Aktuell - Dr. Neinhaus Verlag AG
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<strong>Aktuell</strong><br />
Gefährliche WWildschützen<br />
ildschützen<br />
Wilderer wurden oft zu Volkshelden verklärt<br />
Hubertustag<br />
Wenn sich der Herbst seinem<br />
Ende zuneigt, gedenken Jäger<br />
und Förster alljährlich<br />
am 3. November alter Tradition<br />
entsprechend ihres<br />
Schutzpatrons, des Hl. Hubertus.<br />
Mit der Hubertusjagd<br />
wird nach überliefertem<br />
Brauch die Großjagd mit dem<br />
Volkslied „Frisch auf zum<br />
fröhlichen Jagen“ eröffnet.<br />
Hubertus, dem beispielsweise<br />
eine Kapelle in<br />
Scheidegg gewidmet<br />
ist, „lebte als Eremit, ernährte<br />
sich von der Jagd und starb<br />
727 als Bischof von Lüttich“,<br />
wird aus dem Lebenslauf berichtet.<br />
„Das oft in der Kunst<br />
dargestellte Attribut des Heiligen,<br />
ein Hirsch mit dem Kreuz<br />
im Geweih, beruht auf einer Legende<br />
aus dem 15. Jahrhundert.<br />
Danach soll dem Jäger Hubertus<br />
ein gewaltiger Hirsch mit mächtigen<br />
Geweihstangen und einem<br />
Kruzifix dazwischen erschienen<br />
sein, wodurch er bekehrt wurde“.<br />
Sammler und Jäger allerdings<br />
waren die Menschen bereits<br />
in der Altsteinzeit. Die Frauen<br />
sammelten Beeren im Wald,<br />
von den Männern erlegte Tiere<br />
lieferten nicht nur Nahrung,<br />
sondern daneben all das, was<br />
man im Alltag benötigte, wie<br />
beispielsweise Felle, Werkzeuge<br />
oder Schmuck. Im Mittelalter<br />
gehörte die „Jagd auf Hochwild“<br />
zum Vorrecht von Klerus<br />
und Adel, die von der Herrschaft<br />
selbst oder von Berufsjägern<br />
ausgeübt wurde.<br />
Unredliche Jäger<br />
Ganz im Gegensatz zu den<br />
„braven Jägersleut“ stehen<br />
die Wilderer oder Wildschützen,<br />
die sich zumeist bei Nacht<br />
und Nebel tief im Wald umherschleichend<br />
heimlich auf<br />
die unerlaubte Jagd machten<br />
und auch heute noch wildern.<br />
In Sagen, Liedern, Gedichten,<br />
Romanen und auf bildlichen<br />
Darstellungen wurde der Wildschütz<br />
einerseits nur zu gern<br />
zum Volkshelden verklärt, die<br />
Wilderei demzufolge als legitim<br />
angesehen, anderseits aber<br />
auch als solcher bezeichnet, der<br />
„dem teuflischen Zauber verfallen“<br />
sei. Das trug dazu bei, dass<br />
Konflikte und handfeste Aus-<br />
Die St.-Hubertus-Kapelle in Scheidegg. Fotos: Mechthild Wiedner<br />
einandersetzungen zwischen<br />
Jägern und unwaidmännisch<br />
handelnden Wildschützen zur<br />
Tagesordnung gehörten.<br />
Von den Aufsehen erregenden<br />
Vorkommnissen um Jagd<br />
und Wilderei auf bayerischem<br />
Gebiet in vergangenen Jahrhunderten,<br />
beispielsweise rund<br />
um Marktoberdorf im Allgäu,<br />
konnte man sich in einer Präsentation<br />
des Heimatvereins<br />
ein Bild machen.<br />
„Neben Feuerwerken und Lustspielen<br />
im Freien gehörte die<br />
Jagd bis ins 19. Jahrhundert zu<br />
den Belustigungen des Adels“,<br />
erklärt Frau Eigler im Stadtmuseum.<br />
„Auch Kurfürst Clemens<br />
Wenzeslaus liebte die Jagd und<br />
beschäftigte gar „Fürstenlupfer“,<br />
die sechs Sänften mit dem<br />
Kurfürsten und einigen erlesenen<br />
Jagdgästen aus Adelskreisen<br />
regelmäßig auf die Berge<br />
des Voralpenlandes trugen,<br />
wo man die Wildpopulation<br />
für den Fürsten künstlich hoch<br />
hielt. Unerschrockene, wackere<br />
Bauern aber wurden trotz harter<br />
Strafen für unredliche Jäger<br />
aus schierer Not zu dreisten und<br />
kühnen Wilddieben, Wilderern<br />
oder Wildschützen in den Alpen,<br />
was die Wildererromantik<br />
