Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Fight Back 04 (Mai 2009) - Nazis auf die Pelle rücken
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Fürst Michael Freiherr von Pallandt, Christoph Kastius und<br />
Johannes „Jo“ Conrad <strong>auf</strong> Schloss Krampfer (v.l.n.r)<br />
vertretener Leiter des RTB, „Über das Umerziehungsprogramm der<br />
Siegermächte für das Deutsche Volk.“ Anwesend waren Thomas Patzlaff,<br />
Bernhard S. Arnhold und zwei weitere Zuhörer. Im Rahmen der Diskussion<br />
zu Eckart Pohls Vortrag leugnete Bernhard S. Arnhold wie folgt den<br />
Holocaust: „[...] Nicht ein einziger Jude ist durch Zyklon B ums Leben<br />
gekommen. [...] Aus meiner Familie ist ein Physiker. Der ist in Sachsenhausen<br />
gewesen. [...] Zyklon B sieht aus wie kleine Krümelkackenscheiße.<br />
[...] Das ist ein Granulat, ist das. [...] Ich weiß nur, dass es Granulat ist<br />
und dass das nicht durch <strong>die</strong> Düsen der Duschanlagen hindurch konnte.<br />
Das geht nicht . [...] Mein Physiker aus meiner Familie hat in Sachsenhausen<br />
alles das was da war an Gebäuden hat der mit Hilfe von anderen<br />
Leuten Steinchen und Putzen mitgenommen - und hat sie untersucht.<br />
Und nur in einem einzigen Haus ist Zyklon B verwendet worden. Und man<br />
sagt doch, dass in Sachsenhausen Millionen ... [...] Für mich steht fest,<br />
es ist nicht einer umgekommen. Ich habe zu Hause ein Pamphlet vom<br />
Roten Kreuz von der Schweiz ... [...] Es geht darum, dass <strong>die</strong> Juden, <strong>die</strong><br />
in Konzentrationslager gewesen sind, besser behandelt wurden, als viele<br />
andere Menschen auch. Die hatten genug zu Essen. [...]“<br />
Bernhard S. Arnhold aus Berlin-Wilmersdorf ist mit seiner Videokamera<br />
seit Jahren <strong>auf</strong> einschlägigen Veranstaltungen anzutreffen, um<br />
Statements zum Thema Holocaust einzufangen. Ferner konnte man ihn<br />
regelmäßig bei Prozessen gegen Reichsbürger/Holocaustleugner (Horst<br />
Mahler, Link, Walther, Christian Bärthel) als Zuschauer antreffen. Da<br />
Bernhard S. Arnhold der Autor eines internen Schreibens bezüglich der<br />
Gründung des Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des<br />
Holocausts Verfolgten (VRBHV) am 9. November 2003 war, liegt <strong>die</strong><br />
Vermutung nahe, das er dem VRBHV auch angehört hat. Weiterhin ist von<br />
Bernhard S. Arnhold bekannt, das er ca. 2002/03 Bundesgeschäftsführer<br />
des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF) gewesen ist.<br />
Das CKDF war ein Zusammenschluß von CDU-Mitgliedern, denen <strong>die</strong>se<br />
Partei zu weit in <strong>die</strong> „Mitte“ gerutscht war.<br />
Seit langer Zeit immer wieder mal im reichsbürgerlichen Geschäft tätig ist<br />
Eckart Pohl, wie Bernhard S. Arnhold zuständig für den Bereich Inneres.<br />
Pohl gründete 1998 zusammen mit Klaus Hoffmann und anderen Personen<br />
aus dem dem Reichsbürger-/Holocaustleugner-Spektrum <strong>die</strong> Gesellschaft<br />
zur Förderung neuen Wohnraums e.V.. Laut eigenem Finanzbericht<br />
bekam <strong>die</strong>ser Verein im Jahr 2003 über 140.000 Euro an Zuwendungen<br />
von Behörden.<br />
Reichsregierungen in Berlin<br />
Als Kommissarische Reichsregierung (KRR) oder Exilregierung des Deutschen<br />
Reiches bezeichnen sich Gruppen, <strong>die</strong> behaupten, das Deutsche<br />
Reich bestehe fort (aber nicht in Form der Bundesrepublik) und werde<br />
durch sie vertreten. Dahinter stecken teils neonazistische, teils finanzielle<br />
oder betrügerische Absichten, sowie schlicht ideologisch bedingte Wahnvorstellungen.<br />
Auch wenn es viele hauptberufliche Reichsbürger (siehe<br />
letzte fight.back und Artikel „Teltow-Fläming“) mittlerweile nach Zossen<br />
verschlagen hat, finden sich noch einige Reichsregierungen und ähnliche<br />
Konstrukte in Berlin. Die Reichsbürger-Union von Gerfried Runhardt<br />
Sander (reichsbuerger-union.org) und <strong>die</strong> konkurrierende Komissarische<br />
Der Sprecher vom Schloss Krampfer Manuel Opitz (vorne)<br />
und Jens Willmann (links dahinter)<br />
Spukschloss in der Prignitz<br />
