Daniela Ziegler - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Eine wenn auch geringe Anzahl von Bildern, die wohl den inneren Kreis der Familie mit Vater, Mutter<br />
und Kind darstellen, beweisen eindeutig, dass die Familie und somit auch der athenische Bürger in<br />
seiner Funktion als Ehemann und Vater sehr wohl Eingang in die Ikonographie der attisch-rotfigurigen<br />
Vasenkunst gefunden hat. Diese Familienbilder vermitteln modellhafte Vorstellungen eines idealen<br />
Oikos, wobei die Oikosmitglieder ihren geschlechterspezifischen Rollen gemäß agieren. Der Mann ist<br />
in diesen Familienszenen mit nur einer Ausnahme stets jugendlich dargestellt. In den meisten Fällen<br />
tritt er als etwas abseits stehender Beobachter auf. Daneben kann er selbstverständlich durch eine<br />
Handbewegung oder durch ein Attribut in Kontakt mit der Hausherrin treten. Das Bild der athenischen<br />
Frau setzt sich dabei im Wesentlichen aus den drei Aspekten der Ehefrau, Hausfrau und Mutter<br />
zusammen. Mit zu den populärsten Repräsentationsformen gehört die Figur der fleißigen Spinnerin.<br />
Die zentrale Stellung der Herrin des Hauses und Verwalterin, die ihre Untergebenen beaufsichtigt und<br />
ihnen Pflichten zuweist, kommt am besten in der Figur der würdig thronende Dame des Hauses zur<br />
Geltung und wird des Weiteren durch all die Frauen mit Kalathoi, Kästchen, Bändern und Geschirr<br />
zum Ausdruck gebracht, die den häuslichen Arbeitsalltag im Oikos widerspiegeln. Als liebevolle<br />
Mutter ist die bürgerliche Dame dagegen überraschend selten zu sehen.<br />
Auch die Oikosszenen, die keine Kinderdarstellungen zeigen, sollten, solange es Hinweise auf<br />
häusliche Zusammenhänge gibt, nicht als Darstellungen erotischen Geplänkels abgetan werden. Die<br />
Vorurteile, die dazu führten, dass man bei Darstellungen von Männern und Frauen sofort an Hetäre<br />
und Freier dachte, wurden zur Genüge erläutert. Gerade die Familienszenen sind Beleg dafür, dass<br />
nicht jede Begegnung von Mann und Frau eine sexuell-erotische Motivation haben muss. Das<br />
Aufeinandertreffen der Geschlechter im Rahmen des Oikos wirbt im Gegenteil für bürgerlich-<br />
häusliche Werte, die den Ehemann und die Ehefrau als Mittelpunkt einer funktionalen Institution Ehe<br />
begreifen. Die vorgestellten Vasenbilder vom Männern oder Jünglingen in Oikosszenen waren nur<br />
eine kleine repräsentative Auswahl immer wiederkehrender Bildtypen. In den ausführlicheren Szenen,<br />
in denen die weibliche Person durch die Anwesenheit weiterer Frauen oder häusliche Tätigkeiten als<br />
Haus- und Ehefrau kenntlich gemacht ist, ist eine Zuordnung ins bürgerliche Milieu trotz der<br />
männlichen Figur plausibel. Da diese Bilder nie als direkte Abbilder der Wirklichkeit verstanden<br />
werden dürfen, ist es unerheblich und auch unergiebig zu fragen, was betreffender Mann inmitten der<br />
arbeitenden Frauen zu suchen hat. Er ist gewissermaßen additiv hinzugesetzt, weil eine Beziehung<br />
zwischen ihm und dem Oikos, aber auch zwischen ihm und seiner Gattin besteht.<br />
Vor allem bei Paarbildern, die auf detaillierte szenische Ausschmückungen verzichten, herrscht große<br />
Unsicherheit, wie die dargestellten Personen zu benennen sind. Grundsätzlich sollte man auch hier die<br />
Möglichkeit nicht ausschließen, dass Paare, auch wenn sie nicht durch die typischen Abläufe und<br />
Personen des Oikos definiert sind, dennoch Ehepaare darstellen. Der Fokus liegt hier eben nicht auf<br />
dem Oikos-basierenden Rollenverständnis, sondern tatsächlich auf den Menschen und ihrer<br />
persönlichen Bindung zueinander. Es liegt jedoch in der Natur dieser Bilder, dass sie eher stereotyp<br />
sind und somit in verschiedene Richtungen gedeutet werden können. Während der eine Betrachter sein<br />
tugendhaftes Weib an seiner Seite sah, identifizierte ein anderer die unbekannte Schöne vielleicht mit<br />
einer Hetäre oder mit einer ehemaligen Hetäre, die er sich nun als Pallake hielt. In einzelnen Fällen<br />
sind den Frauen aber auch hier Attribute beigegeben, die eher die soliden und häuslichen Tugenden<br />
einer Hausfrau in Erinnerung rufen. Es soll hier nicht gestritten werden, ob der Kalathos das<br />
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