Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
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Die Anti-Moscheebewegung<br />
in Heinersdorf<br />
Am 16. Oktober 2008 eröffnete im Pankower Ortsteil Heinersdorf <strong>die</strong> erste Moschee Ostdeutschlands ihre<br />
Pforten. Es erschienen nicht nur zahlreiche Me<strong>die</strong>nvertreterInnen und geladene Gäste, sondern auch wenige<br />
hundert ProtestlerInnen zu einer Gegenkundgebung. Das Spektrum reichte dabei von der lokalen CDU, über<br />
<strong>die</strong> eigens gegründete Bürgerinitiative IPAHB (Interessengemeinschaft Pankow Heinersdorfer Bürger), deren<br />
Partner PI-News (einem rechts-konservativen Webblog) bis hin zur lokalen Neonaziszene. Der Pankower Kreisverband<br />
der NPD, der zunächst zu einer eigenen Kundgebung gegen <strong>die</strong> Moscheeeröffnung mobilisiert hatte,<br />
sagte <strong>die</strong>se kurzfristig ab, da „man den Protest nicht spalten wolle“.<br />
Die während der zweieinhalb Jahre Bauzeit der Moschee geführte<br />
Mobilisierung gegen das islamische Gotteshaus hat sich längst zu einem<br />
Feldzug eines sich als unterdrückt fühlenden Bevölkerungsteils gegen<br />
eine diffus empfundene feindliche Allianz entwickelt. Neben dem erklärten<br />
Hauptziel, in Heinersdorf einer vermeintlichen Islamisierung Europas<br />
entgegenwirken zu wollen, demonstrierten <strong>die</strong> „letzten Aufrichtigen“ auch<br />
gegen „<strong>die</strong> lokalen Volksvertreter“, <strong>die</strong> nicht mehr bei ihrem Volk stehen<br />
würden, sowie „gegen Links- und Rechtsextremismus“ 1 . Die von Anfang<br />
an von der IPAHB formulierte Abgrenzung gegenüber Neonazis in den<br />
eigenen Protestreihen sollte sich durch <strong>die</strong> kontinuierliche Präsenz von<br />
Neonazis als Farce erweisen. Auch bei der vorerst letzten Kundgebung<br />
waren ein Dutzend Neonazis anwesend, darunter das ehemalige Mitglied<br />
der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Mirko Tambach, Andy<br />
Fischer, Sandor Makai sowie Paul Schneider. So wurde <strong>die</strong> Kundgebung<br />
gegen <strong>die</strong> Eröffnung der Moschee nicht zuletzt auch ein Protest gegen<br />
den „Terror der roten SA“, wie AntifaschistInnen vom Vorsitzenden der<br />
IPAHB, Joachim Swietlik, liebevoll bezeichnet werden.<br />
Als im Frühling 2006 das Bauvorhaben der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde,<br />
<strong>die</strong> bis dato ein Einfamilienhaus in Reinickendorf als religiöses<br />
Zentrum nutzte, bekannt wurde, brach in der hiesigen Bevölkerung<br />
ein Sturm der Entrüstung aus. Auf einer vom Bezirksamt geladenen<br />
Veranstaltung am 30. März 2006 in der Turnhalle der Heinersdorfer<br />
Grundschule, <strong>die</strong> als Informationsveranstaltung konzipiert war, und<br />
gegen <strong>die</strong> wiederum von Seiten der Heinersdorfer MoscheegegnerInnen<br />
mit Plakaten wie „Moschee im Dörfli? Nee!“ mobilisiert wurde, kam es<br />
schließlich zum Eklat. GemeindevertreterInnen der Ahmadiyya sowie<br />
Mitglieder des Bezirksamtes mussten unter Polizeischutz aus der völlig<br />
überfüllten Turnhalle eskortiert werden, während vor der Schule eine<br />
<strong>auf</strong>gebrachte Menge „Wir sind das Volk“ skan<strong>die</strong>rte und zu Teilen versuchte,<br />
<strong>die</strong> völlig überfüllte Halle zu stürmen. Dabei ging <strong>die</strong> Stimmung<br />
mitnichten lediglich von den vereinzelt anwesenden Neonazis aus. Die<br />
Veranstaltung wurde schließlich aus Sicherheitsgründen abgesagt. Die<br />
Stimmung in Heinersdorf war eindeutig: Man fühlte sich „von denen da<br />
