Netzwerk Südbaden - August 2015

Augustausgabe 2015 Augustausgabe 2015

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31.08.2015 Aufrufe

Märkte GESPRÄCH Bürgermeister sind Wirtschaftsförderer Neuenburgs Bürgermeister Joachim Schuster über die Entwicklung seiner Stadt Er gilt als clever, weitblickend, durchsetzungsfähig, gut vernetzt und findet mit seiner Politik für Neuenburg Zustimmung auch über Parteigrenzen hinaus. Dass Neuenburg am Rhein prosperiert, ist nicht zuletzt sein Verdienst. Doch trotz aller Erfolge muss die Stadt zukunftssicher gemacht werden, denn die jüngste globale Wirtschafts- und Finanzkrise zeigte, wie schnell sich Parameter ändern können und auch in „guten Zeiten“ gibt es Dinge, die einen Rathaus-Chef umtreiben. Stefan Pawellek sprach mit Neuenburgs Bürgermeister Joachim Schuster. netzwerk südbaden: Es gibt die Bezeichnung „Sandwich-Stadt“ für Neuenburg, weil der Ort genau in der Mitte der stärker werdenden Bevölkerungsbewegung weg von Freiburg bzw. weg aus Lörrach/Basel liegt. Es kommen Mitbürger, die sich Freiburg oder Lörrach nicht mehr leisten können oder wollen: beunruhigt Sie die Möglichkeit, dass es damit in Neuenburg zu einem Verdrängungswettbewerb auf dem Wohnungsmarkt und damit zu sozialen Gegensätzen kommen kann? Joachim Schuster: Die Situation ist für uns nicht neu. Die Pendleranteile nach Freiburg und Basel haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten auf 15 Prozent verdoppelt. Paare und Familien mit Arbeitsplätzen in Freiburg und Basel haben bisher schon Neuenburg am Rhein als Wohnort gewählt. Neu ist, dass neben dem Autobahnanschluss mit der Wiederaufnahme des Schienenverkehrs die Anbindung nach Freiburg sich weiter verbessert und mit allen weiterführenden Schulen am Ort die Zähringerstadt zusätzlich an Attraktivität gewonnen hat. Diesem Trend haben wir mit der Ausweisung von Neubaugebieten und dem Bau von genossenschaftlichem Mietwohnungsbau begegnen können. Zurzeit planen wir den weiteren Ausbau von preisgünstigem Mietwohnungsbau, um dem Siedlungsdruck und einem möglichen Verdrängungswettbewerb begegnen zu können. Joachim Schuster netzwerk südbaden: Allenthalben klagen Firmen über fehlende Arbeitskräfte, fehlende Fachleute. Bringt die Zuzugsbewegung als Nebeneffekt eine Entspannung auf dem Neuenburger Arbeitsmarkt? Joachim Schuster: Der Wirtschaftsstandort Neuenburg am Rhein ist von unter 2.000 Arbeitsplätzen auf 4.500 angewachsen. Der Anteil französischer Arbeitskräfte liegt bei über 700. Unser Ziel ist es nach wie vor, den Menschen, die in Neuenburg arbeiten, auch Wohngelegenheiten