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unsere energieversorgung ausgewogener energiemix mit steinkohle

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Steinkohlenbergbau<br />

in Deutschland<br />

Im Bergwerk - Die Reviere<br />

Unsere Energieversorgung<br />

Steinkohle: Energie und Rohstoff


Inhalt<br />

IM STEINKOHLENBERGWERK<br />

● Morgens am Schacht<br />

● In der Kaue<br />

● Am Schacht<br />

● Die Fördermaschine – ein Kraftpaket<br />

● In 90 Sekunden auf 1000 m Tiefe<br />

● Ein unterirdischer Güterbahnhof<br />

● Frische Wetter in der Grube<br />

● In der Tiefe wird es wärmer<br />

● Das Grubengas, ein ständiger Begleiter<br />

● Schichtwechsel<br />

● Auf dem Weg „vor Ort“<br />

● Großbohrmaschinen treiben Tunnel in das Gebirge<br />

● Vor Ort<br />

● Die Grubenwarte – das Nervenzentrum eines Bergwerks<br />

● Vollautomatischer Bergbau – eine Vision?<br />

● Üben im virtuellen Streb<br />

● Bergmann – ein moderner Beruf<br />

● Gemeinsam ans Ziel<br />

● Der Bergbau wandert<br />

● Hohlräume verfüllen sich selber<br />

● Wenn die Tagesoberfläche sich senkt<br />

● Erst ist eine Genehmigung erforderlich<br />

● Ein neuer Schacht entsteht<br />

● Rationalisierung und Konzentration<br />

DIE STEINKOHLENREVIERE<br />

● Die Entstehung der Steinkohle<br />

● Das Ruhrrevier<br />

● Das Saarrevier<br />

● Ibbenbüren<br />

● Das Aachener Revier<br />

● Die RAG-Aktiengesellschaft<br />

● Zukunft der deutschen Steinkohle<br />

● Strukturwandel im Revier<br />

● Das Revier lebt <strong>mit</strong> dem Bergbau<br />

● Gemeinschaftsorganisationen<br />

UNSERE ENERGIEVERSORGUNG<br />

● Bergbau und Rohstoffe: Schlüssel zum Fortschritt<br />

● Kohle – Motor der Industrialisierung<br />

● Energie ist lebensnotwendig<br />

● Kohle in Deutschland<br />

● Sicherheit für die Energieversorgung<br />

● Kohle im vereinten Europa<br />

● Kohle für die Welt<br />

STEINKOHLE – ENERGIE UND ROHSTOFF<br />

● Ein mineralischer Speicher<br />

● Kohlenwäsche<br />

● Der Schornstein raucht schon lange nicht mehr<br />

● Strom: Kohle über Draht<br />

● Wirbelschichtfeuerung<br />

● Koks für die Hütten<br />

● Wärme aus Kohle<br />

● Aus Kohle wird Gas<br />

● Flüssige Kohle<br />

● In-situ-Vergasung<br />

● Aktivkoks für die Umwelt<br />

● Der Bergbau hilft Umweltprobleme zu lösen<br />

● Kohle – ein nachhaltiger Energieträger<br />

Seite<br />

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Vorwort<br />

Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen einen Überblick über den<br />

Steinkohlenbergbau in Deutschland geben: Wie die Steinkohle in<br />

den Bergwerken abgebaut wird und was <strong>mit</strong> ihr anschließend geschieht,<br />

welche Bedeutung Steinkohle in Deutschland hat - aber<br />

auch weltweit.<br />

Wer sich darüber hinaus informieren möchte, dem empfehlen wir,<br />

folgende Internetseiten aufzusuchen:<br />

www.gvst.de<br />

www.<strong>steinkohle</strong>-portal.de<br />

www.deutsche-<strong>steinkohle</strong>.de<br />

www.rag.de<br />

www.steag.de<br />

www.Kohlenstatistik.de<br />

www.wv-bergbau.de<br />

Informativ sind auch die Videos und DVDs des Instituts für Film<br />

und Bild, FWU:<br />

● Steinkohle – Entstehung und Gewinnung (VHS)<br />

● Steinkohlenbergwerk – Technik unter und über Tage (VHS)<br />

● Strom und Wärme aus Steinkohle (VHS)<br />

● Steinkohle – Entstehung, Gewinnung, Verwendung<br />

(DVD, enthält auch die oben genannten Videos)<br />

Diese Medien sind ausleihbar über die örtlichen Bildstellen und den<br />

GVSt, sowie käuflich beim FWU (www.fwu.de) erhältlich.<br />

Impressum<br />

Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus<br />

Kommunikation<br />

D-45128 Essen, Rellinghauser Str. 1,<br />

Telefon (02 01) 1 77 - 43 32<br />

Fax (02 01) 1 77 - 42 71<br />

www.gvst.de<br />

kommunikation@gvst.de<br />

Druck: IDAG Industriedruck AG, Essen, 2006<br />

Bildnachweis (außer GVSt):<br />

Deutsches Bergbaumuseum,<br />

Verlag Glückauf, RAG, DSK, Steag.<br />

�� Titelbild: Fördergerüst des Schachtes Lerche, Bergwerk Ost.


Im Steinkohlenbergwerk<br />

1


Morgens am Schacht<br />

Es ist halb sechs: Drüben auf dem Parkplatz<br />

schlagen Autotüren zu, Scheinwerfer<br />

erlöschen. Die Männer gehen über die Straße<br />

auf das Tor zu. Sie nicken dem Pförtner<br />

einen Gruß zu und verschwinden dann in<br />

dem Gebäude rechts neben dem Förderturm.<br />

Für 630 Bergleute der Frühschicht beginnt<br />

ein neuer Arbeitstag.<br />

In scharfen Umrissen zeichnet sich vor dem<br />

Morgenhimmel ein 40 Meter hohes Stahlgerüst<br />

ab: Der Förderturm. Oder genauer gesagt,<br />

das über dem Schacht stehende<br />

„Schachtgerüst“. Dahinter das Magazin, der<br />

Lagerplatz, die Werkstätten, das Verwaltungsgebäude,<br />

die Kaue, in der sich die<br />

Bergleute umziehen und nach der Schicht<br />

waschen. Es ist noch still hier draußen am<br />

Schacht. Der Schacht stellt die Tagesöffnung<br />

zur unterirdischen Steinkohlenlagerstätte<br />

dar und ist sozusagen eine Außenstelle<br />

des Bergwerks, das wir kennen lernen<br />

wollen.<br />

Hier draußen fahren die Bergleute in die<br />

Grube ein, und es werden Materialien wie<br />

Maschinen, Ersatzteile, Rohre und Kabel,<br />

2<br />

transportiert. Die Kohle wird über den<br />

Hauptförderschacht, der etwa drei Kilometer<br />

entfernt steht, zur Tagesoberfläche gehoben.<br />

Dort wird unter einem wuchtigen<br />

Turm aus Beton Tag und Nacht die Kohle<br />

nach oben gefördert. Direkt daneben ist<br />

auch die Aufbereitung, wo die Kohle vom<br />

<strong>mit</strong>geförderten Gestein getrennt wird.<br />

Hier am Schacht aber spürt man zu dieser<br />

frühen Stunde noch wenig von der Betriebsamkeit,<br />

die ein modernes Bergwerk Tag<br />

und Nacht kennzeichnet.<br />

Das Büro des Bereichsleiters ist ein hellerleuchteter<br />

Raum. Karten, die die Ausdehnung<br />

des Bergwerks unter Tage, die Strecken<br />

und Schächte zeigen, hängen an der<br />

Wand. Auf dem Fensterbrett liegt ein Grubenhelm;<br />

ansonsten ist es ein normales<br />

Büro <strong>mit</strong> Schreibtisch, PC und Aktenschrank.<br />

„Glück auf!“ Der Bereichsleiter – schon im<br />

Grubenzeug – ist informiert, dass heute<br />

morgen Besucher kommen. An der Karte<br />

erläutert er den vorgesehenen Weg. Dabei<br />

fallen Begriffe wie Teufe, Strecke, Blindschacht,<br />

die erst erläutert werden müssen.<br />

Die Bergmannssprache: Ähnlich<br />

wie andere Berufsstände hat auch der<br />

Bergmann eine Fachsprache entwickelt,<br />

die dem Laien oft nur schwer verständlich<br />

ist. Deshalb werden hier in der Broschüre<br />

einige Fachbegriffe in den gelben<br />

Textspalten extra erklärt:<br />

Sohle: Stockwerk des Grubengebäudes<br />

unter Tage.<br />

Teufe: Aus der Sprache des Mittelalters<br />

übernommener bergmännischer Fachausdruck<br />

für Tiefe.<br />

Flöz: Kohleschicht im Boden. Flöze erstrecken<br />

sich über viele Quadratkilometer<br />

hinweg. Im Ruhrrevier z.B. gibt es<br />

über hundert Flöze untereinander bis zu<br />

einer Tiefe von etwa 1.500 Meter, von denen<br />

aber nur die mächtigsten (dicksten)<br />

abgebaut werden.<br />

Strecke: Man unterscheidet Gesteinsund<br />

Flözstrecken. Gesteinsstrecken sind<br />

tunnelartige Gänge im Gestein, die zur<br />

Lagerstätte führen und sie erschließen.<br />

Durch sie wird der Bahnverkehr, werden<br />

Förderbänder, Strom- und Wasser-,<br />

Steuer- und Messleitungen geführt und<br />

schließlich der Wetterstrom geleitet. Die<br />

im Flöz vorgetriebenen Strecken erschließen<br />

das Flöz für den Abbau der<br />

Kohle (Basisstrecke) und unterteilen es in<br />

einzelne Abschnitte (Abbaustrecken).<br />

Stollen: Von der Tagesoberfläche in einen<br />

Berghang vorgetriebene Strecken.<br />

Streb: Eine Verbindung zwischen zwei<br />

Abbaustrecken, die im Kohlenflöz parallel<br />

<strong>mit</strong> 250 bis 350 Meter Abstand vorgetrieben<br />

werden. Hier wird die Kohle abgebaut.<br />

Im Streb wird ein Hobel oder<br />

eine Schrämwalze an der Kohlenfront<br />

entlanggeführt und da<strong>mit</strong> die Kohle aus<br />

dem Flöz geschält oder geschnitten. In<br />

einer Stahlrinne wird die Kohle zu einer<br />

der beiden Abbaustrecken abgefördert.<br />

Sie geht von dort zum Schacht und nach<br />

über Tage.<br />

� Schachtanlage AV8 des Bergwerks<br />

Auguste Victoria/Blumenthal


Kaue: Mittelalterliches Wort für ein kleines,<br />

provisorisches Gebäude, das damalige<br />

Waschhaus. Heute: Umkleideräume<br />

<strong>mit</strong> Duschen.<br />

Grubengebäude: Sammelbegriff für alle<br />

bergmännisch hergestellten Hohlräume<br />

untertage im gesamten Bereich eines<br />

Bergwerks, wie z.B. Schächte, Strecken,<br />

Strebe usw.<br />

Schrämen: = Schneiden, Fräsen. Wortstamm<br />

enthalten in Schramme. Die<br />

Schrämwalze fräst <strong>mit</strong> Hartmetallzähnen<br />

die Kohle aus dem Flöz.<br />

Hängebank: Übertägige Anlage am<br />

oberen Ausgang des Schachtes, an der<br />

im Mittelalter die Körbe an das Seil gehängt<br />

wurden. Heute steigen dort die<br />

Bergleute in bzw. aus den Fahrkorb, werden<br />

Kohle und Berge oder Materialien<br />

aus bzw. in den Schacht umgeladen.<br />

Förderkorb: In früheren Jahrhunderten<br />

ein Korb aus Weidengeflecht, in den die<br />

gelöste Kohle geladen und der an einem<br />

Hanfseil zutage gehoben wurde. Jetzt<br />

ein stählernes Gestell, ähnlich einem<br />

Fahrstuhl, <strong>mit</strong> mehreren Etagen, in die jeweils<br />

die beladenen oder leeren Grubenwagen<br />

hineingeschoben werden. Heute<br />

wird die Kohle in Gefäßen <strong>mit</strong> etwa 30<br />

Tonnen Inhalt und automatischer Beladung<br />

und Entladung zutage gefördert.<br />

Die Bergleute nutzen den Förderkorb,<br />

um ein- und auszufahren. Außerdem<br />

wird das benötigte Material darin transportiert.<br />

Ausbau: Abstützende Teile in Streb und<br />

Strecke, heute im wesentlichen aus<br />

Stahl gefertigt, z.T. auch in Beton.<br />

Alter Mann: Grubenbau, der nach der<br />

Gewinnung der Kohle verbleibt.<br />

Grubenhund(t): So nannte man früher<br />

die kleinen Grubenwagen.<br />

In der „Schwarzkaue“. Hier ziehen die �<br />

Bergleute ihre Grubenkleidung an und<br />

aus. Mit einer Kette wird der Kleiderhaken<br />

an die Decke gezogen. Die Kleidung<br />

ist trocken, durchlüftet und diebstahlsicher<br />

untergebracht. Ebenso sieht die<br />

„Weißkaue“ für Straßenkleidung aus.<br />

In der Kaue<br />

Bevor es nach unter Tage geht, muss die<br />

Kleidung gewechselt werden. In der Weißkaue<br />

legen die Bergleute ihre Straßenkleidung<br />

ab. Die Sachen hängt der Bergmann<br />

an einen Haken, der unter die Decke der<br />

Kaue gezogen wird. Die Bergleute gehen<br />

nackt hinüber in die Schwarzkaue, wo ihr<br />

Grubenzeug hängt. Nach der Schicht geht<br />

es umgekehrt zuerst in die Schwarzkaue,<br />

wo sie ihr Grubenzeug zum Trocknen unter<br />

die Decke hängen. Dann Duschen in der<br />

Waschkaue und Anziehen in der Weißkaue.<br />

Der Betrieb lässt die Arbeitskleidung regelmäßig<br />

waschen.<br />

Für Besucher hält der Kauenwärter bereit:<br />

Unterzeug, Arbeitshemd, Socken, den Grubenanzug,<br />

Sicherheitsschuhe – und dann<br />

die Schienbein-Schützer aus hartem Plastik.<br />

Zur Kleidung gehören auch ein Halstuch, ein<br />

Ledergürtel und der Grubenhelm, einstellbar<br />

für jede Kopfgröße, Arbeitshandschuhe,<br />

Gehörschutz, Sicherheitsbrille, Staubmaske<br />

und erforderlichenfalls Knieschoner.<br />

Anschließend geht die Besuchergruppe in<br />

die Lampenstube. Hier ist es still. Aber gerade<br />

eben noch holten sich hier die Bergleute<br />

der Frühschicht ihre Lampen, das<br />

Geleucht – wie man früher sagte. Es sind<br />

elektrische Lampen, die am Grubenhelm<br />

befestigt werden können. Der Akku, der die<br />

Lampe <strong>mit</strong> Strom versorgt, ist handlich und<br />

3


nicht größer als ein etwas dickeres Taschenbuch.<br />

Er wird am Gürtel getragen und<br />

stört nicht bei der Arbeit. Das zweite wichtige<br />

Gerät, das jeder <strong>mit</strong>nehmen muss, der in<br />

ein Bergwerk einfahren will, ist der sogenannte<br />

Filterselbstretter, eine Metalldose <strong>mit</strong><br />

einer Art Gasmaske für den Fall, dass Feuer<br />

unter Tage ausbricht und Brandgase die<br />

Atemluft vergiften.<br />

Der Weg zum Schacht ist von der Lampenstube<br />

nicht mehr weit. Er führt durch die<br />

Markenkontrolle, einem Durchgang, an dessen<br />

Wänden einige hundert Datenkarten<br />

stecken. Jeder Bergmann hat seine Nummer.<br />

Sie findet sich auf seiner Lampe, auf<br />

seinem Selbstretter und auf seiner Datenkarte.<br />

Wenn der Bergmann seine Schicht<br />

beginnt, zieht er die Karte durch ein Lese-<br />

4<br />

gerät und steckt sie dann in das Anwesenheitsfach.<br />

Wenn er aus dem Bergwerk wieder<br />

ausfährt, wird die Karte wieder in das<br />

Lesegerät gesteckt und ins Abwesenheitsfach<br />

abgelegt. Dieses Verfahren dient der<br />

Anwesenheits- und Sicherheitskontrolle. Jederzeit<br />

kann sofort festgestellt werden, welcher<br />

Bergmann sich unter Tage befindet.<br />

Geleucht: Jahrtausendelang stellte der<br />

Bergmann keine anderen Anforderungen<br />

an sein Grubenlicht als an sein Licht<br />

zu Hause; es musste billig, handlich, robust<br />

und sparsam sein. Die ersten bekannten<br />

Grubenlampen nach dem einfachen<br />

Kienspan waren römische und<br />

griechische Öllampen. Diese Lampen,<br />

ihrer Form nach Frosch, Schiffchen oder<br />

Vögelchen genannt, gab es bis in die<br />

Neuzeit. Erst in der 2. Hälfte des 18.<br />

Jahrhunderts erkannte man, dass die offene<br />

Flamme des Geleuchtes zur Gefahr<br />

werden konnte (Schlagende Wetter!).<br />

Nach zahllosen Versuchen gelang es erst<br />

1815 dem Engländer Humphry Davy,<br />

eine relativ lichtstarke und explosionssichere<br />

Grubenlampe zu entwickeln. Diese<br />

<strong>mit</strong> Benzin betriebenen Lampen wurden<br />

über hundert Jahre lang im Steinkohlenbergbau<br />

verwendet. Danach gab<br />

es die noch sichereren, wenn auch zunächst<br />

sehr schweren, elektrischen<br />

Handleuchten, die bis etwa 1960 in Gebrauch<br />

waren. Heute werden durchweg<br />

akkubetriebene Kopflampen verwendet.<br />

Außerdem ist das Bergwerk an den meisten<br />

Stellen durch fest installierte elektrische<br />

Lampen beleuchtet.<br />

Holzfackel<br />

Tonlampe<br />

für Ölbrand<br />

� In der Lampenstube werden die Akkus<br />

der Kopflampen, wenn diese nicht<br />

benutzt werden, aufgeladen. Auch die<br />

Wartung und Reparatur wird in dieser<br />

Zeit durchgeführt.


An der Hängebank warten die Bergleu- �<br />

te auf die Seilfahrt. Für andere ist die<br />

Schicht zu Ende.<br />

Am Schacht<br />

In einer großen Halle un<strong>mit</strong>telbar am<br />

Schacht beginnt die Schicht des Bergmanns.<br />

Der Förderkorb wird nicht nur zu<br />

ebener Erde, wo der Schacht in die Tagesoberfläche<br />

mündet, sondern auch eine Etage<br />

höher bestiegen. Dadurch können<br />

gleichzeitig mehr Bergleute anfahren.<br />

In den Förderschächten gibt es nur noch<br />

vereinzelt die sogenannte Gestellförderung,<br />

in der die Kohle in Förderwagen zutage gehoben<br />

wird. Bei der Gestellförderung werden<br />

die aus der Grube kommenden vollen<br />

Förderwagen automatisch von den leeren<br />

Wagen aus dem Korb gedrückt. Die vollen<br />

Wagen rollen dann vom Korb in eine Kipp-<br />

Anlage, werden dort entleert und reihen sich<br />

dann über ein Umlauf-System wieder auf<br />

der anderen Schachtseite ein, um nach unter<br />

Tage gebracht zu werden.<br />

Heute wird die Kohle meistens <strong>mit</strong> Gefäßen,<br />

den sogenannten Skips, gefördert. Die Gefäße<br />

– das sind zwei riesige Eisenkästen –<br />

sind etwa 17 Meter hoch, 3,50 m lang und<br />

1,80 m breit. Sie hängen an mehreren armdicken<br />

Seilen und schaffen je Stunde rund<br />

1000 Tonnen Kohle zutage. 33mal rasen die<br />

Fördergefäße in einer Stunde durch den<br />

Schacht, das eine gefüllt nach oben, das<br />

andere gleichzeitig leer nach unten – alles<br />

vollautomatisch gesteuert und <strong>mit</strong> einer<br />

Fahrgeschwindigkeit von 18 bis 20 Meter<br />

pro Sekunde, rund 70 Kilometer pro Stunde.<br />

5


Unter Tage wird die Kohle in der Regel <strong>mit</strong><br />

Gurtförderbändern kontinuierlich vom Abbau<br />

bis zum Bunker am Schacht transportiert.<br />

Vom Bunker wird die Kohle direkt in die<br />

Fördergefäße abgezogen. Durch einen solchen<br />

Schacht (Hauptschacht) wird ausschließlich<br />

Rohkohle (Kohle einschließlich<br />

Gestein) gefördert. Diese Gefäße können<br />

über 30 Tonnen Kohle aufnehmen; das entspricht<br />

dem Fassungsvermögen eines normalen<br />

Eisenbahn-Waggons.<br />

Die Fördermaschine -<br />

ein Kraftpaket<br />

Bedenkt man, welche Mengen und Gewichte<br />

Tag für Tag durch den Hauptförderschacht<br />

befördert werden, dann muss es<br />

schon eine kräftige Maschine sein, die diese<br />

Arbeit bewältigt. Neben dem Schachtgerüst<br />

steht in einer Halle die Fördermaschine –<br />

eine übermannshohe Stahltrommel, über<br />

die vier Seilstränge laufen. An beiden Enden<br />

hängt je ein Förderkorb oder eben ein Skip.<br />

6<br />

Beim Drehen wird das Seil <strong>mit</strong>genommen,<br />

ein Förderkorb bewegt sich da<strong>mit</strong> nach<br />

oben, der andere nach unten. Bei großen<br />

Teufen werden mehrere Seile benötigt, um<br />

das große Gewicht allein der Seile selbst zu<br />

tragen. Antriebsaggregate <strong>mit</strong> einer elektrischen<br />

Leistung von 9000 Kilowatt drehen<br />

die Scheiben, ein Computer steuert die Anlage,<br />

stoppt sie bei Störungen, regelt ihre<br />

Geschwindigkeit. Trotz der automatischen<br />

Steuerung kann und darf aber auf den Menschen<br />

nicht verzichtet werden.<br />

Der Fördermaschinist überwacht den Betrieb<br />

und greift nur ein, wenn es irgendwo<br />

mal nicht klappen sollte.<br />

� Seilfördermaschinen laufen beim Kohletransport<br />

vollautomatisch.<br />

Seil: Jahrtausendelang aus Hanf oder<br />

anderen Pflanzenfasern gefertigt, die –<br />

das war ihr Nachteil – jedoch schnell verschleißen<br />

und gegen Frost und Feuchtigkeit<br />

empfindlich sind. Etwa seit dem 16.<br />

Jahrhundert wurden Ketten – „eiserne<br />

Seile“ – verwendet, deren großes Eigengewicht<br />

allerdings ihren Einsatz beschränkte.<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

wurde Stahldraht nach Art der Hanfseile<br />

geflochten. Vom Bergbau aus trat das<br />

Drahtseil seinen Siegeszug in der Welt<br />

an. Seit 1903 gibt es in Bochum eine<br />

„Seilprüfstelle“, eine international anerkannte<br />

Prüfstelle für Drahtseile.<br />

Seilfahrt: Personenbeförderung im<br />

Schacht.<br />

„Seil“fahrt im Mittelalter<br />

Fahrung: Jede Art der Fortbewegung<br />

der Bergleute in der Grube, <strong>mit</strong> einem<br />

Beförderungs<strong>mit</strong>tel aber auch zu Fuß.<br />

Eine Grube wird z.B. „befahren“, man<br />

spricht von einer Gruben„fahrt“, Seil„fahrt“,<br />

Leitern sind „Fahrten“. Neue Strecken<br />

werden „aufgefahren“.


