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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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Neonazis im Web<br />

Die Nutzung der jeweils neuesten Me<strong>die</strong>n durch <strong>Nazis</strong> ist nicht neu. Der Aufstieg der NSDAP gelang einst<br />

auch dank modernster Kommunikationstechniken, und der Nationalsozialismus hätte ohne Volksempfänger<br />

und Propagandafilme kaum funktioniert. Schon vor dem großen Internet-Boom nutzten Neonazis mit<br />

dem 1993 gegründeten Thule-<strong>Mai</strong>lbox Netzwerk digitale Kommunikationsme<strong>die</strong>n. Damals noch <strong>auf</strong> einen<br />

ausgewählten Personenkreis begrenzt, ist <strong>die</strong> Neonazi-Szene heute kaum mehr ohne <strong>die</strong> Möglichkeiten von<br />

verschlüsselten Foren, Chats, Onlineversänden und Community-Plattformen organisierbar. Die ideologisch<br />

begründete Fortschrittsfeindlichkeit ist umgeschlagen in eine bewußte Nutzung der Informations- und<br />

Kommunikationstechnik. Dabei ersetzt <strong>die</strong> Szene durch Handys, Infotelefone und das Internet ihre fehlende<br />

Organisationsstruktur und kann so weiterhin rekrutieren und neue Mitglieder einbinden.<br />

Propaganda-Maschine<br />

Auf dem NPD-Parteitag 1991 richtete <strong>die</strong> Partei erstmalig einen Arbeitskreis<br />

Me<strong>die</strong>n + Technik ein. Der Leiter <strong>die</strong>ses Arbeitskreises war Herbert<br />

G. Welsch (zeitweise Landesschatzmeister der bayerischen NPD). Ab<br />

Januar 1992 bot <strong>die</strong> NPD dann ihre Propaganda innerhalb des Btx-Dienstes<br />

der Telekom an. Mehr oder weniger aktuell halten konnten einige<br />

Kameradschaften und <strong>die</strong> NPD ihre Webseiten aber erst ab dem Jahr<br />

2000. Das Projekt jugendschutz.net dokumentierte 2007 mehr als 1.600<br />

extrem rechte Webseiten mit deutschsprachigem Angebot.<br />

2006 kündigte <strong>die</strong> NPD eine neue Offensive im Netz an. Über <strong>die</strong><br />

Videoplattform YouTube.com sollte eine wöchentliche Nachrichtensendung<br />

verbreitet werden. Hessens NPD-Landesvorsitzender Marcel Wöll<br />

produzierte zwei Pilot-Sendungen, <strong>die</strong> YouTube nach viel öffentlicher<br />

Aufregung sperren ließ. „Bald werden wir jede Woche über das Internet<br />

eine Nachrichtensendung aus unserer Parteizentrale verbreiten“, sagte<br />

Parteisprecher Klaus Beier dem SPIEGEL damals. Die Fernsehpläne der<br />

NPD waren ehrgeizig: Zu „allen relevanten Themen des Zeitgeschehens“<br />

sollte Stellung genommen werden. Zum Parteitag im November 2006 war<br />

das Projekt NPD-TV wieder gestorben und der Berliner Jörg Hähnel wurde<br />

„Be<strong>auf</strong>tragter für neue Me<strong>die</strong>n“ im Bundesvorstand. Er sorgte für das Projekt<br />

„Me<strong>die</strong>nserver“, das 2007 mit dem Download der „Schulhof-CD“ und<br />

anderen Audio-Dateien, <strong>die</strong> in Zusammenarbeit mit dem Deutsche Stimme<br />

Verlag erstellt wurden, dem „heutigen Me<strong>die</strong>nbedürfnis Rechnung<br />

tragen“ sollte. Ziel war es, sich von den „Systemme<strong>die</strong>n“ unabhängig und<br />

<strong>die</strong> NPD kulturell erlebbar zu machen. Auch vom Me<strong>die</strong>nserver ist heute<br />

nicht mehr viel zu spüren. Stattdessen wurde das Internetradio FSN (Frei<br />

Sozial National) von Patrick Schröderer (NPD-Oberpfalz) ins Netz gestellt.<br />

Vier 24-Stunden Radiosender (Rechtsrock, Hatecore, Balladen, NS-Black<br />

Metal) inklusive einer monatlichen Nachrichtensendung. Hier offenbar<br />

ebenfalls technische Probleme: „Für <strong>die</strong>sen Monat haben wir leider<br />

unser Traffic-Limit erreicht! Nächsten Monat geht es weiter!“. 2008 dann<br />

der nächste Versuch. Diesmal wollte Hähnel den Bundesparteitag in Bamberg<br />

per Live-Stream ins Internet stellen. Auch <strong>die</strong>s wieder ohne Erfolg. Ob<br />

nur das fehlende technische Know How hinter den Misserfolgen steckt, ist<br />

zu bezweifeln. Verantwortlich für nahezu alle IuK-Technik und Internetseiten<br />

