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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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Schöneiche<br />

Im Herbst 2008 ist Schöneiche durch mehrere rechte Straftaten, <strong>die</strong> sich gegen jüdische Feste, das Mahnmal<br />

für <strong>die</strong> ermordeten jüdischen SchöneicherInnen und den Bürgermeister richteten, in den bundesweiten<br />

Me<strong>die</strong>n bekannt geworden. Die Serie begann am 19. Oktober 2008, als <strong>die</strong> NPD-Schöneiche, wie schon im<br />

Jahr zuvor und im Internet angekündigt, das jüdische Laubhüttenfest „Sukkot“ störte. Wenige Tage später,<br />

am 27. Oktober wurde der Bürgermeister Heinrich Jüttner nachts von Neonazis zu Hause <strong>auf</strong>gesucht,<br />

als „Volksfeind“ beschimpft und bedroht. Er engagierte sich im Bündnis für Demokratie und Toleranz und<br />

zog sich deswegen den Hass der lokalen Neonaziszene zu. Am nächsten Tag wurde das jüdische Mahnmal<br />

geschändet. Die Täter brachen den Davidstern und einzelne Buchstaben aus dem Gedenkstein. Diese Ereignisse<br />

sind Grund genug <strong>die</strong> Strukturen der extremen Rechten in der Region Schöneiche-Woltersdorf-Erkner<br />

näher zu betrachten und deren Entwicklung zu veranschaulichen.<br />

Kameradschaft Oder-Spree<br />

Die Gemeinden Schöneiche und Woltersdorf sowie <strong>die</strong> Stadt Erkner<br />

liegen im Landkreis Oder-Spree (LOS) im so genannten Speckgürtel und<br />

grenzen direkt im Südosten Berlins an den Bezirk Treptow-Köpenick.<br />

Dieser Sozialraum mit ungefähr 40.000 EinwohnerInnen ist eng mit Berlin<br />

verbunden: Viele Menschen hier arbeiten in Berlin und/oder sind von<br />

dort hierher gezogen. Diesen „ZuzüglerInnen“ ist es unter anderem zu<br />

verdanken, dass sich das gesellschaftliche Klima in Schöneiche von dem<br />

eines durchschnittlichen Dorfes in Brandenburg stark unterscheidet. Es<br />

gibt ein breites Bündnis aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen<br />

von Vereinen, Parteien, Kirche und Einzelpersonen, <strong>die</strong> den Neonazis<br />

Widerstand entgegensetzen. In anderen Gemeinden der Region sieht das<br />

schon wieder ganz anders aus, trotz häufiger Lippenbekenntnisse gegen<br />

„Fremdenfeindlichkeit und Gewalt“. Von 2003 bis 2008 war <strong>die</strong> Deutsche<br />

Volksunion (DVU) mit einem und <strong>die</strong> NPD mit zwei Abgeordneten<br />

im Kreistag von LOS vertreten. Bei der Kommunalwahl 2008 verlor <strong>die</strong><br />

DVU ihren Sitz, dafür konnte <strong>die</strong> NPD einen dazu gewinnen. Lars Beyer,<br />

Manuela Kokott und Klaus Beier, letzterer ist Bundespressesprecher und<br />

Landesvorsitzender in Brandenburg, vertreten jetzt <strong>die</strong> NPD im Kreistag<br />

LOS. Der Kreisverband Oderland unter Beiers Leitung ist der aktivste in<br />

Brandenburg und hat in den letzten zwei Jahren mehrere neue Ortsgruppen<br />

und Stützpunkte gegründet, einen davon in Schöneiche.<br />

Die treibenden Kräfte der NPD Schöneiche waren vorher in der Kameradschaft<br />

Oder-Spree (KS Oder-Spree) aktiv. Bevor <strong>die</strong>se entstand gab es<br />

lediglich subkulturell geprägte Neonazis, <strong>die</strong> außer durch Schlägereien<br />

und dem Verkleben von Aufklebern keine expliziten politischen Aktivitäten<br />

zeigten. Im Jahr 2003 gründeten einige Personen aus <strong>die</strong>sem Bereich <strong>die</strong><br />

Kameradschaft Oder-Spree. Dieser Gruppierung zugerechnet wurden Paul<br />

Scholz, <strong>Mai</strong>k Schubert, Philipp Schmidt, Florian Stein, Kevin Bischoff,<br />

