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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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Carsten Schrank Wolfram Nahrath<br />

Frank Glaser Andreas Junge<br />

Die Verteidiger<br />

Vier Namen fallen immer wieder, wenn von Anwälten <strong>die</strong> Rede ist, <strong>die</strong><br />

Neonazis vor Gericht vertreten. Der wohl prominenteste ist Wolfram<br />

Nahrath. Der ehemalige Anführer der verbotenen neonazistischen<br />

Jugendorganisation Wiking Jugend vertritt vor allem bekennende<br />

Neonazis und verfolgt vor Gericht politische Strategien. Als der Berliner<br />

NPD-Chef Jörg Hähnel angeklagt war, weil er den Mord an Rosa<br />

Luxemburg gerechtfertigt hatte, versuchte Hähnels Anwalt Nahrath<br />

<strong>die</strong> Strategie, den Mord als eine gerichtlich nicht bewiesene Tatsache<br />

darzustellen und so dem Verfahren seine Grundlage zu entziehen.<br />

Auch im schon erwähnten IPAHB-Angriffs-Verfahren vertrat er den<br />

Neonazi Diego Pfeiffer.<br />

Die wohl umtriebigsten Verteidiger sind <strong>die</strong> Rechtsanwälte Andreas<br />

Junge und Frank Glaser. Die Liste der von ihnen verteidigten liest<br />

sich wie das who is who der Berliner Neonaziszene: Björn Wild, Nicole<br />

Stenzel, David Jäckel, Alexander Meurer.<br />

Neonazis dürfen bei ihnen jedoch nicht nur Geld abd<strong>rücken</strong>. Wilds<br />

Ex-Freundin Mandy Lichtenknecker sowie offenbar auch Stefanie<br />

Piehl arbeiteten in der Kanzlei von Andreas Junge.<br />

In zwei <strong>auf</strong>sehenerregenden Prozessen im letzten Jahr verteidigte<br />

der Anwalt Carsten Schrank Neonazis. Im IPAHB-Prozess verteidigte<br />

er den Pankower NPDler Patrick Fehre, im Prozess um den Angriff<br />

<strong>auf</strong> einen Stand der Linkspartei in Rudow vertrat er das Berliner Vorstandsmitglied<br />

der NPD Sebastian Thom. Seine Karriere als Neonazianwalt<br />

begann allerdings schon viel früher. In mehreren Streitfällen<br />

in den letzten zehn Jahren vertrat er <strong>die</strong> NPD vor Gericht, referierte<br />

bei Veranstaltungen der Partei zu Rechtsthemen, verteidigte einen<br />

der Täter der Hetzjagd von Guben, sowie ein Mitglied der verbotenen<br />

Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Das Repressions-Spendenkonto<br />

für <strong>die</strong> Band „Landser“ lief über sein Konto.<br />

Vor allem für <strong>die</strong> Neonazi-Marke Thor Steinar setzen sich <strong>die</strong> beiden<br />

Rechtsanwälte und Burschenschafter Sascha Jung und Markus Roscher<br />

(ehem. Mitglied beim Bund Freier Bürger) vor Gericht ein.<br />

Sascha Jung Markus Roscher<br />

l. Marco Kühnauer und r. Tobias Kühnauer<br />

„Ausstieg“ als Chance<br />

Eine sehr beliebte Strategie bei Neonazis ist es, sich vor Gericht als geläutert<br />

darzustellen. Dabei reicht es schon aus, der Gewalt abzuschwören.<br />

Eine (glaubhafte) politische Distanzierung ist nicht nötig. Obwohl <strong>die</strong> wenigsten<br />

RichterInnen politische Gesichtspunkte bei der Bewertung einer<br />

Straftat würdigen – hat <strong>die</strong> politische Einstellung des aktiven Neonazis<br />

eine Rolle gespielt, als er den Punk in der S-Bahn verprügelt hat – ist <strong>die</strong><br />

