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Schweissen von nichtrostenden Staehlen Leseprobe

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Strassburg ⋅ Wehner<br />

Schweißen<br />

nichtrostender Stähle<br />

4., überarbeitete Auflage


Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über htttp://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Fachbuchreihe Schweißtechnik<br />

Band 67<br />

ISBN 978-3-87155-221-2<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

© DVS Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2009<br />

Herstellung: Service-Druck Kleinherne GmbH & Co. KG, Neuss


Vorwort zur 3. Auflage<br />

Seit dem Erscheinen der – inzwischen vergriffenen – 2. Auflage des Fachbuches „Schweißen<br />

nichtrostender Stähle“ im April 1982 sind große Fortschritte beim Fügen dieser Werkstoffgruppe<br />

gemacht worden: Neue schweißgeeignete Werkstoffe wurden entwickelt, neue Verfahren werden<br />

angewendet und neue Normen und Forschungsergebnisse sind veröffentlicht worden.<br />

Die 3. Auflage ist <strong>von</strong> den Verfassern weitgehend neu geschrieben worden.<br />

Neue Erkenntnisse bis Ende 1999 sind bei der Überarbeitung berücksichtigt worden, und das<br />

Schrifttum enthält zu diesem Thema zahlreiche Arbeiten, die selbst umfangreiche Schrifttumshinweise<br />

enthalten.<br />

Die Autoren danken den Herren Dr. M. Nagel und Dr. R. Klein für ihren Beitrag zum Laserstrahlschweißen,<br />

Herrn Dipl.-Ing. R. Tril1mich für die Ausführungen zum Bolzenschweißen und den<br />

Mitarbeitern des DVS-Verlages für die drucktechnische Bearbeitung der Neuauflage.<br />

Die Verfasser danken auch den im Bildnachweis genannten Firmen und Instituten für die Überlassung<br />

<strong>von</strong> Fotos aus ihren Bildarchiven, die vor allem die Anwendungskapitel bereichert haben.<br />

Kempen und Trebur, im Mai 2000<br />

F. W. Strassburg und H. Wehner<br />

Vorwort zur 4. Auflage<br />

Neue Erkenntnisse und fachliche Ergänzungen wurden in der vorliegenden Auflage aufgenommen.<br />

Dazu zählen auch zahlreiche DIN EN- und DIN EN ISO-Normen für Grund- und Schweißzusatzwerkstoffe.<br />

In DIN EN 10088 (Ausgabe 2005) wurde der Begriff nichtrostender Stahl neu definiert<br />

und umfasst jetzt korrosionsbeständigen, hitzebeständigen und warmfesten Stahl. Die Änderung<br />

wurde im Text berücksichtigt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis in den da<strong>von</strong> betroffenen<br />

anderen Normen die Umstellung erfolgt. Bei den DIN EN ISO-Normen für Schweißzusatzwerkstoffe<br />

handelt es sich um sogenannte Kohabitationsnormen. Im Hinblick auf den globalen Markt<br />

wurden hier die beiden auf der Welt bestehenden Normsysteme zusammengefasst: die europäische<br />

Version, z. B. auf Basis der Streckgrenze und eines offenen Systems für die chemische Zusammensetzung,<br />

mit der im Pazifikraum geltenden Version, z. B. auf der Basis der Zugfestigkeit und eines<br />

geschlossenen Systems für die chemische Zusammensetzung. Optisch sind die einheitlichen<br />

Vorgaben daran zu erkennen, dass sie sich über die gesamte Breite der Seite erstrecken, unterschiedliche<br />

Vorgaben werden in zwei parallelen Spalten aufgeführt. Es besteht die Hoffnung, bei<br />

zukünftigen Überarbeitungen beide Versionen zu einer zusammenzuführen.<br />

Bei der Bearbeitung des Inhalts wurde versucht, Theorie und Praxis ausgewogen darzustellen,<br />

sodass sich das Fachbuch auch als Nachschlagewerk eignet.<br />

Dank gilt der DVS Media GmbH, besonders Herrn Lothar Knittel für die gute Zusammenarbeit<br />

und die äußerst sorgfältige redaktionelle Bearbeitung der Neuauflage.<br />

Kempen und Trebur, im Februar 2009<br />

F. W. Strassburg und H. Wehner


Verfasser und DVS Media danken den folgenden Firmen und Instituten für die Überlassung <strong>von</strong><br />

Werkfotos, die den Bildteil dieses Buches bereichert haben:<br />

APV & Co Ltd., Crawley, GB<br />

Blanco, Oberderdingen<br />

Centro Blanco, Piaggio<br />

Danyard A/S, Dänemark<br />

Eisengiesserei Monforts, Mönchengladbach<br />

EVA, Düsseldorf<br />

Fissler, Idar-Oberstein<br />

Focus Rostfrei, Xanten<br />

HAGRI, Essen<br />

hde Metallwerk, Menden<br />

INCO, Toronto<br />

ISER, Informationsstelle Edelstahl Rostfrei, Düsseldorf<br />

Julius Kimmel, Bergzabern<br />

Krupp Thyssen Nirosta GmbH, Bochum<br />

Krupp-VDM, Werdohl<br />

Mannesmann Pressfitting, Langenfeld<br />

Messer-Griesheim, Frankfurt/M.<br />

Miele, Gütersloh<br />

Milchverwertung Aachen<br />

NiDI, Toronto<br />

M. Rosa, Behälterbau<br />

Schmidding, Köln<br />

Soc. Alfa-Laval<br />

Thyssen Aufzüge, Berlin<br />

Thyssen Lasertechnik, Aachen<br />

Waggonfabrik Uerdingen


1 Einleitung<br />

Als nichtrostend wurden bis zur Neuausgabe <strong>von</strong> DIN EN 10088 im September 2005 diejenigen<br />

