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Aktuell - Dr. Neinhaus Verlag AG

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30<br />

<strong>Aktuell</strong><br />

Gefährliche WWildschützen<br />

ildschützen<br />

Wilderer wurden oft zu Volkshelden verklärt<br />

Hubertustag<br />

Wenn sich der Herbst seinem<br />

Ende zuneigt, gedenken Jäger<br />

und Förster alljährlich<br />

am 3. November alter Tradition<br />

entsprechend ihres<br />

Schutzpatrons, des Hl. Hubertus.<br />

Mit der Hubertusjagd<br />

wird nach überliefertem<br />

Brauch die Großjagd mit dem<br />

Volkslied „Frisch auf zum<br />

fröhlichen Jagen“ eröffnet.<br />

Hubertus, dem beispielsweise<br />

eine Kapelle in<br />

Scheidegg gewidmet<br />

ist, „lebte als Eremit, ernährte<br />

sich von der Jagd und starb<br />

727 als Bischof von Lüttich“,<br />

wird aus dem Lebenslauf berichtet.<br />

„Das oft in der Kunst<br />

dargestellte Attribut des Heiligen,<br />

ein Hirsch mit dem Kreuz<br />

im Geweih, beruht auf einer Legende<br />

aus dem 15. Jahrhundert.<br />

Danach soll dem Jäger Hubertus<br />

ein gewaltiger Hirsch mit mächtigen<br />

Geweihstangen und einem<br />

Kruzifix dazwischen erschienen<br />

sein, wodurch er bekehrt wurde“.<br />

Sammler und Jäger allerdings<br />

waren die Menschen bereits<br />

in der Altsteinzeit. Die Frauen<br />

sammelten Beeren im Wald,<br />

von den Männern erlegte Tiere<br />

lieferten nicht nur Nahrung,<br />

sondern daneben all das, was<br />

man im Alltag benötigte, wie<br />

beispielsweise Felle, Werkzeuge<br />

oder Schmuck. Im Mittelalter<br />

gehörte die „Jagd auf Hochwild“<br />

zum Vorrecht von Klerus<br />

und Adel, die von der Herrschaft<br />

selbst oder von Berufsjägern<br />

ausgeübt wurde.<br />

Unredliche Jäger<br />

Ganz im Gegensatz zu den<br />

„braven Jägersleut“ stehen<br />

die Wilderer oder Wildschützen,<br />

die sich zumeist bei Nacht<br />

und Nebel tief im Wald umherschleichend<br />

heimlich auf<br />

die unerlaubte Jagd machten<br />

und auch heute noch wildern.<br />

In Sagen, Liedern, Gedichten,<br />

Romanen und auf bildlichen<br />

Darstellungen wurde der Wildschütz<br />

einerseits nur zu gern<br />

zum Volkshelden verklärt, die<br />

Wilderei demzufolge als legitim<br />

angesehen, anderseits aber<br />

auch als solcher bezeichnet, der<br />

„dem teuflischen Zauber verfallen“<br />

sei. Das trug dazu bei, dass<br />

Konflikte und handfeste Aus-<br />

Die St.-Hubertus-Kapelle in Scheidegg. Fotos: Mechthild Wiedner<br />

einandersetzungen zwischen<br />

Jägern und unwaidmännisch<br />

handelnden Wildschützen zur<br />

Tagesordnung gehörten.<br />

Von den Aufsehen erregenden<br />

Vorkommnissen um Jagd<br />

und Wilderei auf bayerischem<br />

Gebiet in vergangenen Jahrhunderten,<br />

beispielsweise rund<br />

um Marktoberdorf im Allgäu,<br />

konnte man sich in einer Präsentation<br />

des Heimatvereins<br />

ein Bild machen.<br />

„Neben Feuerwerken und Lustspielen<br />

im Freien gehörte die<br />

Jagd bis ins 19. Jahrhundert zu<br />

den Belustigungen des Adels“,<br />

erklärt Frau Eigler im Stadtmuseum.<br />

„Auch Kurfürst Clemens<br />

Wenzeslaus liebte die Jagd und<br />

beschäftigte gar „Fürstenlupfer“,<br />

die sechs Sänften mit dem<br />

Kurfürsten und einigen erlesenen<br />

Jagdgästen aus Adelskreisen<br />

regelmäßig auf die Berge<br />

des Voralpenlandes trugen,<br />

wo man die Wildpopulation<br />

für den Fürsten künstlich hoch<br />

hielt. Unerschrockene, wackere<br />

Bauern aber wurden trotz harter<br />

Strafen für unredliche Jäger<br />

aus schierer Not zu dreisten und<br />

kühnen Wilddieben, Wilderern<br />

oder Wildschützen in den Alpen,<br />

was die Wildererromantik<br />

belebte“. Gefasste Täter wurden<br />

beispielsweise durch zur Strafe<br />

aufgesetzte Hirschgeweihe der<br />

Lächerlichkeit preisgegeben,<br />

mussten am Pranger stehen,<br />

hatten eine am Kopf befestigte,<br />

schwere eiserne „Wildererkappe“<br />

zu tragen, wenn sie nicht<br />

am Galgen endeten, über dem<br />

ein Hirschgeweih oder die Felle<br />

gewilderter Tiere hingen.<br />

Wilderergeschichten<br />

Viele Geschichten ranken sich<br />

seit eh und je um die Wildschützen<br />

unter der bäuerlichen<br />

Bevölkerung, was Anlass dafür<br />

war, sowohl hingerichteten<br />

Wilderern als auch den bei der<br />

Landpost 43/2011<br />

Wilderer auf der Lauer im Museum<br />

Marktoberdorf.<br />

Verfolgung eines Wilddiebs zu<br />

Tode gekommenen kaiserlichen<br />

oder kurfürstlichen Jägern Gedenksteine<br />

zu setzen.<br />

Anton Fichtel aus Ennenhofen<br />

berichtet in seinen Aufzeichnungen<br />

aus dem Jahr 1927<br />

über Wilderer im Ort: „Im Haus<br />

Nr. 73 übernachtete wiederholt<br />

ein Wilderer. Derselbe schlief<br />

Denkmal für den Kempter Boten<br />

aus Göresried Anton Maurus.