belebte“. Gefasste Täter wurden<br />
beispielsweise durch zur Strafe<br />
aufgesetzte Hirschgeweihe der<br />
Lächerlichkeit preisgegeben,<br />
mussten am Pranger stehen,<br />
hatten eine am Kopf befestigte,<br />
schwere eiserne „Wildererkappe“<br />
zu tragen, wenn sie nicht<br />
am Galgen endeten, über dem<br />
ein Hirschgeweih oder die Felle<br />
gewilderter Tiere hingen.<br />
Wilderergeschichten<br />
Viele Geschichten ranken sich<br />
seit eh und je um die Wildschützen<br />
unter der bäuerlichen<br />
Bevölkerung, was Anlass dafür<br />
war, sowohl hingerichteten<br />
Wilderern als auch den bei der<br />
Landpost 43/2011<br />
Wilderer auf der Lauer im Museum<br />
Marktoberdorf.<br />
Verfolgung eines Wilddiebs zu<br />
Tode gekommenen kaiserlichen<br />
oder kurfürstlichen Jägern Gedenksteine<br />
zu setzen.<br />
Anton Fichtel aus Ennenhofen<br />
berichtet in seinen Aufzeichnungen<br />
aus dem Jahr 1927<br />
über Wilderer im Ort: „Im Haus<br />
Nr. 73 übernachtete wiederholt<br />
ein Wilderer. Derselbe schlief<br />
Denkmal für den Kempter Boten<br />
aus Göresried Anton Maurus.
Landpost 43/2011 <strong>Aktuell</strong> 31<br />
nur untertags. Beim Schlafen<br />
legte er sich ein Messer auf den<br />
Rücken. Sobald er sich zur Seite<br />
drehte, piekste ihn das Messer.<br />
Dadurch wurde der Wilderer sogleich<br />
wach und konnte dadurch<br />
mehrmals der Gendarmerie, die<br />
ihn verfolgte, entweichen“.<br />
Als Spazierstock getarntes Wilderergewehr.<br />
1737 stellte der Schwäbische<br />
Kreis fest, dass ein Anstieg der<br />
Wilderei durch vagabundierende<br />
Menschen zu verzeichnen<br />
sei. Deshalb sollten Wohnsitzlose<br />
sofort festgenommen werden<br />
und getarnte Wilderer mit<br />
geschwärzten Gesichtern oder<br />
mit Larven sollten sofort, ohne<br />
Prozess, aufgehängt werden.<br />
Wilderern ohne Tarnung sollte<br />
der Scharfrichter lediglich mit<br />
Denkmal für den Königlichen<br />
Förster August Schilcher.<br />
dem Beil die rechte Hand abhauen<br />
oder sie sollten lebenslänglich<br />
in „Eisen und Banden“<br />
geschlossen werden. Fürstbischof<br />
Wenzeslaus bestätigte<br />
vom Hofrat ausgesprochene Urteile<br />
gegen Wilderer nicht nur,<br />
sondern verschärfte sie.<br />
Das war die Antwort darauf,<br />
dass öfter Freunde der inhaftierten<br />
Wilderer diese gewaltsam<br />
befreien wollten. Da liest man<br />
in den Aufzeichnungen: „Eine<br />
tumultuarische Rotte ertrotzte<br />
in respektlosem Andringen“ die<br />
Freilassung des Josef Eberle aus<br />
Hörmannshofen. In der Nacht<br />
vom 18./19.12.1796 befreite<br />
ein mit Flinten, Stutzen und<br />
Prügeln bewaffneter Haufen<br />
den Wilderer Ignaz Huber aus<br />
Stötten aus dem Gefängnis von<br />
Kaufbeuren-Oberdorf. Zwölf<br />
Männer der Pfarrei Wald drangen<br />
in das Haus des Oberjägers<br />
ein und trotzten ihm das Kurzgewehr<br />
ab, das er dem Schreiner<br />
Seelos aus Ronried beim<br />
Wildern abgenommen hatte.<br />
Am Sträßchen von Görisried<br />
nach Bodelsberg, unweit von<br />
Kempten, steht an der Einöde<br />
Hagelschwand ein Denkmal mit<br />
der Inschrift: „An dieser Stelle<br />
wurde am 9.10.1872 abends um<br />
9 Uhr der Ehrsame Kempter Bote<br />
Anton Maurus meuchelmörderisch<br />
erschossen“.<br />
Damals gab es im Kempter<br />
Wald etliche Wildschützen<br />
und die Stelle des Mordes lag<br />
tief im Wald. Zuvor hatte sich<br />
der Anton Maurus darauf eingelassen,<br />
illegal geschossenes<br />
Wild in seinem Planwagen<br />
nach Kempten mitzunehmen,<br />
um es an bestimmte Abnehmer<br />
