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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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chen auch eng mit der Bürgerinitiative in der Thomas sich ja engagiert<br />

zusammen. Ziemlich erfolgreich lief <strong>die</strong> Zusammenarbeit, als es um eine<br />

Kneipe ging, <strong>die</strong> ein rechtes Klientel duldete und ihnen <strong>die</strong> Räumlichkeiten<br />

für Veranstaltungen überlassen hatte. Da konnten wir Antifas und<br />

<strong>die</strong> Ini an verschiedene AdressatInnen, Informationen liefern und auch<br />

gemeinsame Aktionen durchführen. Dieses Zusammenspiel und <strong>die</strong> eine<br />

oder andere eingeworfene Fensterscheibe hat dann letztlich dazu geführt,<br />

dass <strong>die</strong> Kneipe schliessen musste.<br />

Wie ihr schon angedeutet habt, arbeitet ihr über eure eigenen Strukturen<br />

hinaus. Eine bewährte Methode ist hier ja oftmals <strong>die</strong> Bündnisarbeit.<br />

Wie sieht das bei Euch aus?<br />

Thomas: Wir sind der Meinung, dass man durch breite<br />

Bündnisse ganz andere Mittel zur Verfügung hat, als<br />

in den einzelnen Gruppen. Und du erreichst häufig<br />

auch andere Menschen im Stadtteil. Wir mussten<br />

halt schon feststellen, dass bei einer Veranstaltung<br />

oder eben auch zu unseren Kundgebungen,<br />

damals wegen <strong>die</strong>ser rechten Kneipe zum Beispiel,<br />

mehr AnwohnerInnen kamen, wenn z.B. <strong>die</strong> Gewerkschaftsjugend<br />

mit <strong>auf</strong>gerufen hat. Die blieben den<br />

Aktionen unserer lokalen Antifagruppe häufig fern. Wir haben<br />

aber immer auch den Kontakt zu den lokalen Antifastrukturen gesucht<br />

und uns bemüht auch den anderen BündnispartnerInnen <strong>die</strong> Scheu zu<br />

nehmen. Die sind halt oftmals immer noch sehr geprägt von dem Bild, das<br />

<strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n über <strong>die</strong> Antifa <strong>auf</strong>zeigen oder auch von Versuchen der Polizei<br />

und anderen Organen, eine Zusammenarbeit zu erschweren. Da wurden<br />

tatsächlich schon gezielt einzelne AktivistInnen, <strong>die</strong> waren bei den Grünen,<br />

angesprochen ob sie wirklich mit „verfassungsfeindlichen Vereinigungen“<br />

in Verbindung gebracht werden wollen. Aber da lassen wir uns nicht<br />

beirren. Natürlich wollen wir gesellschaftliche Akteure zusammenführen<br />

und auch bündeln, so dass Kampagnen oder Demonstrationen in einem<br />

viel größeren Rahmen stattfinden können. Durch <strong>die</strong> breitere Masse, <strong>die</strong><br />

wir damit ansprechen, können mehr Leute mobilisiert werden, <strong>die</strong> zu einer<br />

Demonstration von nur einer der Gruppen eher nicht kommen würden.<br />

Außerdem hat man so eine große Spanne von Aktionsmöglichkeiten. Bei<br />

einem Neonazi<strong>auf</strong>marsch, können sowohl Blockaden effektiv sein als<br />

auch individuell gestalteter Widerstand. Wichtig ist, dass das Bündnis <strong>die</strong><br />

nebeneinander existierenden Aktionsformen anerkennt und akzeptiert.<br />

Sophie: Bündnisarbeit ist bei uns in der Gruppe immer wieder ein spezielles<br />

Thema. Viele haben damit, meiner Meinung nach zu recht, häufig<br />

Bauchschmerzen. Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen:<br />

Für mich heißt Antifaschismus eben mehr als nur gegen Neonazis zu sein.<br />

Das beinhaltet eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Orientiert<br />

an <strong>die</strong>sem Anspruch wollen wir auch vor anderen Themen, wie staatlichem<br />

und alltäglichem Rassismus, der deutschen NS-Gedenkpolitik, aber<br />

auch der Debatte um Entschädigungszahlungen für ehemalige ZwangsarbeiterInnen<br />

