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FORUM ist eine zweimal im Jahr erscheinende<br />

Publikation der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft<br />

mbH (> www.lwb.de), die sich an einen<br />

ausgewählten, interessierten Leserkreis wendet.<br />

Thematisiert werden wohnungswirtschaftliche Entwicklungen<br />

und Trends, die sich im Spannungsfeld<br />

städtebaulicher Veränderungen und urbaner<br />

Lebenswelt spiegeln.<br />

FORUM ist kein Fachmagazin, sondern will den<br />

Blick dafür schärfen, dass die heutige Attraktivität<br />

der Städte maßgeblich den Leistungen der Immobilien-<br />

und Wohnungswirtschaft zu verdanken ist.<br />

Am Beispiel Leipzigs lässt sich gerade dies<br />

eindrucksvoll belegen.<br />

FORUM EINS | Oktober 2005<br />

RÜCKKEHR<br />

IN DIE STADT


Ludwig Burkardt ist Vorsitzender<br />

des Aufsichtsrates der Leipziger<br />

Wohnungs- und Baugesellschaft mbH.<br />

HOFFNUNG FÜR UNSERE STÄDTE<br />

Während die Bevölkerungszahlen in ostdeutschen<br />

Großkommunen wie Halle, Rostock, Erfurt oder<br />

Cottbus stagnieren, kann Leipzig in den kommenden<br />

zehn bis zwanzig Jahren mit einer gleich bleibenden<br />

oder leicht steigenden Zahl rechnen. Es<br />

sieht so aus, als würde sich die Ansiedlung von<br />

Unternehmen wie Porsche, BMW und DHL in<br />

Leipzig oder AMD und Siemens in Dresden mittelbar<br />

auf die Attraktivität von Wohnstandorten auswirken.<br />

Dabei ist die Situation auf den ostdeutschen Wohnungsmärkten<br />

überall schwierig. Mehr als 25.000<br />

vermietbare Wohnungen stehen allein in Leipzig<br />

leer, werden die nicht vermittelbaren hinzugezählt,<br />

sind es wohl noch einmal so viel – ein Fünftel des<br />

Wohnungsbestandes der sächsischen Großstadt.<br />

Und dennoch schwingt Hoffnung mit. Im Rahmen<br />

des Stadtumbaus werden jährlich einige tausend<br />

Wohnungen in den Großsiedlungen abgerissen,<br />

die ersten marktstabilisierenden Wirkungen sind<br />

bereits erkennbar. Mehr Ein- und Zweipersonenhaushalte,<br />

eine steigende Lebenserwartung, höhere<br />

Wohnansprüche der geburtenstarken Jahrgänge,<br />

die langsam in der zweiten Hälfte ihres<br />

Lebens ankommen, sind ebenfalls Hoffnungsschimmer,<br />

zu denen sich nun ein weiterer hinzu-<br />

2<br />

gesellt. Experten des Deutschen Instituts für Urbanistik<br />

haben Indizien für einen Trend zur Rückkehr<br />

in die Stadt ausgemacht, der das bisherige Leitund<br />

Weltbild der Architekten und Stadtplaner von<br />

der Suburbanisierung stark ins Wanken bringen<br />

könnte: Immer mehr Menschen – insbesondere<br />

die gehobene Mittelschicht – zieht es statt ins<br />

eigene Häuschen auf dem Land in attraktive,<br />

innenstadtnahe Quartiere.<br />

Die Erstausgabe von FORUM beschäftigt sich ausführlich<br />

mit dieser Analyse. Zudem zeigen die<br />

kommenden Seiten die Facetten des Wohnens<br />

und Lebens in der sächsischen Großstadt. Wir spüren<br />

auf, was Leipzig aus den Freiflächen macht, die<br />

durch Abriss und Stadtumbau entstanden sind.<br />

Zum Schluss bleibt unser Wunsch als eine der<br />

größten kommunalen Wohnungsgesellschaften<br />

der Republik, dass auch Sie nach der Lektüre dieser<br />

Premierenausgabe ein wenig neugierig auf<br />

Leipzig geworden sind.<br />

Anregende Unterhaltung wünscht<br />

Ludwig Burkardt<br />

Aufsichtsratsvorsitzender der <strong>LWB</strong><br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

INHALT<br />

Seiten 4 bis 9<br />

Rückkehr in die Stadt<br />

Eine Studie rüttelt an den Grundfesten<br />

der Theorie von der Suburbanisierung<br />

Seiten 10 bis 15<br />

Schöner Wohnen in Leipzig<br />

Die sächsische Stadt bietet allen fast alles<br />

Seiten 16 bis 23<br />

Mit Leipzig zum Erfolg<br />

Warum Investor Steffen Hildebrand<br />

auf Leipzig schwört und eine Metropole<br />

zu neuen Ufern aufbricht<br />

Seiten 24 bis 27<br />

Liebevolle Blicke auf eine vertraute Stadt<br />

Leipziger und ihr Plädoyer<br />

für eine neue Liebe<br />

Seiten 28 bis 32<br />

Ein etwas ungewöhnlicher Verkaufstipp<br />

Liebhaber für Haus mit Seele gesucht<br />

3


Eine Studie des Deutschen Instituts<br />

für Urbanistik, Berlin, (> www.difu.de)<br />

sieht Anzeichen für eine sensationelle<br />

Trendwende: Beispiele aus München<br />

und Leipzig zeigen den wachsenden<br />

Wunsch nach Wohnraum in den Städten<br />

und da besonders in den innenstadtnahen<br />

Bereichen – und zwar quer durch<br />

alle Altersgruppen. Im Folgenden Auszüge<br />

aus dem Bericht des Instituts.<br />

Bis heute gilt die seit Jahrzehnten anhaltende<br />

Suburbanisierung weithin immer<br />

noch als der bestimmende räumliche<br />

Trend. Seit einiger Zeit ist jedoch ein<br />

verstärktes Interesse am Wohnen in der Stadt zu<br />

beobachten, so dass langsam die Diskussion<br />

über eine Rückkehr in die Stadt beginnt. Diese<br />

„Renaissance der Stadt“ scheint eine neue<br />

Phase der Stadtentwicklung einzuläuten. Dabei<br />

erfährt auch das Wohnen in der Innenstadt eine<br />

Aufmerksamkeit, die über die mit der Gentrificationstheorie<br />

erfassten Vorgänge hinausgeht:<br />

Innenstadtnahe Quartiere werden als Wohnstandort<br />

nicht nur von einer bestimmten Lebensstilgruppe<br />

wiederentdeckt. Die folgenden Überlegungen<br />

sind im Rahmen eines laufenden Projekts<br />

des Deutschen Instituts für Urbanistik zum<br />

Thema „Wohnen in der Innenstadt“ entstanden.<br />

Sie stützen sich unter anderem auf Ergebnisse<br />

einer schriftlichen Bewohnerbefragung aus zwei<br />

innenstadtnahen Untersuchungsgebieten in<br />

München und Leipzig. Das Projekt soll noch<br />

2005 abgeschlossen werden. In München handelt<br />

es sich um das Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel<br />

in der Innenstadt, in Leipzig um den<br />

Stadtteil Schleußig am Innenstadtrand. Die<br />

Befragung wurde zum Jahresende 2003 durchgeführt.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005 RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Überraschende Fakten für Stadtplaner, Architekten und die Politik<br />

Arbeitsort und Wohnung rücken<br />

wieder dichter zueinander.<br />

Ausgangssituation<br />

Die durch die industrielle Revolution des 19. und<br />

der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bedingten<br />

Ursachen der Stadtflucht schwächen sich ab. Es<br />

ist sogar ein steigendes Interesse am Wohnen in<br />

der Stadt – auch im innenstadtnahen Bereich – zu<br />

beobachten. Dabei ist davon auszugehen, dass<br />

die dauerhaft veränderten Rahmenbedingungen<br />

zur Stadtentwicklung die Basis für die Wiederentdeckung<br />

des Wohnens in der Innenstadt sind.<br />

Folgende Ursachen sind hierfür zu nennen:<br />

Zur Bevölkerungsentwicklung<br />

Einwohnerverluste der Städte durch Umlandwanderung,<br />

rückläufige Bevölkerungsentwicklung<br />

und ihre Auswirkungen auf die Städte sind<br />

ein derzeit allerorten diskutiertes Thema. In einigen<br />

Städten ist jedoch der Rückgang der Einwohnerzahl<br />

gestoppt, vor allem Ballungsräume<br />

verzeichnen wieder Einwohnerzuwächse. Besonders<br />

bemerkenswert erscheint – nach Jahren des<br />

Bevölkerungsverlustes – die Zunahme der Einwohnerzahl<br />

in manchen Innenstadtgebieten.<br />

Überdies ist zu erwarten, dass in Städten, die<br />

über innenstadtnahe Recyclingflächen verfügen,<br />

ein Anstieg der Einwohnerzahl erfolgen wird.<br />

Das Neue der derzeitigen Entwicklung besteht<br />

vor allem in der „Wiederentdeckung“ innen-<br />

4 5


stadtnahen Wohnens – nicht nur der Ein- bis<br />

Zweipersonenhaushalte und bestimmter Lebensstilgruppen.<br />

Es sind vielmehr Menschen aller<br />

Lebensphasen und Haushaltsgrößen, mit unterschiedlichen<br />

Lebensstilen und Gewohnheiten,<br />

für die der innenstadtnahe Bereich zum Wohnstandort<br />

erster Wahl wird.<br />

Arbeitsplatzentwicklung in der Stadt<br />

Die „Randwanderung” von Arbeitsplätzen und<br />

Wohnbevölkerung gehört zu den selbstverständlichen<br />

Gewissheiten der letzten Jahrzehnte.<br />

Die Städte – zunächst die Großstädte – verzeichnen<br />

in den letzten Jahren jedoch wieder<br />

Beschäftigungsgewinne. Mit zunehmender Zahl<br />

von Unternehmensansiedlungen und -gründungen<br />

in der Stadt entstehen auch im innenstadtnahen<br />

Bereich neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze.<br />

Die Vermutung, dass mit der Entstehung<br />

von qualifizierten Arbeitsplätzen auch die Nachfrage<br />

nach entsprechendem Wohnraum steigt,<br />

bestätigt sich durch den hohen Anteil derjenigen<br />

Bewohner, die in den Untersuchungsgebieten im<br />

innenstadtnahen Bereich ihren Arbeitsplatz<br />

haben. Die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft<br />

und der Eintritt ins Informationszeitalter<br />

begünstigen einen Lebensstil, bei dem die Trennung<br />

von Wohnen und Arbeiten obsolet wird<br />

und sich die Standorte wieder einander annähern.<br />

Zur Suburbanisierung in den 90er-Jahren<br />

Die Wanderungsmotivuntersuchungen der 90er-<br />

Jahre brachten auch Überraschendes zutage. So<br />

ist die Akzeptanz der Stadt weit höher als angesichts<br />

der Umlandwanderung vermutet werden<br />

kann. Viele Umlandwanderer wären in der Stadt<br />

geblieben, wenn sie ihren Wohnflächenbedarf<br />

bei gleichen Kosten in der Stadt hätten realisieren<br />

können. Die Attraktivität der Stadt und des<br />

innenstadtnahen Bereichs kommen auch in den<br />

Bewohnerbefragungen in Leipzig und München<br />

zum Ausdruck. Bei freier Wahlmöglichkeit würden<br />

nur 3,7 Prozent der Bewohner des Untersuchungsgebiets<br />

in Leipzig und 7,3 Prozent in<br />

München im Umland wohnen wollen. Weiterhin<br />

zeigt sich, dass die Kosten des Umlandwohnens<br />

zunehmend bewusster wahrgenommen und so<br />

6<br />

Hohes Bildungsniveau,<br />

hohes Einkommen –<br />

besonders die gehobene<br />

Mittelschicht entdeckt<br />

innenstadtnahe Quartiere<br />

wieder für sich.<br />

zum Beispiel das Zweitauto den höheren<br />

Wohnkosten in der Stadt gegenübergestellt werden.<br />

Im Münchner Untersuchungsgebiet können<br />

sich sogar 45 Prozent der Befragten vorstellen,<br />

auf ihren Pkw zu verzichten.<br />

Wohnleitbilder ändern sich<br />

Wie Deutsche wohnen wollen, scheint eindeutig<br />

zu sein. Untersuchungen zeigen: Das frei stehende<br />

Einfamilienhaus gilt seit Jahrzehnten als<br />

das unangefochtene Wohnleitbild und ist mit<br />

Abstand die favorisierte Wohnform. In einer<br />

„postfordistischen“ Gesellschaft haben sich<br />

indes die ökonomischen und sozialen Bedingungen<br />

gegenüber dem 19. und der ersten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert.<br />

