei allen,<br />

welche für Sage und Geschichte, <strong>Heimat</strong>h und Vaterland<br />

Interesse haben, eine wohlwollende Aufnahme" 20 ); seinem<br />

ersten Buch, das eine „ziemlich starke Auflage" gehabt hatte,<br />

war der Erfolg nicht versagt geblieben. 21 )<br />

Ohne poetische Bearbeitung glaubte Egler freilich nicht<br />

auskommen zu können. Während er im zweiten (prosaischen)<br />

Teil seiner „Mythologie" die „Sage vom Heiligkreuz" nach<br />

der Zimmerischen Chronik erzählt und den Text des Hinrichtungsbildes<br />

aus der Kapelle mitteilt, 22 ) bringt er im<br />

ersten (poetischen) Teil auf zehn Seiten eine gereimte Fassung,<br />

die sich stark von den bisher erwähnten Versionen<br />

unterscheidet: 23 ) Junker Berthoid, der in die schöne Adelhaide<br />

verliebt ist, ist wegen eines Nebenbuhlers bekümmert.<br />

Ein „Rothmantel" überredet Berthold schließlich zu dem<br />

Frevelschuß, damit er in einem Wettkampf dem Nebenbuhler<br />

nicht unterliege. Ein „Graubart" sucht ihn von der Untat<br />

abzuhalten, vergeblich allerdings: Berthold schießt.<br />

„Bestürzt schaut er das Wunder; welch schauerlich Geschick!<br />

Starr auf die offne Seite geheftet ist sein Blick.<br />

Ihm däucht, als ob das Bildniß die Augen aufgethan,<br />

Als schaute es ihn schmerzlich und voller Wehmut an.<br />

Er sucht sich abzuwenden vom Bilde, will entflieh'n,<br />

Doch nimmer ist es möglich; die Erde fesselt ihn.<br />

Erfüllt von Todesgrausen, er da zusammenbricht; —<br />

Ihm ward für seinen Frevel ein furchtbar Strafgericht." 24 )<br />

Adelhaide aber geht als Nonne ins nahe Kloster Gnadental;


:(54 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

„Sie ist gehüllt in Trauertuch,<br />

Daß niemals im Entschluß sie fehle:<br />

Zu beten für des Jünglings Seele,<br />

Den furchtbar traf des Kreuzes Fluch." 25 )<br />

Diese Dichtung ist aufs stärkste abhängig von der Sagenfassung,<br />

die Ottmar F. H. Schönhuth ein Jahr zuvor veröffentlicht<br />

hatte; 26 ) auch hier spielen drei Personen die<br />

Hauptrolle: der Knappe Kuno von Baldegg, der die „minnigliche<br />

Bertha", die Grafentochter, liebt, welche ihrerseits Zuneigung<br />

für den Knappen Wolfhard von Schramberg emptindet;<br />

dazu kommen wieder der Rotmantel, der Kuno die höllische<br />

Kunst lehrt, und das Männlein, das ihn von der Untat<br />

abhalten will. Gelähmt, aber reuig und durch Beichte und<br />

Kommunion erquickt, stirbt Kuno.<br />

Otto Borst hat in seiner Biographie des „Historikers, Germanisten,<br />

Volksschriftstellers, Pfarrers" Schönhuth darauf<br />

hingewiesen, daß „reinliche, einläßliche Forscherarbeit...<br />

diese vielen Seiten freilich nicht" begleite. „Vieles ist zeitgenössische,<br />

eigene oder der Mitarbeiter Zutat, die dem<br />

ganzen Werk, trotz seines so statistischen Titels, eine eigentümlich<br />

poetische Aura verleiht. .. " 27 ) In der Tat spielen in<br />

den erwähnten alten Sagenfassungen Liebe und Eifersucht<br />

als Motive für die Freveltat keine Rolle; es fehlen die sentimentalen<br />

und psychologisierenden Züge.<br />

Dieses poetische und romantische Beiwerk war freilich bei<br />

der noch vor Schönhuths und Eglers Veröffentlichungen erschienenen<br />

Bearbeitung durch W. Binder (1845) noch wesentlich<br />

stärker in den Vordergrund getreten: auf 24 Seiten hatte<br />

Binder die Sage vom „höllischen Schuß" neu erzählt. 28 ) Der<br />

erste Teil der Geschichte entspricht den späteren Bearbeitungen<br />

von Schönhuth und Egler, nur die Namen sind anders.<br />

Der zweite Teil jedoch schildert abenteuerliche Entwicklungen.<br />

Nachdem Wilhelm den dritten Schuß getan hat,<br />

ist er „wie gelähmt" und begibt sich im Fieberfrost heim.<br />

Ein gutes Männlein warnt ihn vor der Teilnahme am Wettkampf<br />

des nächsten Tages. Aber Wilhelm hört nicht darauf;<br />

er schießt und — trifft die geliebte Bertha. Er wird ins<br />

Gefängnis geworfen, wo ihn der Rotmantel besucht und sagt,<br />

ein Kuß rette die scheintote Bertha. Im dritten Teil der Erzählung<br />

wird Wilhelm vom Rotmantel befreit, tötet einen<br />

Wächter, holt Bertha; eine Fackel, am Ewigen Licht entzündet,<br />

setzt die Burgkapelle in Brand. Wilhelm flieht, wird<br />

verfolgt und stürzt in einen Abgrund. Der Titelstahlstich<br />

des Buches zeigt diese Szene am Abgrund: man sieht den<br />

Grafen mit dem gezückten Schwert und die gerettete Bertha,<br />

während der Rotmantel Wilhelm in die Tiefe zieht. Bertha<br />

geht ins Kloster Gnadental und betet für Wilhelm, während<br />

am Todesort des Unglücklichen die Gedächtniskapelle Mariazell<br />

errichtet wird.<br />

Daß solche ausführlichen poetischen Bearbeitungen dann<br />

schließlich wieder zu kurzen „Volkssagen" werden konnten,<br />

sieht man an der Fassung, die Rudolf Kapff in seinen<br />

„Schwäbischen Sagen" mitteilt: Em Edelknabe läßt sich um<br />

drei Schüsse auf ein Kruzifix vom „grünen Jäger" die bisher<br />

vergeblich umworbene Zollerngräfin versprechen; aber der<br />

der dritte Schuß dringt in sein eigenes Herz. 28 )<br />

ANMERKUNGEN:<br />

1) Heinrich Günter-: Psychologie der Legende. Studien zu einer wissenschaftlichen<br />

Heiligen-Geschichte. Freiburg i. Br. 1949, S. 229 f.<br />

2) Anton Birlinger: Aus Schwaben. I. Band: Sagen, Legenden, Volksaberglauben.<br />

Wiesbaden 1874, S. 77 (Nr. 95. Quelle: mündlich).<br />

:)) Ebd. S. 82 (Nr. 100). Gleich erging es dem Schweden, der in Wald<br />

ein Marienbild durchgeschossen hatte. Vgl. Ludwig Egler: Mythologie,<br />

Sage und Geschichte der Hohenzollernschen Lande. Sigmaringen<br />

1894, S. 100 f.<br />

•) Ernst Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben.<br />

I. Theil Stuttgart 1852, S. 291 (Nr. 326. Quelle: mündlich).<br />

Darnach auch in Rudolf Kapff: Schwäbische Sagen (Deutscher<br />

Sagenschatz, hg. von Paul Zaunert). Jena 1926, S. 115.<br />

Birlinger bringt aus mündlicher Tradition eine Erzählung zu den<br />

drei Kreuzen zwischen Altshausen und Fridberg: Ein „Gottesleugner<br />

und Wilderer" sank zur Strafe für einen Schuß auf das<br />

Kruzifix in den Boden und konnte erst durch eine Prozession<br />

erlöst werden. Birlinger: Aus Schwaben I, S. 305 (Nr. 343).<br />

Ii)) Jacoby: Kruzifix. In: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,<br />

hg. von Hanns Bächtold-Stäubi und Eduard Hoffmann-<br />

Krayer. Berlin und Leipzig 1927—1942, Bd. V, Sp. 638. (= HDA).<br />

Vgl. auch Basler: schießen, Schuß. In: HDA VII, Sp. 1063.<br />

11) „Nach drei alten Druckblättern im Privatbesitz in Altshausen".<br />

Birlinger/Buck: Volksthüml. aus Schwaben I, S. 424 f. (Nr. 649).<br />

12) Zimmerische Chronik. Zweite Auflage, hg. v. Karl August Barack.<br />

I. Band, Freiburg i. Br. und Tübingen 1881, S. 450—452.<br />

13) In den „Kunstdenkmälern des Kreises Hechingen" (Die Kunstdenkmäler<br />

Hohenzollerns, hg. v. Walter Genzmer. I. Band: Kreis<br />

Hechingen. Bearb. v. Friedrich Hossfeld und Hans Vogel. Hechingen<br />

1939) ist S. 182 angegeben, Franz Joseph Vogel aus Hechingen<br />

habe 1729 ein Bild mit dem „höllischen Schuß" gemalt; S. 184<br />

heißt es, das hier beschriebene Bild sei bezeichnet: „F. F. 1729".<br />

Diese Inschrift kann ich nicht finden, lese andererseits die Jahreszahl<br />

1670 als Zeitpunkt einer Renovierung. Der stilistische<br />

Charakter schließt m. E. eine frühere Entstehung des Bildes (bei<br />

späterer Uebermalung) nicht aus. Bildmaße: h. = 107, br. = 69<br />

cm. Bild- und Textbeschreibung vgl. auch: Kunstdenkmäler des<br />

Kreises Hechingen, S. 183 f.<br />

H) in einer mündlich weitererzählten Version, die Ernst Meier aus<br />

Hechingen aufgezeichnet hat, versinkt der Schütze sofort in den<br />

Boden (E. Meier: Deutsche Sagen I, S. 290 f. = Nr. 325). Auf dem<br />

Hinrichtungsbild (s. u.) scheint der Delinquent in den Boden<br />

eingesunken zu sein, wobei durchaus die Möglichkeit besteht, daß<br />

das Bild die mißverstandene Kopie eines älteren Ist, denn der<br />

Text berichtet nichts davon, daß der Diener eingesunken wäre.<br />

15) Maße: h. = 145, br. = 87 cm. Kunstdenkmäler des Kreises Hechingen,<br />

S. 184. Vgl. hier auch die Abb. 318—321 (u. a. auch eine<br />

Wiedergabe des Hinrichtungsbildes).<br />

i'O Im Besitz der Württembergischen Landesstelle für Volkskunde,<br />

Stuttgart, Eugenstraße 3. Der Bericht ist undatiert, dürfte aber<br />

etwa vom Jahre 1860 stammen, da mitgeteilt wird, der „junge<br />

Dichter Louis Egler dahier", ein „strebsamer Gewerbsmann",<br />

plane die Herausgabe einer Sammlung hohenzollerischer Sagen.<br />

Eglers Sagensammlungen erschienen 1861 und 1894. 1894 war Egler<br />

nicht mehr „jung" — der Bericht muß also im Jahre 1861 oder<br />

vorher verfaßt sein. Da er vor allem Mitteilungen über die<br />

Mundart enthält, dürfte er zu jenen Berichten gehören, zu denen<br />

Adelbert von Keller bei seinen Vorarbeiten zum „Schwäbischen<br />

Wörterbuch" aufgerufen hatte. (Vgl. dazu Martin Walker: Adelbert<br />

von Keller, in: Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung<br />

in Württemberg — Festschrift für Helmut Dölker —.<br />

Volksleben V. Tübingen 1964, S. 80—95, bes. S. 91—95). Aus dem<br />

Bericht erfährt man, die Lithographie sei ca. 12—14 Jahre vorher<br />

angefertigt worden. Blattgi-öße: h. = 32,9, br. = 21,1 cm. Bildgröße:<br />

h. = 12,9, br. = 17,3 cm. Text: „Um die Jahrzahl Christi<br />

1930 . . . einsetzen lassen. Anno 1731." Ohne nähere Druckangaben.<br />

17) w. Binder: Schwäbische Volkssagen, Geschichten und Mährchen.<br />

Stuttgart 1845.<br />

i«) Ottmar F. H. Schönhuth. Die Burgen, Klöster, Kirchen und Ka<br />

pellen Württembergs und der Preußisch-Hohenzollern'schen Landestheile<br />

mit ihren Geschichten, Sagen und Mährchen. Unter<br />

Mitwirkung vaterländischer Schriftsteller . . III. Bd. Stuttgart 1860.<br />

i») Ludwig Egler: Aus der Vorzeit Hohenzollerns, Sagen und Erzählungen.<br />

Sigmaringen 1861. — Ders.: Mythologie, Sage und Geschichte<br />

der Hohenzollernschen Lande. Sigmaringen 1894. — In<br />

dem in Anm. 16 dieses Aufsatzes genannten handschriftlichen<br />

Bericht liest man, eine Bearbeitung der Sage durch L. Egler „in<br />

schwäbischem Dialekt" befinde sich in Firmenichs Germaniens<br />

Völkerstimmen Ich kann sie dort nicht finden.<br />

20) Egler: Mythologie, Sage und Geschichte der Hohenzollernschen<br />

Lande, S. II (Vorrede).<br />

21) Ebd. S. I.<br />

22) Ebd. S. 202—206. Bei der Beschreibung des Bildes mit dem höllischen<br />

Schuß" ist er nicht sonderlich genau. Er liest beispielsweise:<br />

„Christ. Müller, Hohenstattr. renov." statt: „Christ Miller / fürstl.<br />

Hohen / zoller stall / meister / Renouiert / 1670."<br />

23) Ebd. S. 64—73.<br />

24) Ebd. S. 69.<br />

25) Ebd. S. 71.<br />

2i») Schönhuth: Die Burgen, Klöster, Kirchen und Kapellen usw. III,<br />

S. 43—48: „Der Schuß in das Christusbild".<br />

27) Otto Borst: Ottmar F. H. Schönhuth. Historiker, Germanist,<br />

Volksschriftsteller, Pfarrer. 1806—1864. (In: Lebensbilder aus Schwaben<br />

und Franken, hg. von Max Miller und Robert Uhland. 7. Bd.<br />

der Schwäbischen Lebensbilder, Stuttgart 1960, S. 214—251), S. 223.<br />

2«) Binder: Schwäbische Volkssagen, Geschichten und Mährenen,<br />

S. 1—24.<br />

2») Kapf: Schwäbische Sagen, S. 115 (Quellenangabe: Nach P. Eith<br />

und J. A. Geiger, <strong>Heimat</strong>freund. Ebingen o. J., S. 48).