Füllort: Schnittpunkt zwischen Schacht<br />

und Strecke, wo früher die am Seil herabgelassenen<br />

Weidenkörbe gefüllt wurden.<br />

Nach <strong>mit</strong>telalterlichem Sprachgebrauch<br />

sagen die Bergleute „das Füllort“.<br />

Das „Ort“ – in der Mehrzahl „Örter“ – bedeutete<br />

im Mittelalter die Spitze, das<br />

Ende oder Ziel, zu dem man hin will.<br />

Pferdegöpel: die Fördermaschine des<br />

vorindustriellen Zeitalters, ihre Kegeldächer<br />

beherrschten im 18. Jahrhundert<br />

das Bild der Landschaft südlich der<br />

Ruhr.<br />

Blindschacht: Ein Schacht zwischen<br />

zwei Sohlen, der nicht bis zur Tagesoberfläche<br />

führt, also „blind“ ist.<br />

Natürlich kann der Maschinist die Fördermaschine<br />

auch von Hand steuern, er kann<br />

das Fahrtempo bestimmen und die Gefäße<br />

an jedem beliebigen Punkt im Schacht<br />

stoppen – doch das tut er nur, wenn etwa<br />

Reparaturarbeiten dies notwendig machen<br />

sollten. Als es die automatische Steuerung<br />

noch nicht gab, hatte der Fördermaschinist<br />

alle Vorgänge im Schacht buchstäblich<br />

selbst in der Hand. Er steuerte den Förderkorb<br />

nach den Glockensignalen, die ihn<br />

vom Schacht erreichten, nach dem Teufenanzeiger<br />

und nach den weißen Markierungen,<br />

die er vor sich auf dem Seil sehen<br />

konnte. Heute gilt dies nur noch für die<br />

Schächte <strong>mit</strong> Personenseilfahrt und Materialförderung.<br />

Fingerspitzengefühl, das war<br />

und ist eine der Haupteigenschaften, die einen<br />

Fördermaschinisten auszeichnen. An<br />

der Art und Weise, wie der Korb fährt, erkennen<br />

erfahrene Bergleute, wer da an der<br />

Maschine sitzt. Sie schimpfen über den, der<br />

den Korb zu hart abstoppt, und loben den,<br />

der die Kunst der sanften Fahrt beherrscht.<br />

Auf der Hängebank, un<strong>mit</strong>telbar am Schacht,<br />

steht der Anschläger, ein Bergmann, der ein<br />

wenig als Verkehrspolizist fungiert: Er hat<br />

die Aufgabe, den Zugang zum Förderkorb<br />

zu sichern, er kontrolliert alle Vorgänge im<br />

Bereich des Schachtes und ist für die Signalgebung<br />

verantwortlich. An Hauptförderschächten<br />

ist dies alles Vergangenheit. Hier<br />

wird die Förderung vollautomatisch gesteuert.<br />

Bei Handbetrieb werden die Signale nach<br />

einem einfachen Verfahren gegeben. Wenn<br />

der Anschläger an einem Handgriff, dem<br />

Schachthammer, zieht, löst er ein Glockensignal<br />

aus: Zunächst das Zielsignal, also zu<br />

welcher Sohle im Bergwerk die Fahrt gehen<br />

soll. Dann folgen vier Schläge, das heißt<br />

„Seilfahrt“. Weitere drei Schläge bedeuten<br />

„hängen!“ – der Korb <strong>mit</strong> den Personen soll<br />

abwärts fahren. Wenn es wieder nach oben<br />

gehen oder Material gefördert werden soll,<br />

gibt es andere Signale. Trotz aller modernen<br />

Elektronik im Bergbau wird dieses Signalsystem<br />

im Schachtbetrieb auch heute noch<br />

angewendet, weil es einfach und jederzeit<br />

fehlerfrei funktioniert. Daneben gibt es Lichtund<br />

Tonsignale, elektronische Datenübertragung<br />

und Fernsehkameras zur Überwachung<br />

der Hängebank und der Füllörter.<br />

In 90 Sekunden auf<br />

1000 Meter Tiefe<br />

„Seilfahrt“ – Automatisch bewegen sich die<br />

Schachttore zur Seite, wenn der Korb eingetroffen<br />

ist. Dann öffnet der Anschläger<br />

das Schutzgitter am Förderkorb. Ein Bergmann<br />

nach dem anderen steigt ein. Der Förderkorb:<br />

ein großes eisernes Gestell <strong>mit</strong><br />

mehreren Etagen. Auf den Böden sind<br />

Gleisstücke montiert, auf die Förderwagen<br />

geschoben werden können. An der Wand<br />

hängen Ketten, an denen man sich festhalten<br />

kann. Vier Etagen hat dieser Förderkorb,<br />

so dass <strong>mit</strong> einer Fahrt bis zu 100 Bergleute<br />

befördert werden können.<br />

Die Lampen werden angeknipst, das<br />

Schutzgitter rasselt herunter, die Schachttore<br />

schließen sich. Der Anschläger gibt die<br />

Signale. Wenige Augenblicke später fährt<br />

der Korb an – ganz sanft, fast so wie ein<br />

Kaufhausfahrstuhl. Die normale Fahrgeschwindigkeit<br />

bei der Seilfahrt ist 8 Meter je<br />

Sekunde. Das sind annähernd 30 Kilometer<br />

pro Stunde. Wenn Material oder Maschinen<br />

gefördert werden, ist die Fahrgeschwindigkeit<br />

mehr als doppelt so hoch. Es ist dunkel,<br />

nur der Schein der Grubenlampen ist zu sehen.<br />

Rechts und links gleiten die Spurlatten<br />

aus Stahl vorbei. Die Körbe oder Gefäße haben<br />

Rollenführungen. Dadurch können sie<br />

noch ruhiger und erschütterungsfreier fahren.<br />

Es zieht ein wenig – das kommt vom Fahrtwind<br />

– und den spüren wir deutlich, weil der<br />

Korb an beiden Seiten nur von Sicherheitsgittern<br />

verschlossen ist. Und auch nur dadurch<br />

merkt man, dass der Korb <strong>mit</strong> ziemlicher<br />

Geschwindigkeit in die Tiefe fährt. Er<br />

rüttelt leicht, aber im ganzen ist es eine sehr<br />

ruhige Fahrt. Jetzt, gerade für Bruchteile einer<br />

Sekunde: ein Lichtschein. Das muss die<br />

Zwischensohle gewesen sein, in 640 Meter<br />

Teufe – und in diesem Augenblick verspürt<br />

man auch einen leichten Druck auf den Ohren.<br />

Jetzt verlangsamt der Korb die Fahrt,<br />

wenige Sekunden noch, dann ist das Füllort<br />

erreicht.<br />

7


Ein unterirdischer<br />

Güterbahnhof<br />

Wir kommen in einem hell erleuchteten,<br />

tunnelartigen Raum an – fünf bis sechs Meter<br />

hoch aus Beton, weiß gestrichen – fast<br />

kann man auf die Idee kommen, in einem<br />

U-Bahn-Tunnel nur ein paar Meter unter der<br />

Erde zu sein. Das Füllort, ein Umschlagbahnhof<br />

zwischen Schacht und Strecke,<br />

wo die Bergleute, Material oder Kohle ankommen<br />

und zu den Betriebspunkten oder<br />

zu Tage befördert werden. Hier werden die<br />

von oben kommenden, <strong>mit</strong> Material gefüllten<br />

Förderwagen aus dem Korb gedrückt.<br />

Zur Zeit ist das Füllort fast menschenleer.<br />

Der Verkehr der Wagen kann von nur einem<br />

Mann ferngesteuert werden. Bei Schichtwechsel<br />

herrscht lautes Treiben im Füllort.<br />

Hier kommen die Bergleute an, hier steigen<br />

sie in die Personenzüge, in denen sie zu ihren<br />

Arbeitsplätzen fahren. Zum Schichtende<br />

ist das Füllort dann wieder Treffpunkt der<br />

Bergleute, wenn sie ausfahren.<br />

8<br />

� Das Füllort ist die Schnittstelle zwischen<br />

Schacht und Strecke.<br />

� Beinahe wie in einem U-Bahnhof sieht<br />

es hier am Füllort aus. Die Züge verkehren<br />

nach einem festen Fahrplan.


Wetter: Nach <strong>mit</strong>telalterlichem Sprachgebrauch<br />

die Luft im Grubengebäude.<br />

„Frische Wetter“ nennt man dementsprechend<br />

die einziehende, unverbrauchte<br />

Luft. Unter Abwetter wird die verbrauchte<br />

Luft verstanden. Unter Bewetterung<br />

versteht man die Versorgung der Grubenbaue<br />

<strong>mit</strong> Frischluft.<br />

Schema der Wetterführung<br />

Lüfter<br />

Einziehschacht Ausziehschacht<br />

Wettertür<br />

1.Sohle<br />

2.Sohle<br />

Streb<br />

Wettertür<br />

In einer zentralen Kälteanlage (im Bild �<br />

sind die Pumpen zu sehen) wird eine<br />

Kühlflüssigkeit abgekühlt und anschließend<br />

durch das Grubengelände geleitet.<br />

Frische Wetter in der Grube<br />

Hier unten im Füllort weht ein frischer Wind –<br />

der Wetterstrom, wie der Bergmann sagt.<br />

Durch das Füllort am Schacht, hier in 820<br />

Meter Teufe strömen frische Wetter, also frische,<br />

unverbrauchte Luft, in die Grube ein.<br />

Wie frische Luft in und „verbrauchte“ Luft<br />

aus dem Bergwerk kommt, zeigt das Schema<br />

der Wetterführung. Um eine Wetterführung<br />

überhaupt erst zu ermöglichen, sind<br />

zwei Schächte nötig: ein einziehender<br />

Schacht, durch den die Frischluft in die Grube<br />

kommt, und ein ausziehender Schacht,<br />

durch den die Abwetter abgesaugt werden.<br />

Um den Wetterstrom in Gang zu halten,<br />

sind am ausziehenden Schacht Ventilatoren<br />

eingesetzt. Sie sind <strong>mit</strong> einer Leistung von<br />

3000 Kilowatt die größten, die überhaupt in<br />

der Industrie verwendet werden. Diese Ventilatoren,<br />

auch Grubenlüfter genannt, können<br />

bis zu 26 000 Kubikmeter Luft in der<br />

Minute ansaugen. Die Wetterführung wird<br />

<strong>mit</strong> einem Computer berechnet und durch<br />

Drosselung und Schleusen präzise gesteuert,<br />

so dass alle Betriebspunkte unter Tage<br />

ausreichend <strong>mit</strong> frischer Luft versorgt werden.<br />

Wo nicht <strong>mit</strong> durchziehenden Wettern<br />

belüftet werden kann - z. B. dort wo eine<br />

Strecke vorgetrieben wird - werden die benötigten<br />

Wettermengen von kleineren Venti-<br />

latoren durch flexible Kunststoffrohre, die<br />

sogenannten Wetterlutten, in die betreffenden<br />

Betriebspunkte geleitet. Pro Minute<br />

werden für jeden Bergmann mindestens<br />

sechs Kubikmeter Luft zugeführt. Das ist<br />

hundertmal mehr als ein Mensch selbst bei<br />

schwerster Arbeit benötigt.<br />

In der Tiefe wird es wärmer<br />

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass so große<br />

Wettermengen durch ein Bergwerk geleitet<br />

werden müssen. Zunächst brauchen die<br />

Bergleute natürlich Luft zum Atmen. Auch<br />

viele der eingesetzten Maschinen, wie z.B.<br />

Dieselmaschinen, benötigen Luft zum Betrieb.<br />

Außerdem, je tiefer man in die Erde<br />

eindringt, desto wärmer wird es. Etwa alle<br />

30 Meter steigt die Gebirgstemperatur um<br />

jeweils ein Grad Celsius an. In 1000 Meter<br />

Tiefe liegt die Gebirgstemperatur bei über<br />

40°C. Die Wetter dienen also auch zur Kühlung.<br />

Um erträgliche Arbeitsbedingungen<br />

zu schaffen, werden im Abbaubereich, wo<br />

laufend Kohle und Gestein <strong>mit</strong> höherer Temperatur<br />

freigelegt werden, zusätzliche Kühlanlagen<br />

eingesetzt. Bergbehördliche Bestimmungen<br />

legen fest, dass ein Bergmann<br />

bei Temperaturen über 28°C eine verkürzte<br />

Arbeitszeit vor Ort hat.<br />

9


Das Grubengas, ein ständiger<br />

Begleiter<br />

Nachdem vor rund 300 Millionen Jahren die<br />

riesigen Wälder der Steinkohlenzeit in den<br />

Sümpfen versunken waren, das Meer die<br />

Bäume und Pflanzen <strong>mit</strong> Sandschichten<br />

überdeckte und so die abgestorbene Vegetation<br />

luftdicht verschlossen hatte, entstanden<br />

im Zersetzungsprozess aus den Pflanzenresten<br />

und später während der Kohle-<br />

Bildung Gase. Diese sammelten sich in der<br />

Kohle und in porösen Schichten des Steinkohlengebirges<br />

- so sind z. B. die Erdgaslagerstätten<br />

entstanden. Dieses Gas, im<br />

Steinkohlenbergbau Grubengas genannt,<br />

setzt sich aus unterschiedlichen Gasen zusammen:<br />

vor allem Methan, Kohlendioxid<br />

sowie Kohlenmonoxid, Stickoxiden und teilweise<br />

Wasserstoff. Werden diese Gase freigesetzt<br />

, so sind sie bei einer Konzentration<br />

zwischen 5% und 14% in der Luft explosiv.<br />

Der Bergmann nennt ein solches Luft-Gas-<br />

Gemisch Schlagwetter.<br />

Da<strong>mit</strong> es nicht soweit kommt, wird heute<br />

sehr viel getan. Die wichtigste Sicherheitsvorkehrung<br />

ist dabei die Vorbeugung. So<br />

wird weit vor dem eigentlichen Abbau aus<br />

den Kohlenflözen und dem umgebenden<br />

Gebirge das Grubengas abgesaugt, über<br />

10<br />

separate Rohrleitungen zu Tage gefördert<br />

und insbesondere für Heizzwecke genutzt.<br />

Darüber hinaus wurden im deutschen Steinkohlenbergbau<br />

die Sicherheitsvorkehrungen<br />

ständig verbessert. Sie haben heute ein<br />

so hohes Maß an Zuverlässigkeit, dass sie<br />

international zu den besten der Welt rechnen.<br />

Alle Elektroschaltgeräte und Elektromotoren<br />

sind so gesichert, dass sie keine<br />

Explosion zünden können. Außerdem wird<br />

die Stromversorgung bei einer Konzentration<br />

von 1 % Grubengas in den Wettern<br />

automatisch unterbrochen. Gasmessgeräte<br />

erfassen im gesamten Grubengebäude<br />

kontinuierlich die Gaskonzentration und<br />

übertragen die Daten an die übertägige<br />

Gruben- und Sicherheitswarte.<br />

Neben dem Grubengas aus aktiven Bergwerken<br />

wird zunehmend auch das aus stillgelegten<br />

Bergwerken abgesaugt und in<br />

Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme<br />

umgewandelt. Die dadurch erzeugte Energie<br />

wird danach in die Netze der lokalen Betreiber<br />

wie beispielsweise Stadtwerke eingespeist.<br />

Dadurch wird ein wertvoller Energieträger<br />

genutzt, das Klima geschützt und<br />

Gefahrenabwehr betrieben. Deshalb hat<br />

das Land Nordrhein-Westfalen die Grubengasinitiative<br />

NRW im Rahmen der Landesinitiative<br />

Zukunftsenergien gegründet, an denen<br />

Entwicklung der<br />

durchschnittlichen<br />

Abbauteufe in der<br />

Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

(in Meter)<br />

1960 1970 1980 1990 2000<br />

644<br />

754<br />

850<br />

903<br />

971<br />

� Niederbringen einer Bohrung, um vor<br />

dem Abbau Grubengas abzusaugen.<br />

Alle elektrischen Anlagen müssen �<br />

schlagwettergeschützt eingekapselt werden.


sich neben Forschungsinstituten und Anlagenbauern<br />

u.a. auch die Grubengasverwertungsgesellschaften<br />

beteiligen, die mehrheitlich<br />

vom Bergbau geführt werden.<br />

Schichtwechsel<br />

Im Füllort der 9. Sohle ist es inzwischen etwas<br />

lebhafter geworden. Die Nachtschicht,<br />

die gestern Abend um 22 Uhr angefahren<br />

war, hat jetzt um sechs Uhr morgens Feierabend.<br />

Die Männer haben Reparaturen und<br />

andere Arbeiten ausgeführt, da<strong>mit</strong> auf der<br />

Frühschicht die Kohlengewinnung in den<br />

Abbaubetriebspunkten wieder planmäßig<br />

anlaufen kann.<br />

Zum Beispiel der Tränker: Seine Aufgabe<br />

war es, das Kohlenflöz im Streb <strong>mit</strong> Wasser<br />

zu tränken. Das geschieht in erster Linie, um<br />

die Staubbildung beim Kohle-Abbau zu verringern,<br />

aber auch, um die Kohle leichter lösen<br />

zu können. Der Tränker bohrt über 100<br />

Meter lange Löcher in das Kohlenflöz und<br />

presst <strong>mit</strong> einem Druck von etwa 80 bar<br />

Wasser hinein.<br />

Die fortschreitende Mechanisierung, die da<strong>mit</strong><br />

verbundene Produktivitätssteigerung<br />

und die Konzentration auf immer weniger<br />

Abbaubetriebspunkte – Faktoren, die den<br />

modernen Bergbau immer rationeller gestalten<br />

– stellen an die Staubbekämpfung besondere<br />

Anforderungen, dies vor allem im<br />

Interesse der Gesundheit der Bergleute.<br />

Staub kann zu Lungenerkrankungen führen.<br />

Deshalb werden umfangreiche Maßnahmen<br />

zur Staubbekämpfung eingesetzt. Außerdem<br />

werden die Bergleute regelmäßig ärztlich<br />

untersucht und bei Krankheitsanzeichen<br />

im Rahmen der Arbeitseinsatzlenkung an<br />

andere Arbeitsplätze versetzt. Im Vergleich<br />

zu früher treten Lungenerkrankungen heute<br />

nur noch sehr selten auf, ein Erfolg dieser<br />

Vorsorgemaßnahmen.<br />

Der Besucher fragt sich oft, wo die vielen<br />

Bergleute beschäftigt sind. Etwa 4.000<br />

Menschen arbeiten über- und unter Tage<br />

auf einem Bergwerk und nur wenigen begegnet<br />

der Besucher unter Tage. Dies liegt<br />

zum einen an der Weitläufigkeit moderner<br />

Bergwerke. Da Tag und Nacht gearbeitet<br />

wird, verteilt sich die Belegschaft auf 3-4<br />

Schichten. Außerdem hat sich das Berufsbild<br />

des Bergmanns völlig geändert. Früher<br />

haben viele Hauer die Kohle <strong>mit</strong> der Keilhaue,<br />

später <strong>mit</strong> dem Abbauhammer gewonnen.<br />

Heute übernehmen diese Arbeit<br />

Hochleistungsmaschinen, die von nur wenigen<br />

Bergleuten bedient werden. Wichtige<br />

Aufgaben der Bergleute liegen heute in vorbereitenden<br />

Maßnahmen und in der In-<br />

standhaltung der Grubenbaue. Vor Beginn<br />

des Abbaus sind Strecken aufzufahren, Förderbänder<br />

zu installieren, elektrische Leitungen<br />

zu verlegen und Datennetze aufzubauen.<br />

Außerdem sind vielfältige Wartungs- und<br />

Reparaturarbeiten an dem großen Maschinenpark<br />

vorzunehmen.<br />

Rund 90 Kilometer ist das in Betrieb befindliche<br />

unterirdische Streckennetz in diesem<br />

Bergwerk lang. 36 Kilometer Förderbänder<br />

für den direkten Transport von Kohle und<br />

Gestein von den Abbaustreben und den<br />

Streckenvortrieben bis zum Kohlenbunker<br />

am Hauptschacht sind montiert worden.<br />

Drei Abbaubetriebspunkte gibt es auf dieser<br />

Schachtanlage. Über 6.000 Kilogramm<br />

Kohle werden pro Mann und Schicht unter<br />

Tage gefördert – das ist die Durchschnittsleistung<br />

im Steinkohlenbergbau in Deutschland.<br />

Seit dem Jahr 1900 sind im deutschen<br />

Bergbau über 150.000 Kilometer unterirdische<br />

Strecken „aufgefahren“ worden. Das<br />

entspricht einem Tunnel, der viermal um die<br />

Erde gehen würde.<br />

11


In den Strecken unter Tage, vom Füllort bis<br />

zu den verschiedenen Abbaubetriebspunkten,<br />

herrscht ein reger Zugverkehr. Bei<br />

Schichtwechsel sind es die Personenzüge,<br />

die die Bergleute zu ihren oft Kilometer weit<br />

entfernten Arbeitsplätzen bringen. Dann<br />

fahren während der Schicht Züge <strong>mit</strong> Material,<br />

Maschinen, Ersatzteilen und auf manchen<br />

Anlagen <strong>mit</strong> Kohle oder auch <strong>mit</strong> Bergen.<br />

Diese Schachtanlage hat sechs Lokomotiven<br />

im Einsatz. Es sind Loks <strong>mit</strong> Akku-<br />

Antrieb. In anderen Gruben gibt es auch<br />

Diesellokomotiven.<br />

Viele Wartungen und Reparaturen an den �<br />

Maschinen werden unter Tage vorgenommen.<br />

Hier werden auch die Akkus<br />

der Grubenlok geladen.<br />

12<br />

In der Montagekammer unter Tage wird �<br />

die Vollschnittmaschine zusammengesetzt.<br />

Hier ist der Schneidkopf <strong>mit</strong> den<br />

Rollenmeißeln zu sehen, die das Gestein<br />

abscheren. Sowohl die Rollenmeißel als<br />

auch der gesamte Kopf drehen sich beim<br />

Vortrieb langsam.<br />

� Das Streckensystem unter Tage entspricht<br />

dem Straßennetz einer Stadt über<br />

Tage.


Auf dem Weg „vor Ort“<br />

Der Weg zum Abbaubetriebspunkt im Flöz<br />

Zollverein wäre zu Fuß ein Marsch von über<br />

einer Stunde, <strong>mit</strong> dem Zug dauert es nur 20<br />

Minuten.<br />

Einsteigen. Eine Kabine <strong>mit</strong> zwei Sitzbänken –<br />

das ist ein „Abteil“ in diesem Personenzug.<br />

Sicherheitsgitter werden links und rechts<br />

über die Einstiege geschoben. Ein Signal,<br />

der Zug fährt an. Er verlässt das hell erleuchtete<br />

Füllort und biegt ab in die Strecke,<br />

ein etwa sieben Meter breiter Tunnel.<br />

Die Wände sind <strong>mit</strong> Stahlbögen ausgebaut,<br />

die Zwischenräume <strong>mit</strong> Betonplatten ausgefüllt.<br />

Holzausbau findet man heute im<br />

Bergbau so gut wie nicht mehr. Er könnte<br />

dem hohen Gebirgsdruck in dieser Tiefe nur<br />

begrenzt standhalten. Deshalb werden diese<br />

Strecken <strong>mit</strong> Stahlbögen und Beton ausgebaut.<br />

In der Mitte der Strecke liegt das Schotterbett<br />

für die Zuggleise. An der Decke (bergmännisch:<br />

Firste) und an den Wänden<br />

(bergmännisch: Stöße) ziehen sich ganze<br />

Bündel von Leitungen entlang – für Druckluft<br />

und Wasser, für elektrische Energie und<br />

Daten-Übertragung, für das planmäßig im<br />

Bereich der Strebe abgesaugte Grubengas,<br />

für Baustoffe und Hydraulikflüssigkeit.<br />

Immer noch rollt der Zug durch die Strecke.<br />

Eben passiert er einen Abzweig. Im Licht<br />

der Grubenlampen sind große Plastikwannen<br />

an der Firste zu erkennen. In regelmäßigen<br />

Abständen tauchen sie auf: Explosionssperren.<br />

Sie sind voll Wasser; im Falle einer<br />

Gas- oder Kohlenstaubexplosion würden<br />

sie von der Druckwelle umgeworfen und einen<br />

Wasserschleier in der Strecke versprühen,<br />

durch den die Flamme nicht durchschlagen<br />

kann; sie wird gekühlt und da<strong>mit</strong><br />

gelöscht.<br />

Großbohrmaschinen treiben<br />

Tunnel in das Gebirge<br />

Es hat nicht nur Monate, sondern Jahre gedauert,<br />

um diese Strecke zu bauen – oder<br />

wie der Bergmann sagt aufzufahren. Streckenvortrieb<br />

ist eine ebenso mühsame wie<br />

kostspielige Arbeit. Rund 40 Bohrlöcher<br />

werden in das Gestein getrieben. Sprengstoff<br />

wird eingefüllt und gezündet. Das gesprengte<br />

Gestein wird <strong>mit</strong> einem Seitenkipplader<br />

auf den Förderer verladen und abtransportiert.<br />

Dann erst kann der Ausbau<br />

des neu aufgefahrenen Streckenabschnitts<br />

erfolgen. Auf einem Bohrwagen können bis<br />

zu sechs Bohrgeräte zusammengefasst<br />

sein, so dass mehrere Löcher gleichzeitig in<br />

das Gestein gebohrt werden können.<br />

13


Viele Strecken werden heute <strong>mit</strong> Vortriebsmaschinen<br />

aufgefahren. Zwei unterschiedliche<br />

Typen gibt es: Teilschnittmaschinen, die<br />

das Streckenprofil nach und nach herausfräsen,<br />

und Vollschnittmaschinen, die in einem<br />

Arbeitsgang eine Strecke von bis zu 12<br />

Meter Durchmesser auffahren. Vollschnittmaschinen<br />

fahren durch das Gestein, das<br />

vorne von rotierenden Stahlscheiben gelöst<br />

wird und <strong>mit</strong>ten durch den Maschinenkörper<br />

zum weiteren Abtransport nach über<br />

Tage geschafft wird – eine Art stählerner Regenwurm.<br />

Kilometerlange Strecken werden<br />

so in wenigen Monaten fertiggestellt.<br />

Eine Neuentwicklung ist die Vortriebsmaschine<br />

„AVSA“ (steht für „Alternatives Vortriebssystem<br />

Schneiden Ankern“). Mit ihr<br />

wird nicht nur flexibel der Streckenquerschnitt<br />

herausgearbeitet sondern gleichzeitig<br />

kann auch der Ankerausbau zum Halten<br />

der Deckschichten gesetzt werden. Beim<br />

Ankerausbau werden bis zu mehrere Meter<br />

lange Bohrlöcher in das Gestein vorgetrieben.<br />

Darin verklebt man Stangen, die so die<br />

einzelnen Gesteinspakete zusammenhalten.<br />

14<br />

Bei der Streckenplanung benutzt man heute<br />

Datenverarbeitungsanlagen, die eine optimale<br />

Streckenführung errechnen. Auf den<br />

Zentimeter genau muss die vorausberechnete<br />

Richtung der Strecke beim Vortrieb<br />

eingehalten werden. Die Berechnungen sind<br />

Sache der Vermessungsingenieure, der<br />

Markscheider. Schon lange arbeitet man<br />

beim Streckenvortrieb <strong>mit</strong> einem Laserstrahl,<br />

der die Richtung der Strecke über<br />

größere Entfernungen festlegt und die früher<br />

erforderlichen häufigen Zwischenmessungen<br />

überflüssig macht. Die Techniken des<br />

Messens und Vermessens sowie des Streckenvortriebs<br />

sind nicht auf den Bergbau<br />

beschränkt geblieben. Bei U-Bahn-Bauten,<br />

Straßentunneln, Bau von Wasserleitungen<br />

werden die Erfahrungen der Bergleute genutzt.<br />

Moderne Vermessungstechnik, im<br />

deutschen Bergbau entwickelt, wurde auch<br />

beim Eurotunnel zwischen Frankreich und<br />

England eingesetzt. Bei einer Gesamtlänge<br />

von 37,9 km haben sich zwei Vollschnittmaschinen<br />

bis auf wenige Millimeter Abweichung<br />

unter dem Ärmelkanal getroffen.<br />

� Mit der Vortriebsmaschine AVSA wird<br />

die Strecke vorgetrieben und gleichzeitig<br />

<strong>mit</strong> Ankern gesichert.<br />

� Mit Hilfe von Ankern wird das hangende<br />

Gestein gehalten, so dass ein weiterer<br />

Ausbau <strong>mit</strong> Stahlbögen nicht nötig ist.


