Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
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ist, konnten <strong>die</strong> REPs ihr Ergebnis im Vergleich zu den vorherigen Wahlen<br />
verdoppeln. Ohne <strong>die</strong>se zusätzlichen Stimmen wären <strong>die</strong> REPs nicht<br />
eingezogen; auch sie profitierten also von der rassistischen Stimmungsmache<br />
im Moscheebaukonflikt.<br />
Peter Warnst, der selbst an den Protesten beteiligt war, hat seine heutigen<br />
Aktivitäten inzwischen weitestgehend <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Thematisierung einer vermeintlichen<br />
„Islamisierung Europas“ verschoben. Der PRO Deutschland<br />
Ableger Berlin PRO Deutschland, der im Herbst 2008 gegründet wurde,<br />
strebt eigenen Angaben zufolge <strong>die</strong> Gründung eines Landesverbandes an,<br />
um bei den Abgeordnetenhauswahlen 2011 „flächendeckend“ vertreten<br />
zu sein. Warnst nimmt <strong>die</strong> Funktion des Pressebe<strong>auf</strong>tragten ein.<br />
Natürlich war auch er bei der Kundgebung gegen <strong>die</strong> Moscheeeröffnung<br />
im Oktober 2008 zugegen. Der Berliner PRO-Ableger, der sich primär den<br />
Kampf gegen <strong>die</strong> „Islamisierung Berlins“ <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Fahne geschrieben hat,<br />
sammelt derzeit für eine Unterschriftenliste gegen den Moscheebau der<br />
muslimischen Inssan-Gemeinde im Stadtteil Kreuzberg. Inssan hat laut<br />
Verfassungsschutzbericht 2007 Verbindungen zur Islamischen Gemeinschaft<br />
in Deutschland e.V. unterhalten, <strong>die</strong> wiederum als Ableger der<br />
ägyptischen Muslimbruderschaft gilt. Diese kann seit den 1920er Jahren<br />
als eine der radikalsten fundamentalistischen Gruppierungen bezeichnet<br />
werden.<br />
Hier zeigt sich, wie fundamental wichtig eine konkrete Auseinandersetzung<br />
einer emanzipativen Linken mit den oftmals rassistisch gefärbten<br />
Moscheebauprotesten einerseits, jedoch auch mit islamistischem<br />
Fundamentalismus und den entsprechenden menschenfeindlichen<br />
Ideologemen andererseits ist. Gerade in Bezug <strong>auf</strong> den schwelenden Nahostkonflikt<br />
hat sich zuletzt auch <strong>auf</strong> Berliner Straßen gezeigt, dass linke<br />
Gruppen bis hin zu MigrantInnenverbänden antisemitische Parolen sowie<br />
Fahnen der Hamas und der Hisbollah in ihren Reihen duldeten. Eine Kategorisierung<br />
in Moscheebefürworter und Moscheegegner, wie sie meist<br />
von den Me<strong>die</strong>n vorgenommen wird, kann den Kern einer emanzipativen<br />
Auseinandersetzung nicht treffen, weil dabei <strong>die</strong> Religionskritik vollkommen<br />
<strong>auf</strong> der Strecke bleibt. Diese Kritik lässt sich jedoch nicht im Bündnis<br />
mit den erwähnten Heinersdorfer und Berliner Akteuren formulieren, <strong>die</strong><br />
alle Muslime als monolithischen Akteur begreifen. Wenn IPAHB und Co<br />
sich dem Kampf gegen Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit widmen,<br />
<strong>die</strong> sie allerdings ausschließlich <strong>auf</strong> den Islam projizieren und dabei etwa<br />
den spezifisch deutschen Antisemitismus völlig aus dem Auge verlieren,<br />
dann stellen sie dem eine wahlweise deutsche (PRO Deutschland) oder<br />
europäische Identität (PAX Europa) entgegen, <strong>die</strong> nach jenem Verständnis<br />
ohne „<strong>die</strong> ausländischen Gäste“ eine Friedenskultur in Reinform wäre.<br />
Damit erfolgt nicht nur eine komplette Ausblendung des deutschen Vernichtungsantisemitismus,<br />