.lahrgang 1 965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 55<br />

Die Grabungen im „Alten Schloß" bei Gammertingen 1964-1965<br />

Die in den Jahren 1963 und 1964 begonnenen Arbeiten an<br />

der Burgruine „Altes Schloß" bei Gammertingen, wurden<br />

auch in diesem Jahr, in der Zeit vom 26. 7. bis 2. 8. 1965<br />

fortgesetzt. Wie bereits in den vergangenen Jahren stand die<br />

Grabung unter Leitung von Dr. Gerhard Wein, Tübingen und<br />

Georg Bodin, Gammertingen. Sie wurde in Zusammenarbeit<br />

mit dem Landesamt für Denkmalspflege und der Stadtverwaltung<br />

Gammertingen durchgeführt.<br />

Das im Jahre 1964 teilweise freigelegte „Steinhaus" im<br />

Nord-West-Teil der Anlage, das größte Gebäude der ehemaligen<br />

Burg, wurde vollends freigelegt und die bis zu 4<br />

m hohen Mauern restauriert. Im Gegensatz zu der Grabung<br />

im Jahre 1963 wurde 1964 und bei der diesjährigen Grabung<br />

eine 30—80 cm starke Brandschicht freigelegt, in der noch<br />

Reste von verkohlten Balken zu finden waren. Ein Zeichen<br />

dafür, daß die Burg einst abgebrannt ist. Die eingehende<br />

Untersuchung dieser Brandschicht nahm 1964 und 1965 die<br />

meiste Zeit in Anspruch.<br />

Folgende F'unde wurden 1964 in dieser Schicht oder unmittelbar<br />

darüber gemacht:<br />

1. Scherben von Keramiken, an denen ein hohes Wellenmuster<br />

klar erkennbar ist. Die Art des verwendeten Materials<br />

macht eine Datierung verhältnismäßig einfach. Die<br />

Scherben stammen aus dem 11. bis Mitte des 12. Jahrhunderts.<br />

Da bis auf eine einzige Ausnahme, über die<br />

noch zu sprechen ist, nur o. a. Scherben gefunden wurden,<br />

ist mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen,<br />

daß die Burg spätestens im 11. Jahrhundert entstand<br />

und bis Mitte des 12. Jahrhunderts zerstört worden<br />

ist.<br />

2. Schachfiguren (Bauern).<br />

Eine Figur ist kegelförmig glatt, die andere ebenfalls<br />

kegelförmig, jedoch mit senkrecht verlaufenden Rillen.<br />

3. 4 runde, aus Hirschhorn gefertigte Steine eines bisher unbekannten<br />

Brettspieles. Die ca. 0,5 cm hohen und 3 cm<br />

großen Steine zeigen im einzelnen auf der Oberseite folgende<br />

Tierdarstellungen.<br />

2 Steine einen stilisierten Adler (ähnlich der Adler-Darstellung<br />

aus der Völkerwanderungszeit),<br />

1 Stein ein Raubtier, wahrscheinlich Wolf oder Schakal,<br />

1 Stein eine Vogeldarstellung, der im Schnabel ein fast<br />

aufgerolltes Pergament trägt.<br />

4. Ein runder, im Durchmesser ca. 5 cm betragender Spielstein,<br />

der beidseitig geschnitzt ist. Eine Seite zeigt 2 in-<br />

Vor 50 Jahren — Kleinigkeiten<br />

Während im benachbarten Burladingen die Industrie am<br />

Ende des 19. Jahrhunderts Fuß faßte, ist damals ein ähnlicher<br />

Versuch in Ringingen mißglückt. Erst 1923 wurde<br />

dann eine Filiale von dort als Trikotnäherei in der ehemaligen<br />

„Sonne" eingerichtet. Bis dahin nähten manche Frauen<br />

und Mädchen für Tailfingen. Manche gingen zum Nähen nach<br />

Burladingen, so auch meine Schwester eine Zeitlang zur<br />

Firma Blau am Bahnhof, nachdem sie auch einmal kurz in<br />

Jungingen im Dienst gewesen war. Ueberhaupt gab es damals<br />

noch ziemlich viele Ehehalten, also Knechte und Mägde,<br />

letztere besonders aus Salmendingen, Melchingen und Stetten<br />

u. H. Fabrikarbeit wurde von den Bauern nicht besonders<br />

hoch geschätzt und man rümpfte die Nase über „diese Fabrikler".<br />

Wie sich das seitdem änderte!<br />

Maschinen gab es zum Grasmähen mit Pferdeantrieb, zum<br />

Futterschneiden mit mühseligem Handantrieb, zum Fruchtsäubern<br />

und Dreschen, Göpel bzw. Dampfdreschmaschinen.<br />

Letztere kamen von Hausen i. Kill, und Weiler Haid (Dorn).<br />

Die Burschen verdienten nebenher einiges durch Wegmachen,<br />

im Winter durch Holzhauerei, andere daheim durch „Zwikken"<br />

von Bletzschuhen nach Jungingen bzw. Stetten b. Hech.<br />

Hier arbeiteten z. B. Brotasius Faigle und Josef Dietmann,<br />

die einmal unbemerkt mit einem Kleinbahnkarren auf den<br />

Schienen das Killertal hinabfuhren. Einige Einwohner trieben<br />

Handel mit Holz und Getreide, besonders mit dem gut<br />

gedeihenden Haber und Korn (Dinkel). Weizen baute man<br />

erst nach cTem ersten Weltkrieg zaghaft an. Grasen an den<br />

Rainen und Waldwegen oder Unkrautausreißen in den Äckern<br />

zum Füttern des Viehes war an der Tagesordnung. Wieviel<br />

schleiften die Frauen auf dem Kopf oder Rücken heim!<br />

Sammeln von Leseholz in den Wäldern selbst durch Kinder<br />

galt als selbstverständlich. Einzelne suchten Heilkräuter (z. B.<br />

Amann), andere fertigten Unterstöcke und ganze Peitschen<br />

einander verschlungene Flügeldrachen (germanisches Motiv).<br />

Die andere zeigt einen Löwen. Der äußere Rand; des<br />

Steines besteht aus einer zwischen 2 Ringen geführten<br />

„Zick-Zack"-Schnitzerei. Dieser Stein ist stellenweise stark<br />

abgegriffen.<br />

5. Eine Armbrust-Bolzenspitze.<br />

Bei der Grabung 1965 wurden im einzelnen folgende Teile<br />

freigelegt bzw. nachstehende Funde gemacht:<br />

1. Im Westteil der südlichen Mauer des Steinhauses wurden<br />

ca. 2,5 m voneinanderliegende 1,5 m hohe und 0,7 m<br />

breite Schießscharten freigelegt. Die Scharten, einstmals<br />

für Armbrustschützen gedacht, sind durch ein Gewölbe<br />

abgedeckt, nach außen verjüngen sie sich stark. Eine<br />

Schießscharte war vollkommen erhalten, die andere war<br />

teilweise zerstört, konnte jedoch durch Restaurierung in<br />

den ursprünglichen Zustand versetzt werden.<br />

2. Eine Schachfigur, ein Bauer in der bereits bekannten Art.<br />

3. Ein Spielstein in der Größe der unter 1964/3 erwähnten<br />

Art. Die Darstellung auf der Oberseite besteht aus ineinander<br />

greifenden Ringen.<br />

4. Scherben (nahezu komplett) eines blauen Glasgefäßes.<br />

Dieses hauchdünne Glas trägt auf der Außenseite Verzierungen<br />

aus weißem Glasguß.<br />

5. Zwei kleine Hufeisen.<br />

6. Ein Messer.<br />

7. 2 Wetzsteine aus Sandstein.<br />

8. Teile eines Hirschgeweihs mit Arbeitsspuren (vielleicht<br />

das Rohmaterial für die Schachfiguren?).<br />

9. Drei bronzene Beschläge eines Pferdegeschirres.<br />

10. Eine Anhäufung von Scherben, die im Material in der<br />

bekannten, unter 1964/1 erwähnten Art sind. Das Muster<br />

besteht jedoch aus einfachen, übereinander liegenden eingeritzten<br />

Strichen.<br />

Die Arbeiten werden im Oktober und November 1965 durch<br />

Mitglieder des <strong>Heimat</strong>vereins Gammertingen unter Leitung<br />

von Georg Bodin fortgesetzt. Es ist geplant, an der Außenseite<br />

der Südmauer des Steinhauses nach Westen weiter vorzugehen.<br />

PS.; Die in Heft 1964/3 erwähnte Münze wurde von mir<br />

falsch gedeutet. Eine genaue Bestimmung erfolgte 1964 durch<br />

Herrn und Frau Dr. Hätz, Hamburg. Es handelt sich um eine<br />

Ostfriesische Nachprägung einer Lüneburger Münze Herzog<br />

Bernhard I (973—1011). Sie wurde um das Jahr 1000 wahrscheinlich<br />

in Jever/Ostfriedsland geprägt. Bodin.<br />

aus dem Alltag eines Albdorfes<br />

(„Goisla") aus Eschenholz, was besonders nach dem ersten<br />

Weltkrieg in Schwung kam. Mit „Lauchela" (Schnittlauch),<br />

die es in Talwies massenhaft wild gibt, verdiente sich die<br />

Maiermarie einige Groschen. Waldbeeren wie Hegen (Hagebutten),<br />

Braobeeren (Brombeeren), Heintela, Aibbera (Himund<br />

Erdbeeren) sammelte man eifrig, an Pilzen nur Maura<br />

(Speisemorcheln), die man im Schmalzpfändle briet. Der<br />

„Postie", der alte Rosenwirt Neser und Vater Emele stellten<br />

aus „säle" (Salweiden) Holz „Koleffel" (Kochlöffel) her. Der<br />

Freudemann und andere machten kunstvolle Habergeschirre<br />

Der Jochem von Haus 109 beim Mosten um 1938.


