P E R S P E K T I V E - Dr. Loew
P E R S P E K T I V E - Dr. Loew
P E R S P E K T I V E - Dr. Loew
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
aus den Bereichen der Soziotherapie<br />
und der Suchthilfe, aus Kliniken, von<br />
ambulanten Diensten, Beratungsstellen,<br />
dem Bezirk Mittelfranken und der<br />
FQA/Heimaufsicht in Dialog zu treten,<br />
wollten wir nutzen.<br />
Die in vielen Jahren gewachsene Bindung<br />
als - sicher nicht immer ganz einfacher<br />
- Teil der Gemeinde Lichtenau<br />
zeigte sich in der großen Unterstützung<br />
unseres Vorhabens vor Ort, u.a. durch<br />
den Bürgermeister Herrn Reißmann<br />
und die Direktorin der Grund- und Mittelschule<br />
Frau Weidinger. Die Bedeutung<br />
der Atmosphäre für ein effektives<br />
Lernen ist allgemein bekannt – hier<br />
einen guten Rahmen zu schaffen, war<br />
uns ein großes Anliegen.<br />
Was waren unsere<br />
Anliegen bei der Wahl der<br />
Themen / Referenten?<br />
In der Einführung „Beschützende Unterbringung<br />
bei Doppeldiagnosen Psychose-Sucht“<br />
griffen Gerhard Bergmann<br />
und ich in der Form eines Dialoges die<br />
Fragestellungen auf, die sich im letzten<br />
Jahr im Haus Lichtenau gezeigt hatten:<br />
Anfragen und Aufnahmen gerade auch<br />
jüngerer Menschen mit Doppeldiagnosen<br />
hatten zugenommen und führten<br />
zu neuen, oft heftigen Dynamiken im<br />
Gruppenalltag und zu Hilferufen aus den<br />
Teams. Auch wenn die Suchterkrankung<br />
gemäß unseren Aufnahmebedingungen<br />
nicht im Vordergrund stehen<br />
darf, forderten und fordern uns Bewohner<br />
hier sehr, da der vorhandene Unterbringungsbeschluss<br />
dafür steht, dass<br />
zumindest in der Anfangszeit keinerlei<br />
Krankheitseinsicht und Veränderungsmotivation<br />
vorhanden ist.<br />
Unser Fazit dazu war: Mit Psychosen<br />
kennen wir uns aus – unser Wissen über<br />
Sucht reicht nicht aus für die neuen Herausforderungen!<br />
Bei der Suche nach<br />
bzw. der Auswahl von Referenten waren<br />
uns daher folgende Aspekte wichtig:<br />
Sucht-Prozesse in der Person besser<br />
verstehen zu lernen: z.B. das Wechselspiel<br />
zwischen Psychose und<br />
Sucht, Entstehungsbedingungen,<br />
neurobiologische Grundlagen …<br />
Welche neuen Wege des Lernens /<br />
der Psychoedukation bei Doppeldiagnosen<br />
gibt es, die gerade auch<br />
für unser Klientel und uns als Spezialeinrichtung<br />
für Psychisch Kranke<br />
geeignet sind? Die Lernbiografie der<br />
betroffenen Menschen ist meist von<br />
Frustrationen und Misserfolgen geprägt<br />
und benötigt sehr individuelle<br />
Zugangswege zum Aufspüren von<br />
„Lernfenstern“.<br />
Zu diesen beiden Aspekten sollten<br />
das Impulsreferat bzw. der Workshop<br />
zum Thema „Psychoedukation<br />
für Menschen mit Doppeldiagnosen“<br />
von Roberto D’Amelio (Dipl.Psychologe<br />
und Fachbuchautor, Universitätsklinik<br />
des Saarlandes), sowie<br />
der Workshop von <strong>Dr</strong>. Uwe Enders,<br />
Oberarzt der Bezirksklinik Ansbach,<br />
Impulse geben.<br />
Die Arbeit mit diesem Klientel fordert<br />
von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
sehr viel: Im Erleben von Ohnmacht<br />
entsteht der Wunsch nach<br />
mehr Kontrolle und einem festen Regelwerk<br />
gleichzeitig mit der Sorge,<br />
dass dadurch die individuelle Beziehungsarbeit<br />
leidet. Dazu war es uns<br />
wichtig, das Thema „Die innere Grenze<br />
finden“, das bei Inhouse-Fortbildungen<br />
mit der Dipl.Pädagogin Eva<br />
Neuner in diesem Jahr von unseren<br />
Teams als sehr hilfreich erlebt wurde,<br />
