Netzwerk Südbaden - August 2015
Augustausgabe 2015
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Märkte<br />
der Geschäftsführung – Berufungen, Absetzungen, Umstrukturierungen,<br />
Zielvorgaben und anderes – Vorstandssache sind, so ist doch<br />
eines unbestreitbar klar: Paul Baier hatte einst die Zustimmung der<br />
gesamten Vollversammlung – der übrigens unter anderen auch Präsident<br />
Johannes Ullrich und die Vizepräsidenten Christoph Burger –<br />
eingeholt, als er Burger zum HGF machte. Diese Zustimmung des<br />
obersten, ihm übergeordneten Gremiums, kann der Vorstand kaum<br />
im Alleingang kippen. Denn nach Paragraph 106 Handwerksordnung<br />
(HwO) – einem Bundesgesetz – obliegt der Vollversammlung „die<br />
Wahl des Geschäftsführers, bei mehreren Geschäftsführern die des<br />
Hauptgeschäftsführers und der Geschäftsführer“. Ein Bundesgesetz<br />
steht „rangmäßig über allen anderen deutschen Rechtsnormen“. 52<br />
von 53 Handwerkskammern halten sich an die in der HwO festgelegten<br />
Vorschriften – nur Freiburg nicht.<br />
Hier könnte man sich also auf dünnem Eis bewegen, doch in der<br />
jüngsten Pressemitteilung der Kammer vom 12. <strong>August</strong> wird betont:<br />
„die Handwerkskammer Freiburg hat in ihrer aktuellen Satzung und<br />
Geschäftsordnung nach dem so genannten „Freiburger Modell“ die<br />
Vertretung der Kammer durch Mitglieder des Vorstandes (Präsident<br />
und Vizepräsident) geregelt. Einen von der Vollversammlung gewählten<br />
Hauptgeschäftsführer gibt es in der Handwerkskammer Freiburg<br />
nicht. Rechtlich bestehen gegen dieses sog. „Freiburger Modell“ nach<br />
dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (4 K<br />
196/04 vom 10.02.2005) keine Bedenken“. Aber: das Urteil bejaht<br />
lediglich, dass eine Kammer auf die Ernennung eines HGF verzichten<br />
kann. Damit ist aber nicht geregelt, wie mit der Situation umzugehen<br />
ist, wenn die Vollversammlung einen HGF bestellt oder akzeptiert<br />
hat. Und was noch schwerer wiegt: alle Beteiligten haben seit 2011<br />
das Baier’sche HGF-Konstrukt akzeptiert und mitgetragen, womit es<br />
durch sogenanntes „concludentes Handeln“ Rechtskraft erlangt hat.<br />
Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg – die Rechtsaufsicht<br />
der Kammer – versagte 2005 übrigens der Freiburger Satzungsänderung<br />
die Genehmigung, weil es der Auffassung war, das übergeordnete<br />
Gesetz, die HwO, setze bei den Handwerkskammern die Funktion<br />
eines Hauptgeschäftsführers zwingend voraus.<br />
Weder vom Baden-Württembergischen Handwerkskammertag<br />
(BWHT) noch vom Zentralverband des deutschen Handwerks<br />
(ZDH) gibt es Stellungnahmen, ob hier Selbstverwaltung und Demokratie<br />
in den Kammern beschädigt werden. Der BWHT lässt sich<br />
komplett verleugnen, beim ZDH gibt es die dürre Stellungnahme,<br />
dass man sich nicht in die Dinge der Mitglieder einmische. Der Eindruck<br />
entsteht, dass man in Berlin die Vorgänge in Freiburg jedoch<br />
genau beobachtet und – so klingt es an – es zur Gepflogenheit des<br />
ZDH gehört, Dinge intern zu regeln.<br />
Aber abgesehen von den juristischen und anderen Implikationen legt<br />
die Kammer Freiburg jetzt mit ihrem Vorgehen Hand an die Vollversammlung<br />
der Kammer(n). Damit beschädigt sie die eben noch so<br />
wortreich beschworene Demokratie („Gebt die Kammer denen, die<br />
sie bezahlen!“ Ullrich), in dem sie die Selbstverwaltung der Mitglieder<br />
ad absurdum führt: egal, was das oberste Gremium, die Vollversammlung,<br />
entscheidet – die wahre Macht, so kommt es derzeit rüber, liegt<br />
bei Präsidium und Vorstand, man hat also de facto eine Oligarchie installiert.<br />
Tatsächlich erfuhren einige Vollversammlungsmitglieder erst<br />
aus der Presse von Burgers Absetzung. Der Streit Handwerkskammer/<br />
Burger dürfte also noch lange nicht ausgestanden sein und über die<br />