:(56 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

zur Getreidemahd, Seagessenwarbe, Rechen, Gabeln, Schaufelstiele<br />

usw., deren Hauptkontingent freilich aus Burladingen<br />

kam. Die Wagner hatten Arbeit mit Rädern, Leiterwägen,<br />

Holzpflügen (Schar und „Seach" aus Eisen), auch<br />

Ackerwalzen aus Holz samt Egden. Auch die zwei Schmiede<br />

hatten genug zu tun, dazu die Schuhmacher und der Flaschner<br />

(Klempner) und der Küfer. Letzterer unterhielt ein fahrbare<br />

„Moste", eine Mühle mit Messern und Mahlsteinen und<br />

die Handpresse. War das immer ein Fest für die Kinder,<br />

wenn ein Nachbar mostete und sie natürlich den süßen Saft<br />

probieren durften, mochte er noch so kalt sein.<br />

„Klai-Sooma" holte man gewöhnlich im Unterland, da auf<br />

unserer Höhe die Hösle schlecht reif wurden. Eines Tages um<br />

1917 fuhr ich mit meinem Dette zu diesem Zwecke nach<br />

Rangendingen, von wo wir nach Hirrlingen ins Württembergische<br />

hinüberpilgerten. Da ich die Pennälermütze trug,<br />

fragten mich dortige Neugierige, ob ich „Lährer" werden<br />

wolle, was ich jedoch nicht verstand. Ein „Lährer" ist bei<br />

uns einer, der z. B. das Güllenfaß leert, im Gegensatz ium<br />

Lehrer, der Weisheit lehrt. Vor der Fahrt hatte mein Begleiter<br />

gewissenhaft den „Ballmeeter" (Barometer) studiert,<br />

ob das Wetter auch halte. Mohnsamen nannte man „Oelmaga"<br />

(mhd. mage = Mohn), einen notorischen Trinker dagegen<br />

einen „Saumagen". Das Tuch wurde mit dem „Ehlmeaß" gemessen,<br />

das freilich gelegentlich auch als Zuchtmittel für<br />

Unbotmäßigkeit von uns Lausern dienen mußte. Am Schluß<br />

des „Engel des Herrn" abends, dessen Glockenzeichen die<br />

Vorfahren „Auve-Märga-Leita" genannt, betete man immer<br />

noch auch für die „Arme Saila".<br />

Vor vielen Häusern fand sich ein Ruhebänklein für den<br />

Feierabend. Heute kennt man beides nicht oder kaum mehr!<br />

Noch sehe ich unsern Nachbarn, den alten Riescherbeck, der<br />

nicht mehr arbeiten konnte, dort sitzen und uns Kindern<br />

erzählen: Im Burladinger Weg sei ihm einmal spätabends<br />

ein „Geist" erschienen, der ihm schon von ferne drohend<br />

zugewinkt habe. Schreck sei ihm in die Glieder gefahren, daß<br />

er stockte und sich nicht mehr weiter wagte. Als der „Geist"<br />

jedoch sich nicht von seinem Platze am Straßengraben bewegte,<br />

habe er ein Herz gefaßt und sei langsam und vorsichtig,<br />

den Spazierstock fest in der Faust, weitergeschlichen.<br />

Beim Näherkommen entpuppte sich das Ungeheuer als große<br />

Distel, deren Kopf immer im Winde hin- und herschwankte.<br />

Voll Zorn und Erleichterung habe er ihn drauf<br />

mit dem „Steirsteacka" zusammengehauen mit den Worten:<br />

„So Du vrschreckst neamer mai!"<br />

Auf manchen Dächern, besonders auf der Scheuer vom<br />

Melchervetter, sah man noch alte, ganz glatte graufarbige<br />

Dachplatten aus Zement von der hiesigen längst abgegangenen<br />

Ziegelhütte. An sie erinnert noch ein Flurname<br />

An Viesels Ställchen-Türe war ein uraltes hilzernes Schloß<br />

angebracht, das nur ein riesiger seitlicher Holzschlüssel mit<br />

drei Bärten öffnete. Letztere hoben je einen Sperrbolzen,<br />

so daß man den Holzriegel zurückschieben konnte.<br />

Auch andere Dinge in meiner Ahne Haus, das als letztes<br />

noch bis 1904 ein Strohdach getragen, konnte damals Interesse<br />

wecken. Da war eine altertümlich dunkel getäferte<br />

Stube mit Eckschrank, die Ofenwand mit farbigen Tönplättchen<br />

von 1788, uralte hilzene Krippenfiguren in Gold und<br />

Farben gefaßt, Heargle (Heiligenbildchen) und andere farbige<br />

Bildle aus Seidenfäden auf Papier gewoben und ein<br />

kleines Webstühle, mit dem nan „Schuuzbendel" von 1 cm<br />

Breite weben konnte. Von einer feststellbaren Rolle liefen<br />

etwa 8—10 Fäden zur Webwand vor, die Hälfte hier durch<br />

kleine Löcher, die andere in senkrechten Schlitzen, durch die<br />

man sie auf und ab bewegen konnte, während jedesmal das<br />

Schiffchen mit dem davon ablaufenden Faden quer durch<br />

die 10 Fäden durchgeschlagen wurde. Das Stühlchen kam<br />

später durch mich ins <strong>Heimat</strong>museum auf den Zoller, wie<br />

auch die „Gooskräga" genannten altertümlichen Ringlenuster<br />

oder Männerrosenkränze. Ob sie alle dort den neuerlichen<br />

„preußischen Museumssturm" (eine bisher totgeschwiegene<br />

Kulturschande ersten Ranges) überlebten, oder in<br />

Hechingen auf einem Schutthaufen landeten, ist mir nicht<br />

bekannt.<br />

Als mein Neffe zur Welt gekommen war, durfte sein<br />

4j ähriger Vetter Gabriel zusammen mit der Mutter beim<br />

„Weisen" (Beschenken) den Kleinen bewundern. Nach Säuglingsart<br />

lag das Kind friedlich schlummernd im Bettchen,<br />

hielt aber die Hände zu Fäusten geballt neben dem Kopf.<br />

Das muß den „Streiter Gabriel" irgendwie herausgefordert<br />

haben. Plötzlich sagte er: „Dea bann i no!" (Bannen sagen<br />

die Ringinger statt überwältigen!) Es gab ein allgemeines<br />

Gelächter, das den kleinen Christian zum Glück jedoch nicht<br />

weckte. Aehnlich erzählt man von einem Knirps, der in<br />

seinem kleinen neugeborenen Brüderlein einen Nebenbuhler<br />

fürchtete, er habe zum Vater gesagt: „Vatter, wenn goht<br />

dear do wieder?"<br />

Da die alten Pflüge sehr lang waren, brauchte man einen<br />

Treiber oder „Menebueben". Wegen der vielen Steine mußte<br />

der Pflüger die „Goitzaklingel" fest in der Hand behalten,<br />

während der Fuß oft eine zu entlaufen suchende Maus erlegte.<br />

Das „Umscheiben" auf der Anwand war und ist nur<br />

möglich durch das gegenseitige Tretrecht auf den Nachbargrundstücken.<br />

Hilfsbereit halfen die Nachbarn und Dorfgenossen beim<br />

Hausbau, besonders nach einem Brandunglück, auch schon<br />

Kinder beim Blatten-Strecken, in einer Reihe übereinander<br />

auf der Leiter sitzend. Wie da dann das Vesper mundete!<br />

Das vordere Kappeldach bestand damals noch in altertümlicher<br />

Weise aus ineinander gemauerten Hohlziegeln „Münch<br />

und Nonnen".<br />

Wir Buben verschmähten weder Schlehen noch „Buebenägele"<br />

(Weißdornfrüchte), Fluigadreck (schwarze Beeren des<br />

wolligen Schneeball), Habermarken, „Hega", junges Buchenlaub,<br />

Holderbeeren, Distelköpfe (Silberdistel), Saurefezen,<br />

Sauerklee und wilde Stachelbeeren. Neben Aepfeln<br />

und Birnen wurden auch rote Johannisbeeren nebst gekauften<br />

Zibeben zu Most verarbeitet. Vor gegorenem Johannisbeerwein<br />

freilich war besondere Vorsicht geboten, er stieg<br />

einem „seile" in den Kopf.<br />

Meine Schwester kochte einmal Beeren ein, ließ sie aber<br />

zu lange auf dem Feuer schmoren. Sie war nämlich als leidenschaftliche<br />

Leserin gerade an einer spannenden Geschichte.<br />

Das Eingemachte aber war in einen solchen Zustand<br />

geraten, daß wir es nur als „Wagenschmiere" bezeichneten<br />

und die Künstlerin ihr Produkt fast ganz selber aufessen<br />

mußte. Als die Mutter sie beim Schmalzrühren erwischte, wie<br />

sie gerade naschte, mußte die Arrne zur Strafe davon essen,<br />

bis sie den Aberwillen bekam. Besonders fein ist das sog.<br />

„Hegamark", Marmelade aus Hagebutten, deren haarige Kernen<br />

von den Buben als „Juckpurvel" benutzt wurden.<br />

Auf Mariä Himmelfahrt richteten alle Kinder, wie noch<br />

jetzt, kunstvolle Weihsangen (vgl. Hanfsang) aus Kräutern<br />

des Gartens und Feldes, überhöht von einer prächtigen Königskerze,<br />

auf Palmsonntag „einen Palmen" aus Schluchten<br />

der Weidenkätzchen und einem Zweiglein dürren Eichenlaubes,<br />

aus dem ein Kreuzlein aus Haselnußholz hervorragte.<br />

Im Herbst interessierten wir Buben uns für die Obstbäume.<br />

In Dettes und Ahnes Garten gab es allerlei zu naschen, wenn<br />

auch nicht von feinster Sorte in unserer Höhe von 800 m.<br />

Schon im 16. Jahrhundert werden bei den Lehenhöfen auch<br />

„Bomgärten" erwähnt. Luiken, Postanzer, Saueräpfel, dazu<br />

Schweizer-, Wasser-, Butterbirnen und Geißhirtle kannten<br />

wir sehr wohl, um nur einige zu nennen. Unser Wasserbirnbaum<br />

im Hälschlochgarten, also weit vom Haus, war bei den<br />

dortigen Kindern immer in Gefahr! Dazu liebten wir Haberpflummen,<br />

Zipperen, Griechelen. An den Feldwegen sah man<br />

viele Ebereschen, deren rotglühende Beeren für die Vögel<br />

ein Leckerbissen waren. Bei uns galten sie irrig als giftig.<br />

Auf dem Friedhof pflegten manche aus solchen Beeren allerlei<br />

religiöse Figuren auf die Gräber zu zaubern. Die Holderbüsche<br />

lieferten ein gesundes, aber etwas fades Gsälz, die<br />

Syringen (Flieder) am pfarrlichen Lustgarten das Holz bzw.<br />

die Rinde für Pfeifen und Hupen. Zur Bereitung dieser<br />

kannten wir beim Klopfen der Ruten ein „Zauberwort". Es<br />

hieß: „Glatt dura, glatt dura, oder i reiß dir d'Wada ra."<br />

Die Rinde eines frischen Eschenbengels ergab, zusammengedreht<br />

und mit einem großen Dorn befestigt, ein Waldhorn,<br />

in das man eine Hupe steckte, deren Ton mächtig und tief<br />

durch die Gassen klang. Die Früchte der Kirschbäume an den<br />

Wegen freilich bestanden fast nur aus Haut und Steinen,<br />

waren aber doch sehr begehrt, ja selbst das fade Baumharz<br />

dieser Stämme wurde nicht verschmäht. Einzelne Walnußbäume<br />

fanden sich im Ort. Der meines Freundes Josef Emele<br />

(Haus 106) wurde von uns oft heimgesucht, mochte auch die<br />

noch äußere grüne Nußschale unsere Hände noch so gelb<br />

färben. Nur die angerösteten Früchte konnte ich nicht ausstehen.<br />

Haselnüsse suchte man damals besonders an den<br />

Salmendinger Bühlen und beim „Piiß" auf Burladinger Feld,<br />

da die in der Nähe des Dorfes meist schon vor dem Reifen<br />

weggeholt wurden.<br />

Handwerksburschen oder „Fechter" nannten wir die täglichen<br />

Bettler oder Landstreicher, die fast abwechselnd mit<br />

Zigeunern alle Häuser abklopften. Sie hatten längst nichts<br />

mehr mit Handwerk und noch weniger mit Säbelfechterei<br />

alter Zeit zu tun. Vielmehr hatte „feachta" die Bedeutung<br />

betteln angenommen.<br />

In der Ernte klang morgens und abends das Dengeln der<br />

Segessen durch die Gassen. Eiserne Rechen kannte man nicht.<br />

Der große Fruchtrechen hieß „Hansel". Außer den verschiedenen<br />

Klee-Arten pflanzte man auch Esper, dessen Körner


.lahrgang 1965 H O H E N Z O M - E R I S C H B HEIMAT 57<br />

Klemens und Barbele (Haus 107) am Dangelstock.<br />

man gemeinsam in der Scheuer mit den Fingern abstreifte.<br />

Esparsette gab eine gute Bienenweide. Der alte Freudernann<br />

hatte seine Imen noch in Strohkörben. Dagegen fabrii'erten<br />

wir Buben aus „Loi(m)" einen „Imenbinker", d. h. ein Kästchen<br />

mit Flugloch und oben einer Glasscheibe zum Hineinsehen,<br />

in dem wir Bienen einsperren wollten in der Hoffnung,<br />

sie würden uns Honig liefern. Doch das war vergebliche<br />

Mühe. Wir konnten nicht ahnen, daß in dem Wort der<br />

uralte Bien-Kar oder Bienenkasten verborgen sei. Da waren<br />

die Waben der Humselernester am Wiesenrain zum Schlekken<br />

schon ergiebiger, auch die brummenden Gesellen weit<br />

ungefährlicher als die Imen und als die weitaus gefährlicheren<br />

„Weafzga", deren Nester man nur mit größter Vorsicht<br />

zerstören konnte.<br />

Es wurde viel Mühe auf das Mähen des Getreides mit<br />

dem Habergeschirr verwendet, damit nichts verloren ginge.<br />

Hude! und Sichel wurden nicht benutzt; ersteres war hier<br />

unbekannt. Scharen von Aehrenlesern aus dem Killertal und<br />

Burladingen bevölkerten den Kornösch, die oft mächtige<br />

Stumpen zusammenbrachten. Eine Lägel mit Wasser, d. h.<br />

ein Holzfäßlein mit 6—8 Liter Inhalt, hing egelmäßig am<br />

Heu- und Erntewagen, damit man den schlimmsten Durst<br />

löschen konnte. Mit nassem Gras suchte man das Fäßlein<br />

kühl zu halten. Oben auf der Lägel war ein Röhrlein zum<br />

Trinken angebracht. Milch nahm man gewöhnlich in doppeltem<br />

Zwieselhafen mit, dazu oft Gesälz- oder Butterbrot oder<br />

Brot und Speck. Eine große Flasche Bier kostete damals<br />

20 Pfennig. Im Herbst pflegte man das Vieh vielfach auf<br />

die entlegenen Wiesen des Heufeldes zu treiben. Einmal sind<br />

dabei unsere beiden starken Zugochsen mit wilder Lust<br />

durch das Dickicht der Thaddeußen-Kultur gestürmt, daß mir<br />

als Hirten angst und bange wurde. Das Unkraut der Aecker<br />

wurde unreif ausgerupft und verfüttert. Senfsamen bot freilich<br />

Gelegenheit, daraus Oel schlagen zu lassen. Man trennte<br />

die schwarzen Körnlein vom Getreide, indem man sie über<br />

einen schräg gestellten Tisch rinnen ließ. Im Herbst kam der<br />

Sattler auf die Stör in die Häuser zur Arbeit, für die Kinder<br />

immer eine Sensation, wenn sie sich beim Schuhmacher,<br />

Schreiner, Schmied oder sonst müde geguckt hatten. Zu den<br />

Rettichen des Krautlandes gab es ausnahmsweise auch einmal<br />

eine gekaufte Gukummer (Gurke). Die Jungen kennen<br />

heute nicht einmal mehr den uralten Namen!<br />