Verschiedene „Reichsbürger“ und VerschwörungstheoretikerInnen<br />
haben mittlerweile <strong>auf</strong> dem Brandenburger Land eine Spielwiese<br />
gefunden. Am 15. Februar <strong>2009</strong> wurde von rund 30 Anwesenden<br />
in der Ortschaft Krampfer (Landkreis Prignitz) ein „Fürstentum<br />
Germania“ ausgerufen. Nicht weniger als einen eigenen Staat,<br />
eine „Abspaltung von der BRD“, wollen <strong>die</strong> FürstentümlerInnen mit<br />
<strong>die</strong>sem Schritt begründet haben. Das „Fürstentum“ besteht bislang<br />
aus einem leer stehenden Schloss, welches baulich in miserablem<br />
Zustand ist und zu dem rund 4000 Quadratmeter Grundstück<br />
gehören. Provisorisch bewohnt wird das im Internet ersteigerte<br />
Gebäude von einer Handvoll Arbeitslosen, <strong>die</strong> zum esoterischen „Nu<br />
Era“-Netzwerk gehören.<br />
Virtuell hat das Fürstentum sich zu einem Anziehungspunkt für<br />
sonst vor allem im Internet aktive Wirrköpfe mit deutlich extrem<br />
rechten Einschlag entwickelt. Von „Chemtrails“-Fantastereien über<br />
<strong>die</strong> Ablehnungen von Impfungen gegen Krankheiten bis hin zu knallharten<br />
„Reichsbürger“-Inhalten reichen <strong>die</strong> Positionen, <strong>die</strong> in den<br />
Webforen rund um das Fürstentum ihren Platz haben. Als Kleister,<br />
der <strong>die</strong>ses Gemisch zusammenhält, <strong>die</strong>nt Verschwörungsparanoia<br />
und Antisemitismus – mal wird sie esoterisch und als Weltoffenheit<br />
verpackt, mal in reichsbürgerlichem Regierungsverlautbarungs-<br />
Sprech vorgetragen.<br />
Der verschwörungstheoretische Autor Johannes „Jo“ Conrad, der<br />
<strong>die</strong> antisemitische Fälschung der „Protokolle der Weisen von Zion“<br />
für authentisch hält, gehört zu den prominentesten Aktiven des<br />
„Fürstentums“. Als zweite Hauptfigur und Sprecher tritt eine skurile<br />
Figur <strong>auf</strong>, <strong>die</strong> sich Jessie Marsson nennt und <strong>die</strong> sich selbst in<br />
einem autobiografischen Romanfragment als „Klonkind“ bezeichnet,<br />
von sich getragene Unterwäsche im Internet anbot und als<br />
selbsternannter „Ritter der Menschenrechte“ im „Fürstentum“ ein<br />
Heim für mißbrauchte Kinder einrichten möchte. Er selbst sei in<br />
seiner Jugend mißbraucht worden – gleichzeitig verteidigt Marsson<br />
aber wortreich den „Reichsbürger“ Uwe Bradler, welcher wegen<br />
Pädophiliedelikten in Spanien 23 Monate in U-Haft saß (der Prozess<br />
ist noch nicht beendet). Neben solchen beunruhigenden Absurditäten<br />
scheint es fast vernachlässigbar, dass Marsson auch eine Internetseite<br />
namens „Deutsches Volksblatt“ betreibt, in der aggressiv<br />
antisemitisch gehetzt wird.<br />
Zu den Berliner UnterstützerInnen des „Fürstentums“ gehörten<br />
– um nur zwei Beispiele zu nennen – der Holocaustleugner Christoph<br />
Kastius (der im Impressum seiner Internetseite angibt, im<br />
„Konzentrationslager BRD“ zu leben) und der Reichsbürger Thomas<br />
Patzlaff vom „Runden Tisch Berlin“.<br />
In der Bevölkerung der Region um Krampfer hat <strong>die</strong> Ausrufung des<br />
„Fürstentums“ für enorme Verunsicherung gesorgt. Und das nicht<br />
zu Unrecht. Die FürstentümlerInnen geben sich selbstsicher, dass<br />
ihr „Staat“ bald international anerkannt werde. Das darf getrost<br />
bezweifelt werden – es dürfte ihnen schon schwerfallen, <strong>die</strong> nötigen<br />
Finanzen zur Sanierung des Schlosses <strong>auf</strong>zubringen. Doch zu<br />
befürchten ist durchaus, dass sich ein in den Sommermonaten<br />
attraktives ländliches Refugium für EsoterikerInnen und Verschwörungsfreaks<br />
in trauter Eintracht mit HolocaustleugnerInnen und<br />
„Reichsbürgern“ etablieren könnte. Momentan sind <strong>die</strong> Räumlichkeiten<br />
geschlossen worden. Da <strong>die</strong> germanischen Fürstentümler bei<br />
der für sie nicht existenten „BRD GmbH“ keine Wohnnutzung für ihr<br />
Schloss beantragten, wurden sie vom örtlichen Bauamt am 19. <strong>Mai</strong><br />
<strong>2009</strong> ausgesperrt. Seitdem campieren sie vor ihrem Regierungssitz.