Stähle bezeichnet, die gegenüber einem Korrosionsangriff beständig sind. In der neuen Norm<br />

zählen jetzt auch die hitzebeständigen und warmfesten Stähle zur Gruppe der <strong>nichtrostenden</strong><br />

Stähle. Die bisherige Bezeichnung nichtrostend wurde durch korrosionsbeständig ersetzt.<br />

Die Definitionen lauten wie folgt:<br />

Korrosionsbeständige Stähle sind Stähle mit guter Beständigkeit gegen gleichmäßige oder punktuelle<br />

Korrosion aufgrund Umgebungseinwirkung. Der Schutz wird bei mehr als 10,5 % Chrom<br />

durch spontane Bildung einer dichten Schutzschicht erreicht. Die Umgebung kann eine<br />

Atmosphäre bei Umgebungstemperatur oder eine Elektrolytlösung sein.<br />

In Abhängigkeit <strong>von</strong> der chemischen Zusammensetzung sind den korrosionsbeständigen Stählen<br />

folgende Werkstoff-Nummern zugeordnet: 1.40xx, 1.41xx, 1.43xx, 1.44xx, 1.45xx und 1.46xx<br />

[2-1].<br />

Hitzebeständige Stähle sind Stähle mit guter Beständigkeit gegen Oxidation sowie gegen Einfluss<br />

<strong>von</strong> Heißgasen und Verbrennungsprodukten oberhalb <strong>von</strong> 550 °C. In oxidierender Atmosphäre<br />

wird eine schützende Schicht aus Chrom-, Silizium- und Aluminiumoxid auf der Stahloberfläche<br />

gebildet. Die Stähle enthalten mindestens 6 % Chrom und besitzen hauptsächlich ein ferritisches<br />

oder ein austenitisches Gefüge.<br />

Den hitzebeständigen Stählen sind die Werkstoff-Nummern 1.47xx und 1.48xx zugeordnet.<br />

Die in der Gruppe der <strong>nichtrostenden</strong> Stähle enthaltenen warmfesten Stähle besitzen ein gutes<br />

Zeitstandverhalten bei erhöhter Temperatur. Bei einem Gehalt <strong>von</strong> mindestens 8 % Chrom weisen<br />

sie ein martensitisches oder austenitisches Gefüge auf.<br />

Korrosionsbeständige Stähle wurden um 1912 entwickelt und patentiert [1-1, 1-2]; es handelt sich<br />

um die deutschen Patente Nr. 304 126 vom 18. Oktober 1912 und 304 159 vom 21. Dezember<br />

1912. Bereits 1914 wurden Halbzeuge (Stangen und Bleche) und Bauteile aus korrosionsbeständigen<br />

Stählen industriell hergestellt.<br />

–––– Jahresproduktion in Mill. t<br />

- - - - Trendkurve<br />

Bild 1-1. Produktion korrosionsbeständiger<br />

Stähle in der westlichen<br />

Welt in den Jahren 1950<br />

bis 2000.<br />

Im Laufe ihrer mehr als 90-jährigen Geschichte sind sie metallurgisch und anwendungstechnisch<br />

grundlegend erforscht worden. Mit der Einführung des Lichtbogenschweißens Ende der 20er,<br />

1


Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erlangten sie im chemischen Apparatebau<br />

eine herausragende Bedeutung. In der Prozess- und Konsumgüterindustrie wurden sie in<br />

verbreitetem Maße angewendet, als es in den 60er Jahren gelang, mit Sendzimier-Walzwerken<br />

Kaltband ausreichender Breite wirtschaftlich herzustellen. Kaltband in verschiedenen Oberflächenausführungen<br />

in Breiten bis 1600 mm und Coilgewichten bis 20 t ist inzwischen verfügbar. Es<br />

lässt sich wirtschaftlich und großtechnisch in Dicken bis herab zu 0,4 mm herstellen; aber auch<br />

Kaltband geringerer Dicke – bis 0,1 mm – ist in geringeren Breiten verfügbar.<br />

Tabelle 1-1. Rohblockerzeugung korrosionsbeständiger Stähle (in 1000 t) [1-3].<br />

Gebiet 1960 1970 1980 1985 1990 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 1 )<br />