oben“ hintergangen, <strong>die</strong> Bevölkerung sei zu dem Bauvorhaben nicht<br />
befragt worden.<br />
Die Argumente gegen den geplanten Moscheebau trieften nur so von<br />
abstrusen Vorstellungen. So war etwa zu hören, dass <strong>die</strong> geplante Kuppel<br />
der Moschee den Handyempfang stören könnte. Der Grundtenor der „Argumente“<br />
war jedoch deutlich durch rassistische und kulturkämpferische<br />
52 H e i n e r s d o r f<br />
Alle Bilder in <strong>die</strong>sem Artikel<br />
stammen vom 11. Juni 2007<br />
Muster geprägt. So wurde angeführt, dass keiner der Gemeindemitglieder<br />
in Heinersdorf wohnen würde, Heinersdorf vielmehr christlich sei und eine<br />
„religiöse Sekte“ dort nichts verloren habe. Dass mit <strong>die</strong>ser Argumentation<br />
<strong>die</strong> Gemeinde nirgends eine Moschee bauen könnte, da <strong>die</strong> Mitglieder<br />
über ganz Berlin verstreut wohnen, blieb unerwähnt. Zudem würden <strong>die</strong><br />
meisten Mitglieder der Gemeinde „Hartz IV“ beziehen, und damit <strong>auf</strong><br />
Kosten des deutschen Staates leben 2 . Im Vorfeld der Veranstaltung in der<br />
Sporthalle der Grundschule wurden flächendeckend Flugblätter verteilt,<br />
in denen <strong>die</strong> „höhere Arbeitslosigkeit unter Muslimen“ als Bedrohung für<br />
das „Hab und Gut“ der Heinersdorfer Bevölkerung dargestellt wurde 3 .<br />
Ebenso wurde spezifische NS-Terminologie <strong>auf</strong> den Islam angewandt, und<br />
damit eine rhetorische Gleichsetzung betrieben. So unterstellte Swietlik<br />
dem Islam im Allgemeinen und der Ahmadiyya im Besonderen, dass sie<br />
„Endsieggelüste“ hegen würden. 4 Als weiterer Grund für <strong>die</strong> Ablehnung<br />
wurde ein Gewaltszenario halluziniert, das sich durch Auseinandersetzungen<br />
konkurrierender muslimischer Gruppen, aber auch durch „Links- und<br />
Rechtsextreme“ auszeichnen würde. Das mit der Entwicklung der Proteste<br />
zunehmend häufiger vorgebrachte Argument, dass der Islam grundsätzlich<br />
mit Menschenrechten nicht vereinbar, und deshalb das Bauvorhaben<br />
abzulehnen sei, lässt sich dabei nur als vorgeschoben beurteilen. Die<br />
Chefin des Berliner Landesverfassungsschutzes schätzt <strong>die</strong> Ahmadiyya<br />
weder als extremistisch noch als gewalttätig ein. 5<br />
Mit dem Bekanntwerden des Bauvorhabens gründete sich im März 2006<br />
<strong>die</strong> Bürgerinitiative IPAHB. Deren Entstehung war im wesentlichen von<br />
der Pankower CDU beeinflusst worden: Der Pankower Kreisverband hatte<br />
in einer Vorstandssitzung <strong>die</strong> Thematisierung des Moscheebaus als<br />
Wahlkampfthema auserkoren und zahlreiche CDU-Mitglieder engagieren<br />
sich bis heute in der IPAHB. Diese war dann auch Organisatorin fast aller<br />
Demonstrationen gegen den Moscheebau, <strong>die</strong> 2006 immer unter dem<br />
Motto „Gegen das Kalifat, gegen <strong>die</strong> Scharia, gegen den Missbrauch der<br />
Religionsfreiheit. Für <strong>die</strong> Gleichberechtigung der Frauen, für <strong>die</strong> Bürgerrechte,<br />
für Demokratie und Bürgerbegehren, für den Rechtsstaat“ angemeldet<br />
worden waren. Die stets wiederholte Forderung nach Demokratie,<br />
der <strong>die</strong> lokalen PolitikerInnen durch Erteilung der Baugenehmigung nicht<br />
nachgekommen seien sollen, steht im krassem Widerspruch zum Demokratieverständnis<br />
der IPAHB, zu dem auch der Schutz von Minderheiten<br />
zählen müsste. So heißt es in einer Pressemitteilung der IPAHB: „Wenn<br />
Demokratie bedeuten sollte, dass unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit<br />
<strong>die</strong> Interessen von 180 Sektenmitgliedern höher bewertet