Holzausbau, wie er früher in steil gelagerten<br />

Flözen üblich war.<br />

Strebausbau um 1950: Holzkappen und<br />

Stahlstempel<br />

Moderner Schreitausbau: Stahlschilde<br />

schirmen den Streb ab<br />

Vor Ort<br />

Der Zug stoppt. Das Sicherheitsgitter am<br />

Ausstieg wird hochgezogen. Aussteigen!<br />

Es ist merklich schwüler geworden. Die Stöße<br />

der Strecke sind feucht. Das Wasser wird<br />

in kleinen Gräben, den sogenannten Wasserseigen,<br />

aufgefangen und entlang der<br />

Strecken zu Sammelbecken oder Sümpfen<br />

geleitet und von dort in die Wasserhaltung<br />

der Grube gepumpt.<br />

Überall im Gebirge gibt es wasserführende<br />

Klüfte und Schichten, und es sind manchmal<br />

große Mengen Wasser, die ständig in<br />

die Grube fließen. Dies hat dazu geführt,<br />

dass der Bergmann ein kompliziertes System<br />

der Wasserhaltung entwickeln musste.<br />

Leistungsstarke, elektrisch angetriebene<br />

Kreiselpumpen drücken das Grubenwasser<br />

durch Rohrleitungen an die Tagesoberfläche.<br />

Ein paar Meter noch, dann ist der Blindschacht<br />

erreicht, ein Schacht, der übereinander<br />

liegende Sohlen verbindet, dessen<br />

oberes Ende unter Tage liegt. Die Fahrt zur<br />

nächsten Sohle ist nur kurz. Stille, nur das<br />

dumpfe Rütteln des Förderkorbes und das<br />

Klicken der Wassertropfen.<br />

Auf der unteren Sohle ist es noch ein paar<br />

Grad wärmer. Zu Fuß geht es zur Bandstrecke.<br />

Maschinenteile links und rechts,<br />

Material, Eisen, Holz, Kabeltrommeln. Für<br />

den Materialtransport bis zum Abbaubetriebspunkt<br />

ist eine Einschienen-Hängebahn<br />

installiert. Lange Stahlteile, z. B. die Rundbögenteile<br />

für den Streckenausbau oder<br />

Rohre, schweben einfach an Haken eingehängt<br />

bis vor Ort. Kleinere Teile transportiert<br />

man in Containern, die vom normalen<br />

Schienenfahrgestell auf die Hängebahn umgesetzt<br />

werden können.<br />

Der Weg wird abschüssig. Bis zum Kohlenstreb<br />

sind noch 40 Meter Höhenunterschied<br />

zu bewältigen. Rechts läuft das Förderband,<br />

auf dem die abgebaute Kohle zum<br />

Schacht transportiert wird. Nur das Surren<br />

der Bandrollen ist zu hören. Auch die Bergleute<br />

fahren auf diesem Band vom Haltepunkt<br />

des Personenzuges bis nach vor Ort<br />

und zurück. Dafür sind spezielle Auf- und<br />

Absteigestellen eingerichtet.<br />

Etwa 30 Meter vor dem Streb hängt ein Zug<br />

an einem besonderen Schienenstrang.<br />

Zwölf Wagen <strong>mit</strong> Transformatoren und<br />

Schaltanlagen, Hydraulikpumpen und Kommunikationseinrichtungen<br />

– die fahrbare<br />

Energieversorgung des Abbaubetriebes.<br />

Aus dem Dunkel links dröhnt ein Lüfter, akustische<br />

Signale sind zu hören und Rufe; die<br />

27 Männer im Abbaubetriebspunkt 14 haben<br />

die Arbeit aufgenommen.<br />

� Die Einschienhängebahn dient zum Transport<br />

von Bergleuten oder Material.<br />

15


Schildstreb <strong>mit</strong> Walzenschrämlader. Der<br />

Walzenfahrer steuert die Maschine fern.<br />

17


Der Kohlen-Streb: Etwa 2,50 Meter hoch,<br />

5 bis 6 Meter breit und ca. 300 Meter lang.<br />

Das Kohlenflöz ist auf der einen Längsseite<br />

des Strebs zu sehen. Der bereits abgebaute<br />

Teil, der „Alte Mann“, liegt verdeckt hinter<br />

dem stählernen Schildausbau.<br />

Wir sind in einem Schildstreb. Längst sind<br />

alle Strebbetriebe <strong>mit</strong> diesem Ausbau ausgerüstet,<br />

der das Hangende hydraulisch<br />

abstützt und in das ausgekohlte Feld vorwärts<br />

rückt – schreitet. Große Stahlplatten<br />

stützen das Hangende (das Gebirge, das<br />

über dem Kohlenflöz liegt) lückenlos ab. Die<br />

Bergleute arbeiten wie in einem stählernen<br />

Tunnel, offen nur auf der Seite, wo das Kohlenflöz<br />

abgebaut wird. Auf einer Länge von<br />

über 300 Metern steht Schild an Schild.<br />

2500 Tonnen Stahl sind in diesem Streb eingebaut.<br />

Die Sicherheit der Bergleute im<br />

Streb hat sich dadurch wesentlich erhöht.<br />

Früher musste der Bergmann noch viele<br />

Holzstempel setzen, um das Hangende abzustützen.<br />

Seit etwa 1960 sind die mühsam<br />

von Hand gesetzten Einzelstempel in Folge<br />

der technischen Entwicklung nach und<br />

nach schließlich durch den vollmechanischen<br />

Ausbau, den sogenannten Schreitausbau,<br />

abgelöst worden.<br />

18<br />

Mit gewaltiger Kraft nähert sich der Walzenschrämlader,<br />

eine 20 Tonnen schwere Maschine,<br />

deren rotierende Walzen <strong>mit</strong> zahlreichen<br />

Meißeln bestückt sind. Sie schneidet<br />

aus dem matt glänzenden Kohlenflöz einen<br />

etwa 80 Zentimeter breiten Streifen heraus.<br />

Mit 6 Meter pro Minute fährt die Schrämwalze<br />

an dem Flöz entlang. Aus zahlreichen<br />

Düsen an der Walze spritzt Wasser auf die<br />

Kohle zur Staubbekämpfung. Der Maschinenfahrer<br />

und sein Begleiter tragen Schutzbrillen<br />

und Staubmasken. Durch die Drehung<br />

der Walze gelangt die Kohle automatisch<br />

auf den Kettenförderer, eine Art Stahlwanne,<br />

in der ein schweres Kettenband die<br />

Kohle zur Bandstrecke schiebt. Dort fällt sie<br />

auf einen weiteren Kettenförderer, wird in einem<br />

Brecher zerkleinert und gelangt<br />

schließlich auf ein Gurtförderband.<br />

� Auch in automatisch gesteuerten<br />

Schild-Streben ist eine Überprüfung<br />

erforderlich<br />

1. Gewinnen<br />

2. Rücken<br />

3. Einfahren<br />

4. Schreiten<br />

5. Setzen<br />

Das „Schreiten“ eines Schildes in einzelnen<br />

Phasen.<br />

Das Hangende: Die Gesteinsschicht<br />

über dem Kohlenflöz, im Streb die „Decke“<br />

des Abbauraumes, auf dem der<br />

Druck des darüberliegenden Gebirges<br />

lastet.<br />

Das Liegende: Die Gesteinsschicht unter<br />

dem Kohlenflöz, im Streb der „Fußboden“<br />

des Abbauraumes.<br />

Firste: die „Decke“ einer Strecke.<br />

Vor Ort: Arbeitsplatz unter Tage, wo eine<br />

Strecke vorgetrieben oder Kohle gewonnen<br />

wird.<br />

Markscheide: Grenzlinie eines Grubenfeldes,<br />

Markscheidekunde = Vermessungskunde<br />

im Bergbau.


Technischer Fortschritt im Kohleabbau:<br />

1925: im Handbetrieb wird die Kohle <strong>mit</strong> �<br />

der „Keilhaue“ gelöst. �<br />

1955: <strong>mit</strong> dem pressluftgetriebenen �<br />

Abbauhammer.<br />

Heute: vollmechanisiert in einem Schild- �<br />

streb (hier <strong>mit</strong> Kohle-Hobel).<br />

Automatisch schiebt sich der Kettenförderer<br />

wieder an die Kohle heran. Dabei dienen die<br />

Schilde als Widerlager. Anschließend rücken<br />

die Schilde – elektrohydraulisch bewegt –<br />

ebenfalls automatisch nach. Nach jedem<br />

Schnitt folgen sie in Richtung auf das Flöz<br />

und stützen das freigelegte Hangende ab.<br />

Hinter den Schilden geht das Hangende zu<br />

Bruch und rutscht auf den schrägen Stahlplatten<br />

ab, gefahrlos für Bergmann und Maschine.<br />

Die Gewinnung ist heute im deutschen<br />

Steinkohlenbergbau voll mechanisiert. Das<br />

heißt: Maschinen lösen die Kohle aus dem<br />

Flöz und laden sie auf den Förderer. Dabei<br />

gibt es nicht nur den Walzenschrämlader.<br />

Ein paar Kilometer von diesem Streb entfernt<br />

wird zum Beispiel ein Kohlenhobel eingesetzt.<br />

Das ist eine Maschine, die auf der<br />

gesamten Streblänge die Kohle nicht wie<br />

der Schrämlader aus dem Flöz schneidet,<br />

sondern wie ein Schreinerhobel schält. Im<br />

Gegensatz zum Walzenschrämlader bewegt<br />

sich der Hobel <strong>mit</strong> einer hohen Geschwindigkeit<br />

(30 bis 90 Meter pro Minute) am<br />

Kohlenstoß entlang, dafür aber beträgt die<br />

Schnitttiefe nur drei bis acht Zentimeter.<br />

Warum wird hier <strong>mit</strong> dem Walzenschrämlader<br />

und dort <strong>mit</strong> dem Kohlenhobel gearbeitet?<br />

Die Antwort ist einfach: Es gibt z. B. besonders<br />

dicke Flöze <strong>mit</strong> harter Kohle und<br />

geringer mächtige Flöze <strong>mit</strong> weicherer Kohle.<br />

Flöz Zollverein ist zum Beispiel ein dickes<br />

Flöz <strong>mit</strong> sehr fester, harter Kohle. Ein Ho-<br />

bel könnte nur wenige Zentimeter tief die<br />

Kohle lösen und wäre auch zu niedrig, um<br />

das Flöz in der gesamten Höhe abzubauen.<br />

In solchen Flözen werden fast ausschließlich<br />

Walzenschrämlader eingesetzt. Anders dagegen<br />

im dünneren Flöz Katharina <strong>mit</strong> <strong>mit</strong>tlerer<br />

Kohlenhärte. Dort ist der Hobel das<br />

besser geeignete Abbaugerät.<br />

Hobel und Walzenschrämlader können nur<br />

eingesetzt werden, wenn das Flöz eben,<br />

wellig oder mäßig geneigt ist. Je nach den<br />

geologischen Gegebenheiten können Flöze<br />

aber auch stark geneigt oder sogar steil,<br />

d.h. senkrecht stehen. Vielfältige Techniken,<br />

auch diese Flöze vollmechanisch abzubauen,<br />

wurden erprobt. Letztendlich war jedoch<br />

keine davon erfolgreich.<br />

Die jüngere Forschung will erreichen, den<br />

Gesteinsanteil bei der Förderung (heute<br />

rund 50 %) zu verringern, indem die Walze<br />

oder der Hobel die Grenze zwischen Kohle<br />

und Gestein automatisch erkennt. Mit Sensoren<br />

bestückte Maschinen, die von alleine<br />

immer in der Kohle bleiben, wurden erfolgreich<br />

getestet.<br />

Der Druckluft betriebene Abbauhammer, <strong>mit</strong><br />

dem die Bergleute noch in den 50er Jahren<br />

die Kohle losbrachen, ist heute nur noch ein<br />

Hilfs<strong>mit</strong>tel, wenn beispielsweise große Brokken<br />

die Transportbänder blockieren.<br />

19


Die Grubenwarte – das<br />

Nervenzentrum eines<br />

Bergwerks<br />

Nach einer eindrucksvollen Grubenfahrt gelangt<br />

die Gruppe wieder an die Tagesoberfläche.<br />

Der Bereichsleiter zeigt die Grubenund<br />

Steuerwarte – das Nervenzentrum des<br />

Bergwerks – und erläutert die Funktionsweise:<br />

Alle wichtigen Vorgänge, die sich unter Tage<br />

im Bergwerk abspielen, werden über Tage<br />

in der Grubenwarte registriert. Hier wird der<br />

gesamte Ablauf von Gewinnung und Förderung<br />

im Grubengebäude überwacht. Ein<br />

elektronisches Meldenetz, über das die<br />

wichtigsten Betriebszustände in die Grubenwarte<br />

gelangen, erhöht die Sicherheit<br />

und fördert den reibungslosen Betriebsablauf.<br />

Der Mitarbeiter in der Grubenwarte sieht an<br />

Bildschirmterminals auf einen Blick, ob die<br />

Gewinnungsmaschinen und die Förderer arbeiten<br />

oder stillstehen, er kann die jeweils<br />

geförderte Kohlenmenge ablesen, den<br />

Stand des Grubenwassers oder den Gas-<br />

20<br />

gehalt der Wetter überprüfen. Steht die<br />

Bandanlage oder liegt irgendwo ein Maschinenschaden<br />

vor, zeigen es die Geräte<br />

der Warte an. Die Messwerte können am<br />

Bildschirm jederzeit sichtbar gemacht werden.<br />

Darüber hinaus kann sich der Grubenwart<br />

über den Fernsprecher <strong>mit</strong> allen Betriebspunkten<br />

und natürlich auch <strong>mit</strong> der<br />

Betriebsleitung in Verbindung setzen. Nicht<br />

nur die Untertageanlagen werden in der<br />

Grubenwarte überwacht. Auch die Funktion<br />

der Grubenlüfter, der Fördermaschinen und<br />

die Elektroversorgung wird beobachtet. Zur<br />

weiteren Auswertung und für spätere Überprüfungen<br />

werden alle Daten elektronisch<br />

gespeichert.<br />

Neben der passiven Überwachung ist die<br />

aktive Steuerung von Maschinen unter Tage<br />

von übertägigen Steuerständen aus von besonderer<br />

Bedeutung. Alle Abbaubetriebe<br />

werden von solchen Steuerständen aus<br />

„gefahren“ und auch für Streckenvortriebe<br />

und den untertägigen Personen- und Materialtransport<br />

werden immer mehr übertägige<br />

Steuerstände eingerichtet. Die Arbeitsbedingungen<br />

der Bedienungsmannschaft werden<br />

dadurch wesentlich verbessert.<br />

Vollautomatischer Bergbau –<br />

Eine Vision?<br />

Aufgrund der nie exakt vorausberechenbaren<br />

geologischen Verhältnisse ist ein vollautomatischer<br />

Bergbau derzeit schwer vorstellbar.<br />

In Teilbereichen ist die Automatisierung<br />

jedoch weit fortgeschritten, wie wir gesehen<br />

haben (Bandanlagen, Schachtförderung,<br />

teilweise im Abbau). Diese Bereiche werden<br />

zunehmend durch zentrale Steuereinheiten<br />

über Computer vernetzt. Dabei spielen vor<br />

allem logistische Aufgabenstellungen eine<br />

Rolle, das heißt, die erforderlichen Materialien<br />

(Ausbauteile, Maschinen), Versorgungseinrichtungen<br />

(Pumpen, Stromaggregate),<br />

Leitungen für Strom, Wasser, Luft etc. entsprechend<br />

den Erfordernissen rechtzeitig<br />

vor Ort zu bringen und im Gegenzug die<br />

Kohle nach über Tage zu fördern.<br />

Üben im virtuellen Streb<br />

Nicht nur im Internet kann man sich <strong>mit</strong> den<br />

Komponenten eines Bergwerks vertraut<br />

machen (www.deutsche-<strong>steinkohle</strong>.de). Für<br />

die Aus- und Fortbildung der Bergleute<br />

werden Abbaubetriebe und Streckenvortriebe<br />

<strong>mit</strong> allen Einbauten und Maschinen<br />

virtuell nachgebildet. Hier kann der Umgang<br />

<strong>mit</strong> neuen Betriebs<strong>mit</strong>teln kostengünstig im<br />

„Trockenkurs“ geübt werden. Dieses 3D-<br />

Verfahren dient auch dazu, das Zusammenspiel<br />

verschiedener Komponenten bereits<br />

während der Konstruktionsphase zu optimieren.<br />

� Blick in die Grubenwarte über Tage.<br />

Hier laufen alle Informationen über die<br />

Betriebszustände der verschiedenen<br />

Teile des Bergwerks zusammen. Die<br />

Grubenwarte ist das Nervenzentrum des<br />

Bergwerks.


Bergmann – ein moderner<br />

Beruf<br />

Wer ein modernes Bergwerk gesehen hat<br />

und die dort arbeitenden Menschen beobachten<br />

konnte, weiß, dass nur qualifizierte<br />

Facharbeiter den Anforderungen gerecht<br />

werden können. Mit dem allgemeinen technischen<br />

Fortschritt hat sich das Berufsbild<br />

des Bergmanns geändert. Im Bergbau gibt<br />

es heute eine Vielzahl von Berufen. Lässt<br />

man die Angestelltenberufe einmal unberücksichtigt,<br />

so kommt man allein im technischen<br />

Bereich auf mehr als ein Dutzend<br />

Ausbildungsberufe.<br />

Der Industriemechaniker montiert und repariert<br />

Maschinen und Geräte über und unter<br />

Tage. Der Energie-Elektroniker kontrolliert<br />

das Leitungsnetz, installiert elektrische Einrichtungen,<br />

wartet Elektrogeräte, baut z. B.<br />

Hochspannungsanlagen sowie elektronische<br />

Bauteile und Schaltungen ein, wartet<br />

und repariert sie. Mit dem Mechatroniker<br />

steht ein Facharbeiter zur Verfügung, dessen<br />

Schwerpunkt im prozessorientierten<br />

Denken und Arbeiten besteht: Montage und<br />

Instandhaltung von komplexen Maschinen,<br />

Anlagen und Systemen sowie die Abnahme<br />

und das Betreiben von entsprechenden Systemen.<br />

Der IT-Systemelektroniker errichtet<br />

die Kommunikations- und Informationsnetze,<br />

wie z. B. Mobilfunknetze, PC-Netzwerke,<br />

elektronische Gebäudesicherungen<br />

etc.. Der Konstruktionsmechaniker baut<br />

Stahlkonstruktionen z. B. für Transportanlagen.<br />

Außerdem gibt es den Zerspanungsmechaniker,<br />

der in Werkstätten eingesetzt<br />

wird.<br />

Zu diesen Berufen, in denen sich die Ausbildung<br />

vergleichbar wie in anderen Industriezweigen<br />

vollzieht, kommen die besonderen<br />

bergtechnischen Ausbildungsberufe. Der<br />

Bergmechaniker wird dreieinhalb Jahre<br />

ausgebildet. Dabei wird er <strong>mit</strong> den Grundfertigkeiten<br />

der Metall- und Baustoffverarbeitung<br />

vertraut gemacht. Er wird an Maschinen<br />

ausgebildet und lernt Transport<strong>mit</strong>tel<br />

und besondere Arbeitsverfahren kennen,<br />

die im Bergbau vorkommen. Die Ausbildung<br />

gleicht im ersten Jahr der Ausbildung<br />

des Industriemechanikers. Im zweiten Ausbildungsjahr<br />

lernt er über Tage die Maschinen<br />

kennen, <strong>mit</strong> denen er im dritten Ausbildungsjahr<br />

unter Tage umgeht. Dabei werden<br />

auch Zusammenbau, Wartung und Reparatur<br />

der Maschinen erlernt. Ein breiter<br />

Raum ist dem bergmännischen Fachwissen<br />

gewidmet. Kenntnisse über die Eigenarten<br />

von Kohle und Nebengestein z. B. sind für<br />

den Maschineneinsatz und sicheres Arbeiten<br />

unentbehrlich. Der Bergmechaniker ist<br />

der Allround-Bergmann, der die besten Aufstiegschancen<br />

hat.<br />

In einem weiteren bergmännischen Ausbildungsberuf,<br />

dem des Berg- und Maschinenmanns,<br />

werden Jugendliche in zwei<br />

Jahren in einer intensiven, ihren Fähigkeiten<br />

entsprechenden Ausbildung auf spezielle<br />

bergmännische Tätigkeiten vorbereitet.<br />

Die Ausbildung wird im Bergbau praxisnah<br />

und <strong>mit</strong> besonderer Sorgfalt betrieben. Es<br />

beginnt da<strong>mit</strong>, dass der Bergbau – anders<br />

als die anderen Wirtschaftszweige – seine<br />

eigenen staatlich anerkannten Berufsschulen/Berufskollegs<br />

<strong>mit</strong> speziell ausgebildeten<br />

Lehrern hat. Sie arbeiten direkt <strong>mit</strong> den erstklassig<br />

eingerichteten betrieblichen Ausbildungszentren<br />

zusammen. Bei den Abschlussprüfungen<br />

der Industrie- und Handelskammern<br />

schneiden deshalb die jungen<br />

Bergleute immer besonders gut ab. Seit jeher<br />

können begabte und tüchtige junge<br />

Bergleute eine weiterführende Schule, die<br />

Bergfachschule, besuchen, wo sie zum<br />

staatlich geprüften Techniker – „Steiger“ –<br />

ausgebildet werden. Bei besonderer Eignung<br />

und nach Bewährung ist eine Weiterbildung<br />

zum Abteilungsleiter möglich.<br />

Eine Hochschulaus- und -fortbildung im<br />

Fach Bergbau bieten die Technische Fachhochschule<br />

Georg Agricola in Bochum<br />

(Bergtechnik, Geotechnik) sowie die technischen<br />

Universitäten in Aachen (Bergbau),<br />

Berlin (Entsorgungs- und Rohstofftechnik),<br />

Clausthal (Geotechnik, Bergbau, Erdöl-/<br />

Erdgastechnik) und Freiberg (Geotechnik<br />

und Bergbau). In Deutschland ausgebildete<br />

Bergleute und Bergtechniker genießen in allen<br />

Ländern der Erde höchstes Ansehen.<br />

Der Bergbau bildet aber nicht nur den<br />

Nachwuchs für die eigenen Betriebe aus. In<br />

Ausbildungseinrichtungen in- und außerhalb<br />

der Reviere werden junge Menschen auch<br />

in nicht bergbauspezifischen, anerkannten<br />

Ausbildungsberufen für andere Wirtschaftszweige<br />

ausgebildet.<br />

� Qualifizierte Ausbildung wird groß<br />

geschrieben.<br />

21


Gemeinsam ans Ziel<br />

„Bergbau ist nicht eines Mannes Sache“,<br />

eine Erkenntnis, die Tradition hat. Um die<br />

vielfältigen Aufgaben, die sich im Bergbau<br />

stellen, erfüllen zu können, ist Team-Arbeit<br />

erforderlich. Mehr vielleicht als in vielen anderen<br />

Berufen ist der Bergmann auf die<br />

gute Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Kollegen und Vorgesetzten<br />