Die Bedingungen, die dem Wohnleitbild<br />

„frei stehendes Einfamilienhaus“ zum Durchbruch<br />

verhalfen (und dem keine Bemühungen<br />

der Stadtplaner je wirklich etwas anhaben konnten),<br />

existieren nicht mehr. Daher ist es auch<br />

nicht verwunderlich, wenn sich neue Wohnpräferenzen<br />

herausbilden. Das frei stehende Einfamilienhaus<br />

wird für bestimmte Bevölkerungsschichten<br />

seine Dominanz als favorisiertes<br />

Wohnleitbild verlieren.<br />

Die (gehobene) Mittelschicht<br />

und das Wohnen in der Innenstadt<br />

Es ist zunehmend eine (gehobene) Mittelschicht,<br />

die in innenstadtnahen Quartieren wohnt und<br />

bestimmte Areale wieder für sich entdeckt. So<br />

ist auffällig, dass in beiden Untersuchungsgebieten<br />

das Bildungsniveau außerordentlich hoch<br />

ist und über dem jeweiligen städtischen Durchschnitt<br />

liegt. Ähnlich verhält es sich bei den Einkommen,<br />

auch sie liegen eher über dem städtischen<br />

Durchschnitt; dem entspricht die jeweils<br />

unter dem Durchschnitt liegende Arbeitslosenquote.<br />

Da es sich bei den Untersuchungsgebieten<br />

mit über 12.000 Einwohnern (Leipzig) bzw.<br />

über 20.000 Einwohnern (München) um eigenständige<br />

Stadtquartiere bzw. Stadtviertel handelt,<br />

ist die Vermutung, dass es sich hier nur um<br />

„inselhaft“ aufgewertete innenstadtnahe Areale<br />

handele, in beiden Fällen nicht zutreffend.<br />

Soziale Differenzierung und<br />

Lebensstile in der Innenstadt<br />

Aufgrund der sozialen Differenzierung bilden<br />

sich in Innenstadtquartieren zunehmend Quartiere<br />

mit einem spezifischen sozialen Milieu, in<br />

dem sich Menschen gleicher Anschauung und<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005 RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

> LEIPZIGS STADTUMBAU<br />

Der Stadtumbau darf nicht allein auf den Abriss von<br />

Wohnungen reduziert werden und ist längst kein<br />

ostdeutsches Phänomen mehr. Auch wenn im Osten<br />

der Leerstand höher ist, zeigen sich in einigen<br />

Regionen der alten Bundesländer längst ähnliche<br />

wirtschaftsstrukturelle und demografische Probleme.<br />

Wer diese für Momente außer Acht lässt und<br />

einen unbefangenen Blick auf abgeschlossene Projekte,<br />

auf Nachnutzungen und Freiflächengestaltungen<br />

wirft, der erkennt die Potenziale des Stadtumbaus.<br />

Die Entdichtung von Stadträumen durch Grünzonen<br />

und Spielplätze, die Aufwertung der gewachsenen<br />

Wohnstandorte durch Rückbau und vielfältige<br />

urbane Lebensräume sind Argumente für das Wohnen<br />

in der Stadt. Die folgenden Seiten stellen gelungene<br />

Beispiele für die sinnvolle Nutzung von Brachflächen<br />

in Leipzig vor.<br />

gleichen Lebensstils zusammenfinden. Offensichtlich<br />

zieht z. B. die im Münchner Untersuchungsgebiet<br />

herrschende Atmosphäre von<br />

Offenheit, Toleranz und Vielfältigkeit weiteres<br />

Publikum an. Jedoch: Auch Gruppen, die unterschiedliche<br />

Lebensstile repräsentieren, können<br />

der gleichen sozialen Schicht angehören. In den<br />

Stadträumen kommt es also zur Ausdifferenzierung<br />

unterschiedlicher Milieus nach Lebensstilen<br />

bei gleicher Schichtzugehörigkeit, die sich<br />

indes in ihrer symbolischen Lebensführung von-<br />

7<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

Der Wunsch nach einem Eigenheim im Umland schwindet.


Das frei stehende Einfamilienhaus<br />

als höchstes Wohnziel<br />

verliert in bestimmten Bevölkerungsschichten<br />

an Bedeutung.<br />

einander abgrenzen. Das Wohnen in der Innenstadt<br />

spricht also nicht nur einen bestimmten<br />

Lebensstiltypus an, sondern hier finden sich vielmehr<br />

unterschiedliche Lebensstile wieder.<br />

Soziale Segregation und Verdrängung<br />

Wenn man von den neuen Innenstadtbewohnern<br />

spricht, sind diejenigen gemeint, die zu den<br />

etwa 60 Prozent gehören, die oberhalb der<br />

„Wohlstandsschwelle“ einzuordnen sind. Vor<br />

allem die so genannten „Exkludierten“ (die<br />

„A’s“: Arme, Ausländer, Arbeitslose) werden<br />

nicht nur symbolisch an den Rand der Gesellschaft,<br />

sondern aufgrund der steigenden Mieten<br />

im Innenstadtbereich konkret an den Stadtrand<br />

verdrängt. Nicht von ungefähr entstehen in allen<br />

Städten, die über innenstadtnahe Gewerbeflächen<br />

verfügen und deren Wiedernutzung auch<br />

dem Wohnen dienen sollen, vorrangig Eigentumswohnungen<br />

im hochpreisigen Sektor. Die<br />

Konsequenz ist, dass längerfristig mit einem<br />

„sozialen Umkippen“ innenstadtnaher Quartiere<br />

in umgekehrter Richtung zu rechnen ist, denn<br />

diese „Inseln des Wohlstands“ in den Innenstädten<br />

scheinen sich immer weiter auszubreiten.<br />

Wer heute – im Gegensatz zu den vergangenen<br />

Jahrzehnten – in die Stadt zieht, gehört zu<br />

den Gewinnern, zumindest nicht zu den Verlierern<br />

der Gesellschaft.<br />

Innenstädte: nichts für Kinder?<br />

Eine bedeutsame Gruppe der Umlandwanderer<br />

ist der Zwei-Generationen-Haushalt, insbesondere<br />

die Gruppe der jungen Familien. Die Innenstadt<br />

bzw. innenstadtnahe Gebiete werden<br />

jedoch auch von jungen Familien angenommen.<br />

8<br />

In den Untersuchungsgebieten ist zu beobachten,<br />

dass junge Familien oder Haushalte, die vor<br />

der Familiengründung stehen, in ihren innenstadtnahen<br />

Quartieren bleiben wollen und nur<br />

aus Gründen des steigenden Flächenbedarfs<br />

eine größere Wohnung suchen. Allerdings finden<br />

sie da keinen angemessenen Wohnraum, vor<br />

allem zu akzeptablen Preisen. Das Innenstadtwohnen<br />

wird von diesen Personengruppen dabei<br />

keineswegs, wie vielfach unterstellt, von vornherein<br />

als familien bzw. kinderfeindlich empfunden.<br />

Auch aus stadtentwicklungspolitischer<br />

Sicht ist die Abwanderung von Familien in das<br />

Umland aus vielen Gründen nicht erwünscht. Es<br />

gilt daher, die Vorstellung vom familienfeindlichen<br />

Stadtleben sowohl seitens der Stadtplanung<br />

als auch der Wohnungswirtschaft zu korrigieren<br />

und ein Leitbild des „familien- und kindgerechten<br />

Wohnens“ für innenstadtnahe Gebiete<br />

zu entwickeln – im Übrigen sollte auch dieser<br />

Aspekt in die derzeitige Debatte zur Bevölkerungsentwicklung<br />

und die Ausrichtung der Familienpolitik<br />

einfließen.<br />

Ausblick<br />

Die Geschichte des Wohnens in der Innenstadt<br />

ist bislang eher eine Geschichte der Verdrängung<br />

des Wohnens durch tertiäre Nutzungen,<br />

jahrzehntelang begleitet von einem negativen<br />

Image der Innenstadt als Wohnstandort. Dieses<br />

Image beginnt, sich positiv zu verändern, und<br />

man kann heute mit vorsichtigem Optimismus<br />

von einer Wiederentdeckung innenstadtnahen<br />

Wohnens sprechen.<br />

(Quelle: Difu-Berichte 1/2 2005)<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

RÜCKKEHR IN DIE<br />

STADT IST KEINE<br />

MODEERSCHEINUNG<br />

»<br />

Gespräch mit Hasso Brühl, Projektleiter der Studie<br />

des Deutschen Instituts für Urbanistik, Berlin<br />

Ihre Studie fördert überraschende Ergebnisse<br />

zutage – stehen wir vor einem radikalen Umbruch<br />

des Wohnens?<br />

Es ist nicht so, dass nun alles nur noch in die<br />

Innenstädte drängt. Schon gar nicht ist der<br />

Trend zur Rückkehr in die Städte überall in<br />

gleicher Weise vorhanden. Aber es ist keine<br />

Modeerscheinung, dass es die gehobene, gut<br />

verdienende Mittelschicht zunehmend in citynahe<br />

Quartiere zieht. Vor allem in Städten,<br />

denen es wirtschaftlich gut geht, zeichnet sich<br />

dieser Trend ab. Das hat auch damit zu tun,<br />

dass im Informationszeitalter Arbeitsplatz und<br />

Wohnort wieder näher aneinanderrücken.<br />

Hat das Häuschen im Grünen an der Peripherie<br />

der Stadt mit diesem Trend ausgedient?<br />

Nein. Es wird immer Menschen geben, die das<br />

Wohnen im Umland, sei es im frei stehenden<br />

Einfamilienhaus oder im Reihenhaus, bevorzugen.<br />

Diese Wohnform war für mehrere Jahrzehnte<br />

für über drei Viertel der Deutschen das<br />

Leitbild schlechthin, aber Wohnleitbilder ändern<br />

sich. So haben immer mehr Menschen die täglichen<br />

Verkehrstaus satt, auch ist das Wohnen<br />

in der Stadt wieder attraktiver geworden.<br />

Zudem steigen die Kosten des Wohnens im<br />

Umland. Erst- und Zweitauto werden z. B. angesichts<br />

der Energiepreisentwicklung immer teurer.<br />

Absehbar ist zudem, dass politische Lenkungsinstrumente<br />

wie Pendlerpauschale oder<br />

Eigenheimzulage früher oder später wegfallen<br />

werden. Insofern relativieren sich geringere<br />

Wohnkosten im Umland, zumal wenn man mit<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt<br />

wesentlich preiswerter – und auch schneller –<br />

zu seinem Arbeitsplatz oder ins Kino kommt.<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