Westeuropa 1004 2149 2880 3281 4515 5980 6590 6225 7024 7163 7450 8055<br />

da<strong>von</strong> in<br />

Deutschland 259 504 816 808 1146 1419 1490 1280 1480 1480 1521 1600<br />

Amerika 2 ) 908 1158 1537 1687 2182 2256 2445 2357 2573 2505 2630 2820<br />

Asien 3 ) 238 1643 2216 2795 3860 4740 5576 6026 6458 6240 6712 7065<br />

Südafrika<br />

und andere<br />

Länder 4 ) 101 295 252 152 118 181 257 332 439 445 502 560<br />

Westl. Welt<br />

gesamt<br />

2150 4950 6885 7915 10675 13157 14850 14835 16494 16353 17294 18500<br />

Russland u.<br />

VR China k. A. k. A. k. A. 2277 2170 663 586 502 300 250 k. A. k. A.<br />

Welt gesamt 10192 12845 13820 15436 15337 16794 16603<br />

1 ) Zahlen für 2000 sind Schätzwerte<br />

2 ) Amerika: bis 1980 nur USA, ab 1985 USA, Kanada, Brasilien<br />

3 ) Asien: bis 1980 nur Japan, ab 1985 Japan, Indien, Süd-Korea, Taiwan<br />

4 ) ab 1996 hauptsächlich Südafrika, ab 1999 auch Ägypten<br />

Zahlen für 1995 und 1996 aus Rostfrei Jahrbuch 1997, Verlag Focus Rostfrei GmbH, Xanten<br />

Zahlen für 1997 bis 2000 aus Focus Rostfrei 311 (07.02.2000)<br />

Zahlen für Russland + China sind Schätzwerte<br />

k. A. = keine Angaben<br />

Durch die Einführung des kaltgewalzten Bandes nahm die Erzeugung korrosionsbeständiger<br />

Stähle seit den 60er Jahren stark zu, wie die Produktionszahlen <strong>von</strong> korrosionsbeständigem Blockmaterial<br />

zeigen, Bild 1-1 sowie Tabellen 1-1 und 1-2. Seit dem Jahr 2001 gilt China sowohl als<br />

bedeutender Erzeuger korrosionsbeständiger Stähle als auch als größter Verbraucher der Welt.<br />

Zahlen für die Marktversorgung mit korrosionsbeständigen und hitzebeständigen Kalt-Flach-<br />

Erzeugnissen für wichtige Verbrauchsregionen im Jahr 1997 und im 1. Halbjahr 1998 enthält<br />

Tabelle 1-3. Den unterschiedlichen Pro-Kopf-Verbrauch in den Industrie- und Entwicklungsländern<br />

gibt Tabelle 1-4 wieder.<br />

Tabelle 1-2. Rohblockerzeugung korrosionsbeständiger und hitzebeständiger Stähle (in 1000 t) [1-4].<br />

Gebiet 2001 2002 2003 2004 2005*)<br />

Westeuropa, Afrika 8210 8628 9043 9422 8823<br />

Zentral- und Osteuropa 285 279 322 318 310<br />

Amerika (gesamt) 2289 2735 2830 2933 2699<br />

Asien 8403 9048 10645 11897 12498<br />

Welt (gesamt) 19187 20690 22840 24570 24330<br />

*) vorläufige Werte<br />

Nichtrostende Stähle spielen traditionsgemäß in solchen Industrien eine bedeutende Rolle, in<br />

denen ihre Korrosionsbeständigkeit und Warmfestigkeit genutzt werden, beispielsweise im<br />

Apparate- und Rohrleitungsbau der chemischen Industrie und in der Kraftwerkstechnik. Dank der<br />

Entwicklung der Kaltbanderzeugung werden korrosionsbeständige Stähle auch in anderen<br />

2


Industriezweigen zunehmend verwendet. In der Konsumgüterindustrie werden große Mengen<br />

korrosionsbeständigen Kaltbandes für Küchenspülen, Waschmaschinen und Geschirrspüler<br />

verarbeitet. Hierbei werden durch die glatte Oberfläche hygienische Anforderungen erfüllt.<br />

Ähnliches gilt für die Lebensmittelindustrie und die Krankenhaustechnik. Im Bauwesen und im<br />

Fahrzeugbau gewinnen korrosionsbeständige Bleche in verschiedenen Oberflächenausführungen<br />

und längsnahtgeschweißte Rohre dank ihrer guten Formbarkeit zunehmende Bedeutung.<br />

In keinem dieser Anwendungsgebiete kommt man ohne Schweißen aus, wobei alle Schmelzschweißprozesse<br />

und auch Widerstandsschweißprozesse genutzt werden.<br />

Tabelle 1-3. Marktversorgung mit <strong>nichtrostenden</strong> und hitzebeständigen Kalt-Flach-Erzeugnissen [1-5].<br />

1997 1. Halbjahr 1998 Veränderung<br />

1000 t t/Monat 1000 t t/Monat in %<br />

USA 1472 122,7 790 131,7 + 7,4<br />

Westeuropa 2572 214,3 1472 245,3 + 14,4<br />

Osteuropa 100 8,3 56 9,3 + 11,4<br />

Taiwan 379 31,6 230 38,3 + 21,4<br />

China/Hongkong 881 73,4 468 78,0 + 6,3<br />

Japan 1061 88,4 509 84,9 – 4,0<br />

Südkorea 469 39,1 147 24,5 – 37,5<br />

Sonst. Asien 409 34,1 215 35,9 + 5,1<br />

Die Menge an korrosionsbeständigen und hitzebeständigen Schweißzusätzen wird statistisch nicht<br />

ausgewiesen; sie geht im Wesentlichen konform mit der Tonnage an Grundwerkstoffen. Die<br />

gesamten Drahtlieferungen dieser Werkstoffe wurden 1996 auf etwa 28500 t geschätzt. Die<br />

