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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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einem Schlagstock, eine antifaschistische Demonstration auszuspähen.<br />

Robert Hardege und Markus Pohle betätigten sich am 8. <strong>Mai</strong> 2007 ebenfalls<br />

im Umfeld einer linken Demonstration als „Anti-Antifa“-Aktivisten,<br />

konnten aber erkannt und vertrieben werden. Beide versuchten wiederholt<br />

im linken Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus in Neukölln-Britz zu<br />

spionieren. Hardege ist bis zu seiner Inhaftierung eine Nachwuchskraft<br />

innerhalb der Rudower Kameradschaftsszene gewesen, er hatte Kontakte<br />

zur NPD und besuchte Schulungen der Partei. Pohle war für <strong>die</strong> Dauer von<br />

sechs Monaten Mitglied der NPD.<br />

Diese Menge an Fakten hätte vermutlich schon früher zu effektiveren<br />

Ermittlungen und weniger vorsichtigen Einschätzungen seitens staatlicher<br />

Behörden geführt, wenn nicht Familien mit Migrationshintergrund Ziel der<br />

Mordversuche gewesen wären, sondern ein süddeutscher Polizeipräsident.<br />

So kam denn auch das Gericht zu der Einschätzung, <strong>die</strong> beiden Angeklagten<br />

seien zwar zur Tatzeit der rechten Szene zuzuordnen gewesen,<br />

jedoch sei eine feste Einbindung in NPD-Strukturen nicht festzustellen.<br />

Außerdem sei zwar „ein vernünftiger Patriotismus [...] durchaus positiv“,<br />

<strong>die</strong> Täter jedoch „hätten Schande über unser Land gebracht“, während<br />

<strong>die</strong> Opfer „viel für unser Land“ getan hätten. In <strong>die</strong>ser Perspektive ist das<br />

Wohl Deutschlands universeller Bewertungsmaßstab für individuelles<br />

Handeln.<br />

Black Block in der NS-Variante:<br />

„Autonome Nationalisten“ im Neuköllner Süden<br />

Hardege und Pohle agierten als Nachwuchs einer Szene von gewaltbereiten<br />

„Autonomen Nationalisten“. Diese entstanden in Süd-Neukölln spätestens<br />

im Jahr 2003, zunächst als Kameradschaftsstruktur, und traten<br />

seitdem unter den Bezeichnungen Kameradschaft Neukölln, Deutsche<br />

Gemeinschaft Süd (DGS), Freie Nationalisten Rudow, Nationale Aktivisten<br />

Neukölln (NAN) und Aktionsgruppe Rudow (AGR) in Erscheinung.<br />

Die wechselnden Namen sollten vor staatlicher Repression schützen und<br />

antifaschistische Recherchen erschweren.<br />

Wesentlich beteiligt bei der Gründung <strong>die</strong>ser Strukturen und der Rekrutierung<br />

von Jugendlichen waren Jill Glaser und Florian Schumann. Beide<br />

versuchen möglichst selten „öffentlich“ in Erscheinung zu treten. Glaser<br />

musste sich im Jahr 2002 vor Gericht verantworten, weil er Propagandamaterial<br />

beim US-Neonazi Gary Lauck bestellt hatte. Bei der Durchsuchung<br />

seiner Wohnung fand <strong>die</strong> Polizei einen Mitgliedsausweis der<br />

Jungen Nationaldemokraten (JN), NPD-Plakate und Tonträger von Rechtsrock-Bands.<br />

Vor allem in den ersten Jahren standen Glaser und Schumann<br />

in enger Verbindung mit René Bethage, welcher führender Kader in<br />

der mittlerweile verbotenen Kameradschaft Berliner Alternative Süd-Ost<br />

(BASO) im benachbarten Bezirk Treptow war. Unterstützung erfuhren sie<br />

außerdem von Sascha Kari, heute Beisitzer im Landesvorstand der DVU<br />

Berlin und ehemals Republikaner. Ziel von Schumann und Glaser war es,<br />

unorganisierte rechte Jugendliche, welche sich regelmäßig am Rudower<br />

Dorfteich trafen, in feste Strukturen einzubinden, und perspektivisch eine<br />

Organisierung für ganz Süd-Neukölln unter dem vor Repression schützen-<br />

34 N e u k ö l l n<br />

fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />

Erik Wagner Fabian Lüdke Marcel Königsberger Marcel Mokosch Jenny Koch Roman Kische<br />