angewiesen. Die besondere Beziehung<br />

zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern<br />

spiegelt sich in der Montan-Mitbestimmung<br />

wieder.<br />

Was ist Mitbestimmung? Die Beschäftigten<br />

in den Bergwerken wählen – wie in anderen<br />

Betrieben außerhalb des Bergbaus auch –<br />

einen Betriebsrat, der ihre Interessen dem<br />

Arbeitgeber gegenüber wahrnimmt und z. B.<br />

in Fragen der Arbeitszeit, der Lohngestaltung,<br />

der Unfallverhütung usw. <strong>mit</strong>spricht.<br />

Bei betrieblichen Planungen kann der Betriebsrat<br />

Vorschläge machen, personellen<br />

Veränderungen muss er zustimmen.<br />

Auf überbetrieblicher Ebene vertreten die<br />

Gewerkschaften die Interessen der Arbeitnehmer<br />

gegenüber Arbeitgeberverbänden.<br />

Hier geht es vor allem um die Höhe der Löhne<br />

und die Länge der Arbeitszeit.<br />

22<br />

Nach den Regeln der Montan-Mitbestimmung<br />

wird, abweichend von der übrigen<br />

Wirtschaft, der Aufsichtsrat des Unternehmens<br />

in jeweils gleicher Zahl <strong>mit</strong> Arbeitnehmervertretern<br />

und Anteilseignern besetzt,<br />

hinzu kommt ein sogenanntes neutrales<br />

Mitglied. In der Unternehmensleitung wird<br />

<strong>mit</strong> den Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter<br />

im Aufsichtsrat ein Arbeitsdirektor<br />

bestellt. Auf betrieblicher Ebene<br />

müssen die Betriebsdirektoren für Personalund<br />

Sozialwesen das besondere Vertrauen<br />

der Arbeitnehmer besitzen.<br />

Hauer: Eine Berufsbezeichnung, die aus<br />

der Zeit stammt, als die Kohle noch <strong>mit</strong><br />

der Spitzhacke „gehauen“ wurde: Facharbeiter.<br />

Steiger: Aufsichtsperson im Bergbau,<br />

abgeleitet „vom steten Steigen und Einfahren<br />

in die Grube“, wie es im vorindustriellen<br />

Zeitalter üblich war. Ein Fahrsteiger<br />

ist ein Bergingenieur <strong>mit</strong> Hochschuloder<br />

Fachhochschulausbildung. Offiziell<br />

wird diese Bezeichnung nicht mehr verwendet.<br />

Knappe: Frühere Bezeichnung für einen<br />

in Ausbildung befindlichen Bergmann;<br />

übertragen auch allgemein für Bergmann.<br />

Heute nicht mehr gebräuchlich.<br />

� Nur im Team können die Aufgaben<br />

bewältigt werden. Jeder trägt Verantwortung<br />

für sich selbst, aber auch für die<br />

anderen Bergleute und das Unternehmen.


Der Bergbau wandert<br />

Der Abbau der Steinkohle muss der Lagerstätte<br />

folgen. Das heißt, wenn die Kohle an<br />

einer Stelle abgebaut ist, so muss der Abbau<br />

an anderer Stelle fortgesetzt werden.<br />

Dies kann un<strong>mit</strong>telbar im Anschluss erfolgen,<br />

weiter weg oder in einem anderen, in<br />

der Regel tiefer liegenden Flöz. Hierzu sind<br />

zunächst entsprechende geologische Erkundungen<br />

notwendig. Mit seismischen<br />

Verfahren wird erkundet, wie die Gesteinsschichten<br />

und Kohleflöze liegen, wo geologische<br />

Störungen zu erwarten sind. Dazu<br />

wird das Gestein künstlich, meist durch kleine<br />

Sprengungen, in Schwingung versetzt<br />

und die reflektierenden Schallwellen werden<br />

anschließend gemessen. Zur genaueren Erkundung<br />

werden Bohrungen niedergebracht.<br />

Die Qualität der Kohle lässt sich anhand<br />

der gewonnenen Bohrkerne er<strong>mit</strong>teln.<br />

Aufgrund der nun bekannten Lagerstättenstruktur<br />

werden die neuen Abbaufelder und<br />

Grubenriss eines Bergwerks. Die Haupt- �<br />

schachtanlage liegt am Standort der<br />

Schächte 1 und 2. Geologische Störungen<br />

bewirken, dass die Flöze um mehrere<br />

Meter versetzt werden. Der Zuschnitt<br />

des Bergwerks muss dies berücksichtigen.<br />

die erforderlichen Streckennetze entworfen.<br />

Die gesamte Abbauplanung ebenso wie<br />

neuerdings auch die Konfiguration der<br />

Strebeinrichtung wird <strong>mit</strong> Hilfe von Computerprogrammen<br />

er<strong>mit</strong>telt und in 3-D-Darstellungen<br />

visualisiert und optimiert.<br />

Zur Auswahl der nächsten Abbaubetriebe<br />

werden die verschiedenen Möglichkeiten<br />

unter geologischen und betriebswirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten geprüft. Dabei werden<br />