Bundesrepublik Deutschland exportierte 1994 17500 t <strong>nichtrostenden</strong> Walzdraht und Draht und<br />

importierte wesentlich mehr, nämlich knapp 50000 t; der deutsche Markt betrug demnach rund<br />

61000 t. Ein wesentlicher Teil dieser Mengen ist den Schweißzusätzen zuzuordnen. Nimmt man<br />

einen Schweißzusatzverbrauch <strong>von</strong> 1 bis 2 % der Tonnage an Grundwerkstoff an, dann beträgt die<br />

Menge an korrosionsbeständigen und hitzebeständigen Schweißzusätzen 12000 bis 24000 t.<br />

Tabelle 1-4. Pro-Kopf-Verbrauch <strong>von</strong> kaltgewalztem nichtrostendem Flachmaterial [1-6].<br />

Land<br />

Pro-Kopf-Verbrauch in kg/Jahr (netto)<br />

Länder mit hohem Verbrauch<br />

Taiwan<br />

Japan<br />

Südkorea<br />

Italien<br />

Deutschland<br />

Länder mit mittlerem Verbrauch<br />

USA<br />

Spanien<br />

Großbritannien<br />

Länder mit niedrigem Verbrauch<br />

Brasilien<br />

Mexiko<br />

Indien<br />

China<br />

22<br />

14,9<br />

13,1<br />

10,9<br />

11,1<br />

6,6<br />

5,1<br />

4,8<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,3<br />

3


2 Verhalten <strong>von</strong> korrosionsbeständigen Walz- und<br />

Schmiedestählen und Stahlgusssorten gegenüber<br />

Korrosionsbeanspruchung<br />

Die Eignung und damit die Auswahl der korrosionsbeständigen Stahlsorten für die jeweiligen<br />

Betriebsbedingungen wird wesentlich durch ihre Beständigkeit gegenüber der Korrosionsbeanspruchung<br />

bestimmt. In den folgenden Abschnitten werden daher zuerst die Voraussetzungen<br />

für die Korrosionsbeständigkeit und die verschiedenen lokalen Korrosionsarten beschrieben, die<br />

bei den korrosionsbeständigen Stählen zu Schäden führen können.<br />

Nach DIN 50900 wurde Korrosion definiert als Reaktion eines metallischen Werkstoffes mit<br />

seiner Umgebung, die eine messbare Veränderung des Werkstoffs bewirkt und zu einem<br />

Korrosionsschaden führen kann. Meist läuft dabei ein elektrochemischer Vorgang ab, bei dem eine<br />

Elektrolytlösung unterhalb des Taupunktes (z. B. Salzlösungen, Säuren, Basen, natürliches und<br />

technisches Wasser) auf die Werkstoffoberfläche einwirkt. Weil es sich um ein wässriges<br />

Korrosionsmedium handelt, spricht man vielfach auch <strong>von</strong> Nasskorrosion. Besteht das Korrosionsmedium<br />

aus einem Nichtelektrolyten oder einem Gas oberhalb des Taupunktes (z. B. Hochtemperaturkorrosion),<br />

dann erfolgt ein chemischer Vorgang. Wegen der größeren Bedeutung wird<br />

nachfolgend hauptsächlich die elektrochemische Korrosion berücksichtigt.<br />

2.1 Voraussetzungen für die Korrosionsbeständigkeit<br />

Die Beständigkeit <strong>von</strong> korrosionsbeständigem Stahl und Stahlguss gegenüber einem elektrochemischen<br />

Korrosionsangriff wird durch eine dichte Schutzschicht auf der Metalloberfläche – die<br />

sogenannte Passivschicht – hervorgerufen. Sie wirkt als Barriere zwischen Stahl und Medium und<br />

verhindert auf diese Weise die Metallauflösung. Die Passivschicht ist dicht, sehr dünn (etwa 10 bis<br />

30 nm), unsichtbar und porenfrei, haftet gut an der Oberfläche, bildet sich spontan und repassiviert<br />

auch an beschädigten Stellen, wenn Sauerstoff an der metallisch sauberen Oberfläche zur<br />

Verfügung steht. Sauerstoff wird auch während der Betriebsbeanspruchung zur Aufrechterhaltung<br />

benötigt. In reduzierenden Medien (z. B. Salzsäure, schweflige Säure) ist die Passivschicht nicht<br />

beständig, sodass ein flächiger Abtrag erfolgt. Sie unterscheidet sich darin deutlich <strong>von</strong> der dichten<br />

Deckschicht aus stabilen Oxiden, die z. B. auf hitzebeständigen Stählen bei höheren Temperaturen<br />

entsteht und gegen einen chemischen Korrosionsangriff schützt.<br />

Für die Bildung einer einwandfreien Passivschicht müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:<br />

• der Gehalt des Legierungselementes Chrom beträgt mindestens 12 %. In DIN EN 10088-1 [2-1]<br />

wird ein Mindestgehalt <strong>von</strong> 10,5 % angegeben. Höhere Chromgehalte und Zulegieren <strong>von</strong><br />

Molybdän bewirken verbesserte Korrosionsbeständigkeit auch gegen aggressive Medien.<br />

• die Legierungselemente sind im Gefüge gleichmäßig verteilt und gelöst, dürfen also nicht<br />

gebunden sein. Bekannt ist die Sensibilisierung durch örtliche Chromverarmung infolge Bildung<br />

z. B. <strong>von</strong> Chromkarbiden, Chromnitriden oder Sigmaphase (Fe, Cr) bei erhöhten Temperaturen.<br />

