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P E R S P E K T I V E - Dr. Loew

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_SOZIALPOLITIK<br />

Pflege adaptiert werden. Er hilft, zentrale Handlungsfelder zu identifizieren und<br />

konkrete Handlungsempfehlungen auszusprechen. Die Übertragung erfolgte in<br />

einem zweistufigen Prozess: Zunächst wurden Kriterien abgeleitet, die erfüllt<br />

sein müssen, will man in einem Handlungsfeld von einer nachhaltigen Entwicklung<br />

sprechen. Folgende Nachhaltigkeitskriterien konnten dabei identifiziert<br />

werden: Gesellschaftliche Teilhabe, Selbstbestimmung, Partizipation und Lebensqualität.<br />

Zur Feststellung des Zielerreichungsgrades galt es im Anschluss<br />

spezifische Indikatoren abzuleiten, die als empirisch überprüfbare „Anzeiger“<br />

für die genannten Nachhaltigkeitskriterien im Kontext häuslicher Pflegearrangements<br />

fungieren. Diese Ableitung spezifischer Indikatoren für das Handlungsfeld<br />

häusliche Pflege erfolgte unter Rückgriff auf theoretische Konstrukte und<br />

Begriffe aus der Pflege- und Sozialwissenschaft sowie der Sozialgerontologie,<br />

um intersubjektiv nachvollziehbare Bewertungen zum Stand von Qualitätsentwicklungsprozessen<br />

abgeben zu können. Das Ergebnis kann man wie folgt<br />

zusammenfassen: Auch wenn für eine differenzierte Analyse zum Teil noch empirisch<br />

belastbares Datenmaterial fehlt, macht eine Literaturauswertung deutlich,<br />

dass eine nachhaltige Qualitätsentwicklung im Kontext häuslicher Pflegearrangements<br />

in der Bundesrepublik Deutschland noch am Anfang steht.<br />

Kriterien- und Indikatorenset<br />

Kriterium Indikator<br />

Teilhabe am gesell- · Versorgungsgrad mit barrierefreiem Wohnraum<br />

schaftlichen Leben · Versorgungsgrad mit personenbezogenen<br />

sozialen Diensten<br />

· Vorhandensein einer Beratungsstruktur<br />

Selbstbestimmung · Grad der Mitgestaltung eigener Lebensumstände<br />

/ Autonomie · Beteiligungsgrad an spezifischen Pflegemaßnahmen<br />

· Grad der Unterstützung, eigene Ressourcen für die<br />

Aufrechterhaltung eines häuslichen Pflegearrangements<br />

zu mobilisieren<br />

· Grad der Informiertheit über mögliche Handlungsoptionen<br />

Partizipation / Kooperation<br />

<strong>Dr</strong>.<strong>Loew</strong> PERSPEKTIVE 2011<br />

· Beteiligungsgrad freiwillig Engagierter im Rahmen<br />

von häuslichen Pflegearrangements<br />

· Kooperationsgrad der Akteure in institutionellen<br />

Versorgungs- und Betreuungsstrukturen<br />

· Ausprägungsgrad der Zusammenarbeit von<br />

Freiwilligen und Professionellen<br />

Lebensqualität · Grad des Vorhandenseins geeigneter Instrumente<br />

zur Erfassung von Lebensqualität bei Hilfe- und<br />

Pflegebedürftigen<br />

· Ausprägungsgrad von Lebensqualitätserhebungen<br />

im Kontext häuslicher Pflegearrangements<br />

Ein Blick auf die einzelnen Kriterien und ihre korrespondierenden Indikatoren<br />

zeigt, dass sich der Grad der Ausprägung unterschiedlich darstellt. Hinsichtlich<br />

der Kriterien „Gesellschaftliche Teilhabe“ und „Partizipation“ lassen sich<br />

positive Entwicklungstrends erkennen. Bei den Indikatoren „Versorgungsgrad<br />

mit barrierefreiem Wohnraum“ und „Versorgungsgrad mit personenbezogenen<br />

sozialen Diensten“ ist ein dynamischer Prozess in Gang gekommen, den es<br />

weiter zu befördern gilt. Der Ausprägungsgrad beim Indikator „Kooperationsgrad<br />

der Akteure in institutionellen Versorgungs- und Betreuungsstrukturen“<br />

hat sich – nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Regelungen – in den vergangenen<br />

Jahren positiv entwickelt. Auch beim Indikator „Beteiligung freiwillig Engagierter“<br />

weisen die Ergebnisse auf einen positiven Trend hin. Inzwischen existiert in<br />