Merkwürdigerweise trug man damals allgemein, bei uns<br />

wenigstens, rechts und links genau die gleichen Schuhe, die<br />

also nicht m.Ji dem Fuß gearbeitet waren. Zur Schonung der<br />

Absätze wechselte man daher oft. Die Schuhbändel bestanden<br />

meist aus Lederriemen. Halbschuhe sah man im Dorfe<br />

kaum außerhalb des Hauses. Schuster und Sattler nähten<br />

rtilt Pechdraht, den sie mit vorgesetzter Sauborste eigenhändig<br />

drehten. Ein Metalldraht dagegen hat wie die<br />

Schreibfeder den Namen nur in übertragenem Sinne. Zum<br />

Schreibzeug gehörte noch die Streusandbüchse, die jedoch<br />

bald vom Löschblatt abgelöst wurde. Einen Mantel kannten<br />

die Ringinger Kinder nicht, auch die Großen trugen nur selten<br />

einen. Erst als ich 1916 ans Gymnasium kam, erhielt ich<br />

eine warme Pelerine, deren Kapuze größte Freude bereitete,<br />

später aber abmontiert wurde.<br />

Als Wundsalbe diente meist Schweineschmalz, als Zugsalbe<br />

bei Mateere und Aissen aber kannten die Ringinger seit<br />

Generationen das braune, wohlriechende, harzähnliche „Laiwangersälble"<br />

in Holzbüchslein, welche die „Duradei" und<br />

ihr Karle aus Sachsen bezogen. Angesehen waren Kamillenund<br />

Pfefferi-iinzt.ee. Einige alte Frauen konnten für das<br />

Grimmen oder die Warzen tun, selbst beim Vieh. An Ostern<br />

ließ die Jugend am Nähberg und Hälschloch Eier „ruselen",<br />

steckte sie auch gelegentlich in einen Klammerhaufen, wo sie<br />

dunkel gefärbt wurden. Als Eierfarbe dienten sonst Kaffeesatz,<br />

Zwiebelschalen oder Farben vom Krämer. Kleinkinder<br />

sagten statt Er „Gackaale". Als Knirps von 2—3 Jahren entdeckte<br />

ich in der Trippelkammer ein Körbchen mit Eiern.<br />

Da standen aber auch die hohen Rohrstiefel unseres Knechtes<br />

Michel. Ich weiß nicht, was für ein Teufel mich da reizte:<br />

Ich pfefferte ohne viel Federlesen die Eier in die Stiefel, in<br />

denen bald ein kleiner See stand. Dann verkündete ich<br />

triumphierend in der Küche: „Aelle Gack sind hi!" Mutter<br />

und Schwestern waren baff und wußten nicht, sollen sie<br />

lachen oder weinen, so entwaffnet waren sie. Dann wurde<br />

versucht, das noch Brauchbare herauszufischen. Vermutlich<br />

hat das knisternde Geräusch der brechenden Schale mir so<br />

gefallen gehabt, wie im Frühwinter oder Frühling das Zertreten<br />

der dünnen Eisdecke auf den Straßenpfützen, die es<br />

vor Teerung der Gassen ja reichlich gab, oder das Bersten<br />

der Fensterscheiben am alten Krutzehaus, als wir im Uebermut<br />

mit einem Tremel probierten, wieviel sie aushalten<br />

könnten.<br />

Als Bub hatte ich vor den zahlreichen Gänsen im Ort<br />

einen Mordsrespekt, nachdem sie mich einmal noch als<br />

Rockträger zischend und pfusgend verfolgt und am Kleid<br />

gezerrt gehabt. Seitdem machte ich um sie einen großen Bogen,<br />

bis der Bruder mich auslachte: „Du dummer Kerle, sei<br />

doch nicht so Oifältig! Guck, so muesch macha!" Dab • packte<br />

er eines der frechsten angriffslustigen Viecher am Kragen,<br />

schwenkte es im Ring herum und ließ es in die schnatternde<br />

Schar hineinplumpsen, daß sie erschreckt auseinanderstob.<br />

So habe ich es dann herzhaft auch gemacht, d. h. die schlauen<br />

Tiere kamen schon gar nicht mehr so nahe heran, wenn man<br />

keine Furcht zeigte! In der Zwischenzeit sind die Gänse und<br />

Enten ziemlich ausgegangen im Ort. Damals waren gute Federn<br />

für die Betten teuer, und das Geld war rar. Das<br />

„Brupfen" der Gänse war für uns Kinder immer eine Sensation.<br />

Aehnlich sagten wir statt hüpfen stets „bhupfa".<br />

Gelegentlich schwebte in großer Höhe und majestätischer<br />

Ruhe ein Freiballon über unsere Gemarkung weg, von jung<br />

und alt gebührend angestaunt.<br />

Furchtbar erschrak ich eines Abends, als olötzlich, während<br />

wir beim traulichen Schein der Erdöl-Lampe uns unterhielten,<br />

vor dem Fenster ein sog. „Daodavogel" Kiwittkiwitt<br />

schrie. „Jetz stirbt jabber, des hoißt jo „Komm mit!"<br />

meinte unsere Vittorbäs, was jedoch von. der Mutter als Aberglauben<br />

zurückgewiesen wurde. Tatsächlich geschah nichts,<br />

sondern der Lichtschein hatte offenbar den Vogel angelockt.<br />

Wenn wir im Dunkeln des Kellers oder abends auf<br />

der finsteren Bühne ohne Licht einen Brotlaib holen sollten<br />

und Zeichen von Furcht erkennen ließen, pflegte die Mutter<br />

zu sagen: „Wea firchst denn? Da Butza i dr Nas? Nimm dei<br />

Schnupftuech und schneitz, noch brauchst koe Angst mai<br />

hao!" Andere Kinder dagegen waren oft wegen Kleinigkeiten<br />

vergeistert.<br />

In der Werkstatt unten setzte gewöhnlich die Mutter eine<br />

Gluckhenne zum Brüten auf Eier. War das eine Freude,<br />

wenn die Kücken ausschlüpften und schon laufen konnten!<br />

Nun war Vorsicht geboten vor der sonst so nützlichen Katze.<br />

Manchmal mußte man den Hühnern den ,. Pfiffes" nehmen,<br />

d. h. ein hartes Häutiein an der Zungenspitze, welches das<br />

Futternehmen verhinderte. Zum Schluß bekam die Operierte<br />

einen Schmalzbrocken in den aufgesperrten Schnabel. Ein<br />

Eierdötschle gabs gewöhnlich am Namenstag, sonst regelmäßig<br />

auf Ostern weiche Eier.<br />

Die Rekruten fuhren zum „Spielen" (d. h. Musterung!)<br />

auf dem Leiterwagen nach Gammertingen. Bei der Rückkehr<br />

hatten die Tauglichen ihre Hüte mit bunten Kunstblumen<br />

und Federn geschmückt. Singend zogen sie ins Dorf ein und<br />

wurden gebührend bewundert. Der dann bald folgende Krieg<br />

1914 freilich ließ die Begeisterung umschlagen in religiösen<br />

Ernst zum Sakramentenempfang und zu Kriegsandachten.<br />

Vom Schirmeck im Elsaß kam alsbald die erste Trauerbotschaft<br />

. . .<br />

Die Verlobungsfeier in der Wirtschaft nannte man noch<br />

1929 „Bräutlauf" (Brauttanz). Beim Einzug der Braut mit<br />

ihrer Aussteuer * Wirde mit Schnüren und Seilen „fürgespannt",<br />

bis die beiden sich mit einem kleinen Geldbetrag<br />

loskauften. Im Elsaß taten dies kürzlich auch die Ministranten<br />

nach der Trauung an der Kirchentür! Der Dreitänzer<br />

führt die Braut zur Kirche und nachher zum ersten Tanz.<br />

Mit buntpapierenen Bändeln geschmückte Tännlein flankierten<br />

Haus- und Wirtschaftstüren, wo sich auch immer einige<br />

Zuckerweiber mit hochwillkommenen Süßigkeiten (Brötle,<br />

Bärendreck etc.) zum Verkauf Anfanden. Den Abend beschloß<br />

beim Heimgeleit das wehmütige Lied: „Tut man ins<br />

Leben seinen ersten Schritt, bringt man als Kind schon eine<br />

Träne mit .." Fortsetzung folgt


38 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T J ihrgc 1965<br />

55. S c h ö n b e r g. Dies war ehem. ein Hofgut, nordwärts<br />

von des Pfaffengarten, auch „Schan - und Schönharter<br />

G u t" genannt. Am 13. 9. 1403 wurde dieses Gut von dem<br />

Grafen Friedrich von Zollern, Herr zu Schalksburg<br />

und Müli genannt, dem Kitter Voltz von Weitingen<br />

zu Mannlehen gegeben. Als Mannlehen bezeichnete man ein<br />

„rechtes" Lehen, das nur ein Ritter erwerben konnte. Zu<br />

dem Schönharter Gut gehörte auch der „Seiler Ho f", den<br />

damals „waither der Seiler", Dieterli der Seiler und haintz<br />

der feser bauten; dazu eines, das damals hans Gislin, der<br />

Schuler genannt und ein drittes, das Hans brisli baute. Die<br />

genannten Personen waren Weilheimer und ihre Nachfahren<br />

Saile (Seiler) und Schuler leben dort noch heute. Der „Sellerhof"<br />

wurde 1348 „S e 1 h o f" genannt; das sei ist verkürztes<br />

Seide, womit man eine Viertelshufe verstand. In demselben<br />

Jahr wurde der Hof an das Kloster Stetten um 17 Pfund<br />

Pfennig verkauft. (Das Pfund hatte damals schon seinen Gewichtsbegriff<br />

verloren; es war nur noch ein Zahlbegriff. Aus<br />

dem karolingischen Pfund wurden im 13. Jahrhundert 240<br />

Silberdenare geprägt; ein Denar war gleich 12 Solidi und ein<br />

Solidus 30—80 Pfennig. Nehmen wir bei dem wechselnden<br />

Wert des Pfennigs nur dessen Mittelwert an, so ergeben die<br />

genannten 17 Pfund Pfennig folgendes Bild: 240 mal 17 mal<br />

12 mal 50 = 2 448 000 Pfennig = 24 480 Mark.<br />

56. Der Schwertacker im Branderweg. Der Ausdruck<br />

bezieht sich auf ein Einzelgrundstück; dies ist m. E.<br />

die Anwandel an der Gabelung von Brander- und Dufelweg.<br />

Namegebend war die Ackerform oder die dort wachsenden<br />

Schwertlilien nach den schwertförmigen Blättern.<br />

57. Schweiz. So wird ulkig das Unterdorf genannt. Der<br />

Ulk bezog sich auf einen früheren Bewohner in diesem Dorfteil,<br />

den Michael Beck, den Pfätzermichel, der seine<br />

Jugend in der Schweiz verbrachte und viel davon erzählte.<br />

58. S t o a g 1 e, mhd. S t e i g 1 e wird ein steiler Abstieg in<br />

Hengelbrunnen genannt. Der Hengelbrunnen ist am Hang<br />

des Durrenberges (siehe Ziffer 24). „Stoagle" ist nicht<br />

nur Verkleinerungsform von Stieg = Stoag, sondern hat<br />

auch die damit im Zusammenhang stehende Lautbrechungsform,<br />

wie in heiß-hoaß, Bein-Boa, Fleisch-Floasch, Stein-<br />

Stoa, heim-hoam, <strong>Heimat</strong>-Hoamat usw. — Von „s t i g"<br />

kommt das dialektische „Stic h" = abschüssig, gäh oder<br />

jäh. Gaeh ist mhd. gaehe von gah = schnell und davon der<br />

Ortsname Gasein. Der Flurname „Stich" kommt in Grosselfingen<br />

zweimal vor und bezeichnet den letzten Aufstieg am<br />

Weg nach Bisingen, der infolge seiner Steilheit beim Bau<br />

der Straße nach Bisingen im Jahr 1847 durch Serpentine<br />

(Schlangenwege) umgangen wurde und den steilen Weg am<br />

Ende des Reuterweges gegen Owingen. Wenn das Wort<br />

„Stich" nicht wie Stiege-Steige gebrochen wurde, so lag dies<br />

darin, daß ihm keine Silbe mit assimilierendem „a" folgte<br />

wie in Biß, Riß.<br />

59. S10 a z - bzw. Steins- auch Steigswäldle am nördlichen<br />

Abhang des „L ö c h 1 e" bzw. „Erlen hinter dem<br />

B e r g". Das Grundwort bezeichnet ein Wäldle, das zur Zeit<br />

der Namengebung noch vorhanden war. Nach „Erlen hinter<br />

dem Berg" kommt man über den Fahrweg am „K a 1 k -<br />

o f e n" oder den steilen Fußweg über das „L ö c h 1 e", die<br />

Löchlesebene, heute Allmende und den steilen Fußpfad an<br />

V-iele jüngere Kräfte mußten hier erst lernen. So ergaben<br />

sich oft Versuche und Aenderungen, die jene Frische vermissen<br />

lassen, die der erfreuliche Ausdruck fertiger Künstler<br />

an der St. Mauruskapelle bleibt. Noch so minutiöser Schuldi-ill<br />

allein vermag das Gefühl nie zu ergänzen, wohl aber<br />

die Bedeutung des Kunstwerks zu mindern.<br />

Die Entwürfe von Lenz, die mit seiner zunehmenden Erfahrung<br />

immer strenger und kompositionell geschlossenener<br />

wurden, werden von den Schülern getreulich ins Große umund<br />

nachgebildet, so gut es ein jeder erkraftete. Doch, jene<br />

sich federnde Elastizität der Linie, die geradezu ideal im<br />

Benediktusfries der Mauruskapelle sich offenbart, können<br />

diese Schüler zu St. Gabriel den Kompositionen nicht mehr<br />

Eigenes zulegen. Es bleibt wohl die überwältigende Linienidee<br />

ihres Urhebers und der architektonische Bau der Komposition<br />

bestehen, aber es ist ein Vortrag ohne jene Gefühlszugabe,<br />

die aller Kunst erst die lebensspendende Beseelung<br />

zuträgt. . .<br />

Grosselfinger Flurnamen<br />

von Josef Strobel<br />

Der Malermönch<br />

von Kunstmaler Hermann Anton B a n 11 e t<br />

(veröffentlicht von Martha Schneider-Schwärtzel)<br />

Fortsetzung<br />

dem vorgenannten Wäldle vorbei. Da dort der Abgang und<br />

damit auch der Fußweg sehr steil sind, konnte man ihn nur<br />

gehen, wenn man sich mit den Stiefelabsätzen gegen den<br />

Abhang stemmte, wobei in den Pfad treppenartige Stufen<br />

eingehauen wurden. Die etymologische Entwicklung des Namens<br />

„S t o a z w ä 1 d 1 e" dürfte folgende sein: aus stigan<br />

wurde stige, daraus durch Lautbrechung Steige und Stoag,<br />

in der Verkleinerungsform Stoagle und in Bezug auf das<br />

anliegende Wäldchen „Stoagswäldle" und daraus durch Assimilation<br />

„S t o a z w ä 1 d 1 e". Wenn der Schreiber der Besitzbücher<br />

von 1730 und 1760 Steins- oder sogar Stoinswäldle<br />

geschrieben hat, so kannte er weder die etymologischen Vorgänge<br />

noch den Grosselfinger Dialekt. In Grosselfingen heißt<br />

der Stein S t o a, niemals S t o i.<br />

60. „Der Stelzenacker" wird auf dem. Atzenbol ein<br />

einzelner Acker genannt, von dem etwa 4 bis 5 Furchen in<br />

die am Kopfende angrenzende andere Ackerlänge hineinreichen.<br />

Diese sonderbare Flurgestaltung rührt offenbar von<br />

einer Erbteilung her. Sonst sind Stelzen Hölzer oder<br />

Stangen, auf denen man im Spiel hochbeinig einhergehen<br />

kann. Dazu gehören auch der Stelzfuß und die Bachstelze.<br />

Auch der Storch hat Stelzbeine<br />

61. Stetzier nennt man ein Acker- und Wiesengelände<br />

im Hagenbacher Esch, östlich vom Hofstättie. Das Wort<br />

„S t e z 1 e r" kommt von dem dialektischen „Stozen" und<br />

dieses vom got. stautan, ahd. stozan, mhd. stoßen. Was aber<br />

gestoßen wird, kann ein Degen, ein Pfahl, ja selbst der Fuß<br />

