P E R S P E K T I V E - Dr. Loew
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<strong>Dr</strong>. Barbara Mittnacht:<br />
Nachhaltige Qualitätsentwicklung<br />
in der häuslichen Pflege<br />
Theoretische Grundlagen und empirische Analysen<br />
„Was versteht man unter Qualität in der Pflege?“<br />
und im Anschluss „Was ist gute Pflegequalität?“<br />
sind Kernfragen der Pflegewissenschaft – auch<br />
und gerade mit Blick auf die häusliche Pflege.<br />
Diskussionen darüber werden in Deutschland seit<br />
über fünfzehn Jahren von Politik, Interessenvertretungen,<br />
Verbänden, Pflegewissenschaft und<br />
Pflegepraxis intensiv geführt. Aufgrund des bereits<br />
sichtbaren demografischen und sozialen Wandels<br />
und der tiefgreifenden Auswirkungen wurde der<br />
Diskurs über Qualitätsentwicklung – zuletzt in den<br />
Debatten über die Pflegereform – immer wieder<br />
neu entfacht. Begleitende sozialstrukturelle Trends<br />
wie die Zunahme allein lebender älterer Menschen<br />
und der Rückgang familialer Unterstützungspotenziale<br />
lassen vermuten, dass künftig immer mehr<br />
hilfe- und pflegebedürftige Menschen auf ein berufliches,<br />
freiwilliges und kommerzielles Unterstützungs-<br />
und Dienstleistungsnetzwerk angewiesen<br />
sind (Naegele 2006; Blinkert & Klie 2006). Dieses<br />
im Pflegesektor als „häusliches Pflegearrangement“<br />
bezeichnete Setting wird prägend für die<br />
weitere Entwicklung sein und ist mit der Forderung<br />
verbunden, die bisherige inhaltliche Ausrichtung<br />
der Qualitätsentwicklungsdebatte grundsätzlich zu<br />
überdenken (Blinkert & Klie 2004; DZA 2005; Beikirch<br />
& Klie 2007).<br />
Benötigt wird ein Outcome-orientierter Qualitätsbegriff,<br />
der eine theoretisch angeleitete Bewertung<br />
von Qualität im Handlungsfeld Pflege und eine<br />
Beurteilung der individuellen Lebenssituation von<br />
hilfe- und pflegebedürftigen Menschen in häuslichen<br />
Pflegearrangements erlaubt und dabei vor<br />
allem die Ergebnisqualität in den Mittelpunkt stellt.<br />
Vorherrschende Qualitätsentwicklungsansätze,<br />
Methoden und Instrumente sind aber<br />
einem vorrangig ökonomisch, sozialrechtlich,<br />
pflegefachlich sowie medizinisch-naturwissenschaftlich<br />
geprägten Qualitätsansatz verpflichtet,<br />
der lebensweltorientierte Aspekte, die das<br />
Handlungsfeld häusliche Pflege maßgeblich<br />
charakterisieren, zu stark außer Acht lässt.<br />
Ein weiteres Problem ist die verbreitete Adhoc-Festlegung<br />
von (Qualitäts-)Kriterien und<br />
(Qualitäts-)Indikatoren auf Konsensbasis<br />
(Görres 1999; Schwerdt 2002). Dabei wird<br />
in der Regel auf keinen wissenschaftlichen<br />
Rahmen referenziert, der erklärt, was Kennzeichen<br />
„guter Pflegequalität“ sind und wie<br />
selbige zustande kommt. In der Konsequenz<br />
mangelt es in Deutschland an empirischen<br />
Befunden und Übersichtsarbeiten, die einen<br />
theoretischen Erklärungsrahmen für Zusammenhänge<br />
und Hintergründe sowie über die<br />
Wirkungen von Qualitätsentwicklungsmaßnahmen<br />
im Handlungsfeld häusliche Pflege<br />
einbinden (Roth 2007).<br />
Aus pflegewissenschaftlicher Sicht setzt die<br />
Beantwortung der Frage „Was ist gute Pflegequalität?“<br />
einen systematischen Rückgriff<br />
auf ein theoretisches Konstrukt voraus. Die<br />
diesem Beitrag zugrunde liegende Arbeit<br />
(Mittnacht 2010) überträgt daher das sozialwissenschaftliche<br />
Paradigma „Nachhaltigkeit“<br />
auf den Bereich der häuslichen Pflege.<br />
Mit dem Nachhaltigkeitsparadigma kann ein<br />
in vielen Kontexten schon äußert gewinnbringend<br />
eingesetzter Erklärungsansatz für die<br />
SOZIALPOLITIK_<br />
Bilder v.l.n.r.:<br />
Sozialministerin<br />
Christine Haderthauer,<br />
<strong>Dr</strong>. Barbara Mittnacht<br />
und <strong>Dr</strong>. Fritz <strong>Loew</strong>.<br />
Plenum mit ca. 1500<br />
Fachleuten bei der<br />
Preisverleihung.<br />
Cristine Haderthauer<br />
hält die Laudatio auf<br />
die Gewinnerin.<br />
<strong>Dr</strong>.<strong>Loew</strong> PERSPEKTIVE 2011 5