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Wiederitzsch<br />

Stadt Leipzig<br />

Neubaugebiet am Martinsbogen.<br />

Mit Ortsnamen ist es so eine Sache: Als nach<br />

dem Jahre 1000 die deutsche Ostexpansion<br />

im Gebiet zwischen Saale und Mulde einsetzte,<br />

soll eine hochrangige Abordnung<br />

die hiesige Gegend abgeritten sein. Beim<br />

Anblick eines kleinen Flusses rief ein Reiter<br />

erfreut aus: „Eu, de Rietzschke!“. Und als<br />

einige Kilometer weiter der Fluss erneut auftauchte:<br />

„Wieder de Rietzschke!“ Was die<br />

Ortsnamen „Eutritzsch“ und „Wiederitzsch“<br />

begründet haben soll.<br />

Dieser nicht ganz ernstgemeinten „Erklärung“<br />

steht ein schriftliches Zeugnis gegenüber:<br />

Der Name „Wideriz“ erscheint<br />

erstmals 1091 in einer Urkunde, ein kleines<br />

sorbisches Bauerndorf, damals Eigentum<br />

des Merseburger Petersklosters. In unmittelbarer<br />

Nähe gründeten deutsche Bauern<br />

vermutlich zwischen 1100 und 1200 eine<br />

neue Siedlung. Fortan entwickelten sich<br />

beide Dörfer als „Klein- und Groß-Wiederitzsch“<br />

nebeneinander. Das sollte bis 1904<br />

so bleiben.<br />

Die Attribute „klein“ und „groß“ sagen dabei<br />

nicht allzuviel aus: Klein waren sie alle beide.<br />

Klein-Wiederitzsch zum Beispiel zählte<br />

1562 nur 20 Gehöfte; in Groß-Wiederitzsch<br />

waren es 17. Nur langsam wuchs die Einwohnerzahl<br />

über die Jahrhunderte, auf 335<br />

in Groß- und auf 276 in Klein-Wiederitzsch<br />

im Jahre 1890.<br />

Markantes Bauwerk bildete über den Großteil<br />

der Dorfgeschichte die Kirche von Groß-<br />

Wiederitzsch, ein im 12. Jahrhundert aus<br />

Feldsteinen errichtetes Bauwerk. Ihre um<br />

1300 gegossene „Heinrichsglocke“ ist heute<br />

die älteste Kirchenglocke Sachsens. Ihr<br />

Glück, denn so blieb sie im 1. Weltkrieg vom<br />

Einschmelzen verschont. Bei kriegerischen<br />

Fachwerkhaus in der Schmiedegasse: Hier lag<br />

die älteste Ansiedlung von Klein-Wiederitzsch.<br />

Und der Reiter rief: „Wieder de Rietzschke!“<br />

Einst vor der Stadt – heute ein Teil Leipzigs<br />

Ereignissen und Brandkatastrophen war die<br />

Kirche mehrfach das einzige Gebäude, das<br />

vom Dorf übrig blieb. Im 30-jährigen Krieg<br />

fochten in den „Breitenfelder Schlachten“<br />

die Truppen auch auf Wiederitzschs Fluren:<br />

Am 7. September 1631 standen sich Gustav<br />

Adolf und Tilly gegenüber; am 2. November<br />

1642 stritt der schwedische Graf Torstenson<br />

gegen die Herzöge Leopold und Piccolomini.<br />

Auch während der Völkerschlacht wurden<br />

beide Dörfer stark in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Nationaldichter Ernst Moritz Arndt<br />

ritt am 16. Oktober 1813 als Angehöriger<br />

von Blüchers Schlesischer Armee durch<br />

Wiederitzsch, das von der polnischen Division<br />

Dombrowski hartnäckig verteidigt<br />

wurde: „Die Kugeln pfiffen mir gewaltig um<br />

die Ohren, und meine Mütze und der Mantelkragen<br />

wurden durchlöchert.“ Blücher<br />

selbst stieg mehrmals auf den Wiederitzscher<br />

Kirchturm, um das Schlachtgeschehen<br />

zu beobachten.<br />

Folge der Befreiungskriege war freilich auch,<br />

dass Wiederitzsch zum „Grenzort“ wurde:<br />

Hart umstrittenes Gelände: Die Kämpfe zwischen<br />

Groß- und Klein-Wiederitzsch am 16. Oktober 1813.<br />

Zeuge vieler Ereignisse:<br />

Die Wiederitzscher Kirche.<br />

Im Frieden von Wien verlor Sachsen 1815<br />

als Verbündeter Napoleons drei Fünftel seines<br />

Territoriums. Hinter den Dörfern verlief<br />

die neue Grenze zu Preußen, weshalb in<br />

Wiederitzsch eine „Chaussee-Begleits- und<br />

Grenz-Accis-Einnahme“ errichtet wurde.<br />

Pro Pferd im Gespann waren ein Groschen<br />

acht Pfennig, für ein Reitpferd acht Pfennig<br />

zu zahlen.<br />

Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

kam es zu ersten Schritten, welche die Entwicklung<br />

zur modernen Vorortgemeinde<br />

der Stadt Leipzig einleiteten. Nach einem<br />

Antrag von 1902 genehmigte das sächsische<br />

Innenministerium den Zusammenschluss<br />

beider Dörfer. Ab 1904 hieß es nun „Wiederitzsch“.<br />

Auch vergrößerte sich der Ort in<br />

östlicher Richtung: Nach Plänen des Architekten<br />

Leopold Stentzler entstand ab 1905<br />

die „Landhaussiedlung“, das spätere Neu-<br />

Wiederitzsch, das 1908 sogar einen eigenen<br />

Bahnhof erhielt. Wiederitzsch selbst hatte<br />

schon 1906 Schienenanschluss erhalten<br />

und verfügte ab 1899 über Gas– und ab 1911<br />

über Stromversorgung.<br />

Die gewachsene Infrastruktur machte den<br />

Ort nun auch für die Industrie interessant:<br />

Den Anfang machte 1923 das Säge- und Furnierwerk<br />

Max Müller, das spätere Holzveredelungswerk.<br />

Für das Bauprogramm der DDR<br />

gewann das Plattenwerk Neu-Wiederitzsch<br />

Bedeutung, das am 15. Juli 1968 die Produktion<br />

aufnahm. Zunehmend entwickelte<br />

sich Wiederitzsch auch zu einem gefragten<br />

Wohnstandort.<br />

Am 10. Juni 1998 wurde die Eingemeindung<br />

nach Leipzig vereinbart und am 1. Januar<br />

1999 vollzogen. s<br />

Han s-Jo a c H i m Ho f f m a n n<br />

8 wohnzeit 4 / 2008

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