VDV Das Magazin Ausgabe September 2015
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland. Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
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Was uns bewegt. Wen wir bewegen. <strong>Ausgabe</strong> <strong>September</strong> <strong>2015</strong><br />
Der neue Masterplan<br />
für die Verkehrswege<br />
Wie er entsteht und was<br />
sich ändert Seite 6<br />
Schutzgebühr: 3,20 Euro<br />
Riesen-Tankcontainer<br />
macht Güterverkehr flexibler<br />
Seite 16<br />
Tarifdschungel gelichtet -<br />
zwei Jahrzehnte RMV<br />
Seite 20<br />
Nahverkehr unter Dampf:<br />
Molli jagt den Fahrgastrekord<br />
Seite 26
INHALT<br />
26 Molli: Im Spagat zwischen<br />
Verkehrsvertrag und Nostalgie<br />
18 Europäische Investitionsbank:<br />
einer der großen ÖPNV-Finanziers.<br />
12 Wettbewerb: Beste Ideen werden<br />
mit alter Schwebebahn belohnt.<br />
20 Zwei Jahrzehnte RMV: Den<br />
ÖPNV in Hessen umgekrempelt.<br />
22 Infrastruktur: Rheinland-Pfalz<br />
braucht schnelle Entscheidungen.<br />
30 Abgefahren: In Rekordzeit durch<br />
alle U-Bahn-Stationen Münchens<br />
3 Editorial<br />
Investitionen in den ÖPNV<br />
sind auch Klimaschutz.<br />
4 <strong>VDV</strong> im Bild<br />
Ein großer Wurf<br />
6 Titelstory<br />
Bundesverkehrswegeplan <strong>2015</strong>:<br />
Masterplan für Straße, Fluss und<br />
Schiene<br />
12 Aktuell<br />
Wuppertaler Schwebebahn sucht<br />
für alte Züge kreative Ideen.<br />
14 Hintergrund<br />
NFC: Ohne Papier und Bargeld<br />
unterwegs im ÖPNV<br />
16 Aktuell<br />
Riesen-Tankcontainer eröffnet<br />
neue Dimensionen.<br />
2 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
EDITORIAL<br />
Investitionen<br />
in den ÖPNV sind auch<br />
Klimaschutz<br />
Im Verkehrssektor muss beim Klimaschutz dringend<br />
mehr passieren. <strong>Das</strong> fordert das Umweltbundesamt.<br />
Anders als in Energiewirtschaft und<br />
Industrie sind im Verkehrsbereich die Treibhausgasemissionen<br />
im Vergleich zu 1990 gestiegen.<br />
Jeder sieht, warum das so ist: Immer mehr Lkw und<br />
immer mehr PS-stärkere und schwerere Autos<br />
drängeln sich auf den Straßen. Hier werden laut<br />
Umweltbundesamt 95 Prozent der Treibhausgasemissionen<br />
im Verkehrssektor verursacht.<br />
„Viele Fachleute stimmen darin überein, dass man<br />
den öffentlichen Verkehrsmitteln den Vorrang<br />
geben muss.“ Dieser Satz stammt aus der jüngsten<br />
Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus. Einen<br />
Trend zur umweltbewussten Mobilität gibt es<br />
bereits. Allein den ÖPNV in Deutschland nutzten<br />
2014 fast zehn Milliarden Menschen. Seit Jahren<br />
verzeichnen wir ein stetiges Wachstum bei den<br />
Fahrgastzahlen. Vor allem in den Ballungsräumen<br />
ist der ÖPNV mehr als nur eine Alternative<br />
zum Individualverkehr. Denn er sichert Mobilität<br />
und Lebensqualität. Aber sowohl im ÖPNV als<br />
auch im Schienengüterverkehr müssen wir weiter<br />
kontinuierlich unsere Leistungen verbessern,<br />
alternative Antriebsformen einsetzen und durch<br />
Innovationen wie den 45-Fuß-Tankcontainer,<br />
über den wir in dieser <strong>Ausgabe</strong> berichten, unsere<br />
Wettbewerbsfähigkeit kontinuierlich verbessern.<br />
Nur aus eigener Kraft schaffen wir das jedoch nicht.<br />
Die Politik muss die Rahmenbedingungen gestalten,<br />
um den öffentlichen Personenverkehr leistungsfähiger<br />
und den Schienengüterverkehr wettbewerbsfähiger<br />
zu machen. Noch immer ist keine Regelung<br />
in Sicht, wie es bei den zentralen Instrumenten zur<br />
Finanzierung und zum Ausbau des Nahverkehrs<br />
weitergeht. Es wird höchste Zeit, dass Bund und<br />
Länder bei ihren nächsten Gesprächen Anfang<br />
<strong>September</strong> eine Lösung auf den Weg bringen. Denn<br />
jede weitere Verzögerung erhöht den Druck auf<br />
unsere Branche. Und sie ist eine vergebene Chance.<br />
Denn gezielte Investitionen in den Verkehrssektor<br />
sind schneller und effektiver Klimaschutz<br />
– und das mit vergleichsweise geringen Mitteln.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Jürgen Fenske<br />
18 Hintergrund<br />
EIB ist Geldgeber für den Nahverkehr.<br />
20 Aus dem Verband<br />
Der RMV besteht seit 20 Jahren.<br />
Seite 21: RMV-Geschäftsführer<br />
Prof. Knut Ringat im Interview<br />
22 Aus dem Verband<br />
Infrastruktur: Um die Mittel<br />
herrscht ein „Verteilungskampf“.<br />
24 Aktuell<br />
Qualitätspreis Gleisbau: Besondere<br />
Projekte erhalten Auszeichnung.<br />
26 Unterwegs im Netz<br />
SPNV unter Dampf: Alles Molli<br />
30 Abgefahren<br />
Mathematiker durchfährt<br />
Münchner U-Bahn-Stationen<br />
in neuer Bestzeit.<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ finden<br />
Sie auch im Internet als<br />
E-Paper unter:<br />
www.vdv.de/das-magazin<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 3
4 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
<strong>VDV</strong> IM BILD<br />
Ein großer Wurf<br />
Der direkte Vergleich mit einem Standard-Tankcontainer verdeutlicht die Dimension:<br />
BASF und der Hersteller van Hool haben einen bahnoptimierten 45-Fuß-Tankcontainer<br />
vorgestellt. Gegenüber dem klassischen Kesselwagen bietet er eine Reihe von Vorteilen<br />
im Betrieb und bei den Kosten. Eine Innovation mit großem Potenzial, denn sie könnte die<br />
Logistik per Eisenbahn deutlich wettbewerbsfähiger machen und so zusätzlich Transporte<br />
von der Straße auf die Schiene verlagern.<br />
Mehr dazu lesen Sie auf den Seiten 16 und 17.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 5
TITELSTORY<br />
1.100<br />
Projekte<br />
wurden dem Bundesverkehrsministerium<br />
allein aus<br />
dem Bereich Schienenverkehr<br />
für den neuen Bundesverkehrswegeplan<br />
vorgeschlagen.<br />
Elbe-Havel-Kanal: In Genthin<br />
ist nach zweijähriger Bauzeit der<br />
zweite und damit letzte Abschnitt<br />
des Ausbaus weitgehend abgeschlossen.
