Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
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fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />
Berlin Südwest<br />
von NPD bis Grauzone<br />
In den Berliner Bezirken Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf existieren neonazistische Strukturen<br />
unterschiedlichster Couleur. Neben dem NPD Kreisverband 3 und neonazistischen, losen Jugendgruppen<br />
gibt es rechte Burschenschaften, eine sehr weit rechts stehende, lokale CDU, ein Auktionshaus für<br />
Nazi-Devotionalien und nicht zuletzt <strong>die</strong> Villa des schwedischen Neonazis Patrick Brinkmann.<br />
1. Der Kreisverband 3 und Hans-Joachim Henry<br />
Der erst im Februar 2006 gegründete Kreisverband 3 ist der jüngste<br />
Kreisverband der Berliner NPD. Er wurde im Rahmen der Neuorganisation<br />
der westlichen Kreisverbände gegründet. Während sich seine regionale<br />
Zuständigkeit bei Gründung und laut Website der NPD-Berlin <strong>auf</strong> <strong>die</strong><br />
Bezirke Tempelhof-Schöneberg beschränkt, formuliert der Kreisverband<br />
<strong>auf</strong> seiner Internetseite auch eine Zuständigkeit für den Bezirk Steglitz-<br />
Zehlendorf. Die Schwerpunkte der Arbeit des Kreisverbandes liegen in<br />
den Ortsteilen Lichtenrade, Marienfelde, Lankwitz und Steglitz.<br />
Der Kreisverband 3 besteht aus ca. 15 aktiven, meist älteren (40+) Mitgliedern.<br />
Die Aktivitäten des KV3 sind anschlussfähig für ein breites Spektrum<br />
der rechten Szene in Berlin. Er zählt zu einem der aktivsten Berlins.<br />
Neben zahlreichen Infoständen organisierte er zwei Saalveranstaltungen<br />
in Lankwitz im Jahr 2007 und 2008 in bezirkseigenen Räumen.<br />
Im April und Juli 2007 veröffentlichte der Kreisverband regional Ausgaben<br />
des NPD-Faltblatts Weiterdenken, welches stark <strong>auf</strong> regionale Themen<br />
Bezug nahm, u. a. <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Verlegung von Stolpersteinen in Lichtenrade<br />
und <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Diskussionen um <strong>die</strong> Umbenennung der Treitschkestraße in<br />
Steglitz. Außerdem versuchten sie an <strong>die</strong> Proteste gegen <strong>die</strong> Schließung<br />
des Flughafens Tempelhof Anschluss zu finden und warben u. a. öffentlich<br />
für das Volksbegehren.<br />
Der Kreisverband 3 betrieb eine eigenständige und regelmäßig aktualisierte<br />
Webseite. Neben Kommentaren zum aktuellen Tagesgeschehen,<br />
Berichten von Neonaziveranstaltungen und Ergebnissen aus der<br />
Sportwelt lieferte der Kreisverband eine große Übersicht an Terminen<br />
von Veranstaltungen des eigenen und weiterer Kreisverbände der NPD.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Aktivitäten sind Freizeitangebote für<br />
Mitglieder und SympathisantInnen. Dazu gehören monatliche Mitgliederversammlungen<br />
und wöchentliche Stammtische.<br />
Im Jahr 2006 und 2007 ließen sich zahlreiche personelle Überschneidungen<br />
zu den „Reichsbürgern“ nachweisen. Bis April 2007 war der<br />
„Reichsbürger“ Frank Reitemeier im Vorstand des Kreisverbands. Nach<br />
offensichtlichen Streitigkeiten verließen zahlreiche „Reichsbürger“ den<br />
Kreisverband. Zeitgleich wurde der Vorstand teilweise neubesetzt.<br />
Der wichtigste Akteur des Kreisverbands war bis zur Abkehr von der NPD,<br />
Hans-Joachim Henry. Dieser war seit der Gründung bis November 2008<br />
Vorsitzender des Kreisverbandes und stellvertretender Vorsitzender der<br />
Berliner NPD. Zum Landesparteitag im Juni 2008 kandi<strong>die</strong>rte er für den<br />
Landesvorsitz, zog seine Kandidatur jedoch kurz vor dem Parteitag zurück<br />
und verhinderte so eine Kampfabstimmung gegen Jörg Hähnel.<br />
Für <strong>die</strong>sen Landesparteitag mietete Hans-Joachim Henry, im Namen des<br />
KV3, Räume im Rathaus Tempelhof um den Landesparteitag auszurichten.<br />