oder der Arm sein. Hier ist „der S t o t z e n" ein Pfahl, der<br />

in die Erde gestoßen wird. Da dies wiederholt getan wurde,<br />

so handelt es sich um eine Reihe derartiger Stotzen, die<br />

dazu dienten, das Weidevieh von einer bebauten Flur abzuhalten.<br />

62. Stockbrunnen wird ein ganz kleines Gewann in<br />

der Nähe des Stetzlers genannt. Offenbar war dort eine<br />

Viehweide, in der ein Stock, das heißt ein ausgehöhlter<br />

Baumstamm in die Erde eingestoßen war, in dem dann das<br />

Grund- und Druckwasser aus der höheren Umgebung aufstieg<br />

und in einen Brunnentrog floß, damit das Vieh<br />

trinken konnte. Sonst wird als Stock auch ein Baumstumpf<br />

mitsamt den Wurzeln genannt. Stock wird auch eine Bienenwohnung<br />

genannt, die man nach dem Vorbild des Bienenbaues<br />

in einem ausgehöhlten Baumstamm, später aus einem<br />

ähnlichen Geflecht von Stroh oder Schaub herstellte (siehe<br />

Ziffer 51).<br />

63. S tong e. Mit diesem seltsamen Namen wird in den<br />

Besitzbüchern von 1544, 1730 und 1760 ein sehr fruchtbares<br />

Ackergelände über bzw. „uff dem Branderweg" bezeichnet.<br />

Da dieser Name in den genannten Büchern oft vorkommt,<br />

muß das Gelände für die Bauern jener Zeit sehr<br />

wichtig gewesen sein. Doch gehen über die Herkunft des<br />

Namens die Meinungen auseinander. Ich leite ihn aus der<br />

charakteristischen Entstehung und Eigenart des in Frage<br />

kommenden Geländes ab.<br />

Geht man auf dem Branderweg westlich, so stößt man<br />

schon nach etwa 500 Metern von der Abzweigung des Branderweges<br />

vom Dufelweg auf einen gut bonitierten flachen<br />

Hügel, der als Alluvialland anzusprechen ist.<br />

Fortsetzung und Schluß<br />

Von allen Heiligen sprach Pater Desiderius in devotester<br />

Verehrung, in Sonderheit von der Muttergottes. Sprach er<br />

von ihr, oder ging er daran, ihr Bild zu formen, wuirde er<br />

zartfühlendster Lyriker. Stets war ihren Darstellungen seine<br />

besondere Liebe zugetan. In allen Phasen seines Werdens<br />

wie seines Lebens tritt immer wieder das Problem hervor,<br />

die Mutter Gottes zu verherrlichen. Stets rein und keusch<br />

weiß er die Linie, die Form und Farbe zu halten, um ihrer<br />

Würde gerecht zu werden. Hat je ein Bildner mit mehr Beseelung<br />

und keuscherer Innigkeit ihre ewige Jungfräulichkeit<br />

typisiert? In seiner Jugend in München bildete er sie zum<br />

erstenmal in Plastik als Schmerzensmutter. Noch realistisch<br />

ist sein Marienloh. Je reiner er sich selbst und dem Genius<br />

hörig wird, umso entmaterialisierter schreibt er später ihr<br />

Bild in zartesten Entwürfen nieder. Als er in Tirols Bergeinsamkeit<br />

begnadet wird, entsteht als Frucht seiner bedeutungsvollen<br />

Wende und Ausreife ein Pietaentwurf, der so<br />

vollendet ist, daß, so oft er auch Jahrzehnte hindurch den-


Jahrgang 1965 HOHSEKZULXjERISCHJS HiiMAT 59<br />

selben immer wieder variiert, er nie mehr über ihn hinauskam.<br />

Schon damals 1865 hält er jenen Entwurf wie etwas Heiliges<br />

in Ehren. Wenn er zur sonntäglichen Messe hinunter<br />

nach Laas steigt, nimmt er die Mappe mit, in der diese<br />

Pieta ihn begleitet, und am Abend geht er wieder mit ihr in<br />

seine Berghütte. Er trug sein Lebenswerk wie ein Amulett<br />

mit sich.<br />

Nie konnte er diese Pieta vor die Menschen stellen. Alle<br />

Versuche dahin wurden von seinen Vorgesetzten abgewiesen.<br />

Endlich in Prag bei den Klosterfrauen kann er die Sehnsucht<br />

seines Lebens stillen. An der großen Rückwand der<br />

Klosterkirche findet er eine Fläche, der er sein Lebensgedicht<br />

überantworten kann, das er dreißig Jahre nur als Entwurf<br />

in sich trug.<br />

Frauen werden auch zu dieser Originalschöpfung Vermittler,<br />

wie sein Erstlingswerk bei Beuron durch eine Frau ermöglicht<br />

wird.<br />

Ueberlebensgroß ist diese Muttergottes in Farbe und: Linie<br />

gebildet. Sie ist ein Urbild und hat ihresgleichen nirgends! —<br />

Ein Symbol!<br />

Alle Natur ist in dieser Darstellung gelöst und nur ein<br />

geistig Gebilde geoffenbart. Für Menschen geschaffen, die<br />

frei sind von jeder Diesseitsbindung.<br />

„Ganz ägyptisch", ist der erste Eindruck. Aber schon setzt<br />

Reue ein. Ein verspürbarer Ewigkeitshauch weht von dieser<br />

Wand herab. Es fördert Achtung. Ein beispielloses Wissen<br />

ruht in ihm. Eine tiefe, ehrfurchtsvolle Frömmigkeit strahlt<br />

heraus, zieht in seinen Bann.<br />

Das ist keine Pieta mehr. „Regina Martyrum!" — steht<br />

dabei geschrieben. Ja, das ist eine KÖNIGIN!<br />

Man könnte die Komposition leichthin mit dem Zirkel in<br />

Dreiecke und Quadrate auflösen. In den Urgesetzen, die in<br />

der geschaffenen Natur so herrlich sich offenbaren, ist sie<br />

aufgebaut.<br />

Auf breitem Thronus sitzt die Königin und hat ihre Hände<br />

opfernd geöffnet vor dem Opfer, das ausgebreitet wie eine<br />

Patene über ihrem Schöße liegt. Eine hohe Opferwürde ist<br />

dieser Königin der Schmerzen eingehaucht. Nur ein starker<br />

Glaube konnte sie zeugen. Mehr als Mutter, die ihren toten<br />

Sohn auf dem Schöße hält (ER ist kleiner gestaltet als sie<br />

selbst) deutet diese mächtige Pieta. Sie ist Symbol der Heiligen<br />

Messe. Die beiden Engel sekundierend, beten staunend<br />

mit ihr. Schönster und reinster Opferhymnus klingt uns<br />

abgeklärt wie größte Selbstverständlichkeit entgegen. Nirgends<br />

sind Schattenpartien — im Heiligsten ist das Licht<br />

selbst lichtdurchleiuchtend. Ob dem Haupte der Muttergottes,<br />

das feierliche Ruhe ausdrückt, schwebt der Hl. Geist.<br />

Und ist nicht in der Mutter selbst Gott Vater symbolisiert?<br />

Reich wie die Melodik der Farben ist der Rhythmus<br />

der Linien.<br />

Tröstliche Lyrik spricht dieses Hohe Lied in den beiden<br />

Psalmen, die rechts und links der Komposition stehen.<br />

"iele verstehen es nicht, weil es so tief und erhaben ist.<br />

Die Kirche hat in der neublühenden benediktimschen Liturgie<br />

eine verheißungsvolle Wiedergeburt begrüßt, die uns<br />

den ewig jungen und doch so alten Kirchengesang wieder<br />

geben will, der nichts Erdverbundenes, wohl aber äternale<br />

Feierlichkeit in sich birgt. Soll diesem Rückbesinnen nicht<br />

auch der Künstler sich anschließen dürfen? Darf nicht auch<br />

die bildende Kunst, so sie dem Altare dient, wieder zur Nurfeierlichkeit<br />

der alten Kulturen zurückgreifen und versuchen,<br />

ob sie nicht im Einfachen, Uebersinnlichen allein wieder den<br />

Ausdruck des Göttlichen findet? Darf nicht der Schmerz der<br />

Mutter, der uns doch die Erlösung brachte, von dieser Erlösergnade<br />

überstrahlt, als Symbol gebildet werden?<br />

Nicht jeder muß alles verstehen. Wie viele Geheimnisse<br />

hält die Kirche, die nie verstanden werden! Auch die Kunst<br />

kann den Menschen i ; :ht alles in faßbare Nähe rücken. Der<br />

profanen Kunst mag dies eher möglich sein. Religiöse Kunst<br />

aber hat Hohes und Höchstes zu behandeln. Sie rückt damit<br />

in Sf :, ären, die ewig ihre ungelösten Reste behalten werden<br />

oder besser, an die wir immer bloß heranreichen, aber die<br />

wir nie durchdringen können. Versuche, diese Dinge zu ent-<br />

'leiern, müssen fehlschlagen, solche Entschleierungen töten<br />

Hohes und Heiliges!<br />

Einfach und einheitlich ist die Kirche in ihren Grundzügen.<br />

Gerade damit verbindet sie einen unvergleichlichen Ewigkeitshauch.<br />

E i Künstler, der gleiche Wege geht, hat das Gotteswerk<br />

pr Kirche auf Erden in einem der lichtesten Punkte erfaßt.<br />

Was viele Suchende dunkel erfühlen, hat Pater Desiderius<br />

in seiner Pieta schon gegeben. Freilich, für Gefühlsmenschen<br />

ist d iese Kunst, die sich schon von aller Materie befreit hat,<br />

nichts. Ist !s überhaupt Aufgabe der Kunst, mit Gefühlswerten<br />

allein zu wirken? Kann und darf es nicht auch eine<br />

Kunst geben, die da sie doch aus dem Paradiese stamme,<br />

eben nur paradiesische Mittel gebraucht, deren Motive weder<br />

Fleisch noch Blut, sondern nur Geist sind? Hat der Geistesmensch<br />

nicht Rechte, sich in dieser überirdischen Sphäre auszudrücken?<br />

— Haben wir die sinnliche Natur nicht ständig<br />

in und um uns? Dürfen wir nicht auch mit dem Uebersinnlichen<br />

umgehen, auf daß es uns in jene Gefilde führt, wo<br />

es keine Enttäuschung mehr geben kann? Kann man das<br />

Heilige überhaupt anders als symbolisch bilden?<br />

Wer tritt mit staubigen Schuhen, nassen und beschmutzten<br />

Kleidern in den Saal des Königs? Diese zöge er vorher aus<br />

und käme gereinigt vor den Thron. — Wer Seelenadel trägt,<br />

ist an die königlichen Gesetze verpflichtet. Nicht jeder kann<br />

die Sprache der Kunst verstehen. Doch wer einmal die reine<br />

Luft der Berge eingeatmet, ihre befreiende Wirkung in sich<br />

erspürt hat, wird immer wieder zu der Höhe der Reinheit gezogen,<br />

um dort stärkenden Lebensodem zu sammeln. Die<br />

Bergluft beschwert nicht. Sie scheint dem Menschen Flügel<br />

zui schenken.<br />

Das reife Kunstwerk von Pater Desiderius Lenz beschwert<br />

nicht, es befreit. —<br />

Von der traditionellen Kunstsprache weit entfernt, durfte<br />

er nicht auf viele Gönner rechnen.<br />

Sie wurde abgelehnt.<br />

Der Prager Kardinal ließ seine Schöpfung in St. Gabriel<br />

verhängen. Geisteswerke leben auch hinter Vorhängen. Sie<br />

reden laut, wenn ihre Stunde kommt.<br />

Gebilde, die ein geistig hochstehender Mensch ein Leben<br />

lang in sich wachsen läßt, ehe er sie der Öffentlichkeit übergibt,<br />

kann und darf man mit einem ersten Blick und zwei<br />

Worten nicht abweisen. Irgend wann haben sie etwas zu<br />

sagen. Das erste Kunstwerk, das nicht an die Mode gebunden<br />

ist, hat Zeit. Es kann auf seine Mission warten. So auch<br />

die Prager Pieta von Desiderius Lenz.<br />

Die Stadt Wien wollte eine Herz-Jesu-Kirche bauen. Sie<br />

schrieb einen Wettbewerb dafür aus. Pater Desiderius entwarf<br />

einen Plan. Nur außerhalb der Konkurrenz beteiligte<br />

er sich. Er wollte die Welt an sein architektonisches Talent<br />

erinnern. Der Plan begeisterte einzelne überschwenglich. Die<br />

Mehrzahl stieß er ab. Ein nicht verstehendes Echo!<br />

Ein junger Architekt fertigte unter Hilfe des Meisters<br />

später die maßgebendsten Details dieses einzigartigen Planes<br />

aus, so daß das Erbe als ein abgeschlossenes Werk uns überliefert<br />

bleibt. Vielleicht schreit dieser Kirchenplan einmal<br />

laut um seine Erfüllung. Sowie man die Mauruskapelle<br />

neben die modernste Eisenbetonarchitektur stellen könnte,<br />

ohne das Gesamtbild durch ihr Hinzukommen zu stören,<br />

ebensogut könnte dieser Entwurf, der für Wien gedacht war,<br />

in jede Umgebung modernster Architektonik eingefügt werden.<br />

Sogar in Betonausführung könnte man ihn sich verwirklicht<br />

denken.<br />

Im Geistesleben gilt die Zeit nichts, nur die Ideen. Sie<br />

allein haben ewiges Leben.<br />

Es war ein glücklicher Gedanke des verstorbenen Erzabtes<br />

Krug von Monte Cassino (ein Deutscher), Gelder zu sammeln,<br />

damit der große Benediktinerkünstler auch noch die<br />

Krypta von Monte Cassino, das Grabgewölbe des hl. Benedikt<br />

und seiner Schwester Scholastika ausschmücke. Der<br />

großzügige Auftrag war in seiner Ausführung in dauerhaftem<br />

Mosaik und Marmor gedacht. Kein italienischer Erzabt<br />

hätte je solchen Wunsch gehegt. Die Kunstsprache dieses<br />

Deutschen war ihnen wenig sympathisch.<br />

Das Vorhaben des klassinensischen Abtes, der in Amerika<br />

und in der ganzen Well oettelte, realisierte sich. Pater Desiderius<br />

kam mit seinen Schülern auf den Heiligen Berg. Die<br />

Krypta-AussJ.mückung wurde seine ausgedehnteste, größte<br />

und tinsterbliche Schöpfung. Sie wird die Maurusfresken<br />

überdauern, seine Kunst kommenden Geschlechtern noch<br />

künden.<br />

Der erfahrene Harfner greift tief ins Instrument und holt<br />

die letzten Möglichkeiten aus seiner Seele Grund. Dem ördensstifter<br />

und seinen Erstberufenen St. Marus und St. Plazidus<br />

gilt sein Loblied. Er nahm diese neue umfangreichste<br />

und ausgedehnt este Arbeit, die seinem Schöpfertum gestellt<br />

wurde, sehr ernst. „Ich bin jetzt 70 Jahre und such^ immer<br />

noch zu lernen", schrieb er von Monte Cassino am 31. Mai<br />

1902 an seinen Neffen Peter Lenz und will ihm damit Mut<br />

isprechen Ein Loblied in Mosaik klingt Jahrtausende.<br />

Nur Höchstberufenen wird das Glück zuteil, in dieser Jahrhunderttechnik<br />

ihre Kunst ferneren Zeiten zu übermitteln.<br />

Lenz war es beschieden.<br />

Anklänge an die musivischen Werke, die Italien in glänzender<br />

Fülle wie Größe im ravennatischen Gebiet, in Rom,<br />

und an anderen Orten hat, sind in diesem Werk vorhanden.<br />

Der technische Apparat erfordert immer ähnliche Handhabung.<br />

Hier liegt schon ein mehr dekorativer Sinn in den


:(60 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Ausdrucksmitteln vor. Auch die figürliche Darstellung darf<br />