Masterplan für<br />
Straße, Fluss<br />
und Schiene<br />
Wenn bei unübersichtlichen Lagen Probleme auftreten, schallt normalerweise der Ruf nach<br />
einem Masterplan durch Büros und Amtsstuben. Für das hochkomplexe Verkehrssystem der<br />
Bundesrepublik gibt es schon lange einen Masterplan: den Bundesverkehrswegeplan. Er soll<br />
im Herbst neu aufgelegt werden.<br />
Im Bundesverkehrswegeplan (BVWP)<br />
führt der Bund alle Neu- und Ausbauvorhaben<br />
seiner Verkehrswege auf. Der<br />
aktuelle stammt aus dem Jahr 2003. Die<br />
Vorarbeiten für die Neuauflage sind weit<br />
fortgeschritten. Bis ein Projekt es in den<br />
Plan schafft, hat es schon eine ausführliche<br />
Bewertung hinter sich. Neu am<br />
Bundesverkehrswegeplan <strong>2015</strong> ist die<br />
verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit.<br />
Vorschläge konnten Länder, Verbände<br />
oder Organisationen und bei den Bahnstrecken<br />
auch Bürger direkt unterbreiten.<br />
<strong>Das</strong> Bundesverkehrsministerium als<br />
federführende Behörde zählte rund 1.100<br />
Projekte, die allein für den Schienenverkehr<br />
vorgeschlagen wurden.<br />
Es geht also um Straßen, Schienen- und<br />
Wasserwege im Besitz des Bundes. Nicht<br />
erfasst werden der Luftverkehr, Flug-,<br />
Konzeptphase<br />
Prognosephase<br />
Bewertungsphase<br />
Referentenentwurf<br />
Beteiligung<br />
Grundlage der<br />
Beteiligung<br />
Verbände<br />
Bürgerinnen<br />
und Bürger<br />
Übersicht zur geplanten Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
am Bundesverkehrswegeplan<br />
Festlegung<br />
Szenario<br />
Entwurf der<br />
Grundkonzeption<br />
Entwurf der<br />
Bewertungsmethodik<br />
Ö Ö Ö Ö Ö<br />
K<br />
K<br />
S<br />
S<br />
K<br />
I<br />
Internetseite<br />
Ö<br />
I Informationsveranstaltung<br />
K<br />
S<br />
(bei Referentenentwurf inkl. Auslegung)<br />
Konsultationsgespräch<br />
Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme<br />
K<br />
Kabinettsbeschluss<br />
Referentenentwurf<br />
Ö<br />
S<br />
S<br />
inkl. Strategische<br />
Umweltprüfung (SUP)<br />
Projektanmeldung<br />
Prognoseergebnisse<br />
Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur<br />
Ö<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 7
TITELSTORY<br />
In Hamburg wird eine neue<br />
Klappbrücke die alte Rethe-<br />
Hubbrücke ersetzen.<br />
See- und Binnenhäfen sowie das große<br />
Netz der Landes- und Kommunalstraßen.<br />
Der BVWP ist Rahmenplan und<br />
Planungsinstrument zugleich. Er liefert<br />
nicht nur Informationen über Neu- und<br />
Ausbau, sondern auch über den Aufwand<br />
für den Erhalt der Verkehrswege.<br />
Am Anfang gab es eine Grundkonzeption,<br />
deren Entwurf 2013 abgeschlossen<br />
wurde. Bereits dazu konnte die Öffentlichkeit<br />
online Stellung nehmen. <strong>Das</strong>selbe<br />
galt für die Bewertungsmethodik der<br />
Vorschläge und die Übersicht der angemeldeten<br />
Projekte 2014. <strong>Das</strong> Grundkonzept<br />
stützt sich auf den Ist-Zustand des<br />
deutschen Verkehrsnetzes, aber auch auf<br />
Prognosen, die über seinen wahrscheinlichen<br />
zeitlichen Geltungsbereich hinausgehen.<br />
Die aktuelle Verkehrsprognose der<br />
Bundesregierung sagt die denkbaren Veränderungen<br />
bis 2030 voraus. Bis dahin<br />
dürfte der BVWP <strong>2015</strong> bereits durch eine<br />
Neuauflage abgelöst worden sein.<br />
Jeder BVWP baut auf dem Vorgängerplan<br />
auf. <strong>Das</strong> Bundeskabinett beschließt ihn,<br />
und damit löst er den vorhergehenden<br />
ab. Da er nicht vom Parlament beschlossen<br />
wird, hat er auch keine Gesetzeskraft.<br />
Aufnahme und Darstellung von<br />
Projekten im Plan legen auch nicht fest,<br />
ob und wenn ja, wie und wann genau<br />
sie ausgeführt werden. Allerdings wird<br />
das Projekt in eine der drei Kategorien<br />
„Vordringlicher Bedarf plus“ (VB+) - also<br />
besonders eilig -, „Vordringlicher Bedarf“<br />
oder „Weiterer Bedarf“ eingestuft. Hier<br />
greift eine wesentliche Neuorientierung<br />
der amtierenden Koalition im Bund: Erhalten<br />
geht vor Neu- und Ausbau. Daher<br />
werden die in den Prognosen angenommenen<br />
<strong>Ausgabe</strong>n für Erhaltung von den<br />
Gesamtmitteln quasi abgezogen und der<br />
Rest für Aus- und Neubau vorgesehen.<br />
Der wiederum soll sich auf hochbelastete<br />
Korridore konzentrieren. Um herauszu-<br />
Von der Projektidee zur Bauausführung<br />
Träger des<br />
Vorhabens<br />
Projektideen<br />
Fachplanung<br />
Baurecht<br />
Bauausführung<br />
Planungsauftrag<br />
Bundesministerium<br />
für Verkehr und<br />
digitale Infrastruktur<br />
Bundesverkehrswegeplan<br />
(BVWP)<br />
Fünfjahrespläne<br />
(Investitionsrahmenplan)<br />
Jährliche<br />
Bauplanung<br />
Bedarfsplanüberprüfung<br />
Gesetzentwurf<br />
Planungsauftrag<br />
alle 5 Jahre<br />
alle 5 Jahre<br />
Parlament<br />
Ausbaugesetze mit<br />
Mittelfristige<br />
Jährlicher<br />
§ Bedarfsplänen<br />
Finanzplanung § Haushaltsplan<br />
Bedarfsplanung Mittelfristplanung Finanzierung<br />
Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Straßenbau: Die alte Lahntalbrücke bei Limburg<br />
wird durch eine neue Brücke abgelöst (Foto l.). Auf<br />
der A5 zwischen Frankfurt und Kassel wird an der<br />
Anschlussstelle Ober-Mörlen gebaut (Foto r.).<br />
finden, wo das Geld am wirkungsvollsten<br />
investiert wird, werden verschiedene<br />
Szenarien herangezogen. Sie beziehen<br />
auch die anderen Verkehrsträger ein.<br />
Erst dann wird innerhalb der Verkehrsträger<br />
nach Dringlichkeit priorisiert,<br />
wobei wiederum die laufenden Vorhaben<br />
Vorrang haben. Am Ende steht das Nationale<br />
Prioritätenkonzept.<br />
<strong>Das</strong> „VB+“-Kriterium ist für den BVWP<br />
<strong>2015</strong> erstmals eingeführt worden. Vorausgegangen<br />
war öffentliche Kritik<br />
wegen der mangelnden Differenzierung.<br />
So werden die Wasserstraßen im neuen<br />
BVWP überhaupt zum ersten Mal kategorisiert.<br />
Öffentlich-rechtlich genehmigt ist ein<br />
Projekt nicht allein dadurch, dass es in<br />
den Plan aufgenommen wird. All das<br />
passiert erst in den Ausbaugesetzen für<br />
Bundesschienenwege, Bundesfern- und<br />
-wasserstraßen, die der Bundestag auf<br />
der Grundlage des BVWP beschließt.<br />
Dann kommen auch detaillierte Prüfungen<br />
wie Raumordnungsverfahren,<br />
Linienbestimmung, Planfeststellungsverfahren<br />
und anschließend Genehmigungen<br />
ins Spiel. Je nachdem, wie groß<br />
und eventuell umstritten ein Projekt ist,<br />
werden die Bürger in mehreren Schritten<br />
beteiligt, auch wenn das nicht immer<br />
streng vorgeschrieben ist. <strong>Das</strong> Ministerium<br />
folgte beim BVWP aber den Empfehlungen<br />
seines eigenen „Handbuchs<br />
für eine gute Bürgerbeteiligung“.<br />
Falls Projekte aus dem vorherigen Bundesverkehrswegeplan<br />
während seiner<br />
Gültigkeit nicht fertiggestellt wurden, so<br />
bezieht der neue sie mit ein. Wurde mit<br />
dem Bau bereits begonnen, werden die<br />
laufenden Maßnahmen als „Bezugsfall“<br />
Bundesländer rufen neue<br />
Bodewig-Kommission ins Leben<br />
Die Verkehrsminister der Länder haben eine neue Infrastrukturkommission<br />
ins Leben gerufen. Die Arbeitsgruppe „Bau und Unterhaltung<br />
des Verkehrsnetzes“ steht unter der Leitung des ehemaligen<br />
Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig. Ihre Aufgabe besteht darin,<br />
Finanzierungs- und Organisationsmodelle getrennt zu beleuchten und<br />
dann mögliche Kombinationen daraus zu bewerten. Erste Ergebnisse<br />
sollen zur Herbsttagung der Verkehrsministerkonferenz im Oktober<br />