Frage, „Ist Johannes Burger HGF oder nicht?“ hinausgehen. Sicher ist<br />
jetzt aber schon eines: keiner der Teilnehmer wird die Walstatt unbeschädigt<br />
verlassen. <br />
KOMMENTAR<br />
Sommertheater<br />
Für angestellte Manager gilt das als normales Lebensrisiko:<br />
Sie können hochgelobt werden – aber ihr Job kann auch so<br />
schnell verschwinden wie Eis in der Sommersonne. Manchmal,<br />
weil sie nicht die Leistung gebracht haben, die die hohe Bezahlung<br />
rechtfertigt. Sehr viel öfter liegt der berufliche Absturz aber<br />
im persönlichen Bereich begründet. Man mag sich nicht mehr,<br />
die Chemie stimme nicht, wie man gerne betont. Anwälte führen<br />
Gespräche, die Formel „im beiderseitigen Einvernehmen“<br />
sei die Trennung erfolgt, ist eine der selbstverständlichsten und<br />
dreistesten Lügen. Aber allseits akzeptiert. Abfindungen werden<br />
gezahlt, freundliche Presseerklärungen verfasst, es soll ja keiner<br />
sein Gesicht verlieren. Das heißt, der gefeuerte Manager, die<br />
gefeuerte Managerin haben möglicherweise ihr Gesicht nicht<br />
verloren, aber doch feststellen müssen, dass Loyalität eine Einbahnstraße<br />
ist - nach unten gilt sie nicht.<br />
Jeden Tag vermelden die Wirtschaftsteile der Zeitungen einvernehmliche<br />
Trennungen, sie gehören eben zum Geschäftsleben.<br />
Es sind leider keine „badischen Lösungen“, die in diesem Sommer<br />
in die Schlagzeilen gerutscht sind. Während original badische<br />
Lösungen im Ergebnis immer ein „sowohl als auch“ enthalten,<br />
haben sowohl eine hauchdünne Mehrheit des Freiburger<br />
Gemeinderats wie auch das Präsidium der Handwerkskammer<br />
Freiburg (HWK) neue Maßstäbe gesetzt: Die Stadträte haben<br />
gegen die Stimmen von CDU und Grünen beschlossen, dem<br />
Stadtbau Geschäftsführer Ralf Klausmann einen weiteren Geschäftsführer<br />
zuzuordnen. Klausmann hat zwar einen guten Job<br />
gemacht, er haut gelegentlich ganz nett auf die Pauke und hat<br />
leider auch schon ziemlich dummes Zeug geredet - aber deshalb<br />
einen mittleren sechsstelligen Betrag an Steuergeldern für einen<br />
zweiten Geschäftsführer ausgeben? Hier wird doch ein durchsichtiges<br />
Machtspielchen aufgeführt, das im Wesentlichen nur<br />
dazu dient, das Ansehen Klausmanns zu ramponieren.<br />
Noch schlimmer (siehe auch die Pressemiteilungen) ist, was<br />
Präsidium und Vorstand der Handwerkskammer mit ihrem<br />
Hauptgeschäftsführer Johannes Burger angestellt haben. Die<br />
Kammeroberen um den im November 2014 neu gewählten Präsidenten<br />
Johannes Ullrich mögen ja so etwas wie eine badische<br />
Lösung im Auge gehabt haben, um dem angestellten Chef ihrer<br />
Organisation drastisch klarzumachen, wer eigentlich das Sagen<br />
hat. Burger, der mit dem vormaligen Präsidenten Paul Baier<br />
ein hervorragendes Tandem bildete - durchaus zum Ruhme der<br />
Kammer - sieht sich nun unversehens als simpler Geschäftsführer<br />
wieder. Nach außen soll er die Kammer nicht mehr repräsentieren,<br />
genau das war die Stärke des mittlerweile 61-Jährigen.<br />
Man erinnere nur, der Mann ist nicht nur ein bisschen im Ansehen<br />
ramponiert, man hat ihn regelrecht beschädigt. Als Chef<br />
der HWK kann er einpacken, Burger wird zur komischen Figur<br />
gemacht. Man nennt dies schlicht Mobbing, und das auch noch<br />
mit Vorsatz. Kein Wort darüber, dass auch Hauptgeschäftsführer<br />
ihren Job verlieren können, wenn das Vertrauensverhältnis<br />
mit den Ehrenamtlichen nicht mehr stimmt. Darüber muss man<br />
sprechen, dann muss man notfalls unangenehme Konsequenzen<br />
ziehen. Aber bitte nicht so, wie in diesem Fall. Da sind zu viele<br />
Dinge auf der Strecke geblieben, die den vernünftigen Umgang<br />
von Menschen betreffen. Und wenn möglicherweise entscheidende<br />
formale Fehler gemacht wurden, ist dies noch viel schlimmer.<br />
Eine wirklich unsägliche Sommergeschichte <strong>2015</strong>. <br />
netzwerk südbaden 43