Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
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Potsdam<br />
v.l.n.r.. Tim Borowski, Carsten Schicke, Mario Schober, unbekannt, Jens Zimmer, Gabor Grett, unbekannt, Tino Wilhelm, Christian Helmstedt, Dennis Helmstedt<br />
Die Vernetzung von Berliner und Potsdamer Neonazis war Ausgangspunkt für <strong>die</strong> steigende rechte Gewalt in<br />
Potsdam. Ihre Treffen endeten immer häufiger mit Übergriffen <strong>auf</strong> politische GegnerInnen. Was im Sommer<br />
2005 mit dem selbst ernannten „Summer of Hate“ und einem blutigen Überfall <strong>auf</strong> zwei Studenten seinen<br />
Höhepunkt fand, endete mit etlichen Prozessen gegen Neonazis.<br />
Im „Tram-Prozess“, bei dem eine Gruppe Neonazis, zwei Studenten aus<br />
einer Straßenbahn heraus angriffen und schwer verletzten übernahm<br />
Neonazi-Anwalt Wolfram Nahrath <strong>die</strong> Verteidigung. Die Verurteilungen<br />
in <strong>die</strong>sen Prozessen hatten einen Generationswechsel in der rechten<br />
Szene zur Folge. Bekannte Schläger wurden zu mehrjährigen Haftstrafen<br />
verurteilt. So z.B. Michael Genth, welcher ferner am Übergriff <strong>auf</strong> ein<br />
linkes Wohnprojekt Silvester 2002/03 beteiligt war, Oliver Kalies, der<br />
ehemalige Webmaster des Anti-Antifa Network Potsdam, Oliver Oeltze,<br />
Marcus Schiller und Daniel Kolibius. Diese befinden sich zur Zeit noch im<br />
Gefängnis, werden aber in naher Zukunft freigelassen. Im abgetrennten<br />
Jugendverfahren wurden Tobias Markgraf, Tom Singer, Sandra Cersovski,<br />
sowie Thomas Pecht zu mehrjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.<br />
Nach <strong>die</strong>ser Prozesswelle waren <strong>die</strong> übrig gebliebenen Jung-Neonazis<br />
zunächst <strong>auf</strong> sich allein gestellt, bekamen jedoch peu-a-peu Zuwachs aus<br />
den umliegenden Dörfern (Fahrland, Marquardt) und Randbezirken Potsdams.<br />
Der Altersdurchschnitt sank und der Organisationsgrad ebenso. Es<br />
folgte eine verhältnismäßig ruhige Zeit. Ausdruck ihrer „politischen Aktivität“<br />
waren lediglich selbst gebastelte Sticker, das Kleben von Plakaten,<br />
Schmieren von Hakenkreuzen und gemeinsame Fahrten zu Aufmärschen<br />
und Konzerten. Sie wechselten ihr Label von Freie Kräfte Potsdam über<br />
Anti-Antifa Potsdam und Antifa Hunter Sektion Potsdam zu Alternative<br />
Jugend Potsdam und letztendlich zu JN Potsdam.<br />
Drei unangemeldete Aufmärsche waren erste Anzeichen eines Wandels.<br />
Anfang 2007 führte der erste Aufmarsch am 63. Jahrestag der Bomba<strong>die</strong>rung<br />
Dresdens durch <strong>die</strong> Potsdamer Innenstadt. Unter den 30 Anwesenden<br />
befand sich ein Großteil der organisierten Potsdamer Neonaziszene.<br />
Tonangebend war hierbei Sebastian Glaser. Ein weiterer Versuch an <strong>die</strong><br />
Öffentlichkeit zu gelangen, war ein „Marsch“ um einen Häuserblock in<br />
einem der anliegenden Plattenbaubezirke. Dieser fand nachts am „Tag<br />
von Potsdam“ (21. März 2008) statt. Als im Juni des selben Jahres, <strong>die</strong> in<br />
Schwerin geplante Neonazidemonstration gegen den G8-Gipfel verboten<br />
wurde, demonstrierten ca. 20 Neonazis spontan in Potsdam. Desweiteren<br />
