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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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Neonazis, Knast<br />

und Justiz<br />

Dass es Neonazis im Knast gibt, ist erst einmal nichts ungewöhnliches,<br />

jedoch dringt nur wenig über ihr politisches Treiben hinter Gittern nach<br />

draußen. Politisch geführte Solidaritätsarbeit der Szene ist eher selten<br />

und scheint – neben dem obligatorischen Berliner Stangentransparent<br />

mit der Aufschrift „Freiheit für Olli, Christian, Sebastian, Luni … Meinungsfreiheit<br />

für nationale Sozialisten“ – eher eine Angelegenheit des<br />

jeweiligen Freundeskreises und weniger von Organisationen wie der<br />

HNG, des Deutschen Rechtsbüros und des „JVA-Report“ zu sein.<br />

Zu den wenigen prominent gehandelten Inhaftierten in Berlin gehörten<br />

Frank Schwerdt (jetzt NPD Rechtsabteilung) und Michael „Lunikoff“<br />

Regener (NPD, Sänger der Neonazi-Band Landser). Beide wurden während<br />

ihrer Haft mit bundesweiten Neonazi-Solidaritätsdemonstrationen<br />

bedacht. Der Berliner Neonazi und Polizistenmörder Kay Diesner fällt hier<br />

etwas aus der Reihe, da er in Lübeck inhaftiert ist. Ebenfalls, aber eher<br />

im lokalen Rahmen, wurden bzw. werden der Berliner Marcus Bischoff,<br />

Rene Theobald und Sebastian Dahl in ihrer Haftzeit durch ihre Kameraden<br />

unterstützt. Festzustellen ist, dass inhaftierte Kameraden nach ihrer<br />

Haftzeit meist politisch aktiv blieben.<br />

Schwerdt und Regener<br />

Mitte des Jahres 1998 wurde Schwerdt (NPD) wegen Verbreitung von<br />

NS-Propaganda gemeinsam mit seinen damailigen Berliner Kameraden<br />

Hans Christian Wendt (einst FAP-Funktionär und heute Schriftleiter der<br />

HNG-Nachrichten) und Lutz Giesen (Exil-Berliner, u.a. HDJ) zu einer neunmonatigen<br />

Haftstrafe verurteilt, dazu kam ein Urteil wegen Gewaltverherrlichung.<br />

Es blieb für ihn jedoch bei einer sechsmonatigen Haftstrafe im<br />

offenen Vollzug. Im März 2005 wurde Regener u.a. wegen Volksverhetzung<br />

verurteilt. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil des Kammergerichts<br />

bestätigt hatte, trat er im April 2005 seine Reststrafe von zwei<br />

Jahren und zehn Monaten in der JVA-Tegel an. Regener wurde im Februar<br />

2008 nach drei Jahren entlassen. Zum dar<strong>auf</strong>folgenden Eintritt von Regener<br />

in <strong>die</strong> NPD äußerte sich Schwerdt: „Das ist - denke ich mir - auch<br />

ein Fortschritt im Kampf um Köpfe“. Gelegenheit <strong>die</strong>sen „Kampf um <strong>die</strong><br />

Köpfe“ zu erleben, hatte Schwerdt bereits im April 2005, als der Landser-<br />

Sänger vor circa 1.500 Neonazis in Pößneck sein Abschiedskonzert vor<br />

dem Haftantritt gab, und Schwerdt als Veranstaltungsleiter <strong>auf</strong>trat.<br />

Die HNG<br />

Die bundesweit aktive Neonazi Gefangenhilfsorganisation ist auch in<br />

Berlin aktiv. Im September 2000 erklärte <strong>die</strong> Senatsverwaltung für<br />

Justiz: „Nach hier vorliegenden aktuellen Informationen verfügt <strong>die</strong> 1997<br />

gegründete neonazistisch ausgerichtete Hilfsorganisation für nationale<br />

politische Gefangene und deren Angehörige (HNG) in Berlin gegenwärtig<br />

über 50 Mitglieder. (...) Ziel der HNG ist es, über ihre Vereinszeitung<br />

Briefkontakte an Gefangene zu vermitteln, sie während der Haft und auch<br />

nach der Haftentlassung zu betreuen und sie weiterhin an <strong>die</strong> rechtsextremistische<br />