In gleicher Weise wirken Seigerungen der Elemente Chrom und Molybdän, die in austenitischem<br />

Schweißgut immer vorliegen, das keine Homogenisierung erfährt wie der warmverformte<br />

oder geschmiedete Grundwerkstoff.<br />

4


• die Stahloberfläche ist metallisch sauber, damit jederzeit Sauerstoff an alle Oberflächenbereiche<br />

gelangen kann, um die Passivschicht entstehen zu lassen und zu erhalten. Beim Lagern,<br />

Transport und Verarbeiten der korrosionsbeständigen Stähle ist dafür zu sorgen, dass keine<br />

Beschädigungen und Verunreinigungen der Oberflächen auftreten, die zu einer örtlich<br />

unvollkommenen Passivschicht führen. DIN EN 1011-3 [2-2] enthält ausführliche Hinweise<br />

dazu. Nach dem Schweißen ist die Oberfläche der Verbindung einwandfrei zu säubern, indem<br />

alle Unregelmäßigkeiten entfernt werden, die die Korrosionsbeständigkeit mindern können.<br />

Dazu zählen festhaftende Spritzer, Schlackenreste, Anlauffarben, Fremdmetalle usw. Die beste<br />

Korrosionsbeständigkeit liegt im Zustand elektropoliert oder gebeizt vor.<br />

Bild 2-1. Anodische Stromdichte-<br />

Potential-Kurve eines passivierbaren<br />

Stahles in wässriger Lösung<br />

und Wirkung <strong>von</strong> Legierungselementen<br />

auf diese Kurve [2-3].<br />

Das Verhalten passivierbarer Stähle in wässrigen Lösungen gegenüber allgemeiner Korrosion und<br />

Loch-/Spaltkorrosion lässt sich mit Hilfe <strong>von</strong> anodischen Stromdichte-Potential-Kurven beschreiben.<br />

In Bild 2-1 ist eine solche Kurve schematisch dargestellt. Vom Schnittpunkt mit der<br />

Abszisse aus steigt die Kurve bis zur Passivierungsstromdichte i max an (Aktivbereich, flächige<br />

Korrosion). Nach Erreichen <strong>von</strong> i max entsteht die Passivschicht, und die Kurve geht auf die<br />

niedrige Passivitätsstromdichte i min zurück. Der passive Zustand reicht <strong>von</strong> U A bis U D (Passivbereich),<br />

danach steigt die Kurve wieder an (Transpassivbereich, flächige Korrosion). Der<br />

betriebliche Einsatz der korrosionsbeständigen Stähle liegt im Passivbereich. Durch geeignete<br />

Legierungselemente können der Passivbereich verbreitert sowie die Passivierungs- und<br />

Passivitätsstromdichte vermindert werden. Bild 2-1 [2-3] lässt die Wirkung <strong>von</strong> Begleit- und<br />

Legierungselementen erkennen. Den günstigsten Einfluss hat Chrom, während Molybdän und<br />

Nickel sich nur teilweise positiv auswirken.<br />

2.2 Charakteristische Korrosionsarten – Abhilfe – Prüfverfahren<br />

Die Beständigkeit der Passivschicht ist nicht für alle Bedingungen gewährleistet. Es kann eine<br />

Anfälligkeit gegenüber einem örtlichen Korrosionsangriff bestehen, zurückzuführen auf Schwachstellen<br />

in der Passivschicht infolge z. B. örtlicher Chromverarmung im Grundwerkstoff, auf ein<br />

spezifisches Medium, auf unzureichenden Zutritt <strong>von</strong> Sauerstoff oder auf überlagerte mechanische<br />

Beanspruchung.<br />

5


2.2.1 Interkristalline Korrosion (IK)<br />

Hierbei handelt es sich um einen selektiven Korrosionsangriff, bei dem korngrenznahe Bereiche<br />

des Werkstoffs durch das Korrosionsmedium bevorzugt angegriffen werden. Im weiteren Verlauf<br />

können einzelne Körner oder Korngruppen aus dem Verband herausgelöst werden, weshalb man<br />

auch <strong>von</strong> Kornzerfall spricht. Ursache für diese Korrosionsart ist die Bildung chromreicher<br />

Ausscheidungen auf den Korngrenzen, z. B. <strong>von</strong> Chromkarbiden, Chromnitriden, Sigmaphase.<br />

Dadurch verarmen die Nachbarbereiche an Chrom und besitzen dementsprechend eine verringerte<br />

Korrosionsbeständigkeit. Hängen die chromverarmten Bereiche zusammen, dann kann das<br />

Korrosionsmedium <strong>von</strong> der Oberfläche aus an ihnen entlang vordringen und den Kornverband<br />

zerstören. Die Sensibilisierung wird bei den austenitischen Stählen durch längeres Halten im<br />

Temperaturbereich zwischen etwa 500 bis 850 °C oder auch durch wiederholtes Wärmeeinbringen<br />

beim Mehrlagenschweißen hervorgerufen. In Bild 2-2 ist eine Schemaskizze einem Gefügebild<br />

gegenübergestellt. Das Auftreten <strong>von</strong> IK ist an kein spezifisches Korrosionsmedium gebunden. Sie<br />

wird bevorzugt in sauren wässrigen Lösungen, aber auch in Meerwasser, beobachtet.<br />

