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Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken

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EXIT und kein Ausstieg<br />

Lars Macht<br />

Lars Macht verfasste im März 2007 unter dem Titel „Das Narrenschiff“<br />

und „Daten und Fakten zum Narrenschiff“ eine Erklärung<br />

zu seiner Tätigkeit bei EXIT, welche in der Berliner Neonazi-Szene<br />

kursierte. Mit 17 Jahren sei er in <strong>die</strong> Deutsche Volksunion (DVU) eingetreten.<br />

Nach drei Jahren Mitgliedschaft wechselte er zu den Jungen<br />

Nationaldemokraten (JN). In der JN und später in der NPD war er in<br />

verschiedenen Funktionen im Kreisverband und Landesverband tätig.<br />

Zum November 2001 trat er aus „taktischen Gründen“ aus der NPD<br />

aus, da er sich als Justizwachmeister und als Justizvollzugsbeamter<br />

in Berlin beworben hatte. Ab <strong>Mai</strong> 2002 trat der bekannte<br />

Neonazi-Kader <strong>die</strong> Ausbildung zum Justizwachmeister an.<br />

In der Ausbildung arbeitete er ohne Probleme im Amtsgericht<br />

Tiergarten, in der Justizvollzugsanstalt Moabit und im<br />

Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg. Nur <strong>die</strong> Verbeamtung<br />

im Oktober 2002 wurde abgelehnt. Hiergegen klagte er<br />

vor dem Verwaltungsgericht. Sein Verwaltungsgerichtsprozess<br />

sei aber bald hoffnungslos gewesen und hätte keine<br />

Grundlage für seinen Weg zu EXIT geliefert, er habe allein<br />

„in guten Glauben als politischer Soldat“ gehandelt. Während<br />

des mehrjährigen Verfahrens konnte er sich offiziell<br />

nicht politisch betätigen. Deshalb reifte der Entschluss,<br />

das „Zentrum für demokratische Kultur“ <strong>auf</strong>zusuchen, um<br />

sich beim „politischen Gegner einzuschleusen“. Auf <strong>die</strong> Aufwandsentschädigungen<br />

von EXIT sei er nie angewiesen gewesen. Er habe<br />

durch <strong>die</strong> „erfolgreiche eigene Initiative und Einschleusung <strong>auf</strong><br />

eigenes Risiko“ einen besseren Einblick in <strong>die</strong> Strukturen von EXIT<br />

gewonnen und könne <strong>die</strong>se künftig in verschiedenen Richtungen nutzen.<br />

Als Beweis legte er einige Kenntnisse über <strong>die</strong> EXIT-MitarbeiterInnen<br />

offen. Fast schon lobend erwähnt er auch, dass der Verein EXIT<br />

seit einiger Zeit auch Konzepte für Aussteiger aus der linksextremen<br />

und der islamistischen Szene entwickeln würde. Er selbst habe seine<br />

politischen Aktivitäten in der Neonazi-Szene parallel zu seiner Arbeit<br />

bei EXIT fortgesetzt. Er benennt seine Teilnahmen für <strong>die</strong> „nationale<br />

Sportgemeinschaft Friedrich-Ludwig-Jahn“ an den „nationalen Fußballtunieren“<br />

in Berlin (Herbert Norkus-Pokal und Schlageter-Pokal),<br />

Unterschriftensammlung für NPD-Wahlkämpfe im Familien – und<br />

Bekanntenkreis, Verteilung von NPD-Wahlkampfwerbungen bei<br />

verschiedenen Wahlkämpfen im Gebiet Marzahn-Hellersdorf und<br />

<strong>die</strong> Teilnahme an Mitgliederversammlungen im NPD Kreisverband<br />

Marzahn-Hellersdorf. So z.B. am Vortrag des Russland-Deutschen<br />

Herrn Groth, der von AntifaschistInnen verhindert wurde. Auch an<br />

„kulturellen Veranstaltungen“ der Heimattreuen Deutschen Jugend<br />

(HDJ) habe er weiter teilgenommen. Als Zeugen benennt er seine<br />

NPD-Weggefährten Andreas Storr und Matthias Wichmann, sowie<br />

<strong>die</strong> Neonazi-Aktivisten Sandor Makai und Karl-Heinz Strelow. Ende<br />

2006 hätte er EXIT noch bei einem Umzug von Materialkisten geholfen,<br />

obwohl er bereits wieder in der Neonazi-Szene aktiv war. Im<br />

Januar 2007 trat er wieder der NPD bei.<br />

Marco Oemus<br />

Marco Oemus saß zwei Jahre, bis März 2003, in der<br />

JVA Plötzensee in Haft, als er von EXIT betreut wurde. Er<br />

prahlte in der JVA mit seiner früheren Mitgliedschaft in<br />

der Kameradschaft Freikorps, Kameradschaft Treptow,<br />

Kameradschaft Germania, in einer „Braunen Zelle<br />

Schwarzer Block“ und der Hooligan Truppe „Gruppe 9“<br />

herum. Offenbar erhoffte er sich, seine Haftzeit bis Juli<br />

2005 durch eine Aussteiger-Legende verkürzen zu können.<br />

Nach Berichten von JVA-Insassen habe er EXIT dafür<br />

von seinen Einsätzen als Veranstaltungs- und Demonstrationsschützer<br />

der NPD berichtet. Über eine Sicherheitsfirma<br />

habe er Zweikampf geübt. Der Inhaber sei ehemaliger<br />

Kampfsport-Europameister gewesen, der kurzfristig an<br />

Wochenenden <strong>die</strong> NPD Ordner in wechselnden Schulsporthallen<br />