anzubieten. Die Zuzugsbewegung, die sich aus Pendlern speist, entspannt den Facharbeitskräftemangel vor Ort nicht. Vielmehr gehen die Firmen vermehrt dazu über, Arbeitskräfte aus ganz Europa anzuwerben. Über unseren Arbeitskreis Wirtschaft und Schule sind wir allerdings sehr bemüht, die Jugendlichen, die mit den Zuzügen zu uns an den Rhein kommen, gemeinsam eng zu betreuen. netzwerk südbaden: Es heißt, dass Firmen heute den Arbeitskräften folgen und nicht mehr umgekehrt wie früher. Haben Sie Anfragen von Unternehmen, die sich in Neuenburg ansiedeln wollen bzw. von ansässigen Firmen, die vergrößern wollen? Was dürfen wir da erwarten? Joachim Schuster: Ansiedlungsinteressierte Firmen sondieren den Markt heute wesentlich intensiver als früher. Die weichen Standortfaktoren stehen viel mehr im Vordergrund. Seit die Arbeitnehmer eine breitere Auswahl an Arbeitsplatzangeboten haben und sich die Flexibilität und Mobilität bei der jüngeren Generation stark verändert haben, müssen die Firmen mehr als nur einen gut bezahlten Job bieten. Interne Weiterqualifikationsmöglichkeiten und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen am Wohn- und Arbeitsort sind wichtige Trümpfe, um Menschen nach Südbaden zu locken. Allerdings erkennen auch wir den starken Trend, Bedarfsspitzen durch Leiharbeitskräfte zu decken. Gerade in letzter Zeit haben Firmen in Neuenburg mächtig expandiert. Zum Beispiel die Firmen Losan, Nemera, Vitra, Zoatec, JCI, PlasmaElectronic, Graewe und andere. Mit der Firma Freudenberg entwickeln wir auf deren Gelände Industrieflächen für nahezu 10 ha für ansiedlungswillige Firmen, die es auch schon gibt. Mit den Eigentümern des früheren Areals der Firma Buck streben wir die Aktivierung von sieben ha Industrieund Gewerbeflächen an. Das breite Mix von Produktionsbetrieben stärkt uns bei konjunkturellen Schwankungen und unsere intensive Bestandsbetreuung ermöglicht auch Arbeitskräfte standortintern bei Bedarf zu vermitteln und so für Ausgleich bei Stellenauf- und abbauten zu sorgen. netzwerk südbaden: Sie sind schon lange und erfolgreich Bürgermeister. Aus ihrer Erfahrung: was sind die wichtigen Parameter, die ein Ort haben muss, um Unternehmen anzuziehen und was kann eine Kommune tun, um attraktiv für Firmen zu sein? Worauf muss man achten? Joachim Schuster: Der erste Wirtschaftsförderer vor Ort ist der Bürgermeister. Die Unternehmer, Werks- und Geschäftsleitungen wollen Gesprächspartner auf Augenhöhe und erwarten Entscheidungskompetenzen. Ansiedlungsinteressierte Firmen wollen in Zuzugsregionen investieren. Zu- 12 netzwerk südbaden