der NPD sind Christian Hess, Inhaber von Straight EDV - Netzwerktechnik<br />

& Softwareentwicklungen,<br />

sowie Hans Meyer und dessen Firma<br />

Werkfeld, <strong>die</strong> beide in der Parrisiusstraße<br />

in Berlin-Köpenick ansässig<br />

sind. Hervorzuheben ist außerdem<br />

Michael Gellenthin aus Berlin, der<br />

seit 1999 Bundesgeschäftsführer<br />

der Heimattreuen Deutschen Jugend<br />

(HDJ) war. Gellenthin betreute nicht<br />

nur <strong>die</strong> HDJ-Internetpräsenz, sondern<br />

wird auch von anderen Strukturen<br />

für technisch <strong>auf</strong>wendige Aufgaben<br />

genutzt. Er ist außerdem Webmaster<br />

des Deutsches Notopfer Hilfswerk<br />

(DNHW), sowie der Jungen Landsmannschaft<br />

Ostdeutschland (JLO).<br />

30 N a z i s i m W e b<br />

fight.back Nr.4 - <strong>2009</strong><br />

Aktionistische „Freie Nationalisten“<br />

Auch das aktionsorientierte Spektrum außerhalb der NPD nutzt Websites<br />

und Videoplattformen, um <strong>auf</strong> sich <strong>auf</strong>merksam zu machen und Jugendliche<br />

zu begeistern. Viele der Seiten setzen <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Zielgruppe und erscheinen<br />

<strong>auf</strong> den ersten Blick harmlos. Jugendaffine Lock-Angebote sind<br />

Musik zum Herunterladen, Haus<strong>auf</strong>gabenhilfe oder Freizeitfahrten zum<br />

Baggersee. Aktionsberichte und Mobilisierungen stehen im Vordergrund.<br />

Aber auch klassische Ansammlungen extrem rechter Symbolik sind zu<br />

finden. Der Grund für <strong>die</strong> Häufung von NPD-unabhängigen Seiten dürfte<br />

in der einfachen Handhabung des Mediums liegen. Die Voraussetzungen<br />

für Webmaster sind gesunken, das Web 2.0 ermöglicht es fast jedem<br />

Neonazi seine eigene virtuelle Kameradschaft zu gründen und Propaganda<br />

zu verbreiten.<br />

Eine weitere Sparte ist <strong>die</strong> Live-Berichterstattung von Aufmärschen. Am 6.<br />

Dezember 2008 wurde unter Zuhilfenahme eines Handyfotografen, den<br />

Informationen aus dem Antifa-WAP-Ticker und Meldungen des Neonazi-<br />

Anmelders relativ kontinuierlich über <strong>die</strong> aktuellen Geschehnisse bei dem<br />

Aufmarsch in Berlin-Karlshorst mit Text und Bild <strong>auf</strong> den Webseiten des<br />

Freien Widestands berichtet.<br />

Eine professionelle Betreuung der Webseiten ist keine Normalität in der<br />

Neonazi-Szene. Meist sind es web-erfahrene Mitglieder bzw. aus dem Umfeld<br />

der jeweiligen Kameradschaft, Parteiniederung oder Band, <strong>die</strong> sich<br />

um <strong>die</strong> technische Umsetzung kümmern. Das dürfte der Grund für mangelnde<br />

technische Qualität der Seiten sein. Damit nicht zuviele potentielle<br />

Neuanwärter durch schlecht gemachte Seiten abgeschreckt werden, hat<br />

das Portal Widerstand.info den Wettbewerb „TOP-Liste nationalistischer<br />

Internetseiten“ ins Leben gerufen und treibt <strong>die</strong> Web-AktivistInnen an, ihr<br />

technisches Know How zu verbessern.<br />

Community-Netzwerke<br />

Die Neonazi-Szene hat auch <strong>die</strong> Community-Funktion des Web 2.0 für<br />

sich entdeckt. Damit Jugendliche <strong>die</strong> Propaganda-Seiten im Web finden,<br />

platzieren Neonazis geschickt Links <strong>auf</strong> beliebten Web 2.0-Seiten wie You-<br />

Tube oder SchülerVZ. Der Freie Widerstand im Netz aus Süddeutschland<br />

hat sich <strong>die</strong>se strategische Platzierung zur Aufgabe gemacht: „Durch <strong>die</strong><br />

Diffamierung von Menschen mit nationalistischen Träumen und Ideen<br />

und dem Rufmord sowie Verbot desgleichen, erkennen<br />

wir einen sehr starken Einschnitt in der<br />

Grundlage einer natürlichen Meinungsbildung<br />

für junge Menschen. Um <strong>die</strong>s zu verwirklichen,<br />

werden sich unsere Mitglieder in öffentliche<br />

Chats und Foren im deutschsprachigen Netz<br />

begeben und <strong>die</strong>sbezüglich Gespräche führen<br />

und Fragen beantworten.“ Auch werden massentaugliche<br />

Musikseiten wie Blip.fm und last.<br />

fm genutzt, um relativ plump NS-Musik wie das<br />

Horst-Wessel-Lied zu verbreiten.<br />

In Internetangeboten nicht explizit rechter Subkulturen<br />

finden sich auch Neonazis, <strong>die</strong> regelmäßig<br />

versuchen, soziale Verbindungen z.B. im<br />

Hardcore oder im Gothic-Spektrum (hier ist das<br />

Paganforum erwähnenswert) <strong>auf</strong>zubauen, um<br />

Ein „normales“ Profil bei der<br />

Kontaktbörse ma-flirt.de

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