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Schweissen von Eisen_Stahl und Nickelwerkstoffen Leseprobe

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1 Erzeugung der Stähle<br />

1.1 Allgemeines<br />

<strong>Eisen</strong> ist in der Natur sehr weit verbreitet. In der Rangfolge der Häufigkeit der Elemente in der<br />

Erdkruste steht es an vierter Stelle <strong>und</strong> ist damit nach dem Aluminium das häufigste metallische<br />

Element. Aufgr<strong>und</strong> seiner Reaktionsfreudigkeit kommt es jedoch nicht gediegen, d. h. chemisch<br />

rein, sondern an andere Elemente geb<strong>und</strong>en, als Erz vor. Zu diesen Elementen zählen z. B. die<br />

Halogene Fluor, Chlor, Brom, Jod <strong>und</strong> Astat sowie die Elemente Schwefel , Phosphor ,<br />

Kohlenstoff , Silizium <strong>und</strong> vor allem Sauerstoff .<br />

Zu den wichtigsten oxidischen <strong>Eisen</strong>erzen zählen u. a. Magnetit (Magneteisenstein) <strong>und</strong> Hämatit<br />

(Roteisenstein). Hydroxidische <strong>Eisen</strong>erze sind Goethit, Siderit <strong>und</strong> Limonit (Brauneisenstein oder<br />

Raseneisenerz). Das bekannteste sulfidische <strong>Eisen</strong>erz ist der goldglänzende Pyrit (Schwefelkies).<br />

Die <strong>Eisen</strong>erzvorkommen der Erde werden auf ca. 500 Milliarden Tonnen geschätzt. Dabei stieg<br />

die Weltrohstahlerzeugung <strong>von</strong> 40 Millionen Tonnen im Jahr 1900 auf 962 Millionen Tonnen im<br />

Jahr 2003 an (Bild 1-1). Im Jahr 2004 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Tonnen-Grenze<br />

überschritten. Die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland steht dabei mit etwa 45 Millionen Tonnen<br />

Jahreserzeugung an sechster Stelle in der Weltrangliste. War bis 2002 der EU-Wirtschaftsraum<br />

der größte <strong>Stahl</strong>produzent der Welt, wurde er im gleichen Jahr durch China abgelöst.<br />

Bild 1-1. Weltstahlerzeugung nach Regionen (Quelle IISI, <strong>Stahl</strong>-Zentrum).<br />

Neben den jeweiligen <strong>Eisen</strong>verbindungen enthalten <strong>Eisen</strong>erze weitere mineralische Verbindungen,<br />

die auch als Gangart bezeichnet werden.<br />

Bevor metallisches <strong>Eisen</strong> als Hauptbestandteil <strong>von</strong> Stählen technisch genutzt werden kann, muss<br />

es zunächst aus dem Erz „herausgelöst“ werden. Diese Aufgabe erfüllt die <strong>Eisen</strong>verhüttung<br />

(vergleiche Abschnitt 1.2).<br />

1


Die Produkte der <strong>Eisen</strong>verhüttung, das Roheisen oder der <strong>Eisen</strong>schwamm, werden anschließend<br />

im <strong>Stahl</strong>werk raffiniert, also in Stähle unterschiedlichster Sorten <strong>und</strong> Güten umgewandelt (Bild<br />

1-2, linkes Teilbild).<br />

Einen schematischen Überblick über gegenwärtig großtechnisch genutzte Verfahren auf dem Weg<br />

vom Roheisen bis zum fertigen <strong>Stahl</strong> enthält Bild 1-2, linkes Teilbild. Wie zu erkennen ist, können<br />

sowohl bei der Erzreduktion (Metallisierung, Verhüttung) als auch bei der <strong>Stahl</strong>herstellung z. T.<br />

sehr unterschiedliche technische Methoden zur Anwendung kommen.<br />

Bild 1-2. Roheisen <strong>und</strong> <strong>Stahl</strong>herstellung (linkes Teilbild: Überblick über allgemeine Verfahrensschritte zur<br />

<strong>Stahl</strong>herstellung, rechtes Teilbild: schematischer Aufbau eines Hochofens sowie wichtige Reaktionen).<br />

1.2 <strong>Eisen</strong>verhüttung<br />

1.2.1 Vorbereitung der Hochofeneinsatzstoffe<br />

Für eine optimale Durchgasung der Schüttsäule ist die Vorbereitung der Einsatzstoffe ein<br />

wichtiger Bestandteil für das Hochofenverfahren. <strong>Eisen</strong>erze werden in Form <strong>von</strong> Stückerzen,<br />

Sinter <strong>und</strong> Pellets eingesetzt. Stückerze sind natürlich abgebaute Erze, die vor ihrer Verwendung<br />

auf eine bestimmte Körnung gebrochen <strong>und</strong> gesiebt werden. Im Verlauf ihrer Aufbereitungs- <strong>und</strong><br />

Anreichungsprozesse zur Anhebung des Fe-Gehaltes fallen zunehmend auch sehr feinkörnige<br />

Erze an, die agglomeriert werden müssen, bevor sie als Einsatz für den Hochofen Verwendung<br />

finden können. Dieses erfolgt durch Pelletieren <strong>und</strong> Sintern.<br />

Beim Pelletieren werden Feinsterze <strong>und</strong> Konzentrate mit Korngrößen <strong>von</strong> weit unter 1 mm zu<br />

Kügelchen <strong>von</strong> etwa 10 bis 15 mm Durchmesser geformt. Zu diesem Zweck wird die Erzmischung<br />

angefeuchtet <strong>und</strong> mit einem Bindemittel versehen. In Drehtrommeln oder auf<br />

Drehtellern erfolgt dann die Einformung <strong>von</strong> sogenannten „Grünpellets“. Diese werden getrocknet<br />

<strong>und</strong> bei Temperaturen <strong>von</strong> mehr als 1.000 °C gebrannt.<br />

Die Sinterung (Sintern = Zusammenbacken) erfolgt auf Bandsinteranlagen, die Bandbreiten <strong>von</strong><br />

mehr als 4 m <strong>und</strong> Bandlängen <strong>von</strong> über 100 m aufweisen können. Für die Sinterung wird eine<br />

Mischung aus Feinerzen zusammen mit Koksgrus, Zuschlägen, Kreislaufmaterialien <strong>und</strong> Rückgut<br />

2


auf einen umlaufenden Rost, das Sinterband, gegeben <strong>und</strong> der in der Oberfläche enthaltene<br />

Koksgrus mit Gasflammen in einem Ofen gezündet. Ein Gas- bzw. Luftstrom wird <strong>von</strong> oben nach<br />

unten durch die Mischung gesaugt. Eine Wärmefront durchläuft so über die Bandlänge die ca.<br />

500 mm dicke Schicht <strong>und</strong> bewirkt ein Zusammenbacken der Mischung zu groben Erzklumpen.<br />