trainiert habe. Marco Oemus ist mittlerweile<br />

wieder bei Neonazidemonstrationen zu sehen.<br />

renz und Glaubwürdigkeit der Ausstiegsgründe, das Begreifen der vormals<br />

vertretenen Ideologie und <strong>die</strong> nachvollziehbare Veränderung <strong>die</strong>ser,<br />

sowie das Verbauen des Rückwegs - zum Beispiel durch das Offenlegen<br />

neonazistischer Strukturen an antifaschistische Projekte, <strong>die</strong> in der Lage<br />

sind entsprechende Angaben einzuschätzen. Auch für <strong>die</strong> beteiligten<br />

Antifas gelten hierbei bestimmte Rahmenbedingungen, welche das Antifaschistische<br />

Infoblatt bereits 1997 einforderte: „Die Person(en), <strong>die</strong> einen<br />

Aussteiger direkt betreuen, müssen bereit sein, sich dabei kontrollieren<br />

zu lassen; sie sollten sich mit einem größeren Zusammenhang koordinieren<br />

und kurzschließen und sich dabei auch zugestehen können, dass<br />

über einen persönlichen Kontakt zu dem Aussteiger/der Aussteigerin<br />

<strong>die</strong> notwendige Distanz verloren geht. Das gilt insbesondere, wenn der<br />

Kontakt den Charakter einer Freundschaft<br />

annimmt. Solange ein Aussteiger/eine Aussteigerin<br />

nicht öffentlich und unumkehrbar<br />

mit seinen/ihren Neonazizusammenhängen<br />

und mit der entsprechenden Ideologie<br />

gebrochen hat, kann es keine Gründe für<br />

persönliche Freundschaften geben (...) Wenn<br />

Unsicherheit über den richtigen Umgang mit<br />

einem Aussteiger/einer Aussteigerin besteht,<br />

ist es in jedem Fall besser, sich an Menschen<br />

und Zusammenhänge mit Erfahrungen in<br />

<strong>die</strong>sem Bereich zu wenden, als spontan und<br />

unüberlegt dr<strong>auf</strong>loszumachen“. 1<br />

NPD-Kader Lars Macht<br />

Keine falsche Eile<br />

Am Ende eines langen Prozesses steht wohlmöglich ein Ausstieg – ein<br />

Freifahrtschein, um in antifaschistischen Strukturen mitmischen zu<br />

können, ist für den/<strong>die</strong> AussteigerIn damit noch nicht erreicht. Wenn sich<br />

einE AussteigerIn von einem Moment zum nächsten als geläuterter Antifaschist<br />

präsentiert, ist in jedem Fall Mißtrauen angebracht. Hier sollte in<br />

jedem Fall doppellt genau nach der Glaubwürdigkeit des Ausstieges und<br />

der offengelegten Legende geschaut werden. Für einen Sinneswandel<br />

vom Faschisten zum Antifaschisten ist ein wesentlich längerer Zeitraum<br />

und ein erhebliches Maß an Selbstreflektion als Maßstab anzulegen. Bei<br />

einer Anfrage nach einer direkten Aufnahme in antifaschistische Zusammenhänge<br />

ist allergrößte Sorgfalt geboten. Bedacht werden sollte, dass<br />

ein scheinbar einfacherer und problemloser Wechsel in kürzester Zeit von<br />

„ganz Rechts“ nach „ganz Links“ eine fatale Auswirkung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> politische<br />

Glaubwürdigkeit der antifaschistischen Bewegungen haben könnte.<br />

Außerdem bieten solche Übertritte natürlich auch den konservativen und<br />

rechten VertreterInnen der Totalitarismustheorie und der sogenannten<br />

„Hufeisentheorie“ 2 neue Argumente.<br />

1| Siehe AIB # 41, November / Dezember 1997. Familie gründen, Techno hören – und das wars?<br />

Einige Eckpunkte zum Umgang mit Neonazi-Aussteigern.<br />

2| Der stark vereinfachte Deutungsansatz des Hufeisenschemas besteht darin, <strong>die</strong> politische<br />

Landschaft nicht als gerade links und rechts immer weiter auseinanderl<strong>auf</strong>enden Linien, sondern<br />

als offenen Kreis (Hufeisen) zu sehen. Durch <strong>die</strong>se Darstellung soll zum Ausdruck gebracht<br />

werden, dass sich <strong>die</strong> beiden Ränder („Extreme“) näher seien, als es der jeweilige Rand zur<br />

(gesellschaftlichen) Mitte sei.<br />

Marco Oemus (1.v.l.): Nachdem er vor Gericht und bei EXIT den redefreudigen<br />

Aussteiger markierte, ist Oemus wieder bei Neonazi<strong>auf</strong>märschen dabei.<br />

A u s s t i e g 25

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