sondern es findet oftmals eine Gleichsetzung<br />
des Nationalsozialismus mit dem Islam statt, dessen Opfer heute nun <strong>die</strong><br />
Deutschen bzw. <strong>die</strong> Europäer seien. Gleichzeitig wird mit <strong>die</strong>ser Form des<br />
Geschichtsrevisionismus ein neuer deutscher Opfermythos eingeführt.<br />
Favorisiert wird zudem eine modernisierte Variante der völkischen<br />
Ideologie. Diese Form des sog. Ethnopluralismus 11 , <strong>die</strong> insbesondere von<br />
der „Neuen Rechten“ postuliert wird, findet sich da wieder, wenn es beispielsweise<br />
bei Berlin PRO Deutschland heißt: „Zur Entscheidung steht,<br />
ob <strong>die</strong> Zukunft der Menschheit den multinationalen Konzernen gehört,<br />
<strong>die</strong> regionale Kulturen einebnen und den einzelnen zu einem kleinen<br />
Rad in ihrem gewaltigen ökonomistischen Getriebe herabdegra<strong>die</strong>ren,<br />
oder den Völkern, <strong>die</strong> über Nationalstaaten handlungsfähig werden und<br />
<strong>die</strong> demokratische Teilhabe des Individuums an seinem Schicksal erst<br />
ermöglichen.“<br />
In noch offensichtlicherem Rassismus übt sich der rechts-konservative,<br />
christliche Blog Politically Incorrect. Unter Rubriken wie „Migrantengewalt“<br />
oder „Deutschenfeindlichkeit“ wird eine Übermacht migrantischer<br />
Krimineller <strong>auf</strong> deutschen Straßen suggeriert, gleichzeitig wird dabei antifaschistische<br />
Arbeit als reines Ablenkungsmanöver der „Multi-Kulti-Gutmenschen“<br />
dargestellt. Rechte Übergriffe werden in Frage gestellt oder<br />
als von Linken verübte Taten halluziniert. Jeder linguistisch interessierte<br />
Mensch könnte mit der Analyse des sich selbst als größten deutschen<br />
politischen Blog bezeichnenden Projektes Bücher füllen.<br />
Eines ist all den unterschiedlichen Projekten jedoch gemein: sie sehen<br />
sich als Opfer der heutigen, als links verstandenen Politik, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Rechte<br />
<strong>auf</strong> Meinungsfreiheit beschneide und durch das Bündnis mit dem Islam<br />
den „Untergang des Abendlandes“ 12 einleite.<br />
54 H e i n e r s d o r f<br />
Treffen von ProBerlin mit ProDeutschland-Vorsitzendem Marcus Beisicht (stehend)<br />
Interessant könnte in Zukunft <strong>die</strong> Möglichkeit einer Allianz des moderaten<br />
Flügels der NPD mit eben jenen populistischen AbendlandtheoretikerInnen<br />
sein. Der NPDler Andreas Molau, der inzwischen der Deutschen<br />
Volksunion (DVU) beigetreten ist, sendete bereits Signale an <strong>die</strong> PRO-Bewegung,<br />
was natürlich von Hardlinern wie Eckart Bräuniger kritisiert wurde.<br />
13 Gerade im Bereich der Imagination einer Bedrohung Europas durch<br />
den Islam und des darin formulierten „Ausländer raus“ der populistischen<br />
Rechten lässt sich <strong>die</strong>se Kooperation jedoch denken. Es bleibt abzuwarten,<br />
inwiefern es <strong>die</strong> rechts-konservativen Kräfte der NPD schaffen, ihre<br />
Position zu festigen und Bündnisse einzugehen. Die einzige Hürde, <strong>die</strong><br />
jene Akteure der NPD nicht überwinden werden, ist ihr Antisemitismus 14<br />
– und somit bleibt zu hoffen, dass <strong>die</strong> von den RechtspopulistInnen<br />
erklärte Solidarität mit Israel, <strong>die</strong> wiederum eine Instrumentalisierung<br />
darstellt, eine derartige Zusammenarbeit verhindern wird.<br />
Für Pankow lässt sich schließlich feststellen, dass ehemalige Protagonisten<br />
des Protestes ihr Engagement <strong>auf</strong> berlinweiter Ebene fortführen,<br />