Lässt dieser Trend zur Rückkehr in die Stadt<br />

auch einen kulturellen Umbruch erwarten?<br />

Hier lassen sich bestenfalls Thesen aufstellen,<br />

denn wir reden über Prozesse, die sich über<br />

lange Zeiträume erstrecken und die vielleicht<br />

erst in 20 oder 30 Jahren wirken. Aber wenn es<br />

vor allem die gehobene und gut verdienende<br />

Mittelschicht ist, die das innenstadtnahe Wohnen<br />

bevorzugt, dann wird dies auch Auswirkungen<br />

auf das Bild und die Politik in der Stadt<br />

haben. Diese Mittelschichten werden sich vermutlich<br />

mehr einmischen in stadtgestalterische<br />

und kommunalpolitische Diskussionen. Allerdings<br />

hat dieser verstärkte Zuzug einer eher im<br />

Wohlstand lebenden gehobenen Mittelschicht<br />

möglicherweise auch zur Folge, dass finanziell<br />

schlechter gestellte Bevölkerungskreise an den<br />

Stadtrand gedrängt werden.<br />

Gibt es vergleichbare Trends in anderen<br />

Ländern Europas und der Welt?<br />

Ja. Manchester und Liverpool haben z. B. nach<br />

ihrem wirtschaftlichen Niedergang als traditionelle<br />

Industriestandorte einen neuen Aufschwung<br />

– auch in ihren Innenstädten – geschafft.<br />

Sie haben ihre Innenstädte so umgekrempelt,<br />

dass z. B. in Manchester heute fast<br />

sechsmal mehr Menschen leben als zu Zeiten<br />

des Niedergangs. Auch in New York steigen nach<br />

Jahren des Bevölkerungsverlustes in einigen<br />

Vierteln wieder die Einwohnerzahlen.<br />

«<br />

Aber noch<br />

einmal: Von einem nennenswerten Bevölkerungszuwachs<br />

in deutschen Innenstädten sind<br />

wir im Allgemeinen noch weit entfernt. Die Ablösung<br />

des Industriezeitalters durch die Informations-<br />

und Wissensgesellschaft befördert jedoch<br />

prinzipiell das Wohnen in den Innenstädten.<br />

> STADTTEILPARK RABET<br />

Mit dem Stadtteilpark Rabet im Leipziger<br />

Osten hat die Lebensqualität seiner Bewohner<br />

eine enorme Aufwertung erfahren. Die Anlage<br />

folgt dem Charakter eines klassischen Volksparks<br />

mit einem weitläufigen Wiesenbereich<br />

im Inneren sowie Baum- und Strauchbepflanzungen<br />

an der Parkkante. Umschlossen wird<br />

der Park von einem ein Kilometer langen<br />

Aktivband – einer Asphaltstrecke für Jogger,<br />

Radfahrer und Inlineskater. Der Freizeittreff<br />

Rabet im Zentrum der Anlage wurde saniert<br />

und auf 600 Quadratmeter erweitert.<br />

9


SCHÖNER WOHNEN IN LEIPZIG<br />

Das gibt es nur in Leipzig: Europas größtes geschlossenes Gründerzeitareal<br />

und Jugendstilensemble neben solidem DDR-Wohnungsbau<br />

der 50er- und 60er-Jahre und modernisierter Platte – all das bietet<br />

die Messestadt. In Leipzig wohnt man gern in Industrie-Lofts oder<br />

baut sich Stadthäuser mitten in der City. Wie „Schöner Wohnen“ in<br />

Leipzig aussieht, das zeigen die folgenden Seiten.<br />

WIE ZU KAISERS ZEITEN<br />

Edles Parkett, große Holzfenster, verzierte<br />

Türen und Stuck an den Zimmerdecken:<br />

Mandy Aurich (29) hat ihre Art zu wohnen<br />

gefunden – in einem Gründerzeithaus<br />

in Leipzig-Connewitz. Vor zehn Jahren kam<br />

die kaufmännische Angestellte nach Leipzig. Sie<br />

zog mehrmals um, wohnte in Neubauten und am<br />

Rande der Stadt. Doch seit ihrer Begegnung mit<br />

der ersten Gründerzeitwohnung in der Gottschedstraße<br />

war klar: Das ist es. Mittlerweile<br />

wohnt die gebürtige Erzgebirglerin mit ihrem<br />

Lebensgefährten, Sohn Moritz (2) und Katze<br />

Emilia Leoni seit zwei Jahren in der Scheffelstraße.<br />

Die helle und freundliche Wohnung in<br />

der ersten Etage war kein Zufallstreffer. „Ich<br />

habe mindestens 40 Wohnungen besichtigt und<br />

100 Exposés durchgeschaut, bis ich auf das richtige<br />

Angebot gestoßen bin“, verrät die 29-Jährige.<br />

„Das Haus ist sehr gut saniert. Und die<br />

ruhige Lage der Scheffelstraße, die direkt in die<br />

Hauptschlagader Karl-Liebknecht-Straße führt,<br />

ist ideal.“ Auenwald und Fockeberg sind in greifbarer<br />

Nähe. Bis zum Naherholungsgebiet<br />

Cospudener See sind es mit dem Rad 15 Minuten.<br />

Straßenbahn, Ärztehaus und Einkaufsmöglichkeiten<br />

liegen quasi vor der Haustür. Die<br />

Innenstadt ist ebenfalls in wenigen Minuten<br />

erreichbar. „Nach einem stressigen Tag im Büro<br />

kann ich mich in meiner Wohnung entspannen.<br />

Ich liebe die Höhe und Größe der Räume und<br />

mag es, mir auf dem Balkon die Sonne ins<br />

Gesicht scheinen zu lassen.“<br />

Im gesamten Stadtgebiet stehen rund 12.000<br />

Häuser aus der Gründerzeit. Damit verfügt Leipzig<br />

über den größten zusammenhängenden und<br />

hochwertigsten Bestand an Mietshäusern aus<br />

dieser Epoche in ganz Deutschland. Mit Gründerzeit<br />

ist die Zeitspanne zwischen 1880 und<br />

1910 gemeint. In diesem Zeitraum entwickelte<br />

sich die Industrie durch neue Maschinen und<br />

Technologien schlagartig. Leipzig platzte, wie<br />

viele andere Städte Europas auch, aus allen<br />

Nähten. Arbeiter und Angestellte benötigten<br />

Wohnraum, der rings um die historische Innenstadt<br />

wuchs. Trotz Bombardierung im Zweiten<br />

Weltkrieg blieb in Leipzig viel der alten Bausubstanz<br />

erhalten. Ein Teil davon verfiel durch<br />

die Vernachlässigung während der DDR-Zeit<br />

unrettbar. Inzwischen sind jedoch fast 10.000<br />

Häuser saniert. Das Schicksal der verbleibenden<br />

2.000 Gebäude ist noch ungewiss. Ein Projekt,<br />

das viel Beifall findet, ist das Leipziger Selbstnutzer-Modell.<br />

Dabei verkauft die Stadt sanierungsbedürftige<br />

Gründerzeithäuser an private<br />

Käufergemeinschaften, die sich ihr Wohneigentum<br />

unter Anleitung eines Architekten selbst<br />

gestalten.<br />

Mandy Aurich und Sohn Moritz fühlen sich wohl in ihrer<br />

Gründerzeitwohnung.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005 WOHNEN IN LEIPZIG<br />