Nach der Kündigung des Vertrags durch den Bezirk und einer gerichtlichen<br />
Niederlage musste der Landesparteitag im Garten der Parteizentrale<br />
der NPD abgehalten werden. In den folgenden Monaten entwickelte<br />
sich der Konflikt mit Hähnel zu einem offenen Machtkampf.<br />
Machtkampf zwischen Jörg Hähnel und Hans-Joachim Henry<br />
Der Streit eskalierte als Hans-Joachim Henry und Gesine Hennrich<br />
(ehemalige Vorsitzende der NPD Marzahn und ehemalige Vorsitzende der<br />
Ring Nationaler Frauen Ortsgruppe 2) eine Demonstration in Marzahn<br />
am 23. Oktober 2008 unter dem Motto „Höchstrafe für Kinderschänder“<br />
entgegen dem „Willen“ Jörg Hähnels organisierten. Auf der Webseite<br />
des KV3 wurde massiv für <strong>die</strong> Demonstration geworben und im Vorfeld<br />
darüber berichtet. Anderthalb Monate später verließen Henry und zirka<br />
20 seiner Begleiter den Aufmarsch am 6. Dezember 2008 in Berlin nach<br />
Streitigkeiten mit den OrganisatorInnen frühzeitig. Weitere Anzeichen der<br />
engen Zusammenarbeit Henrys mit Gesine Hennrich zeigten sich bei der<br />
Durchführung eines gemeinsamen Infostands mit dem Ring Nationaler<br />
Frauen am Hermann-Ehlers-Platz (Rathaus-Steglitz) am 30. Juli 2008. Als<br />
Gesine Hennrich, ehemalige Vorsitzende der NPD-Marzahn, <strong>die</strong> NPD verlassen<br />
musste, drehte sich der Konflikt augenscheinlich um ihr Verhältnis<br />
zum Landesvorsitzenden und zu Henry. Aus ihrer öffentlichen Erklärung<br />
zu ihrem Rücktritt geht hervor, dass Jörg Hähnel sie in <strong>die</strong> NPD Zentrale<br />
in Köpenick zitierte um Aufschluß über <strong>die</strong>ses Verhältnis zu bekommen.<br />
Da Hennrich bekanntlich eine enge Vertraute Henrys ist, reiht sich der<br />
Trouble (siehe Artikel zu „NPD-Berlin“) um Hennrichs „Erotik-Fotos“ wohl<br />
in den Konflikt zwischen Jörg Hähnel und Hans-Joachim Henry ein.<br />
Im Januar <strong>2009</strong> überschlugen sich, nach dem Rücktritt von Gesine Hennrich,<br />
<strong>die</strong> Ereignisse. Augenscheinlich wurde <strong>die</strong> Konsequenz aus dem seit<br />
Mitte Oktober 2008 tobenden Machtkampf gezogen.<br />
Rücktritt Hans-Joachim Henrys aus der NPD-Führung<br />
Die Webseite des Kreisverbands 3 wurde im Februar 2008 durch den<br />
Landesverband abgeschaltet, nachdem dar<strong>auf</strong> Äußerungen gegen den<br />
Landesvorsitzenden und Veröffentlichungen des Personenkreis um Hennrich<br />
erschienen waren. Einige Tage später trat Henry als stellvertretender<br />
Landesvorsitzender zurück. Offiziell hieß es der Landesverband zweifle an<br />
seiner Loyalität zur Partei und es sei ihm nahe gelegt worden <strong>die</strong> Partei zu<br />
verlassen. Hauptgrund sei jedoch ein Treffen mit führenden Mitgliedern<br />
des Freien Nationalen Bündnis (FNB), so der Landesvorsitzende. Vermutlich<br />
ging es jedoch bei <strong>die</strong>ser Affäre um weit mehr. In den folgenden<br />
Tagen wurden Postfach, E-<strong>Mai</strong>l Adresse und Webseite des KV3 <strong>auf</strong>gelöst<br />
und sämtliche Kontaktdaten an <strong>die</strong> Parteizentrale gebunden.<br />
Auf der Internetplattform Altermedia wurden zudem Gerüchte laut,<br />
wonach Henry und Gesine Hennrich tatsächlich an <strong>die</strong>sen Gesprächen<br />
mit dem FNB beteiligt gewesen seien und <strong>die</strong> Gründung eines Landesverbands<br />
des FNBs in Berlin anstreben würden. Auf einer Kundgebung des<br />
FNB (Motto: „Höchststrafe für Kinderschänder“), am 27. März in Moabit,<br />
übernahmen beide strukturelle Aufgaben.<br />
Seit dem 7. März betreibt Hans-Joachim Henry unter der Domain ex-k3berlin.de<br />
einen Internetblog <strong>auf</strong> dem offensiv für das Freie Nationale<br />
Bündnis geworben wird. Vom Stil und Inhalt lehnt sich der Blog an <strong>die</strong><br />
Karl Heinz Panteleit (r.)<br />
Kontinent Europa Stiftungs<br />
Chef: Patrik Brinkmann Hans-Joachim Henry Gesine Hennrich und Ronny Schrader in Frontbann 24-Uniform