zu verkaufen. Der Bote, so wird<br />
erzählt, betrog aber die von<br />
ihm abhängigen Wildschützen<br />
öfter und drohte ihnen auch<br />
mit einer Anzeige. Die Wilderer<br />
wollten den Mitwisser aus<br />
dem Weg räumen. Einer von ihnen<br />
lauerte ihm am Sträßchen<br />
auf und erschoss ihn aus dem<br />
Hinterhalt. Der wie gewohnt<br />
vom Pferd nach Hause gezogene<br />
Planwagen erschreckte die<br />
Frau des Kempter Boten fürchterlich,<br />
als sie unter der Plane<br />
den Toten entdeckte. Obwohl<br />
der Mörder offiziell unbekannt<br />
blieb, war im Volksmund die<br />
Täterschaft kein Geheimnis.<br />
Jagdzimmer mit Möbeln aus Geweihstangen<br />
und Wandteppich<br />
mit Jagdmotiven.<br />
Gemetzel im Schlosshof<br />
Im Jahr 1797 kam es zu einem<br />
schrecklichen Gemetzel<br />
im Schlosshof zu Oberdorf.<br />
Eine Horde Wilderer probte<br />
den Aufstand, woraufhin der<br />
Fürstbischof Wenzeslaus „kaiserliche<br />
Truppen aufmarschieren<br />
ließ, um gegen die Wilderei<br />
vorzugehen“. Ein Wildschütz<br />
aus Stötten wurde festgesetzt,<br />
aber in der Nacht von sympathisierenden<br />
Bauern befreit.<br />
„Daraufhin wurden 80 Männer<br />
aus Stötten, Roßhaupten, Wald<br />
und Sulzschneid als Verdächtige<br />
verhaftet und im Schlosshof<br />
eingesperrt“, wie Aufzeichnungen<br />
beweisen. Die zu Hilfe gerufenen<br />
Soldaten der Kavallerie,<br />
die sich vorher „fürchtig“ betrunken<br />
hatten, hieben wahllos<br />
auf die Gefangenen ein, wobei<br />
neben anderen der Wildschütze<br />
Johann Huber aus Stötten sowie<br />
der Bäcker Konrad Hosp aus<br />
Roßhaupten ihr Leben verloren.<br />
Die von den Feldern herbei eilenden<br />
Bauern vertrieben mit<br />
Heugabeln und Sensen schließlich<br />
die Soldaten. Da die Wilderer<br />
Wohlverhalten gelobten,<br />
gab der Fürstbischof „churmildest“<br />
nach.<br />
Zwischen Steinbach und Pracht<br />
am Bodenlosen See erinnert ein<br />
Denkmal ebenso wie am Antonskreuz<br />
westlich von Steinbach<br />
an das Schicksal des Försters<br />
August Schilcher, der am<br />
Silvesterabend 1918 in treuer<br />
Pflichterfüllung von Wilderer-<br />
Hubertus als Patron der Jäger,<br />
Forstleute, Schützen und Handwerker.<br />
hand erschossen wurde. Der Kgl.<br />
Förster hatte im Krieg Soldaten<br />
beim Wildern erwischt und dem<br />
Gericht übergeben. Nach der<br />
Verurteilung schworen sie Rache.<br />
Die Täter verscharrten den<br />
erschossenen Jäger im Wald;<br />
jedoch eine aus dem Erdboden<br />
ragende Hand der Leiche trug<br />
dazu bei, dass man ihn schnell<br />
fand. Um 1980 lebte nach der<br />
Haftstrafe „der letzte von ihnen<br />
noch in Lechbruck“.<br />
Wilderer gibt es noch<br />
Als bekanntester Wilderer im<br />
Ostallgäu wird der 1736 bei<br />
Augsburg geborene Mathias<br />
Klostermaier genannt. Obgleich<br />
er Anführer von zwei Dutzend<br />
Wilderern war, „entwickelte er<br />
sich zum Volkshelden und Beschützer<br />
der Armen und Verfolgten“,<br />
bis man ihn 1771 in<br />
Dillingen vierteilte und „ein Teil<br />
des Körpers auf dem Oberdorfer<br />
Galgenberg verscharrte“.<br />
Noch heute soll es „Wilderer“<br />
geben, die heimlich durch die<br />
Wälder streifen, um sich Geweihtrophäen<br />
zu besorgen oder<br />
unberechtigt einen Wildbraten<br />
zu schießen. Die Hege und<br />
Pflege der Wildtiere und deren<br />
Lebensraum steht in unserer<br />
Zeit für die Jäger klar geregelt<br />
im Vordergrund, wozu sie am<br />
Hubertustag zu den Klängen der<br />
Jagdhornbläser mit anschließender<br />
Messe ihren Schutzpatron<br />
um Beistand bitten.<br />
Karl-Heinz Wiedner