Alle <strong>Eisen</strong>erzträger enthalten Sauerstoff , der im Hochofenprozess durch Reduktion entfernt<br />

werden muss. Dazu wird Kohlenstoff eingesetzt. Der wichtigste Kohlenstoffträger ist der<br />

Hochofenkoks, der heute in modernen, umweltfre<strong>und</strong>lichen Kokereien hergestellt wird. Unter<br />

Verkoken ist das Erhitzen <strong>von</strong> Kohle in Kokskammern unter Luftabschluss zu verstehen. Dabei<br />

werden die flüchtigen Bestandteile wie Koksofengas, Teer, Benzol, Schwefelwasserstoff,<br />

Ammoniak ausgetrieben, aufgefangen <strong>und</strong> anderer Verwendung zugeführt.<br />

1.2.2 Hochofenprozess<br />

Das wichtigste Aggregat zur Verhüttung <strong>von</strong> oxidischen <strong>Eisen</strong>erzen war <strong>und</strong> ist der Hochofen mit<br />

Kokseinsatz, welcher um 1735 <strong>von</strong> A. DARBY in England entwickelt wurde.<br />

In den Hochofen werden über den Gichtverschluss (Bild 1-2, rechtes Teilbild) fortlaufend schichtweise<br />

Koks <strong>und</strong> Möller, ein Gemisch aus Erz <strong>und</strong> Kalkstein, eingefüllt. Während des langsamen<br />

Absackens zur eigentlichen Reaktionszone erwärmt sich der Einsatz mehr <strong>und</strong> mehr. Gleichzeitig<br />

wird über die Windleitung im unteren Teil des Hochofens auf 600 bis 1300 °C vorgewärmte Luft,<br />

der sogenannte Heißwind, eingeblasen. Dadurch wird bewirkt, dass die Luft (einschließlich<br />

Zugaben <strong>von</strong> Heizöl oder Kohlenmonoxid) im Inneren des Hochofens <strong>von</strong> unten nach oben<br />

gedrückt wird.<br />

Von der heißen Luft wird der Kohlenstoff des glühenden Kokses zunächst zu CO 2 verbrannt,<br />

welches sich jedoch sofort mit dem Koks wieder zu CO umwandelt. Das aufsteigende<br />

Kohlenmonoxid entzieht dem <strong>Eisen</strong>erz den Sauerstoff <strong>und</strong> oxidiert dabei zu Kohlendioxid,<br />

welches sich infolge des Kontaktes mit dem glühenden Koks sofort wieder zu CO umsetzt.<br />

Dieser Vorgang vollzieht sich im stetigen Wechsel bis etwa zur Höhe des halben Schachtes <strong>und</strong><br />

kommt dann infolge der im oberen Ofenbereich niedriger werdenden Temperaturen zum Erliegen.<br />

Da nicht das ganze Kohlenmonoxid bei der Reduktion verbraucht wird, enthält das Abgas des<br />

Hochofens, das Gichtgas, noch soviel CO, dass es brennbar ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> kommt es u. a.<br />

im sogenannten Winderhitzer als Brenngas zur Vorwärmung der Luft zur Anwendung, die später<br />

wieder in den Ofen eingeblasen wird.<br />

In Bild 1-2, rechtes Teilbild wurden neben dem schematischen Aufbau eines Hochofens ebenfalls<br />

die wichtigsten in diesem Aggregat zur <strong>Eisen</strong>erzreduktion ablaufenden chemischen Reaktionen<br />

sowie die Temperaturverteilung über den Ofenquerschnitt eingetragen.<br />

Über den Abstich im unteren Ofenbereich wird das im Verlauf der Reduktion der <strong>Eisen</strong>erze<br />

entstandene flüssige Roheisen in spezielle Pfannen entleert <strong>und</strong> kann anschließend an das<br />

<strong>Stahl</strong>werk zur Raffination übergeben werden.<br />

Große Hochöfen (Gestelldurchmesser r<strong>und</strong> 15 m; Gesamtvolumen r<strong>und</strong> 6.000 m³) produzieren ca.<br />

12.000 t Roheisen pro Tag oder 4 Mio. t Roheisen pro Jahr. Dafür müssen täglich große<br />

Materialströme bewegt <strong>und</strong> zugeführt werden, z. B.: 19200 t <strong>Eisen</strong>erzträger, 4.000 t Koks, 1.750 t<br />

Einblaskohle, 11 Mio. m³ Luft, die in Winderhitzern auf über 1.200 °C erhitzt werden. Weiterhin<br />

fallen täglich 3.300 t Schlacke an, die überwiegend als Baustoff in der Zementindustrie oder im<br />

Straßenbau verwertet wird, sowie 17 Mio. m³ Hochofengas.<br />

3


Die Lebensdauer eines Hochofens, d. h. die Zeitspanne, bis seine feuerfeste Ausmauerung vollständig<br />

erneuert werden muss, beträgt gegenwärtig 15 bis 20 Jahre.<br />

1.2.3 Direkt- <strong>und</strong> Schmelzreduktionsverfahren<br />

1.2.3.1 Direktreduktionsverfahren<br />

Neben dem Hochofenprozess (vergleiche Abschnitt 1.2.1) wurden zur Erzeugung <strong>von</strong><br />

metallisiertem <strong>Eisen</strong> ebenfalls Verfahren entwickelt, die Erze unter Umgehung <strong>von</strong> Koks<br />

reduzieren – die sogenannten Direkt- <strong>und</strong> Schmelzreduktionsverfahren. Diese kommen insbesondere<br />

dort zur Anwendung, wo entweder qualifizierter Hochofenkoks nicht in ausreichender<br />

Menge zur Verfügung steht oder die Verwendung <strong>von</strong> gasförmigen, flüssigen bzw. festen<br />

Reduktionsmitteln, wie Wasserstoff , Erdgas, Kohlenmonoxid, Erdöl, Feinkohle, Braunkohle<br />

aber auch Schwelkoks, wirtschaftlich vertretbar ist. Direktreduktionsverfahren können auch mit<br />

dem Hochofenprozess zur Erzreduktion kombiniert werden.<br />

Tabelle 1-1. Auswahl <strong>von</strong> Verfahrensprinzipien für die Direktreduktion.<br />

Verfahren Merkmale Beispiele für Varianten<br />

Festbett-<br />

(Schachtofen-)<br />

Stückerze oder <strong>von</strong> 3,5 bis 26 mm werden in zylindrischen, Midrex-Verfahren<br />

senkrecht angeordneten Reaktionskammern chargenweise Purofer-Verfahren<br />

Verfahren oder kontinuierlich mit heißen Reduktionsgasen beaufschlagt. Hyl-III-Verfahren<br />