vorliegen. Für den Bau und Betrieb der Bundesfernstraßen sehen die<br />
Verkehrsminister der Länder verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
Losgelöst davon seien diverse Organisationsmodelle möglich für<br />
eine staatliche, privatisierte oder gemischte Gesellschaft, die wiederum<br />
bundeseigen oder föderal aufgestellt sein könnte.<br />
Hier geht es zum Beschluss der Verkehrsministerkonferenz:<br />
http://bit.ly/1LgL621<br />
dargestellt. <strong>Das</strong> heißt, die Bundesregierung<br />
geht davon aus, dass sie ohne nochmalige<br />
neue Untersuchung fertig gebaut<br />
werden. Ein Beispiel dafür ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke<br />
Berlin-München,<br />
die als Verkehrsprojekt Deutsche<br />
Einheit kurz nach der Wiedervereinigung<br />
aufgelegt wurde und 2017 vollständig<br />
dem Verkehr übergeben werden soll.<br />
Sie wird auch in den neuen Bundesverkehrswegeplan<br />
<strong>2015</strong> aufgenommen.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 9
TITELSTORY<br />
Die Baustelle des Tunnels Hirschhagen an der Autobahn 44 in Nordhessen<br />
Die Arbeiten an der ICE-Neubaustrecke<br />
Berlin – München laufen auf Hochtouren –<br />
hier eine Aufnahme der Brücke bei<br />
Weißenbrunn aus dem vergangenen Herbst.<br />
Vor der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan<br />
wird der Projektvorschlag<br />
bewertet, unter anderem mit<br />
einer gesamtwirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Analyse.<br />
Nur wenn der<br />
Nutzen die Kosten überwiegt, kann<br />
es aufgenommen werden, weil die Bundeshaushaltsordnung<br />
vorsieht, dass<br />
der Bund nur rentable Projekte finanzieren<br />
darf. Eine große Herausforderung<br />
ist die Aufstellung von Parametern<br />
für diese Analyse. So gestaltet sich die<br />
Nutzen-Kosten-Analyse bei der Beseitigung<br />
von Engpässen im Straßen- und<br />
Schienenverkehr durch den Ausbau von<br />
Verkehrsknoten extrem aufwändig, weil<br />
sehr viele externe Faktoren einbezogen<br />
und gewichtet werden müssen. Daher<br />
werden einige dieser Projekte erst nach<br />
der Vorlage des BVWP vollständig nach<br />
dem Nutzen-Kosten-Verhältnis analysiert.<br />
Auch sonst lassen sich nicht alle Vorteile<br />
auf Anhieb in Euro und Cent ausdrücken<br />
- etwa die lärmmindernde Wirkung<br />
der neu gebauten Ortsumgehung auf die<br />
Anwohner der entlasteten Dorfstraße.<br />
Übergeordnete und abgeleitete Ziele beziehungsweise<br />
Lösungsstrategien für den BVWP <strong>2015</strong><br />
Übergeordnete Ziele<br />
Mobilität im Personennahverkehr<br />
ermöglichen<br />
Sicherstellung der Güterversorgung,<br />
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Unternehmen<br />
Erhöhung der Verkehrssicherheit<br />
Reduktion der Emissionen von<br />
Schadstoffen und Klimagasen<br />
Begrenzung der Inanspruchnahme<br />
von Natur und Landschaft<br />
Verbesserung der Lebensqualität<br />
einschließlich der Lärmsituation<br />
in Regionen und Städten<br />
Abgeleitete Ziele und Lösungsstrategien für den BVWP <strong>2015</strong><br />
• Erhaltung der Modernisierung der Substanz<br />
• Verbesserung Verkehrsfluss/Engpassbeseitigung<br />
(inkl. Verkehrsmanagement)<br />
• Verbesserung von Erreichbarkeiten/Verbindungsqualitäten<br />
• Erhaltung und Modernisierung der Substanz<br />
• Transportkostensenkung<br />
• Verbesserung Verkehrsfluss/Engpassbeseitigung<br />
(inkl. Verkehrsmanagement)<br />
• Erhöhung der Zuverlässigkeit von Transporten<br />
• Verbesserung der Anbindungen von intermodalen Drehkreuzen<br />
(z. B. Flughäfen, Seehäfen, KV-Terminals)<br />
• Erhaltung und Modernisierung der Substanz<br />
• Verlagerung auf Teilnetze und Verkehrswege mit höherer<br />
Verkehrssicherheit<br />
• Verbesserung Verkehrsfluss/Engpassbeseitigung<br />
(inkl. Verkehrsmanagement)<br />
• Verkehrsverlagerung auf emissionsarme Verkehrsträger<br />
• Erhaltung und Modernisierung der Substanz<br />
• Begrenzung des zusätzlichen Flächenverbrauchs<br />
• Vermeidung von weiterem Verlust unzerschnittener Räume<br />
• Lärmvermeidung und Lärmminderung<br />
• Entlastung von Orten und Menschen/Erschließung städtebaulicher<br />
Potenziale<br />
Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur<br />
10 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
InnoTrans 2016<br />
20. – 23. SEPTEMBER • BERLIN<br />
Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik<br />
Innovative Komponenten • Fahrzeuge • Systeme<br />
innotrans.de<br />
Basisüberlegungen für den großen Plan<br />
In der Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan<br />
werden auf rund<br />
100 Seiten die Planungsgrundzüge<br />
dargestellt und die Ist-Situation beschrieben,<br />
einschließlich der Fehler der<br />
Vergangenheit. Auch gesellschaftliche<br />
Veränderungen seit der Jahrtausendwende<br />
und absehbare Entwicklungen<br />
werden umrissen. Aus all dem ergeben<br />
sich die Ziele des BVWP und die Handlungskonzepte,<br />
mit denen die Bundesregierung<br />
diese Ziele erreichen will.<br />
Daher wurde für den BVWP die Methode der<br />
Nutzen-Kosten-Analyse von externen Wissenschaftlern<br />
überprüft und weiterentwickelt. Dazu<br />
kommt eine Bewertung der Wechselwirkungen<br />
mit anderen Projekten sowie der Einflüsse auf das<br />
Gesamtverkehrssystem. Neu im BVWP <strong>2015</strong> ist die<br />
Strategische Umweltprüfung (SUP), mit der schon in<br />
einem frühen Planungsstadium die Auswirkungen<br />
auf die Umwelt erkannt und gegebenenfalls gemildert<br />
werden sollen.<br />
Ist ein Bundesverkehrswegeplan fertig und beschlossen,<br />
gilt praktisch die Regel: „Nach dem<br />
Plan ist vor dem Plan.“ Zu den Ausbaugesetzen,<br />
die der Bundestag bereits auf der Basis des Plans<br />
verabschiedet hat, gehören auch Bedarfspläne. Sie<br />
bilden wiederum die Grundlage für Fünfjahrespläne,<br />
in denen der Investitionsbedarf aktualisiert<br />
wird. Die Planer gleichen die Ergebnisse mit der<br />
Verkehrsprognose ab und erhalten so laufende<br />
Aktualisierungen des Investitionsbedarfs, aber<br />
auch möglicher neuer Projekte.<br />
www.bmvi.de/DE/VerkehrUndMobilitaet/<br />
Verkehrspolitik/Verkehrsinfrastruktur/<br />
Bundesverkehrswegeplan/<br />
bundesverkehrswegeplan_node.html<br />
Kontakt<br />
Messe Berlin GmbH<br />
Messedamm 22 · 14055 Berlin<br />
T +49 30 3038 2376<br />
F +49 30 3038 2190<br />
innotrans@messe-berlin.de
AKTUELL<br />
Schwebebahn<br />
zu gewinnen<br />
Sie ist das Wahrzeichen Wuppertals: Seit 1901 fährt die Schwebebahn die<br />
13,3 Kilometer von Vohwinkel nach Oberbarmen und zurück. Die 25 Züge der<br />
aktuellen Fahrzeuggeneration werden im kommenden Jahr ersetzt. Statt sie<br />
einfach zu verschrotten, haben sich die Wuppertaler Stadtwerke etwas<br />
Besonderes einfallen lassen.<br />
„Die Schwebebahn ist einzigartig<br />
und nicht nur in Wuppertal sehr<br />
beliebt. Als wir uns entschlossen<br />
haben, die neuen Züge anzuschaffen,<br />
bekamen wir viele Anfragen, was<br />
denn mit den alten Wagen geschehe<br />
– übrigens aus dem ganzen Bundesgebiet“,<br />
sagt Holger Stephan, Pressesprecher<br />
der Wuppertaler Stadtwerke.<br />
21 Bahnen sollen daher zum Preis<br />
von je 5.000 Euro verkauft werden.<br />
<strong>Das</strong> klingt wie ein echtes Schnäppchen.<br />
Allerdings müssen die 24 Meter<br />
langen und 22 Tonnen schweren<br />
Züge zunächst in drei Teile zerlegt,<br />
mit einem Tieflader transportiert,<br />
am Zielort wieder zusammengebaut<br />
und auf ein stabiles Fundament<br />
gesetzt werden – als ausgefallene Gartendekoration<br />
eignen sie sich also nur bedingt.<br />
Drei weitere Züge werden im Rahmen eines<br />
