Neurobiologie des Lernens Neue Reiserechnung - alter Hut Was ...

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06.12.2012 Aufrufe

44 WIRTSCHAFT & SCHULE Renate Zeller Die rückläufigen Auslastungszahlen im heimischen Tourismus können vom System Schule aufgefangen werden. Und wer hilft der Schule die pädagogischen Anforderungen der Zeit zu erfüllen? Heute morgen habe ich, wie täglich, meine ersten Informationen aus einer handlichen Tageszeitung (die lässt auf dem Küchentisch auch noch Platz frei für das Frühstücksgeschirr) bezogen. Was musste ich da lesen: Der Tourismus klagt über rückläufige Auslastungszahlen (no na: Wirtschaftskrise und so) – aber die Lösung für dieses Problem wurde auch gleich frei Haus mitgeliefert! Man staune: WIR Lehrer und Lehrerinnen dieses Landes werden zu Rettern aus der Krise erkoren, indem wir mit den Schülern und Schülerinnen vermehrt auf Wintersportwochen (dieser Begriff ist den Medien noch nicht geläufig, hier heißt es natürlich noch immer Schikurs) fahren. Meine Gegenfrage lautet nun: Wie sollen WIR dies ermöglichen? Viele Schulen bieten Sport- und Projektwochen der unterschiedlichsten Art an, aber leider werden die erforderlichen Teilnahmezahlen häufig nicht erreicht. Gründe dafür gibt es viele: Wirtschaftliche Engpässe der Familien (hier helfen auch Unterstützungen nur wenig), Desinteresse an manchen Sportarten (vor allem beim Wintersport - bedingt auch durch den Kulturkreis aus dem die Schüler und Schülerinnen stammen), Probleme psychischer Art (Heimweh ...), wenig Freude an Bewegung und Gemeinschaftserlebnis, Glaubensgründe (islamische Mädchen dürfen nicht auswärts übernachten) und wahrscheinlich gäbe es hier noch ein Dutzend anderer Gründe oder Ausreden aufzuzählen. Besonders „gemagerlt“ hat mich dieser Zeitungsartikel wohl deshalb, weil immer die Schule herhalten muss, um Probleme zu lösen. In manchen Belangen empfinde ich (kann natürlich nur rein subjektiv sein), dass die Schule zum Spielball der Wirtschaft mutiert. In den 70er Jahren entstanden die Semesterferien aus Energiespargründen. Die Wirtschaft entdeck- „Die Schule mutiert zum Spielball der Wirtschaft. “ te hier sofort eine neue Einkommensquelle und als die Energiekrise vorbei war, waren aus den Energieferien Semesterferien geworden, die noch dazu terminlich gestaffelt wurden, damit die Bettenauslastung in den Wintersportgebieten über mehrere Wochen garantiert wird. Man erinnere sich auch daran, dass 2008 sogar die Ferientermine verschoben wurden, damit es keine Kollision mit den holländischen Feriengästen gab, die sonst zeitgleich mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland die Pisten erobert hätten – wo bleiben hier pädagogische Gründe und Überlegungen? Irgendwann zu Schulanfang gab es dann auch urplötzlich schulautonome Tage – keiner wusste so richtig woher und weswegen, aber in Wirklichkeit waren eben diese Tage nur im Sinne der Autonomie entstanden. Früher gab der LSR für NÖ Fenstertage allgemein frei (Eltern mit Kindern an verschiedenen Schulen wünschten sich diesen Zustand sicher gerne zurück). Auch hier wollte der Tourismus Einfluss nehmen: Herbstferien (vielleicht wird auch der Herbst bundesländerweise gesplittet) wären eine tolle Idee, ob diese Vorgangsweise auch aus pädagogischer Sicht Sinn macht ist doch egal, oder? In Erinnerung möchte ich in diesem Zusammenhang auch bringen, dass wir Lehrer mit den schulautonomen Tagen nicht mehr frei haben als früher. Erstens werden zwei Tage jetzt wieder bundesweit vorgegeben (wie früher vom LSR) und weitere zwei Tage sind zum Beispiel die früheren Elternsprechtage, die jetzt am Abend statt finden. Jedenfalls sollte uns bewusst sein, welch hohen wirtschaftlichen Faktor das Gesamtsystem Schule eigentlich darstellt. Es fragt sich nur - wenn wir jetzt die Tourismusbranche retten sollen - wer UNS dabei hilft, den pädagogischen Anforderungen dieser Zeit gerecht zu werden?