10 11


Das Wintergartenhochhaus – einst<br />

höchstes Wohnhaus der DDR.<br />

BEGEHRTES WOHNEN<br />

IN NACHKRIEGSBAUTEN<br />

Ein dreifacher Regenbogen hat Seltenheitswert<br />

und ist fürwahr ein Augenschmaus.<br />

Dr. Brita Will hat ihn schon erlebt, denn sie<br />

lebt „nah am Himmel“ und genießt eine<br />

überragende Aussicht. Die 63-Jährige wohnt im<br />

22. Stock des Hochhauses an der Wintergartenstraße<br />

direkt am Leipziger Hauptbahnhof. Im letzten<br />

Jahr wurde das mit 95 Metern einst höchste<br />

Wohnhaus der DDR rundum saniert. Jetzt gilt für<br />

Brita Will erst recht: Hier zieht sie nie wieder aus.<br />

„Das ist ein absolut besonderes Wohnen.“ Brita<br />

Will möchte keinen Tag in den letzten 32 Jahren<br />

missen, in denen sie hier wohnte. Jeden Tag gebe<br />

es etwas Neues zu entdecken. „Ich liebe dieses<br />

Haus.“ Es ist echte Zuneigung zu einem DDR-Prestigeobjekt,<br />

das Ende der 60er-/Anfang der 70er-<br />

Jahre errichtet wurde und zwischen 1989 und 2003<br />

nicht eben den besten Ruf hatte, weil viele Mieter<br />

auszogen und nicht nur seriöses Klientel nachkam.<br />

Inzwischen, nach der Sanierung, sind die noch<br />

wenigen leer stehenden der 208 Wohnungen auf<br />

31 Etagen sehr begehrt.<br />

Begehrt ist nicht nur das höchste Wohnhaus der<br />

Stadt. Was zwischen 1950 und 1970 gebaut wurde,<br />

Dr. Brita Will möchte keinen Tag in ihrer Wohnung<br />

im 22. Stock des Wintergartenhochhauses missen.<br />

12<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

hat auch heute noch beim Mieter Bestand – wenn<br />

es denn saniert ist. Die Leipziger Nachkriegswohnhäuser<br />

kommen recht vielgestaltig daher. Da<br />

sind jene Bauten im Stil der Ost-Berliner Stalin-<br />

Allee, die bis in die fünfziger Jahre hinein am Roßplatz<br />

noch in Steinbauweise errichtet wurden und<br />

mit mondänen, parkettbelegten Wohnungen ausgestattet<br />

sind. Oder die Bauten, die bereits schrittweise<br />

industriell gefertigt wurden, wie etwa die<br />

Dunckersiedlung im Westen der Stadt.<br />

Mehr und mehr prägten die Stadt Neubauten, die<br />

aus Wohnhaustypen entwickelt, in den Baubetrieben<br />

vorgefertigt und an Ort und Stelle montiert<br />

wurden. Auch heute noch finden sich überall in<br />

Leipzig solche Wohnhäuser aus der Zeit zwischen<br />

1960 und 1990, deren solide Bauweise geschätzt<br />

wird. Mit vielen von ihnen wurden zu DDR-Zeiten<br />

Lücken geschlossen, die der Zweite Weltkrieg in<br />

der Messestadt hinterlassen hatte. Viele sind<br />

heute saniert und erfreuen sich wegen des guten<br />

mittleren Wohnkomforts und der vergleichsweise<br />

günstigen Mieten großer Beliebtheit.<br />

> LENE-VOIGT-PARK<br />

Auf dem Areal des ehemaligen Eilenburger Bahnhofs in<br />

Leipzig-Reudnitz wurde 2004 der Lene-Voigt-Park eröffnet.<br />

800 Meter Länge und 80 bis 130 Meter Breite – die großzügigen<br />

Ausmaße garantieren ausreichend Raum für die<br />

Ansprüche der verschiedenen Nutzergruppen. Einer klaren<br />

linearen Gliederung folgend, liegen im südlichen Teil zahlreiche<br />

Spielplätze und Sportbereiche für Beachvolleyball,<br />

Fußball, Badminton oder Tischtennis. Abgetrennt durch ein<br />

Birkenband, das in einem Hochbeet angelegt wurde, findet<br />

man im Norden des Parks etwa 100 Quadratmeter große<br />

Parzellen zur individuellen Nutzung.<br />

Leipzig setzt beim Stadtumbau auf Stadthäuser.<br />

Mit Erfolg. Rund 50 Stadthäuser<br />

stehen bereits im Gründerzeitgürtel rund<br />

um die Innenstadt. Bis Ende 2005 sollen<br />

rund 30 Verträge für weitere Neubauten abgeschlossen<br />

werden. Die modernen Einfamilienhäuser,<br />

die auf Brachflächen oder in Baulücken<br />

unweit des Stadtzentrums entstehen, sind<br />

Bestandteil des Selbstnutzer-Modells der Stadt<br />

Leipzig. Das Programm unterstützt vornehmlich<br />

junge Familien, die Wohneigentum nach eigenen<br />

Vorstellungen innerhalb der Gründerzeitquartiere<br />

Leipzigs erwerben möchten.<br />

Daniela Hempel (30) und Steffen Lehmann (33)<br />

haben mit ihren Kindern Emma und Ludwig –<br />

zwei und vier Jahre alt – ihr Stadthaus in der<br />

Industriestraße 71a Ende 2004 bezogen. „Für<br />

uns vier die perfekte Entscheidung“, betont<br />

Daniela Hempel. Viele Gründe sprachen für das<br />

Stadthaus. Ausschlaggebend waren die Mitbestimmung<br />

beim Bau über die Aufteilung der<br />

Innenräume, die günstige Lage des Grundstücks<br />

sowie der Komplettpreis in Höhe von 180.000<br />

Euro. „Ein Haus auf der grünen Wiese wäre deutlich<br />

teurer geworden. Außerdem hätten wir uns<br />

selbst um die einzelnen Gewerke kümmern müssen<br />

und müssten heute auf das direkte städtische<br />

Umfeld verzichten“, so die Betriebswirtin.<br />

„Mit dem Rad bin ich beispielsweise in nur zehn<br />

Minuten in der Innenstadt.“<br />

Für Ralf Thomas, Projektleiter Stadthäuser im<br />

Stadtplanungsamt Leipzig, ist das Beispiel<br />

Industriestraße geradezu mustergültig. „Die<br />

Bewohner können hier, wie auch an anderen<br />

Standorten, alle Vorteile des urbanen Wohnens<br />

genießen.“ Im Vordergrund steht dabei die Nut-<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Die jährliche Zuwachsrate beim Eigenheimbau<br />

in Leipzig liegt bei 30 Prozent.<br />

DAS EIGENHEIM MITTEN IN DER CITY<br />

zung der vorhandenen Infrastruktur, Stadtteilzentren<br />

zur Deckung des täglichen Bedarfs, aber<br />

auch Schulen, Kindergärten und Grünanlagen<br />

liegen in Reichweite. Für weitere Entfernungen<br />

besteht Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr.<br />

An insgesamt zwölf Standorten<br />

mit drei bis vier Kilometern Abstand rings um<br />

das Zentrum von Leipzig stehen bereits Stadthäuser<br />

bzw. sind in Bau oder in Planung. „Wir<br />

bedienen mit den Stadthäusern das einzige noch<br />

funktionierende Marktsegment im Wohnungsbau,<br />

nämlich den Einfamilien-Hausbau“, so der<br />

Projektleiter. Die jährliche Zuwachsrate bei den<br />

innerstädtischen Eigenheimen liegt derzeit bei<br />

30 Prozent.<br />

Die andere Möglichkeit, die das Leipziger Selbstnutzer-Modell<br />

bietet: Mehrere Familien kaufen<br />

gemeinsam ein sanierungsbedürftiges Gründerzeithaus<br />

und verwirklichen unter Leitung eines<br />

Architekten den Traum von der eigenen Wohnung<br />

nach Maß.<br />

Daniela Hempel und Steffen Lehmann haben den Schritt zu<br />

den eigenen vier Wänden mitten in der Stadt nicht bereut.<br />

Ein wichtiges Argument dabei: Mit dem Rad sind es nur<br />

zehn Minuten bis zum Stadtzentrum.<br />

13


14<br />

Christian Kirsten war der langen<br />

Wege vom Stadtrand in die City<br />

überdrüssig. Jetzt hat er praktisch<br />

nur noch zwei Minuten<br />

Fußweg bis in die Kneipenmeile<br />

von Leipzig.<br />

DIE CITY VOR DER HAUSTÜR<br />

Kurze Wege, Restaurants, Kunst und Einkaufsmöglichkeiten<br />

direkt vor der Haustür<br />

– diesen Argumenten folgten in den<br />

letzten Jahren über 30.000 Menschen<br />

zurück in die Leipziger Innenstadt. Während Ende<br />

der 90er-Jahre die Stadtflüchtigen die Reihenhäuser<br />

der Vororte besiedelten und Experten das<br />

Ende der Stadt heraufbeschworen, erlebt das<br />

City-Wohnen heute eine Renaissance.<br />

Christian Kirsten lebt seit 2001 in einer 65 Quadratmeter<br />

großen Maisonette-Wohnung in der<br />

Großen Fleischergasse. Für 550 Euro ist der Balkon<br />

mit Blick ins Barfußgässchen – Leipzigs<br />

bekanntester Kneipenmeile – inklusive. Für ihn<br />

war die zentrale Lage Hauptargument bei der<br />

Wohnungssuche: „Ich bin im Randgebiet von<br />

WOHNEN IN DER TEXTILFABRIK<br />

Riesige Fensterfronten, große Raumhöhen und Wohnflächen<br />

jenseits der 100 Quadratmeter-Marke – Lofts sind vor allem<br />

im Westen von Leipzig in den Stadtteilen Schleußig und<br />

Plagwitz eine Alternative zu Wohnungen in herkömmlichen<br />

Mietshäusern. Ein Paradebeispiel für das großzügige Wohnkonzept<br />

sind die ehemaligen Buntgarnwerke Leipzig. Die<br />

einstige Textilfabrik – Europas<br />

größtes Industriedenkmal<br />

aus der Gründerzeit<br />

– wurde komplett<br />

für Wohnzwecke umgestaltet<br />

und in den urbanen<br />

Lebensraum integriert.<br />

Für besonderes<br />

Flair sorgt die unmittelbare<br />

Nähe des Flusses<br />

Weiße Elster.<br />

Leipzig aufgewachsen. Irgendwann war ich es<br />

leid, immer ins Auto oder die Straßenbahn zu steigen,<br />

um in die Stadt zu kommen. Heute gehe ich<br />

vor die Tür und stehe im Stadtzentrum.“ Für den<br />

Weg ins Kino, das Restaurant oder die Lieblingsbar<br />

braucht der 28-Jährige nur zwei Minuten.<br />

Das Besondere an Leipzig ist, dass sich das Zentrum<br />

nicht auf das etwa ein Quadratkilometer<br />

große Gebiet innerhalb des Stadtrings begrenzt.<br />

Hier ist die Anzahl der Wohnungen mit etwa 1.600<br />

sogar eher gering. Der Gründerzeitgürtel, der sich<br />

durch das Waldstraßen-, das Musiker- und das<br />

Graphische Viertel oder die Südvorstadt zieht,<br />

erweitert das Angebot an attraktivem Wohnraum<br />

in der City. Der Stadtkern ist von hier aus in fünf<br />

bis zehn Minuten zu Fuß erreichbar.<br />

> INTERIMSBEGRÜNUNG GERICHTSWEG<br />

Offene Wiesenbereiche, individuell gestaltete Bänke<br />

und ein lockeres Wegenetz kennzeichnen die 10.000<br />

Quadratmeter große Interimsbegrünung am<br />

Gerichtsweg. Der Park entstand auf einem ehemaligem<br />

Fabrikgelände. Bevor das Grundstück der Treuhandliegenschaftsgesellschaft<br />

mbH durch eine<br />

Gestattungsvereinbarung begrünt wurde, hatten<br />

Vandalismus und der zurückgelassene Unrat jahrelang<br />

einen negativen Einfluss auf das Wohnumfeld.<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

DIE PLATTE IST TOT – ES LEBE DIE PLATTE<br />

Fast hätten sich Antje und Klaus Kalitynski<br />

vor ein paar Jahren für den Wegzug aus<br />

der Hans-Marchwitza-Straße 24 in Lößnig<br />

entschieden. Ihre 58-Quadratmeter-Wohnung<br />

war bis dahin nicht saniert – da gab es in<br />

der Stadt weitaus Besseres zu ähnlichen Mieten.<br />

Inzwischen sind die beiden Rentner froh, dass<br />

sie wie viele Mitbewohner auch in dem elfgeschossigen<br />

Plattenbau-Komplex ausgeharrt<br />

haben. Denn zwischen Mai und September 2004<br />

sanierte die <strong>LWB</strong> den Block komplett.<br />

Das Haus wurde nicht nur oberflächlich saniert,<br />

sondern es entstand in Zusammenarbeit mit der<br />

Deutschen Energie-Agentur ein Niedrigenergiehaus.<br />

Dämmung, Wärmeschutzverglasung, Abluftanlage,<br />

Heizung mit Kraft-Wärme-Kopplung<br />

sowie Sonnenkollektoren in den Balkonbrüstungen<br />

machen diese Platte zu einem Pilotprojekt,<br />

in dem jetzt 75 Prozent weniger Energie verbraucht<br />

wird. „Wir spüren das schon deutlich bei<br />

den Heizkosten“, freut sich Klaus Kalitynski, der<br />

wie alle anderen Mieter hoch zufrieden ist.<br />

Der <strong>LWB</strong>-Elfgeschosser im Stadtteil Lößnig ist<br />

ein Beispiel dafür, dass Teile der ostdeutschen<br />

Platte durchaus eine Zukunft haben und die<br />

DDR-typischen Großsiedlungen keineswegs nur<br />

sterbende Quartiere in sozialer Schieflage sind.<br />

Der massive Bevölkerungsrückgang in den neunziger<br />

Jahren setzte freilich vor allem den Großsiedlungen<br />

zu, wo es zu dramatisch hohen Leerständen<br />

kam, denen die Kommunen und die Vermieter<br />

im Rahmen des Stadtumbaus begegnen.<br />

Zwischen 2001 und 2004 wurden in Leipzig<br />

Antje und Klaus Kalitynski fühlen sich in ihrer sanierten<br />

Plattenbauwohnung äußerst wohl, weil sie zu erschwinglichen<br />

Mietpreisen eine hohe Wohnqualität erhalten.<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Das Niedrigenergiehaus der <strong>LWB</strong> im Leipziger Süden fällt nicht nur<br />