Ideenwettbewerbs als Gewinne ausgelobt: „Die<br />
einzigen Voraussetzungen sind, dass die Züge<br />
auf jeden Fall im Stadtbild erhalten bleiben und<br />
möglichst der Allgemeinheit zugänglich sein<br />
sollen“, erläutert Holger Stephan. Noch bis zum<br />
30. <strong>September</strong> können bei den Stadtwerken<br />
Vorschläge für eine künftige Nutzung der drei<br />
Bahnen eingereicht werden. Erste Ideen gibt es<br />
bereits: Eine Schule will einen Zug als Pausenraum<br />
nutzen. Denkbar ist ebenfalls ein Café an<br />
einer beliebten Fahrradstrecke. Die Pläne müssen<br />
im doppelten Sinne tragfähig sein: Die Kolosse<br />
brauchen eine eigene Baugenehmigung, also einen<br />
festen Platz, an dem sie sicher stehen können.<br />
Daher prüfen die Stadtwerke zunächst alle Ideen<br />
Wahrzeichen im Tal der Wupper: Die Schwebebahn modernisiert<br />
2016 ihren Fahrzeugpark. Eine Bahn im Originaldesign<br />
der 1970er-Jahre soll als Museumszug erhalten bleiben.<br />
auf ihre Machbarkeit. Anschließend können die Wuppertaler<br />
im Internet über die Vorschläge abstimmen.<br />
Von den 25 Bahnen soll eine komplett im Originaldesign<br />
erhalten bleiben. Nach Möglichkeit soll<br />
sie ähnlich wie der „Kaiserwagen“ von 1901 weiterhin<br />
eingesetzt werden – etwa als Museumszug.<br />
Dafür muss die Bahn allerdings zunächst auf die<br />
Leit- und Sicherungstechnik umgerüstet werden,<br />
mit der die neuen Fahrzeuge ausgestattet ist.<br />
Weitere Informationen und<br />
Teilnahmebedingungen unter:<br />
www.wsw-online.de<br />
12 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Hören Sie auf ihre stadT<br />
Stellen Sie sich vor, Ihre Stadt hätte ganz leise Viertel!<br />
Ohne Abgase, aber mit effizientem öffentlichen Busverkehr.<br />
Wie wäre es, wenn Sie Bushaltestellen im Innern von Gebäuden sowie die Möglichkeit anbieten könnten,<br />
Touristen mit dem Bus in sensible historische Areale zu bringen?<br />
Dies können Sie in der Tat.<br />
Elektrisch betriebene Busse ermöglichen dies.<br />
Mit Hybrid-, Electric-Hybrid und vollelektrischen Bussen ermöglichen wir Ihnen kompromisslose und<br />
moderne Personenbeförderung.<br />
Wenn Sie auf Ihre Stadt hören, was denken Sie, würde sie Ihnen sagen?<br />
Oskar-Messter-Str. 20 • D-85737 Ismaning • www.volvobusse.de<br />
Telefon +49 (0) 89 800 74-0 • Fax +49 (0) 89 800 74-551
HINTERGRUND<br />
Ohne<br />
im<br />
Papier<br />
ÖPNV<br />
und<br />
Bargeld<br />
unterwegs<br />
Daten kontaktlos per Funk über wenige Zentimeter senden: <strong>Das</strong> ermöglicht der<br />
internationale Übertragungsstandard NFC. Die Abkürzung steht für Near Field<br />
Communication. Dabei baut ein Lesegerät ein permanentes elektromagnetisches<br />
Feld auf und sucht nach NFC-Chips in seiner Reichweite. Die gibt es in immer<br />
mehr Smartphones. Sobald ein Handy mit dieser Technologie auf die Kontaktfläche<br />
eines Terminals gehalten wird, beginnt der Datenaustausch zwischen<br />
beiden Geräten. Für den ÖPNV bietet diese Technologie ein enormes Potenzial –<br />
etwa für das (((eTicket.<br />
46 Mio.<br />
Smartphones in<br />
Deutschland<br />
insgesamt<br />
90%<br />
2018<br />
46%<br />
<strong>2015</strong><br />
Anteil NFC-fähiger Smartphones<br />
Weitere Informationen zum Thema finden Sie in einer<br />
Broschüre der <strong>VDV</strong> eTicket Service GmbH unter:<br />
www.eticket-deutschland.de/nfc-im-oepnv.aspx<br />
24 14 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Vorteile der NFC-Technik<br />
App muss nicht<br />
gestartet werden<br />
Strom kommt vom Terminal<br />
via elektromagnetisches Feld<br />
Smartphone verhält<br />
sich wie Chipkarte<br />
weder Konfigurieren noch<br />
Einloggen erforderlich<br />
Datenaustausch erfolgt auch<br />
mit ausgeschaltetem Gerät<br />
NFC im ÖPNV<br />
(((eTicket Deutschland<br />
kann genutzt werden<br />
Ticketprüfung kann<br />
offline erfolgen<br />
schnelle<br />
Kontrolle<br />
möglich<br />
Kopierschutz<br />
eindeutig<br />
kein weiteres ID-<br />
Medium erforderlich<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 15
AKTUELL<br />
Riesen-Tankcontainer eröffnet<br />
neue<br />
Dimensionen<br />
Ein Tragwagen und ein abnehmbarer 45-Fuß-Tankcontainer: Im Verbund könnte<br />
dieses System den Schienengüterverkehr mit Kesselwagen genauso flexibel und<br />
schnell machen wie den Kombinierten Verkehr. Vorgestellt wurde die Innovation<br />
im Rahmen der jüngsten Eisenbahnfachtagung der <strong>VDV</strong>-Landesgruppe Südwest.<br />
Er ist ein Riese, der allein schon durch seine schiere<br />
Größe beeindruckt. 45 Fuß – also 13,70 Meter – misst<br />
der neue Tankcontainer, den BASF mit dem belgischen<br />
Hersteller van Hool entwickelt hat. Sein Fassungsvermögen:<br />
63.000 Liter. Seine Zuladung von 66 Tonnen<br />
liegt noch über der eines herkömmlichen Kesselwagens<br />
und entspricht der doppelten Kapazität eines<br />
derzeit üblichen Tankcontainers. Diese im Kombinierten<br />
Verkehr eingesetzten 20- bis 30-Fuß-Einheiten<br />
standen Pate. „Wir haben einen Kesselwagen<br />
mit abnehmbarem Tank entwickelt“, bringt es<br />
Dr. Thorsten Bieker,<br />
Leiter Logistik Eisenbahn<br />
und Häfen<br />
45-Fuß-Tankcontainer:<br />
der BASF, auf den<br />
Zahlen, Daten, Fakten<br />
Punkt. Was so einfach<br />
klingt, birgt ein<br />
enormes Potenzial für<br />
den konventionellen<br />
Schienengüterverkehr<br />
und die gesamte<br />
Bahnindustrie. Dadurch,<br />
dass Wagen und Tank<br />
voneinander getrennt<br />
werden können, sind<br />
ganz neue Transportketten und Verkehre möglich.<br />
„Wir versprechen uns von dieser Innovation einen<br />
starken Schub für die Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Eisenbahnlogistik mit deutlichen Verlagerungseffekten<br />
von der Straße auf die Schiene“, sagt<br />
• Länge: 13,70 Meter<br />
• Eigengewicht: 8,8 Tonnen<br />
• Zuladung: 66 Tonnen<br />
• Fassungsvermögen: 63.000 Liter<br />
• Geplante Stückzahl: 500<br />
Am Rande der <strong>VDV</strong>-Eisenbahnfachtagung (v. l.): Christian Hoffmann,<br />
Geschäftsführer <strong>VDV</strong> Landesgruppe Südwest, Staatssekretär<br />
Günter Kern vom rheinland-pfälzischen Ministerium<br />
des Innern, für Sport und Infrastruktur sowie Dr. Martin Henke,<br />
<strong>VDV</strong>-Geschäftsführer Eisenbahnverkehr<br />
Dr. Robert Blackburn, President Information Services<br />
& Supply Chain Operations der BASF-Gruppe.<br />
Keine Konkurrenz soll der neue Tankriese für die<br />
20-Fuß-Container im Kombinierten Verkehr sein.<br />
„Dafür haben wir ihn auch nicht konzipiert“, betont<br />
Thorsten Bieker. Gegenüber herkömmlichen<br />
Kesselwagen bietet der Verbund aus abnehmbarem<br />
Tankcontainer und Tragwagen allerdings eine Reihe<br />
von operativen und finanziellen Vorteilen – etwa<br />
eine höhere Flexibilität bei der Be- und Entladung.<br />
Um die gleichen logistischen Aufgaben zu erfüllen,<br />
werden weniger Transporteinheiten und Tragwagen<br />
16 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
BASF und der belgische Hersteller van Hool haben den<br />
45-Fuß-Tankcontainer entwickelt. Im Verbund mit<br />
einem Tragwagen erhöht er die Flexibilität von Chemietransporten<br />
im konventionellen Eisenbahnverkehr.<br />
benötigt. Unproduktive Standzeiten und Leerfahrten<br />
können beispielsweise auch dadurch vermieden<br />
werden, dass Reinigungs- und Reparaturarbeiten<br />
getrennt ausgeführt werden und der Tragwagen<br />
anderweitig einsetzbar bleibt. „Ein Kesselwagen läuft<br />
durchschnittlich nur 25.000, ein Containertrag wagen<br />
dagegen 180.000 Kilometer im Jahr“, verdeutlicht<br />
Thorsten Bieker, der auch stellvertretender Vorsitzender<br />
der <strong>VDV</strong>-Landesgruppe Südwest ist, die<br />