Fließbett-<br />

(Wirbelschicht-)<br />

Verfahren<br />

Drehrohrofenverfahren<br />

Gemahlene <strong>Eisen</strong>erze mit 0,05 bis 3,5 mm Körnung <strong>und</strong><br />

eventuell zerkleinerter Walzsinter oder -z<strong>und</strong>er werden im<br />

Reaktionsgefäß behandelt. Absinkenden Feststoffteilchen<br />

strömt Heiz- <strong>und</strong> Reaktionsgas entgegen, wobei die Reduktion<br />

abläuft.<br />

Einsatzgut wird an der höchsten Stelle eines schrägstehenden,<br />

rotierenden Ofens eingesetzt. Es bewegt sich kontinuierlich<br />

abwärts <strong>und</strong> wird dabei durch Reaktionsgase erhitzt <strong>und</strong><br />

reduziert.<br />

FIOR-Verfahren<br />

Iron-Carbide-Verfahren<br />

SL/RN-Verfahren<br />

Krupp-Codir-Verfahren<br />

Im Unterschied zum Hochofenprozess mit seinem Endprodukt, dem schmelzflüssigen Roheisen,<br />

laufen die Verfahren zur direkten Gewinnung eines stahlartigen Zwischenerzeugnisses aus<br />

<strong>Eisen</strong>erzen <strong>und</strong> Zwischenprodukten, dem sogenannten <strong>Eisen</strong>schwamm, bei Temperaturen unterhalb<br />

der Verflüssigung, also im festen Zustand, ab.<br />

Der im Ergebnis der direkten Reduktion entstandene <strong>Eisen</strong>schwamm (DRI = Direct Reduced Iron)<br />

ist ein poröses, mit Anteilen <strong>von</strong> Gangartstoffen <strong>und</strong> <strong>Eisen</strong>oxiden verunreinigtes Produkt mit<br />

einem <strong>Eisen</strong>gehalt <strong>von</strong> ca. 95 %.<br />

In Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahrensprinzip werden die Direktreduktionsverfahren in Festbett-<br />

(Schachtofen-), Fließbett- (Wirbelschicht-) <strong>und</strong> Drehrohrofenverfahren unterteilt (Tabelle<br />

1-1, Bild 1-3).<br />

1.2.3.2 Schmelzreduktionsverfahren<br />

Im Unterschied zur Direktreduktion wird bei der Schmelzreduktion zweistufig gearbeitet. Dabei<br />

werden zunächst die Erze zu <strong>Eisen</strong>schwamm reduziert <strong>und</strong> dieser anschließend unter Einsatz <strong>von</strong><br />

Kohle <strong>und</strong> Sauerstoff zu einem hochofenähnlichen Roheisen umgewandelt. Von den Schmelz-<br />

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eduktionsprozessen wird bisher lediglich das Corex-Verfahren großtechnisch angewendet. Die<br />

gegenwärtig weltweit existierenden vier Anlagen in Indien, Südafrika <strong>und</strong> Südkorea produzierten<br />

im Jahr 2002 zusammen 2,7 Mio. t Roheisen.<br />

Beide Verfahrensweisen sind <strong>von</strong> der Wirtschaftlichkeit her auf bestimmte Regionen <strong>und</strong><br />

Anlagenkonfigurationen begrenzt <strong>und</strong> können die Produktionsleistungen eines großen Hochofens<br />

bei weitem nicht erreichen.<br />

Bild 1-3. Schematische Darstellung verschiedener Direktreduktionsverfahren (a – Schachtofenverfahren, b –<br />

Wirbelschichtverfahren, c – Drehrohrofenverfahren).<br />

1.2.4 <strong>Stahl</strong>raffination<br />

Da das Roheisen noch eine Reihe störender Begleitelemente wie Kohlenstoff , Silizium ,<br />

Schwefel <strong>und</strong> Phosphor enthält, müssen diese im weiteren Verlauf der <strong>Stahl</strong>raffination<br />

entfernt werden. Dieser „Reinigungsprozess“ erfolgt im <strong>Stahl</strong>werk <strong>und</strong> untergliedert sich im<br />

Wesentlichen in zwei Hauptprozesse – der Rohstahlerzeugung (dem Frischen) <strong>und</strong> der<br />

Sek<strong>und</strong>armetallurgie. Dabei werden die Begleitstoffe oxidiert <strong>und</strong> entweichen entweder gasförmig<br />

(z. B. als CO 2 ) oder schwimmen als Schlacke <strong>von</strong> festen Oxiden auf dem flüssigen <strong>Stahl</strong> auf.<br />

• Rohstahlerzeugung<br />

Etwa 70 Prozent des in Deutschland produzierten <strong>Stahl</strong>es werden nach dem Sauerstoffaufblasverfahren<br />

<strong>und</strong> 30 Prozent nach dem Elektrostahlverfahren erzeugt. Bei Ersterem wird mit<br />

einem Düsenrohr, der Sauerstofflanze, aus unterschiedlichen Höhen mit Überdruck <strong>und</strong><br />

Überschallgeschwindigkeit technisch reiner Sauerstoff auf die im Konverter befindliche<br />

flüssige Metallmischung geblasen (Bild 1-4, linkes Teilbild). Diese als LD-Verfahren (LD = Linz-<br />

Donawitz oder Linz-Durrer-Verfahren) Rohstahlerzeugungstechnologie dient vor allem zur<br />

Verarbeitung <strong>von</strong> phosphorarmen Roheisen. Das Aufblasen dauert ca. 20 Minuten, wobei sich die<br />

Mischung <strong>von</strong> r<strong>und</strong> 1.150 auf 1.650 °C erwärmt. Zu Kühlzwecken erfolgt die Zugabe <strong>von</strong> Schrott<br />

in den Konverter. In Abhängigkeit <strong>von</strong> der Art der im Roheisen enthaltenen Beimengungen<br />

werden weitere Beimengungen <strong>und</strong> Zuschläge hinzugegeben, deren Aufgabe in der Bildung der<br />

benötigten Schlacken besteht.<br />

Für die Raffination <strong>von</strong> phosphorreichem Roheisen wurde das LDAC-Verfahren (LDAC =Linz-<br />

Donawitz-Arbed-Centre-National-Verfahren) entwickelt. Hier wird im Unterschied zum LD-<br />

Verfahren in einem zweiten Aufblasprozess nach dem Schlackenabguss zusammen mit dem<br />

Sauerstoff zusätzlich Kalkstaub aufgeblasen. In Abhängigkeit vom jeweiligen <strong>Stahl</strong>produzenten<br />

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existieren weltweit neben dem LD- <strong>und</strong> dem LDAC-Verfahren weitere Varianten <strong>und</strong> -modifikationen<br />

des Sauerstoffblasverfahrens, z. T. zur Erhöhung der Effizienz aber auch zur Umgehung<br />

bestehender Patente. So sind z. B. auch Kombinationen zwischen bodenblasenden Konvertern <strong>und</strong><br />

dem Aufblasverfahren bekannt (Bild 1-4, linkes Teilbild).<br />

Bild 1-4. <strong>Stahl</strong>erzeugungsanlagen (linkes Teilbild: schematischer Aufbau eines Sauerstoff-Konverters,<br />

rechtes Teilbild: schematische Darstellung eines Drehstrom-Lichtbogen-Ofens).<br />

