und „mden” in chilenischen ewässern (1925–1927)

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Karl-Peter Krauss Noch stärker trifft diese Aussage auf die Erforschung und Auswertung von nichtintendierten Akten über Personen zu; in Bezug auf die Geschichte der Deutschen in Ungarn innerhalb ihres vielfältigen multiethnischen und multikonfessionellen Umfeldes blieben sie fast völlig unbeachtet. Zum anderen bieten gerichtliche Akten die Möglichkeit, sich auch den Lebenswelten von Frauen anzunähern, wenn auch über den Umweg der Bewertung des administrativen oder jurisdiktionellen Kontextes. Mit diesen Quellen lässt sich die den Frauen in der Regel zugeschriebene passive Rolle in einzelnen Fällen relativieren, da durchaus auch „aktive Geschichten” konstruiert werden können. 4 So sei hier beispielhaft der Versuch unternommen, aus unterschiedlichen Quellengattungen von Gerichtsakten das breite Spektrum an Möglichkeiten aufzuzeigen, die diese Quellen für die Personen- und Alltagsgeschichte bieten. Dies alles bedarf indes der Einordnung in den historischen Rahmen: Welchen Beitrag können die drei Beispiele für das Verständnis der Geschichte der Deutschen in Ungarn leisten, welches Maß an Charakteristik können sie beanspruchen? Und welche Erkenntnisse können – aus theoretischer Perspektive betrachtet – aus diesen drei Geschichten gewonnen werden? Dem Beitrag zu Grunde liegen zum einen Quellen aus der sog. nicht streitigen, freiwilligen Gerichtsbarkeit, wozu insbesondere Vormundschafts-, Pflegschafts-, Betreuungs-, Nachlass- und Grundbuchsachen u. a. gehören. Des Weiteren wird auf Akten eines Strafgerichtsprozesses zurückgegriffen, der in umfangreichen Fragmenten in mehreren Archiven des heutigen Ungarns und Serbiens überliefert ist. Schließlich werden in einem Fall Akten der Ehegerichtsbarkeit herangezogen. Bei all diesen Quellen stellt sich die Frage nach ihrer Aussagekraft und ihrer Interpretierbarkeit für die ausgewählten Personen. Schon bei den „klassischen” Selbstzeugnissen bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit den Quellen, bei denen es sich ja angesichts der stattgefundenen Selbstreflektionen des Verfassers um „Ich-Konstruktionen” handelt, in denen das eigene „Ich” nicht unverfälscht oder unmaskiert zum Ausdruck kommt. Umso mehr trifft dies auf die nicht-intendierten Quellen über Personen zu, die Winfried Schulze in einer weit gefassten Definition als „Ego-Dokumente” bezeichnet, eine Einordnung, die seither vielfachen Widerspruch hervorgerufen hat. 5 Gleichzeitig schien die Kritik an dieser Definition die personenbezogene Forschung zu erschweren, denn Winfried Schulze betont zu Recht die vielfachen „Möglichkeiten und Perspektiven” dieser Quellen, wobei er insbesondere die Zeugenverhöre im Auge hat. Wolfgang Beh- 4 Ein Beispiel für die Darstellung eines geschlechterspezifischen Ansatzes bei einer (missglückten) Auswanderung auf der Grundlage von Gerichtsakten nach Russisch–Polen im Jahre 1817 bietet KIENITZ 1999. 5 SCHULZE 1996, 11–30. Eine zusammenfassende Darstellung der Kritik siehe RUTZ 2002, 3–9. � 48 �

Einfache Leute ringer geht noch darüber hinaus, wenn er darauf hinweist, dass „in der Dramaturgie des Verhörs […] die Psychologie der Akteure unverfälschter zutage” tritt als in den eigentlichen Selbstzeugnissen. 6 Jedenfalls ist es eine zentrale Aufgabe, die Quellen einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen, ihr Zustandekommen zu hinterfragen und sie anhand ergänzenden Quellenmaterials auf Widersprüche und Ungereimtheiten zu überprüfen und zu bewerten, um hinreichend verlässliche Aussagen zu erhalten. Quellen, aus denen Normverletzungen ersichtlich werden, sind von besonderer Bedeutung für die Erforschung der Mentalitäts-, Sozial- und Alltagsgeschichte in einer Zeit, in der es wenig Schriftzeugnisse über das eigene „Ich” gegeben hat. Sie ermöglichen zugleich einen interpretativen Blick auf sich entwickelnde Normen und Werte hinsichtlich der Selbstwahrnehmung und Selbsteinordnung in einem kulturellen Koordinatensystem innerhalb eines multiethnischen und multikonfessionellen Umfeldes. Solche Quellen können einen Blick „hinter den Vorhang” hin zum Wertekanon einer Gruppe oder einer sich konstituierenden Gesellschaft öffnen. Im Folgenden werden diese Fragestellungen am Beispiel dreier Frauen aufgezeigt, die Spuren in gerichtlichen Akten sowie in Kirchenbüchern hinterlassen haben. „Unterthänigste Dienstmachd” Anna Maria Steltzer Anna Maria Steltzer wurde am 5. Dezember 1779 in Batschsentiwan (oder Priglewitz Sankt Ivan, serb. Priglevica Sveti, ung. Bácsszentiván) als fünftes Kind von Anna und Georg Steltzer geboren. Von den insgesamt neun im Kirchenbuch ausgewiesenen Kindern erreichten nur sie und ihre am 3. August 1785 geborene Schwester Elisabeth, das jüngste Kind, das Erwachsenenalter. Wenige Monate nach der Geburt von Elisabeth starb die Mutter am 7. Dezember 1785 im Alter von etwa 35 Jahren. Der Vater heiratete genau zwei Monate danach Anna Maria Mander, verstarb aber selbst am 13. Juni 1787 im Alter von etwas über 40 Jahren. 7 Anna Maria und ihre Schwester Elisabeth waren im Alter von sieben und knapp zwei Jahren zu Vollwaisen geworden und wuchsen in einer Pflegefamilie auf. Sie blieben nicht bei ihrer Stiefmutter und folgten damit einem immer wieder in Quellen beschriebenen, häufig beobachteten Muster. 8 Ihre Pflegeeltern hießen 6 BEHRINGER 1996, 293. Dabei betont Behringer, wie wichtig die gebotene methodische Sorgfalt beim Umgang mit Verhörprotokollen ist; ebd., 281–288. 7 Angaben aus SCHUY / SCHERER 1992. 8 Offensichtlich diente dieses Verhalten auch dazu, die Komplexität von Patchworkfamilien zu begrenzen, denn die hohe Mortalität in der Anfangszeit brachte es häufig mit sich, dass Kinder aus verschiedenen Ehekonstellationen in einer Familie lebten, was konfliktträchtig war. So wurden „überzählige“ Kinder oft in verwandte Familien gegeben. � 49 �

Karl-Peter Krauss<br />

Noch stärker trifft diese Aussage auf die Erforschung <strong>und</strong> Auswertung von nicht<strong>in</strong>tendierten<br />

Akten über Personen zu; <strong>in</strong> Bezug auf die Geschichte der Deutschen<br />

<strong>in</strong> Ungarn <strong>in</strong>nerhalb ihres vielfältigen multiethnischen <strong>und</strong> multikonfessionellen<br />

Umfeldes blieben sie fast völlig unbeachtet. Zum anderen bieten gerichtliche Akten<br />

die Möglichkeit, sich auch den Lebenswelten von Frauen anzunähern, wenn<br />

auch über den Umweg der Bewertung des adm<strong>in</strong>istrativen oder jurisdiktionellen<br />

Kontextes. Mit diesen Quellen lässt sich die den Frauen <strong>in</strong> der Regel zugeschriebene<br />

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Geschichten” konstruiert werden können. 4 So sei hier beispielhaft der Versuch unternommen,<br />

aus unterschiedlichen Quellengattungen von Gerichtsakten das breite<br />

Spektrum an Möglichkeiten aufzuzeigen, die diese Quellen für die Personen- <strong>und</strong><br />

Alltagsgeschichte bieten. Dies alles bedarf <strong>in</strong>des der E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> den historischen<br />

Rahmen: Welchen Beitrag können die drei Beispiele für das Verständnis<br />

der Geschichte der Deutschen <strong>in</strong> Ungarn leisten, welches Maß an Charakteristik<br />

können sie beanspruchen? Und welche Erkenntnisse können – aus theoretischer<br />

Perspektive betrachtet – aus diesen drei Geschichten gewonnen werden?<br />

Dem Beitrag zu Gr<strong>und</strong>e liegen zum e<strong>in</strong>en Quellen aus der sog. nicht streitigen,<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit, wozu <strong>in</strong>sbesondere Vorm<strong>und</strong>schafts-, Pflegschafts-,<br />

Betreuungs-, Nachlass- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>buchsachen u. a. gehören. Des Weiteren wird<br />

auf Akten e<strong>in</strong>es Strafgerichtsprozesses zurückgegriffen, der <strong>in</strong> umfangreichen<br />

Fragmenten <strong>in</strong> mehreren Archiven des heutigen Ungarns <strong>und</strong> Serbiens überliefert<br />

ist. Schließlich werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall Akten der Ehegerichtsbarkeit herangezogen.<br />

Bei all diesen Quellen stellt sich die Frage nach ihrer Aussagekraft <strong>und</strong> ihrer<br />

Interpretierbarkeit für die ausgewählten Personen. Schon bei den „klassischen”<br />

Selbstzeugnissen bedarf es e<strong>in</strong>er kritischen Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Quellen,<br />

bei denen es sich ja angesichts der stattgef<strong>und</strong>enen Selbstreflektionen des<br />

Verfassers um „Ich-Konstruktionen” handelt, <strong>in</strong> denen das eigene „Ich” nicht unverfälscht<br />

oder unmaskiert zum Ausdruck kommt. Umso mehr trifft dies auf die<br />

nicht-<strong>in</strong>tendierten Quellen über Personen zu, die W<strong>in</strong>fried Schulze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weit<br />

gefassten Def<strong>in</strong>ition als „Ego-Dokumente” bezeichnet, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung, die seither<br />

vielfachen Widerspruch hervorgerufen hat. 5 Gleichzeitig schien die Kritik an<br />

dieser Def<strong>in</strong>ition die personenbezogene Forschung zu erschweren, denn W<strong>in</strong>fried<br />

Schulze betont zu Recht die vielfachen „Möglichkeiten <strong>und</strong> Perspektiven” dieser<br />

Quellen, wobei er <strong>in</strong>sbesondere die Zeugenverhöre im Auge hat. Wolfgang Beh-<br />

4 E<strong>in</strong> Beispiel für die Darstellung e<strong>in</strong>es geschlechterspezifischen Ansatzes bei e<strong>in</strong>er (missglückten)<br />

Auswanderung auf der Gr<strong>und</strong>lage von Gerichtsakten nach Russisch–Polen im Jahre 1817<br />

bietet KIENITZ 1999.<br />

5 SCHULZE 1996, 11–30. E<strong>in</strong>e zusammenfassende Darstellung der Kritik siehe RUTZ 2002, 3–9.<br />

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