Märkte zug generiert man über gute Bildungs-, Betreuungs- sowie Freizeitangebote vor Ort. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf siedeln viele Menschen immer höher an, auch in akademischen Berufsfeldern. Dafür muss man Antworten parat haben. Die Verkehrsinfrastruktur muss für Unternehmen wie für Arbeitskräfte passen. Ein guter ÖPNV ersetzt für Familien oft die Kosten für das Zweitauto. Unternehmen wollen auch nach einer Ansiedlung umfassend betreut werden. Eine regelmäßige und offene Kommunikation mit der Verwaltung wird erwartet und schafft Vertrauen. Interessanterweise sind diese Rahmenbedingungen für die Unternehmen wichtiger als zum Beispiel 10 Euro/ m² Differenz beim Grunderwerb. Ein Beispiel dafür sind die wesentlich billigeren Grundstückspreise in Frankreich und trotzdem findet deswegen keine Flucht der Firmen über die Grenze statt. netzwerk südbaden: Beobachtet man die Wünsche von Bürgern, Verbänden, Initiativen, Parteien, so bekommt man den Eindruck, dass eine große Spalte klafft zwischen dem, was die Regierten wünschen und dem, was die Regierenden zu tun in der Lage sind – beispielsweise wegen gesetzlicher Vorgaben. Wo liegen denn aus Ihrer Erfahrung die größten Missverständnisse zwischen Bürgern und Amtsträgern? Joachim Schuster: Der Blickwinkel der Öffentlichkeit für Gemeinwohlthemen und -aufgaben hat sich verengt. Solange Entscheidungen den Bürger nicht unmittelbar betreffen, schiebt man Betroffenheiten und Beteiligungen weit von sich. Je näher die Einschläge durch Entwicklungen und politische Entscheidungen kommen, wachsen die Widerstände. Menschlich verständlich für das Gemeinwohl – aber „Die gute Unterbringung von Flüchltlingen macht uns große Sorgen“ zunehmend bedenklich. Deswegen würde ich nicht von Missverständnissen reden wollen, sondern eher von Befindlichkeiten und zunehmender mangelnder Solidarität in unserer Gesellschaft. In Neuenburg machen wir seit vielen Jahren Zukunftswerkstätten zu wichtigen kommunalpolitischen Themen, zwischenzeitlich zwölf an der Zahl. Die aktiven Mitstreiter umfassen dabei zwischen 30 und 60 Personen bei nahezu 10.000 Wahlberechtigten. Es scheint fast so zu sein, dass die Bürgerschaft sich nur noch bei polarisierenden Themen mobilisieren lässt. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis, das galt so in der politischen Arbeit schon immer. Zugegebener Maßen sind heute die Themen komplexer und in der Tiefe schwieriger geworden. Auf der anderen Seite sind Gemeinderäte und Verwaltungen deshalb mehr denn je gefordert, ihre Entscheidungswege transparenter zu machen; dies aber auch nicht im Sinne einer Entmündigung der Gremien. Bürgerwille nach dem Motto „Was willst du?“ zu realisieren, wäre falsch verstanden. Entscheidungswege erläutern und erklären sind die Grundlagen, dem müssen aber dann auch klare Entscheidungen in den Gremien und die Umsetzung der Ergebnisse folgen, damit Missverständnisse vermieden werden. netzwerk südbaden: Welche Aufgaben müssen Sie, zusammen mit dem Gemeinderat, in der näheren Zukunft angehen? Joachim Schuster: Wie allen anderen Institutionen auch, machen uns die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen große Sorgen. Die bisher einmalige Solidarität von Ehrenamtlichen bei der Unterstützung der Betreuung von Flüchtlingen droht auf Grund der schieren Anzahl von weiteren Flüchtlingen zur Überforderung des Ehrenamtes zu führen. Hier ist die weitere Unterstützung aus der Bürgerschaft erforderlich. Wir haben in Neuenburg durch verschiedene Aufrufe bereits eine ordentliche Zahl an privatem Wohnraum für Asylsuchende vermitteln können. Die Schaffung von bezahlbarem Mietwohnungsbau haben wir auf der Agenda sowie die Stadtentwicklung Ortsmitte 3 und die Planung der Landesgartenschau 2022. Der zeitnahe Ausbau der Breitbandversorgung und der Betreuungsangebote für Kinder stehen oben an. Neue Wohnbauflächen werden auf der Gemarkung erforderlich und der Haushaltsentwurf 2016 wartet ab September auf Verwaltung und Gremien. In unserem Systemhaus sind die besten Lösungen daheim. Stiegeler IT Systemhaus GmbH & Co. KG Paradiesstraße 18 | D-79677 Schönau Mit viel Erfahrung, höchster Beratungskompetenz und neuesten Technologien kümmern wir uns um Ihre IT. Wir bieten unseren Geschäftskunden: › Network › Security › Server/Storage › Software › Service /Training › Virtualisierung und Cloud-Lösungen www.stiegeler.com netzwerk südbaden 13

