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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />

Der Gründer der Berliner Alternative Südost (BASO), René Bethage bei einer Jappy-Party.<br />

sie später politisch zu instrumentalisieren. Selbst Flirtforen und interaktive<br />

Single-Treffs wie ma-flirt sind nicht sicher vor Neonazis. Zur Belustigung<br />

von AntifaschistInnen haben ganz einsame Neonazi-Herzen eigene Foren<br />

wie z.B germania-flirt ins Leben gerufen.<br />

Wenig strategisch bewegen sich Berliner Neonazis durchs Netz. Nahezu<br />

alle aus dem aktionsorientierten Spektrum im Alter von 16 – 25 sind über<br />

Jappy und Stayfriends vernetzt. Der Anschluss an <strong>die</strong> sonst sehr selektive<br />

Neonazi-Szene wird über das Netz extrem erleichtert und das unverbindliche<br />

„Reinschnuppern“ ermöglicht. Die Aufnahme in der Buddyliste oder<br />

der freundschaftliche mit Neonazi-Bildchen versehene Eintrag in das<br />

Gästebuch eines Kaders ist eine geringe soziale Hürde, im Vergleich zur<br />

hierarischen Struktur im Reallife, <strong>auf</strong> Aktionen oder Treffen.<br />

Auf Jappy wird viel Persönliches preisgegeben und all das besprochen,<br />

was das Lebensumfeld anbelangt. Ob das nun <strong>die</strong> Mobilisierung zu einem<br />

Aufmarsch („Wir wünschen uns zum Nikolaus ein nationales Jugendhaus“)<br />

oder <strong>die</strong> traurige Hoffnung <strong>auf</strong> ein mildes Urteil im eigenen Strafprozess<br />

betrifft. Auch werden interne Streitigkeiten der Szene durch Ausschluss<br />

aus der Buddyliste geahndet. Ein Zeichen, dass <strong>die</strong> Mitgliedschaft<br />

in einem Community-Netzwerk einfach dazu gehört, wenn man Teil der<br />

Neonazi-Szene in Berlin sein will. Das haben auch ältere Kader erkannt.<br />

Bei der Zehn-Jahre-Jappy Party war René Bethage, der Gründungsvater<br />

der mittlerweile verbotenen Kameradschaft BASO. Doch der vereinfachte<br />

Zugang zu <strong>die</strong>ser Szene sorgt nicht nur für eine Öffnung der Neonazi-Szene,<br />

sondern auch für eine praktisch nicht mehr zu schließende Struktur<br />

- für klandestin organisierte Aktionen ist <strong>die</strong> ausgefranzte Webcommunity<br />

sogar schädlich. Dennoch: Jappy und andere webbasierte Gemeinschaftsnetzwerke<br />

sind nicht zu unterschätzen. Vor allem das lose Umfeld<br />

von organisierten Neonazis ist kurzfristig für Events wie Gegenaktionen<br />

zu Antifa-Demos oder Veranstaltungen über Jappy o.ä. blitzschnell zu<br />

mobilisieren. Auch das Beispiel der Anti-Antifa-Pankow zeigt, dass Jappy-<br />

Kontakte durchaus nützlich sein können, um sich gezielt auszutauschen.<br />

So wurden Bilder von Antifas zunächst vom Neonazi Thomas Gläser über<br />

Jappy getauscht und abgeglichen. Einige Zeit später entschied sich <strong>die</strong><br />

Community, ihre „Recherche-Ergebnisse“ <strong>auf</strong> einer eigenen Internetseite<br />

öffentlich zu machen.<br />

Vernetzungsforen<br />

Die in den 90er Jahren üblichen „Nationalen Infotelefone“ als Möglichkeit<br />

spontan zu mobilisieren wurden zur Jahrtausendwende durch SMS-Verteiler<br />

und Email-Listen ersetzt. Zuletzt prahlte der Aktivist des Märkischen<br />

Heimatschutzes, Gabriel Landgraf, beim Verlassen der Neonaziszene<br />

Mitte 2005, einen großen SMS- und Emailverteiler mitgenommen zu<br />

haben. Doch <strong>die</strong> SMS <strong>auf</strong> das Handy der einzelnen AktivstInnen ist noch<br />

nicht aus der Welt. Vor Aktionen wird eine Person benannt, <strong>die</strong> per Telefon<br />

für alle erreichbar ist. Diese hat dann Koordinierungsfunktion und auch<br />

<strong>die</strong> Aufgabe zu filtern, an wen Infos gehen. Da SMS-Verteiler bekanntlich<br />

viele Lücken <strong>auf</strong>weisen, wird zunehmend <strong>auf</strong> Internetkommunikation in<br />

privaten Bereichen gesetzt.<br />

Die zahllosen Propagandaseiten werden von einigen technisch etwas<br />

versierteren BetreiberInnen um Kommunikationsmittel erweitert. Auf<br />

simpelstem Wege sollen Kontakte geknüpft, Absprachen getroffen und<br />

vor allem szenetypisch getratscht werden. Die Foren ermöglichen einen<br />

Die im Internet aktive Berliner Gruppe „Division Spreewikinger“ schlägt vor Jappy zu unterwandern<br />