Landpost 43/2011 <strong>Aktuell</strong> 31<br />

nur untertags. Beim Schlafen<br />

legte er sich ein Messer auf den<br />

Rücken. Sobald er sich zur Seite<br />

drehte, piekste ihn das Messer.<br />

Dadurch wurde der Wilderer sogleich<br />

wach und konnte dadurch<br />

mehrmals der Gendarmerie, die<br />

ihn verfolgte, entweichen“.<br />

Als Spazierstock getarntes Wilderergewehr.<br />

1737 stellte der Schwäbische<br />

Kreis fest, dass ein Anstieg der<br />

Wilderei durch vagabundierende<br />

Menschen zu verzeichnen<br />

sei. Deshalb sollten Wohnsitzlose<br />

sofort festgenommen werden<br />

und getarnte Wilderer mit<br />

geschwärzten Gesichtern oder<br />

mit Larven sollten sofort, ohne<br />

Prozess, aufgehängt werden.<br />

Wilderern ohne Tarnung sollte<br />

der Scharfrichter lediglich mit<br />

Denkmal für den Königlichen<br />

Förster August Schilcher.<br />

dem Beil die rechte Hand abhauen<br />

oder sie sollten lebenslänglich<br />

in „Eisen und Banden“<br />

geschlossen werden. Fürstbischof<br />

Wenzeslaus bestätigte<br />

vom Hofrat ausgesprochene Urteile<br />

gegen Wilderer nicht nur,<br />

sondern verschärfte sie.<br />

Das war die Antwort darauf,<br />

dass öfter Freunde der inhaftierten<br />

Wilderer diese gewaltsam<br />

befreien wollten. Da liest man<br />

in den Aufzeichnungen: „Eine<br />

tumultuarische Rotte ertrotzte<br />

in respektlosem Andringen“ die<br />

Freilassung des Josef Eberle aus<br />

Hörmannshofen. In der Nacht<br />

vom 18./19.12.1796 befreite<br />

ein mit Flinten, Stutzen und<br />

Prügeln bewaffneter Haufen<br />

den Wilderer Ignaz Huber aus<br />

Stötten aus dem Gefängnis von<br />

Kaufbeuren-Oberdorf. Zwölf<br />

Männer der Pfarrei Wald drangen<br />

in das Haus des Oberjägers<br />

ein und trotzten ihm das Kurzgewehr<br />

ab, das er dem Schreiner<br />

Seelos aus Ronried beim<br />

Wildern abgenommen hatte.<br />

Am Sträßchen von Görisried<br />

nach Bodelsberg, unweit von<br />

Kempten, steht an der Einöde<br />

Hagelschwand ein Denkmal mit<br />

der Inschrift: „An dieser Stelle<br />

wurde am 9.10.1872 abends um<br />

9 Uhr der Ehrsame Kempter Bote<br />

Anton Maurus meuchelmörderisch<br />

erschossen“.<br />

Damals gab es im Kempter<br />

Wald etliche Wildschützen<br />

und die Stelle des Mordes lag<br />

tief im Wald. Zuvor hatte sich<br />

der Anton Maurus darauf eingelassen,<br />

illegal geschossenes<br />

Wild in seinem Planwagen<br />

nach Kempten mitzunehmen,<br />

um es an bestimmte Abnehmer<br />

zu verkaufen. Der Bote, so wird<br />

erzählt, betrog aber die von<br />

ihm abhängigen Wildschützen<br />

öfter und drohte ihnen auch<br />

mit einer Anzeige. Die Wilderer<br />

wollten den Mitwisser aus<br />

dem Weg räumen. Einer von ihnen<br />

lauerte ihm am Sträßchen<br />

auf und erschoss ihn aus dem<br />

Hinterhalt. Der wie gewohnt<br />

vom Pferd nach Hause gezogene<br />

Planwagen erschreckte die<br />

Frau des Kempter Boten fürchterlich,<br />

als sie unter der Plane<br />

den Toten entdeckte. Obwohl<br />

der Mörder offiziell unbekannt<br />

blieb, war im Volksmund die<br />