durch die farbenfrohe Fassadengestaltung auf. Insgesamt werden<br />

nach der Sanierung 75 Prozent der Energiekosten eingespart.<br />

knapp 4.000 Wohneinheiten abgerissen, zwei<br />

Drittel davon in Plattenbauobjekten. Tausende<br />

weitere sollen bis zum Jahr 2010 folgen. Zwar<br />

sinken die Einwohnerzahlen in den Großsiedlungen<br />

weiterhin kontinuierlich, aber auch in<br />

diesen Quartieren soll durch eine gezielte<br />

Umbaustrategie die Lebensqualität für die verbleibenden<br />

Bewohner erhöht werden. Das heißt:<br />

Mehr Raum für weniger Bewohner und mehr<br />

Qualität durch weniger Häuser.<br />

Gar nicht den Klischees vom sozialen Brennpunkt<br />

entspricht die Wahrnehmung des Plattenbauwohnens<br />

durch die Mieter selbst. Zwar ist<br />

zum Beispiel die Zahl der Bewohner von Leipzig-<br />

Grünau seit der Wende von 85.000 auf 49.000<br />

gesunken, aber eine Langzeitstudie verweist auf<br />

ein hohes Wohlbefinden der „Übrig Gebliebenen“.<br />

„Wer weg ziehen wollte, ist schon lange<br />

weg. Geblieben sind die überzeugten und zufriedenen<br />

Grünauer“, stellt die Soziologin Dr. Sigrun<br />

Kabisch fest. Das Einkommen der Grünauer liegt<br />

übrigens spürbar über dem Leipziger Durchschnitt.<br />

Allerdings tragen zu diesem guten<br />

Ergebnis vor allem die Senioren bei, deren Rente<br />

noch nicht durch die Jahre der Arbeitslosigkeit<br />

geschmälert wurde. Für die Zukunft der Platte<br />

heißt dies allerdings, dass nur durch massive<br />

Aufwertung der Lebensqualität auch jüngere<br />

Mieterschichten gewonnen werden können.<br />

15


16<br />

MIT LEIPZIG ZUM ERFOLG<br />

Seit 1990 drehen sich in Leipzig unablässig die Baukräne.<br />

Im Jahr 2000 hatte Leipzig bereits 50 Prozent seiner<br />

Gebäudesubstanz saniert. Dahinter standen Investitionen<br />

von über 50 Milliarden Mark. Dahinter stehen aber auch<br />

immer Menschen, die an die Stadt glauben und erfolgreich<br />

in Leipzig arbeiten – Menschen wie Steffen Hildebrand.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

Steffen Hildebrand vor einem aufwändig<br />

sanierten Gründerzeithaus<br />

im Süden der Stadt.<br />

ALTE HÄUSER FÜR NEUE GRÜNDER<br />

Warum Steffen Hildebrand vom Immobilienstandort Leipzig überzeugt ist<br />

Steffen Hildebrand ist Optimist und auch ein<br />

gutes Stück Visionär. Anders ist es nicht zu<br />

erklären, dass der 37-jährige Immobilienkaufmann<br />

düsteren Bevölkerungsprognosen der<br />

neunziger Jahre nicht so recht über den Weg<br />

traute. Vor gut zehn Jahren sahen viele die altehrwürdige<br />

Messestadt aufgrund massiver<br />

Abwanderung und einer höheren Sterbe- denn<br />

Geburtenrate bei unter 400.000 Einwohnern –<br />

inklusive eines dramatischen Wohnungsüberhangs<br />

und großer Vermietungsprobleme. „Das<br />

konnten wir nicht so recht glauben“, erinnert<br />

sich der Diplomkaufmann. „Außerdem hatten<br />

wir uns da schon längst in die wunderschöne<br />

Altbausubstanz verliebt.“<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Zwar hat die Stadt heute tatsächlich einen<br />

beträchtlichen Leerstand zu verkraften, aber der<br />

ist höchst ungleich verteilt.<br />

Die Stadt lässt vor allem leere Plattenbauten an<br />

der Peripherie abreißen, viele Gründerzeitquartiere<br />

erstrahlen dagegen in neuem Glanz. Und<br />

genau hier zeigt sich der wichtigste Grund für<br />

den Optimismus des gebürtigen Frankfurters,<br />

der nach Banklehre und Studium in die Firma<br />

des Vaters Ernst-Uto und seines Partners Edgar<br />

F. Jürgens eintrat: Er glaubte einfach nicht, dass<br />

die in ihrer Großflächigkeit einmaligen Gründerzeitquartiere<br />

keine Käufer bzw. Mieter finden<br />

würden.<br />

17


LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

Vermieter können nicht viel falsch machen<br />

Ein Jahrzehnt und weit über 100 mit Liebe zum<br />

Detail sanierte Häuser später, wird der Hildebrandsche<br />

Optimismus bestätigt. Im Leipziger<br />

Süden, im citynahen Waldstraßen- oder im<br />

Musikerviertel ist der größte Teil der Gründerzeithäuser<br />

mit seinen großflächigen und mondänen<br />

Wohnungen saniert und vor allem zu großen Teilen<br />

auch vermietet. Hier können Vermieter kaum<br />

etwas falsch machen. „Leipzigs Wohnungsmarkt<br />

ist sehr differenziert. In Gegenden wie Connewitz<br />

im Süden der Stadt, Gohlis im Norden oder aber<br />

einstige Arbeiterviertel in Schleußig oder dem<br />

citynahen Teil von Plagwitz, sind Wohnungen<br />

nahezu problemlos zu vermieten. Es gibt aber<br />

auch Ecken, wo das weitaus schwieriger ist – wie<br />

etwa den Leipziger Osten.“<br />

Seit 1997 führt Steffen Hildebrand die Leipziger<br />

Niederlassung des Unternehmens – mit ihren<br />

über 30 Mitarbeitern und über 3.000 verwalteten<br />

Wohnungseinheiten gehört die Hildebrand & Jürgens<br />

GmbH zu den bedeutenden und erfolgrei-<br />

Steffen Hildebrand von Hildebrand & Jürgens glaubt<br />

fest an die Zukunft des Immobilienstandortes Leipzig.<br />

18<br />

> DUNKLER WALD<br />

Die Interimsbegrünung „Dunkler Wald“ ist<br />

wesentliches Element des Projektes „Grünes<br />

Rietzschkeband“, das den Leipziger<br />

Osten vom Hauptbahnhof bis nach Sellerhausen<br />

durchdringen wird. Durch die<br />

Bepflanzung der Abrissflächen ehemaliger<br />

Wohnhäuser in der Wurzener Straße wird<br />

die einstige Baukante durch „Baumblöcke“<br />

ersetzt. Abhängig von der Grundstücksverfügbarkeit<br />

wird der „Dunkle Wald“ entlang<br />

der Wurzener Straße weiter anwachsen.<br />

chen Immobilienfirmen der Halbmillionen-Metropole.<br />

Noch immer saniert die Unternehmensgruppe<br />

jedes Jahr eine Vielzahl von Wohnungen:<br />

„Der Bedarf ist einfach da und unsanierte Gründerzeithäuser<br />

in guten Lagen gibt es immer noch<br />

– wenngleich nicht mehr so großflächig wie noch<br />

in den neunziger Jahren.“ 2004 sanierte Hildebrand<br />

& Jürgens 180 Altbauwohnungen, in diesem<br />

Jahr werden es deutlich über 200 sein.<br />

Neue Mieterschicht leistet sich<br />

bürgerliches Wohnen<br />

In Leipzig wächst eine Mieterschicht, die sich<br />

das Wohnen in gründerzeitlicher Bürgerlichkeit<br />

leisten kann und will. „Die Messe, die Universität,<br />

dazu Ansiedlungen wie Porsche, BMW,<br />

DHL, Max-Planck-Institute, das Bundesverwaltungsgericht<br />

und der Mitteldeutsche Rundfunk<br />

– all dies sind Pluspunkte dieser tollen Stadt, die<br />

langfristige Chancen auf dem Wohnungsmarkt<br />

aufzeigen“, ist sich Steffen Hildebrand sicher. Da<br />

stört ihn auch nicht, dass Sonder-Abschreibungen<br />

Ost längst vergangenen Zeiten angehören.<br />

„Außer Denkmal-Afa und Sanierungsgebiets-Afa<br />

gibt es keine steuerlichen Vergünstigungen<br />

mehr. Aber allein deswegen haben wir auch nie<br />

unsere Investitionen durchgeführt.“<br />

Womit sich Hildebrand & Jürgens von den Immobilienfirmen<br />

abhebt, die nach der Wende im<br />

Osten die schnelle Mark machen wollten, Investoren<br />

das Blaue vom Himmel versprachen und<br />

keinerlei langfristiges Engagement vor Augen<br />

hatten. Die meisten dieser Glücksritter sind<br />

längst wieder vom Markt verschwunden. Was<br />

bleibt, ist – neben dem kommunalen Großvermieter<br />

<strong>LWB</strong>, den Wohnungsgenossenschaften<br />

und zahlreichen Hausbesitzern – eine überschaubare<br />

Zahl seriöser Immobilienfirmen, die<br />

einander respektieren.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

Stadt und Investoren auf einer Wellenlänge<br />

Ein besonderes Lob bekommt bei Steffen Hildebrand<br />

die Stadtverwaltung. „Besser und flexibler<br />

ist die Investorenpolitik des Leipziger Rathauses<br />

kaum vorstellbar. Es gibt absehbare<br />

Bearbeitungszeiten und bei Problemen steht die<br />

gemeinsame Lösungssuche obenan. Allerdings<br />

kriecht die Stadt auch nicht bei jedem Investor<br />

zu Kreuze“, verweist der Immobilienexperte auf<br />

das Selbstbewusstsein der städtischen Verwaltung.<br />

„Und die Denkmalschützer sind hier wirklich<br />

die Anwälte der Häuser. Denn manche Investoren<br />

würden es mit den Details bei der Sanierung<br />

vielleicht nicht so genau nehmen wie<br />

nötig.“<br />

Einen Vorzug der besonderen Art will Steffen<br />

Hildebrand noch anführen: „Man darf nicht<br />

unterschätzen, dass es in Leipzig keine Sperrstunde<br />

gibt. Hier kann man mitten in der City<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Viel Liebe zum Detail in der Leipziger Dölitzer Straße.<br />