Bild 2-2. Interkristalline Korrosion (IK) korrosionsbeständiger Stähle.<br />

Weitgehende Beständigkeit austenitischer Cr-Ni-(Mo)-Stähle und ihres Schweißgutes gegenüber<br />

Kornzerfall lässt sich dadurch erreichen, dass die Chromverarmung der Korngrenzbereiche infolge<br />

Bildung <strong>von</strong> chromreichen Ausscheidungen vermieden wird. Zu diesem Zweck wird entweder der<br />

Kohlenstoffgehalt auf Werte <strong>von</strong> ≤ 0,03 % gesenkt (ELC-Stahl) oder der Kohlenstoff durch die<br />

sonderkarbidbildenden Elemente Ti, Nb, Ta abgebunden (stabilisiert), die eine höhere Affinität zu<br />

Kohlenstoff besitzen als Chrom. Solche Stähle können in dicken Abmessungen geschweißt<br />

werden, ohne Sensibilisierung hervorzurufen. Bild 2-3 [2-4] zeigt Kornzerfallsschaubilder unstabilisierter<br />

austenitischer Stähle mit rund 18 % Cr und 8 % Ni. Deutlich ist der Einfluss des<br />

C-Gehaltes auf die IK zu erkennen. Die Verminderung der 0,2-%- bzw. 1,0-%-Dehngrenze durch<br />

den erniedrigten Kohlenstoffgehalt lässt sich durch Zulegieren <strong>von</strong> Stickstoff ausgleichen, der<br />

erst bei Gehalten über etwa 0,2 % die IK-Beständigkeit vermindert. Eine Beseitigung der<br />

Sensibilisierung durch eine Wärmenachbehandlung (z. B. Lösungsglühen + Abschrecken) ist zwar<br />

möglich, wird in der Praxis im Hinblick auf Bauteilgröße und Verwerfungen nicht angewendet.<br />

Das Verhalten gegenüber IK kann mit verschiedenen Untersuchungsverfahren überprüft werden.<br />

Neben der elektrochemischen Oxalsäure-Prüfung (ASTM Standard A 262, practice A), dem<br />

Versuch in schwefelsäurehaltigen Medien (DIN EN ISO 3651-2, Verfahren A bis C) und dem<br />

Huey-Test in Salpetersäure (DIN EN ISO 3651-1) [2-5] hat sich vor allem der einfach durchzuführende<br />

Strauß-Test nach Verfahren A bewährt. Als Prüfmittel dient eine siedende Kupfersulfat-Schwefelsäure-Lösung<br />

mit Kupferspänen, das auf Cr-Gehalte unter etwa 15 % anspricht.<br />

Die Proben werden (20 ± 5) Stunden ohne Unterbrechung in der siedenden Lösung gehalten,<br />

anschließend gereinigt und auf einen Korngrenzenangriff untersucht. Mit dem geringsten Aufwand<br />

lässt er sich nachweisen, indem die Probe über einen Dorn gebogen wird. Infolge der Verformung<br />

6


werden im Zugbereich die angegriffenen Korngrenzen aufgeweitet und durch Abtasten oder unter<br />

dem Stereo-Mikroskop (etwa 10fache Vergrößerung) erkennbar. Gegebenenfalls ist ein<br />

metallographischer Schliff erforderlich. Eine Probe gilt als IK-beständig, wenn die Tiefe des<br />

Korngrenzenangriffs 0,05 mm nicht überschreitet. Fälschlicherweise wird eine Probe manchmal<br />

als IK-anfällig eingestuft, die beim Biegen wegen unzureichender Zähigkeit brach. Deshalb ist bei<br />

rissempfindlichen Werkstoffen ein Blindversuch mit einer gleichartigen Probe zweckmäßig, die<br />

nicht der Prüflösung ausgesetzt wurde.<br />

Bild 2-3. Kornzerfallsschaubild unstabilisierter<br />

austenitischer Stähle mit<br />

etwa 18 % Cr und 8 % Ni (nach<br />

Rocha) [2-4].<br />

2.2.2 Lochkorrosion (Lochfraß) und Spaltkorrosion<br />

Bei korrosionsbeständigem Stahl und Stahlguss wird die Lochkorrosion durch Halogenionen<br />

(außer Fluoriden) verursacht, die die Passivschicht an eng begrenzten Schwachstellen örtlich<br />

zerstören und zu einem nadelstichartigen oder kraterförmigen Korrosionsabtrag führen. Als<br />

Schwachstellen wirken z. B. sulfidische und oxidische Einschlüsse sowie Versetzungen, die<br />

gleichermaßen im Grundwerkstoff, in der WEZ und in der Schweißnaht liegen können. Falls keine<br />

schnelle Repassivierung möglich ist, löst sich im aktiven Bereich Metall auf, und es entsteht ein<br />

Loch, das nur eine kleine Öffnung zum Elektrolyten besitzt (siehe Bild 2-4). Der Lochgrund geht<br />

in Lösung, weil sich dort Halogenionen anreichern und nicht genügend Oxidationsmittel zur<br />

Repassivierung vorhanden ist [2-6]. Infolge der kleinen, anodisch wirkenden Lochfraßstelle<br />

gegenüber der großen, kathodisch wirkenden Passivschicht liegt an der Lochfraßstelle eine hohe<br />