Im Gegensatz zu den Sauerstoffblasverfahren kommen beim Elektrostahlverfahren in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> der jeweiligen Verfahrensvariante kein oder nur geringe Mengen an Roheisen zum<br />

Einsatz. Der <strong>Stahl</strong> wird hier im Wesentlichen aus <strong>Eisen</strong>schrott in elektrischen Lichtbogen- oder<br />

Induktionsöfen erschmolzen. Das rechte Teilbild <strong>von</strong> Bild 1-4 enthält in diesem Zusammenhang<br />

die schematische Darstellung eines Drehstrom-Elektroofens. Wie zu erkennen ist, stellt im<br />

Lichtbogenofen die Metallschmelze die eine Elektrode <strong>und</strong> die darüber installierten Graphitstäbe<br />

die andere Elektrode dar. Wird der Stromkreis des Ofens geschlossen, bildet sich somit zwischen<br />

beiden Elektroden ein Lichtbogen, der als Wärmequelle wirkt <strong>und</strong> das Aufschmelzen des festen<br />

Einsatzes bewirkt. Demgegenüber wird im Induktionsofen die Wärme in einer Spule, dem<br />

Induktor, erzeugt. Dieses Verfahren eignet sich besonders gut für die Herstellung <strong>von</strong> hochlegierten<br />

Stählen sowie Mindermengen and Sonderstählen sowie Spezialwerkstoffen, die z. B.<br />

nach K<strong>und</strong>enspezifikation nach besonderen Vorgaben hergestellt werden müssen.<br />

Bei der <strong>Stahl</strong>herstellung im Elektrolichtbogenofen für die Block- <strong>und</strong> Stranggussproduktion ist die<br />

basische Ofenzustellung bestimmend, während saure Ofenzustellungen nur noch für kleinere Öfen<br />

in Gießereien Anwendung finden.<br />

Das Siemens-Martin-Verfahren ist ein heute in Europa nur noch selten angewandtes Verfahren<br />

zur Reinigung <strong>von</strong> Roheisen mit dem Ziel der <strong>Stahl</strong>gewinnung. In Westeuropa wurde das<br />

Siemens-Martin-Verfahren weitgehend durch Sauerstoffblasverfahren (s. o.) verdrängt, in den<br />

USA <strong>und</strong> Russland sowie einigen osteuropäischen Ländern gehört es noch zu den am häufigsten<br />

angewandten Verfahren. Das letzte Siemens-Martin-Werk in Westeuropa (1993 stillgelegt)<br />

befindet sich in Brandenburg an der Havel. Heute ist es ein Industriemuseum.<br />

Das Siemens-Martin-Verfahren gehört wie auch die Elektrostahlprozesse zu den sogenannten<br />

Herdfrischverfahren. Es wurde 1864 <strong>von</strong> dem deutschen Techniker Wilhelm <strong>von</strong> Siemens <strong>und</strong><br />

dem französischen Hüttenfachmann Pierre Martin entwickelt <strong>und</strong> nach ihnen benannt.<br />

Ursprünglich bezeichnete es nur das Zusammenschmelzen <strong>von</strong> Roheisen <strong>und</strong> <strong>Stahl</strong>schrott, später<br />

wurde dazu übergegangen, auch Erz mit einzuschmelzen (Erzschmelzverfahren).<br />

Beim Siemens-Martin-Verfahren wird der oxidative Effekt durch die Zugabe eines bestimmten<br />

Anteils an Roheisen <strong>und</strong>/oder Schrott erreicht (z. B. im Verhältnis 40:60), die Sauerstoff an die<br />

Schmelze abgeben. Für das Verfahren wird ein spezielles Schmelzaggregat benötigt. Dieses<br />

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esteht aus einem flachen Herdofen, dem Martinofen (Oberofen). In ihm wird das Roheisen <strong>und</strong><br />

eventuell zugegebener Schrott geschmolzen. Üblicherweise wird er meist mit der SIEMENSschen<br />

Regenerativfeuerung kombiniert, die in einer darunterliegenden Kammer untergebracht ist<br />

(Unterofen). Bei der Regenerativfeuerung werden in Regenerationskammern die gasförmigen<br />

Brennstoffe durch die Abgase aus dem Ofen vorgewärmt. Auch die heißen Flammgase haben<br />

oxidative Wirkung <strong>und</strong> werden direkt in die Schmelze geleitet. Eine schematische Darstellung<br />

eines Siemens-Martin-Ofens enthält Bild 1-5, rechtes Teilbild.<br />

Bild 1-5. <strong>Stahl</strong>erzeugungsanlagen (linkes Teilbild: schematischer Aufbau eines SIEMENS-MARTIN-Ofens,<br />

rechtes Teilbild: schematischer Aufbau einer Stranggussanlage).<br />

DIN EN 10025-2 schließt die Herstellung <strong>von</strong> Stählen nach dem Siemens-Martin-Verfahren<br />

ausdrücklich aus.<br />

1.2.5 Sek<strong>und</strong>ärmetallurgie<br />

Unter dem Begriff der Sek<strong>und</strong>ärmetallurgie, auch als Pfannenmetallurgie bezeichnet, wird die<br />

Zusammenfassung aller außerhalb der Primärschmelzaggregate durchgeführte Behandlungen des<br />

flüssigen Metalls verstanden. Sie wurde entwickelt, um die Schmelzaggregate <strong>von</strong> zeitaufwendigen<br />

oder schwer durchführbaren metallurgischen Operationen, wie:<br />

– Entgasung,<br />

– Feinentkohlung,<br />

– Desoxidation,<br />

– Tiefentschwefelung,<br />

– Entfernung nichtmetallischer Einschlüsse,<br />

– Legieren <strong>und</strong><br />

– Homogenisieren<br />

zu entlasten, um damit die Wirtschaftlichkeit, Produktivität <strong>und</strong> Qualität der <strong>Stahl</strong>erzeugung<br />

erhöhen zu können.<br />

Ein wichtiges sek<strong>und</strong>ärmetallurgisches Verfahren stellt die Vakuumbehandlung <strong>von</strong> flüssigem<br />

<strong>Stahl</strong> dar. Diese wurde ursprünglich zur Erzielung niedriger Wasserstoffgehalte in großen<br />

Schmiedeblöcken eingeführt, um Ausfälle durch sogenannte Flockenbildung, d. h. Wasserstoffrissigkeit,<br />

auszuschalten. Im Zuge der Weiterentwicklung dieser Verfahren hat die Vakuumbehandlung<br />

eine Reihe weiterer Aufgaben zu lösen:<br />

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– Verminderung der im <strong>Stahl</strong> atomar gelösten Gase Wasserstoff <strong>und</strong> Stickstoff .<br />

– Abbau des gelösten Sauerstoffs durch die Kohlenstoffdesoxidation.<br />

– Entkohlung unlegierter <strong>und</strong> hochlegierter Schmelzen bis auf Gehalte <strong>von</strong> ≤ 0,02 % C (Vakuumfrischen).<br />