das Dekorative nicht zu weit überschreiten. Erste Forderung<br />

ist strengste Eingliederung der Farbornamentik wie der Figurendarstellung<br />

an die Architektur. Die Wandfläche muß<br />

belebt, darf aber nie aufgehoben werden.<br />

Die Deckenmosaiken in der Krypta Soccorpo erinnern teils<br />

an die Galla Placidia-Kapelle zu Ravenna, teils an die<br />

römischen Deckenbehandlungen des 5.—8. christlichen Jahrhunderts,<br />

und doch sind sie nicht kopiert, sondern eigene<br />

Schöpfungen, voll persönlicher Prägung.<br />

Noch ehe das Chaos Europa überzog, wird die Soccorpo<br />

festlich eingeweiht und dem Gottesdienste wieder geöffnet.<br />

Der Meister hatte seine Aufgabe gelöst. Sie wird seinen<br />

Ruhm weiter tragen in seinem Werk.<br />

Vor seinem letzten wie größten Opus schweigen selbst die<br />

Gegner strenger Formen. Auch die Italiener bekennen sich<br />

zur Kryptaausschmückung in hohem Maße. Das Mosaik ist<br />

ihnen geläufig. Daran sind 1 sie gewöhnt. Daß diese Monumentalkunst<br />

herben Stil fordert, wissen sie, und daß die<br />

musivische Technik vieles mildert, auch. Der Romane, der<br />

von vornherein das Pathos mehr liebt als der Deutsche, sieht<br />

im Mosaik den stärkeren Ausdruck würdevoller Pracht.<br />

Diese Erfahrung hat er in zahlreichen alten kirchlichen<br />

Räumen gewonnen. Das Mosaik, selbst wenn es noch so<br />

schematisch zur Ausführung käme, bringt viele Zufälligkeiten<br />

in das Bild. Es mildert durch sich selbst allzu strenge<br />

Linien einer Komposition, weil die Steine und Gläser, aus<br />

welchen sich das Mosaik zusammensetzt, nie gleich intensiv<br />

wirken. Schon die Oberfläche ist nie gleichwertig eben. Es<br />

entstehen oft reizende Spiegelungen, die mit jeder Bewegung<br />

des Beschauers oder mit dem Wechsel des einfallenden Lichtes<br />

sich ändern und die Blickfläche beleben. Ueberreich ist<br />

diese Krypta mit der St. Maurus und St. Placiduskapelle<br />

dekoriert und in Gold strotzend. Das ist einzig die Kunst,<br />

die Würde ausdrückt, ein königliches Gepräge hat und das<br />

Hoheitsvolle in Kraft kündet. Im Mosaik drückt sich der<br />

Gesetzesgedanke des Benediktinerordens aus. Vornehmheit<br />

ruht in ihr und feierlicher Ernst. — Der Choial ist nie in<br />

Farbe eindringlicher übersetzt worden als durch Mosaikmalerei,<br />

wenn sie Stil hat, und ihr Gestalter die Liturgie<br />

der katholischen Kirche in Geist und Blut trägt.<br />

In der Krypta, deren Räume nur geringe Höhe haben,<br />

sind vor allem die Deckenfelder und die oberen Teile der<br />

Wandungen mit Mosaik geschmückt. Die unteren Wandpartien<br />

sind mit farbigem Marmor bekleidet, d :r aus zwei großen<br />

Relieffriesen besteht. Die großen Benediktiner der Anderthalb<br />

jahrtausende finden in dieser langen Prozession<br />

ihren Platz. Man hat auch in diese Plastik Milderungen der<br />

desiderianischen Strenge getragen, — das ist schade! Jene<br />

Reliefe aus früherer Zeit, die in der Torretta stehen, sind<br />

der Intention des Meisters näher gekommen.<br />

Der heilige Franziskus, der Poet, lag dem umbrischen<br />

Menschen und den Dichtern und Malern, die alle aus dem<br />

Zwiefalter Besitz<br />

A.<br />

1331 Dietrich von Liechtenstein bekennt durch Brief und<br />

Siegel, die Vogtei über die Mühle in W i c k e n t a 1 sei ihm<br />

vom Kloster Zwiefalten auf Lebenszeit verliehen. Mit ihm<br />

siegeln SWigger und Eberhard von Liechtenstein. (Sulger,<br />

Annales Zwif. 1698 S. 276.)<br />

B.<br />

15. Jh.: Zwiefalter Neuerung Wickental, Trochtelfingen und<br />

Harthausen b. Feldhausen (1468?).<br />

Wickental (am östl. Ortsrand von Mägerkingen!): Aus<br />

der Mühlstatt und Wiese samt Zubehör: 2 Pfund Hlr. Dazu<br />

gehören bei 2'/a Mm. Wiesen zu Wickental an der Mühlstatt.<br />

Item ein Holz, genannt Totenhalde, stoßt an Heinrichs Berg.<br />

Die Mühlstatt soll Lehen von uns sein. Hat ein Abt und<br />

Convent vor langen Zeiten hingegeOsn. Die 2 Pfd. Hlr. gibt<br />

Heinz Dachs zu Trochtelfingen. Das ander auch jüngst.<br />

Trochtelfingen : Die Brälin geben 2V2 Pfd. Hlr. und<br />

2 Schilling aus einem gemeinsamen Gut (NB Steinlehen), genannt<br />

Brälins Gut. Darin gehören 1 Garten, auf 8 Mm. Wiesen<br />

und uf 20 Juchert Acker in allen drei Eschen.<br />

Harthausen: Schimpf Hans gibt jahrs uf Martini 1<br />

Pfd. Hlr. us 1 Wies.<br />

C. 1537<br />

I. Hans Henis von Trochtelfingen hat den dritten Teil des<br />

Brüelins-Gut. Darin gehört 1 Vtl. Wies, 4 Vtl. Hanfgarten<br />

dabei in Wasserwiesen vor Veckentürlin (Rockentürlin?) über<br />

(gegenüber), einthalb an Felix Werdenberger, anderseits an<br />

Conzen Glarissen Wies, beide in berührt Gut gehörig, stoßt<br />

Volke kommen, näher als der Aristokrat St. Benedikt, den<br />

vor Pater Desiderius kaum ein paar Künstler bildend hervorragend<br />

dargestellt hatten.<br />

Allerdings, Franz kam beinahe 700 Jahre später in die<br />

Welt, als die Menschen seiner bedurften, da die Aristokratie<br />

mit hrer Macht Mißbrauch trieb, nichts destoweniger, die<br />

Aristokraten brauchen größere Distanz, längere Zeit, bis sie<br />

sich durchsetzen. Sie sind die Bergspitzen, die Firnen.<br />

Der Leichnam des Hl. Franz war kaum beigesetzt, als<br />

schon Poesie und Malerei die Gloriole um ihren Liebling<br />

breiteten. Er übte einen unerhörten Einfluß auf die bildenden<br />

Künste aus, weil er der künstlerische Mensch seiner Zeit<br />

war und der Kirche mächtiger denn je alle Künste zuführte.<br />

Monte Cassino liegt hoch.<br />

St. Benedikt entfloh der Niederung.<br />

Die Vornehmen des ersten christlichen Jahrtausend wohnten<br />

immer auf den Höhen. Von oben beherrscht man das<br />

Menschengeschlecht. Man ist dem Ewigen näher.<br />

Franziskus ging auf die Höhe, nur um zu beten, Dort<br />

brannte ihm Christus die Wundmale ein. Dann aber mußte<br />

er seine brennende Seele mitten in die Menschen hineintragen,<br />

sie Feuer von seinem Feuer zünden lassen. Er stieg<br />

in die Ebene des flutenden Lebens hinab. Sein Herz war<br />

übervoll. Er mußte es den Brüdern und Schwestern im Tal<br />

Maria von den Engeln zum Schöpfen reichen.<br />

Auch mit dem unvergleichlich reichhaltigen und durchaus<br />

erschöpfenden Bildkreis, den Pater Desiderius uns über seinen<br />

Ordensstifter geschenkt hat, ist uns St. Benedikt nicht<br />

näher gebracht worden. Jene überzeugende Bindung von der<br />

Bilddarstellung zum Volke, die in der Oberkirche in St.<br />

Francesco zu Assisi von der Giotoschule uns überliefert ist,<br />

lag nicht im Vermögen von Pater Desiderius. Zum Volke<br />

konnte er mit seiner Kunst den Weg nie finden.<br />

Das ist das Urbenediktinische an seiner Begabung<br />

und der letzte Grund, warum seine Kunst nie in<br />

die Breite des Volkes dringen konnte. Selbst im eigenen<br />

Orden findet sie nicht ungeteilten Widerhall. —<br />

Ein Germane war berufen. Eine außergewöhnliche Erscheinung!<br />

Ob die Söhne St. Benedikts vor neue Aufgaben gestellt<br />

werden müssen? Sollen sie ihren aristokratischen Geist<br />

kommenden Geschlechtern neu aufprägen? —<br />

Die Künstler der verschiedenen Töchterabteien Beurons<br />

gingen nach Beendigung der Arbeiten in Monte Cassino wieder<br />

in ihre Klöster zurück. Pater Desiderius Lenz nach Beuren.<br />

(Vgl. Hohenz. <strong>Heimat</strong> Jahrg. 1957 Seite 39.)<br />

Er war ein Einundachtzigjähriger geworden. Wie ein Patriarch<br />

sah er in seinem mächtigen weißen Barte aus. E r<br />

ist ein Patriarch! So reich läßt er die Spuren seines<br />

Geistes bei den Menschen, daß sie Jahrtausende Gültigkeit<br />

bewahren, Hunderte und Tausende befruchten.<br />

Ein Wunder bleibt es. Frisch und feurig wie am ersten<br />

Tage bewahrte der vierzehnhundertjährige Orden solche<br />

Begeisterung, wie der ßenediktussohn mit seinen Helfern<br />

den Ordensvater und seine Erstsöhne auf Monte Cassino<br />

glorifizierte!<br />

um Trochtelfingen<br />

herab ans Wasser. Mehr 2 Mm. ^A^iesen (jetzt Acker) uf dem<br />

Bühl vor dem Buch. Furchgenoß enthalb das Gerrieinmerk,<br />

anderthalb der Vischerin Lehen, trett uf Felix Werdenberger.<br />

Mehr 1 Mm. Wiesen in Sälen und hat Felix Werdenberger<br />

auch 1 Mm. dabei, sind nit getailt. Mehr 1 Mm. in<br />

Schopfenloch, einthalb an Ursula Benglerin, anderseits am<br />

Wald, stoßt uf des Staigers Wechselwies gegen dem Zypfel.<br />

Aecker im Esch bei Unser Lieben Frauen:<br />

1 Juchert vor dem Banholz, Furchgenoß Michel Kruß, anderseits<br />

Heinrich Fattlin, trett uf den Weg. 1 J. im Brand<br />

hinter sankt Martins Köbelin, Furchgenoß Felix Werdenberger,<br />

andererseits ist ein Anwander, stoßt uf Hans Staiger.<br />

Esch Kalenberg:<br />

1 J. hinter Kallenberg (!) zw. Heinz Seitz und dem Mesneracker,<br />

den Heinrich Vattlin (Fattlin) innehat, trett uf den<br />

Weg. 1'Ii J. auf Michel Bengs Rain, zwischen Conz Glaris<br />

und Felix Werdenberger, trett uf den Weg. 2 J. vor dem<br />

Glamper, zw. den Wiesen und Felix Werdenberger, trett uf<br />

Hans Bengern.<br />

Esch vor der Burg:<br />

2 J. im Bottental bei dem Stein zwisch. Ludwig Schnidt<br />

(Schnider? soll wohl Schmidt heißen), und dem Rain, trett<br />

if den Staiger. 1 J. hinter Stettberg zwisch. Felix Werdenberger<br />

u. Benz Feger, trett uf Conz Ciarissen. 2 J. uf ob<br />

Hungerbrunnen, zw. Conz Glaris u. Felix Werdenberger, tr.<br />

uf Conr. Mürlin. 1 J. ob Stumpach zw. Fei. Werdenberger u.<br />

Conz Glaris, trett uf Benedikt Krusen; Er geit darus 1 Pfund<br />

Heller.


.lahrgang 1965<br />

II. Conz Glans hat Vs von berühmtem Gut: 1 Vtl. Wiesen<br />

in Wasserwiesen vor Vocken-Tor unten herüber, zwisch.<br />

Gebhard Dräer und Hans Hemsen.<br />

Esch Kalenberg:<br />

3 J. Michel Bengs Rain zw. dem Rain u. Hans Henis, tr. uf<br />

d. gemeinen Weg.<br />

Esch an der Burg:<br />

1 J. vor Tettenloch zwischen Martin Sterk u. Hans Arnolt,<br />

tr. uf Melchior Bengern. 1 J. uf dem Ehenruns, zw. Conrad<br />

Mürlin und Hans Henis, trett uf Conrad Mürlin. 1 J. an<br />

Stumpen zwischen Hans Henis und den Wiesen, trett uf den<br />

gemeinen Weg. Er geit daraus 12 Schilling Hlr.<br />

III. Felix Werdenberger hat inne den übrigen Teil des<br />

Lehens: 1 Vtl. Wiesen und 4 Vtl. Hanf garten in Wasserwiesen<br />

vor Vockentürlin über, einerseits an Sant Jakobs Pfrend-<br />

Wiesen, anderseits Hans Henis, stoßt uf das Wasser. 2 Mm.<br />

Wiesen vor dem Buch (sind jetzt Aecker) zwischen der Vischerin<br />

Lehen und Jerg Gilg Saurer, anderseits der Weg,<br />

trett uf den Weg. 1 Mm. Wiesen hinter Sälen, ist gegen<br />

Hansen Henis nit getailt.<br />

Esch bei Unser Frowen:<br />

1 J. ob dem Talweg zwischen m. gnäd. Herren Graf Friedrich<br />

v. Fürstenberg), und Ludwig Schnidt (Schnidr? wohl<br />

„Schmidt"!), trett uf die Talwies, so Veit Krangier innehat.<br />

1 J. im Brand ob sant Martins Kobel, an Hans Henis, anderseits<br />

ist ein Anwander, trett uf den Weg.<br />

Esch Kalenberg:<br />

1 J. in Weechnis Tal an Melchior Benger u. Conz Glairs,<br />

anderseits Hans Henis, trett uf Hans Betzen. P/2 J. an Michel<br />

Bengs Rain, zwisch. Hans Henis u. gnäd. Herrschaft, trett<br />

uf den Weg.<br />

Esch an der Burg:<br />

2 J. vor dem Glannberg an Hans Henis, anderseits ists ein<br />

Anwander, tr. uf den Weg. 1 J. hinter Stettberg zw. Hans<br />

Zipfel u. Hans Henis, trett uf Conz Glairs. 1 J. ob dem<br />

Hungerbrunnen zw. Henis beiderseits, trett uf Conrad<br />

Mürlin. Ein Juchert an dem hinteren Stumpach zw. Hans<br />

Henis u. den Wiesen, trett uf Benedikt Krusen. Geit auch<br />

darus 1 Pfund Hlr.<br />

Actum in Beisein der Zeisleut, die ein yeder bekannt (hat),<br />

Josue Eglingers Vogt zu Trochtelflngen und Burkhart Fattlin<br />

daselbst des Gerichts, Anthonis Beck Pfarrers; dann Hans<br />

Ackers Schultheißen und Michel Schidlis (beide) zu Wilsingen,<br />

uf Zinstag post Quasimodo anno etc. XXXVII (= 10.<br />

April 1537).<br />

Dionysius Hipp von Megerkingen hat inne 3 Mannsmahd<br />

Wiesen aneinander zwischen Ulrich Geckeller, den langen<br />

Weg an der Wickengassen, mehr 1 Holz genannt Tottenhalde,<br />

stoßt an an Heinrichsberg. Geit darus 2 Pfd. Heller. Schimpf<br />

Hans von Harthausen geit us 1 Wies daselbst, st. an die obere<br />

Gasse u. an Martin Ungemuets Wiesen und a. Jousen Guldin<br />

u. Hans Steinhart. Geit darus 1 Pfd. Hlr. (Arch. Stuttgart<br />

H 236, Nr. 21.)<br />

D.<br />

Beschreibung vom 6. Mai 1672<br />

Das Steinlehen, das 1537 Hans Henis, Conz Glairs und<br />

T"elix Werdenberger innehatten, besitzen jetzt Jung Hans<br />

Betz, Maria Wallin als Witib des Martin Hüringer und Andreas<br />

Reiser.<br />

Erlaubnis zur Neubeschreibung gab Franz Ludwig v. Gall,<br />

fürstlicLfürstenberg. Rat und Obervogt zu Trochtelflngen;<br />

durchgeführt wurde sie von Herrn Bernhard Knüttelin, Amtmann<br />

des Klosters Zwiefalten.<br />

Abgaben jährlich an Fürstenberg: 8 Vtl. Vogthaber und 6<br />

Tage lang zwei Pferde zu unterhalten, an Zwiefalten als<br />

Eigentumsherrn: jährlich 1 fl. 44 kr. oder 2>/> Pfund 2 Schilling<br />

Heller Zins.<br />

(Wir setzen hier Hans Betz als dritten an die erste Stelle,<br />

den Reiser als den ersten aber an dritte Stelle, entsprechend<br />

der Beschreibung von 1537!)<br />

I.<br />

Jung lans Betz hat Vs des Steinlehens, gibt der Herrschaft<br />

3 Vtl. Vogthaber und an Zwiefalten 40 kr. Lehenzins aus:<br />

1 Vtl. Mannsmahd Wiesen, worauf dermalen die (Stadt-)<br />

Meuren stehen und nicht genutzt wird. 1 Garten hinter den<br />

Meur ti, zw. Andr. Reiser u. dem Pfründgarten, hinaus uf<br />

den Karrweg, herein uf gn. Herrschaft stoßend. 2 Mm. vor<br />

dem Buch, ist ein Acker, zw. Andr. Reiser u. den Bossenbühls<br />

Aeckern, hinauf uf den Acker des Forstknechts in<br />

Steinhilben, herein uf Herrschaft. 1 Mm, hinter Sailen zw.<br />

Andr. Reiser u. jung Jakob Schwenk, herein uf den Wald,<br />

hinab uf das Breininger Tal stoßend.<br />

Esch Unser Ib. Frauen:<br />

1 J. ob dem i'alweg zw. Herrschaft u. Christian Koller,<br />

hinauf uf Gg. Schneider, hinab uf die Talwies stoßen 1 J.<br />

im Brandt hinter st. Martins Köbelin (irrig: Käppelin!)<br />

HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 61<br />

zw. Andr. Reiser u. Hans Heinzelmann Mesner, anwandet<br />

hinus uf gn. Herrschaft, herein uf Joh. Schnützer.<br />

Esch Kallenberg: IV2 J. an Michelsberg Rain, zw. Andr.<br />

Reiser u. Herrschaft, hinab uf Theuß Koch, heruf uf d. gemeinen<br />

Weg.<br />

Esch Burg: 2 J. vor Glamberg zwisch.. Herrschaft u. Sebast.<br />

Eyselins Anwander, unten uf Herrschaft, oben uf d. weg<br />

stoßend. 1 J. hinter Stettberg, zw. Andr. Reiser u. Herrschaft,<br />

hinus uf Johann Alber, herein den Rain. 1 J. ob Hungerbrunnen<br />

oder Ehenrauns zwisch. Herrschaft u. Andr. Reiser,<br />

hinaus Jak. Betz, herien Joh. Alber. 1 J. hinter Stumpach<br />

zw. Andr. Reiser u. Martin Heinzelmann, hinuf uf Franz<br />

Alber, herein uf Sebast. Eyselin. Hat 1 J. im Megerkinger<br />

Tal im Esch Kallenberg gehabt, welcher 1628 mit Consens<br />

der Herrschaft verkauft, dafür 1 Juchert im Esch Burg ob<br />

dem Ehenrons in dies Lehen gegeben worden, dermalen aber<br />

nit gefunden worden.<br />

II.<br />

Maria Wallin, Witib d. Martin Hüringer, gibt 24 kr, und<br />

der Herrschaft 2 Vtl. Vogthaber aus: 1 Vtl. Wiesen hinter<br />

den Meuren, worauf dermalen die (Stadt-)Meuren stehen<br />

und nicht zu nießen ist. Esch Kallenberg: 3 J, uf Michelsbergen<br />

Rain, zw. Andr. Reiser u. dem Dürnental, stoßt hinus<br />

uf den Rain, herein uf die Straß. Esch Burg: 1 J. im<br />

Wolfstock zw. Herrschaft u. Matheus Braun, honab uf Mathis<br />

Koch, heruf uf Hans Wolfers sei. Erben.<br />

1 J. uf Ehrnrons zw. Johann Böhem u. Martinn Holders<br />

sei. Erben, hinus uf Jakob Betz, herein uf Johann Alber<br />

stoßend. 1 J. an Stumpach zw. dem Haidweg u. Andr. Reisers<br />

Lehenackers, hinus uf Franz Alber, herein uf d. Weg<br />

stoßen.<br />

III.<br />

Andreas Reiser gibt für V3 Lehen 40 Kreuzer an Zwief.<br />

und 3 Vtl. Vogthaber an die Herrsch. Fürstberg aus: 1 Vtl.<br />

Wiesen hinter den Meuren zw. Matth. Koch und Johann<br />

Seitz, oben uf Hans Heinzelmanns Garten, unten an die<br />

Herrschaftswies stoßend. 1 Garten hinter den Meuren an<br />

Hans Heinzelmann Mesner, andererseits jung Hans Betzen<br />

Lehengarten, stoßt oben an den Fahrweg, unten an Joh.<br />

Seitz. 1 Mannsmahd Wiesen unter Sälen zw. jung Jakob<br />

Schwenk, Mattheus und Johann die Böhmen, streckt hinus<br />

uf den Wald, unten ans Breininger Tal. 2 Mm. auf dem Bossenbühl,<br />

derzeit 1 Acker, zwischen dem Buch und Bossenbühl,<br />

stoßt hinuf uf den Acker des Forstmeisters von Steinhilben,<br />

herein uf die Herrschaftsäcker. 1 Mm. im Schopfenloch<br />

z. Herrschaftäckern und der Stattwies, str. hinus uf d.<br />

Wald, herein uf Georg Hanners Acker.<br />

Esch bei Unser Lb. Frauen:<br />

1 J. an dem Banholz zw. Inhaber und dem Weg zum<br />

Brandt, trett hinein uf Joh. Schnitzer, hinaus uf d. Herrschaft.<br />

1 J. im Kappelösch ob der Staig zw. Sebast. Eiselin<br />

und jung Jakob Schwenk, str. herein uf. den Weg.<br />

Esch Kallenberg:<br />

1 J. hinterm Kallenberg zw. Herrschaftsäckern u. Peter<br />

Meichlin, unten uf Gg. Hanner, oben uf die gemeine Gasse<br />

stoßend, l'/a J. uf Michelsbergs Rain zw. Martin Hüringers<br />

Wtw. u. jung Hans Betzen Lehenäcker, str. hinab uf Betzen<br />

Theiß, hinuf uf d. gemeine Straße.<br />

Esch Burg:<br />

1 J. im Hasental zwisch. Sebast. Eyselin und dem Ziegelberg,<br />

spitzt sich uf den Rain hinaus, herin uf Gg. Graminger<br />

stoßend. 1 J. hinter dem Stettberg z. Inhaber und jung Hans<br />

Betz, hinus uf Joh. Alber herein uf den Rain. 2 J. am Hungerbrunnnen<br />

zw. jung Hans Betz u, Mattheus Betz, herein<br />

uf Johann Alber, hinus uf Jakob Betz. 1. J. uf Stumpach zw.<br />

Martin Hüringers Wtw. u. jung Hans Betzen Lehen, herein<br />

uf die Straß, hinus uf Franz Alber. 2 J. vor dem Glamberg,<br />

zwischen Christian Koller und gnäd. Herrschaft, unten uf<br />

den Inhaber selbst, oben uf jung Hans Betzen stoßend.<br />

2 Exemplare ausgefertigt: 6. Mai 1672.<br />

Wickental, Mühlstatt und Wiese, soll dermalen Franz Alber<br />

zu Trochtelflngen inhaben und ist ein württbg. Lehen, ins<br />

Pfullinger Amt gehörig.<br />

(Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 14/15 Nr. 375. Neue Abschrift<br />

des 19. Jh. ebenda H 236 Nr. 82.) Joh. Adam Kraus.<br />

Barchent = dichter, auf einer Seite rauher Stoff.<br />

Barchet Tuchmaß, in Nürnberg 22 und in Ulm 24 Ellen.<br />

Fardel = Ulmer Tuchmaß = 45 Barchet.<br />

Rauchhuhn = rauhes, noch lebendiges und befiedertes Huhn,<br />

das der Hühnerhalter in manchen Gegenden dem Pfarrer<br />

als Zins brachte.<br />

Staupbesen = große Rute, mit der ein Verbrecher öffentlich<br />

gestäupt oder gezüchtigt wurde. Heute noch sagt man:<br />

Er wird ausgestäupt. w.