<strong>Mai</strong>k Brämer sowie einige weitere Personen. Sie stammten aus Erkner,<br />

Schöneiche und Berlin. In der Antwort <strong>auf</strong> eine Kleine Anfrage im Landtag<br />

2005 rechnete der Verfassungsschutz der KS Oder-Spree sechs Personen<br />

aus Berlin und Brandenburg zu. Paul Scholz ist ein in der Region<br />

bekannter Neonazi-Schläger, der z.B. 2002 im Jugendklub Erkner einen<br />

schwarzen Jugendliche verprügelte.<br />

62 S c h ö n e i c h e<br />

<strong>Mai</strong>k Brämer (2.von links) mit Nachwuchsneonazis aus Schöneiche<br />

Die Mitglieder der Gruppe trugen Bomberjacken, <strong>die</strong> mit Kameradschaft<br />

Oder-Spree in Frakturschrift bestickt waren. Sie hielten Kontakt zu den<br />

Berliner Kameradschaften BASO und Tor sowie zum Märkischen Heimatschutz<br />

(MHS), besuchten Demonstrationen, gingen zu Spielen des BFC<br />

oder trafen sich zum S<strong>auf</strong>en <strong>auf</strong> den verschiedenen Dorffesten in der<br />

Region. Dort terrorisierten sie alle, <strong>die</strong> ihnen nicht ins Weltbild passten.<br />

Selbst <strong>die</strong> Lokalzeitung MOZ musste 2006 feststellen, dass <strong>auf</strong>grund der<br />

massiven Präsenz von Neonazis in Schöneiche das „Heimatfest nur noch<br />

unter Polizeischutz“ möglich sei. Die KameradschaftlerInnen hatten auch<br />

Kontakt zur NPD und einige von ihnen wurden Mitglied.<br />

Der politische „Höhepunkt“ ihrer Aktivitäten war <strong>die</strong> Unterstützung des<br />

Aufrufs zur NPD-Demo in Berlin-Lichtenberg am 1. <strong>Mai</strong> 20<strong>04</strong>. Mit den<br />

Verboten der Kameradschaft Tor und BASO in Berlin verschwand auch <strong>die</strong><br />

KS Oder-Spree, da sie offenbar eng mit deren Strukturen verzahnt und<br />

von Repression bedroht war. Kevin Bischoff soll unbestätigten Angaben zu<br />

Folge auch Mitglied in der BASO gewesen sein. Als am 10. Januar 2006<br />

eine Razzia der Berliner Polizei bei mehreren Personen der rechten Szene<br />

aus dem Umfeld der KS-Tor und BASO stattfand, soll auch Kevin Bischoffs<br />

Wohnung in Schöneiche durchsucht worden sein. Bischoff war bereits<br />

dadurch <strong>auf</strong>gefallen, dass er mit zwei Mittätern versuchte in <strong>die</strong> Wohnung<br />

eines SDAJ-Aktivisten in seiner Nachbarschaft einzudringen, offensichtlich<br />

um ihn anzugreifen. Nach dem Ende der KS Oder-Spree machten <strong>die</strong><br />

ehemaligen Mitglieder <strong>die</strong> Entwicklung hin zum Konzept der Autonomen<br />

Nationalisten, beeinflusst durch <strong>die</strong> Berliner Szene, mit.<br />

Zum Umfeld der Gruppe gehörte auch <strong>die</strong> Band Die wilden Jungs, deren<br />

Bassist Thomas Heinrich Aktivist der rechten Musik-Szene und der NPD<br />

ist. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde <strong>die</strong> Band durch ein von<br />

der Polizei <strong>auf</strong>gelöstes Konzert am 6. Dezember 2003 im Jugendklub<br />

Puschkinstrasse in Schöneiche, in dem sie auch probte. Bei einer als<br />

Geburtstagsfeier deklarierten Zusammenkunft trafen sich ungefähr 60<br />

Neonazis aus Berlin und Brandenburg nachdem sie am selben Tag in<br />

Berlin-Treptow für ein „nationales Jugendzentrum“ demonstriert hatten.<br />

Organisator des Konzerts war offenbar Heinrich, der über weitreichende<br />

Kontakte in der Neonazi-Musikszene verfügt, z.B. zu Michael Müller (am<br />

29. <strong>Mai</strong> <strong>2009</strong> an Krebs verstorben) und Kategorie C. Inzwischen ist

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