auch noch um 23 Uhr in einer lauen Sommernacht<br />

draußen gemütlich bei einem Schoppen<br />

Wein zusammensitzen, wenn in anderen Metropolen<br />

wie München oder Frankfurt die Lichter<br />

längst aus sind. Daraus erwächst ein besonderes<br />

städtisches Flair.“ Als passionierter Jogger<br />

und Biker weiß Steffen Hildebrand um einen<br />

weiteren Standortvorteil der Stadt. Südlich von<br />

Leipzig entstehen derzeit aus ehemaligen Tagebauen<br />

gleich zehn riesige Badeseen. Die Erholungsqualität<br />

ist aber bereits jetzt durch ein ausgedehntes<br />

Auenwaldgebiet beachtlich.<br />

„In Leipzig stimmt auch das Drumherum, nicht<br />

zufällig lassen sich immer mehr junge Familien<br />

in der Stadt nieder.“ Junge Leute, die genauso<br />

optimistisch in die Zukunft blicken, wie der 37jährige<br />

Immobilienkaufmann, dem Leipzig längst<br />

zur Heimat geworden ist.<br />

19


Ein Hauch von Venedig: Der<br />

geöffnete Pleißemühlgraben<br />

führt alte und neue Architektur<br />

zusammen. Wasser, Licht<br />

und Schatten geben dem<br />

Bundesverwaltungsgericht<br />

weltstädtisches Flair.<br />

Neue Ufer mit neuen<br />

Perspektiven – Leipzigs<br />

Pleißemühlgraben<br />

kommt wieder ans Licht.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

LEIPZIGS NEUE ALTE UFER<br />

Dass Leipzig eine Wasserstadt ist, mag<br />

man auf den ersten Blick nicht glauben.<br />

Doch nach und nach kommt ans<br />

Licht, was jahrzehntelang im Verborgenen<br />

lag: Wasseradern, die die Stadt durchziehen.<br />

Durch die Öffnung zweier, teils unterirdischer<br />

Mühlgräben erhält Leipzig Schritt für<br />

Schritt ein verlorenes Stück Identität zurück. Der<br />

Traum vom Wohnen am Wasser wird plötzlich<br />

wieder für viele Menschen zur Wirklichkeit.<br />

Leipzig ist von Natur aus Wasserstadt. Denn die<br />

Stadt liegt inmitten des Wasserknotens der<br />

Flüsse Weiße Elster, Parthe, Pleiße und Luppe,<br />

die sich durch die Auenwaldlandschaft schlängeln.<br />

Bereits im 10. Jahrhundert zweigten Siedler<br />

Kanäle von Pleiße und Elster ab, um ihre<br />

Wassermühlen anzutreiben und Holzstämme in<br />

die wachsende Siedlung zu flößen. Elster- und<br />

Pleißemühlgraben prägten fortan das Stadtbild<br />

Leipzigs. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

verschlechterte sich die Wasserqualität<br />

durch das Einleiten von Industrie- und Haushaltsabwässern<br />

zusehends. Der Rat der Stadt<br />

beschloss – so wie es die Politik der hohen<br />

Schornsteine vorgab – die beiden Mühlgräben<br />

zu verrohren oder zu überwölben. Aus den<br />

Augen, aus dem Sinn.<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Der Pleißemühlgraben kommt wieder ans Licht<br />

Die verbannten Gräben gerieten jedoch nicht völlig<br />

in Vergessenheit. Bereits 1991 entwickelten<br />

Künstler aus ganz Deutschland an der Hochschule<br />

für Grafik und Buchkunst unter dem Slogan<br />

„Neue Ufer“ Entwürfe zur Renaturierung der<br />

geschundenen Flussläufe. 1996 gründete sich der<br />

gleichnamige Förderverein. 1997 war dann der<br />

Anfang gemacht: Der erste Abschnitt des 3,7 Kilometer<br />

langen Pleißemühlgrabens floss wieder<br />

unter freiem Himmel. Der jüngste Bauabschnitt<br />

zwischen Wundtstraße und Paul-Gruner-Straße in<br />

der Südvorstadt Leipzigs richtet sich erstmals<br />

nicht völlig nach dem historischen Lauf des Grabens.<br />

Hier wird die Wohnhausbebauung, die nach<br />

dem Krieg neu gewachsen ist, in die Vorhaben<br />

einbezogen. Eine kleine Auenlandschaft und ein<br />

Wasserspielplatz für Kinder sollen den sonst<br />

strengen Verlauf des Pleißemühlgrabens auflockern<br />

und das direkte Wohnumfeld aufwerten.<br />

Vom Vorplatz des Bundesverwaltungsgerichtes ist<br />

der geöffnete Wasserlauf gar nicht mehr wegzudenken.<br />

Mit blauen Lichtsäulen gesäumt, gehört<br />

der künstliche Arm der Pleiße heute schon fast<br />

wieder zur Selbstverständlichkeit im Stadtbild.<br />

Insgesamt sollen 2.500 Meter des Pleißemühlgrabens<br />

wieder geöffnet werden.<br />

> DUNCKERVIERTEL<br />

Im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost wurde<br />

im Dunckerviertel in Lindenau der Innenhof einer<br />

Wohnanlage der <strong>LWB</strong> neu gestaltet. So entstanden<br />

hier 2004 ein Spielplatz und ein Kleinbiotop, ideal<br />

in das Wohnumfeld integriert.<br />

20 21<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN


22<br />

Der Pleißemühlgraben wird<br />

zum Abenteuer-Spielplatz:<br />

An der Wundtstraße windet<br />

sich der Wasserlauf mitten<br />

durch das Wohngebiet. Über<br />

breite Treppen und sanfte<br />

Böschungen wird das Wasser<br />

hautnah erlebbar.<br />

Fische und Vögel kehren zurück<br />

Der zweite Graben, der Elstermühlgraben,<br />

erstreckt sich vom Palmengartenwehr im Westen<br />

der Stadt bis zum Waldpark Rosental, wo er wieder<br />

in die Weiße Elster mündet. Bis 2012 sollen<br />

fast eineinhalb Kilometer Flusslauf revitalisiert<br />

werden. Dabei verschwinden 665 Meter Metallrohre<br />

und 330 Meter Steingewölbe, durch die<br />

das Gewässer momentan noch in der Westvorstadt<br />

fließt. Der erste Abschnitt an der Jahnallee<br />

ist bereits mitten im Bau. Die Wasserqualität ist<br />

bereits heute so gut, dass man verschiedene<br />

Fischarten und seltene Wasservögel beobachten<br />

kann. Die Finanzierung der „Neuen Ufer“ teilen<br />

sich die Stadt Leipzig, das Land Sachsen, der<br />

Bund und private Investoren.<br />

Zwei alte Leipziger: Thomaskirche<br />

und Pleißemühlgraben.<br />

In Zukunft rücken sogar die Kontinente näher an<br />

Leipzig. Denn mit dem geplanten Durchstich des<br />

Karl-Heine-Kanals über den Lindenauer Hafen<br />

zum Elster-Saale-Kanal, soll die Wasserstadt<br />

auch über einen direkten Wasserweg zum Europäischen<br />

Wasserstraßennetz und zu den Weltmeeren<br />

verfügen. Diese Vision bestand bereits<br />

im 17. Jahrhundert. Der Industriekapitän der<br />

Gründerzeit, Karl Heine, der sich auch um den<br />

Wohnungsbau im Westen Leipzigs verdient<br />

gemacht hat, kam der Verwirklichung der Idee<br />

mit dem nach ihm benannten Kanal schon sehr<br />

nahe. Das Projekt Saale-Elster-Kanal, das 1943<br />

mit dem Bau des Hafengeländes in Lindenau<br />

endete, sollte den Plan endlich Wirklichkeit werden<br />

lassen. Der Krieg machte die Vollendung der<br />

Wasserstraße jedoch unmöglich: über den Karl-<br />

Heine-Kanal zur Saale, dann in die Elbe und von<br />

dort bis nach Hamburg und weiter zur Nordsee.<br />

Seenlandschaft am Südrand der Stadt<br />

Ebenfalls künstliche Gewässer prägen heute den<br />

Südraum der Stadt Leipzig. In den Restlöchern<br />

des Kohletagebaus entstanden und entstehen<br />

zehn Seen mit höchster Wasserqualität. Wassersport<br />

vom Tauchen bis zum Segeln, Badespaß<br />

und angrenzende Wälder machen den Cospude-<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

ner See zu einer abwechslungsreichen Oase der<br />

Stadt. Er wird noch näher an die Stadt rücken:<br />

Durch den Ausbau des Floßgrabens soll der<br />

knapp 500 Hektar große See direkt mit den Wasserstraßen<br />

der Stadt verbunden werden. Somit<br />

wird das Wasser zu einem wesentlichen Standortfaktor,<br />

mit dem gerade die Wohnungswirtschaft<br />

rechnen kann. Schon heute sind Wohnungen<br />

in Wassernähe gefragter denn je.<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

Wohnen am Wasser: Der Karl-Heine-<br />

Kanal soll einmal Leipzig mit den<br />

Wasserstraßen Europas verbinden.<br />

> CREDNERSTRASSE<br />

Die Freifläche entstand 2003 im Zuge der Komplettsanierung<br />

der Häuserzeile in der Crednerstraße<br />

28–40 durch die <strong>LWB</strong>. Nach dem Abriss der<br />

gegenüberliegenden Wohngebäude an der stark<br />

befahrenen Prager Straße entstand hier eine parkähnlich<br />

begrünte Fläche mit Mietergärten, Spielund<br />

Trockenplätzen sowie Ruhezonen und Pkw-<br />

Stellflächen für die Mieter. Durch die neue Freifläche<br />

erfährt das aufwändig sanierte Wohngebiet in<br />

Probstheida eine weitere Aufwertung.<br />

23


LIEBEVOLLE BLICKE AUF<br />

EINE VERTRAUTE STADT<br />

Die Leipziger vergöttern ihre Stadt. Neuankömmlinge<br />

schätzen gleich das Flair und die Weltoffenheit der<br />

sächsischen Metropole. Jeder Neu-, Wahl- oder Alt-Leipziger<br />

hat aber seinen eigenen Grund, diese Stadt zu<br />

lieben. Welchen, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.<br />

24<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

Eine kleine Anekdote: Freunde aus<br />

Paris haben vor kurzem zum wiederholten<br />

Male ihren Besuch in<br />

Leipzig angekündigt. Wie Leipzig für<br />

Goethe das Klein-Paris war, so<br />

bezeichnen sie Paris als „Klein-Leipzig“.<br />

Und ich bin mir nicht sicher, ob<br />

sie übertreiben ... Auch ich sehe<br />

mich inzwischen ein bisschen als<br />

Botschafter für Leipzig. Die Stadt<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