gesellschaft Ein Beispiel: Ich erstelle für einen besonders lernschwachen Schüler ein Förderkonzept, dokumentiere, führe Elterngespräche, doch all diese Fördermaßnahmen fruchten nichts – der betroffene Schüler macht keine oder zu wenig Fortschritte! Man stelle sich vor, es gibt in meiner Klasse nicht nur ein Kind, das Lernschwierigkeiten hat, sondern gleich mehrere mit völlig unterschiedlichen Problemen. Nun beginne ich zu dokumentieren, zu evaluieren, zu fördern, zu fordern und nebenbei auch noch zu therapieren. Selbstverständlich sollen die Qualität des Unterrichts und die Erfüllung des Lehrplans nicht darunter leiden. Wäre das der Fall, könnte „man“ meinen, ich sei eine schlechte Lehrerin, meine Schülerinnen und Schüler könnten zu wenig. Kurzum, ich hätte versagt! Halt! Wir Lehrerinnen und Lehrer können gesellschaftliche Probleme nicht isoliert in unseren Klassenzimmern lösen. Im Gegenteil, die Schule spiegelt diese auf sehr deutliche Weise wieder. L E I T Artikel NUR AUSGEBRANNTE LEHRER SIND GUTE LEHRER? Klassen mit mehrheitlich sozial benachteiligten Kindern sind spannungsgeladen und machen es uns oft schwer, für jedermann sichtbare Erfolge zu erzielen. Neigen wir deshalb nicht manchmal dazu, den „Problemschüler“ mehr in Frage zu stellen als das verbesserungswürdige Schulsystem, das den Anforderungen unserer Gesellschaft nicht mehr entspricht? Lehrerinnen und Lehrer wissen ganz genau, wie sie in ihrer Arbeit unterstützt werden können: • • • „Freizeit nützen mit gutem Gewissen.“ Mitarbeit von außerschulischer Stellen (Therapeuten, Sozialarbeiter, etc.), Senkung der Klassenschülerhöchstzahl in „sozialen Brennpunktschulen“, Ausweitung einer qualifizierten Nachmittagsbetreuung (keine Aufbewahrungsstätten), Einführung des verpflichtenden Vorschuljahres und - flächendeckend - die gemeinsame Schule. erste hilfe Differenzierter Unterricht, Förderdokumentation, Verhaltensoriginalitäten, Förderung in Deutsch, Förderung in den Naturwissenschaften, Leseförderung, beengte Raumverhältnisse, mangelnde Unterstützung aus dem Elternhaus - und noch einiges mehr sollen wir Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer professionell und möglichst Erfolg bringend behandeln. Die gesamte Gesellschaft und die Politik sind gefordert, sich um unsere Kinder und Jugendlichen zu kümmern und in ihre Zukunft zu investieren. Tun sie das nicht, sondern überlassen Förderung und Bildung ausschließlich der Schule und der „Wahlfreiheit“ der Familien, werden die Probleme in den nächsten Jahren wachsen. Und was können wir nun für unsere ganz persönliche „Burnout Vorsorge“ tun? Die Hoffnung nicht aufgeben, dass unsere Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge irgendwann einmal gehört und teilweise umgesetzt werden. Vertrauen wir darauf, dass die Verantwortlichen - nicht nur auf höchster politischer Ebene - ihre starren parteipolitischen Positionen lockern und wir auch über die unterschiedlichen Schultypen hinaus zusammenwachsen können. Und bis dahin? Nützen wir unsere knappe Freizeit, die Wochenenden und Ferien, um uns zu erholen und abzuschalten. Dabei sollten wir nicht eine Minute ein schlechtes Gewissen haben. gewerkschaft nö.lehrerstimme 1/2010 55