Austausch über <strong>die</strong> Grenzen des Bundeslandes hinweg. Die starke Verbindung<br />

der Berliner Kameradschaften mit den „Freien Nationalisten“ in<br />

Nordrhein-Westfalen kam nur über <strong>die</strong> Verbindung im Forum des Freien<br />

Widerstands zustande. Foren wie das Thiazi besorgen sogar eine Vernetzung<br />

über Staatsgrenzen hinaus. Die Anfangskontakte l<strong>auf</strong>en allerdings<br />

immer noch im Reallife - bei überregionalen Aufmärschen – verfestigt<br />

werden sie über den bequemen Austausch im Netz.<br />

Szeneinterne Seiten haben in den letzten Jahren stark unter Hacker-Angriffen<br />

durch <strong>die</strong> Daten-Antifa gelitten. Spektakulär waren <strong>die</strong> Hacks des<br />

Forums des Freien Widerstands (FW), des Webservers Die-Kommenden<br />

im Jahr 2005 und des Blood&Honour-Forums im Oktober 2008, das mit<br />

31.948 Nutzern zum wohl größten Neonazi-Forum gehörte. Zum FW-Hack<br />

meldet <strong>die</strong> Daten-Antifa allerdings etwas entäuscht: „Festellen mussten<br />

wir, dass es sich um eine Quatschbude ersten Ranges handelte,<br />

an welcher sich zudem bei weitem nicht so viele Neonazis beteiligten<br />

wie vermutet. (...) Offensichtlich wurde aber, dass hinter den Kulissen,<br />

mittels Privater Nachrichten, allerlei Informationen, Daten, persönliche<br />

Beziehungsprobleme und Vorlieben, Hobbys aber auch Absprachen zu<br />

politischen Aktionen <strong>die</strong> Runde machten.“<br />

Konsum statt Beteiligung<br />

Die bei den verschiedenen Hacks veröffentlichten privaten Nachrichten<br />

zeigten, das Internet ist auch ein nicht unerheblicher Umschlagplatz für<br />

Nazidevotionalien. Auf relativ einfache und bisher auch für anonym gehaltene<br />

Art und Weise kommen Neonazis an nahezu jeden gewünschten<br />

Artikel ran.<br />

Das Betreiben von Online-Shops wurde extrem vereinfacht. So versuchen<br />

sich viele Bands und HerstellerInnen von Kleidung mit dem Verk<strong>auf</strong> ihrer<br />

Ware über das Web direkt an den/<strong>die</strong> EndverbraucherIn zu wenden.<br />

Asthor-Auktion aus Kiel bietet sogar eine Neonazi-Alternative für ebay an.<br />

Hier können Devotionalien gehandelt werden, <strong>die</strong> <strong>auf</strong> ebay meist keinen<br />

Platz finden.<br />

Das Web 2.0 steht eigentlich für Partizipation der NutzerIn an den Inhalten<br />

der Seite. Davon läßt sich jedoch wenig entdecken. Der 2008 gegründete<br />

Berliner Frontbann 24 bietet beispielsweise ein Gästebuch, ein kleines<br />

schlecht moderiertes Forum und Umfragen wie „Welsche ptei wwürde sie<br />

Wählen?“ (Fehler im Original) an. Kaum entwickelt sich eine Diskussion,<br />

wird geblockt: So schreibt ein Vertreter von Frontbann 24 in der Kommentarfunktion<br />

<strong>auf</strong> der Seite des EX-Kreisverband 3 (siehe Artikel Südwest)<br />

diskussionsmüde: „Ab jetzt könnt Ihr Euch weiter <strong>auf</strong> dem Sofa und im<br />

Weltnetz (woanders trifft man Euch ja nicht an) <strong>die</strong> Mäuler zerreißen, da<br />

wir jetzt keine weiteren Kommentare zu <strong>die</strong>sem Thema abgeben werden.“<br />

Engagement gegen Neonazis im Netz<br />

Die Neonazi-Propaganda wird zunehmend zurückgedrängt. Über <strong>die</strong> google-Suche<br />

wird es immer schwerer, Seiten mit extrem rechten Inhalten zu<br />

finden. Auch Server-Betreiber außerhalb Deutschlands arbeiten mit dem<br />

Projekt jugendschutz.net zusammen. Die Erfolgsquote beim Abschalten<br />

von Neonazi-Homepages, vor allem in den USA, liegt bei 80 Prozent der<br />

von jugendschutz.net gemeldeten Pages. Doch <strong>die</strong> meisten von dem<br />

Projekt gemeldeten Seiten sind Zufallsfunde – das Engagement einzelner<br />

AntifaschistInnen, <strong>die</strong> sich um <strong>die</strong> Abschaltung bemühen, kann jugendschutz.net<br />

nicht ersetzen.<br />

Die lose Struktur der ehemaligen Mitglieder der verbotenen Kameradschaften<br />

TOR und BASO musste mehrmals <strong>die</strong> Internetpräsenz Freie<br />

Kräfte/Nationaler Widerstand Berlin einstellen, bis sie nunmehr einen<br />

bisher festen Server <strong>auf</strong> den Namen Martin Tom in den USA l<strong>auf</strong>en<br />

ließem. Für das Propaganda-Projekt Berliner Bote, das ebenfalls von<br />

N a z i s i m W e b 31

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