Dimensionen. Da der abnehmbare Tankcontainer per<br />
Kran gestapelt werden kann, benötigt er weniger Platz<br />
und Infrastruktur. Zudem kann er per Binnenschiff<br />
und leer auch über die Straße transportiert werden.<br />
In einer Stückzahl von 500 sollen die abnehmbaren<br />
Tankcontainer ab 2017 zum Einsatz kommen.<br />
„Unser Projekt basiert auf Verkehren zwischen den<br />
BASF-Standorten Ludwigshafen, Schwarzheide und<br />
Antwerpen“, erläutert<br />
Thorsten<br />
Bieker. Dabei bilden<br />
die Wechselcontainer<br />
nur den ersten<br />
Baustein. Auf dem<br />
Ludwigshafener<br />
Werksgelände ist der<br />
Bau eines Umschlagund<br />
Lagermoduls<br />
Ein Kesselwagen läuft<br />
durchschnittlich nur<br />
25.000, ein Containertragwagen<br />
dagegen<br />
180.000 Kilometer<br />
im Jahr.<br />
geplant, das auf die 45-Fuß-Container abgestimmt<br />
ist – mit einem neuen Portalkran, der die bei voller<br />
Zuladung 75 Tonnen schweren Einheiten heben und<br />
bewegen kann. Innovationen wie diese treibt das<br />
<strong>VDV</strong>-Mitgliedsunternehmen BASF, das übrigens in<br />
diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen am Standort<br />
Ludwigshafen feiert, gezielt voran – damit seine<br />
Eisenbahnlogistik weiter wettbewerbsfähig bleibt.<br />
Dr. Thorsten Bieker,<br />
Leiter Logistik Eisenbahn und Häfen der BASF<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 17
HINTERGRUND<br />
Rhein-Ruhr-Express:<br />
Die Europäische Investitionsbank unterstützt<br />
das Projekt, um die Attraktivität des<br />
Schienenverkehrs zu erhöhen.<br />
Geldgeber für den<br />
Nahverkehr<br />
Er gilt als eines der bedeutendsten Schienenprojekte in Nordrhein-Westfalen: der<br />
Milliarden Euro schwere Rhein-Ruhr-Express (RRX). Ohne Darlehen und öffentliche<br />
Mittel geht das nicht. Ein beträchtlicher Teil dieser Summe stammt aus den<br />
Töpfen der Europäischen Investitionsbank (EIB). Sie ist einer der großen Finanziers<br />
des öffentlichen Nahverkehrs in Europa – ein Porträt.<br />
Unser Ziel ist es, Investitionen<br />
und Projekte<br />
zu fördern, die<br />
einen nachhaltigen<br />
Verkehr ermöglichen.<br />
Max Jensen,<br />
Leiter der Abteilung für öffentlichen Verkehr bei der EIB<br />
Als die Projektträger und EIB-Vertreter im Juli ihre Unterschrift<br />
unter den Kreditvertrag über 340 Millionen Euro setzten,<br />
war ein weiterer wichtiger Schritt im RRX-Projekt getan.<br />
Die EIB bewilligte die letzten Tranchen eines insgesamt 449,5<br />
Millionen Euro starken Darlehens. <strong>Das</strong> Geld soll in die Finanzierung<br />
des rollenden Materials fließen, konkret in den Bau von 82<br />
Doppelstocktriebzügen. Dieses Vorhaben ist Teil eines 1,7 Milliarden<br />
Euro starken Auftrags, den Siemens im März gewonnen<br />
hatte und der neben dem Bau auch die Wartung und Instandhaltung<br />
umfasst. Mehr als ein Viertel dieser Summe stammt<br />
somit aus den Töpfen der EIB, der 1958 gegründeten EU-Bank.<br />
„Unser Ziel ist es, Investitionen und Projekte zu fördern, die einen<br />
nachhaltigen Verkehr ermöglichen“, erklärt Max Jensen, Leiter<br />
der Abteilung für öffentlichen Verkehr bei der EIB, warum die<br />
18 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Bank den RRX unterstützt. „In diesem Fall<br />
war es so, dass nur der Kauf neuer Züge es<br />
ermöglicht, ein innovatives Konzept wie den<br />
RRX umzusetzen und so die Attraktivität<br />
und Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrsangebots<br />
zu verbessern. <strong>Das</strong> soll<br />
dann wiederum die Fahrgastzahlen steigern<br />
und Verkehr weg von der Straße auf die<br />
Schiene verlagern.“ Zudem werde Mobilität<br />
auf lokaler wie regionaler Ebene unterstützt<br />
– und das komme letztlich auch der<br />
Wirtschaft zugute. Die EIB trägt bis zu 50<br />
Prozent zum Neubau des rollenden Materials<br />
bei. Damit fördert sie den Wettbewerb im<br />
Schienenpersonennahverkehr – und wirkt<br />
gleichzeitig als Katalysator, damit sich mehr<br />
Verkehrsunternehmen als Bieter beteiligen.<br />
Denn die Förderung von Wachstum und<br />
Beschäftigung in Europa ist eine der eigentlichen<br />
Aufgaben der EIB, festgelegt im „Vertrag<br />
über die Arbeitsweise der Europäischen<br />
Union“ (AEUV). Ziel der Bank ist es demnach,<br />
„zu einer ausgewogenen und reibungslosen<br />
Entwicklung des Binnenmarkts“ im Interesse<br />
der EU beizutragen. Und das – im Gegensatz<br />
zu Privatbanken – „ohne Verfolgung eines<br />
Erwerbszwecks“. Kapitaleigner sind die<br />
Mitgliedsstaaten der EU. Die Refinanzierung<br />
der EIB erfolgt über den Kapitalmarkt. Doch<br />
nicht jeder erhält einen Kredit der EU-Bank:<br />
Projekte müssen strengen wirtschaftlichen,<br />
technischen, ökologischen sowie sozialen<br />
Anforderungen genügen und zudem im<br />
Einklang mit den EU-Zielen stehen. Grundsätzlich<br />
konzentriert sich die EIB auf vier<br />
Bereiche: Zum einen fördert sie Vorhaben,<br />
die sich durch „Innovation und Kompetenz“<br />
oder in Sachen Klimaschutz auszeichnen.<br />
Zum anderen werden bevorzugt Vorhaben<br />
aus dem Bereich strategische Infrastruktur<br />
unterstützt, ebenso wie kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU), denen die EU so einen<br />
Zugang zu Finanzierungen ermöglichen will.<br />
Mehr als 80 Milliarden Euro an Krediten hat<br />
die Bank 2014 vergeben. 20,6 Milliarden Euro<br />
davon flossen in die strategische Infrastruktur<br />
und 19,1 Milliarden Euro in Klima- und<br />
Umweltschutz, wozu auch Projekte im<br />
öffentlichen Personenverkehr zählen. Insgesamt<br />
fördert die EIB jedes Jahr rund 440<br />
Projekte in mehr als 160 Ländern – wobei fast<br />
90 Prozent der Mittel für Projekte innerhalb<br />
der EU verwandt werden. Damit ist sie der<br />
größte multilaterale Darlehensgeber der Welt.<br />
Investitionen in den öffentlichen Verkehr erklärt<br />
Max Jensen dabei auch mit dem EIB-Ziel,<br />
eine nachhaltige und umweltfreundliche<br />
Entwicklung der Wirtschaft zu fördern.<br />
„Solche Projekte haben sich hier einfach als<br />
sehr passend erwiesen“, sagt er. Gleichzeitig<br />
sei es für die Träger derartiger Großprojekte<br />
schwer, konventionelle Kredite in Höhe der<br />
EIB-Mittel zu erhalten. Mit den Geldern der<br />
EU-Bank sei aber der Weg frei, auch weitere<br />
Mittel aus anderen Quellen wie dem<br />
EU-Haushalt oder von privaten Investoren zu<br />
mobilisieren. Denn häufig gelte ein Darlehen<br />
der EIB als Signal dafür, dass die Wirtschaftlichkeit<br />
des Projektes überprüft worden ist.<br />
Gleichzeitig engagiert sich das Institut<br />
im Rahmen des „Europäischen Fonds für<br />
Strategische Investitionen“ (EFSI) sowie<br />
für eine Europäische Plattform für Investitionsberatung,<br />
die bei der Vorbereitung<br />
und Entwicklung von Projekten in<br />
der EU helfen soll. Der Fonds ebenso wie<br />
die Plattform werden derzeit im Einklang<br />
mit dem von EU-Kommissionspräsident<br />
Jean-Claude Juncker festgelegten Zeitplan<br />
zur Umsetzung der Investitionsoffensive<br />
für Europa („Juncker-Plan“) aufgebaut.<br />
Davon profitierte und profitiert auch Deutschland.<br />
Allein 2014 hat die EIB für 43 Projekte<br />
hierzulande Kredite bewilligt – vier davon<br />
aus dem Verkehrssektor. Neben den ersten<br />
Tranchen für den RRX flossen unter anderem<br />
Mittel für den Ausbau der Autobahn 7<br />
sowie für Investitionen in Fahrzeuge und<br />
Infrastruktur der Düsseldorfer Rheinbahn.<br />
Auch <strong>2015</strong> sollen mehrere Vorhaben aus dem<br />
Sektor finanziert werden – darunter neue<br />
Fahrzeuge für die Nürnberger U-Bahn, die<br />