Täterschaft kein Geheimnis.<br />

Jagdzimmer mit Möbeln aus Geweihstangen<br />

und Wandteppich<br />

mit Jagdmotiven.<br />

Gemetzel im Schlosshof<br />

Im Jahr 1797 kam es zu einem<br />

schrecklichen Gemetzel<br />

im Schlosshof zu Oberdorf.<br />

Eine Horde Wilderer probte<br />

den Aufstand, woraufhin der<br />

Fürstbischof Wenzeslaus „kaiserliche<br />

Truppen aufmarschieren<br />

ließ, um gegen die Wilderei<br />

vorzugehen“. Ein Wildschütz<br />

aus Stötten wurde festgesetzt,<br />

aber in der Nacht von sympathisierenden<br />

Bauern befreit.<br />

„Daraufhin wurden 80 Männer<br />

aus Stötten, Roßhaupten, Wald<br />

und Sulzschneid als Verdächtige<br />

verhaftet und im Schlosshof<br />

eingesperrt“, wie Aufzeichnungen<br />

beweisen. Die zu Hilfe gerufenen<br />

Soldaten der Kavallerie,<br />

die sich vorher „fürchtig“ betrunken<br />

hatten, hieben wahllos<br />

auf die Gefangenen ein, wobei<br />

neben anderen der Wildschütze<br />

Johann Huber aus Stötten sowie<br />

der Bäcker Konrad Hosp aus<br />

Roßhaupten ihr Leben verloren.<br />

Die von den Feldern herbei eilenden<br />

Bauern vertrieben mit<br />

Heugabeln und Sensen schließlich<br />

die Soldaten. Da die Wilderer<br />

Wohlverhalten gelobten,<br />

gab der Fürstbischof „churmildest“<br />

nach.<br />

Zwischen Steinbach und Pracht<br />

am Bodenlosen See erinnert ein<br />

Denkmal ebenso wie am Antonskreuz<br />

westlich von Steinbach<br />

an das Schicksal des Försters<br />

August Schilcher, der am<br />

Silvesterabend 1918 in treuer<br />

Pflichterfüllung von Wilderer-<br />

Hubertus als Patron der Jäger,<br />

Forstleute, Schützen und Handwerker.<br />

hand erschossen wurde. Der Kgl.<br />

Förster hatte im Krieg Soldaten<br />

beim Wildern erwischt und dem<br />

Gericht übergeben. Nach der<br />

Verurteilung schworen sie Rache.<br />

Die Täter verscharrten den<br />

erschossenen Jäger im Wald;<br />

jedoch eine aus dem Erdboden<br />

ragende Hand der Leiche trug<br />

dazu bei, dass man ihn schnell<br />

fand. Um 1980 lebte nach der<br />

Haftstrafe „der letzte von ihnen<br />

noch in Lechbruck“.<br />

Wilderer gibt es noch<br />

Als bekanntester Wilderer im<br />

Ostallgäu wird der 1736 bei<br />

Augsburg geborene Mathias<br />

Klostermaier genannt. Obgleich<br />

er Anführer von zwei Dutzend<br />

Wilderern war, „entwickelte er<br />

sich zum Volkshelden und Beschützer<br />

der Armen und Verfolgten“,<br />

bis man ihn 1771 in<br />

Dillingen vierteilte und „ein Teil<br />

des Körpers auf dem Oberdorfer<br />

Galgenberg verscharrte“.<br />

Noch heute soll es „Wilderer“<br />

geben, die heimlich durch die<br />

Wälder streifen, um sich Geweihtrophäen<br />

zu besorgen oder<br />

unberechtigt einen Wildbraten<br />

zu schießen. Die Hege und<br />

Pflege der Wildtiere und deren<br />

Lebensraum steht in unserer<br />

Zeit für die Jäger klar geregelt<br />

im Vordergrund, wozu sie am<br />

Hubertustag zu den Klängen der<br />

Jagdhornbläser mit anschließender<br />

Messe ihren Schutzpatron<br />

um Beistand bitten.<br />

Karl-Heinz Wiedner

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