:(62 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Kleine Mitteilungen<br />

Bemerkungen zur Geologie des südlichsten Hohenzollerns<br />

Dieser Tage erschien eine Arbeit von Schmidle (Das geologische<br />

Landschaftsbild des südlichen Hohenzollern von Wilhelm<br />

Schmidle) Mincenmay in Hohenzollerische Jahreshefte<br />

(24. Band, 1964; Seite 297—318). Da nun aber in jüngster Zeit<br />

die geologische Karte des Blattes Stockach mit Erläuterungen<br />

von Ludwig Erb, Heinrich A. Haus und Erwin Rütte erschienen<br />

ist (Stuttgart 1961, Landesvermessungsamt Baden-<br />

Württemberg) so soll in dieser Zeitschrift doch auch auf diese<br />

Arbeit verwiesen werden. Diese Karte umfaßt die hohenzollerischen<br />

Orte Mindersdorf, Liggersdorf, Selgetsweiler, Deutwang,<br />

Kalkofen und Obemdorf mit Breitenerlen, Heggelbach,<br />

Höllsteig und Waldsteig. Die Karte wurde besonders hinsichtlich<br />

der Erdölforschungen in diesem Gebiet beschleunigt<br />

herausgegeben und enthält auch die Bohrergebnisse der<br />

Bohrungen von Billafingen (badisch) und Stockach (Nr. 2—8).<br />

Das geologisch interessanteste Gebiet ist die Gegend um<br />

Schloß Hohenfels in der Gemarkung Kalkofen. Hier sind<br />

alle tertiären (Miozän) Molasseschichten dieser Gegend auf<br />

kurzem Raum erschlossen und einzusehen. Angefangen von<br />

der Unteren Süßwassermolasse bei der Neumühle an der<br />

Straße Billafingen—Mahlspüren über die Sandschiefer der<br />

Meeresmolasse, worauf Schloß Hohenfels steht und den Bodmannsanden,<br />

Samtsanden der Kirchberger Schichten in der<br />

Eichhalde bei Hohenfels und den darüber liegenden höchsten<br />

Schichten der oberen Süßwassermolasse hinauf zum Rapenhof<br />

liegend ist also auf einem Profil alles erschlossen und in<br />

den Erläuterungen zeichnerisch gut dargestellt.<br />

Was die Gegend außerdem noch auszeichnet ist das Vorkommen<br />

der mindestens 400 000 Jahre alten Mindelschotter<br />

der Mindeleiszeit am Josenbühl und Guggenbühl, östlich von<br />

Kalkofen. Oestlich von Waldsteig sind noch ältere, wahrscheinlich<br />

der ältesten Eiszeit (Günz) zuzählende Schotter<br />

ermittelt worden, deren hohes Alter nicht nur durch die hohe<br />

Lage sondern auch durch Schotteranalysen ermittelt wurde.<br />

Daß der Rißeiszeitliche Schotter und die Grundmoränen dieser<br />

Zeit ebenfalls vorhanden und dargestellt sind, kann wohl<br />

erwähnt werden, wenn man auch weiß, daß dieser Riß-<br />

Rheingletscher mit einem Seitenast bis in die Gegend von<br />

Sigmaringen reichte und seine Ablagerungen auf dem Blatt<br />

Pfullendorf und Sigmaringen auf großen Flächen dargestellt<br />

sind. Die Jüngste Eiszeit (Würm) erreichte auf dem Blattgebiet<br />

in dem Raum um Selgetsweiler und Kalkofen seinen<br />

höchsten und weit vorgeschobenen Stand, denn dort sind<br />

die Endmoränen zwischen Deutwang, Kalkofen bis nach<br />

Selgetsweiler schön ausgebildet und ihre frische Formen in<br />

der Natur auch gut zu erkennen. In den Schotterfeldern, der<br />

zur Würmeiszeit zuzuordnenden Terrassenschotter um Liggersdorf<br />

beginnt die Ablach ihren Lauf, die sich mit der<br />

Würmeiszeit gebildet und entwickelt hat. Es versteht sich,<br />

daß die Bodenbildungen erst nach dieser Zeit einsetzen<br />

konnten, denn vorher wurde ja immer noch ab- und umgelagert.<br />

So ist unser heutiger Boden immerhin an die 20 000<br />

Jahre alt, die größten Teile sind jedoch etwas jünger.<br />

Bald wird das Blatt Engen im Hegau und darauf das Blatt<br />

Heiligenberg erscheinen und das Blatt Pfullendorf mit vielen<br />

hohenzollerischen Ortschaften dürfte im Rohkonzept fertig<br />

sein. W. F.<br />

Esch und Espan haben sprachlich nichts miteinander zu<br />

tun. Erstes hat kurzes, zweites aber langes E! Esch (oder<br />

irrig auch Oesch) entstand aus dem althochd. ezzisc (gotisch<br />

atisk) und bedeutet Saatfeld oder Feldflur und ist wahrscheinlich<br />

urverwandt mit dem lat. ador = Spelz, Vesen.<br />

Man unterscheidet nach der Bebauung: Winteresch, Sommeresch<br />

und Brachesch. Letzterer wird heute meist mit Klee,<br />

Kartoffeln und Rüben beflanzt, soweit er überhaupt noch unterschieden<br />

wird. Der Espan dagegen (auch Eßbann, Espen,<br />

Espach, Espen, A i s p e n, Aispele) bezeichnete einen Weideplatz<br />

in Nähe des Dorfes, auf dem jeder Gemeindeberechtigte<br />

sein Zugvieh weiden lassen durfte. Eine Ableitung von<br />

Esch und bannen ist wegen des langen, manchmal zu<br />

ai gewordenen E nicht möglich. Vielmehr liegt nach Schnetz<br />

das lateinische Wort e w a, e, (wie in ehehaft, Ehehalten)<br />

zugrunde, das soviel wie „Gesetz, gesetzliche Ordnung" bedeutet,<br />

also etwas, „worauf die Allgemeinheit ein Recht hat".<br />

Das Span dagegen bedeutet einen Platz, auf dem man die<br />

weidenden Haustiere „spannt e", d. h. die Vorderfüße<br />

locker fesselte, um sie am Fortlaufen zu hindern. Neulich<br />

sah ich noch ein solches Gespann in Furtwangen! Der<br />

Ausdruck kommt auch 1530 im Ringinger Fleckenbüchle vor,<br />

wo es heißt, auf Heufeld soll man das Vieh auf dem Seinigen<br />

„spannen". Der Espan ist also die Gemeindeweide, wo<br />

das Weidevieh gespannt wurde. Statt Esch sagt man<br />

in manchen Gegenden auch Zeig in der Bedeutung „Teilflur".<br />

Sigmaringer Bräuteln (zu H. H. 1965, S. 7). Der Ursprung<br />

des damals noch dunklen Brauchs wurde inzwischen durch<br />

die Forschungen von Pfaff, Baur, Frick und Rieger klargestellt<br />

(Zusammengefaßt von Uta Beck in einer Arbeit „Sigmaringer<br />

Fastnachtsbräuche" 1960; maschinenschriftlich in<br />

der Landesbücherei Sigmaringen). Der Name erscheint erstmals<br />

1817, die Schilderung des Vorgangs schon 1791/92 im<br />

„Lexikon des Schwäbischen Kreises" von Diakon M. Röder<br />

in Marbach. Auf das Bräuteln deutet man einen Eintrag in<br />

der Renteirechnung vom Fastnachtsdienstag, den 9. Februar<br />

1723: „Aus gnäd. Befehl wurden den jungen Gesellen für<br />

die gewöhnliche Auskaufung des Bronnentragens<br />

4 fl 10 kr bezahlt." Man nimmt an, der am 20.<br />

April 1722 mit der Gräfin Maria Franziska von Oettingen-<br />

Spielberg vermählte Fürst Josef Friedrich von Hohenzollern<br />

habe sich mit dieser Summe vom Bräuteln losgekauft.<br />

Dies wäre somit etwas Gewöhnliches, und kein Sonderfall<br />

gewesen. Den Bericht des genannten Röder: „am<br />

Schlüsse überreiche der „Direktor" sein mit Bändern geschmücktes<br />

Zepter dem Marienbild auf dem Marktbrunnen",<br />

kann man schwerlich durch den unbewiesenen Einwand entkräften,<br />

damals habe kein Marienbild mehr dort gestanden,<br />

sondern wie später ein Obelisk. Nach W. Baurs einleuchtendem<br />

Nachweis ist das Bräuteln eine von der Regierung beeinflußte<br />

starke Abschwächung des vielfach verbreitet<br />

gewesenen Fastnachtsbrauches, manche Leute in den Bach<br />

oder Brunnen zu werfen, was man „Baden" nannte.<br />

Dem Bräutling wurden nämlich früher wenigstens noch die<br />

Stiefel am Brunnen benetzt. Noch im Jahre 1672 hatte Fürst<br />

Meinrad den jungen Burschen „das mißbräuchliche Baden<br />

oder Werfen in die Donau" verboten. Eine angebliche Schilderung<br />

des Bräuteins vom Jahre 1525 erwies sich als plumpe<br />

Erfindung. Krs.<br />

Chinesische Levitenröcke 1886: Das Landkapitel Hechingen<br />

beschloß 1886, neue weiße Levitenröcke mit roten Borten zur<br />

Ausleihe an die Pfarreien anzuschaffen für Patrozinium usw.<br />

Als es aber ans Zahlen ging, wollte keiner der Herren mehr<br />

etwas davon wissen. Ausreden: „Die chinesischen Levitenröcke"<br />

hätten es weiterhin auch getan", man bekomme<br />

doch keine Herren zur Aushilfe. Waren diese Levitenkleider<br />

der Hechinger Stiftskirche vielleicht aus chinesischer Seide<br />

mit entsprechenden Malereien gearbeitet? (Steh. Registratur,<br />

Freiburg, Kap. Hechingen, Vermögen.)<br />

Hohenzollerische <strong>Heimat</strong><br />

Um diese Vierteljahresblätter beneiden uns viele heimatkundliche<br />

Vereine. Daß sie 15 Jahrgänge erlebte, beweist<br />

ihre Notwendigkeit. Sie will und kann keine Konkurrenz<br />

für die „Hohenzollerischen Jahreshefte" sein, sondern eine<br />

Ergänzung. Sie ist ein Kleinorgan für alle Belange der <strong>Heimat</strong>kunde,<br />

soll berichten über Bodenfunde, Erdfälle, Geschichte<br />

und Kunst, alles was für Natur und Kultur unseres<br />

Hohenzollerischen Landes von Interesse ist.<br />

Sie will eine Handreichung sein für den Lehrer, der unsere<br />

Jugend unterrichtet und Liebe zur <strong>Heimat</strong> und Ehrfurcht<br />

vor der Vergangenheit pflanzen will.<br />

Sie möchte unseren <strong>Heimat</strong>forschern offen stehen, hier die<br />

Ergebnisse ihrer Arbeit mitzuteilen. Schön wäre es, wenn<br />

auch die heimatkundlichen Artikel der Tagespresse abgedruckt<br />

werden könnten, sonst geraten sie allzuschnell in<br />

Vergessenheit.<br />

Verschiedene Vorgänger seien bei dieser Gelegenheit in<br />

Erinnerung gebracht, die in Bibliotheken eingesehen werden<br />

können. Die Liste ist wohl unvollständig.<br />

1925—1927 brachte Studienrat Dr. Eugen Flad ,,s' Zoller-<br />

1 ä n d 1 e" im Verlag des Hohenz. Preßvereins „Der Zoller"<br />

in Hechingen heraus.<br />

„H ohenz. <strong>Heimat</strong>blat t", herausgegeben vom Verein<br />

für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Dr. Gustav<br />

Hebeisen. Gedruckt in der Liehnerschen Hofbuchdruckerei<br />

Sigmaringen. Nr. 1 vom 1. April bis 4. Jahrgang,<br />

31. Dezember 1931.<br />

„<strong>Heimat</strong>klänge", Beilage zum „Der Zoller", Hechingen.<br />

1934 und 1935.<br />

„Zollerheima t", Blätter zur Förderung der Hohenz.<br />

<strong>Heimat</strong>- und Volkskunde. Herausgegeben mit Unterstützung<br />

des <strong>Geschichtsverein</strong>s im Verlag Holzinger-Hechingen. Verantwortlich<br />

Walter Sauter. Dr. Senn-Konstanz bezeichnete sie<br />

als Klein- und Nachrichtenorgan, als „ideales Unternehmen",<br />

getragen vom Opfergeist des Verlags wie von dem ihrer<br />

Autoren, die keinerlei Honorare beziehen, weil dies unmöglich<br />

ist. Verlag und Autoren schenken sie also dem Land<br />

und der Forschung. 1. Jahrgang 1931 bis 10. Jahrgang 1941.