- um nur ein paar Beispiele zu nennen, nicht halt machen.<br />

Mit der Wahrnehmung anderer gesellschaftlicher Widersprüche ergibt<br />

sich für mich eine radikale Kritik am Staat als Zwangsinstitution und dem<br />

ideologischen Konzept von Volk und Nation.<br />

Dem folgend unterscheiden wir uns bisweilen auch in der Wahl der Mittel<br />

unserer Politik von bürgerlichen BündnispartnerInnen. Das heißt, unsere<br />

Aktionsformen werden nach ihrer Effektivität gewählt und weniger nach<br />

dem rechtlichen Rahmen. Wir finden es gerechtfertigt, sich Neonazis in<br />

den Weg zu stellen, ob nun erlaubt oder nicht. So sehen wir auch Militanz<br />

als berechtigtes Mittel an. Es wird dadurch bewusst das staatliche Gewaltmonopol<br />

und auch <strong>die</strong> ideologische Deutungshoheit darüber, was legitime<br />

(Staats-)Gewalt, und was ‚kriminell‘ ist, in Frage gestellt. Das gewaltsame<br />

Abschieben von Flüchtlingen, das Wegsperren von AntifaschistInnen und<br />

das Verprügeln von DemonstrantInnen, etc. gilt als gerechtfertigt, antifaschistische<br />

Gegenwehr jedoch wird zum Verbrechen erklärt. Dieser verlogene<br />

Gewaltbegriff unserer Gesellschaftsordnung, der institutionalisierte<br />

Gewalt und gesellschaftliche Ausgrenzung (z.B. in Form von Rassismus)<br />

legitimiert, wird somit zumindest symbolisch verneint.<br />

Wenn also Neonazi<strong>auf</strong>märsche militant verhindert werden, direkte Angriffe<br />

<strong>auf</strong> Neonazis und ihre Strukturen stattfinden oder wir eine Abschiebung<br />

74 I n t e r v i e w<br />

Die Vergangenheit zeigt,<br />

dass ein aktiver Neonazi sich<br />

nicht selten von seinen Aktivitäten<br />

zurück zieht, wenn er nach einem<br />

‚Outing‘ durch Antifas - salopp gesagt<br />

- um seine Arbeit, seine Freundschaften<br />

oder sein Auto<br />

fürchten muss.<br />

fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />

blockieren, so wird damit dem Staat symbolisch <strong>die</strong> alleinige Entscheidungsgewalt<br />

abgesprochen, ihm das ‚letzte Wort‘ entzogen.<br />

Neben dem symbolischen, erfüllt <strong>die</strong>ses Vorgehen aber oft auch einen<br />

konkreten Zweck, den der ‚präventiven Intervention‘ wenn man so will. Es<br />

werden Neonazis <strong>auf</strong> der Straße zurückgedrängt und Opfern von rassistischer<br />

Gewalt der Rücken freigehalten. Wer z.B. an rechten Aufmärschen<br />

teilnimmt hat sich aus freien Stücken entschieden eine menschenverachtende<br />

Politik zu vertreten. Opfer von Neonazis haben <strong>die</strong>se Entscheidungsfreiheit<br />

nicht, sie werden zu nichtlebenswerten Menschen erklärt.<br />

Grundsätzlich geht es uns dabei aber keinesfalls um persönlichen Spaß<br />

an „action“, wir sehen es eher als ein manchmal nötiges Mittel. Ein reflektierter<br />

Umgang damit ist selbstverständlich.<br />

Da haben einige BündnispartnerInnen zum teil Positio-<br />

nen, <strong>die</strong> unseren Ansprüchen häufig entgegenstehen.<br />

Aber gerade aus den Beschreibungen, <strong>die</strong> Thomas<br />

bereits genannt hat, haben wir uns aus taktischen<br />

Gründen dazu durchgerungen, temporär<br />

auch Bündnisarbeit zu leisten. Wir sehen das<br />

mittlerweile auch als Möglichkeit in bestimmten<br />

Diskursen intervenieren zu können. Wichtig ist<br />

dabei aber immer wieder zu überprüfen, inwieweit<br />

wir in dem Prozess als gleichberechtigte Partnerin<br />

wahrgenommen werden und ebenso dar<strong>auf</strong> zu achten, dass<br />

unsere linksradikalen Ansprüche hierbei nicht unter den Tisch fallen.<br />

Kannst Du das vielleicht noch mal konkretisieren? Ihr habt ja vor<br />

einiger Zeit mit Bündnisarbeit ziemlich erfolgreich einen Neonazi<strong>auf</strong>marsch<br />