weitere Untersuchungen vorgenommen,<br />

z. B. wie der Abbaubetrieb erreicht<br />

werden kann (durch den Vortrieb neuer<br />

Strecken oder den Aufschluss einer neuen<br />

Sohle), welche zusätzlichen Einrichtungen<br />

(z. B. neuer Wetterschacht) oder Erweiterungen<br />

(z. B. Tieferteufen eines Schachtes,<br />

Streckenquerschnitt erweitern) nötig sind.<br />

Für die jeweiligen Abbaubereiche sowie die<br />

benötigten weiteren Einrichtungen sind in<br />

Abhängigkeit von der gewählten Technik die<br />

Auswirkungen auf die Oberfläche, das<br />

Grundwasser etc. zu er<strong>mit</strong>teln.<br />

Bohrkerne geben Aufschluss über die �<br />

geologischen Verhältnisse im Gebirge,<br />

die Lage und Qualität der Kohle.<br />

� 3-D-Darstellung vom Übergang Streb/<br />

Strecke.<br />

23


Hohlräume verfüllen<br />

sich selber<br />

Durch den Kohlenabbau entstehen Hohlräume<br />

im Gebirge. Unter der Last des aufliegenden<br />

Gebirges brechen die Hangendschichten<br />

ein, wenn sie nicht mehr abgestützt<br />

werden.<br />

Seit langer Zeit wird versucht, Hohlräume<br />

wieder zu verfüllen oder, wie der Bergmann<br />

sagt, einen Versatz in den Bruchraum („Alter<br />

Mann“) einzubringen. Beim Blasversatz wird<br />

klein gebrochenes Bergematerial über<br />

Rohrleitungen <strong>mit</strong> Druckluft in den Bruchraum<br />

hinter den Schilden geblasen. Die anschließend<br />

aufliegenden Gebirgsschichten<br />

komprimieren die losen Schüttungen. Trotz<br />

zahlreicher Weiterentwicklungen hat sich<br />

der Blasversatz aber nicht durchsetzen<br />

können. Die technischen und logistischen<br />

Voraussetzungen waren zu hoch. Gleichzeitig<br />

ergaben sich erheblich erhöhte Betriebskosten.<br />

Außerdem ist die Reduzierung der<br />

Senkung an der Tagesoberfläche durch dieses<br />

Verfahren bei weitem nicht so groß, wie<br />

es zu Beginn der Entwicklungsarbeiten erwartet<br />

wurde.<br />

Ein anderes Verfahren ist die Bruchhohlraumverfüllung.<br />

Hierbei wird das kleingemahlene<br />

Bergematerial <strong>mit</strong> Verbrennungsaschen<br />

aus Kraftwerken und Grubenwasser<br />

vermischt. Pumpen befördern das Gemisch<br />

über Rohrleitungen in den Bruchraum.<br />

Dort verteilt sich das Gemisch in die<br />

Zwischenräume des lose geschütteten Bergematerials<br />

aus den Hangendschichten.<br />

Auch dieses hydromechanische Verfahren<br />

hat aber die Erwartungen nicht erfüllen können,<br />

die Auswirkungen des Kohlenabbaus<br />

an der Tagesoberfläche positiv zu beeinflussen.<br />

Wenn die Tagesoberfläche sich<br />

senkt<br />

Überall wo Bergbau betrieben wird, wird ein<br />

mineralischer Rohstoff oder fossiler Brennstoff<br />

– wie z. B. Kohle – abgebaut. Dabei<br />

werden Gesteinsmassen bewegt und aus<br />

der Erde herausgeholt. Beeinflusst wird dadurch<br />

das ursprüngliche physikalische<br />

Gleichgewicht im Gebirgskörper. Das kann<br />

zu unterschiedlichen Auswirkungen führen.<br />

Im Steinkohlenbergbau verfüllen sich die<br />

durch den Abbau der Kohle entstandenen<br />

Hohlräume sofort selbst, wenn das Gebirge<br />

24<br />

nicht mehr durch den Ausbau der Strecke<br />

oder im Streb gestützt wird. Im Anschluss<br />

daran senken sich die darüber liegenden<br />

Gesteinsschichten. Als Folge bilden sich an<br />

der Tagesoberfläche weiträumige Senkungsmulden.<br />

Diese Senkung ist um etwa<br />

10 - 20 Prozent geringer als die Dicke des<br />

abgebauten Flözes. Der Senkungsbereich<br />

über Tage wandert in dem Maße wie sich<br />

der untertägige Abbaubetrieb fortbewegt.<br />

Erst ist eine Genehmigung<br />

erforderlich<br />

Sämtliche bergbaulichen Aktivitäten und<br />

Bauten müssen in umfangreichen Verfahren<br />

genehmigt werden. Die in ihrer Laufzeit und<br />

Detaillierung unterschiedlichen Genehmigungen<br />

bauen aufeinander auf. Als erstes<br />

teilt der Bergbau der zuständigen Behörde<br />

<strong>mit</strong>, welche bergbaulichen Aktivitäten für einen<br />

längeren Zeitraum vorgesehen sind und<br />

beschreibt die grobe Planung hierfür. Dann<br />

wird gemäß den rechtlichen Vorgaben in aller<br />

Regel eine Umweltverträglichkeitsstudie<br />

(UVS) durchgeführt und ein Rahmenbetriebsplan<br />

aufgestellt. In ihm wird festgelegt,<br />

wann und wo z. B. Abbau erfolgen soll. In<br />

einem anschließenden Beteiligungsverfahren<br />

werden die Träger öffentlicher Belange –<br />

Kommunen, Fachbehörden und Ämter –<br />

angehört. Schließlich wird der Rahmenbetriebsplan<br />

öffentlich ausgelegt. Betroffene<br />

Bürger können dazu Einwendungen erheben.<br />

Diese werden dann auf einem Termin<br />

erörtert, wobei der Bergbaubetreiber als<br />

Antragsteller und die Gutachter Stellungnahmen<br />

abgeben können. Daraus resultiert<br />

ein Planfeststellungsbeschluss, der oft<br />

Nebenbestimmungen oder Auflagen enthält.<br />

Allein dieser Planungs- und Abstimmungsprozess<br />

dauert rund sechs bis acht<br />

Jahre. Erst jetzt verfügt der Steinkohlenbergbau<br />

über eine generelle Zulassung. Im<br />

Folgenden müssen nun die jeweiligen Vorhaben<br />

durch Hauptbetriebspläne und danach<br />

jedes einzelne Vorhaben, wie z. B. der<br />

Abbaubetrieb oder ein Streckenvortrieb<br />

durch sogenannte Sonder- oder Einzelbetriebspläne<br />

genehmigt werden. Erst danach<br />

ist die Aufnahme der Arbeiten möglich.<br />

Rahmenbetriebsplan-Verfahren des<br />

Bergwerks Walsum<br />

Gegenstand des Rahmenbetriebsplans<br />

ist der geplante Steinkohlenabbau des<br />

Bergwerks Walsum bis zum Jahr 2019.<br />

1994 – 1996<br />

11.09.1996<br />

13.09.1996<br />

19.02.1997<br />

08.08.2000<br />

bis 19.12.2000<br />

bis 16.01.2001<br />

Vorstudie (bergbauinterne<br />

Untersuchungen)<br />

Übergabe der „Planerischen<br />

Mitteilung“ des<br />

Bergbau-Unternehmens<br />

an die Bergbehörde<br />

Aufforderung der Bergbehörde,<br />

den Rahmenbetriebsplan<br />

<strong>mit</strong> Umweltverträglichkeitsprüfung<br />

(UVP) vorzulegen.<br />

Abstimmung des Untersuchungsrahmens<br />

<strong>mit</strong><br />

der Bergbehörde („Scoping“)<br />

Antragstellung des Bergbau-Unternehmens<br />

Öffentliche Auslegung<br />

Einwendungsfrist<br />

bis 25.01.2001 Beteiligungsverfahren<br />

der Träger öffentlicher<br />

Belange<br />

21.06.2001 – 02.07.2001<br />

1. Erörterungstermin<br />

31.10.2001 – 29.01.2002<br />

2. Erörterungstermin<br />

07.06.2002 Planfeststellung durch<br />

die Bergbehörde


Ein neuer Schacht entsteht<br />

Trotz aller Automation und allem technischen<br />

Fortschritt ist und bleibt der Beruf<br />

des Bergmanns ein Geschäft, das ohne<br />

Geschick, Zähigkeit und Ausdauer nicht<br />

auskommt. Das wird beim Schachtbau<br />

deutlich.<br />

In einer Pfütze auf der Sohle, genau 980<br />

Meter tief unter der Erde, zerplatzen Blasen:<br />

Gas. Nichts Besonderes, die fünf Hauer, die<br />

dort unten den neuen Schacht Meter für<br />

Meter tiefer in den Fels treiben, wissen,<br />

dass sie beim Abteufen wieder auf eine<br />

kohleführende Schicht gestoßen sind. Das<br />

haben sie schon oft erlebt. Aber auch andere<br />

Erdschichten mussten durchteuft werden;<br />

Schwimmsande, Mergelschichten,<br />

Schiefer, Sandstein.<br />

In Tag- und Nachtschichten haben die Hauer<br />

den Schacht, der 1000 Meter tief werden<br />

soll, pro Monat 40 bis 60 Meter tiefergeteuft<br />

und ausbetoniert; 20 Meter noch, dann ist<br />

die 1000-Meter-Sohle erreicht. Rund<br />

50.000 Kubikmeter Gestein mussten dabei<br />

herausgesprengt und an die Tagesoberfläche<br />

gebracht werden. Schachtbau, das ist<br />

nicht nur harte Arbeit, sondern vor allem ein<br />

teures und langwieriges Unternehmen: 30<br />

bis 70 Millionen Euro kostet ein Schacht.<br />

Unten arbeitet ein übermannshoher Polypgreifer,<br />

der das Gestein aufnimmt, das die<br />

Männer der Vorschicht losgesprengt haben.<br />

Ein Mann steuert die Maschine. Polternd<br />

lässt der Greifer die grauen Felsbrocken in<br />

einen riesigen Eisenkübel fallen, in dem das<br />

Gestein nach oben gefördert wird. In diesem<br />

Kübel verlassen die Bergleute bei<br />

Schichtwechsel ihren Arbeitsplatz im übrigen<br />

auch wieder.<br />

Neben dem Abteufgerüst liegen die �<br />

Stahlausbauteile für den Einbau in den<br />

neuen Schacht bereit.<br />

Oben, an der Tagesoberfläche, wo die Abteuffördermaschine<br />

steht, wird der Kübel<br />

gekippt und das Gestein abtransportiert.<br />

Gegenwärtig bieten die Teufarbeiten für die<br />

Männer keine besonderen Schwierigkeiten.<br />

Aber auf den ersten 100 Metern sah das<br />

noch anders aus. Da mussten zunächst die<br />

wasserführenden Lockergesteine durchstoßen<br />

werden, die das feste Karbongebirge<br />

überlagern. Damals konnte man den Schacht<br />

nicht einfach durch Bohren, Schießen und<br />

Laden abteufen. Die Schwimmsandschichten<br />

und die wasserführenden Klüfte im Gestein<br />

hätten dies nicht zugelassen.<br />

Deshalb wurde das Gefrierverfahren angewendet.<br />

Dies ist eine der zuverlässigsten<br />

Abteufmethoden – in Deutschland entwickelt,<br />

in der ganzen Welt angewandt. Das Prinzip:<br />

Wasserhaltige und lockere Erdschichten<br />

werden eingefroren, um sie fest und stabil<br />

zu machen. Durch die gefrorene Erde wird<br />

dann der Schacht niedergebracht.<br />

Der Frostzylinder schützt den neuen<br />

Schacht während des Teufens gegen Wassereinbrüche<br />

und ermöglicht es, ihn dauerhaft<br />

wasserdicht auszubauen. Der wasserdichte<br />

Ausbau besteht heute aus Stahlblech,<br />

das durch eine Betonwand verstärkt<br />

wird.<br />

25


Rationalisierung und<br />

Konzentration<br />

Durch den Einsatz moderner Techniken gelingt<br />

es, neue Wege in den Betriebsabläufen<br />

eines Bergwerks zu beschreiten. Wo früher<br />

viele Bergleute beschäftigt waren, z. B. im<br />

Streb, wird heute die Hauptarbeit von Maschinen<br />

geleistet. Die Schichtleistung unter<br />

Tage, das ist die Kohlenmenge, die ein<br />

Bergmann durchschnittlich in einer Schicht<br />

gewinnt, ist so auf heute 6,5 t je Mann und<br />

Schicht gestiegen (vor 45 Jahren waren es<br />

1,5 t).<br />

Im Zuge der Konzentration der Steinkohlengewinnung<br />

werden auch Bergwerke zusammengelegt.<br />

Die Förderung wird auf einen<br />

Schacht zusammengeführt. Um die<br />

Kohle kostengünstiger zu fördern, sind aber<br />

zunächst Investitionen erforderlich für Strekken,<br />

Bandanlagen, Schachtum- oder -neubauten.<br />

26<br />

� Ausbau eines Schachtes <strong>mit</strong> vorgefertigten<br />

Betonpaneelen.<br />

Verbundmaßnahme<br />

Bergwerk Ost<br />

Ziel des Verbundes ist die Verkleinerung<br />

des Grubengebäudes und der Belegschaft<br />

bei Aufrechterhaltung der Kohleförderung<br />

und der Option eines Zugriffs<br />

zu weiteren Lagerstättenteilen. Vor dem<br />

Verbund gab es in diesem Bereich 17<br />

Schächte, nach Abschluss der Maßnahme<br />

7. Die Gesamtstreckenlänge verringerte<br />

sich dadurch von 217 auf 105 km,<br />

die Belegschaft halbiert sich von rund<br />

6700 auf etwa 3300.<br />

Chronologie:<br />

● November 1997<br />

Beschluss, die Bergwerke HausAden/<br />

Monopol und Heinrich Robert zum Bergwerk<br />

Ost zusammenzuschließen<br />

● März 1998<br />

Beginn der Streckenauffahrung von<br />

Heinrich Robert auf der -1120m-Sohle<br />

● April 1998<br />

Verwaltungsmäßiger Zusammenschluss<br />

der beiden Bergwerke zum Bergwerk<br />

Ost und Beginn der Streckenauffahrung<br />

vom Bereich Monopol<br />

● Mai 1999<br />

Beginn des Tieferteufens von Schacht<br />

Lerche (bisher Abwetterschacht)<br />

● Januar 2000<br />

Umstellung der Wetterführung (Schacht<br />

Lerche wird Frischwetterschacht)<br />

● März 2000<br />

Inbetriebnahme der zentralen Wasserhaltung<br />

Ost<br />

● Februar 2001<br />

Durchschlag der Streckenauffahrung<br />

(Gesamtlänge 5,5 km)<br />

● Juni 2001<br />

Umstellung der Förderbänder Richtung<br />

Heinrich Robert. Endgültige Einstellung<br />

der Förderung auf Haus Aden<br />

● Mai 2001<br />

Ende der Teufarbeiten an Schacht Lerche<br />

● Dezember 2001<br />

Durchschlag der Strecke <strong>mit</strong> Schacht<br />

Lerche<br />

● September 2002<br />

Inbetriebnahme des Schachtes Lerche<br />

<strong>mit</strong> zentraler Kälteanlage und Seilfahrt.<br />

Aufgabe des Kauenstandortes Haus<br />

Aden


DIE STEINKOHLENREVIERE<br />

27


Die Entstehung der Steinkohle<br />

Steinkohle ist vereinfacht dargestellt eine<br />

Weiterentwicklung von Torfmooren, wie sie<br />

auch heute noch entstehen: Holzige Pflanzenteile,<br />

Wurzelstöcke, Stämme und Äste<br />

sterben ab und sinken unter die Wasseroberfläche.<br />

Luftabschluss verhindert das<br />

Vermodern. Später werden Tone und Sande<br />

darüber abgelagert. Durch zunehmende<br />

Tiefe nimmt die Wärme zu, der Prozess der<br />

Inkohlung beginnt. Holz, das jahrzehntelang<br />

Sonnenenergie chemisch gespeichert hat,<br />

wird allmählich zu Kohle.<br />

Vor rund 300 - 350 Millionen Jahren im Karbon<br />

war das heutige Ruhrgebiet die sumpfige<br />

Uferzone eines riesigen Meeres. Das Klima<br />

war subtropisch, die Pflanzen wuchsen<br />

rasch. Der Vorgang der Torfbildung hat sich<br />

mehr als hundertmal ereignet: so viele Kohleschichten<br />

– Flöze – gibt es nämlich zum<br />

Beispiel im Ruhrrevier. Würde man sie aufeinanderlegen,<br />

wären sie etwa 80 Meter<br />

dick.<br />

Das Ruhrrevier<br />

Unter dem Ruhrgebiet befindet sich der<br />

größte Steinkohlenvorrat Deutschlands. Die<br />

Kohlenlagerstätte an der Ruhr misst etwa<br />

100 Kilometer in Ost-West-Richtung. An der<br />

Ruhr reichen die heute abgebauten Kohlenflöze<br />

bis zur Tagesoberfläche, nach Norden<br />

zu sinken sie unter ein immer mächtiger<br />

werdendes Deckgebirge ab. Für den Bergbau<br />

unter heutigen technischen Bedingungen<br />

erreichbar – d.h. bis etwa 1500 m Tiefe<br />

– ist in N-S-Richtung ein 20-30 km breiter<br />

Streifen. Die Lagerstätte ist ein Teil des<br />

nordwesteuropäischen Kohlengürtels, der<br />

sich von England über Nordfrankreich, Belgien<br />

und das Gebiet um Aachen <strong>mit</strong> Unterbrechungen<br />

bis zum russischen Donez-<br />

Becken fortsetzt.<br />

Geregelter Bergbau begann an der Ruhr<br />

nach zaghaften Versuchen, die bis in das<br />

13. Jahrhundert zurückreichen, um 1730.<br />

Bis ungefähr 1830 waren die Kohlenvorräte,<br />

die an der Ruhr zutage traten und im<br />

Schürf- und Stollenbergbau gewonnen werden<br />

konnten, erschöpft. Von nun an musste<br />

man durch das Deckgebirge stoßen, um<br />

Kohle zu finden. Zum ersten Mal versuchte<br />

das der Industrielle Franz Haniel aus Ruhrort<br />

auf der Zeche Kronprinz von Preußen an der<br />

Stadtgrenze von Essen-Borbeck und Mül-<br />

28<br />

heim. Möglich war dies geworden, nachdem<br />

1802 erstmals <strong>mit</strong> Hilfe der einige Jahre<br />

zuvor entwickelten Dampfmaschine Wasser<br />

effektiv aus größerer Tiefe hochgepumpt<br />

werden konnte.<br />

Die rasche Industrialisierung des Ruhrgebiets<br />

zwischen 1880 und 1910 konnte nur<br />

<strong>mit</strong> der Hilfe von Zehntausenden von Einwanderern<br />

aus damaligen ostdeutschen<br />

und westpolnischen Gebieten erreicht werden.<br />

Sie haben das Land, das Leben und<br />

die Leute an der Ruhr wesentlich <strong>mit</strong>geprägt.<br />

Heute gehören die ausländischen<br />

Mitarbeiter, ihre Familien und Nachkommen<br />

aus den süd- und südosteuropäischen Ländern<br />

sowie aus der Türkei zum Alltagsbild.<br />

Seit 1956, dem Jahr <strong>mit</strong> der höchsten<br />

Steinkohlenförderung (124,6 Mio. t) ist die<br />

Förderung auf ein Siebentel gesunken (2005:<br />

18 Mio. t). Während damals auf 140 Bergwerken,<br />

58 Kokereien und 20 Brikettfabriken<br />

eine Belegschaft von 485.000 arbeitete, gab<br />

es zu Beginn 2006 6 Bergwerke und 1 Kokerei<br />

<strong>mit</strong> insgesamt 31.900 Mitarbeitern.<br />

Das Saarrevier<br />

Kohle im Saarrevier ist geologisch anders<br />

entstanden als Kohle an der Ruhr und in Ibbenbüren:<br />

Sie bildete sich nicht aus Wäldern<br />

an Meeresufern, sondern aus den<br />

Sumpfwäldern von Süßwasserseen. Daraus<br />

bildete sich <strong>mit</strong> einer Ausdehnung von etwa<br />

60 mal 25 Kilometern zwischen Frankenholz<br />

im Kreis Homburg und Falkenberg (Lothringen)<br />

das saarländisch-lothringische Kohlenrevier.<br />

Die Flöze sind durchschnittlich zwei<br />

Meter dick, sie liegen meist flach und er-<br />

leichtern dadurch den Abbau <strong>mit</strong> modernen<br />

Maschinen.<br />

An der Saar förderten 2005 rund 7.400 Mitarbeiter<br />

4,7 Mio. t Steinkohle in einem Bergwerk.<br />

Anfang 2004 wurden die letzten beiden<br />

Anlagen zum Bergwerk „Saar“ zusammengelegt.<br />

1956 waren es noch 18<br />

Bergwerke und drei Kokereien.<br />

Ibbenbüren<br />

Hundert Kilometer nördlich des Ruhrgebiets<br />

tauchen die Schichten des Ruhrkarbons<br />

im Teutoburger Wald als eine fünfzehn<br />

mal sechs Kilometer große Scholle wieder<br />

aus der Tiefe empor. Seit über 500 Jahren<br />

wird hier Bergbau betrieben. Ibbenbürener<br />

Kohle ist eine Besonderheit: durch die<br />

ursprüngliche Lagerung in großer Tiefe <strong>mit</strong><br />

höheren Temperaturen wurde sie viel stärker<br />

inkohlt als die Ruhrkohle in entsprechender<br />

Tiefe. Die Fettkohlenflöze von der Ruhr treten<br />

hier als Anthrazit- und Magerkohlen auf.<br />

In Ibbenbüren gab es 1956 6 Schachtanlagen,<br />

eine Kokerei und zwei Brikettfabriken<br />

<strong>mit</strong> 12.100 Beschäftigten. 2005 förderten<br />

2.600 Bergleute 1,9 Mio. t Steinkohle in<br />

einem Bergwerk.<br />

Das Aachener Revier<br />

Im wahrscheinlich ältesten Steinkohlenrevier<br />

Deutschlands wurde <strong>mit</strong> der Schließung<br />

des Bergwerks Sophia-Jacoba 1997 die<br />

letzte Steinkohle gefördert. Betrieben werden<br />

heute noch zwei Brikettfabriken.


Die RAG Aktiengesellschaft<br />

Die RAG Aktiengesellschaft, Essen, wurde<br />

1969 als usprünglich reines Bergbauunternehmen<br />

gegründet und ist heute ein international<br />

tätiger Energie- und Chemiekonzern.<br />

In den Sparten Energie, Chemie, Immobilien<br />

und Bergbau wurde 2005 ein Umsatz von<br />

rund 22 Mrd. Euro erwirtschaftet. Von den<br />

weltweit knapp 100.000 Mitarbeitern ist<br />

rund die Hälfte im Ruhrgebiet tätig. Da<strong>mit</strong><br />

gehört die RAG nicht nur zu den größten<br />

Arbeitgebern in Nordrhein-Westfalen, sondern<br />

auch zu den Unternehmen <strong>mit</strong> den<br />

meisten Ausbildungsplätzen. Jährlich werden<br />

in insgesamt 50 Berufen rund 9.500<br />

Jugendliche für den eigenen Bedarf und<br />

auch für andere Unternehmen ausgebildet.<br />

Die RAG-Tochter STEAG ist der fünftgrößte<br />

Stromerzeuger Deutschlands und hat eine<br />

installierte Kraftwerksleistung von rund<br />

9.000 Megawatt im In- und Ausland. Die<br />

Geschäftsbereiche der STEAG sind Stromerzeugung,<br />

Kraftwerkstechnik, Fernwärme,<br />

Gasdistribution sowie Kohlehandel. Im Bereich<br />

der Steinkohleverstromung ist das<br />

Unternehmen Technologie- und Marktführer.<br />

Das modernste Steinkohlekraftwerk<br />

wird in Duisburg-Walsum gebaut. Am<br />

Standort Herne wird ebenfalls intensiv an<br />

einem Kraftwerksneubauprojekt gearbeitet.<br />

Die Perspektiven für die STEAG sind äußerst<br />

günstig: Experten rechnen bis zum<br />

Jahr 2025 <strong>mit</strong> einem Bedarf von 50 neuen<br />

Kraftwerksblöcken oder 40.000 Megawatt<br />

Kraftwerksleistung. Davon wird ein Großteil<br />

Steinkohlekraftwerke sein.<br />

Die Chemietochter Degussa der RAG ist<br />

weltweit die Nummer eins in der Spezialchemie<br />

und das drittgrößte Chemieunternehmen<br />

Deutschlands. In mehr als 85 Prozent<br />

ihrer Geschäftsfelder steht die Degussa an<br />

erster, zweiter oder dritter Stelle in der Weltrangliste.<br />

Mit Standorten in über 50 Ländern<br />

und einem weltweiten Vertriebsnetz<br />

entwickelt Degussa maßgeschneiderte<br />

Systemlösungen. In den kommenden Jahren<br />

wird Degussa die Aktivitäten in den<br />

Hauptgebäude der RAG �<br />

in Essen<br />

� Die Steinkohlenlagerstätte kommt an<br />

der Ruhr an die Tagesoberfläche und<br />

taucht nach Norden ab.<br />

Wachstumsmärkten Osteuropa und China<br />

verstärken.<br />

Über die Tochtergesellschaft RAG Immobilien<br />

zählt die RAG zu den großen Unternehmen<br />

der Immobilienwirtschaft in Deutschland.<br />

Mit 66.000 bewirtschafteten Wohnungen<br />

an Rhein, Ruhr und im Aachener Raum<br />

schafft RAG Immobilien Werte für Investoren,<br />

Eigentümer und Nutzer der Immobilien.<br />

Investitionen in die Modernisierung des<br />

Bestandes und den Neubau sowie die Erneuerung<br />

kompletter Wohnquartiere festigen<br />

die Position des Unternehmens. Der<br />

Bestand soll weiter ausgebaut werden.<br />

Den Kern des Geschäftsbereichs Bergbau<br />

bildet die Deutsche Steinkohle (DSK). Sie<br />

fördert im Auftrag der öffentlichen Hand in<br />

acht Zechen rund 26 Mio. t. Steinkohle jährlich,<br />

die Hauptabnehmer sind die Kraftwirtschaft<br />

und die Stahlindustrie. Die DSK setzt<br />

bei der Produktion und Verwertung von<br />

Steinkohle höchste Standards hinsichtlich<br />

Effizienz, Arbeitssicherheit und Umweltschutz.<br />

Mit ihren 34.000 Mitarbeitern steht<br />

die DSK für Rohstoff- und Energiesicherheit -<br />

eine Sicherheit, die im Zeichen von Rohstoffverknappung<br />

und steigenden Energiepreisen<br />

eine neue Bedeutung gewinnt.<br />

Die Aktivitäten in den Bereichen Energie,<br />

Chemie und Immobilien bilden den so genannten<br />

„weißen Bereich“ des RAG-Konzerns,<br />

der Bergbau den „schwarzen Bereich“.<br />

Es ist geplant, die Aktivitäten des<br />

weißen Bereichs im Jahr 2007 unter neuem<br />

Namen an die Börse zu bringen, um die<br />

Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen<br />

zu erhöhen. Der schwarze Bereich<br />

soll unter dem Namen RAG in eine noch zu<br />

gründende Stiftung eingebracht werden.<br />

Zukunft der deutschen Steinkohle<br />

Immer billiger angebotene Importenergie<br />

und der niedrige Dollarkurs haben im Verlauf<br />

der Jahre zu immer höheren Subventionen<br />

für die deutsche Steinkohle geführt. Angesichts<br />

der leeren öffentlichen Kassen war<br />

eine weitere Subventionierung auf hohem<br />

Niveau politisch nicht mehr durchsetzbar.<br />

Um keine bruchartigen Entwicklungen in<br />

den ohnehin von hoher Arbeitslosigkeit geprägten<br />

Revieren auszulösen, waren Politiker<br />

von Bund und Bergbauländern, Gewerkschaften<br />

und Bergbau-Unternehmen<br />

im März 1997 übereingekommen, die öffentlichen<br />

Zuschüsse an den Steinkohlenbergbau<br />

bis zum Jahr 2005 kontinuierlich<br />

auf etwa die Hälfte zurückzufahren. Die Hilfen<br />

für die Verstromung und die Kokskohlenbeihilfen<br />

wurden zu einem Gesamtplafond<br />

zusammengefasst. Die Hilfen sind<br />

nicht – wie ehemals beim Jahrhundertvertrag<br />

– an Absatzmengen geknüpft. D.h. der<br />

29


Bergbau muss <strong>mit</strong> dem Geld auskommen<br />

und versuchen, ein Höchstmaß an Förderung<br />

zu erreichen, wobei er die Kohle zum<br />

Wettbewerbspreis – d.h. angelehnt an den<br />

Importkohlenpreis – verkauft.<br />

Entsprechend der Verringerung der Subventionen<br />

von 4,6 Mrd. Euro in 1997 auf 1,83<br />

Mrd. Euro in 2012 soll die Förderung<br />

heimischer Steinkohle auf 16 Mio. t in 2012<br />

zurückgehen. Die Belegschaft muss bis<br />

dahin auf 20.000 Mitarbeiter mehr als<br />

halbiert werden. Um diesen starken Belegschaftsabbau<br />

sozialverträglich gestalten<br />

zu können, erhalten die Bergleute u.a.<br />

Umschulungsangebote für andere Tätigkeiten<br />

innerhalb und außerhalb des Konzerns.<br />

Zeitweise verzichtet die Belegschaft<br />

auch auf einen Teil ihres Einkommens, um<br />

da<strong>mit</strong> den Belegschaftsabbau zu strecken<br />

und Entlassungen zu vermeiden.<br />

Für die Zeit nach 2005 sind auf europäischer<br />

Ebene im Rahmen der Regelungen<br />

zur Nachfolge des EGKS-Vertrages Beschlüsse<br />

erfolgt. Nach Beendigung des<br />

EGKS-Vertrages 2002 wurden die verschiedenen<br />

Sonderregeln für den Kohle- und<br />

Stahlsektor neu formuliert und in den allgemeinen<br />

EG-Vertrag eingeordnet. In einer<br />

neuen Ratsverordnung wurden die staatlichen<br />

Beihilfen für den Steinkohlenbergbau<br />

geregelt. Ziel ist es, unter Berücksichtigung<br />

der sozialen und regionalen Aspekte der<br />

Umstrukturierung, den Steinkohlenbergbau<br />

und den Zugang zu den Lagerstätten zu er-<br />

Jahr Bergwerke*<br />

30<br />

Förderung<br />

tägl.<br />

Förderung<br />

je Schachtanlage<br />

halten. Ausdrücklich wird auf die Notwendigkeit<br />

der Stärkung der Energiesicherheit<br />

durch die eigene Kohle hingewiesen. So<br />

sind Beihilfen für den heimischen Steinkohlenbergbau<br />

auch künftig zulässig. Entsprechende<br />

Kriterien wurden festgelegt. Die<br />

neue Ratsverordnung hat eine Laufzeit bis<br />

Ende 2010.<br />

Strukturwandel im Revier<br />

Der starke Rückgang der Produktion auf<br />

<strong>mit</strong>tlerweile ein Sechstel des Wertes von<br />

1957 bewirkte einen Rückgang der Beschäftigten<br />

im Bergbau. Dieser war wegen<br />

der Produktivitätsfortschritte deutlich höher:<br />

Die Belegschaft ist in diesem Zeitraum auf<br />

weniger als ein Zehntel geschrumpft. In der<br />

Folge ist auch die Zahl der Ausbildungsplätze<br />

zurückgegangen. Beidem begegnet<br />

der Bergbau <strong>mit</strong> seinem Engagement in<br />

bergbaufernen oder -fremden Unternehmensaktivitäten<br />

und der Bereitstellung von<br />

Ausbildungsplätzen für andere Unternehmen.<br />

Der Bergbau muss der Lagerstätte folgen.<br />

Dies führt dazu, dass er ständig neue Bereiche<br />

erkunden muss und sich aus anderen<br />

bereits abgebauten Bereichen zurückzieht.<br />

Bei alledem spielen wirtschaftliche und ökologische<br />

Aspekte ebenfalls eine große Rolle.<br />

Dies hat in der Vergangenheit und wird<br />

weiterhin zu Umstrukturierungen auch<br />

Anzahl Mio. t v.F.** t v.F. t v.F. Anzahl Mio. t Tausend kg v. F.<br />

1957 153 149,4 3.380 212 64 42,3 607,3 1.599<br />

1965 107 135,1 4.959 466 48 37,9 377,0 2.705<br />

1970 69 111,3 6.360 868 36 32,2 252,7 3.755<br />

1975 46 92,4 7.969 1.164 25 26,5 202,3 3.800<br />

1980 39 86,6 8.723 1.408 18 20,7 186,8 3.948<br />

1985 33 81,8 10.031 1.672 13 15,0 166,2 4.368<br />

1990 27 69,8 10.449 1.803 8 10,3 130,3 5.008<br />

1995 19 53,1 11.197 2.336 4 4,8 92,6 5.587<br />

2000 12 33,3 9.890 3.431 1 3,8 58,1 6.685<br />

2005 9 24,7 10.922 3.888 1 2,1 38,5 6.735<br />

*) Stand Jahresende<br />

tägliche<br />

Förderung<br />

je Abbaubetriebspunkt<br />

Kokereien*<br />

Kokserzeugung<br />

**) t v.F. = Tonne verwertbare Förderung (vgl. S.35)<br />

Belegschaft<br />

Leistung<br />

je Mann<br />

und<br />

Schicht<br />

unter Tage<br />

Früher waren die Kohlenreviere von der<br />

Schwerindustrie geprägt. Umweltschutzeinrichtungen<br />

gab es kaum. Die Luft war<br />

dort bis in die 50er Jahre des vorigen<br />

Jahrhunderts von Staub und Ruß erfüllt.<br />

Die Silhouette des Reviers: bestimmt von<br />

den zahlreichen Fördertürmen sowie<br />

Hochöfen und Schornsteinen, die Rauch<br />

und Staub in die Luft abgaben.<br />

Heute hat sich das Erscheinungsbild<br />

gründlich gewandelt. Einerseits ist die<br />

Stahl- und Kohleproduktion zurückgegangen.<br />

Andererseits wird heute Kohle<br />

wesentlich effektiver eingesetzt, bei<br />

Kraftwerken und in Hochöfen. Und<br />

schließlich haben die Rationalisierungsmaßnahmen<br />

der Industrie deutliche Erfolge<br />

gezeigt. Die Folge: wenige Fördertürme<br />

und Hochöfen, keine „qualmenden<br />

Schlote“ mehr.<br />

Vor Ort: Wer Kohle „begreifen“ möchte,<br />

wer das Revier „erfahren“ will, wer wissen<br />

will, wie es heute ist und einmal war,<br />

der findet in der Broschüre „Vor Ort“, herausgegeben<br />

vom Gesamtverband des<br />

deutschen Steinkohlenbergbaus (Adresse<br />

siehe Impressum auf der 2. Umschlagseite)<br />

Adressen von Anschauungsbergwerken,<br />

Bergbau-Museen, Lehrpfaden<br />

und Sammlungen zum Thema<br />

Steinkohle.<br />

In den heute aktiven Revieren sind vor allem<br />

die von der Deutschen Steinkohle<br />

AG dem Publikum geöffneten Betriebe<br />

und Sammlungen zu nennen: Im Trainingsbergwerk<br />

in Recklinghausen kann<br />

man realen Bergbau erleben. In Ibbenbüren<br />

kann das Bergbaumuseum und im<br />

Saarland kann das Erlebnisbergwerk in<br />

Velsen und das geologische Museum in<br />

Saarbrücken besichtigt werden.<br />

Ein herausragendes Beispiel ist auch das<br />

Deutsche Bergbau-Museum (DBM) in<br />

Bochum, das größte Bergbau-Fachmuseum<br />

der Welt. In einem bergmännisch<br />

aufgefahrenen Streckennetz unter dem<br />

Museum befindet sich ein Anschauungsbergwerk<br />

von 2,5 km Streckenlänge.<br />

Das Museum beherbergt außerdem das<br />

Zentralarchiv des Bergbaus.<br />

� Umstrukturierung im deutschen Steinkohlenbergbau<br />

seit 1957.


übertage führen: Bergwerke werden zusammengelegt<br />

oder geschlossen, die<br />

Grundstücke und Gebäude werden einer<br />

neuen Nutzung zugeführt oder abgerissen.<br />

Da werden Gewerbebetriebe angesiedelt<br />

oder Technologieparks gebaut, Einkaufszentren<br />

oder Fabriken errichtet, Wohnviertel<br />

und Freizeiteinrichtungen für die Bevölkerung<br />

möglichst bald nach Aufgabe des<br />

bergbaulichen Betriebes hergerichtet. An<br />

der Entwicklung dieser neuen Flächen ist<br />

der Bergbau <strong>mit</strong> der RAG Immobilien AG<br />

aktiv beteiligt. Ob Logistikzentren auf ehemaligem<br />

Bergwerksgelände entstehen oder<br />

Freizeiteinrichtungen, auch ungewöhnliche<br />

Ideen werden umgesetzt. So kann heute<br />

beispielsweise auf einer Halde in Bottrop<br />

das ganze Jahr über im überdachten Alpin-<br />

Center skigelaufen werden.<br />

Vor jeder Neuansiedlung steht eine Analyse<br />

der vorhandenen Grundstückssituation<br />

(Baugrund, Gebäude, Verkehrsanschlüsse,<br />

etc.). Je nach Folgenutzung ergeben sich<br />

unterschiedliche Anforderungen wie z.B.<br />

Bodensanierung, Abriss und/oder Umbau<br />

von Industriegebäuden sowie Infrastrukturveränderungen.<br />

Um all diese komplexen<br />

Maßnahmen zu koordinieren und zeitsparend<br />

und kostengünstig durchzuführen, hat<br />

der Bergbau ein spezielles Planungs- und<br />

Steuerungssystem für das Flächenrecycling<br />

entwickelt. Das System ist so ausgelegt,<br />

dass es auch für andere Branchen einsetzbar<br />

ist.<br />

Das Gelände des Bergwerks Minister �<br />

Stein in Dortmund während des Betriebes<br />

(links) und vorbereitet zur gewerblichen<br />

Nachfolgenutzung (rechts).<br />

Am Standort des ehemaligen Berg- �<br />

werks Mont Cenis in Herne befindet sich<br />

heute die Fortbildungsakademie des<br />

NRW-Innenministeriums. Im Vordergrund<br />

ist die Abdeckung des Schachtes zu sehen.<br />

Hier wird das Grubengas gesammelt<br />

und in einem Blockheizkraftwerk in<br />

Strom umgewandelt.<br />

Nutzung der Halde Prosper in Bottrop �<br />

durch das AlpinCenter (während der<br />

Bauphase), der längsten überdachten<br />

Skipiste der Welt.<br />

Wohn- und Gewerbeansiedlung auf ��<br />

dem ehemaligen Standort der Schachtanlage<br />

Prosper III in Bottrop.<br />

31


Das Revier lebt <strong>mit</strong> dem<br />

Bergbau<br />

Ausgehend von der Nutzung der Steinkohlenvorkommen<br />

in den Revieren haben sich<br />

die Bergbau-Unternehmen zu vielseitigen<br />

Anbietern verschiedenster Produkte und<br />

Dienstleistungen entwickelt. Die Diversifizierung<br />

geht von dem im Bergbau erworbenen<br />

Know-how aus, entwickelt sich aber immer<br />

weiter. Der Erhalt von Arbeitsplätzen in den<br />

Revieren ist dabei ein wichtiges Ziel, da für<br />

die Steinkohlenproduktion immer weniger<br />

Arbeitskräfte erforderlich sind. Wurden 1982<br />

in allen Revieren noch 185.000 Mitarbeiter<br />

beschäftigt (1957: rund 600.000!), so sind<br />

es Ende 2005 noch 38.500.<br />

Die Bergbau-Unternehmen engagieren sich<br />

auch außerhalb der Reviere. Durch Aufträge<br />

in der Maschinenbaubranche schaffen sie<br />

auch dort Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze,<br />

rund 100.000 insgesamt, wie eine Studie<br />

des Prognos-Instituts ergab.<br />

32<br />

Gemeinschaftsorganisationen<br />

Schon relativ früh hat man im deutschen<br />

Bergbau erkannt, dass viele unternehmerische<br />

Aufgaben – in der Technik, aber auch<br />

im sozialen und wirtschaftlichen Bereich –<br />

besser gemeinschaftlich gelöst werden können,<br />

als von jedem einzelnen Unternehmen<br />

für sich.<br />

Im ausgehenden Mittelalter schlossen sich<br />

die Bergleute zu Knappschaften zusammen,<br />

die die Gesundheits- und Altersfürsorge<br />

übernahmen. Heute ist die daraus entstandene<br />

Bundesknappschaft <strong>mit</strong> Sitz in<br />

Bochum eine in der ganzen Welt als vorbildlich<br />

angesehene, moderne Sozialversicherung<br />

aller deutschen Bergleute. Ebenfalls im<br />

Mittelalter gab es bereits den Zusammenschluss<br />

einzelner privater Bergbauunternehmen<br />

zu sog. Hilfskassen für gemeinschaftliche<br />

Aufgaben.<br />

Im Ruhrbergbau wurde 1858 der Verein für<br />

die bergbaulichen Interessen (VbI) gegrün-<br />

det, der sowohl technische wie wirtschaftliche<br />

Gemeinschaftsaufgaben hatte.<br />

Große Bedeutung erlangten in den vergangenen<br />

Jahrzehnten die gemeinschaftlichen<br />

Verkaufs- und Verwertungsorganisationen<br />

des Steinkohlenbergbaus: der bereits<br />

1893 gegründete Gemeinschaftsverkauf<br />

der Bergwerksunternehmen an der<br />

Ruhr, später für das Kokereigas die Ruhrgas<br />

AG, die jetzt vor allem Erdgas fast in die<br />

ganze Bundesrepublik liefert; die BV-Aral<br />

zur Benzolverwertung, als ARAL AG ehemals<br />

die größte Treibstoff-Firma Deutschlands;<br />

die Ruhr-Stickstoff AG als Dünge<strong>mit</strong>telproduzent;<br />

die Verkaufsvereinigung für<br />

Teererzeugnisse; schließlich die STEAG AG<br />

als geschäftsführende Gesellschaft der<br />

Bergbau-Elektrizitäts-Verbundgemeinschaft,<br />

heute der zweitgrößte Steinkohlenverstromer<br />

in der Bundesrepublik.<br />

Die Unternehmen des Steinkohlenbergbaus<br />

sind im Unternehmensverband Steinkohlenbergbau<br />

(UVSt) zusammengeschlossen.<br />

Seine wichtigste Aufgabe ist der Abschluss<br />

der Tarifverträge <strong>mit</strong> den Gewerkschaften.<br />

Die Bergleute sind überwiegend<br />

in der Industriegewerkschaft<br />

Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE)<br />

organisiert.<br />

Die zentralen Gemeinschaftsorganisationen<br />

auf Bundesebene sind der Gesamtverband<br />

des deutschen Steinkohlenbergbaus und<br />

die Deutsche Montan Technologie GmbH<br />

(DMT). Die DMT befasst sich <strong>mit</strong> Forschung<br />

und Prüfung sowie Aus- und Fortbildung.<br />

Für diese Aufgaben unterhält die DMT technisch-wissenschaftliche<br />

Institute und ein<br />

komplettes bergbauliches Schulsystem. Zur<br />

DMT gehört auch, in gemeinsamer Trägerschaft<br />

<strong>mit</strong> der Stadt Bochum, das Deutsche<br />

Bergbau-Museum. Der Gesamtverband<br />

des deutschen Steinkohlenbergbaus<br />

(GVSt) nimmt vor allem die wirtschafts- und<br />

sozialpolitischen Belange wahr und repräsentiert<br />

den deutschen Steinkohlenbergbau<br />

in der Bundesrepublik und auch international,<br />

z. B. in der Europäischen Union.<br />

� Die Ausbauschilde der DBT, einer<br />

RAG-Tochter, werden international eingesetzt.