.lahrgang 1965 HOHENZOM-ERISCHB HEIMAT 63<br />

St. Barbara, die Patronin der Bergleute und der Artilleristen<br />

von Josef Schneider<br />

An der Eingangspforte zum Salzwerk Stetten bei Haigerloch<br />

bemerken wir seit einigen Jahren vor einer hc zernen<br />

Rückwand das Bildnis einer im Volk verwurzelten Heiligen.<br />

Aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens wurde die Statue<br />

von St. Barbara aufgestellt una schmücki seitdem das Werksgelände<br />

des Salzwerks. Sie ist gleichzeitig auch ein Symbol<br />

dafür, daß sich die Bergleute ihrem Schutze ai vertrau-n.<br />

St. Barbara ist die Patronin dieser Männer, die täglich mit<br />

dem Förderkorb in die Tiefe des Stollens fahren, in diese<br />

geheimnisvolle Welt, die auch heute noch in der fortgeschrittenen<br />

Technik Gefahren in sich bergen kann. Wenn daher die<br />

Bergleute Sankt Barbara als ihre Schutzherrin verehren, ihr<br />

Bild in vielen Bergmannskirchen aufstellen, dann erweist<br />

sich der Glaube des Volkes an die Fürbitte dieser mächtif n<br />

Heiligen, die von ihm selbst in die Schar der 14 Nothelfer<br />

eingereiht wurde. Sie wird ja nicht nur von altershe*- als<br />

Patronin der Bergleute oder der Sterbenden verehrt. Wenn<br />

am gewitterschweren Himmel die Blitze zucken und Hab und<br />

Gut bedrohen, empfiehlt sich das gläubige Landvolk dem<br />

Schutze dieser Heiligen. Die Jungfrau aus Nikomedien, die<br />

auf den Altären, Bildern oder wo sie auch sonst '"an der<br />

Kunst verherrlicht wird, mit dem Turm dargestellt wird,<br />

stand aber auch während der Kriege als Schutzherrin bei den<br />

Artilleristen an den Geschützen. Ihr Name fand sich dann<br />

und wann an den Unterständen und Feuerstellen, und es<br />

ist eigentlich so, daß sie als Patronin der Artilleristen besonders<br />

stark im Gedenken lebt. Zwei Kriegsgenerationen dieser<br />

Gegenwart könnten darüber berichten, wie in den Tagen<br />

heißen Kampfes und der Artilleriefeuer in manchem Herzen<br />

ihr Bild eingegraben ward.<br />

St. Barbara hat viele Namensträgerinnen im Volk. Mag es<br />

letztlich davon herrühren, daß sie eine so breite Verehrung<br />

genießt als Patronin der Bergleute, der Artilleristen oder<br />

als eine der vierzehn Nothelfer. Ein Rückschluß läßt<br />

aber auch die Tatsache zu, daß St. Barbara die Adventsbotin<br />

ist, deren Namensfest bereits von der Hoffnung<br />

des Advents umhüllt ist. Unzertrennbar mit ihrem<br />

Namen verbunden ist der Barbarazweig, der am 4. Dezember<br />

ins Wasser gestellte Kirschzweig, dessen Blüten an Weihnachten<br />

sich öffnen. Nach altem Volksglauben hat derjenige,<br />

der die Zweige zum Blühen bringt, Glück und Erfolg im<br />

kommenden Jahre. Jenes junge, nach der Heirat sich sehnende<br />

Mädchen erwartet im kommenden Jahre den künftigen<br />

Ehegefährten. Alte Leute jedoch, denen der Zweig nicht<br />

mehr blüht, sehen nach diesem Volksglauben ein Zeichen<br />

ihres baldigen Todes. So verquicken sich am Tage von St.<br />

Barbara alter Volksglaube und gläubige Verehrung um diese<br />

Heilige, deren Glaube unter dem Götzenspuk ihres Vaterhauses<br />

hold und wunderbar aufblühte und alle Verfolgung<br />

überwand.<br />

AM EINGANG DES SALZBERGWERKES STETTEN bei<br />

Haigerloch steht eine große Statue St. Barbara, die als<br />

Schutzheilige von den Bergleuten verehrt wird und anläßlich<br />

der Hundertjahrfeier des Werkes vor einigen Jahren aufgestellt<br />

wurde.<br />

Keltische Viereckschanzen kennt man in Bayern über 150,<br />

in Baden-Württemberg nur etwa 50, während sich in Frankreich<br />

eine weit größere Zahl nachweisen läßt. Oberschulrat<br />

Fr. Kuhn in Lörrach entdeckte neuestens eine bei Wyhlen,<br />

stark 1 km nordöstlich im Walde Rührberg. Sie ist 100 zu<br />

70 ft'eter groß und hat wie alle derartigen Anlagen nur<br />

e i n Tor, und zwar hier in der Mitte der Ostseite. Ihr Wall<br />

und Graben gleichen fast denen der römischen Kastelle<br />

(Feldlager), die aber alle vier Tore aufweisen. Durch die<br />

Ausgrabung einer solchen keltischen Anlage in Holzhause<br />

n an der Isar (Lkr. Wolfahrtshausen) 1957 bis 1962 durch<br />

Dr. Klaus Schwarz kam endlich Licht in das Geheimnis dieser<br />

Bauten, die nun statt Schanzen richtiger als O p f e r -<br />

bezirke angesprochen würden. Der Erdanlage in Holzhausen<br />

ging eine solche aus Holzpalisaden voraus. Im Innern<br />

fand man den Grundriß je eines Gebäudes sowohl der Holzals<br />

Erdanlage und drei merkwürdige Gruben oder Schächte.<br />

Der erste hatte eine Tiefe von 6,5 m, die man mit Gips ausgoß.<br />

Bei dessen Erstarrung bildete sich eine Säule, bzw. der<br />

Abdruck eines Holzpfahles von 2 m Länge. Die chemische<br />

Untersuchung der Bodenschichten um den Pfahl ergab kompackte<br />

Lehmfüllungen mit hohem Nitratgehalt, wi", er entsteht<br />

beim Abbau von 'leisch und Eiweiß, ebenso sog. Leichenwachs,<br />

wie auf Friedhöfen, auf denen die Verwesung<br />

wegen Sauerstoffmangels gestört ist. Offenbar handelt es<br />

sich um einen Opfer- oder Marterpfahl. Der zweite Schacht<br />

war über 18 m tief. Auch hier fanden sich Packungen mit<br />

starkem Nitratgehalt, unterbrochen von Brandschichten.<br />

Offensichtlich war ein Teil der Opfergaben verbrannt worden.<br />

Der dritte Schacht bot die größte Ueberraschung, schon<br />

weil er in eine Tiefe von über 35 m führte. Der Durchmesser<br />

betrug oben 3,6 m. In zwei m Tiefe verengte ei sich, wo die<br />

verkohlten Reste einer viereckigen Holzverschalung von 2 zu<br />

2 m sichtbar wurden. In 5 m Tiefe verengte sich die Verzimmerung<br />

auf 1 zu 1 m, und in 16,5 m Tiefe wurde Nagelfluh<br />

erreicht, so daß eine Verschalung unnötig war. Von hier<br />

an war der Schacht rund bis hinab zur Sohle. Das Niederbringen<br />

der Ausräumung dieses Schachtes war nur möglich<br />

durch drucksichere Verschalung, elektrischen Aufzug und<br />

Lichtleitung und ein Wetterdach über dem Ganzen. (Jahresbericht<br />

der bayer. Bodendenkmalspflege 1960 und 1962 und<br />

Bericht Kuhns in der in Müllheim/Baden erscheinenden Zeitschrift<br />

„Die Markgrafschaft" Nr. 6/1965.) Da viele dieser<br />

Kultstätten von Bayern bis Frankreich, in denen von den<br />

Druiden oder Priestern auch Menschenopfer dargebracht<br />

wurden, vermutlich nur aus Holz angelegt waren, ist<br />

ihre genaue Zahl noch lange nicht festgestellt. Zwei liegen<br />

bei Aldingen in Nähe des Dreifaltigkeitsberges. Oskar Paret<br />

zählt in seinem Buch „Württemberg in vor- und frühgeschichtlicher<br />

Zeit", Stuttgart 1961, S. 307, alle hier nachzuweisenden<br />

Viereckschanzen aus spätkeltischer oder Latene-<br />

Zeit einzeln auf. Es sind 54, die er für militärische Anlagen<br />

hält. In Gammertingen im Waldteil Blaize stellte Herr Dr.<br />

Herbert Burkarth eine 90 m lange und 45 m breite Viereckschanze<br />

fest. (Vergl. unsere Zeitung Jahrg. 1957 Seite 63 und<br />

1964 Seite 38.) Kr.<br />

Hankrot ist der alte Name aus dem 14. Jahrhundert des<br />

heutigen Kaiserstuhlberges bei Endingen, auf dem an der<br />

Markungsgrenze die Kapelle der hl. Katharina steht, der<br />

Patronin der zum Tod Verurteilten. Man möchte vermuten,<br />

daß sich hier in alter Zeit ein Galgen erhob und Hankrot<br />

soviel wie Henkerstätte bedeute. Krs.<br />

Annabruderschaft zu Veringenstadt. Ein Breve des Papstes<br />

Benedikt XIV. vom 14. 12. 1754 berichtet: Der Kirche des<br />

Hl. Nikolaus in Veringenstadt und dem in ihr stehenden<br />

Bruderschaftsaltar unter Anrufung der Hl. Anna, für den<br />

noch kein ähnliches Privileg besteht, verleihen wir im Vertrauen<br />

auf Gottes Barmherzigkeit und Fürbitte der heiligen<br />

Apostelfürsten Petrus und Paulus die spezielle Gnade: Sooft<br />

ein Welt- oder Ordensgeistlicher eine Totenmesse am Allereeientag<br />

und dessen Oktav und jedem Dienstag des Jahres<br />

für die Seelenruhe eines Bruderschaftsmitgliedes zelebriert,<br />

Hrd ein vollkommener Ablaß gewährt für die betreffenden<br />

'erstorbenen. Daue. des Privilegs- 7 Jahre. Der Konstanzer<br />

Bis '• lof bestimmte durch seinen Generalvikar „von Ratzenried"<br />

am 1. Februar 1755 den Hochaltar der F i 1 i a 1 kirche<br />

Veringenstadt zum Bruderschaftsaltar. (Perg. Orig. im Erzb.<br />

Archiv Freiburg Z 757 § Das Fischerringsiegel ist abgesprungen).<br />

Krs.<br />

Das Milter (Mahllohn des Müllers in natura) heißt im<br />

Breisgau „Der Molzer".<br />

An das<br />

Postamt<br />

in


:(64 HOHENZOLLEB SCHE HEIMAT Jahrgang 1965<br />

Alte Kapitelsbibliothek/Sigmaringen 40<br />

Ablach, Preise 48<br />

Ablach-Staroperation 44<br />

Baufarla 48<br />

Bisingen, Burg Ror 9<br />

Burladingen-Burg Azilum 31<br />

Burladingen, Kirchenpatron 29<br />

Burladinger Pfarrakten 46<br />

Desiderius Lenz 28. 41. 58<br />

Dettensee, abendliches Singen 31<br />

Dettensee/Empfingen, große Armut 32<br />

Dettingen a. N.-alte Urkunden 45<br />

Esch/Espan 62<br />

Fürst Friedrich v. Hohenzollern f 6- 2. 1965 17<br />

Gammertingen-Altes Schloß 55<br />

Gammertingen Flurname Schroth 16<br />

Gammertingen, Grafen 26<br />

Geologie/Südhohenzollern 62<br />

Geschöll-Familienname 46<br />

Glatter Urkunde 1456 16<br />

Gotische Gewölbe/Krs. Hechingen 33<br />

Gruol, Grangärten 47<br />

Grosselfingen-Flurnamen 12. 30. 43. 58<br />

Gutenstein, Haberhurm 27<br />

Haigerloch Arzt-Vergütung 46<br />

Haigerloch, Nikolausmarkt 51<br />

Haigerloch, Stadtgarde 21<br />

Hankrot 63<br />

Hechingen, Heiligkreuz-Mirakel 52<br />

Bekanntgabe<br />

Seit Gründung der <strong>Heimat</strong>zeitung i. J. 1951 bis zu dem<br />

hier vorliegenden Jahresabschluß sind 15 Jahrgänge erschienen.<br />

Der damalige Vorsitzende des Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>s,<br />

H. H. Dekan Maier-Gammertingen, beauftragte mich mit der<br />

Schriftleitung der neuen <strong>Heimat</strong>zeitung und versprach Mithilfe.<br />

Aus gesundheitlichen Gründen ist mir die Fortführung der<br />

Arbeit ab 1. Oktober 1965 nicht mehr möglich.<br />

Allen Mitarbeitern und Lesern danke ich für die <strong>Heimat</strong>treue.<br />

Die noch hier lagernden Zeitungsbeiträge werden<br />

meinem Nachfolger übergeben. Josef Wiest.<br />

Es war ein Wagnis, als Herr Oberlehrer J. Wiest vor 15<br />

Jahren die Schriftleitung übernahm. Mit viel Idealismus hat<br />

er aus Liebe zur Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong> die Arbeit geleistet.<br />

Es war immer eine Freude, wenn eine neue Nummer<br />

fertiggestellt war. Ihm und den vielen Mitarbeitern sei hier<br />

aufrichtigst gedankt. Mit Bedauern vernehmen wir, daß<br />

Herrn Wiest die Fortführung der Schriftleitung aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht mehr möglich ist. Wir wünschen<br />

ihm baldige Rückkehr der Gesundheit. Man kann ihm nachfühlen,<br />

daß der Entschluß schwer wurde. Seit den Jahren<br />

bald nach dem 1. Weltkrieg müht er sich um die Erforschung<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „Hohenzollerischen <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug<br />

durch die Post Stück „Hohenzollerische <strong>Heimat</strong>",<br />

Verlagspostamt Gammertingen, zum halbjährigen Be-<br />

zugspreis von DM 1.40.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bzw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um<br />

deutliche Schrift wird gebeten.<br />

Sachregister des Jahrgangs 1965<br />

Hechingen-Hudelgäu 16<br />

Heiligenzimmern, Klagen des Pfarrers 13<br />

Heiligenzimmern Neujahrs-<br />

Hochzeitsschießen ' 46<br />

Heiligenzimmern Tabaktrinken 46<br />

Hermann der Lahme-Vorfahren 16<br />

Hexenglauben 15<br />

Hohenzollerische <strong>Heimat</strong> 62<br />

Hüte auf dem Kopf 30. 47<br />

Inneringer Urkunde 16<br />

Inzigkofen-Emmingen 32<br />

Joh. Adam Kraus-Jugenderinnerungen 64<br />

Jungingen, Alemannenfriedhof 23<br />

Jungingen, Bürgle 4<br />

Jungingen Schwedenschanze 46<br />

Jungnau, verschwundene Siedlungen 38<br />

Kalkreute-Reichenau 31<br />

Keltische Viereckschanze 63<br />

Killer, Kirche 48<br />

Kloster Wald-Reform 37<br />

Kreis Hechingen, Kirchtürme 1<br />

Militärwesen i. 18. Jhrh. 8<br />

Neufra, Hochbergkapelle 8<br />

Neufra, Muttergotteskapelle 31<br />

Ostrichtung der Kirchen 15<br />

Pfund u. Mark in früherer Zeit 39<br />

Rangendingen, Frondienstpflichtige 15<br />

Ringingen, aus alter Zeit 36<br />

Ringinger Häuser 19<br />

Ringingen Kirchweihe 46<br />

Ringingen, Mühlsteinfuhren 31<br />

Hingingen, vor 50 Jahren 55<br />

St. Blasien, hohenz. Mönche 47<br />

Schulzeit eines Fidelianers 5<br />

Schriftleitung-Josef Wiest 64<br />

Schoder, Hauptlehrer, neuer Schriftleiter 64<br />

Sigmaringen-Bräuteln 62<br />

Sigmaringer Römerbau 39<br />

Sigmaringen, römische Gebäude 11<br />

Siena, Hohenz. Studenten 27<br />

Steinhilben, Kl. Güterstein-Besitz 42<br />

Stetten b. Haigerloch-St. Barbara 63<br />

Stoffmaße 61<br />

Storzingen Karwoche 12<br />

Straßburg, hohenz. Studenten 47<br />

Trillfingen Revolution 1848 17<br />

Trochtelfingen, Feuerspritze, Mühlen<br />

Bauernstand, Bürgerwehr 15<br />

Veringenstadt-Annabruderschaft 63<br />

Veringen, Wuotisheer 10<br />

Vom Büblein, das nicht sitzen konnte 49<br />

Wannenmacher, Kirchenmaler 15<br />

Weilheim, Inschriften 32<br />

Wesner-Einwanderung 16<br />

Zollrische Hochzeit 1589 24<br />

Zoller-Wappen 48<br />

Zwiefalter Besitz um Trochtelfingen 60<br />

der <strong>Heimat</strong>, vor allem der Stadt Gammertingen. Wir hoffen,<br />

daß ihm auch jetzt, nachdem er äußerlich entlastet ist, noch<br />

mancher Beitrag für unser Blatt möglich ist.<br />

Die Schriftleitung übernimmt mit dem neuen Jahrgang in<br />

dankenswerter Weise ein Landsmann des Herrn Oberlehrers<br />

Wiest, Herr Hauptlehrer Schoder. Damit ist die Verbindung<br />

mit der hohenzollerischen Lehrerschaft wieder gewährleistet.<br />

Möge dem neuen Schriftleiter gleich von Anfang an<br />

volles Vertrauen und freudige Mitarbeit entgegengebracht<br />

werden.<br />

Unterstützung braucht aber auch der Verlag Sebastian<br />

Acker, Gammertingen, der so viele Opfer für die „Hohenzollerische<br />

<strong>Heimat</strong>" bringt. Das Blatt sollte mehr Bezieher<br />

haben. Andere <strong>Geschichtsverein</strong>e beneiden uns um dieses<br />

Organ, das jedem offen steht. Laßt es nicht aus Gleichgültigkeit<br />

eingehen.<br />

Mit besten Wünschen für das Weiterbestehen unseres<br />

Blattes Nikolaus M a i e r.<br />

Ju§enderinnerungen von Johann Adam Kraus. In der „Hohenzollerischen<br />

<strong>Heimat</strong>" erschien in Nr. 1/1964 aus der Feder<br />

des Erzb. Archivars J. A. Kraus ein Bericht über sein Erstes<br />

Tertial im Fidelishaus und am Gymnasium in Sigmaringen.<br />

In Nr. 1/1965 erzählt er „Aus der Schulzeit eines Fidelianers".<br />

Die Beiträge fander dankbare Leser. Das mochte den Verfasser<br />

ermuntert haben, weitere „Jugenderinnerungen" zu<br />

schreiben. Er hat sie als Manuskript in der Buchdruckerei<br />

Acker, Gammertingen, herausgebracht. „Der <strong>Heimat</strong> und den<br />

Freunden gewidmet." Ein Bändchen mit 152 Seiten liegt vor<br />

mit einem 16seitigen Bilderanhang. Man findet das Leben<br />

eines Bauernknaben geschildert. Tatsächlich ist aber die<br />

Kultur in einem Albdorf während und nach dem 1. Weltkrieg<br />

festgehalten. Da die Verhältnisse heute auch auf dem Dorf<br />

verändert sind, sind die geschilderten Kulturbilder von Wichtigkeit.<br />

Wie primitiv war das Leben damals! Und doch wie<br />

erlebnisreich. Im Alltag. Erst recht bei besonderen Vorkommnissen.<br />

Fremdes Volk im Dorf beim Bau der Wasserleitung<br />

- Zigeunerbesuche - die Vieh- und Schweinehändler,<br />

die ihren Bedarf oft mit großem Stimmenaufwand vor dem<br />

Stall holten, - der Laubtag, - der Besuch beim Schmied<br />

und seinen Kohlenmeilern, - dörfliche Bräuche und vieles<br />

andere wird geschildert, oft mit den Worten, die schon heute<br />

außer Gebrauch sind. — Mit dankbarer Liebe kommt dann<br />

die Zeit im Fidelishaus und am Gymnasium Sigmaringen zur<br />

Sprache. Als Anhang folgt noch eine Ahnenliste des Verfassers<br />

mit 513 Ziffern, und der Geschwister mit 256 Nummern.<br />

Besonders wertvoll ist die Zusammenstellung heimatkundlicher<br />

Aufsätze des Verfassers mit 316 Namen, die das<br />

Büchlein abschließt.<br />

Wer das Büchlein zu erwerben wünscht, wende sich an<br />

den Herrn Verfasser in Freiburg-Brsg., Herrenstraße 35.<br />

Nikolaus M a i e r.<br />

Berichtigung:<br />

In der H. H. 1965 Seite 45 muß es in der Ueberschrift und<br />

in Zeile 17 heißen: „über 15 000 Gulden" (genau: 15 771 fl.).<br />

Für den Inhalt der Abhandlungen<br />

tragen die Verfasser die Verantwortung.

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