Szene zu binden bzw. wieder einzugliedern“. Tatsächlich wurde<br />

<strong>die</strong> HNG bereits 1979 gegründet, prominentes Mitglied im HNG-Verein ist<br />

heute Christian Wendt.<br />

JVA Tegel<br />

Die JVA Tegel gilt als „Neonazi-Streichelzoo“. Inhaftierte Antifaschisten<br />

t<strong>auf</strong>ten sie gar zum zweiten Klubhaus der Neonazi-“Rockergang“ Vandalen,<br />

da hier zeitgleich Regener und Alexander Willibald Bahls einsaßen.<br />

Ihr Vorwurf: Mehr als ein dutzend Neonazis könnten in der Berliner<br />

Haftanstalt frei agieren, sich treffen, Interviews geben und unbeanstandet<br />

26 K n a s t & J u s t i z<br />

ihre Zeitungen bekommen. Sie würden zudem bevorzugt da eingesetzt,<br />

wo <strong>die</strong> Schließer Vertraute haben wollen - also Hauskammer, Werkstatt<br />

etc. Bereits im September 2000 erklärte auch <strong>die</strong> Senatsverwaltung<br />

für Justiz: „Insbesondere in der JVA Tegel gibt es Hinweise, dass sich<br />

einige wenige Inhaftierte als Missionare ihrer rechtslastigen Gesinnung<br />

verstehen und nach eigenem Bekunden versuchen ‚Überzeugungsarbeit‘<br />

bei Mitinhaftierten zu leisten. Diesen wird jedoch kein Forum zur Verbreitung<br />

ihres rechtsextremistischen Gedankenguts eingeräumt“. Diese<br />

Behauptung darf getrost bezweifelt werden. Zumindest haben <strong>die</strong> dort<br />

inhaftierten Neonazis im sog. JVA-Report ein Forum, um miteinander und<br />

nach draußen zu kommunizieren. In einem Interview <strong>auf</strong> der neonazistischen<br />

Internetseite erklärt der Neonazi Sebastian Dahl frei heraus, dass<br />

sich <strong>die</strong> knasteigene Neonazi-Szene regelmäßig jeden zweiten Sonntag<br />

in der Kirche treffen würde, um Kameradschaftstreffen zu veranstalten.<br />

Mit dabei <strong>die</strong> Neonazigewalttäter Matthias Lange, Manuel Sandmann und<br />

Oliver Oeltze.<br />

Wenig zu hören ist von anderen, nach teils öffentlichkeitswirksam geführten<br />

Prozeßen inhaftierten Neonazis. So <strong>die</strong> Mitglieder der Deutschen<br />

Schläger Gruppe, <strong>die</strong> sich im <strong>Mai</strong> 2005 zu „Pädophilenjägern“ in Grünau<br />

erklärten und schwere Gewalttaten verübten. Ihr Anführer war Sascha<br />

Piotraschke, dazu gehörten u.a. Jennifer Mckemey, Nico Zoschke und<br />

Gordon Alexander Prusky. Im März 2006 wurden einige Mitglieder der<br />

elfköpfigen Gruppe bis zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Ebenfalls<br />

un<strong>auf</strong>fällig ist der Berliner Neonazi Leonhard Schmidt. Er muss seine<br />

neunjährige Strafe in der JVA-Tegel verbüßen. Der Berliner Neonazi hatte<br />

im Dezember 2003 in Heidenheim (BaWü) drei jugendliche Aussiedler mit<br />

Messerstichen getötet. Dem bekannten Neonazi Christian Bentz gelang<br />

es hingegen– obwohl er rechte Mord<strong>auf</strong>rufe <strong>auf</strong> Indymedia verfasste – als<br />

Freigänger der JVA-Hakenfelde durchzugehen. Im August 2007 wurde der<br />

Neonazi Andreas Schönbacher verhaftet. Er soll während des offenen<br />

Vollzugs – ebenfalls als Freigänger der JVA-Hakenfelde – in Schilda (Elbe-<br />

Elster) einen Bekannten erschlagen haben.<br />

Der JVA-Report<br />

Zwar gibt es mit der HNG seit vielen Jahren <strong>die</strong> größte und mitgliederstärkste<br />

Organisation (ca. 600 Mitglieder) <strong>die</strong>ser Art. Doch verfügt <strong>die</strong>se<br />

seit 2005 über keine eigene Internetpräsenz mehr und ist für ein aktive<br />

Beteiligung kaum geeignet. Diese Lücke versucht der JVA-Report zu füllen.<br />

Der Report, ebenfalls ein Hilfsprojekt für inhaftierte Neonazis, geriet vor<br />

allem durch eine Spendenaktion für den Berliner Neonazi Kay Diesner in<br />

<strong>die</strong> Schlagzeilen. Diesner ermordete 1997 einen Polizisten und verletzte<br />

zuvor mit einer Pumpgun einen linken Buchhändler schwer. Verantwortliche<br />

für das Projekt zeichnet sich der ehemalige NPD-Kandidat Stefan<br />

Richardt mit einem Postfach im Niedersächsischen Wittmund. Richardt<br />

stammt eigentlich aus Brandenburg, hat seinen ersten Wohnsitz aber seit<br />

ein paar Jahren in Carolinensiel (Niedersachsen). Auf den Internetseiten<br />

des JVA-Reports und in dem dazugehörigen Heft sind unter anderem

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