UNSERE ENERGIEVERSORGUNG<br />

AUSGEWOGENER ENERGIEMIX MIT STEINKOHLE<br />

33


Bergbau und Rohstoffe:<br />

Schlüssel zum Fortschritt<br />

So steht es im Lexikon: „Der Umfang der<br />

Rohstoff-Grundlage ist für jede Volkswirtschaft<br />

von entscheidender Bedeutung.“ Ein<br />

dürrer Satz, der so, wie er da steht, wenig<br />

aufregend ist. Ist es nicht selbstverständlich,<br />

dass die Rohstoffe Grundlage und Voraussetzung<br />

sind für die Entwicklung der Technik,<br />

für die Versorgung <strong>mit</strong> Licht, Kraft und<br />

Wärme, für die Höhe <strong>unsere</strong>s Lebensstandards?<br />

Ein Leben ohne Rohstoffe ist überhaupt<br />

nicht vorstellbar. Viele Gebrauchsgegenstände<br />

des täglichen Lebens, vom<br />

Messer bis zum Auto, werden aus mineralischen<br />

Rohstoffen hergestellt. Ohne die<br />

Rohstoffe Kohle, Öl und Gas gäbe es praktisch<br />

keinen Stahl, keinen elektrischen<br />

Strom, keine Industrie, keinen technischen<br />

Fortschritt. Rohstoffe und Zivilisation sind<br />

untrennbar <strong>mit</strong>einander verbunden, das eine<br />

ist ohne das andere nicht denkbar.<br />

Je weiter sich der Mensch entwickelte, desto<br />

mehr Mineralien lernte er kennen und<br />

nutzen. Oder vielleicht sagt man es besser<br />

umgekehrt: Je mehr Mineralien der Mensch<br />

in der Natur zu finden und zu verwenden<br />

lernte, auf desto höhere Kulturstufen entwickelte<br />

er sich. Da war die Steinzeit <strong>mit</strong><br />

Waffen und Werkzeug aus Feuerstein. Vor<br />

ungefähr 8000 bis 10 000 Jahren haben die<br />

Menschen der jüngeren Steinzeit 12 m tiefe<br />

Gruben gegraben, um an den harten Stein<br />

und da<strong>mit</strong> an den Rohstoff zu kommen, aus<br />

dem sie ihre Waffen und Werkzeuge herstellten.<br />

Zunächst konnten sich viele selbst <strong>mit</strong> dem<br />

Rohstoff Feuerstein versorgen; bald aber<br />

übernahm eine Gruppe handwerklich Begabter<br />

diese Arbeit für die anderen. Der<br />

Mensch der Steinzeit hatte einen Beruf entwickelt,<br />

den des Bergmanns. Bergleute förderten<br />

den Stein zutage und begannen, ihn<br />

gegen Bedarfsgegenstände des täglichen<br />

Lebens einzutauschen. In der Nähe der<br />

Gruben siedelten sich andere „Handwerker“<br />

an; sie bauten Werkstätten, in denen die<br />

schweren Steinknollen zerschlagen und zu<br />

unterschiedlichen Geräten verarbeitet wurden.<br />

Kupfer und Bronze haben einer ganzen<br />

Epoche der Vorgeschichte den Namen gegeben.<br />

Man weiß heute, dass rd. 3000 Jahre<br />

vor der Zeitwende die Rohstoffe Blei,<br />

Zinn, Arsen, Antimon und Zinkerz zumindest<br />

34<br />

bekannt waren. Das erste Metall, das gehandelt<br />

wurde, war Kupfer. In der Türkei<br />

fand man Kupfererzschlacken aus dem 7.<br />

Jahrtausend vor der Zeitrechnung. Im gesamten<br />

Mittelmeerraum blühte der Handel<br />

<strong>mit</strong> Kupfer. Der Name der Mittelmeerinsel<br />

Zypern leitet sich aus dem Vorhandensein<br />

des begehrten Metalls ab (Cyprus = Kupfer).<br />

In Mesopotamien dürfte die älteste Bronze<br />

erschmolzen worden sein – aus den Metallen<br />

Kupfer und Zinn.<br />

Von Anbeginn war es so: Wer über Rohstoffvorkommen<br />

verfügte und sie nutzbar<br />

machte, sie erschließen konnte, hatte Macht<br />

und Wohlstand. Rohstoffe und Bergbau,<br />

das waren und sind die Schlüssel zum Fortschritt.<br />

Ein Blick in die Neuzeit macht das sehr<br />

deutlich: Selbst unwirtliche und geradezu lebensfeindliche<br />

Gebiete wie Alaska, Sibirien<br />

oder die Sahara wurden durch die Entdeckung<br />

von Rohstofflagerstätten plötzlich attraktiv<br />

und zogen Menschen an – Geologen,<br />

Ingenieure, Kaufleute. Neue Industrien entstanden,<br />

Wohnungen wurden gebaut, Menschen<br />

angesiedelt.<br />

Kohle – Motor der<br />

Industrialisierung<br />

Mit Beginn der Industrialisierung trat ein<br />

Rohstoff in den Vordergrund: die Kohle. Sie<br />

gab Energie, die man vorher nur durch Wasser-<br />

und Windmühlen oder durch Verbrennen<br />

von Holz gewinnen konnte. Die bis dahin<br />

überwiegend genutzte menschliche und<br />

tierische Muskelkraft war sehr begrenzt.<br />

Erst die Kohle ermöglichte eine wesentlich<br />

umfassendere Nutzung von Energie.<br />

Ohne die Kohle hätte es keine Industrielle<br />

Revolution gegeben. Ohne die Kohle hätte<br />

auch der Wald ein schlimmes Ende gefunden,<br />

weil überwiegend Holz und Holzkohle<br />

als Energieträger genutzt worden wären.<br />

Ballungszentren entstanden dort, wo es<br />

Rohstoffe in ausreichender Menge gab:<br />

Ruhrgebiet, Manchester in England, Pittsburgh<br />

in USA, Nowosibirsk in Russland, Johannesburg<br />

in Südafrika. Nehmen wir zur<br />

Verdeutlichung das Ruhrgebiet, eines der<br />

größten industriellen Ballungszentren der<br />

Welt: Bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

ein Agrarland <strong>mit</strong> unbedeutenden<br />

Kleinstädten und Dörfern, dann die Industrielle<br />

Revolution auf der Basis der Dampf-<br />

maschine, angetrieben von dem Rohstoff<br />

Kohle. Die Eisenbahn verkürzte Transportund<br />

Reisezeiten erheblich. Eisen und Stahl,<br />

Maschinen, Produktion, Arbeit, Handel,<br />

Wohlstand – ein Kreislauf, der Millionen<br />

Menschen in das Land an Rhein und Ruhr<br />

lockte.<br />

Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war<br />

es gelungen, Eisen <strong>mit</strong> verkokter Kohle zu<br />

erschmelzen. Doch erst eineinhalb Jahrhunderte<br />

danach kam in Deutschland der<br />

Durchbruch. Hochöfen wurden gebaut, die<br />

Revolution in der Eisenindustrie. Der Bedarf<br />

an Kohle verdoppelte und verdreifachte sich<br />

in wenigen Jahren. In nur neun Jahren verdoppelte<br />

sich seinerzeit auch die Einwohnerzahl<br />

z. B. in Essen von 10.550 auf 20.800.<br />

Das ist nur ein Beispiel von vielen, um zu erkennen,<br />

wie sehr Rohstoffvorkommen die<br />

Entwicklung einer Region beeinflussen.<br />

Die im Bergbau entwickelten Techniken haben<br />

Bedeutung auch in anderen Wirtschaftszweigen.<br />

Das erste Stahlseil wurde<br />

im Bergbau entwickelt, die erste elektrische<br />

Lokomotive fuhr im Bergbau. In den 80er<br />

Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand<br />

erneut eine „Revolution“ in der Eisenbahntechnik<br />

statt: Lokomotiven, die stromsparend<br />

und ruckfrei Schwerlastzüge ziehen<br />

können, sind heute weltweit im Einsatz – sie<br />

wurden im Bergbau entwickelt. Modernste<br />

Techniken der Datenübertragung und Datenverarbeitung<br />

(bis hin zur Computerlogik<br />

nach dem Prinzip der neuronalen Netze)<br />

werden auch im Bergbau erprobt und<br />

weiterentwickelt.<br />

Deutsche Technik ist weltweit begehrt. Die<br />

hohe Qualität ist ein entscheidender Grund<br />

dafür, dass 40 Prozent der auf dem Weltmarkt<br />

verkauften Bergbaumaschinen aus<br />

Deutschland kommen.


9,87 t SKE<br />

USA<br />

4,72 t SKE<br />

Deutschland<br />

Energieverbrauch<br />

einiger<br />

Länder der Erde<br />

pro Kopf<br />

der Bevölkerung im Jahr<br />

2,75 t SKE<br />

Polen<br />

1,44 t SKE<br />

Brasilien<br />

0,7 t SKE<br />

Ägypten<br />

0,34 t SKE<br />

China<br />

Große Unterschiede im Energieverbrauch<br />

weltweit.<br />

Steinkohleneinheit (SKE): Energieeinheit;<br />

1 kg SKE entspricht 7000 kcal (Kilokalorien)<br />

oder 29308 kJ (Kilojoule).<br />

Fördermenge: Die Steinkohlenfördermenge<br />

wird in unterschiedlichen Einheiten<br />

angegeben. In t SKE (s. oben) wird<br />

der Energieinhalt beschrieben. In tv.F.<br />

wird der Aschen- und Wassergehalt<br />

berücksichtigt. Beispiel: Die Steinkohlenförderung<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

betrug 1990 76,5 Mio. t � 69,8 Mio.<br />

tv.F � 71 Mio. t SKE.<br />

Die Öl- und Gasvorräte sind auf die �<br />

OPEC und die Staaten der ehem.<br />

UdSSR konzentriert.<br />

� Die erste elektrische Lokomotive fuhr<br />

im Bergbau.<br />

Energie ist lebensnotwendig<br />

Unter den Rohstoffen sind die Energieträger<br />

von besonderer Bedeutung. Sie sind für die<br />

Entwicklung eines Landes und dessen Stellung<br />

in der Weltwirtschaft von strategischem<br />

Wert. Der Energieverbrauch je Kopf der Bevölkerung<br />

kennzeichnet einerseits den Lebensstandard<br />

eines Volkes. Andererseits<br />

wird in manchen Ländern auch deutlich, wie<br />

Energie <strong>mit</strong>unter noch verschwendet wird.<br />

In den 70er Jahren wurde die Begrenztheit<br />

<strong>unsere</strong>r traditionellen Rohstoffvorkommen<br />

deutlich. Eine Reihe von Wissenschaftlern,<br />

die sich im Club of Rome zusammenfanden,<br />

warnten eindringlich vor der verschwenderischen<br />

Nutzung <strong>unsere</strong>r Rohstoffe. Hinzu<br />

kam in den folgenden Jahren ein immer größer<br />

werdendes Umweltbewusstsein. Beides<br />

führt zu der Notwendigkeit, Energie und<br />

Rohstoffe möglichst effektiv zu nutzen.<br />

Die wirtschaftlich gewinnbaren Kohlenvorräte<br />

der Welt werden auf 800 Mrd. t geschätzt,<br />

das sind 66 % der Weltvorräte fossiler<br />

Energieträger (Kohle, Mineralöl, Erdgas).<br />

Bei einer Förderung von 3,9 Mrd. t<br />

würden die Kohlevorräte rund 200 Jahre<br />

lang reichen. Eine Verknappung ist also vorerst<br />

nicht in Sicht.<br />

Die Öl- und Gasvorräte werden aber nicht<br />

so lange reichen (60 bzw. 40 Jahre).Ein<br />

Überangebot <strong>mit</strong> relativ niedrigen Preisen<br />

wird auf Dauer nicht bleiben. Denn 79% der<br />

Ölvorräte liegen in Ländern, die sich zur sogenannten<br />

OPEC (Organization of Petro-<br />

Erdöl<br />

215,6 Mrd. t SKE<br />

80%<br />

6%<br />

13%<br />

1%<br />

2004 gewinnbare Weltvorräte<br />

Russland<br />

Sonstige<br />

Westeuropa<br />

OPEC<br />

leum Exporting Countries) zusammengeschlossen<br />

haben. 85% dieser OPEC-Vorräte<br />

liegen im politisch unruhigen Nahen<br />

Osten. Die Abhängigkeit vom OPEC-Öl<br />

nimmt daher zwangsläufig zu und da<strong>mit</strong><br />

dessen Marktmacht. Große Bedeutung für<br />

Deutschland und Europa werden den Gasvorkommen<br />

in Russland beigemessen.<br />

Allerdings sind riesige Investitionen in das<br />

Pipeline-Netz zur Instandsetzung und zum<br />

Neubau erforderlich. Die Staaten des ehemaligen<br />

Ostblocks und der ehemaligen<br />

UdSSR werden zudem zum Aufbau ihrer eigenen<br />

Wirtschaft zunehmend selbst Energie<br />

benötigen. Geografisch sind 70% der Weltölreserven<br />

und 40% der Weltgasreserven in<br />

der Region zwischen Persischem Golf, Kaspischem<br />

Meer und dem Nahen Osten konzentriert.<br />

Wegen der großen Bedeutung dieser<br />

Region für die Welt<strong>energieversorgung</strong><br />

wird diese Region auch als „Strategische Ellipse“<br />

bezeichnet. Gerade diese Region<br />

zeichnet sich aber durch immer wieder aufflammende<br />

Krisen aus.<br />

All dies wird Auswirkungen auf den Öl- bzw.<br />

Gaspreis haben, aber auch Risiken in der<br />

Versorgung sind nicht ausgeschlossen. Von<br />

besonderer Bedeutung können daher die<br />

Energieträger werden, die im eigenen Lande<br />

vorhanden sind. Über sie kann man jederzeit<br />

verlässlich verfügen.<br />

18%<br />

3%<br />

Erdgas<br />

205,0 Mrd. t SKE<br />

27%<br />

52%<br />

35


Kohle in Deutschland<br />

Deutschland gehört <strong>mit</strong> seinen Stein- und<br />

Braunkohlenvorkommen zu den Ländern<br />

<strong>mit</strong> den höchsten Kohlereserven.<br />

Den geologischen Vorrat an Steinkohle –<br />

das ist der bekannte Gesamtvorrat, ohne<br />

Rücksicht auf seine technische Gewinnbarkeit<br />

– schätzen die Wissenschaftler auf ungefähr<br />

230 Mrd. t (Milliarden Tonnen). Der<br />

nach heutigem Stand der Technik nutzbare<br />

Vorrat ist geringer – etwa 23 Mrd. t. Immerhin<br />

aber reichen diese Vorräte bei den heutigen<br />

Produktionsmengen noch einige hundert<br />

Jahre. Als weitere wichtige einheimische<br />

Energiereserve kommt die Braunkohle<br />

<strong>mit</strong> 43 Mrd. t – entsprechend 13 Mrd. t SKE<br />

(Steinkohlen-einheiten) – <strong>mit</strong> heutiger Technik<br />

gewinnbaren Vorräten hinzu. Die geologischen<br />

Reserven betragen 78 Mrd. t. Sie<br />

wird in den Revieren um Köln, bei Cottbus,<br />

zwischen Halle und Leipzig sowie bei Helmstedt<br />

im Tagebau gewonnen.<br />

Erdöl und Erdgas kommen in der Bundesrepublik<br />

nur in verhältnismäßig geringen Men-<br />

36<br />

gen in Norddeutschland, am Mittelrhein und<br />

am Inn vor; sicher etwa 47 Mio. t (Millionen<br />

Tonnen) Erdöl – das entspricht im Wärmewert<br />

etwa 67 Mio. t SKE – und 319 Mrd. Kubikmeter<br />

Erdgas, entsprechend 334 Mio. t<br />

SKE.<br />

Seit Beginn der Steinkohlenförderung stieg<br />

diese kontinuierlich bis ins 20. Jahrhundert<br />

an. Einbrüche gab es im Gefolge des I.<br />

Weltkrieges, der Weltwirtschaftskrise und<br />

des II. Weltkrieges. Einen wesentlichen Anteil<br />

am Zustandekommen des Wiederaufschwungs<br />

nach 1945 hatte die schnelle Zunahme<br />

der Kohlenförderung. Bald jedoch<br />

stellten Öl und später Erdgas und Kernenergie<br />

einen größer werdenden Anteil unter den<br />

Primärenergieträgern. Insbesondere bei der<br />

Wärmeversorgung der Haushalte ist der<br />

Einsatz von Kohle ständig zurückgegangen.<br />

Dagegen hat die Stromversorgung in allen<br />

Lebensbereichen zunehmend an Bedeutung<br />

gewonnen, dabei auch der Einsatz von<br />

Steinkohle zur Stromerzeugung.<br />

Steinkohle im langfristigen Trend –<br />

Förderung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland<br />

Mio t v.F.*)<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Sicherheit für die Energieversorgung<br />