öffentliche Nahverkehrsinfrastruktur in<br />
Brandenburg sowie die Modernisierung und<br />
der Ausbau des Hamburger U-Bahnnetzes.<br />
Die Vertreter der EIB und der am<br />
RRX beteiligten Zweckverbände<br />
nach der Unterschrift unter den<br />
Kredit vertrag (v. l.): Dr. Thomas<br />
Geyer (SPNV Nord), Dr. Joachim<br />
Streit (SPNV Nord), Burkhard Bastisch<br />
(NWL), Heiko Sedlaczek (NVR),<br />
Dr. Werner Hoyer (EIB), Martin Husmann<br />
(VRR), Christian Manz (NWL)<br />
Weitere Informationen<br />
zur Europäischen Investitionsbank<br />
finden Sie<br />
unter:<br />
www.eib.org<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 19
AUS DEM VERBAND<br />
Aus 100 Tarifen<br />
einen gemacht<br />
„Eine Fahrkarte, ein Fahrschein, ein Fahrplan“: Als der Rhein-Main-Verkehrsverbund<br />
(RMV) unter diesem Motto 1995 seinen Betrieb aufnahm, krempelte er<br />
damit den Öffentlichen Personennahverkehr in Hessen um. In diesem Jahr feiert<br />
der RMV sein 20-jähriges Bestehen – und plant Großes für die Zukunft.<br />
Ein S-Bahnzug der Baureihe ET 430 im Frankfurter Hauptbahnhof (l.): Gemeinsam haben RMV und DB Regio Hessen 91 dieser<br />
Fahrzeuge für das Verbundgebiet angeschafft. Rechts: Die RMV-App wurde mittlerweile mehr als eine Million Mal heruntergeladen.<br />
<strong>Das</strong> Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit in<br />
Frankfurt, aber auch andere Großveranstaltungen:<br />
Auch in seinem Jubiläumsjahr kommen auf den RMV<br />
besondere Aufgaben im gesamten Verbundgebiet zu.<br />
Und das ist groß: Allein die Liste der Aufgabenträger<br />
umfasst 15 Landkreise, vier kreisfreie Städte, sieben<br />
Städte mit Sonderstatus und das Land Hessen. Fünf<br />
Millionen Menschen leben innerhalb der RMV-Grenzen<br />
– etwa die Hälfte von ihnen nutzt den ÖPNV. So<br />
kommt der Verbund in kommunaler Trägerschaft<br />
auf 715 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Damit<br />
zählt er zu den größten seiner Art<br />
in Deutschland. Am Anfang dieser<br />
Entwicklung standen jedoch weniger<br />
die vielen lokalen Verkehrsunternehmen<br />
als vielmehr der politische Wille:<br />
Die Gründung des RMV mit Sitz in<br />
Hofheim fiel mit der Eisenbahnstrukturreform<br />
und der Regionalisierung des<br />
Nahverkehrs zusammen. Die Verantwortung für den<br />
ÖPNV sollte vom Bund auf die Länder übergehen.<br />
In Hessen beschloss die Politik, zwei kommunale<br />
Verbünde zu gründen: den Nordhessischen Verkehrsverbund<br />
(NVV) sowie den RMV, der heute<br />
immerhin rund 160 ÖPNV-Unternehmen umfasst.<br />
„Die Regionalpolitik war damals natürlich stolz“,<br />
sagt Prof. Knut Ringat, Sprecher der Geschäftsführung<br />
und Geschäftsführer des RMV: „Denn eine der<br />
größten Leistungen war es, dass erstmals alle Beteiligten<br />
Hoheiten abgegeben und viele Kompromisse<br />
geschlossen hatten.“ Eine Vorbereitungsgesellschaft<br />
wurde gegründet und dann am 1. Juni 1994 der RMV.<br />
Am 28. Mai 1995 feierte der kommunale Verbund<br />
den Betriebsstart. Und genau um 00:17 Uhr wurde<br />
das erste Ticket gezogen: von Mainz nach Wiesbaden.<br />
„Eine Fahrkarte, ein Fahrschein, ein Fahrplan – das<br />
war für Hessen damals ja das Besondere“, sagt Knut<br />
20 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Ringat: „Vor der Gründung des RMV existierten im Verbundgebiet<br />
mehr als 100 verschiedene Tarife. Bahntickets<br />
galten nicht in Bussen und umgekehrt. Ein durchgehender<br />
Tarif war eine unserer wichtigsten Errungenschaften.“<br />
Damit hatte der Verbund einen ersten Schritt auf dem Weg<br />
zur durchgehenden Angebotskette gemacht, die er sich<br />
heute besonders auf die Fahnen schreibt. Stichwort: Intermodalität.<br />
„Unser Selbstverständnis hat sich geändert“,<br />
erläutert Ringat: „Wir wollten eine durchgehende Mobilitätskette<br />
anbieten, die nicht nur Bus und Bahn, sondern<br />
beispielsweise auch Rad und Auto umfasst.“ Inhaber des<br />
E-Tickets Rhein-Main können ihre Chipkarte deswegen<br />
auch dazu nutzen, Carsharing-Pkw zu öffnen oder Fahrräder<br />
auszuleihen. Aktuell ist die durchgehende Mobilitätskette<br />
indes eine besondere Herausforderung: Die<br />
Deutsche Bahn ersetzt das alte Relaisstellwerk im Frankfurter<br />
S-Bahn-Tunnel durch ein elektronisches, das 2018<br />
in Betrieb gehen soll. Während der Bauphase muss der<br />
Tunnel insgesamt drei Mal für mehrere Wochen gesperrt<br />
werden – wie in diesem Sommer. So lange muss der RMV<br />
einen möglichst reibungslosen Ersatzverkehr organisieren.<br />
Dabei werden auch in der Kommunikation deutschlandweit<br />
neue Wege gegangen: Unter www.sbahnbaustelle.de<br />
bietet ein einzigartiges Portal mit Reportagen, Interviews<br />
und Geschichten rund um die Baustelle.<br />
Gleichzeitig will der Verbund Digitalisierung und Tarifmodelle<br />
weiterentwickeln – das ist sein großes Projekt<br />
für die Zukunft. Anfang 2016 soll ein Feldversuch für das<br />
Forschungsprojekt „eSIM 2020“ starten: Mit ihm will der<br />
RMV einen entfernungsbasierten Tarif testen, bei dem<br />
Fahrgäste nur noch für die tatsächlich zurückgelegte Strecke<br />
zahlen. Die Datenerfassung dafür erfolgt wahrscheinlich<br />
kontaktlos per Smartphone. „<strong>Das</strong> ist ein Schritt in die<br />
Zukunft, den man gehen muss“, so Knut Ringat, der auch<br />
<strong>VDV</strong>-Vizepräsident ist: „Der ÖPNV wird dann vielleicht für<br />
einige teurer, für viele aber günstiger. Für die Branche ist<br />
das das spannendste Thema in den kommenden Jahren.“<br />
www.rmv.de<br />
Interview mit Prof. Knut Ringat (Foto),<br />
Sprecher der RMV-Geschäftsführung<br />
» Herr Prof. Ringat: 20 Jahre RMV. Wo<br />
steht der Verbund? Wo sind Sie zufrieden<br />
mit der Verbundentwicklung,<br />
woran wollen Sie arbeiten?<br />
Prof. Knut Ringat: In den zwanzig Jahren<br />
unseres Bestehens hatten wir jedes Jahr<br />
ein Wachstum bei den Fahrgastzahlen.<br />
715 Millionen Fahrgäste sind im Jahr<br />
2014 mit dem RMV gefahren, das sind<br />
35 Prozent mehr Fahrgäste seit Gründung<br />
des Verbundes. Jetzt befinden wir uns in der paradoxen Situation,<br />
dass uns dieser Erfolg vor eine der größten Belastungsproben seit<br />
Verbundbestehen stellt: Die Auslastung der Schieneninfrastruktur<br />
liegt durchschnittlich 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Der<br />
RMV hat einen der besten Kostendeckungsgrade bundesweit. Und<br />
doch: Ohne Investitionen in die Infrastruktur und eine angemessene<br />
öffentliche Finanzierung können wir mittelfristig keinen adäquaten<br />
ÖPNV bereitstellen. Wir müssen also permanent daran arbeiten, eine<br />
Öffentlichkeit für diese Themen herzustellen.<br />
» Finanzierungslücken können auch durch höhere Ticketpreise<br />
geschlossen werden ...<br />
Der RMV wird die mangelnde Verbindlichkeit des Bundes nicht an<br />
seine Fahrgäste weitergeben. Wir sehen unsere Zukunft in der Optimierung<br />
des Preis-Leistungsverhältnisses. So fährt beispielsweise<br />
seit diesem Jahr die modernste S-Bahnflotte Deutschlands im Rhein-<br />
Main-Gebiet. Zudem haben wir unsere zielgruppenspezifischen<br />
Angebote, wie für Senioren, stark ausgebaut. App und Handyticket<br />
sind unsere erfolgreichsten Produkte. Im nächsten Jahr gehen wir<br />
noch einen Schritt weiter, indem wir in einem Pilotprojekt einen<br />
leistungsgerechten Tarif auf digitaler Basis testen.<br />
» Wie genau wird dieser Tarif aussehen?<br />
Ziel ist es, dass die Fahrgäste nur das zahlen, was sie tatsächlich<br />
fahren. Transparent und möglichst einfach.<br />
» Welche Bedeutung hat das Pilotprojekt im RMV<br />
für die Verbundwelt?<br />
Letztlich hat jeder Flächenverbund das Problem mit historisch<br />