Deutschland eine beachtliche Anzahl an entsprechenden Betreuungsstrukturen<br />

und Konzepten. Dabei ist insbesondere die systematische Einbindung der verfügbaren<br />

Hilfeangebote freiwillig Engagierter in die Regelversorgung sowie eine<br />

stärkere Partizipation an den Organisations- und Kommunikationsabläufen in<br />

den professionellen Kooperationsnetzwerken notwendig. Dass dies gelingen<br />

kann, zeigen die Ergebnisse des Modellprogramms „Altenhilfestrukturen der<br />

Zukunft“, in denen Qualifizierungs- und Qualitätskonzepte entwickelt wurden,<br />

die sich durchaus bewährt haben (Klaes et al. 2004). Beim Indikator „Vorhandensein<br />

einer Beratungsstruktur“ wird deutlich, dass sich über die gesetzliche<br />

Verpflichtung nach § 7 SGB XI hinausgehende regionale trägerunabhängige<br />

Beratungsstellen in den Bundesländern etabliert<br />

haben, die im Sinne einer nachhaltigen<br />

Qualitätsentwicklung sowohl quantitativ als<br />

auch qualitativ weiter ausgebaut und verstetigt<br />

werden sollten.<br />

Erhöhter Handlungsbedarf besteht dagegen<br />

mit Blick auf das Kriterium „Selbstbestimmung“.<br />

Der Ausprägungsgrad ist bei den<br />

vier Indikatoren „Grad der Mitgestaltung eigener<br />

Lebensumstände“, „Beteiligungsgrad<br />

beim Einsatz von spezifischen Pflegemaßnahmen“,<br />

„Grad der Unterstützung, eigene<br />

Ressourcen für die Aufrechterhaltung eines<br />

häuslichen Pflegearrangements zu mobilisieren“<br />

sowie „Grad der Informiertheit über<br />

Handlungsoptionen“ jeweils schwach. Die<br />

analysierten Studien und Forschungsberichte<br />

zeigen zwar, dass Hilfe- und Pflegebedürftige<br />

aktiv versuchen, an Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen<br />

bei den praktischen<br />

Dingen des Pflege- und Lebensalltags mitzuentscheiden.<br />

Das Ausmaß der Beteiligung<br />

hängt dabei im Wesentlichen vom jeweiligen<br />

Bewältigungsstil, der Beziehungsqualität,<br />

von der Konstellation des Arrangements<br />

sowie der Zugehörigkeit zu einem sozialen<br />

Milieu ab. Unzureichende Informationen<br />

über Handlungsoptionen oder Wahlmöglichkeiten,<br />

enge finanzielle Spielräume sowie<br />

bestimmte Formen häuslicher Pflegearrangements<br />

grenzen jedoch die Möglichkeiten<br />

der Hilfe- und Pflegebedürftigen ein, möglichst<br />

selbstbestimmt in Aushandlungs- und<br />

Entscheidungsprozessen zu agieren. Hinsichtlich<br />

der Beteiligung Pflegebedürftiger an<br />

spezifischen Pflegemaßnahmen kann festgehalten<br />

werden, dass die professionellen<br />

Akteure in der Pflegepraxis gegenwärtig<br />

von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch machen.<br />

Ein wichtiger Handlungsansatz für eine<br />

nachhaltige Qualitätsentwicklung im Kontext<br />

häuslicher Pflegearrangements besteht daher<br />

in der Etablierung des wegweisenden<br />

Empowerment-Konzepts. Gerade mit Blick<br />

auf den demografischen Wandel können<br />

durch solche partizipative Strategien insbesondere<br />

isolierte Hilfe- und Pflegebedürftige<br />

befähigt werden, die Selbstkontrolle und<br />

Selbstverantwortung über ihre persönliche<br />

Lebensgestaltung (wieder) zu erlangen. Für<br />

das Kriterium „Lebensqualität“ und die Indikatoren<br />

„Vorhandensein von Instrumenten<br />

zur Erfassung von Lebensqualität“ sowie<br />

„Ausprägungsgrad von Lebensqualitätserhebungen“<br />

sind die Untersuchungsergebnisse<br />

ernüchternd. In Deutschland gibt es<br />

gegenwärtig keine spezifischen Instrumente<br />

zur Erhebung von Lebensqualität bei Hilfe-<br />

und Pflegebedürftigen im Kontext häuslicher<br />

Pflegearrangements. Dementsprechend liegen<br />

zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine<br />

Befunde über den Stand der Lebensqualität<br />

in diesem Bereich vor.

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