Die inländische Kohle ist Bestandteil einer<br />

Politik, die die Sicherheit der Versorgung <strong>mit</strong><br />

Energieträgern gewährleisten soll. Insbesondere<br />

auf die Brennstoffversorgung der<br />

Kraftwerke und die Koksversorgung der<br />

Hütten richten sich die Maßnahmen der<br />

Kohlepolitik. Als Ergebnis dieser Politik ist im<br />

Stromsektor ein <strong>ausgewogener</strong> Energiemix<br />

<strong>mit</strong> einem hohen Anteil heimischer Energieträger<br />

(Kohle, regenerative Energien) vorhanden<br />

und da<strong>mit</strong> ein hohes Maß an Versorgungssicherheit<br />

erreicht worden.<br />

Energiekrisen, wie die von 1973/74 und<br />

1979/80, haben der Bevölkerung die Bedeutung<br />

einer eigenen Energiebasis deutlich<br />

gemacht.<br />

Aus Gründen der Energiesicherheit ist es<br />

volkswirtschaftlich sinnvoll, <strong>mit</strong> einem „lebenden“<br />

Steinkohlenbergbau jederzeit über<br />

diesen bedeutenden nationalen Energievorrat<br />

verfügen zu können. Dem tragen die Anpassungsprogramme<br />

Rechnung: Zusammenlegungen<br />

und Schließungen von Berg-<br />

1900 1913 1919 1929 1932 1941 1945 1956 1964 1970 1978 1982 1998 2005<br />

*) t v.F. = Tonne verwertbare Förderung


Strom für jeden Bedarf<br />

Die einzelnen Energieträger werden zur<br />

Stromerzeugung arbeitsteilig eingesetzt.<br />

Die hohen Investitionen für die Errichtung<br />

von Kernkraftwerken machen es erforderlich,<br />

dass diese Anlagen rund um die<br />

Uhr, möglichst das ganze Jahr über, in<br />

Betrieb sind. Den Strom aus diesen<br />

Kraftwerken nennt man deshalb „Grundlast“.<br />

Braunkohle und Wasserkraft<br />

(Flusskraftwerke) werden wegen der niedrigen<br />

Betriebskosten ebenfalls hier eingesetzt.<br />

Unter Mittellast versteht man<br />

den Strom, der bei zeitweilig höherem<br />

Bedarf von den Kraftwerken zusätzlich<br />

geliefert wird, d.h. z.B. in der Übergangsjahreszeit,<br />

im Winter und tagsüber.<br />

Hier wird Steinkohle eingesetzt, weil die<br />

Steinkohlenkraftwerke für diese Änderungen<br />

der Lastkurve ausgelegt sind.<br />

Für die Spitzenlast sind Gas- und Wasser-Kraftwerke<br />

(Pumpspeicherwerke)<br />

geeignet, da diese in kürzester Zeit zusätzlich<br />

Strom, z.B. um die Mittagszeit<br />

oder bei extremer Kälte, in das Netz einspeisen<br />

können.<br />

Arbeitsteilung von Grund-/Mittel-/Spitzenlastkraftwerken.<br />

Lastkurve an einem<br />

Wintertag.<br />

werken werden so angelegt, dass der Zugriff<br />

auf die Lagerstätte weiterhin gewährleistet<br />

bleibt.<br />

Ein kurzfristiges „Zurückgreifen" auf heimische<br />

Energieträger ist nur sehr begrenzt<br />

möglich: Bevor ein Bergbaubetrieb die Produktion<br />

erhöhen kann, sind langfristige Vorarbeiten<br />

und Investitionen erforderlich, vergeht<br />

Zeit; für den Neubau eines Bergwerks<br />

müssen 10 bis 15 Jahre veranschlagt werden.<br />

Eine in Jahren sicherer internationaler<br />

Energiemärkte einmal geschlossene Steinkohlenzeche<br />

kann in Zeiten internationaler<br />

Energieknappheit praktisch nicht wieder in<br />

Betrieb genommen werden. Ihre Lagerstätte<br />

ist dann „abgesoffen“ und da<strong>mit</strong> nicht<br />

mehr zugänglich.<br />

Im Jahre 2005 wurden im deutschen Steinkohlenbergbau<br />

24,7 Mio. t Steinkohle gefördert<br />

(das entspricht 25,6 Mio. t SKE). Von<br />

dem Gesamtabsatz von 26,8 Mio. t SKE<br />

wurden 3/4 , das heißt 20,3 Mio. t SKE, an<br />

die Kraftwirtschaft geliefert sowie 6,1 Mio. t<br />

SKE an die Stahlindustrie. Lediglich noch<br />

0,3 Mio. t SKE gingen in den in- und ausländischen<br />

Wärmemarkt. Der Bedarf an<br />

Steinkohle wird in den kommenden Jahren<br />

bei etwa 60 Mio. t SKE stabil bleiben.<br />

Wegen der rückläufigen heimischen Steinkohlenproduktion<br />

wird der Importanteil entsprechend<br />

steigen (2003 bereits 37 Mio. t).<br />

Kohle im vereinten Europa<br />

Am 23. Juli 2002 endete fristgerecht nach<br />

50-jähriger Vertragslaufzeit die Geltungsdauer<br />

des 1952 in Kraft getretenen Vertrages<br />

über die Gründung der Europäischen<br />

Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).<br />

Die EGKS, landläufig auch bekannt als<br />

Montanunion, war die älteste der Europäischen<br />

Gemeinschaften und gewissermaßen<br />

der Grundstein der heutigen Europäischen<br />

Union.<br />

Politischer Ausgangspunkt des EGKS-Vertrages<br />

war das Ziel, kriegerische Auseinandersetzungen<br />

zwischen Deutschland und<br />

Frankreich unmöglich zu machen. Hinzu trat<br />

das wirtschaftliche Motiv, die Schranken im<br />

Waren- und Leistungsverkehr zwischen den<br />

europäischen Staaten zu beseitigen, um die<br />

Wirtschaft zu stärken und da<strong>mit</strong> letztlich<br />

den Lebensstandard der Bevölkerung zu<br />

heben. Vor allem sollte ein gemeinsamer<br />

Markt die für Europas Wiederaufbau ent-<br />

scheidende Versorgung <strong>mit</strong> Kohle und Stahl<br />

sicherstellen. Bis Mitte der 50er Jahre blieb<br />

Kohle ein Mangelprodukt.<br />

Um die europäischen Kohleproduzenten vor<br />

Wettbewerbsverzerrungen zu schützen,<br />

enthielt der EGKS-Vertrag ursprünglich ein<br />

striktes Beihilfeverbot. Diese in Zeiten des<br />

Kohlenmangels nützliche Vorschrift schlug<br />

jedoch in einen Nachteil um, als sich die<br />

Marktlage durch steigende Importe aus<br />

Drittländern veränderte. Im Interesse des<br />

Erhalts einer europäischen EGKS-Wirtschaft<br />

war es nun erforderlich, das Beihilfeverbot<br />

durch einen Beihilfekodex zu ersetzen,<br />

der im Jahr 1965 in Kraft trat und danach<br />

mehrfach modifiziert wurde.<br />

Durch den Beihilfekodex war es den Mitgliedsstaaten<br />

möglich, ihre heimische Wirtschaft<br />

<strong>mit</strong> Beihilfen zu schützen, ohne den<br />

Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten<br />

zu beeinträchtigen. Maßstab des Wettbewerbs<br />

war und ist der Preis von Drittlandskohle.<br />

Mit dem Auslaufen des EGKS-Vertrages fällt<br />

der Steinkohlenbergbau – wie die Stahlindustrie<br />

– in den Geltungsbereich des EG-<br />

Vertrages. Dessen allgemeine Bestimmungen<br />

treten so<strong>mit</strong> an die Stelle der besonderen<br />

Vorschriften des EGKS-Vertrages. In<br />

drei wesentlichen Bereichen sind auf Basis<br />

des EG-Vertrages spezifische Nachfolgeregelungen<br />

zu EGKS-Instrumenten erforderlich,<br />

die ab dem 24. Juli 2002 gelten:<br />

● An die Stelle des Beratenden Ausschusses<br />

der EGKS tritt eine Beratende Kommission<br />

für Kohle, Stahl und industrielle Umstellung<br />

unter dem Dach des Europäischen<br />

Wirtschafts- und Sozialausschusses.<br />

● Die EGKS-Forschungsförderung wird im<br />

Rahmen eines neuen Kohle- und Stahl-Forschungsfonds<br />

fortgeführt, der aus dem<br />

Restvermögen der EGKS eingerichtet wurde.<br />

● Die letzte EGKS-Regelung über die staatlichen<br />

Beihilfen an den Steinkohlenbergbau<br />

von 1993 war ebenfalls bis zum 23. Juli<br />

2002 befristet. Auf Vorschlag der EU-Kommission<br />

ist eine entsprechende neue Ratsverordnung<br />

auf Basis des EG-Vertrages <strong>mit</strong><br />

gleicher Laufzeit (bis 2010) verabschiedet<br />

worden.<br />

Diese im Energierat politisch vereinbarte<br />

und schließlich verabschiedete Verordnung<br />

(EG) Nr. 1407/2002 des Rates vom 23. Juli<br />

37


2002 über staatliche Beihilfen an den Steinkohlenbergbau<br />

schafft den rechtlichen Rahmen<br />

für die Gewährung von Beihilfen nach<br />

allgemeinem Gemeinschaftsrecht.<br />

Durch die 2004 erfolgte Erweiterung der EU<br />

auf 25 Staaten sind weitere Steinkohleproduzenten<br />

hinzugekommen. Die höchste<br />

Produktion in 2004 erreichte Polen <strong>mit</strong> 80,8<br />

Mio. t SKE gefolgt von Deutschland (26,6),<br />

Großbritannien (20,5), Tschechien (11,1)<br />

und Spanien (6,9). Frankreich (0,2) hat seinen<br />

Steinkohlenbergbau in 2004 beendet,<br />

Ungarn fördert nur noch 0,1 Mio. t SKE. Bereits<br />

heute muss die Hälfte der in der EU<br />

verbrauchten Primärenergie aus Importen<br />

bereitgestellt werden. Bis 2030 wird die<br />

Energieabhängigkeit der erweiterten Europäischen<br />

Union auf knapp 70 % anwachsen,<br />

so wird geschätzt. Die EU-Kommission<br />

sieht in dieser steigenden Importabhängigkeit<br />

große Risiken. Da<strong>mit</strong> wird es immer<br />

wichtiger, die eigenen Energiereserven<br />

Europas zu nutzen.<br />

Kohle für die Welt<br />

Steinkohle wird in vielen Regionen der Welt<br />

gefördert, insgesamt rund 3,9 Mrd. t. Über<br />

80 Prozent der etwa 680 Mio. t Steinkoh-<br />

38<br />

. .<br />

.<br />

.<br />

.<br />

� In Übersee wird Steinkohle häufig auch<br />

im Tagebau gewonnen.<br />

� Zentren der Welt<strong>steinkohle</strong>nförderung<br />

in Mio. t. Die Weltförderung betrug 2004<br />

3,8 Mrd. t Steinkohle.<br />

lenexporte liefern aber nur fünf Länder:<br />

Australien, China, Indonesien, Südafrika und<br />

Kolumbien. Dort wo die Kohle aus großen<br />

Tiefen gefördert wird – also vor allem in den<br />

Revieren, wo bereits seit Generationen<br />

Kohle gefördert wurde – sind die Förderkosten<br />

relativ hoch. Preiswerter ist die Kohle,<br />

die im Tagebau gewonnen werden kann<br />

oder wo die Aufwendungen für die Sicherheit<br />

oder den Umweltschutz nicht so hoch<br />

sind. Entsprechend günstig sind die Weltmarktpreise<br />

für Kohle, wenn gleichzeitig der<br />

Dollarkurs niedrig und das Angebot hoch<br />

ist. 38 Prozent des weltweiten Stromangebots<br />

werden aus Kohle produziert, sie ist<br />

hier Energieträger Nr.1. Trotz der verstärkten<br />

Nutzung der regenerativen Energieträger<br />

und der Ausweitung der Erdgasnutzung<br />

wird der Bedarf an Kohle wegen des weiter<br />

steigenden Strombedarfs auch künftig steigen.


STEINKOHLE<br />

ENERGIE UND<br />

ROHSTOFF<br />

39


Ein mineralischer Speicher<br />

Die Steinkohle in Deutschland ist vor 280<br />

bis 350 Millionen Jahren entstanden. Dieses<br />

Erdzeitalter nennt man daher Karbon (lateinisch<br />

„carbo“ = Kohle). Steinkohle ist nicht<br />

in allen Lagerstätten gleich zusammengesetzt,<br />

sondern je nach den Pflanzen, aus<br />

denen sie entstand, und je nach Entwicklung<br />

und Lagerung unterschiedlich. Zeit<br />

und Erdwärme tragen wesentlich zum Grad<br />

der „Reifung“, der Inkohlung bei. Als Inkohlung<br />

wird der Prozess bezeichnet, in dessen<br />

Verlauf sich die ursprüngliche Pflanzensubstanz<br />

unter Bildung von Methan, Kohlendioxid<br />

und Wasser in Kohle umwandelt. Ein Teil<br />

des Methans ist heute noch in der Erdkruste<br />

gespeichert und wird als Erdgas in der<br />

Energiewirtschaft eingesetzt.<br />

Die chemische Analyse der Steinkohle zeigt,<br />

dass sie aus einem komplizierten Gemisch<br />

kohlenstoffhaltiger Verbindungen besteht,<br />

wobei große Kohlenwasserstoffmoleküle<br />

überwiegen. Bei höherem Inkohlungsgrad<br />

nimmt der Gehalt an Wasserstoff ab. Anthrazit,<br />

die Steinkohle <strong>mit</strong> dem höchsten Inkohlungsgrad,<br />

hat den höchsten Kohlenstoffgehalt.<br />

Sie brennt <strong>mit</strong> kurzer Flamme<br />

und entwickelt besonders heiße Glut. Die<br />

größte Flamme bildet die geringer inkohlte<br />

Steinkohle, die Gasflammkohle. Dazwischen<br />

liegen die anderen Kohlenarten, vor<br />

allem die Fettkohle, die beim Erhitzen zusammenbackt<br />

und sich daher besonders<br />

zur Kokserzeugung eignet.<br />

Die deutsche Braunkohle ist sehr viel jünger<br />

als die Steinkohle – etwa 50 - 60 Millionen<br />

Jahre ist sie alt. Sie ist relativ weich, enthält<br />

viel Feuchtigkeit und hat einen wesentlich<br />

Kohlenarten<br />

Flammkohle<br />

Gasflammkohle<br />

Gaskohle<br />

Fettkohle<br />

Eßkohle<br />

Magerkohle<br />

Anthrazit<br />

zum Vergleich:<br />

Braunkohle<br />

Torf<br />

flüchtige Bestandteile<br />

%<br />

>40<br />

40 - 35<br />

35 - 28<br />

28 - 19<br />

19 - 14<br />

14 - 10<br />

91,5<br />

65 - 75<br />

49 - 60<br />

Wasserstoff<br />

%<br />

6,6 - 5,8<br />

5,8 - 5,6<br />

5,6 - 5,0<br />

5,0 - 4,5<br />

4,5 - 4,0<br />

4,0 - 3,75<br />

9,8<br />

9,8 - 7,3<br />

7,3 - 4,5<br />

4,5 - 3,2<br />

3,2 - 2,8<br />

2,8 - 2,5<br />


schneidet Kohle und Gestein aus dem Flöz.<br />

Unsortiert gelangt es weiter über Panzerförderer,<br />

Förderband und Zug bis zum<br />

Schacht.<br />

Der Bergeanteil war früher niedriger, weil<br />

der Bergmann noch vorwiegend <strong>mit</strong> dem<br />

Abbauhammer arbeitete und Bergebrocken<br />

sofort aussortierte. Dafür ist heute die Abbauleistung<br />

um ein Mehrfaches höher. Unter<br />

Tage fördert heute jeder Bergmann<br />

durchschnittlich über 6,5 Tonnen reine<br />

Kohle pro Schicht.<br />

Um ein reines und marktfähiges Produkt zu<br />

erhalten, wird die Rohkohle gesiebt und von<br />

den Bergen (Gestein) befreit. Die Abtrennung<br />

der Berge geschieht aufgrund ihres<br />

höheren spezifischen Gewichts: Ein Gesteinskorn<br />

ist schwerer als ein vergleichbar<br />

großes Korn aus Kohle. Nach der Vorsiebung<br />

passiert die Rohkohle verschiedene<br />

Becken <strong>mit</strong> Schwereflüssigkeit oder <strong>mit</strong> pulsierendem<br />

Wasser. Die relativ leichten Kohlestücke<br />

schwimmen dabei nach oben und<br />

werden abgeschöpft. Berge sinken zu Boden,<br />

und auch die Kohle-Mineral-Verwachsungen,<br />

das Mittelgut, wird getrennt gewonnen.<br />

Eigene Wege geht die Feinkohle,<br />

die nach intensiver Reinigung vorwiegend<br />

an Kokereien und Kraftwerke geliefert wird.<br />

Auch das Mittelgut wird als Ballastkohle<br />

speziellen Kraftwerken zugeführt. Die nach<br />

Größe sortierten stückigen Kohlen, die sog.<br />

Nusskohlen, werden nur noch in geringem<br />

Umfang im Haushalts- und Industriebereich<br />

verwendet.<br />

Diese Sortierungs- und Reinigungsprozesse<br />

werden als Aufbereitung bezeichnet. Die<br />

Aufbereitungsanlage einer modernen Großzeche<br />

verarbeitet vollautomatisch pro Tag<br />

bis zu 30 000 Tonnen Rohkohle, von wenigen<br />

Technikern an Steuerwarten überwacht.<br />

Da<strong>mit</strong> möglichst viel Fördergut verwertet<br />

wird, finden auch die Berge vielfältige Verwendung.<br />

Man benutzt sie im Erd- und<br />

Straßenbau, Wasser- und Deponiebau. Der<br />

Rest wird auf Bergehalden abgelagert. Diese<br />

Halden werden heute als Landschaftsbauwerke<br />

gestaltet, sie werden begrünt<br />

und passen sich auf diese Weise gut in die<br />

Landschaft ein. Für die Ökologie und die<br />

Freizeitgestaltung der Revierbürger haben<br />

sie große Bedeutung.<br />

41


Der Schornstein raucht<br />

schon lange nicht mehr<br />

Kohle enthält als natürliches Mineral viele<br />

Stoffe, die in der gesamten Erdrinde mehr<br />

oder weniger gleich verteilt vorkommen.<br />

Darunter ist auch der Schwefel zu nennen,<br />

dem in der Umweltdiskussion weiterhin eine<br />

große Bedeutung zukommt. Grundsätzlich<br />

ist Schwefel eine unverzichtbare Substanz<br />

des organischen Lebens. Auch der<br />

menschliche Körper enthält Schwefel, der<br />

<strong>mit</strong> der Nahrung aufgenommen wird. Der<br />

Schwefelbestandteil der Kohle war vorwiegend<br />

in dem Holz der Wälder enthalten, aus<br />

denen die Kohle entstanden ist. Aber auch<br />

Stickstoff, Chlor, Fluor, ja sogar Metalle,<br />

wenn auch in extrem geringen Mengen<br />

(Spurenelemente), sind in der Kohle enthalten.<br />

Beim Verbrennungsvorgang werden<br />

diese Stoffe meist in chemisch oder physikalisch<br />

veränderter Form in die Schlacke<br />

und Asche eingebunden. Ein sehr geringer<br />

Teil geht in das Rauchgas über, wo es herausgefiltert<br />

werden muss.<br />

42<br />

Während in den Anfängen der Industrialisierung<br />

das Rauchgas ungereinigt über niedrige<br />

Kamine in die Atmosphäre abgeleitet<br />

wurde, wurde in den letzten Jahrzehnten erreicht,<br />

die Rauchgase völlig zu entstauben.<br />

Die Entwicklung der elektrostatischen Filter<br />

hat große Erfolge für die Luftreinigung gebracht.<br />

Heute werden in modernen Anlagen<br />

nahezu 100% der Stäube – auch der Feinstäube<br />

– aus den Rauchgasen gefiltert und<br />

<strong>mit</strong> ihnen natürlich auch die daran und darin<br />

gebundenen Stoffe.<br />

Umweltschutz bei der Nutzung von Steinkohle<br />

beginnt aber schon früher. Bereits in<br />

der Aufbereitung wird der in der Kohle in anorganischer<br />

Form (als Pyrit) enthaltene<br />

Schwefel teilweise entfernt (wie übrigens<br />

auch das Chlor). Feinkörniger Pyrit sowie<br />

der organisch gebundene Schwefel können<br />

in der Kohlenwäsche nicht abgetrennt werden.<br />

Sie werden, soweit nicht in der Asche<br />

eingebunden, bei der Verbrennung als<br />

Schwefeldioxid (SO 2) freigesetzt. Aus den<br />

Rauchgasen wird das SO 2 durch besonde-<br />

Mit dem Begriff Treibhauseffekt bezeichnet<br />

man den Umstand, dass Gase<br />

wie das CO 2, aber auch andere wie die<br />

FCKW, das aus der Landwirtschaft<br />

stammende N 2O oder das auch aus der<br />

Viehzucht stammende Methan (CH 4) zwar<br />

das Sonnenlicht ungehindert einfallen<br />

lassen, die von der Erde ausgesandte<br />

Wärmestrahlung aber streuen. Es verbleibt<br />

da<strong>mit</strong> mehr Energie in der Erdatmosphäre.<br />

Eine Zunahme dieser Gase in<br />

der Atmosphäre kann zu einer Temperaturzunahme<br />

führen, falls diese überschüssige<br />

Energie nicht vom Ozean absorbiert<br />

wird oder etwa durch die gesteigerte<br />

Verdunstung mehr Wolken entstehen,<br />

die den Einfall an Sonnenlicht vermindern.<br />

Wirkungsgrade von Steinkohlenkraftwerken<br />

China/Russland<br />

Welt<br />

Deutschland<br />

Künftige Technik<br />

0 10 20 30 40 50%<br />

Eine verbesserte Brennstoffnutzung ist<br />

ein Beitrag zur Ressourcenschonung<br />

und zur Verminderung der CO 2-Emission.<br />

Noch 1980 wurden 1,5 kg Steinkohle<br />

zur Herstellung von 1 kWh Strom<br />

benötigt, heute in deutschen Kraftwerken<br />

310g.<br />

� Steinkohlenkraftwerk Voerde am<br />

Niederrhein. Neben den Kesselhäusern,<br />

den Schornsteinen und dem Kühlturm<br />

fallen davor die umfangreichen Anlagen<br />

zur Abgasreinigung auf.


e Entschwefelungsverfahren entfernt. Diese<br />

sind sehr aufwändig und kostenintensiv.<br />

Sie haben andererseits den Vorteil, dass<br />

auch andere Stoffe wie Chlor, Fluor und<br />

Feinstäube gleichzeitig entfernt werden.<br />

Das am häufigsten verwendete Verfahren ist<br />

die Entschwefelung <strong>mit</strong> Kalk. In den Rauchgasstrom<br />

wird eine Kalksuspension gesprüht.<br />

Das Schwefeldioxid reagiert da<strong>mit</strong><br />

zu Gips. Der Gips wird zu Baustoffen<br />

weiterverarbeitet und zu 100% genutzt.<br />

1<br />

Rauchgasreinigung<br />

2<br />

3 5<br />

� 1 Kessel 2 Entstickung 3 Ascheelektrofilter<br />

4 Entschwefelung 5 Schornstein<br />

Stickoxide entstehen bei Verbrennungsprozessen<br />

in Motoren, Industriefeuerungen<br />

und Kraftwerkskesseln aus dem Stickstoff<br />

der Luft bei entsprechend hohen Temperaturen.<br />

Die Luft besteht zu 78% aus Stickstoff<br />

und zu 21% aus Sauerstoff. Zur Verminderung<br />

der Stickoxidemissionen aus<br />

Feuerungsanlagen werden die Brenner so<br />

ausgelegt, dass die Flammtemperatur möglichst<br />

niedrig ist. Außerdem werden die<br />

Kraftwerke <strong>mit</strong> Katalysatoren ausgerüstet.<br />

In ihnen werden die Stickoxide wieder zurück<br />

zu Stickstoff reduziert, Stickstoff, wie<br />

er in der Luft ohnehin vorhanden ist.<br />

Kohlendioxid (CO 2) entsteht bei der Verbrennung<br />

von fossilen Energieträgern (Erdgas,<br />

Erdöl, Kohle). Gemeinsam <strong>mit</strong> anderen<br />

Stoffen (z. B. Methan, Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe<br />