Märkte<br />

zug generiert man über gute Bildungs-, Betreuungs-<br />

sowie Freizeitangebote vor Ort.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

siedeln viele Menschen immer höher an,<br />

auch in akademischen Berufsfeldern. Dafür<br />

muss man Antworten parat haben. Die<br />

Verkehrsinfrastruktur muss für Unternehmen<br />

wie für Arbeitskräfte passen. Ein guter<br />

ÖPNV ersetzt für Familien oft die Kosten<br />

für das Zweitauto. Unternehmen wollen<br />

auch nach einer Ansiedlung umfassend<br />

betreut werden. Eine regelmäßige und offene<br />

Kommunikation mit der Verwaltung<br />

wird erwartet und schafft Vertrauen. Interessanterweise<br />

sind diese Rahmenbedingungen<br />

für die Unternehmen wichtiger als<br />

zum Beispiel 10 Euro/ m² Differenz beim<br />

Grunderwerb. Ein Beispiel dafür sind die<br />

wesentlich billigeren Grundstückspreise in<br />

Frankreich und trotzdem findet deswegen<br />

keine Flucht der Firmen über die Grenze<br />

statt.<br />

netzwerk südbaden: Beobachtet man die<br />

Wünsche von Bürgern, Verbänden, Initiativen,<br />

Parteien, so bekommt man den Eindruck,<br />

dass eine große Spalte klafft zwischen<br />

dem, was die Regierten wünschen und dem,<br />

was die Regierenden zu tun in der Lage sind<br />

– beispielsweise wegen gesetzlicher Vorgaben.<br />

Wo liegen denn aus Ihrer Erfahrung die größten<br />

Missverständnisse zwischen Bürgern und<br />

Amtsträgern?<br />

Joachim Schuster: Der Blickwinkel der<br />

Öffentlichkeit für Gemeinwohlthemen<br />

und -aufgaben hat sich verengt. Solange<br />

Entscheidungen den Bürger nicht unmittelbar<br />

betreffen, schiebt man Betroffenheiten<br />

und Beteiligungen weit von sich. Je<br />

näher die Einschläge durch Entwicklungen<br />

und politische Entscheidungen kommen,<br />

wachsen die Widerstände. Menschlich<br />

verständlich für das Gemeinwohl – aber<br />

„Die gute Unterbringung<br />

von Flüchltlingen macht<br />

uns große Sorgen“<br />

zunehmend bedenklich. Deswegen würde<br />

ich nicht von Missverständnissen reden<br />

wollen, sondern eher von Befindlichkeiten<br />

und zunehmender mangelnder Solidarität<br />

in unserer Gesellschaft. In Neuenburg<br />

machen wir seit vielen Jahren Zukunftswerkstätten<br />

zu wichtigen kommunalpolitischen<br />

Themen, zwischenzeitlich zwölf an<br />

der Zahl. Die aktiven Mitstreiter umfassen<br />

dabei zwischen 30 und 60 Personen bei nahezu<br />

10.000 Wahlberechtigten. Es scheint<br />

fast so zu sein, dass die Bürgerschaft sich<br />

nur noch bei polarisierenden Themen<br />

mobilisieren lässt. Das ist allerdings keine<br />

neue Erkenntnis, das galt so in der politischen<br />

Arbeit schon immer. Zugegebener<br />

Maßen sind heute die Themen komplexer<br />

und in der Tiefe schwieriger geworden. Auf<br />

der anderen Seite sind Gemeinderäte und<br />

Verwaltungen deshalb mehr denn je gefordert,<br />

ihre Entscheidungswege transparenter<br />

zu machen; dies aber auch nicht im<br />

Sinne einer Entmündigung der Gremien.<br />

Bürgerwille nach dem Motto „Was willst<br />

du?“ zu realisieren, wäre falsch verstanden.<br />

Entscheidungswege erläutern und erklären<br />

sind die Grundlagen, dem müssen aber<br />

dann auch klare Entscheidungen in den<br />

Gremien und die Umsetzung der Ergebnisse<br />

folgen, damit Missverständnisse vermieden<br />

werden.<br />

netzwerk südbaden: Welche Aufgaben müssen<br />

Sie, zusammen mit dem Gemeinderat, in<br />

der näheren Zukunft angehen?<br />

Joachim Schuster: Wie allen anderen Institutionen<br />

auch, machen uns die menschenwürdige<br />

Unterbringung von Flüchtlingen<br />

große Sorgen. Die bisher einmalige Solidarität<br />

von Ehrenamtlichen bei der Unterstützung<br />

der Betreuung von Flüchtlingen droht<br />

auf Grund der schieren Anzahl von weiteren<br />

Flüchtlingen zur Überforderung des Ehrenamtes<br />

zu führen. Hier ist die weitere Unterstützung<br />

aus der Bürgerschaft erforderlich.<br />

Wir haben in Neuenburg durch verschiedene<br />

Aufrufe bereits eine ordentliche Zahl<br />

an privatem Wohnraum für Asylsuchende<br />

vermitteln können. Die Schaffung von bezahlbarem<br />

Mietwohnungsbau haben wir<br />

auf der Agenda sowie die Stadtentwicklung<br />

Ortsmitte 3 und die Planung der Landesgartenschau<br />

2022. Der zeitnahe Ausbau der<br />

Breitbandversorgung und der Betreuungsangebote<br />

für Kinder stehen oben an. Neue<br />

Wohnbauflächen werden auf der Gemarkung<br />

erforderlich und der Haushaltsentwurf<br />

2016 wartet ab September auf Verwaltung<br />

und Gremien. <br />

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