Stromdichte vor, sodass dort der Werkstoff schnell abgetragen wird und das Werkstück in kurzer<br />

Zeit durchlöchert sein kann. Bei Lochkorrosion entstehen große Mengen <strong>von</strong> Korrosionsprodukten.<br />

Die Spaltkorrosion in engen Spalten eines Bauteiles und in Spalten zwischen Bauteil und nichtmetallischen<br />

Werkstoffen oder Ablagerungen/Verkrustungen erfolgt nach ähnlichem<br />

Mechanismus wie die Lochkorrosion.<br />

Loch- und Spaltkorrosion sind erst oberhalb eines kritischen Potentials möglich, das mit Lochkorrosionspotential<br />

bezeichnet wird. Bild 2-5 zeigt die Stromdichte-Potential-Kurve, in der der<br />

7


Anstieg der Stromdichte nach Überschreiten des Lochkorrosionspotentials (sogenannter Lochfraß-<br />

Ast) zu erkennen ist, das unterhalb des Transpassivbereiches liegt. Der Passivbereich wird also<br />

eingeschränkt.<br />

Bild 2-4. Loch- und Spaltkorrosion korrosionsbeständiger Stähle in chloridhaltigen wässrigen Lösungen.<br />

Die wichtigsten Einflussgrößen auf die Lage des Lochkorrosionspotentiales [2-7] lassen sich wie<br />

folgt einteilen:<br />

werkstoffabhängige Parameter:<br />

Oberflächenbeschaffenheit:<br />

Die Oberfläche muss metallisch sauber sein, darf also keine festhaftenden Spritzer, Schlackenreste,<br />

Anlauffarben, Fremdmetalle usw. aufweisen. In der Reihenfolge gestrahlt, geschliffen,<br />

gebeizt, elektropoliert steigt die Lochkorrosionsbeständigkeit.<br />

Gefügezustand:<br />

Nach dem Lösungsglühen und Abschrecken besitzen die korrosionsbeständigen Stähle die beste<br />

Lochkorrosionsbeständigkeit. Werkstoffinhomogenitäten wie nichtmetallische Einschlüsse (vor<br />

allem Sulfide), Ausscheidungen und Seigerungen führen zu unedleren Lochkorrosionspotentialen.<br />

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Bild 2-5. Anodische Stromdichte-Potential-Kurve<br />

eines<br />

passivierbaren Stahles in<br />

wässriger chloridhaltiger<br />

Lösung und Wirkung <strong>von</strong><br />

Legierungselementen auf das<br />

Lochkorrosionsverhalten.


Legierungszusammensetzung:<br />

Das Bild 2-5 lässt erkennen, dass die Legierungselemente Chrom und Molybdän die Lochkorrosionsbeständigkeit<br />

am wirksamsten verbessern. Lorenz und Médawar [2-8] definierten den<br />

Begriff der Wirksumme, mit der sich aus der chemischen Zusammensetzung die Beständigkeit<br />

gegen Loch- und Spaltkorrosion abschätzen lässt: Wirksumme = % Cr + 3,3 x % Mo. Sie ist<br />

gleichbedeutend mit dem amerikanischen Begriff „Pitting Resistance Equivalent PRE“. Für<br />

molybdänhaltige stickstofflegierte austenitische Stähle wurde die Wirksumme modifiziert zu % Cr<br />

+ 3,3 x % Mo + 30 x % N. Je höher die Wirksumme ist, desto beständiger ist der Stahl gegen<br />

Loch- und Spaltkorrosion. Für Werte über 32 ist der Stahl bzw. das Schweißgut in Meerwasser<br />

beständig.<br />

Spalte:<br />

Diese sind konstruktiv und fertigungstechnisch (z. B. Wurzelspalt, Einbrandkerbe) zu vermeiden.<br />

Ist das nicht möglich, ist die Spaltweite so zu vergrößern, dass das Medium ungehindert Zutritt<br />

erhält, sodass kein Konzentrationselement entstehen kann.<br />

elektrolytabhängige Parameter:<br />

– die Lochkorrosionsbeständigkeit nimmt ab mit steigender Konzentration der Halogenide,<br />

– mit sinkendem pH-Wert und<br />

– mit steigender Temperatur.<br />

In ruhenden Medien tritt Lochkorrosion wesentlich leichter auf als in strömenden Medien.<br />

In den meisten Fällen können die elektrolytabhängigen Parameter betriebsbedingt nicht geändert<br />

werden, sodass die erforderliche Beständigkeit gegen Loch- und Spaltkorrosion nur durch<br />

Optimieren der werkstoffabhängigen Parameter zu erreichen ist.<br />

Bild 2-6. Kritische Lochkorrosionstemperatur<br />

in Abhängigkeit vom Molybdängehalt.<br />

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Die Beständigkeit gegenüber Loch- und Spaltkorrosion kann mit chemischen und elektrochemischen<br />

Untersuchungsverfahren überprüft werden. Während die chemischen Prüfverfahren<br />

nur eine „Ja-Nein“-Aussage liefern, ermöglichen elektrochemische Prüfverfahren genauere<br />

Aussagen. Sie erfordern aber einen größeren versuchstechnischen Aufwand.<br />

Als Beispiel für ein chemisches Prüfverfahren kann der „Eisen-3-Chlorid-Test“ nach ASTM G 48<br />