stoppen können.<br />

Sophie: Nun ja, nachdem wir den Neonazis im Kiez ziemlich <strong>auf</strong> <strong>die</strong> <strong>Pelle</strong><br />

gerückt sind, hatten <strong>die</strong> nun keine öffentlichen Räumlichkeiten mehr. Ihre<br />

Propaganda war kaum noch zu sehen und Wahlkampfaktivitäten der NPD<br />

konnten ziemlich erfolgreich unterbunden werden. Doch dann gab es hier<br />

aber noch einmal verstärkt Aktivitäten der Neonazis, um nicht völlig unter<br />

zu gehen. Das wollten <strong>die</strong> dann mit einem Aufmarsch noch mal untermauern.<br />

Wir haben uns dann ziemlich zeitnah mit der Bürgerini, <strong>die</strong> ihrerseits<br />

schon dabei war ein großes zivilgesellschaftliches und antifaschistisches<br />

Bündnis <strong>auf</strong>zubauen, getroffen, um gemeinsam zu überlegen wie wir<br />

aktiv werden können. Die Idee, eine große gemeinsame Bündnisdemo<br />

gegen den Aufmarsch zu veranstalten, fanden wir erstmal ziemlich gut.<br />

Auf den Treffen wurde aber ebenso deutlich, dass es uns und auch den<br />

Anderen nicht reicht, einfach nur präsent zu sein. Das Ziel konnte schnell<br />

formuliert werden. Wir stoppen <strong>die</strong>sen Aufmarsch nicht nur, sondern<br />

lassen <strong>die</strong> Neonazis gar nicht erst losgehen. Da haben wir ein gemeinsames<br />

Konzept ausgearbeitet und das dann <strong>auf</strong> einer Pressekonferenz vorgestellt.<br />

Das sorgte für großes Aufsehen, da von LokalpolitikerInnen über<br />

SchülerInnenvertretungen, Gewerkschaften und dem inzwischen von uns<br />

angestoßenen autonomen Antifa-Bündnis, alle deutlich gemacht haben,<br />

wir blockieren <strong>die</strong> Neonazis und werden dafür auch <strong>auf</strong> zivilen Ungehorsam<br />

setzen. Das lief dann schon total gut an, da alle Beteiligten ordentlich<br />

Stimmung in ihren Reihen machen konnten. Wir haben dann nicht nur<br />

an vielen Orten Infoveranstaltungen durchführen können, sondern haben<br />

mit Aktionstrainings <strong>die</strong> gemeinsame Aktionsform für den Tag vermitteln<br />

können. Hier funktionierte das Zusammenspiel super. Die Demo war ein<br />

großer Erfolg und setzte sich, auch über Bullenabsperrungen hinweg, in<br />

Richtung Neonazi-Auftaktort in Bewegung. Da ging dann nix mehr. Um unterschiedlichsten<br />

Aktionsformen gerecht zu werden, haben wir im Vorfeld<br />

dann bereits vermittelt, dass aus unserem autonomen Vorbereitungskreis<br />

auch noch weitergehende Protestformen ihren Platz finden sollen. Und<br />

das führte immerhin noch dazu, dass schon <strong>auf</strong> dem Hinweg zum Aufmarsch<br />

einige Neonazis gleich wieder umkehren mussten.<br />

Thomas: Und <strong>die</strong>se für <strong>die</strong> Polizei nur schwer zu überschauende Situation,<br />

führte ja letztlich auch dazu, dass einige Antifas <strong>die</strong> anwesenden<br />

Neonazis an ihrem Auftaktort direkt angreifen konnten. Das hat ja auch<br />

maßgeblich <strong>die</strong> Entscheidung der Polizei beeinflusst, <strong>die</strong> Neonazis gar<br />

nicht erst losgehen zu lassen.<br />

Sophie: Da hast du Recht. Aber weit gekommen wären sie wohl eh nicht.

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