auch für den Bereich „Psychose und<br />
Sucht“ mit einzubeziehen.<br />
„Wir sind keine Insel“ – Das Thema<br />
„Sucht“ ist immer auch ein gesellschaftliches<br />
Thema, bezogen auf<br />
Sucht im Alltag, süchtige Anteile in<br />
jedem von uns, auf die Außenwirkung<br />
der Einrichtung in der Gemeinde<br />
Lichtenau und darüber hinaus: Da<br />
wir eine gute Netzwerkarbeit vor Ort<br />
gerade in der letzten Zeit bei einem<br />
sehr herausforderndem Bewohner<br />
zu schätzen gelernt haben, freuten<br />
wir uns sehr, den Diplom-Sozialpädagogen<br />
Uwe Reißmann nicht nur in<br />
seinem Grußwort als Bürgermeister,<br />
sondern auch als Workshopreferenten<br />
zum Thema „Netzwerkarbeit“<br />
gewinnen zu können.<br />
Mit unserer Intention, bei der Fachtagung<br />
Austausch und gemeinsames<br />
Lernen in den Mittelpunkt zu stellen,<br />
wollten wir darüber hinaus einen Beitrag<br />
leisten, der Bezug nimmt zur Arbeit<br />
im Haus Lichtenau. Unter dem<br />
Workshop-Titel „Attachment-Arbeit im<br />
Zwangskontext – Schaffung von hilfreichen<br />
Bindungsformen im beschützenden<br />
Setting“ stellte ich anhand<br />
von drei Fallbeispielen den Ansatz der<br />
Beziehungsarbeit vor – mit seinen positiven<br />
Seiten, aber auch den Fragen<br />
und Grenzen, die dabei im Umgang mit<br />
Doppeldiagnosen auftauchen.<br />
Wie geht’s nach dem<br />
Fachtag weiter?<br />
Über die große positive Resonanz der<br />
Fachtagung haben wir uns sehr gefreut!<br />
Dank an alle, die im Vorfeld so kreativ<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Loew</strong> FACHLICH_<br />
Ideen geschmiedet haben - insbesondere<br />
der Projektgruppe des Hauses<br />
Lichtenau -, die so tatkräftig bei der<br />
Vorbereitung und Durchführung mitgearbeitet<br />
haben: bei uns im Haus, in<br />
der zentralen Verwaltung in Wernberg,<br />
in der Gemeinde Lichtenau und nicht<br />
zuletzt an alle, die als Teilnehmer so<br />
interessiert und aktiv dabei waren! Im<br />
Haus Lichtenau steht nun an, unser<br />
Wissen zum Thema „Psychose und<br />
Sucht“ – auch mit Hilfe der Fachtagsmaterialien<br />
– weiter auszubauen, um so<br />
unserem Auftrag als Spezialeinrichtung<br />
für Menschen mit chronischen Psychosen<br />
bzw. Persönlichkeitsstörungen<br />
(auch mit zusätzlichem Substanzmissbrauch)<br />
gerecht zu werden.<br />
Die Erfahrung hat uns aber auch gelehrt,<br />
wie wichtig es ist, unser Profil weiter<br />
zu schärfen und Aufnahmeanfragen<br />
dann abzulehnen, wenn Suchtanteile<br />
dominierend sind.<br />
„Diese Fortbildung war sehr interessant,<br />
aber ich weiß nicht, wie ich es<br />
umsetzen soll!“ – Diesen Satz erwähnte<br />
Joachim Rauscher in seinem Grußwort<br />
zu Beginn der Fachtagung als ein uns<br />
allen leider bekanntes Resümee aus<br />
vielen Fortbildungsveranstaltungen.<br />
Deshalb unser großer Wunsch, das gemeinsame<br />
Lernen und Hinterfragen in<br />
vielerlei Netzwerken fortzusetzen und<br />
weiterhin im Austausch zu bleiben – wie<br />
wichtig und letztendlich hilfreich dabei<br />
gerade auch ein offener Austausch<br />
über „Klippen“ im Sinne von Problemstellungen,<br />
Hindernisse und Grenzen<br />
ist, haben wir im Haus Lichtenau immer<br />
wieder erfahren können. Darin liegt –<br />
wie wir meinen – die Chance, unsere<br />
individuellen Erfahrungen und Kompetenzen<br />
zu einem größeren Ganzen zu<br />
verbinden, um gemeinsam die Herausforderungen<br />
(nicht nur) im Feld „Psychose<br />
und Sucht“ angehen zu können.<br />
Angelika Zangl<br />
Fachdienst Haus Lichtenau<br />
<strong>Dr</strong>.<strong>Loew</strong> PERSPEKTIVE 2011 13