[2-9] gelten. Bei diesem Versuch werden die Proben bei konstanter Temperatur 24 oder 72 h in<br />

einer Prüflösung aus 900 ml H 2 O + 100 g FeCl 3 ⋅ 6 H 2 O gehalten. Im Regelfall beginnt man die<br />

Versuche bei 20 °C. Wenn innerhalb der geforderten Haltezeit keine Lochkorrosion auftritt, wird<br />

die Temperatur jeweils in Schritten <strong>von</strong> 5 °C gesteigert. Als Kriterium gilt die Prüftemperatur, bei<br />

der gerade Lochkorrosion auftritt. Sie wird mit CPT = Critical Pitting Temperature bezeichnet.<br />

Je höher der Wert CPT, desto beständiger ist der Werkstoff. Bild 2-6 zeigt die kritische<br />

Lochkorrosionstemperatur verschiedener korrosionsbeständiger Stähle in Abhängigkeit vom Mo-<br />

Gehalt.<br />

Zur Überprüfung des Verhaltens gegenüber Spaltkorrosion wird der Versuch in gleicher Weise<br />

über 72 h durchgeführt, wobei zylindrische PTFE-Stücke (12,7 mm ∅, 12,7 mm hoch) mit<br />

Gummis auf die Oberfläche angedrückt werden.<br />

Für elektrochemische Prüfungen werden Potentiostate eingesetzt, die Aufschluss über das<br />

Verhalten des Werkstoffes in Abhängigkeit vom Potential geben. Die in Bild 2-5 gezeigte<br />

Stromdichte-Potential-Kurve wurde mit einem solchen Potentiostaten aufgenommen. Diese Prüfgeräte<br />

ermöglichen auch, Teilvorgänge des Korrosionsablaufes zu studieren und sind eine<br />

wertvolle Hilfe bei der Weiterentwicklung <strong>von</strong> korrosionsbeständigen Stählen und <strong>von</strong><br />

Korrosionsschutzsystemen.<br />

2.2.3 Spannungsrisskorrosion (SpRK)<br />

Diese Korrosionsart ist sehr gefährlich, weil sie ohne erkennbare Anzeichen wie Korrosionsprodukte<br />

oder plastische Verformung entsteht. Hinter der abtragenden flächigen Korrosion liegt<br />

sie in der Häufigkeit der in einem chemischen Werk auftretenden Korrosionsarten an zweiter<br />

Stelle. Zur SpRK kommt es bei den korrosionsbeständigen Stählen, wenn folgende Bedingungen<br />

gleichzeitig vorliegen:<br />

Bild 2-7. Rissentstehen und<br />

Risswachstum bei SpRK<br />

(schematisch).<br />

10


– Zugspannungen (Last- und/oder Eigenspannungen) überschreiten eine werkstoffspezifische<br />

Grenzspannung,<br />

– spezifisches Medium (Chloride),<br />

– Werkstoff mit Passiv- oder dichter Deckschicht, der gegen SpRK anfällig ist,<br />

– fallweise Temperatur über etwa 50 °C.<br />

Bei den austenitischen korrosionsbeständigen Stählen können chloridhaltige Medien und konzentrierte<br />

Laugen die anodische Spannungsrisskorrosion auslösen. Der Mechanismus für die<br />

Entstehung der SpRK ist bis heute noch nicht im Einzelnen geklärt. Man nimmt an, dass nach<br />

Überschreiten der recht niedrigen Grenzspannung die Passivschicht örtlich durch Gleitvorgänge<br />

zerstört wird und <strong>von</strong> dort unter Einwirkung <strong>von</strong> Chloriden der Anriss ausgeht (siehe<br />

Schemaskizze Bild 2-7) [2-10]. Die Risse entstehen senkrecht zur wirkenden Hauptnormalspannung<br />

und verlaufen transkristallin in die Tiefe, wobei sie sich meist wie ein Wurzelwerk<br />

verzweigen. Im Bruchbereich ist keine Brucheinschnürung zu erkennen. Obwohl der Werkstoff<br />

völlig zäh geblieben ist, weist der Schadensbereich makroskopisch das Aussehen eines<br />

Sprödbruchs auf.<br />

Um SpRK zu vermeiden, reicht es, dass eine der genannten Bedingungen nicht erfüllt ist. Das<br />

Medium und die Temperatur sind meist <strong>von</strong> der Betriebsweise vorgegeben und nicht zu ändern.<br />

Die Zugspannungen lassen sich nur in geringem Maß durch geeignete schweißtechnische<br />

Maßnahmen bzw. durch Kugelstrahlen verringern. In erster Linie bietet sich die Wahl eines<br />

beständigeren Werkstoffes an.<br />

Bild 2-8. Abhängigkeit der Lebensdauer <strong>von</strong><br />

Drahtzugproben aus korrosionsbeständigem Stahl mit<br />

18 bis 25 % Cr in siedender 42 %iger MgCl 2 -Lösung<br />

vom Nickelgehalt [2-11].<br />

Bild 2-8 zeigt die Abhängigkeit der Standzeit <strong>von</strong> Drahtzugproben aus korrosionsbeständigem<br />

Stahl mit 18 bis 25 % Cr in siedender MgCl 2 -Lösung (42 %) in Abhängigkeit vom Ni-Gehalt<br />

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