nahmen sie an Aufmärschen im gesamten Bundesgebiet teil. Dort traten<br />
Tobias Markgraf, Olaf Ernst , Thomas Pecht, Sebastian Glaser und Tim<br />
Borowski als Ordner <strong>auf</strong>.<br />
Anlässlich eines Revisionsverfahrens gegen AktivistInnen des Schutzbund<br />
Deutschland meldete <strong>die</strong> Gruppierung Freien Kräfte Potsdam eine Kundgebung<br />
am 21. Dezember 2007 zur Verhandlungseröffnung wegen Volksverhetzung<br />
vor dem Neuruppiner Landgericht an. Für den damals Ange-<br />
klagten <strong>Mai</strong>k Eminger hielten u.a. Sebastian Glaser, Tom Singer und Jens<br />
Zimmer gemeinsam mit den Leipziger Neonazis Thommy Neumann und<br />
Istavan Repaczki Transparente mit der Aufschrift „Meinungsfreiheit für<br />
<strong>Mai</strong>k E“. Es bestehen also enge Kontakte zwischen Potsdamer Neonazis,<br />
Freie Kräfte Leipzig und einzelnen Mitgliedern der inzwischen verbotenen<br />
Neonazi-Organisation Schutzbund Deutschland. Eminger stand außerdem<br />
August letzten Jahres mit Sebastian Glaser wegen Sachbeschädigung vor<br />
dem Potsdamer Amtsgericht. Ihnen wurde vorgeworfen Rudolf Heß Plakate<br />
geklebt zu haben. Durch Übergriffe fielen u.a. Jan Sebastian Wolter,<br />
Gabor Grett, Christian Helmstedt und Dennis Raab <strong>auf</strong>.<br />
Neonazis in ihrer Freizeit<br />
Um <strong>die</strong> langjährigen lokalen Neonazi-Musikaktivisten<br />
Sven Schneider, Dirk Horn und Stefan<br />
Rietz wurde es ruhig. Schneider selbst wurde<br />
mittlerweile als Informant des Verassungsschutz<br />
(VS) bezeichnet. Anfang 2008 musste sich Rietz<br />
wegen Fortführung der verboten Blood&Honour<br />
(B&H) Struktur vor dem Landgericht Halle verantworten,<br />
er hatte 2001 B&H Neonazikonzerte<br />
mitorganisiert. Rietz betätigt sich nach wie vor<br />
Stefan Rietz<br />
als Demonstrations-Ordner und hat in Potsdam<br />
regelmäßig zu internen Neonaziversammlungen eingeladen.<br />
Die Musikszene ist integraler Bestandteil der Alltagskultur von Potsdamer<br />
Neonazis. Es gibt viele verschiedene Bands und vor allem regen Kontakt<br />
zur restlichen Neonazi-Musikszene Deutschlands. Eine Schlüsselfigur ist<br />
weiterhin Uwe Menzel aka „Uwocaust“. Dieser ist nicht nur in Potsdam ein<br />
wichtiges Mitglied der Neonazi-Subkultur, sondern bundesweit aktiv. Die<br />
bekannteste Band Menzels ist Proissenheads, welche mittlerweile <strong>auf</strong>gelöst<br />
wurde. Er ist weiterhin Sänger der Bands Burn Down, Aryan Brotherhood<br />
und Bloodshed. Das Gerücht um eine schwere Krankheit Menzels,<br />
<strong>die</strong> ihn in naher Zukunft hindern würde <strong>auf</strong>zutreten, konnte nicht bestätigt<br />
werden. Im Gegenteil - im Oktober 2008 veröffentlichte er mit der Gruppe<br />
Burn Down seine aktuellste CD „Zyklon Sturm der Vergeltung“.<br />
Neben <strong>die</strong>sem älteren Semester gibt es in Potsdam auch zahlreiche<br />
jüngere Bands. Eine davon heißt Cynic, <strong>die</strong> bis 2008 als „Ein-Mann-<br />
Band“ neonazistische Musik veröffentlichte. Der Frontsänger „William“,<br />
wie er sich selbst nennt, spielte auch bei Menzels Band Bloodshed und<br />
bei der Potsdamer Metal-Band Redrum. Ihre letzte Veröffentlichung<br />
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