gesellschaft<br />

Ein Beispiel: Ich erstelle für einen<br />

besonders lernschwachen Schüler<br />

ein Förderkonzept, dokumentiere,<br />

führe Elterngespräche, doch all<br />

diese Fördermaßnahmen fruchten<br />

nichts – der betroffene Schüler<br />

macht keine oder zu wenig<br />

Fortschritte!<br />

Man stelle sich vor, es gibt in<br />

meiner Klasse nicht nur ein<br />

Kind, das Lernschwierigkeiten<br />

hat, sondern gleich mehrere<br />

mit völlig unterschiedlichen<br />

Problemen.<br />

Nun beginne ich zu dokumentieren,<br />

zu evaluieren, zu fördern, zu<br />

fordern und nebenbei auch noch<br />

zu therapieren. Selbstverständlich<br />

sollen die Qualität <strong>des</strong> Unterrichts<br />

und die Erfüllung <strong>des</strong> Lehrplans<br />

nicht darunter leiden. Wäre das<br />

der Fall, könnte „man“ meinen, ich<br />

sei eine schlechte Lehrerin, meine<br />

Schülerinnen und Schüler könnten<br />

zu wenig. Kurzum, ich hätte<br />

versagt!<br />

Halt! Wir Lehrerinnen und Lehrer<br />

können gesellschaftliche<br />

Probleme nicht isoliert in unseren<br />

Klassenzimmern lösen. Im<br />

Gegenteil, die Schule spiegelt<br />

diese auf sehr deutliche Weise<br />

wieder.<br />

L E I T Artikel<br />

NUR AUSGEBRANNTE<br />

LEHRER SIND<br />

GUTE LEHRER?<br />

Klassen mit mehrheitlich sozial<br />

benachteiligten Kindern sind<br />

spannungsgeladen und machen<br />

es uns oft schwer, für jedermann<br />

sichtbare Erfolge zu erzielen. Neigen<br />

wir <strong>des</strong>halb nicht manchmal<br />

dazu, den „Problemschüler“ mehr<br />

in Frage zu stellen als das verbesserungswürdige<br />

Schulsystem, das<br />

den Anforderungen unserer Gesellschaft<br />

nicht mehr entspricht?<br />

Lehrerinnen und Lehrer wissen<br />

ganz genau, wie sie in ihrer Arbeit<br />

unterstützt werden können:<br />

•<br />

•<br />

•<br />

„Freizeit nützen mit<br />

gutem Gewissen.“<br />

Mitarbeit von außerschulischer<br />

Stellen (Therapeuten,<br />

Sozialarbeiter, etc.),<br />

Senkung der Klassenschülerhöchstzahl<br />

in „sozialen Brennpunktschulen“,<br />

Ausweitung einer qualifizierten<br />

Nachmittagsbetreuung<br />

(keine Aufbewahrungsstätten),<br />

Einführung <strong>des</strong> verpflichtenden<br />

Vorschuljahres und -<br />

flächendeckend - die gemeinsame<br />

Schule.<br />

erste hilfe<br />

Differenzierter Unterricht, Förderdokumentation, Verhaltensoriginalitäten, Förderung in Deutsch,<br />

Förderung in den Naturwissenschaften, Leseförderung, beengte Raumverhältnisse, mangelnde<br />

Unterstützung aus dem Elternhaus - und noch einiges mehr sollen wir Pflichtschullehrerinnen und<br />

Pflichtschullehrer professionell und möglichst Erfolg bringend behandeln.<br />

Die gesamte Gesellschaft und die<br />

Politik sind gefordert, sich um unsere<br />

Kinder und Jugendlichen zu<br />

kümmern und in ihre Zukunft zu<br />

investieren. Tun sie das nicht, sondern<br />

überlassen Förderung und<br />

Bildung ausschließlich der Schule<br />

und der „Wahlfreiheit“ der Familien,<br />

werden die Probleme in den<br />

nächsten Jahren wachsen.<br />

Und was können wir nun für<br />

unsere ganz persönliche „Burnout<br />

Vorsorge“ tun?<br />

Die Hoffnung nicht aufgeben,<br />

dass unsere Kritikpunkte und<br />

Verbesserungsvorschläge irgendwann<br />

einmal gehört und teilweise<br />

umgesetzt werden. Vertrauen wir<br />

darauf, dass die Verantwortlichen<br />

- nicht nur auf höchster politischer<br />

Ebene - ihre starren parteipolitischen<br />

Positionen lockern und wir<br />

auch über die unterschiedlichen<br />

Schultypen hinaus zusammenwachsen<br />

können.<br />

Und bis dahin? Nützen wir unsere<br />

knappe Freizeit, die Wochenenden<br />

und Ferien, um uns<br />

zu erholen und abzuschalten.<br />

Dabei sollten wir nicht eine Minute<br />

ein schlechtes Gewissen<br />

haben.<br />

gewerkschaft<br />

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