ICH LIEBE DIE<br />

GROSSEN PARKS<br />

Juli Zeh, Schriftstellerin aus Bonn,<br />

lebt seit 1996 in der Messestadt:<br />

Ich bin 1996 nach Leipzig gegangen, um am Deutschen Literaturinstitut<br />

zu studieren. Damals wollte ich in eine ostdeutsche<br />

Stadt. Es ist unglaublich, wie viele Menschen aus<br />

den alten Bundesländern noch nicht hier waren und bei<br />

Leipzig an verkohlte Bauruinen und schlechte Luft denken.<br />

Da werde ich zum Missionar: Leipzig ist eine der schönsten<br />

Städte in Deutschland. Die Wendegeschichte und Leipzigs<br />

jüngste Entwicklung zur „Ostmetropole“ machen die Stadt<br />

einzigartig. Ich liebe die unglaublich großen Parks. So<br />

etwas habe ich in keiner anderen Stadt gefunden. Ebenso<br />

liebe ich die Gründerzeitarchitektur, die weiten Straßen, die<br />

allen Passanten Platz zum Gehen, Stehen, Reden lassen.<br />

Überhaupt ist Leipzig das Gegenteil von eng. Die Stadt hat<br />

Platz und insgesamt die richtige Größe. Sie ist Großstadt<br />

genug, aber nicht so sehr, dass sie anstrengend wird. Leipzig<br />

hat sich verändert. So sehr, wie ich es noch nie bei<br />

einem Ort erlebt habe – aber ich war ja auch noch nie so<br />

lange an einem Ort, mal abgesehen von meiner Geburtsstadt<br />

Bonn. Als ich nach Leipzig ging, herrschte ein Flair des<br />

Aufbruchs, der fröhlichen Anarchie, der tausend Möglichkeiten,<br />

des erwartungsvollen Blicks in die Zukunft bei entspanntem<br />

Verhältnis zur Gegenwart. Die Menschen waren<br />

sehr nett zueinander, man ging einander nicht auf die Nerven,<br />

kommandierte sich nicht gegenseitig herum. Leider<br />

FLAIR VOM<br />

MITTELMEER<br />

Henri Maier, Intendant der Leipziger Oper.<br />

Der Franzose lebt seit 2001 in Leipzig:<br />

Leipzig verlässt man nicht gern. Ich erinnere mich an einen<br />

Italiener, der sich mit Tränen in den Augen von Leipzig verabschiedete,<br />

bevor er nach Mailand zurückkehrte.<br />

Der Bahnhof ist mein Lieblingsort. Er symbolisiert Freiheit,<br />

Aufbruch, Bewegung – Attribute, die auch für Leipzig stehen.<br />

Aber ein Bahnhof ist gleichermaßen ein Ort der Begegnung<br />

und des Wiedersehens.<br />

hat mich 2001 aufgenommen. Seitdem<br />

begeistert sie mich. Leipzig<br />

umgibt die Atmosphäre französischer<br />

Städte. Nicht umsonst ist das<br />

wunderbare Lyon die Partnerstadt<br />

von Leipzig: Beeindruckende Architektur,<br />

Handelszentrum, Kulturstadt<br />

– beide Orte haben viel gemeinsam.<br />

Leipzig versprüht besonders im<br />

Sommer ein Flair, wie es auch in den<br />

Städten am Mittelmeer zu finden ist.<br />

Sobald die Sonne hervorkommt,<br />

rücken die Gastwirte Stühle und<br />

Tische heraus. Das Leben verlagert<br />

sich auf die Straßen, die Leute sitzen<br />

vor den Cafés oder Restaurants<br />

und trinken ihren Kaffee oder Rotwein.<br />

Da entdecke ich immer wieder<br />

die angenehme Langsamkeit und<br />

Gemütlichkeit von Leipzig.<br />

hat sich – neben vielen anderen Dingen – auch<br />

diese Stimmung geändert. So sehr Leipzig für<br />

seine wirtschaftlichen Projekte und seine Erfolge<br />

zu loben ist – die Atmosphäre in der Stadt hat<br />

sich aus meiner Sicht gewandelt. Das Leben in<br />

Leipzig hat dadurch einen Teil seiner Unkompliziertheit<br />

verloren.<br />

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26<br />

HIER GEHÖREN<br />

WIR HER!<br />

Dr. Hinrich Lehmann-Grube, Ex-Oberbürgermeister,<br />

kam 1990 aus Hannover:<br />

Warum Leipzig? Meine Frau und ich, wir leben in<br />

dieser Stadt seit über 15 Jahren. Schon 1994,<br />

noch vor meiner Wiederwahl als Oberbürgermeister,<br />

beschlossen wir, nicht zurückzukehren<br />

nach Hannover oder Köln, wo wir doch mit vier<br />

Kindern gute Jahre verbracht hatten. Die Entscheidung,<br />

dauerhaft hier zu bleiben, entsprang<br />

einem intensiven Gefühl: Hier gehören wir her!<br />

Bei allem Auf und Ab des Lebens – hier fühlen<br />

wir uns wohl. Heute, mehr als zehn Jahre nach<br />

diesem Entschluss, wissen wir, dass unser<br />

Gefühl uns nicht getäuscht hat. Wenn ich darüber<br />

nachdenke, fallen mir drei Gründe ein, die<br />

uns das Leben in Leipzig angenehm machen.<br />

Zuerst: Leipzig ist groß und klein zugleich. Kunst<br />

und Kultur sind von einem Niveau und einer<br />

Vielseitigkeit, die jeder europäischen Großstadt<br />

Ehre machen würden. Und dennoch klein! Man<br />

kennt sich. Wann immer ich einen Gang durch<br />

die Innenstadt mache, treffe ich Freunde oder<br />

Bekannte. Meiner Frau geht es genauso.<br />

Zum Zweiten: Leipzig ist eine stolze und ehrgeizige<br />

Stadt. Das hat offenbar eine jahrhunderte-<br />

alte Tradition. Der „Leipziger Größenwahn“, der<br />

einem auch schon mal auf die Nerven gehen<br />

kann, verleiht den Menschen die Kraft, für große<br />

Ziele Großes zu leisten. Dieser Geist lässt sich<br />

auch durch widrige Umstände nicht unterkriegen.<br />

Schließlich: Die Stadt ist – genauer: Die<br />

Menschen in dieser Stadt sind freundlich und<br />

entgegenkommend, trotz Stolz und Ehrgeiz. Das<br />

ist anders und mehr als die viel gerühmte<br />

„Heeflichkeit“ der Sachsen. Der Fremde, Zugereiste<br />

bleibt nicht draußen außerhalb der etablierten<br />

Gesellschaft der Einheimischen. Er wird<br />

ohne viele Umstände, und nicht erst nach Jahrzehnten<br />

der Anpassung, aufgenommen. Diese<br />

besondere Haltung dem Fremden gegenüber ist<br />

mir von vielen Zugereisten, vor allem Wessis,<br />

gerühmt worden. Also: Wir bleiben hier, so viele<br />

Jahre, wie das Leben uns noch schenkt.<br />

EINE STADT VOLLER<br />

AMÜSIERFREUDIGER<br />

Gregor Pelzer, Gastronom, kam 1994 aus Köln<br />

nach Leipzig:<br />

Egal ob München, Köln oder andere westdeutsche<br />

Städte – Leipzig kann mithalten, wenn es um die<br />

gastronomische Vielfalt und Qualität geht. Hier ist<br />

in den letzten anderthalb Jahrzehnten so viel entstanden,<br />

sicherlich auch begünstigt durch die Tatsache,<br />

dass es in Sachsen keine Sperrstunde gibt.<br />

In Leipzig geht man eben erst halb zehn los, in<br />

dem Wissen, dass um ein Uhr das Leben in Kneipen<br />

und Bars noch genauso vital ist wie um<br />

24 Uhr. Gerade in lauen Sommernächten findet<br />

man die City weit nach Mitternacht noch immer<br />

voll von Amüsierfreudigen. Rundum ist Leipzig<br />

gerade für Leute um die 30 ein wunderbarer<br />

Wohnort mit viel Grün und abwechslungsreichen<br />

Kulturangeboten und dies vor allem preiswerter<br />

als München, Hamburg oder Köln.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

> CZERMAKS GARTEN<br />

Der Name Czermaks Garten geht tatsächlich auf<br />

einen Nutzgarten zurück, der auf dem Grundstück<br />

des Leipziger Physiologen Prof. Johann Nepomuk<br />

Czermak im 19. Jahrhundert angelegt wurde. 1875<br />

entstand hier ein Gebäudekomplex, dessen vier je<br />

viergeschossige Flügel durch ein Mittelgebäude miteinander<br />

verbunden waren. Im Oktober 1991 kaufte<br />

Jürgen Schneider das Grundstück und plante den<br />

Umbau zum Einkaufs- und Geschäftscenter. Nach der<br />

Insolvenz Schneiders und dem Scheitern verschiedener<br />

Nachnutzungskonzepte riss man das einsturzgefährdete<br />

Gebäude 2003 ab. Die Kosten für die Umgestaltung<br />

zu einem Park: 870.000 Euro.<br />

EIN ORT DES<br />

KULTIVIERTEN ZEIT-<br />

VERSCHWENDENS<br />

Dr. Barbara Steiner, Direktorin der Galerie für<br />

zeitgenössische Kunst, wurde in der Nähe von<br />

Wien geboren und lebt seit 2001 in Leipzig:<br />

Als ich nach Deutschland kam, wollte ich eigentlich<br />

nur zwei Jahre bleiben. Inzwischen lebe ich<br />

zwölf Jahre hier – gut vier davon in Leipzig. Ich<br />

habe in der Stadt viele Freunde, Bekannte und<br />

Kollegen, die mir das Gefühl von Heimat geben.<br />

Wenngleich mein Verständnis von Heimat mehr<br />

an die Menschen und weniger an eine Stadt<br />

gebunden ist, fühle ich mich in Leipzig sehr<br />

wohl. Hier ist mein Zuhause.<br />

Leipzigs Mischung aus Urbanität und Idylle, der<br />

Wechsel zwischen klassischer Gründerzeitarchitektur<br />

und modernem sozialistischen Erbe verleihen<br />

der Stadt Lebendigkeit und Spannung.<br />

Das Hochhaus aus DDR-Zeiten, die Gründerzeit-<br />

Gebäude mit ihrer bourgeoisen Aura, die dicht<br />

befahrene Straße und der beschauliche Johannapark<br />

– dazwischen steht die Villa der „Galerie<br />

für zeitgenössische Kunst“ und das Galerie-<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

MIR SIND DIE CAFÉ-<br />

HÄUSER AM LIEBSTEN<br />

Else-Marthe Sørlie-Lybekk, norwegische Handball-<br />

Weltmeisterin, lebt und spielt seit 2003 in Leipzig:<br />

Ich habe vor ein paar Wochen meinen Vertrag beim Handballclub<br />

Leipzig bis 2008 verlängert. Mir gefällt es hier, ich<br />

fühle mich sehr wohl. Wenn auch zurzeit die vielen Baustellen<br />

nerven, die Stadt hat ein ganz besonderes Flair. Am<br />

liebsten sitze ich in einem der unheimlich vielen Cafés im<br />

Zentrum oder im Süden der Stadt. Ich bin so ein richtiger<br />

Caféhaus-Typ. Das gilt besonders sonntags, wenn ich mich<br />

mit Freunden zum Brunch treffe. So etwas gibt es in Norwegen<br />

nicht. Was mir auch auffällt, sind die vielen schönen<br />

Häuser. Ich wohne selbst in der Südvorstadt in einem Gründerzeithaus<br />

in einer Dachgeschosswohnung. Schräge Wände<br />

und runde Fenster – so was findet man in Norwegen<br />

kaum, da wird viel mit Holz gebaut.<br />

Café „Neubau“ mit seiner modernen Architektur. Im „Neubau“<br />

pflege ich ein wenig die Wiener Caféhaus-Mentalität.<br />

Die Gäste sollen sich entspannen und wohl fühlen. Es ist<br />

ein Ort des kultivierten Zeitverschwendens.<br />

Leipzig steht für Veränderung. Die Stadt wandelt sich ständig<br />

und präsentiert sich immer von einer anderen Seite. Die<br />

imaginative Qualität von Leipzig, die manche mit Größenwahn<br />

gleichsetzen, ist für die Kunst unverzichtbar. Pulsierende<br />

Städte brauchen die Vielfalt und keine geistige Enge.<br />

Leipzig ist nicht nur Bach- oder Musikstadt. Es gibt hier<br />

auch nicht nur das Gewandhaus und die Oper. Die „Freie<br />

Szene“ in Leipzig hat sehr viel Potenzial und steckt voller<br />

Überraschungen.<br />

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Leipzig hat sehr viele geschichtsträchtige Immobilien:<br />

prächtige, vor allem gründerzeitliche Bürgerhäuser,<br />

Messehäuser, imposante Industriebauten<br />

und Fabrikantenhäuser, frei stehende Villen und<br />

herrschaftliche Anwesen neben nicht weniger markanten<br />

kleinbürgerlichen Quartieren. Ausnahmslos<br />

beeindruckende Bauten, auf die Denkmalpfleger<br />

wie Leipziger Bürger stets besonders stolz sind.<br />

Kaum ein Gebäude, dessen Geschichte nicht aufgearbeitet<br />

wurde und das nicht in irgendeinem<br />

Kulturführer oder Leipzigbuch beschrieben ist.<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