Dennis Kittler Sven Zabel Matthias Römer Jennifer Anschütz Neonaziaktivistin aus Neukölln Patrick Kundt<br />

den Dach der NPD zu erreichen. Mit Einschränkungen und von Rückschlägen<br />

begleitet war <strong>die</strong>ses Vorhaben immer wieder erfolgreich. Zwischenzeitlich<br />

kam es allerdings auch zu Konflikten zwischen den beiden Kadern<br />

und einigen der rekrutierten Jugendlichen. Letztere empfanden <strong>die</strong><br />

Struktur der „Autonomen Nationalisten“ als attraktiver im Hinblick <strong>auf</strong><br />

ihre Aktions- und Gewaltorientierung. Eine politisch-inhaltliche Fun<strong>die</strong>rung<br />

war für <strong>die</strong> Jüngeren von geringer Bedeutung, während das Verteidigen<br />

des „eigenen Reviers“, das Sprühen von Parolen sowie gewalttätige Auseinandersetzungen<br />

mit politischen GegnerInnen spannender erschienen.<br />

Diese Jugendlichen agierten dabei vor allem unter dem Label „Autonome<br />

Nationalisten Berlin (ANB)“ und versuchten, <strong>die</strong> kulturellen Codes der<br />

Autonomen Antifa zu kopieren, z.B. bei der Auswahl von Bekleidung, Parolen<br />

und Layout-Motiven. Die Konflikte zwischen den Alt-Kadern und den<br />

Jüngeren konnten später beigelegt, werden und der Aufbau des Neuköllner<br />

Kreisverbandes der NPD wurde von den Kameradschaftsstrukturen<br />

unterstützt. NPD-Aktivitäten wurden gemeinsam unternommen, <strong>die</strong> Partei<br />

blieb potentieller Rückzugsraum vor staatlicher Repression und <strong>die</strong> Jüngeren<br />

orientierten sich in ihrer Praxis weiterhin am ANB-Label.<br />

Gute Kontakte hat <strong>die</strong> Süd-Neuköllner Clique zu Neonazis aus Brandenburg<br />

(Teltow-Fläming, Dahme-Spreewald, Königs Wusterhausen), ebenso<br />

zu vergleichbaren Strukturen in anderen Berliner Bezirken, vor allem<br />

zu Mitgliedern der verbotenen Kameradschaften Tor (Lichtenberg) und<br />

BASO. Als Reaktion <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Verbote von BASO und Tor wurden im September<br />

2005 <strong>die</strong> Jungen Nationaldemokraten Neukölln gegründet. Innerhalb<br />

der Struktur der „Autonomen Nationalisten“ agierten in den letzten Jahren<br />

überwiegend 19-24jährige, unter anderem Patrick Weiß, Sebastian Thom,<br />

Marcel „Klopsi“ Königsberger (Altglienicke), Kai-Uwe Zemke, Thomas<br />

„Steiner“ Schirmer, Jenny Koch, Matthias Römer, Christopher Simon,<br />

Daniel Dech und Jennifer Anschütz. Weiß zählt neben Florian Schumann<br />

und Jill Glaser zum „harten Kern“, hält Kontakte zu anderen Neonazistrukturen,<br />

übernimmt Aufgaben im Rahmen von Demonstrationen und<br />

versucht sich als „Anti-Antifa“-Fotograf. Sebastian Krzyzanowski hat sich<br />

aus persönlichen Gründen aus der politischen Arbeit zurückgezogen, ist<br />

jedoch kein „Aussteiger“.<br />

Neben den Rudowern Sebastian Thom (der es mittlerweile in den Vorstand<br />

der Berliner NPD geschafft hat), Daniel Dech und Thomas Schirmer<br />

fielen bislang vor allem einige Buckower Neonazis durch ihre Nähe zur<br />

NPD <strong>auf</strong>: Dennis Kittler, Roman Kische und Sven Zabel (Britz) konnten<br />

dem Umfeld der Jungen Nationaldemokraten (JN) Neukölln zugeordnet<br />

werden, wobei <strong>die</strong>se in den letzten Jahren insgesamt kaum und unabhängig<br />

von der NPD gar nicht agierten.<br />

Im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen in der Berliner NPD<br />

und der Gründung des Frontbann 24 (siehe Artikel „NPD“) ist nun jedoch<br />

auch eine Neuköllner Ortsgruppe entstanden, welche eine neue politische<br />

Heimat für einige Buckower Neonazis zu sein scheint.<br />

In <strong>die</strong>sem Umfeld und im Frontbann 24 aktiv ist auch der mittlerweile<br />

ebenso in Buckow wohnende, aus Teltow stammende Gordon Bodo<br />

Dreisch. Dreisch fiel in der Vergangenheit durch gewalttätige Übergriffe

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