(ungeprüfte) Beteuerung des Täters meist ein Strafminderungsgrund.<br />

Weiterhin aktive Neonazis wie Sebastian Zehlecke, Stefanie Piehl, Marcel<br />

Rockel (Anmelder der Internetseite des Berliner Boten), Marko Metzkow,<br />

Alexander Basil, Martin Stelter und Lars Wünsche konnten so ihr Strafmaß<br />

d<strong>rücken</strong> oder sogar drohende Haftstrafen abwenden.<br />

Da das Gericht keinerlei Handhabe hat, um solche Behauptungen nachzuprüfen,<br />

können sie von den Neonazis folgenlos angeführt werden. Eine<br />

unrühmliche Rolle dabei spielt meist auch <strong>die</strong> Jugendgerichtshilfe, <strong>die</strong><br />

fernab jeglicher politischer Einstellung Partei für den Angeklagten ergreift<br />

und politische Gewalttaten als Folge schwerer sozialer Verhältnisse oder<br />

verzögerter Erwachsenenwerdung darstellt.<br />

Aufrechte Neonazis<br />

Gerade Verfahren, bei denen keine Haftstrafe droht, sind von Neonazis<br />

ohne politischen Gesichtsverlust zu überstehen. Die beliebteste Variante<br />

dabei ist <strong>die</strong> Aussageverweigerung. Diese kann später von den Neonazis<br />

vor Kameraden als Weigerung mit dem System zusammenzuarbeiten<br />

verk<strong>auf</strong>t werden.<br />

Doch auch <strong>die</strong> Möglichkeit der politischen Selbstdarstellung ist vor<br />

Gericht gegeben. Sich – im strafrechtlich nicht relevanten Rahmen – als<br />

Nationalist darzustellen, bringt nur in den seltensten Fällen nachteilige<br />

Behandlung mit sich. Flankiert von rechten Anwälten wird <strong>die</strong> neonazistische<br />

Äußerung vor Gericht als Interesse an Politik, als (vielleicht etwas<br />

übertriebene) Identifikation mit der Nation oder als (berechtigte) Wut<br />

gegen MigrantInnen oder AntifaschistInnen dargestellt.<br />

RichterInnen, <strong>die</strong> sich selten für den politischen <strong>Back</strong>ground interessieren,<br />

versuchen bestenfalls <strong>die</strong> Angeklagten für eine Rückkehr zum<br />

gewaltfreien Konsens zu gewinnen.<br />

Denunziation von Mittätern<br />

Oft jedoch, gerade wenn empfindliche Strafen drohen, entscheiden sich<br />

- vor allem wenig eingebundene – Neonazis dafür, durch Belastung von<br />

Mittätern den eigenen Hals zu retten. Der Ausschluss aus der organisierten<br />

Szene ist oft <strong>die</strong> Folge. Marcel Schmeck, der nach den Angriffen <strong>auf</strong><br />

Linke in Potsdam (2005) gegen <strong>die</strong> anderen Täter aussagte, wurde aus<br />

der Szene angefeindet. Auch Tobias Kühnauer, der vor Gericht versuchte,<br />

seine Rolle beim sog. IPAHB-Angriff runterzuspielen, wird von Teilen der<br />

Neonazi-Szene als Verräter angesehen. Die meisten Neonazis, <strong>die</strong> ihren<br />

politischen und sozialen Lebensmittelpunkt in der Szene haben, empfinden<br />

den Druck aus der Szene größer als den Repressionsdruck und<br />

verzichten <strong>auf</strong> belastende Aussagen.<br />

Seit der letzten fight.back ist eine Professionalisierung im Umgang mit<br />

Gerichtsprozessen festzustellen, von der nicht nur Kader, sondern auch<br />

weniger bedeutende AktivistInnen der extremen Rechten profitieren. Neben<br />

Anwälten für <strong>die</strong> Szene nutzen <strong>die</strong> Neonazis verschiedene Strategien<br />

wie vorgetäuschte Reue, „Ausstiegsgedanken“, das Begründen ihrer Taten<br />

als politisch gerechtfertigt und <strong>die</strong> Denunziation von MittäterInnen, um<br />

das Strafmaß so gering wie möglich zu halten. Die Szene hat gelernt, aus<br />

Prozessen anderer Konsequenzen zu ziehen.<br />

P r o z e s s e 29

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