„FCKW“) wird es als Klimarisiko<br />

betrachtet. Da es sich hierbei um ein globales<br />

Problem handelt, ist ein weltweit koordiniertes<br />

Handeln erforderlich, um Vorsorge<br />

für den Schutz der Atmosphäre zu betreiben.<br />

Eine wirkungsvollere Nutzung der<br />

Energieträger muss daher weltweit angestrebt<br />

werden, insbesondere dort, wo viel<br />

Energie <strong>mit</strong> geringem Wirkungsgrad einge-<br />

4<br />

setzt wird. Angesichts der zunehmenden<br />

Weltbevölkerung ist es zwangsläufig, dass<br />

der Energiebedarf in Zukunft ansteigen wird.<br />

Moderne Technik – weltweit angewandt – ist<br />

erforderlich, um den Anstieg des CO 2 in<br />

Grenzen zu halten. Projektüberlegungen gehen<br />

soweit, ein Kohle-Kraftwerk zu entwickeln,<br />

das Strom ohne CO 2-Ausstoß erzeugt.<br />

Strom: Kohle über Draht<br />

Die weitaus meisten Steinkohlenkraftwerke<br />

arbeiten heute noch „konventionell“. Feingemahlene<br />

Kohle wird <strong>mit</strong> vorgewärmter Luft<br />

in den Kessel geblasen und verbrannt. Im<br />

Kesselraum befinden sich Rohrschlangen,<br />

in denen Wasser durch die Hitze in Dampf<br />

verwandelt wird. Der unter hohem Druck<br />

stehende Dampf treibt Turbinen an, die <strong>mit</strong><br />

Stromgeneratoren gekoppelt sind. Der entspannte<br />

Dampf wird in einem Kondensator<br />

zu Wasser zurückgekühlt und wird dann zur<br />

erneuten Erhitzung wieder in den Kessel zurückgepumpt.<br />

Die Kühlung im Kondensator<br />

wird durch einen separaten Kühlwasserkreislauf<br />

gesteuert. Dieses Kühlwasser verrieselt<br />

z. B. in einem Kühlturm, so dass es<br />

durch die abgegebene Verdunstungswärme<br />

selbst gekühlt wird.<br />

Prinzip Kraftwerksprozess<br />

(ohne Kühlwasserkreislauf)<br />

� 1 Kessel 2 Wasser - Dampf - Kreislauf<br />

3 Turbine 4 Kondensator 5 Generator<br />

6 Transformator<br />

Noch in den 50er Jahren lag der Wirkungsgrad<br />

der Kraftwerke bei 25%, heute können<br />

etwa 42% erreicht werden. D.h. man<br />

braucht für die gleiche Menge Strom viel<br />

weniger Brennstoff. Dadurch entstehen<br />

auch weniger Emissionen. Würde man die<br />

heute <strong>mit</strong> Kohle produzierte Strommenge<br />

noch <strong>mit</strong> der Technik der 50er Jahre erzeugen,<br />

so entstünden hierzulande etwa 100<br />

Mio. t CO 2 mehr im Jahr. Um aus einer Tonne<br />

Brennstoff mehr nutzbare Energie umweltschonend<br />

zu gewinnen, gibt es zwei<br />

Ansatzpunkte: Grundsätzlich neue Kraftwerkskonzepte<br />

oder eine entscheidende Erhöhung<br />

der Energieausnutzung durch Verbindung<br />

<strong>mit</strong> anderen Wärmesystemen.<br />

Für beide Punkte liegen Lösungen vor. All<br />

die Techniken, die geeignet sind, Kohle umweltfreundlicher<br />

in Energie umzuwandeln,<br />

werden auch als Clean-Coal-Technologien<br />

bezeichnet.<br />

In Nordrhein-Westfalen soll ein Steinkohlen-<br />

Kraftwerk modernster Bauart geplant werden.<br />

Mit einer Kombination von jeweils optimierten<br />

Anlagenkomponenten unter Einsatz<br />

neuester Werkstoffe soll dieses Kraftwerk<br />

einen Wirkungsgrad von bis zu 54 % erzielen.<br />

Bereits heute erreichen deutsche Kraftwerkstechnologien<br />

Spitzenwerte im internationalen<br />

Vergleich. Allein der Durchschnittswert<br />

der vorhandenen Steinkohlenkraftwerke<br />

liegt in Deutschland bei knapp 40 % – weltweit<br />

liegt der Wirkungsgrad bei gut 30 %<br />

und in manchen Ländern wie z. B. China<br />

wird erst ein Durchschnitt von etwa 24 %<br />

erreicht.<br />

In Deutschland entwickelte Kraftwerkstechnik<br />

ist also ein wertvolles, zunehmend wichtigeres<br />

Exportgut. Zum einen hilft es – im<br />

Ausland eingesetzt – die weltweiten CO 2-<br />

Emissionen deutlich zu reduzieren sowie<br />

gleichzeitig die Ressourcen effektiver und<br />

sparsamer einzusetzen. Zum anderen bedeutet<br />

die Fortentwicklung dieses Knowhows<br />

in Deutschland selbst Arbeitsplätze<br />

und Wirtschaftskraft. Alle Prognosen gehen<br />

davon aus, dass der weltweite Bedarf an<br />

modernen Steinkohlenkraftwerken in den<br />

kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen<br />

wird.<br />

In GuD-(Gas- und Dampf-)Kohle-Kraftwerken<br />

wird nicht nur der Dampf in Turbinen<br />

genutzt sondern auch ein heißes Gas in einer<br />

Hochdruckturbine. Dieses Gas kann<br />

entweder aus der Vergasung von Kohle gewonnen<br />

werden (Versuche wurden hierzu<br />

schon durchgeführt) oder es kann direkt<br />

das Verbrennungsgas der Kohle genutzt<br />

werden. In der sogenannten Druckkohlenstaubfeuerung<br />

muss das Verbrennungsgas<br />

43


aber bei hoher Temperatur zunächst gut<br />

gereinigt werden, da sonst die heißen<br />

Aschepartikel und die chemischen Bestandteile<br />

des Rauchgases die Turbinenschaufeln<br />

beschädigen würden. Hierzu<br />

werden zur Zeit umfangreiche Forschungen<br />

durchgeführt und neue Werkstoffe und Filtertechniken<br />

entwickelt. Ein Wirkungsgrad<br />

von über 50% kann dabei erreicht werden.<br />

Bei gleichzeitiger Nutzung auch von Wärme<br />

(Kraft-Wärme-Kopplung), z. B. zur Raumheizung,<br />

kann der Energieausnutzungsgrad<br />

weit darüber hinausgehen. Bei der Kraft-<br />

Wärme-Kopplung wird im Kraftwerk ein bestimmter<br />

Energieanteil als Wärme ausgekoppelt<br />

und in ein Fernwärmenetz geleitet.<br />

Dadurch entsteht kaum Abwärme, die ungenutzt<br />

bleibt. Insbesondere für Industrieanlagen,<br />

die für ihre Produktion z. B. Prozesswärme<br />

brauchen, und Stadtregionen<br />

ist die Kraft-Wärme-Kopplung eine effektive<br />

Lösung. Unter optimalen Bedingungen, z. B.<br />

an einem Wintertag, können Gesamtwirkungsgrade<br />

von über 80% erreicht werden.<br />

44<br />

Druckkohlenstaubfeuerung<br />

1<br />

2<br />

� 1 Kessel 2 Ascheabscheidung 3 Turbine für<br />

Rauchgas (Hochtemperatur) 4 Wärmetauscher<br />

5 Turbine für Restwärme 6 Transformator<br />

Wirbelschichtfeuerung<br />

3<br />

Umweltfreundlich und auch <strong>mit</strong> hohem<br />

Nutzeffekt können Kraftwerke <strong>mit</strong> Wirbelschichtfeuerung<br />

arbeiten. Hier wird Feinkohle<br />

<strong>mit</strong> Kalkstein vermischt in einem Kessel<br />

<strong>mit</strong> von unten her eingeblasener Luft<br />

verwirbelt und verbrannt. Der Kalkstein<br />

4<br />

6<br />

5<br />

bindet Schwefel, der da<strong>mit</strong> direkt in der<br />

Asche verbleibt. Die Wirbelschichtfeuerung<br />

ist für feste Brennstoffe – also für Kohle –<br />

besonders vorteilhaft, weil die Wärme intensiv<br />

auf die Siederohre des Kessels übertragen<br />

wird, die in diese brodelnde und brennende<br />

Schicht eintauchen. Dadurch kann<br />

bei gleicher Leistung die Kesselgröße verringert<br />

werden. Wenn die Verbrennung unter<br />

Überdruck durchgeführt wird, kann <strong>mit</strong> den<br />

Abgasen der verbrennenden Kohle zusätzlich<br />

eine Gasturbine zur Stromerzeugung<br />

betrieben werden. Dadurch lässt sich der<br />

Wirkungsgrad der Stromerzeugung erhöhen.<br />

1 2<br />

4<br />

Wirbelschichttechnik<br />

3<br />

� 1 Kohle 2 Kalk 3 Ascheabscheidung<br />

4 Verbrennungsluft 5 Düsenboden<br />

6 Wirbelschicht 7 Wasserzulauf 8 Dampf<br />

Die Wirbelschichtfeuerung hat neben der<br />

Anwendung in Kraftwerken wegen ihrer<br />

Umweltfreundlichkeit und ihrer technischen<br />

Vorteile vor allem Bedeutung für die Wärmeerzeugung,<br />

z. B. in dezentralen Heizwerken<br />

für die Nahwärmeversorgung und in Industriebetrieben.<br />

Solche Heizwerke und<br />

Kraftwerke <strong>mit</strong> unterschiedlichen Leistungswerten<br />

sind bereits seit Jahren in Betrieb.<br />

Ein Kraftwerk von besonderer Bauart wird in<br />

Völklingen im Saarland betrieben. Die Abwärme<br />

wird direkt in ein Fernheiznetz eingeleitet.<br />

Mit einem Großkessel konventioneller<br />

Art wird eine Wirbelschichtfeuerung kombiniert.<br />

Der Schwefel wird nach der Verbrennung<br />

aus dem Abgas entfernt. Die gereinigten<br />

Abgase werden über den Kühlturm abgeleitet:<br />

der Schornstein wird eingespart.<br />

6<br />

5<br />

8<br />

7<br />

Koks für die Hütten<br />

Die Bundesrepublik Deutschland verfügt in<br />

ausreichendem Maße über eine der besten<br />

Kokskohlen der Welt. Als Kokskohle wird<br />

eine Kohlenart bezeichnet, meist Fettkohle,<br />

die beim Erhitzen besonders stark zusammenbackt<br />

und zugleich durch das entweichende<br />

Gas gut aufgebläht wird. Sie bildet<br />

einen festen, porigen Koks.<br />

Ein Teil der in Deutschland geförderten Kohle<br />

geht in die Kokereien und von dort als<br />

Koks in die Eisenhüttenindustrie. Wirtschaftliche<br />

Eisenverhüttung in großen Mengen ist<br />

ohne Hüttenkoks nicht möglich, auch wenn<br />

zusätzlich Öl und Gas und zunehmend Kohlenstaub<br />

verwendet werden.<br />

Wie wichtig Koks für die Versorgung der Industrie<br />

ist, hat die jüngste Entwicklung<br />

(2004) gezeigt: Der wirtschaftliche Aufschwung<br />

Chinas hat die Weltmärkte geleert<br />

und das Preisniveau über das des deutschen<br />

Kokses getrieben. Infolgedessen ist nun der<br />

Ausbau der deutschen Kokereikapazität vorgesehen.<br />

Um Eisenerz in reines Eisen zu verwandeln,<br />

ist ein geeignetes Reduktions<strong>mit</strong>tel nötig,<br />

der Koks. Der abbrennende Koks erzeugt<br />

im Hochofen die Hitze zum Schmelzen des<br />

Erzes, und der im Koks enthaltene reine<br />

Kohlenstoff verbindet sich in dieser Hitze zugleich<br />

<strong>mit</strong> dem im Erz enthaltenen Sauerstoff.<br />

Das nennt man Reduktion. An Hüttenkoks<br />

werden hohe Anforderungen gestellt:<br />

Er muss fest sein, stückig und porös. Nur so<br />

ist es möglich, dass die von unten einströmende<br />

Luft das Erz-Koks-Gemisch gleichmäßig<br />

durchströmt, dass also der Reduktionsvorgang<br />

vollständig ablaufen kann.<br />

Außerdem darf Hüttenkoks weder Schwefel<br />

noch Phosphor enthalten, der Ascheanteil<br />

soll möglichst gering sein. Verkokt wird die<br />

Kohle in Horizontalkammeröfen. Zahlreiche<br />

nebeneinanderliegende Ofenkammern bilden<br />

dabei eine Koksofenbatterie. Die Kokskohle<br />

wird von oben eingefüllt, der fertige<br />

Koks seitlich herausgedrückt. Die Erhitzung<br />

erfolgt <strong>mit</strong> Hilfe von Brenngas über die Heizzüge<br />

zwischen den Ofenkammern. Die<br />

Kokskohle wird unter Luftabschluss <strong>mit</strong> steigender<br />

Temperatur entgast, das heißt, die<br />

flüchtigen Bestandteile werden ausgetrieben.<br />

Die glühende Kohle bildet eine plastische<br />

Masse; sie backt wie ein Kuchenteig,<br />

in dem die Gasbläschen Poren bilden, zu-


sammen. Bei einem Temperaturanstieg über<br />

1273 Grad Kelvin (1000 Grad Celsius) hinaus<br />

erreicht die Masse ihre volle Porosität<br />

und Festigkeit. Der Koks kann nun aus dem<br />

Ofen gedrückt und <strong>mit</strong> Wasser gelöscht<br />

werden. Auch hier werden durch großen<br />

technischen Aufwand die Umweltschutzauflagen<br />

erfüllt. So werden die beim Füllen<br />

und Leeren der Öfen und beim Löschen des<br />

Kokses entstehenden Abgase abgesaugt<br />

und gereinigt, das Kokereiwasser wird besonders<br />

gründlich gereinigt.<br />

Auch die bei der Koksherstellung anfallenden<br />

Gase werden gereinigt. Dabei fallen<br />

Teer, Rohbenzol, Ammoniak und Schwefelverbindungen<br />

an, die als Rohstoffe für die<br />

chemische Industrie genutzt werden.<br />

Außerdem entsteht Heizgas, das zum Beheizen<br />

der Koksöfen genutzt wird. Überschüssiges<br />

Gas wird an die Industrie und an<br />

die Gasversorger geliefert. Früher versorgte<br />

es als Stadtgas die Haushalte.<br />

Wärme aus Kohle Aus Kohle wird Gas<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Energiewirtschaft<br />

noch völlig auf die Kohle ausgerichtet.<br />

Noch Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />

wurden rund 50 Prozent der Steinkohlenförderung<br />

im sogenannten Wärmemarkt<br />

eingesetzt, d.h. in Kohleheizungen und<br />

kleineren Kesselanlagen. Heute spielt dieser<br />

Sektor bei der Steinkohle keine große Rolle<br />

mehr – ein Beispiel für den Strukturwandel.<br />

Dennoch gibt es Steinkohleheizungen und<br />

kleinere Steinkohlekessel auch heute noch,<br />

aber <strong>mit</strong> einer völlig neuen modernen Technik:<br />

vollautomatisch und thermostatgesteuert.<br />

Auch die Asche wird automatisch abgezogen<br />

und staubfrei in einen Container transportiert.<br />

Für Einzelfeuerung sind die umweltverträglichen<br />

Brennstoffe Anthrazitkohle und Koks<br />

geeignet. Brikett- und Eierkohlensorten werden<br />

längst nicht mehr teergebunden hergestellt<br />

und brennen daher praktisch rauchfrei.<br />

Dass man Kohle in brennbares Gas umwandeln<br />

kann, ist lange bekannt. Forscher und<br />

Techniker suchten nach der Ölpreiskrise<br />

nach neuen und wirksameren Verfahren.<br />

Der Kohle könnte künftig ein vollkommen<br />

neues Aufgabengebiet zugewiesen werden.<br />

Die klassischen fossilen Energiereserven der<br />

Erde sind zu rund 70 Prozent Kohle (bei den<br />

geologischen Reserven stellt die Kohle sogar<br />

über 80%) und nur zu 30 Prozent Erdöl<br />

und Erdgas. Im Gegensatz dazu beruhen<br />

über zwei Drittel <strong>unsere</strong>s gegenwärtigen<br />

Verbrauchs an fossilen Energieträgern auf<br />

Öl und Gas. Die Entwicklung wirtschaftlicher<br />

Verfahren für die Vergasung von Kohle ist<br />

deshalb eine wichtige Aufgabe der Kohleforschung.<br />

Das Ziel: Erdöl und Erdgas dann<br />

zu ersetzen, wenn es knapp wird. Zwar ist<br />

derzeit wegen der niedrigen Öl- und Erdgaspreise<br />

eine wirtschaftliche Vergasung<br />

von Steinkohle in Deutschland nicht möglich.<br />

Aber die Verfahren können für andere<br />

Länder interessant sein.<br />

Aus Kohle kann zusammen <strong>mit</strong> Wasserdampf<br />

unter Druck und bei hoher Temperatur<br />

Synthesegas (Kohlenmonoxid und Wasserstoff)<br />

hergestellt werden – als Ausgangsprodukt<br />

für die chemische Industrie, als<br />

Reduktionsgas für die Eisenverhüttung oder<br />

nach weiterer Umwandlung in synthetisches<br />

Erdgas (Methan) als Heizgas für Industrie<br />

und Haushalte. Die Kohlevergasung ist je<br />

nach Ziel und Methode außerordentlich flexibel.<br />

Auch für die Wasserstoffherstellung<br />

zur Nutzung z. B. in Brennstoffzellen kann<br />

die Kohlevergasung einen Beitrag leisten.<br />

Um Kohle zu vergasen, muss viel Wärme<br />

zugeführt werden. Dazu kann ein Teil der<br />

Kohle während der Vergasung verbrannt<br />

werden, oft unter Zuführung von reinem<br />

Sauerstoff, um hohe Temperaturen zu erzeugen.<br />

Wird die benötigte Wärme jedoch<br />

von außen zugeführt, dann kann die gesamte<br />

Kohle in Gas umgewandelt werden.<br />

� Kokerei Prosper in Bottrop. Die Abdeckhaube<br />

wird über den glühenden Koks<br />

gefahren, um die Emissionen zu unterbinden.<br />

45


Flüssige Kohle<br />

Für Kohleöl gilt dasselbe, was bereits bei<br />

Kohlegas gesagt wurde: Erdöl und Erdgas<br />

werden <strong>mit</strong> Sicherheit knapp und teuer.<br />

Kohleöl könnte in der Zukunft einen Teil des<br />

Erdöls ersetzen. Auch die Kohleverflüssigung<br />

ist durchaus nicht neu. Grundsätzlich<br />

gibt es vier Methoden der Kohleverflüssigung:<br />

Die Fischer-Tropsch-Synthese: Kohle wird<br />

<strong>mit</strong> Wasserdampf unter Druck und Hitze<br />

vergast, wie oben beschrieben. Aus den dabei<br />

entstandenen „chemischen Bausteinen“<br />

Kohlenmonoxid und Wasserstoff werden<br />

danach durch Synthese (griechisch: Zusammensetzen)<br />

verschiedene flüssige Kohlenwasserstoffe,<br />

z. B. Vergaser- und Dieselkraftstoff,<br />

hergestellt. Das Verfahren wurde<br />

in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />

von den deutschen Wissenschaftlern<br />

Fischer und Tropsch entwickelt.<br />

Die Methanol-Synthese: Nach der Verga-<br />

46<br />

sung (wie oben) kann Methanol erzeugt<br />

werden. Wie Benzin und Alkohol (genauer:<br />

Äthylalkohol) ist Methanol als Lösungs<strong>mit</strong>tel<br />

geeignet, vielleicht aber in Zukunft vor allem<br />

als Autokraftstoff in Mischung <strong>mit</strong> Benzin.<br />

Die Automobilindustrie erprobt seit Jahren<br />

Fahrzeuge, die <strong>mit</strong> Methanol angetrieben<br />

werden.<br />

Das SRC-Verfahren (solvent refined coal –<br />

wörtlich übersetzt: <strong>mit</strong> Lösungs<strong>mit</strong>tel verfeinerte<br />

Kohle): Kohle wird unter Druck und<br />

Hitze in Ölen, die viel Wasserstoff enthalten,<br />

aufgelöst. Dabei entsteht Kohleöl, das man<br />

als Heizöl verwenden oder zu anderen Produkten<br />

weiterverarbeiten kann.<br />

Die Kohle-Hydrierung (Griechisch: „Hydrogen“<br />

= Wasserstoff ): Kohle wird nicht nur in<br />

Kohleöl, sondern zusätzlich <strong>mit</strong> reinem Wasserstoff<br />

nach einem besonderen Verfahren<br />

in andere flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt,<br />

also in Heizöl, Dieselöl, Vergaserbenzin<br />

oder Leichtbenzin. Den Umwandlungsprozess<br />

kann man je nach dem<br />

gewünschten Produkt steuern. Dieses Hy-<br />

drierverfahren wurde von dem deutschen<br />

Wissenschaftler Bergius entwickelt.<br />

Bereits 1928 wurden im Werk Leuna bei<br />

Halle etwa 100.000 Tonnen Benzin pro Jahr<br />

aus Braunkohle hergestellt. 1943 flossen in<br />

Deutschland aus 12 Hydrierwerken und 9<br />

Synthesewerken fast 4 Millionen Tonnen<br />

Benzin, gewonnen aus Steinkohle und<br />

Braunkohle.<br />

Versuchsanlagen zur Herstellung von Kohleöl<br />

wurden nicht nur vom Steinkohlenbergbau,<br />

sondern auch von großen Ölgesellschaften<br />

in der jüngeren Vergangenheit betrieben.<br />

Die Forschung ist weitgehend abgeschlossen.<br />

Die großindustrielle Einführung<br />

könnte aber erst bei wesentlich höheren Ölpreisen<br />

erfolgen. Die einzigen Großanlagen<br />

zur Herstellung von Benzin und Öl aus Kohle<br />

werden gegenwärtig in Südafrika betrieben.


In-situ-Vergasung<br />

Versuche haben gezeigt: Die Vergasung von<br />

Kohle könnte auch direkt im Flöz (an Ort<br />

und Stelle = „in-situ“) durchgeführt werden;<br />

allerdings nicht überall und erst in ferner Zukunft.<br />

Die Vergasung im Flöz könnte etwa<br />

so vor sich gehen: An zwei Stellen wird ein<br />

Kohlenflöz von oben angebohrt. Durch die<br />

eine Bohrung wird Luft, versuchsweise auch<br />

Wasserstoff, in das Flöz gepumpt und gezündet.<br />

Dabei setzt ein chemischer Prozess<br />

ein, bei dem Gas (vorwiegend Kohlendioxid,<br />

-monoxid, Wasserstoff) entsteht, das man<br />

durch die zweite Bohrung absaugen kann.<br />

Die Aussichten für eine wirtschaftliche Nutzung<br />

dieser Verfahren sind heute noch sehr<br />

gering. Aber vielleicht wird Untertagevergasung<br />

in weiterer Zukunft einmal für die riesigen,<br />

sehr tief liegenden Steinkohlenflöze in<br />

der norddeutschen Tiefebene möglich. Mit<br />

den derzeitigen technischen Mitteln des<br />

Bergbaus kann diese mehrere tausend Meter<br />

tief liegende Kohle nicht abgebaut werden.<br />

Aktivkoks für die Umwelt<br />

Von den Forschungsinstituten des Bergbaus<br />

wurde ein Aktivkoks entwickelt, der<br />

auf vielfältige Weise im Umweltschutz eingesetzt<br />

werden kann, zum Beispiel zur Beseitigung<br />

von Schwefel aus Kraftwerksabgasen.<br />

Das Verfahren beruht darauf, Steinkohle<br />

zu einem so feinporigen Koks zu verarbeiten,<br />

dass dieser eine große Menge Gas adsorbieren,<br />

das heißt, an seiner Oberfläche<br />

festhalten kann. Nur 1 Gramm dieses hochporösen<br />

Aktivkokses hat eine innere Oberfläche<br />

von bis zu 1500 Quadratmetern. Diese<br />

Adsorptionsmethode hat sich in Kraftwerken<br />

zur Entfernung von Schwefeldioxid<br />

aus dem Rauchgas bereits bewährt.<br />

Aktivkoks wirkt auch als Molekularfilter, das<br />

heißt, die Porengröße wird genau auf die<br />

Größe der Moleküle bestimmter Stoffe eingestellt.<br />

Mit einer auf Millionstel Millimeter<br />

angepassten Porengröße kann zum Beispiel<br />

Sauerstoff oder Stickstoff aus der Luft angereichert<br />

werden. In Kernkraftwerken wird<br />

Aktivkoks dazu verwendet, das radioaktive<br />

� Chemieprodukte aus Kohle. Die heutige<br />

organische Chemie hat ihre Wurzeln in der<br />

Verwertung der Kokerei-Abfallstoffe, die<br />

bald als Wertstoffe erkannt wurden.<br />

Edelgas Krypton aus den Abgasen zu entfernen.<br />

Ein großes Anwendungsgebiet findet<br />

der Aktivkoks bei besonders schwierigen<br />

und <strong>mit</strong> anderen Methoden kaum lösbaren<br />

Problemen der Abwässerreinigung.<br />

Der Bergbau hilft Umweltprobleme<br />

zu lösen<br />

Nicht nur bei der Entwicklung neuer umweltschonender<br />

Kraftwerkstechniken hat<br />

der Bergbau gezeigt, dass er weit über den<br />

Bergbau-Bereich hinaus international anerkannte<br />

Forschung betreibt und entsprechende<br />

Technik anbietet. Ein spezielles Kapitel<br />

ist die sogenannte Altlastensanierung.<br />

Auf vielen Industrie-Standorten ist im Laufe<br />

der Jahre der Produktion der Untergrund<br />

<strong>mit</strong> umweltgefährdenden Stoffen belastet<br />

worden. Unterschiedliche Methoden könnenangewendet<br />

werden, um diese Altlasten<br />

zu sanieren. Beim thermischen Verfahren<br />

werden die Böden verbrannt, so dass<br />

die umweltschädlichen Stoffe zersetzt werden.<br />

Biologische Verfahren sind für die Reinigung<br />

von Böden und Wasser geeignet.<br />

Spezielle Mikroben zersetzen hier die frag-<br />

lichen Stoffe zu schadlosen Abbauprodukten,<br />

u. a. Wasser. Die Erfahrungen aus dem<br />

Betrieb von Hydrieranlagen werden genutzt,<br />

um schadstoffhaltige Öle zu säubern.<br />

Die starke Zunahme von Abfällen aller Art<br />

zwingt zu Abfallvermeidung und Recycling.<br />

Die Reststoffe, die bei der Verstromung in<br />

Steinkohlenkraftwerken anfallen, werden<br />

fast vollständig wiederverwendet (Gips,<br />

Schlacke, Asche im Baustoffsektor). Was<br />

übrigbleibt, kann schadlos deponiert werden.<br />

In den Kokereien wurden bereits früher<br />

die „Abfallstoffe“ als „Wertstoffe“ genutzt.<br />

Auf der Grundlage dieser Stoffe entstand<br />

ein ganzer Wirtschaftszweig: die chemische<br />

und pharmazeutische Industrie.<br />

Chemische Untersuchungen, z. B. bei �<br />

der Beurteilung von Böden, sind unerlässlich.<br />

47


Kohle – ein nachhaltiger<br />

Energieträger<br />

1992 wurde auf der Konferenz für Umwelt<br />

und Entwicklung der Vereinten Nationen in<br />

Rio de Janeiro über ein globales System befunden,<br />

in dem ökologische, ökonomische<br />

und gesellschaftspolitisch soziale Ziele<br />

gleichrangig integriert sind. Dieses Zielsystem<br />

wird als Prinzip der Nachhaltigkeit verstanden.<br />

Der Steinkohlenbergbau engagiert<br />

sich in dieser Hinsicht ebenfalls.<br />

Steinkohle ist aufgrund seiner modernen<br />

Gewinnungstechniken langfristig in fast allen<br />

Regionen der Welt sicher gewinnbar. Mit zunehmender<br />

Knappheit des Erdöls und des<br />

Erdgases wird die Kohle weltweit wieder der<br />

Primärenergieträger Nummer eins. Sie zu<br />

veredeln, sie besser und sicherer auch in<br />

Deutschland zu nutzen, bedeutet zugleich<br />

haushalten <strong>mit</strong> dem wichtigsten Energieund<br />

Rohstoffvorrat, den die Bundesrepublik<br />

in ihrem eigenen Boden hat. Zugleich ist <strong>unsere</strong><br />

Bergbau- und Kraftwerkstechnik führend<br />

und als „Exportschlager“ in der ganzen<br />

Welt begehrt.<br />

48<br />

Ökologie<br />

Ökonomie<br />

Nachhaltige<br />

Entwicklung<br />

Ausgewogener<br />

Energiemix<br />

Dort hilft der deutsche Bergbau, z. B. in China,<br />

<strong>mit</strong> seinem Know-how Flözbrände zu löschen,<br />

oder engagiert sich international,<br />

das CO 2-freie Kohlenkraftwerk zu entwickeln.<br />

Der Ausbau der Grubengasnutzung wird<br />

national wie auch in den Gruben der RAG<br />

Coal International vorangetrieben.<br />

Der Erhalt eines lebenden, aktiven Steinkohlenbergbaus<br />

in Deutschland ist für die<br />

Fortentwicklung dieser und ähnlicher Projekte<br />

erforderlich. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten<br />

müssen weitergeführt werden,<br />

da nur ein moderner Bergbau und eine<br />

umweltverträgliche Nutzung der Steinkohle<br />

den Anforderungen der Zukunft gerecht<br />

wird. Die Gewinnung und Nutzung von Kohle<br />

sichert zudem Arbeitsplätze und Wertschöpfung.<br />

Energie ist ein besonderer Stoff. Die Existenz<br />

eines Staates und seiner Bewohner<br />

hängt zu einem großen Teil von der Verfügbarkeit<br />

über Energiereserven ab. Nur über<br />

die Reserven im eigenen Lande können wir<br />

letztendlich jederzeit verfügen – wir und die<br />

Generationen nach uns.<br />

Soziale<br />

Entwicklung<br />

Gesamtverband Steinkohle 2001<br />

Schnitt durch ein Steinkohlenberg- �<br />

werk. Die Gebirgsschichten, die Einrichtungen<br />

des Grubenbetriebes und der<br />

Übertageanlagen sind nicht maßstäblich<br />

zueinander. Die unterirdische Ausdehnung<br />

des Bergwerks ist <strong>mit</strong> der einer<br />

Stadt vergleichbar und hier kaum dar-<br />

� Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit. Alle<br />

Ziele sind gleichrangig.<br />

Rückseite: Nordschacht des Berg- ��<br />

werks Ensdorf im Saarland.


Kühlturm<br />

Kesselhaus<br />

Kraftwerk<br />

Deckgebirge<br />

Steinkohlengebirge<br />

Bandförderung<br />

Streb<br />

Kohlelager<br />

Hauptschacht<br />

Förderschacht<br />

<strong>mit</strong> Gefäßförderung<br />

Walzenschrämlader<br />

Einschienenhängebahn<br />

Streckenvortriebs<br />

-maschine<br />

Bergehalde Nordschacht<br />

Fördergerüst<br />

Alter Mann<br />

Füllort<br />

Aufbereitung<br />

Strecke

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