– Legieren.<br />

– Entschwefeln mit Schlackengemischen.<br />

Zu den unter Atmosphärendruck ablaufenden sek<strong>und</strong>ärmetallurgischen Verfahren zählen insbesondere<br />

die Spül- <strong>und</strong> die Reaktionsgasbehandlung. Dabei kommen z. B. die Spülgasbehandlung<br />

mit Argon oder Stickstoff sowie das Frischen hochlegierter Schmelzen mit<br />

Reaktionsgasgemischen in speziellen Konvertern zur Anwendung.<br />

Für die sek<strong>und</strong>ärmetallurgische Entphosphorung <strong>und</strong> Entschwefelung <strong>von</strong> <strong>Stahl</strong>schmelzen sind<br />

Schlacke-Metall-Reaktionen typisch. Schlackenreaktionsverfahren eignen sich jedoch auch zur<br />

Desoxidation sowie zur Abscheidung nichtmetallischer Einschlüsse.<br />

Bei der Pulverinjektion in <strong>Stahl</strong>schmelzen werden feste Teilchen mit einem Fördergas (auch<br />

Trägergas genannt) in das flüssige Metall eingeblasen. Diesem sek<strong>und</strong>ärmetallurgischen<br />

Verfahren liegt die Tatsache zugr<strong>und</strong>e, dass mit kleiner werdender Teilchengröße die spezifische<br />

Oberfläche des Pulvers <strong>und</strong> damit auch die Kontakt-, d. h. die Reaktionsfläche, zur Metallschmelze<br />

zunimmt. Mit einer Injektionsbehandlung können die nachfolgend aufgeführten<br />

Maßnahmen durchgeführt werden:<br />

– Entfernung unerwünschter Begleit- <strong>und</strong> Verunreinigungselemente,<br />

– Desoxidation,<br />

– Legieren,<br />

– Aufkohlen,<br />

– Aufsticken oder Stickstoffabsenkung ,<br />

– modifizieren der nichtmetallischen Einschlüsse,<br />

– Temperatureinstellung durch Kühlung.<br />

1.3 Vergießen <strong>von</strong> <strong>Stahl</strong><br />

Nachdem der noch flüssige <strong>Stahl</strong> legierungstechnisch durch die oben beschriebenen raffinations<strong>und</strong><br />

sek<strong>und</strong>ärmetallurgischen Verfahren so eingestellt ist, wie es der jeweils gewünschten Sorte<br />

entspricht, muss er vergossen werden. Dieses erfolgt im Strang- oder im Blockguss (Bild 1-5,<br />

rechtes Teilbild). Heute werden in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland nahezu 100 % der Rohstahlerzeugung<br />

im Strang vergossen. Da Deutschland jedoch einen Teil seines <strong>Stahl</strong>bedarfs aus<br />

Importen bezieht, können somit neben im Strang- auch im Block vergossene Stähle zur Auslieferung<br />

kommen. Somit soll im nachfolgenden auf die Besonderheiten beider Technologien <strong>und</strong><br />

ihre möglichen Auswirkungen auf die Eigenschaften der Endprodukte näher eingegangen werden.<br />

Während im Strang vergossene Stähle häufig durch eine ausgeprägte Mittenzeile auffallen (Bild<br />

1-8), macht sich beim Blockguss die Art der Vergießung, d. h., ob unberuhigt (FU), beruhigt (FN)<br />

oder vollberuhigt (auch doppelt oder besonders beruhigt, FF), auf die Gefügeausbildung bemerkbar.<br />

Beim klassischen Blockguss erstarrt der unberuhigte <strong>Stahl</strong> in der Kokille unter starker Gasentwicklung<br />

(Kohlenmonoxid) <strong>und</strong> Schmelzbadbewegung. In diesem Zusammenhang wird auch<br />

<strong>von</strong> einer sogenannten „Kochreaktion“ gesprochen.<br />

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Die bis zum Abschluss der Erstarrung vorhandene Bewegung der Schmelze bewirkt beim unberuhigten<br />

Blockguss eine ungleichsinnige Verteilung der im <strong>Stahl</strong> vorhandenen Elemente,<br />

besonders des Phosphors, des Schwefels, des Kohlenstoffs <strong>und</strong> des Mangans. Somit kommt es zur<br />

Entmischung der ursprünglich homogenen Schmelze. Diese auch als Blockseigerung <br />

bezeichnete Erscheinung führt zu signifikanten Unterschieden der Verteilung der genannten<br />

Elemente über den Querschnitt eines Blocks bei den so vergossenen Stählen. Die höchsten<br />

Gehalte sind dabei im Kern des Blockkopfes, also im Werkstoffinneren, zu finden. Demgegenüber<br />

weist die Randschicht eines solchen Blockes eine hohe Reinheit auf <strong>und</strong> wird somit auch als<br />

„Speckschicht“ bezeichnet (Bild 1-6, linkes Teilbild).<br />

Bild 1-6. Beispiele für im Blockguss hergestellten Blöcken<br />

(linkes Teilbild: Schnitt durch einen unberuhigt vergossenen<br />

Block, rechtes Teilbild: Schnitt durch einen beruhigt vergossenen<br />

Block).<br />

In diesen Seigerungszonen (Bild 1-7, beide Teilbilder) ist u. a. mit erhöhter Aufhärtungsneigung,<br />

Porenbildung, Sprödbruchgefahr, Heißrissneigung <strong>und</strong> Alterungsversprödung zu<br />

rechnen. Die oberste Regel beim Schweißen unberuhigter Stähle lautet daher, Seigerungszonen <br />

dürfen möglichst nicht angeschmolzen werden.<br />

Bild 1-7. Makroschliff durch unberuhigte<br />

Altstähle (Seigerungszonen, Schlackeneinschlüssen<br />

<strong>und</strong> FRY’sche Kraftwirkungsfiguren).<br />

Beruhigt bzw. vollberuhigt vergossene Stähle zeigen im Blockguss eine solche intensive<br />

Badbewegung nicht. Bei ihrer Desoxidation mit Aluminium wird außer Sauerstoff ebenfalls<br />

Stickstoff zu schwerlöslichen Aluminiumnitriden abgeb<strong>und</strong>en, so dass aufgr<strong>und</strong> vieler<br />

Kristallisationskeime ein <strong>Stahl</strong> mit feinkörnigerem Gefüge entsteht. Darüber hinaus weisen im<br />

Block beruhigt vergossene Stähle keine ausgeprägte Blockseigerung , jedoch auch keine saubere<br />