EIN ETWAS UNGEWÖHNLICHER<br />

VERKAUFSTIPP<br />

Liebhaber für Haus mit Seele gesucht – von Gregor Hoffmann<br />

Würde ich heute gefragt, ob denn<br />

auch Häuser eine Seele hätten,<br />

gewissermaßen eine Identität jenseits<br />

ihrer Fassade und Architektur,<br />

müsste ich die Frage vermutlich bejahen.<br />

Nicht jedes Haus, würde ich ergänzen, gewiss<br />

aber jedes einigermaßen betagte Haus, das<br />

Geschichten erzählen kann oder selbst<br />

Geschichte geprägt hat.<br />

Und tatsächlich sind in Leipzig bis heute architektonische<br />

Neuentdeckungen möglich. Ich<br />

erinnere mich gut daran, als ich das erste Mal<br />

vor dem Haus in der Rathenaustraße 23 stand,<br />

in dem Carl Friedrich Goerdeler gelebt hatte.<br />

Ich war mit einem Journalisten verabredet, der<br />

sich für dessen Wirken in der Stadt interessierte.<br />

Es war ein warmer Spätsommertag, die<br />

Sonne stand tief und tauchte die dunkelroten<br />

Klinker der stattlichen Villa in ein mildes Licht.<br />

Die eine Hälfte des Hauses war von wildem<br />

Wein verdeckt, wodurch es jedoch nicht weniger<br />

beeindruckte. Im Gegenteil: Das Haus, das<br />

die DDR einigermaßen unbeschadet überstan-<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

den hatte, machte dadurch einen noch unempfindlicheren<br />

Eindruck gegenüber dem Einfluss<br />

der Zeit. Auf der Rückseite befand sich eine<br />

große Terrasse, die den Blick in einen tiefen<br />

Garten freigab, dessen frühere Konturen noch<br />

deutlich zu erkennen waren. Fasziniert stand<br />

ich vor dem Anwesen.<br />

Einige Jahre später kam ich wieder hierher. Am<br />

Haus wurde eine Gedenktafel angebracht, mit<br />

der anlässlich des 60. Jahrestages an das<br />

gescheiterte Hitlerattentat vom 20. Juli 1944,<br />

den Widerstand und an Carl Goerdeler erinnert<br />

werden sollte. An dem Festakt nahm seine<br />

Tochter teil, Marianne Meyer-Krahmer. Nach<br />

dem offiziellen Teil geht sie ins Haus, betritt<br />

die leeren Zimmer, bleibt gelegentlich stehen<br />

und setzt sich schließlich in der riesigen Küche<br />

auf einen Stuhl, um den Journalisten von ihrer<br />

Kindheit, ihrem Vater und dem Leben in einer<br />

spannungsreichen Zeit zu erzählen.<br />

Marianne Meyer-Krahmer am Haus anlässlich der<br />

Gedenktafeleinweihung 2004<br />

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LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN FAKTEN ZUM VERKAUF:<br />

Carl Goerdeler war von 1930 bis 1937 Oberbürgermeister<br />

in Leipzig. In der Rathenaustraße 23<br />

in Leutzsch, einer bevorzugten Wohngegend,<br />

lebte er mit seiner Familie bis zu seiner Verhaftung<br />

1944. Grundstück und Haus gehörten<br />

ursprünglich einem Industriellen, der es Ende<br />

der 20er-Jahre an die Stadt verkaufen musste.<br />

1936 trat Goerdeler von seinem Amt zurück –<br />

> STADTTEILPARK PLAGWITZ<br />

In Plagwitz wurde eine ehemalige<br />

Eisenbahn-Verladestation zum<br />

Stadtteilpark. Die Gleise blieben<br />

als zentrales Element des Parks<br />

erhalten. Sie wurden mit Schotter<br />

aufgefüllt, kennzeichnen die Wege<br />

durch den Park und erinnern so<br />

an die industrielle Geschichte des<br />

Stadtteils.<br />

„Die wichtigste Räumlichkeit überhaupt hätte ich fast vergessen: Das war – auch vom „Lieferanteneingang“ zu<br />

erreichen – unsere riesengroße Küche im Erdgeschoss. Sie war darauf zugeschnitten, dass schon an normalen<br />

Alltagen ausgiebig geputzt, gekocht und gebraten werden musste; um wie viel mehr, wenn Gäste zu einem<br />

großen Abendessen eingeladen waren!“<br />

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aus Protest gegen die Zerstörung des Mendelssohn-Denkmals<br />

vor dem Gewandhaus. Nach<br />

dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde<br />

Goerdeler als Mitverschwörer verhaftet und<br />

hingerichtet. Auch die Familie wurde durch die<br />

Gestapo verhaftet.<br />

Noch immer sitzt die alte Dame in der Küche<br />

und erzählt, und für Momente scheint die Ver-<br />

FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

Anschrift: Rathenaustraße 23<br />

in 04179 Leipzig<br />

Lage: Leipzig–West<br />

Baujahr:<br />

Nutzungs-<br />

1900<br />

widmung: frei stehende Villa<br />

Rechte Dritter: Notwegerecht für<br />

Flurstück 175 a<br />

Gemarkung: Leutzsch<br />

Blatt: 1003<br />

Flurstück: 175 k<br />

Größe:<br />

Grundbuch-<br />

1.949 qm<br />

Eigentümerin: Leipziger Wohnungsund<br />

Baugesellschaft<br />

mbH<br />

Anzahl WE: 6 WE, leer<br />

Wohnfläche: 584,74 qm<br />

Vollgeschosse: 3<br />

Bauweise: traditionelle Bauweise,<br />

Klinkerfassade<br />

Ausstattung: WE teilweise mit<br />

Bad und IWC, Ofenheizung<br />

Bauzustand: sanierungsbedürftig<br />

Denkmalschutz: ja<br />

Sanierungsgebiet: nein<br />

Kaufpreisvorstellung:<br />

490.000 €<br />

Kontakt:<br />

Leipziger Wohnungs- und<br />

Baugesellschaft mbH<br />

Telefon: 0341 – 9 92 23 02<br />

Fax: 0341 – 9 92 23 09<br />

Internet: www.lwb.de<br />

E-Mail: Andrea.Patitz@lwb.de<br />

„Die hohe Diele war von dem [...] Glasfenster beherrscht, der ,Sonnenuntergang’ gab ihr einen<br />

eigentümlichen Reiz – als wollte das Haus augenzwinkernd seine Pracht ankündigen. Von hier<br />

führten Flügel- und Schiebetüren in eine Reihe von Repräsentationsräumen, den ,Salon’ etwa<br />

oder das ,Herrenzimmer’.“<br />

RÜCKKEHR IN DIE STADT<br />

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gangenheit wieder lebendig zu werden. Das<br />

Innere des Hauses vermag freilich nur noch in<br />

Spuren an ihre Kindheit in der geräumigen<br />

Villa zu erinnern: die große Küche mit ihren<br />

blauen Lilien-Kacheln, die alten, bunten Glasfenster<br />

in der großen Empfangsdiele, die reich<br />

ornamentierten Stuckdecken in den Zimmern.<br />

Als ich die Türen des Hauses nach der Veranstaltung<br />

wieder abschließe, zögere ich kurz<br />

und denke, was sich aus diesem Haus wohl<br />

alles machen ließe. Da es verkauft werden<br />

soll, besteht immerhin Hoffnung, dass es auf<br />

einen Käufer trifft, der nicht nur die Immobilie,<br />

sondern auch die Seele des Hauses sieht:<br />

seine Geschichte und die Geschichten der<br />

Menschen, die hier lebten. Ich kann es leider<br />

nicht kaufen, nur empfehlen!<br />

> KUNSTPROJEKT STADTHALTEN<br />

In Leipzig-Lindenau steht die Zwischennutzung der<br />

Abbruchflächen im Zeichen der Kunst. Die Projekte<br />

zeigen unter anderem den „Stattpark“ mit 100 Parkplatzschildern,<br />

das „Tapetenzimmer“ mit Schlafzimmerleuchten<br />

an einem freien Giebel oder eine individuell<br />

gestaltete Liegewiese unter dem Motto „Liegen<br />

ist gebührenfrei“.<br />

„Das Herrenzimmer, das meinem Vater auch als Arbeitszimmer diente, war so lang gestreckt, dass es heute<br />

gleich in drei kleinere Räume unterteilt worden ist. Das große Speisezimmer bot Platz für dreißig Personen<br />

an ausgezogener Tafel; gemütlich wurde es glücklicherweise dennoch, wenn sich nur unsere Familie um den<br />

Esstisch scharte, der dann zu einem Kreisrund zusammengeschoben wurde.“<br />

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FORUM EINS | OKTOBER 2005<br />

LEIPZIG UND SEINE BRACHFLÄCHEN<br />

Zitate aus: Marianne Meyer-Krahmer (1998),<br />

Carl Goerdeler – Mut zum Widerstand: Eine Tochter erinnert sich, Leipzig.<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Leipziger Wohnungs- und<br />

Baugesellschaft mbH (<strong>LWB</strong>),<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Prager Straße 21, 04103 Leipzig,<br />

Telefon: 0341 – 9 92 42 01,<br />

E-Mail: presse@lwb.de,<br />

Internet: www.lwb.de<br />

Idee, Konzept, Koordination:<br />

Gregor Hoffmann, Andreas Nowotny (<strong>LWB</strong>)<br />

Texte:<br />

idea Kommunikation,<br />

Gregor Hoffmann (<strong>LWB</strong>)<br />

Grafik & Produktion:<br />

idea Kommunikation<br />

Fotos:<br />

Klaus Sonntag, PUNCTUM,<br />

Edgar Müller, <strong>LWB</strong>, plainpicture, MEV,<br />

Deutsches Institut für Urbanistik<br />

© <strong>LWB</strong> 2005

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