gewachsenen Tarifen, inklusive der daraus resultierenden Preissprünge.<br />
» Wo sehen Sie den RMV im Jahr 2035?<br />
Wir begreifen uns schon heute mehr als Mobilitätsverbund denn als<br />
reiner Verkehrsverbund. Setzen wir diesen Weg konsequent fort,<br />
werden die Fahrgäste den ÖPNV im Rhein-Main-Gebiet im Jahr<br />
2035 mit passgenauen Bedienformen, leistungsgerechten Tarifen und<br />
attraktiven Fahrtenangeboten auch im ländlichen Raum erfahren.<br />
Nach der Fahrt mit Bus und Bahn können ÖPNV-Nutzer in Offenbach und Eltville<br />
die letzten Meter per Pedelec zurücklegen. Der Verleih der elektrischen Fahrräder<br />
ist Teil des E-Mobil-Projekts, gefördert vom Bundesverkehrsministerium.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 21
Infrastruktur:<br />
Um die Mittel herrscht<br />
ein „Verteilungskampf“<br />
Woher soll das Geld für den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur<br />
kommen? Und wie lassen sich Projekte schneller umsetzen? Darüber wie die<br />
Mobilität in Rheinland-Pfalz nachhaltig gesichert werden kann, diskutierten<br />
die Teilnehmer auf der Länderkonferenz der Infrastrukturinitiative „Damit<br />
Deutschland vorne bleibt“ in Mainz.<br />
Auf dem Podium (v. l.):<br />
Gustav Herzog (SPD),<br />
Infrastrukturminister<br />
Roger Lewentz, Julia<br />
Klöckner, Dr. Tobias Lindner,<br />
Moderator und AZ-<br />
Chefredakteur Friedrich<br />
Roeingh, Henrik Behrens<br />
(Geschäfts führer von<br />
Rhenus Veniro), <strong>VDV</strong>-<br />
Präsident Jürgen Fenske<br />
und Dr. Bernhard Matheis<br />
(Städtetag Rheinland-<br />
Pfalz).<br />
Eigentlich waren sich alle einig. Bereits im Vorfeld<br />
der Länderkonferenz hatten 2.200 Leser der<br />
„Allgemeinen Zeitung“ (AZ) aus Mainz dazu ein<br />
eindeutiges Votum abgegeben. 93 Prozent waren<br />
der Meinung, der Staat müsse für die Infrastruktur<br />
mehr Geld ausgeben. Und auch unter<br />
den Podiumsgästen aus Politik, Wirtschaft und<br />
Verbänden war klar: Bei Straßen, Schienen und<br />
Wasserwegen besteht dringender Handlungsbedarf.<br />
Rund 180 Teilnehmer verfolgten die Diskussion<br />
in der Industrie- und Handelskammer.<br />
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger<br />
Lewentz (SPD) hob die Bedeutung einer<br />
funktionierenden Infrastruktur für sein export-<br />
und wirtschaftsstarkes Bundesland hervor.<br />
Um nicht zurückzufallen, seien Investitionen<br />
weiter dringend notwendig. Letztlich sei<br />
es jedoch „ein Verteilungskampf“, so Lewentz,<br />
weil die Schuldenbremse in Bund, Ländern<br />
und Kommunen eingehalten werden müsse.<br />
„Der Bund investiert so viel in Straßen wie noch<br />
nie“, betonte die Oppositionsführerin im rheinland-pfälzischen<br />
Landtag, Julia Klöckner (CDU). Um<br />
angesichts von Steuereinnahmen auf Rekordniveau<br />
das Geld richtig zu investieren, seien eindeutige<br />
Prioritäten erforderlich und der politische Wille,<br />
wichtige Infrastrukturvorhaben umzusetzen.<br />
Auch Gustav Herzog, für die SPD im Verkehrsausschuss<br />
des Bundestags, unterstrich, dass der Bund<br />
die Investitionen von zehn auf 14 Milliarden Euro<br />
aufgestockt habe. Dr. Tobias Lindner (Bündnis ’90/<br />
Grüne) sprach sich dafür aus, die knappen Mittel<br />
effizienter einzusetzen: „Wir lösen das Problem<br />
nicht mit mehr Geld.“ Viel wichtiger sei die Fra-<br />
22 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
AUS DEM VERBAND<br />
<strong>VDV</strong> war Partner beim Hessenfest in Berlin<br />
Der <strong>VDV</strong> Hessen war Partner beim diesjährigen Hessenfest<br />
in Berlin und mit einem eigenen Stand präsent. In der<br />
dortigen Landesvertretung konnten die Mitglieder der<br />
<strong>VDV</strong>-Landesgruppe Abgeordnete, Regierungsmitglieder aus<br />
Bund und Land sowie weitere Entscheider aus Politik und<br />
Wirtschaft über die aktuellen Branchenthemen informieren<br />
– zum Beispiel über die Zukunft des Gemeindeverkehrsfinanzierungs-<br />
und des Entflechtungsgesetzes – sowie für<br />
die Position des <strong>VDV</strong> zur Nahverkehrsfinanzierung werben.<br />
Vor 180 Besuchern diskutierten die Vertreter aus Politik und Wirtschaft<br />
darüber, wo es in der Infrastruktur von Rheinland-Pfalz hakt.<br />
ge, wie die Prioritäten bei den Projekten richtig<br />
gesetzt werden. Mit Blick auf Österreich und die<br />
Schweiz verwies Lindner auf die erfolgreiche<br />
Arbeit der dortigen Infrastrukturgesellschaften.<br />
Thematisiert wurde im Rahmen der Veranstaltung<br />
auch der Wunsch nach schnelleren Planungs- und<br />
Vergabe- sowie Bürgerbeteiligungsverfahren. Nicht<br />
zuletzt kommt es auf die Akzeptanz in der Bevölkerung<br />
an. Zumindest in der – wenngleich nichtrepräsentativen<br />
– Befragung von AZ-Lesern und<br />
Internetnutzern gab es klare Einschätzungen zum<br />
Handlungsbedarf beim sechsspurigen Ausbau der<br />
A 643 (73,9 Prozent), zum Bau einer weiteren Rheinbrücke<br />
zwischen Mainz und Koblenz (73,4 Prozent),<br />
zum Ausbau des ÖPNV-Angebots (73,4 Prozent) und<br />
zur Entlastung des Mittelrheintals durch eine alternative<br />
Schienenstrecke für den Güterverkehr (80,3<br />
Prozent). Eine knappe Mehrheit von 43,8 Prozent<br />
sprach sich gegenüber 40,4 Prozent Nein-Stimmen<br />
für den Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes aus.<br />
Wie schwer es ist, in die Infrastruktur zu investieren,<br />
wurde aus den Beiträgen verschiedener<br />
Teilnehmer aus Kommunen und Verkehrsunternehmen<br />
deutlich. Wichtig sei es für die Verkehrsunternehmen,<br />
dass die Finanzierungsmittel gesichert<br />
und bedarfsgerecht angepasst werden, betonte<br />
<strong>VDV</strong>-Landesgruppenvorsitzender Uwe Hiltmann<br />
von der Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG). Unerlässlich<br />
sei eine langfristig planbare und verlässliche<br />
Förderung, um den ÖPNV barrierefrei umzubauen,<br />
Kapazitäten in den Städten zu erweitern und ein<br />
ausreichendes Angebot auf dem Land aufrechtzuerhalten.<br />
Angesichts der immer noch ausstehenden<br />
Einigung zwischen Bund und Ländern zu den<br />
Finanzierungsinstrumenten mahnte <strong>VDV</strong>-Präsident<br />
Jürgen Fenske: „Zuständigkeitsdebatten<br />
helfen uns nicht weiter. Wir brauchen Lösungen.“<br />
Landesgruppen-Geschäftsführer Bernhard Gässl (2. v. r.) und Swen<br />
Müller (l.) begrüßten für den <strong>VDV</strong> Hessens Ministerpräsident Volker<br />
Bouffier und seine Gattin Ursula (3. v. r.) sowie Hessens Ministerin<br />
für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich (r.).<br />
Fachkonferenz widmete sich Zukunftsfragen<br />
Wie können Städte und Gemeinden die fortschreitende<br />
Digitalisierung des Alltags, der Wirtschaft und der öffentlichen<br />
Infrastruktur mitgestalten? Darüber und über notwendige<br />
Erhaltungs- und Modernisierungsinvestitionen<br />
diskutierten die Teilnehmer der kommunalpolitischen<br />
Fachkonferenz, zu der die Sozialdemokratische Gemeinschaft<br />
für Kommunalpolitik in der Bundesrepublik nach<br />
Potsdam eingeladen hatte. Dabei ging es auch um die Frage,<br />
wie die lokale Demokratie im digitalen Zeitalter aussieht<br />
und wie Infrastruktur vor Störfällen geschützt werden kann.<br />
Oliver Glaser, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe in<br />
Potsdam, vertrat auf dem Podium die Position des <strong>VDV</strong> beim<br />
Forum „Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur“.<br />
Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium,<br />
mit Dr. Manfred Sternberg (Bundes-SGK) sowie<br />
Lars Wagner und Norbert Mauren vom <strong>VDV</strong> (v. l.)<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 23