„Speckschicht“ mehr auf (Bild 1-6, rechtes Teilbild).<br />

Die Betonung auf Blockguss ist deshalb notwendig, da die für diese Vergießungstechnologie<br />

charakteristischen Merkmale beim Stranggussverfahren nicht mehr zutreffen. Die Ursache dafür<br />

liegt in der nicht mehr möglichen ausgeprägten Kochreaktion, da sonst die Schmelze in der<br />

vergleichsweise kurzen <strong>und</strong> wassergekühlten Kokille einer Stranggussanlage nicht vollkommen<br />

erstarren <strong>und</strong> somit die Gefahr eines Schmelzbaddurchbruchs bestehen würde. Die Folge wäre<br />

eine Havarie mit schwerer Beschädigung bzw. Zerstörung der Anlage.<br />

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Trotzdem können auch auf Stranggussanlagen vergossene Stähle die Kennzeichnung FU, also<br />

„unberuhigt“ tragen. Diese Angabe bezieht sich in diesem Fall nicht auf stattgef<strong>und</strong>ene<br />

Kochreaktionen <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Seigerungszonen über den Strangquerschnitt, sondern<br />

auf den im <strong>Stahl</strong> verbleibenden nichtabgeb<strong>und</strong>enen Restsauerstoffgehalt.<br />

Auf diesen kann durch Bestimmung der Gehalte an Aluminium <strong>und</strong> Silizium im Rahmen<br />

einer chemischen Analyse oder durch Auswertung vorliegender Werkstoffzeugnisse geschlussfolgert<br />

werden. Diese Elemente werden dem <strong>Stahl</strong> bei seiner Erschmelzung beigegeben, um den<br />

Sauerstoff abzubinden, so dass die CO-Bildung verhindert wird (vergleiche Abschnitt 2.2.2).<br />

Hinweis: DIN EN 10025-2 enthält keine unberuhigten Stähle mehr.<br />

Bild 1-8. Mittenzeile<br />

in einem beruhigt<br />

stranggegossenen<br />

Grobblech<br />

aus unlegiertem<br />

<strong>Stahl</strong>.<br />

Doch auch bei den wenig geseigerten unberuhigten Qualitätsstählen moderner Produktion kann es<br />

bei der schweißtechnischen Verarbeitung unter ungünstigen Randbedingungen (nicht angepasste<br />

Zusatzwerkstoffwahl, nicht ausreichender Gasschutz) zu unerwünschten Effekten kommen. Diese<br />

äußern sich in der spontanen Bildung <strong>von</strong> Poren, deren Ursache „Kochreaktionen“ im Schweißbad<br />

sind, die auf den hohen Sauerstoffgehalt im Gr<strong>und</strong>werkstoff zurückgeführt werden können.<br />

Unabhängig <strong>von</strong> der jeweiligen Vergießungsart ist für im Stranggussverfahren vergossene Stähle<br />

häufig eine z. T. deutlich ausgeprägte Mittenzeile charakteristisch (Bild 1-8). Für den Fall einer zu<br />

großen Abzugsgeschwindigkeit des Stranges <strong>und</strong> damit nicht vollständig abgelaufenen<br />

Kristallisation in der Strangmitte können hier erstarrungsbedingt Gefügeauflockerungen auftreten,<br />

die u. U. auch durch den nachfolgenden Walzprozess nicht vollständig zusammengeschweißt<br />

werden können. Auch Schlackeneinlagerungen <strong>und</strong> Ausscheidungen sind im Bereich dieser<br />

Mittenzeile hin <strong>und</strong> wieder anzutreffen.<br />

1.4 Walzprozess<br />

1.4.1 Allgemeines<br />

Nach seinem Vergießen (vergleiche Abschnitt 1.3) liegt der <strong>Stahl</strong>, abgesehen vom Formguss, im<br />

Wesentlichen in Form <strong>von</strong> Blöcken oder Brammen vor. Die Aufgabe des Walzprozesses besteht<br />

darin, dieses Vormaterial in das gewünschte Halbzeug umzuformen. Zu den wichtigsten<br />

Halbzeugarten zählen in diesem Zusammenhang:<br />

– Grobbleche,<br />

– Warmband,<br />

– Formstahl,<br />

10


– Rohre,<br />

– Drähte,<br />

– Feinbleche.<br />

Der Walzprozess wird in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Temperatur, bei der die Umformung erfolgt, in<br />

das Warm- <strong>und</strong> das Kaltwalzen unterschieden. Beim Kaltwalzen sind die Umformtemperaturen<br />

zwischen Raum- <strong>und</strong> unterhalb der Rekristallisationstemperatur angeordnet. Demgegenüber liegen<br />

die Temperaturen beim Warmwalzen in der Regel oberhalb der Rekristallisationstemperatur<br />

(T R ~ 0,4 T S ). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass bei schnell ablaufenden<br />

Umformvorgängen, wie es insbesondere auch Walzprozesse sind, der temperaturabhängigen<br />

Rekristallisationsgeschwindigkeit besondere Bedeutung zuzumessen ist. Für den Fall, dass diese<br />

größer als die Verformungsgeschwindigkeit ist, wird <strong>von</strong> Warmverformung gesprochen. Im<br />

entgegengesetzten Fall <strong>von</strong> Kaltverformung, auch wenn die Umformung oberhalb der<br />

Rekristallisationstemperatur abläuft.<br />

Bild 1-9. Weiterverarbeitung <strong>von</strong> Stählen durch spanlose Formgebung.<br />

Einen Überblick über die Weiterverarbeitung <strong>von</strong> Stählen durch spanlose Formgebung enthält<br />

Bild 1-9. Wie zu erkennen ist, können durch die Kombination <strong>von</strong> Warm- <strong>und</strong> Kaltformgebung<br />

die gewünschten Halbzeuge hergestellt werden.<br />

1.4.2 Herstellung <strong>von</strong> Grobblechen<br />

Grobbleche werden durch Warmwalzen hergestellt. Der Anteil der Menge dieser Erzeugnisform<br />

bezogen auf die Menge aller Walzerzeugnisse liegt zwischen 15 <strong>und</strong> 26 %. Hauptverbraucher<br />

dieser Erzeugnisse sind:<br />

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– der Schiff- <strong>und</strong> <strong>Stahl</strong>bau,<br />

– der Fahrzeug- <strong>und</strong> Maschinenbau,<br />

– der Kesselbau <strong>und</strong> Großrohrfertigung <strong>und</strong><br />

– der Chemieanlagenbau.<br />

Tabelle 1-2. <strong>Stahl</strong>werkstoffe <strong>und</strong> Einsatzgebiete für Grobbleche.<br />

Werkstoffart <strong>und</strong> -sortenbeispiele<br />

Wichtige Anwendungsgebiete<br />

Unlegierte Baustähle<br />

<strong>Stahl</strong>bau, Maschinenbau, Kranbau, Fahrzeugbau<br />

z. B.: S185, S235JR; S275JR, S355J2G3<br />

Legierte Einsatz- <strong>und</strong> Vergütungsstähle<br />

<strong>Stahl</strong>bau, Maschinenbau, Kranbau, Fahrzeugbau,<br />

z. B.: C10E, C15E, 16MnCr5, 20MnCr5, C22, C45,<br />

Schiffbau<br />

C60, 28Mn6, 34Cr4, 42CrMo4<br />

Schweißgeeignete Feinkornbaustähle<br />

z. B.: S275N, S275M, S355M, S420N, S420M, Kranbau, Brückenbau, <strong>Stahl</strong>hochbau<br />