so René Stadtkewitz und Joachim Swietlik bei PAX Europa und Peter<br />
Warnst bei Berlin PRO Deutschland. Eine antifaschistische Linke, <strong>die</strong><br />
sich ernsthaft gegen Antisemitismus ausspricht, muss daher zukünftig<br />
kontinuierlicher beobachten, was sich in der Anti-Moscheebewegung<br />
tut, während <strong>auf</strong> der anderen Seite eine Kritik an fundamentalistischen<br />
Strömungen nicht ausbleiben darf. Unsere Unterstützung sollte all denjenigen<br />
gelten, <strong>die</strong> sich, ob muslimischen Hintergrunds oder nicht, für eine<br />
Selbstbestimmung des Individuums einsetzen. Gerade mit Blick <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />
Abgeordnetenhauswahlen wäre eine Allianz aus emanzipativen Kräften<br />
eine wünschenswerte Basis.<br />
1. So lautete das Motto der Kundgebung am 16. Oktober 2008 „Für Demokratie und Menschen-<br />
rechte. Gegen Links- und Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und gegen Islamismus.“<br />
2. Vgl. Swietlik Rede zur Moscheeeröffnung<br />
3. pankow.antifa.net/TExte/eag-hdorf.pdf<br />
4. Vgl. Swietlik Rede zur Moscheeeröffnung<br />
5. www.welt.de/politik/article212193/Moscheen_Streit_Verfassungsschutzchefin_raet_zu_Sach-<br />
lichkeit.html<br />
6. ipahb.de/blog/?p=254<br />
7. Lasinski war nach dem Bekanntwerden seiner Teilnahme an der NPD-Demonstration zunächst<br />
aus der CDU ausgetreten, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Im Februar <strong>2009</strong> wurde er<br />
dennoch erneut zum Kassenprüfer des Pankower Kreisverbandes der CDU gewählt.<br />
8. www.pi-news.net/2008/10/pax-europa-landesverband-berlin-brandenburg/<br />
9. pressemitteilung.ws/node/100258<br />
10. nip-berlin.de/daten/index2.php?option=com_content&do_pdf=1&id=100<br />
11. „Ethnopluralismus“ lässt sich als Verschiebung extrem rechter Ideologie von „Rasse“ <strong>auf</strong><br />
„Ethnie“ bzw. „Kultur“ beschreiben. Die Menschheit sei demnach in verschiedene Kulturen<br />
<strong>auf</strong>geteilt, welche als monolithisch und unabänderlich begriffen werden. Wie beim biologistischen<br />
Rassismus wird auch hier eine strikte Trennung <strong>die</strong>ser „Kulturen“ eingefordert, da Ethnopluralis-<br />
tInnen sich <strong>die</strong> eigene kulturelle Identität als höherwertige vorstellen, <strong>die</strong> es gegen andere Identi-<br />
täten (denen in ihrem vermeintlich unzivilisierten jeweiligen Kontext Berechtigung zugesprochen<br />
wird) ob des „Erhalts von Reinheit“ abzuschirmen gilt. Dieses Konzept ist somit für <strong>die</strong> gängige<br />
Parole „Ausländer raus“ durchaus kompatibel.<br />
12. SOS Abendland lautete das Buch des „Islamkritikers“ und Gründers von PAX Europa, Udo<br />
Ulfkotte, welcher inzwischen mit der Begründung ausgetreten ist, dass <strong>die</strong> Bewegung sich zu<br />
einer Plattform für „rechtsextreme Radaubrüder“ entwickelt habe.<br />
13. Bräuniger wirft Molau eine mangelnde Positionierung vor, sowie den Versuch, „allen Alles zu<br />
versprechen“. Der auch von Molau vertretene Ethnopluralismus, der ebenfalls einen europäi-<br />
schen Nationalismus befürwortet, stellt für <strong>die</strong> Hardcoredeutschen natürlich eine Bedrohung da.<br />
14. Auf <strong>die</strong> sich israelsolidarisch gebende PRO-Bewegung angesprochen, äußerte Molau bereits,<br />
dass er der Politik Israels keinesfalls etwas Positives abgewinnen könne.<br />
Vgl. patriotischesforumsueddeutschland.wordpress.com/<strong>2009</strong>/01/20/exklusiv-im-gesprach-mit-<br />
andreas-molau-npd/