S460N, S460M, S690G1QL, S890QL, S960QL<br />

Kaltzähe Stähle<br />

Kältetechnik, Schiffbau, Rohrleitungsbau<br />

z. B.: 12Ni14, 13MnNi6-3, X12Ni5, X8Ni9<br />

Verschleißfeste Stähle<br />

Einerkettenbagger, Tagebaubrücken<br />

z. B.: 36Mn7, 90Mn4, X120Mn12<br />

Druckbehälterstähle<br />

z. B.: P235GH, P265GH, P295GH, 16Mo3,<br />

Dampferzeuger, Wärmetauscher<br />

13CrMo4-5, 10CrMo9-10<br />

Nichtrostende Stähle<br />

z. B.: X5CrNi18-10, X6CrNiMoTi17-12-2,<br />

X2CrNi18-9, X2CrNiMoN22-5-3<br />

Hitze- <strong>und</strong> z<strong>und</strong>erbeständige Stähle<br />

z. B.: X10CrAl7, X10CrSi13, X2CrMnNiN17-7-5,<br />

X15CrNiSi20-12, X20CrNiSi25-4<br />

Chemieanlagen, Flüssiggasbehälter, Milch- <strong>und</strong><br />

Biertanks, Haushaltgeräte<br />

Ofengehäuse, Gasturbinen, Schutzgashauben<br />

Bild 1-10. Walzen <strong>von</strong> <strong>Stahl</strong> (linkes Teilbild: Schematische Darstellung des Walzens, rechtes Teilbild:<br />

Normalisierendes <strong>und</strong> thermomechanisches Walzen).<br />

Die Grobbleche umfassen einen Dickenbereich zwischen 4 <strong>und</strong> 160 mm. In Ausnahmefällen<br />

werden solche Bleche auch bis zu einer Dicke <strong>von</strong> 300 mm (<strong>und</strong> mehr) hergestellt. Die<br />

Blechbreiten liegen vorzugsweise im Bereich <strong>von</strong> 1000 bis 3500 mm, die Blechlängen in<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> der Brammenmasse <strong>und</strong> Blechdicken zwischen 8 <strong>und</strong> 30 m. Darüber hinaus<br />

werden ebenfalls plattierte Grobbleche durch Walzplattierten mit einem unlegierten Baustahl als<br />

Trägerwerkstoff <strong>und</strong> z. B. einem nichtrostenden <strong>Stahl</strong> als Deckwerkstoff hergestellt. Solche<br />

Bleche eignen sich insbesondere beim wirtschaftlichen Bau <strong>von</strong> Chemieanlagen, wo eine Werk-<br />

12


stoffseite einer korrosiven Beanspruchung ausgesetzt ist, die andere dagegen keinem Korrosionsangriff<br />

unterliegt.<br />

Wichtige Technologien bei der Herstellung <strong>von</strong> warmgewalzten Grobblechen sind das normalisierende<br />

<strong>und</strong> das thermomechanische Walzen. Diese werden mit den folgenden Zielen durchgeführt:<br />

– Verbesserung der mechanischen Eigenschaften im Walzzustand,<br />

– Einsparen der Normalisierungsglühung (vergleiche Abschnitt 13.3.1),<br />

– Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften <strong>und</strong> der Schweißeignung bei erhöhter Festigkeit,<br />

– Einsparen <strong>von</strong> Legierungselementen.<br />

Eine Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen dem normalisierenden <strong>und</strong> dem thermomechanischen<br />

Walzen enthält Bild 1-10, rechtes Teilbild.<br />

Bild 1-11. Unterschied zwischen einem normalisierten <strong>und</strong> einem kaltverformten Gefüge (linkes Teilbild:<br />

Normalisiertes Gefüge eines kohlenstoffarmen <strong>Stahl</strong>s, rechtes Teilbild: Kaltverformtes Gefüge eines kohlenstoffarmen<br />

<strong>Stahl</strong>s).<br />

In Abhängigkeit <strong>von</strong> den gewünschten Verarbeitungs- <strong>und</strong> Gebrauchseigenschaften sowie <strong>von</strong> der<br />

zu erzeugenden <strong>Stahl</strong>sorte kann das thermomechanische Walzen in drei Hauptvarianten untergliedert<br />

werden. Dazu zählen:<br />

1. thermomechanisches Walzen mit Ferrit-Perlit-Umwandlung:<br />

– für unlegierte Baustähle im Streckgrenzenbereich zwischen 350 <strong>und</strong> 420 N/mm²,<br />

– für mikrolegierte Feinkornbaustähle im Streckgrenzenbereich zwischen 420 <strong>und</strong> 560 N/mm²<br />

<strong>und</strong> einer Mindestkerbschlagarbeit <strong>von</strong> 35 J zwischen –20 <strong>und</strong> –40 °C;<br />

2. thermomechanisches Walzen mit Umwandlung in der Zwischenstufe:<br />

– für kohlenstoffarme, mikrolegierte Feinkornbaustähle mit höheren Legierungsgehalten im<br />

Streckgrenzenbereich zwischen 480 <strong>und</strong> 700 N/mm² <strong>und</strong> einer Mindestkerbschlagarbeit <br />

<strong>von</strong> 35 J bei –20 °C;<br />

3. thermomechanisches Walzen mit Martensitumwandlung <strong>und</strong> Anlassen:<br />

– für mikrolegierte <strong>und</strong> niedriglegierte Feinkornbaustähle im Streckgrenzenbereich <strong>von</strong> über<br />

500 N/mm² (bis gegenwärtig 1.100 N/mm²), wobei infolge der beschleunigten Abkühlung<br />

hohe Zähigkeitswerte erhalten werden.<br />

1.4.3 Herstellung <strong>von</strong> Warmband<br />

Neben den Grobblechen ist ebenfalls der Anteil der Flacherzeugnisse an der Walzstahlproduktion<br />

groß <strong>und</strong> nach wie vor im Wachsen begriffen. Warmband ist derzeit mit etwa 80 % an der<br />

Produktion der Flacherzeugnisse beteiligt. Da<strong>von</strong> geht ein Anteil <strong>von</strong> etwa 50 bis 60 % in die<br />

13


Kaltwalzwerke <strong>und</strong> ca. 20 bis 25 % in die Erzeugnislinien für warmgewalzte Bleche. In<br />

zunehmendem Maß wird dünneres Warmband auch als Ersatz für kaltgewalzte Bänder <strong>und</strong> Bleche<br />

eingesetzt, da es durch gute Planheit, Oberflächenbeschaffenheit <strong>und</strong> Maßhaltigkeit auch gehobenen<br />

Qualitätsanforderungen genügt.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> der historischen Entwicklung der Warmbandwalzwerke wird unterschieden in:<br />

– Schmalband: < 100 mm Bandbreite,<br />

– Mittelband: 100 bis 600 mm Bandbreite,<br />

– Breitband: > 600 mm Bandbreite.<br />

Ausgewählte Sortimente <strong>von</strong> Warmbreitband sind in Tabelle 1-3 zusammengestellt. Haupteinsatzgebiete<br />

sind:<br />

– warmgewalzte Bleche für Behälter-, Fahrzeug- <strong>und</strong> <strong>Stahl</strong>bau,<br />

– direkt gefertigte Teile, z. B. Felgen,<br />

– Großrohrproduktion.<br />

Tabelle 1-3. Bevorzugte Sortimente <strong>von</strong> Warmbreitband.<br />

Werkstoffart <strong>und</strong> -sortenbeispiele<br />

Gebräuchliche Abmessungen<br />

Dicke [mm] Breite [mm]<br />

Weiche unlegierte Stähle für Kaltumformung<br />

z. B.: DC01, DC03G1, DC04, DC05<br />

2 – 8 850 – 2.200<br />

Unlegierte Baustähle<br />

z. B.: S185, S235JR; S275JR, S355J2G3<br />

2 – 10 1.050 – 1.850<br />

Schweißgeeignete Feinkornbaustähle<br />

z. B.: S355M, S420N, S420M, S460N, S460M, 2 – 10 1.050 – 2.000<br />

S690G1QL, S890QL, S960QL<br />

Stähle für geschweißte Großrohre<br />

z. B.: L240NB, L360NB, L550MB<br />

5 – 10 1.050 – 1.650<br />

Vergütungsstähle<br />

z. B.: C45<br />

3 – 4 700 – 1.850<br />

Unlegierte <strong>und</strong> legierte Federstähle<br />

z. B.: 51Si7, 55Cr3<br />

2 – 8 600 – 1.400<br />

Si-legierte elektrotechnische Stähle 2 600 – 1.050<br />

Hitze- <strong>und</strong> z<strong>und</strong>erbeständige Stähle<br />

z. B.: X10CrAl7, X10CrSi13, X2CrMnNiN17-7-5, 3 – 8 600 – 1.400<br />

X15CrNiSi20-12, X20CrNiSi25-4<br />

1.4.4 Herstellung <strong>von</strong> Kaltband<br />

Mehr als 50 % der warmgewalzten Bänder wird im Anschluss einem Kaltwalzprozess unterzogen.<br />

Die Gründe für das weitere Kaltwalzen sind vor allem:<br />

– Erzielen dünnerer Bänder,<br />

– Herstellen einer blanken Oberfläche mit geringer Rautiefe,<br />

– Einstellen enger Dickentoleranzen <strong>und</strong> guter Ebenheit über Breite <strong>und</strong> Länge,<br />

– Einstellen einer gezielten Kaltverfestigung,<br />

– Beeinflussung der physikalischen Eigenschaften (z. B. Elektrobänder).<br />

Der überwiegende Teil der Kaltbänder findet Anwendung:<br />

14


– im allgemeinen Maschinenbau,<br />

– in der Fahrzeugindustrie (Karosseriebau),<br />

– in der Haushaltwarenindustrie,<br />

– in der Lebensmittel- <strong>und</strong> Nahrungsgüterwirtschaft (Weißband, Konservendosen),<br />

– in der Elektrotechnik <strong>und</strong> der Elektronik sowie<br />

– im Bauwesen.<br />

1.4.5 Herstellung <strong>von</strong> Formstahl<br />

Formstahl hat insbesondere für den <strong>Stahl</strong>bau, den Brückenbau, das Verkehrswesen <strong>und</strong> den<br />

Fahrzeugbau eine signifikante Bedeutung. Dabei gehören zu den wichtigsten Entwicklungstendenzen<br />

der Einsatz <strong>von</strong> Leichtbauprofilen <strong>und</strong> hochfesten schweißgeeigneten Feinkornstählen.<br />

Zum Formstahl zählen insbesondere:<br />

– gleich- <strong>und</strong> ungleichschenklige Winkel,<br />

– T-<strong>Stahl</strong>,<br />

– Doppel-T-<strong>Stahl</strong> in normaler Ausführung sowie mit dünneren Stegen <strong>und</strong> Flanschen bzw.<br />

parallelen Flanschen oder als Breitflanschträger,<br />

– U-<strong>Stahl</strong> in Normal- bzw. Leichtbauausführung,<br />

– Z-<strong>Stahl</strong>,<br />

– Schienen <strong>und</strong> Sonderprofile.<br />

Als Ausgangsmaterial für die Walzung <strong>von</strong> Formstahl dienen in den meisten Fällen quadratische<br />

oder recheckige Stranggusshalbzeuge sowie Vorblöcke, die zuvor auf einem Blockwalzwerk aus<br />

Gussblöcken gewalzt wurden.<br />

1.4.6 Herstellung <strong>von</strong> Stäben <strong>und</strong> Drähten<br />

Stäbe <strong>und</strong> Drähte werden ebenfalls aus vorgewalzten oder stranggegossenen Vorblöcken sowie<br />

Knüppeln in speziellen Stab- <strong>und</strong> Drahtwalzwerken hergestellt. Können durch Warmwalzen deren<br />

Abmessungen, Oberflächenqualität <strong>und</strong>/oder mechanisch-technologische Eigenschaften nicht<br />

mehr eingestellt werden, kommt das Ziehen zur Anwendung.<br />

Beim Durchziehen handelt es sich um ein Umformverfahren mit indirekter Druckwirkung. Das<br />

Umformgut wird durch ein sich in Bewegungsrichtung verjüngendes Werkzeug, eine Ziehdüse<br />

(„Ziehstein“) oder durch ein nicht angetriebenes Formrollenpaar, gezogen.<br />

Das Durchziehen ist ein Verfahren der Kaltumformung, das meist bei Raumtemperatur durchgeführt<br />

wird. Werkstoffe mit relativ geringem Umformvermögen, z. B. schwer umformbare<br />

Stähle, können aber auch mittels Warmziehen verformt werden. Bei Verwendung des Halbwarmziehens<br />

können Verfestigungen, die infolge des Umformprozesses entstanden sind,<br />

vollständig oder teilweise rückgängig gemacht werden, da die Umformtemperatur bei oder nur<br />

knapp unter der Rekristallisationstemperatur liegt.<br />

Die Abmessungspalette der durch Ziehen hergestellten Erzeugnisse umfasst bei Drähten<br />

Durchmesser zwischen 0,005 <strong>und</strong> 40 mm, bei Stangen zwischen 5 <strong>und</strong> 50 mm <strong>und</strong> bei Profilen<br />

unterschiedlichste Querschnittsausbildungen.<br />

Auf dem Drahtsektor wird in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Abmessungsgruppe unterschieden in:<br />

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