AKTUELL<br />
Qualität<br />
Preis<br />
Besondere<br />
erhält ihren<br />
Innovationen und hervorragende Leistungen, die den Gleisbau stetig<br />
verbessern – dafür zeichnet die Überwachungsgemeinschaft Gleisbau<br />
in diesem Jahr drei Preisträger aus.<br />
Ein Schnellumbauumzug<br />
des Gleisbauunternehmens<br />
Leonhard Weiss im Einsatz<br />
Ihr Name steht im wahrsten Wortsinn für Qualität<br />
und damit für Sicherheit im Eisenbahnbetrieb: die<br />
Überwachungsgemeinschaft Gleisbau – Vereinigung<br />
für spurgebundene<br />
Verkehrssysteme. Im<br />
<strong>September</strong> verleiht die<br />
Wissenschaftlicher<br />
Sonderpreis<br />
Den mit 1.000 Euro dotierten wissenschaftlichen<br />
Sonderpreis erhält in diesem Jahr Martin<br />
Smoliner von der TU Graz. In seiner Masterthesis<br />
hat er eine Trassenstudie zur Verlängerung<br />
der Graz-Köflacher-Bahn angefertigt. Die<br />
Strecke verbindet die in der Weststeiermark<br />
gelegenen Gemeinden Wies und Eibiswald.<br />
Gemeinschaft, in der<br />
sich 150 Fachbetriebe<br />
aus den Bereichen<br />
Gleisbau und Sicherung<br />
sowie Planungs- und<br />
Ingenieurbüros zusammengeschlossen<br />
haben, wieder ihren<br />
Qualitätspreis. In diesem<br />
Jahr gibt es zwei Gewinner:<br />
Die mit 5.000 Euro dotierte<br />
Auszeichnung teilen<br />
sich Helmut Häberlein<br />
von der Firma Leonhard<br />
Weiss und Ulrich Völter<br />
von Intermetric. „Von allen<br />
eingereichten Vorschlägen<br />
hat die Jury diese beiden<br />
als gleichwertig gut<br />
befunden“, berichtet Bernd<br />
Kaiser, Hauptgeschäftsführer der Überwachungsgemeinschaft<br />
Gleisbau.<br />
Helmut Häberlein gewann für Leonhard Weiss mit<br />
dem Thema „Konzeption und Bau eines modularen<br />
Gleisbau- und Transportanhängers mit Sonderbauten“.<br />
Hintergrund ist, dass das Gleisbauunternehmen<br />
diesen Waggon entwickelt und baut, um ihn unabhängig<br />
für verschiedene Aufgaben einzusetzen.<br />
Der weitere Preisträger ist Ulrich Völter, Geschäftsführer<br />
des Stuttgarter Vermessungsbüros Intermetric.<br />
Er wird für das komplette Projekt der festen Fahrbahn<br />
im Gotthard-Basistunnel ausgezeichnet. <strong>Das</strong> Bauvor-<br />
24 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Überwachungsgemeinschaft<br />
Gleisbau<br />
haben stellte sehr hohe Anforderungen<br />
an die Gleislagequalität,<br />
was sowohl die Vermessung<br />
als auch die Bauausführung<br />
betraf. „Ausschlaggebend war<br />
für die Jury, dass die Arbeiten<br />
am Gotthard-Basistunnel in<br />
einer besonders hohen und außergewöhnlichen<br />
Qualität ausgeführt<br />
wurden“, erläutert Bernd<br />
Kaiser. Neben dem Qualitätspreis<br />
wird zusätzlich der wissenschaftliche<br />
Sonderpreis für Bachelor-,<br />
Master- und Diplomarbeiten<br />
aus dem Ingenieurbereich<br />
vergeben (siehe Infokasten S. 24).<br />
Zur Überwachungsgemeinschaft Gleisbau e.V. –<br />
Vereinigung für spurgebundene Verkehrssysteme<br />
haben sich 150 Fachbetriebe aus den Bereichen<br />
Gleisbau und Sicherung sowie Planungs- und<br />
Ingenieurbüros zusammengeschlossen. Ihr Ziel<br />
ist es, die Qualität fachgerechter Leistungen im<br />
Gleisbau zu überwachen. Gegründet wurde die<br />
Gemeinschaft 1993 auf Initiative des Hauptverbandes<br />
der Deutschen Bauindustrie. Unterstützung<br />
kam von der Deutschen Bundesbahn und der<br />
Deutschen Reichsbahn sowie vom Zentralverband<br />
des Deutschen Baugewerbes.<br />
www.uegg.eu<br />
Mit ihrem Qualitätspreis zeichnet die Überwachungsgemeinschaft<br />
Gleisbau seit 1998<br />
Entwicklungen, Planungen sowie vorbildliche<br />
Ausführungen aus. „Hinsichtlich ihrer Qualität<br />
und Bedeutung heben sich die prämierten Projekte<br />
von vergleichbaren Leistungen in besonderer<br />
Weise ab“, erklärt Bernd Kaiser. In diesem Jahr<br />
hat <strong>VDV</strong>-Präsident Jürgen Fenske die Schirmherrschaft<br />
von Dr. Dieter Ludwig übernommen.<br />
Gotthard-Basistunnel:<br />
Für den<br />
Einbau der festen<br />
Fahrbahn geht der<br />
Qualitätspreis an<br />
Intermetric.<br />
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13. Hessischer Mobilitätskongress <strong>2015</strong><br />
„Autonom unterwegs – neue Konkurrenz für den ÖPNV?“<br />
Im Rahmen der<br />
Eine spannende Mischung aus<br />
Fachvorträgen, Diskussionen,<br />
Präsentationen und Gesprächen<br />
im Rahmen der IAA.<br />
Foto: Editor 7 | Dreamstime.com<br />
18. <strong>September</strong> <strong>2015</strong><br />
Congress Center Frankfurt<br />
Hessisches Ministerium<br />
für Wirtschaft,<br />
Energie, Verkehr<br />
und Landesentwicklung<br />
www.mobil-in-hessen.de<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 25
UNTERWEGS IM NETZ<br />
129<br />
Jahre im Einsatz<br />
Schon zu DDR-Zeiten unter<br />
Denkmalschutz gestellt, erlebt die<br />
Mecklenburgische Bäderbahn nach<br />
umfangreichen Sanierungen<br />
eine neue Blüte und ist noch für<br />
Jahrzehnte fit.<br />
Molli, der Mops<br />
Ein Mops namens Molli gab<br />
der Kleinbahn ihren Kosenamen.<br />
Der Schoßhund einer<br />
alten Dame nahm der Überlieferung<br />
zufolge Reißaus<br />
vor der Dampflok. Und als<br />
die Dame erschrocken rief:<br />
„Molli, bleib<br />
stehen“, stoppte<br />
der Lokführer<br />
den Zug, der<br />
fortan „der<br />
Molli“ hieß.<br />
Kein Geisterfahrer: Der Molli fährt planmäßig durch<br />
die Innenstadt von Bad Doberan – natürlich durch die<br />
Mollistraße.<br />
Dampflok-Parade auf schmaler Spur: Im<br />
Endbahnhof Kühlungsborn West präsentieren<br />
sich drei der vier Triebfahrzeuge der<br />
MBB, die regelmäßig zum Einsatz kommen.<br />
26 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
SPNV unter<br />
Dampf:<br />
Alles Molli<br />
Nostalgie für besondere<br />
Gelegenheiten:<br />
Der liebevoll restaurierte<br />
Traditionszug<br />
hat zum Teil schon<br />
100 Jahre auf den<br />
Achsen.<br />
Die Mecklenburgische Bäderbahn fährt täglich<br />
den Spagat zwischen Verkehrsvertrag und<br />
Nostalgie. Seit 20 Jahren ist sie als NE-Bahn im<br />
Dampflokbetrieb auf 900-Millimeter-Schmalspur<br />
an der Ostseeküste unterwegs. Jetzt steuert<br />
sie mit Volldampf auf eine Rekordmarke zu:<br />
<strong>2015</strong> will das Unternehmen mit dem liebevollen<br />
Spitznamen Molli erstmals 600.000 Fahrgäste<br />
befördern.<br />
Eine lange nicht mehr geschnupperte „Duftmarke“<br />
verbrannter Kohle liegt in der Luft, wenn sich der<br />
Molli zischend, schnaufend und bimmelnd je einmal<br />
pro Stunde und Richtung freie Fahrt im Schritttempo<br />
durch die Fußgängerzone des stillen Residenzstädtchens<br />
Bad Doberan verschafft, sinnigerweise auf<br />
der Mollistraße und vorbei an der Molli-Apotheke.<br />
Später dann mit Volldampf durchs grüne Land. Alles<br />
Molli, doch was fehlt, ist ein klassisches altes Eisenbahn-Geräusch<br />
– das Ra-ta-ta-tam, wenn die Räder<br />
über die Stoßlücken im Gleis rollen.<br />
Bis auf einen Kilometer gibt es sie nicht mehr, die<br />
Lücken. Wie bei der „großen“ Eisenbahn sind die<br />
Schienen der eingleisigen Strecke weithin zum<br />
Endlosband verschweißt. „Seit wir das gemacht<br />
haben, haben wir den Verschleiß bei Fahrzeugen und<br />
Oberbau spürbar gesenkt“, sagt Michael Mißlitz. Der<br />
38-jährige studierte Diplom-Eisenbahningenieur<br />
und gelernte Eisenbahner ist Geschäftsführer der<br />
Bäderbahn und zugleich als Eisenbahnbetriebsleiter<br />
deren oberster Bahner. Verschleiß senken durch<br />
behutsame Modernisierung ist ein Thema, das ihn<br />
vielschichtig beschäftigt. Dazu zählen die Erneuerung<br />
des Oberbaus mit Betonschwellen für die Trasse<br />
durch Feuchtgebiete, der Einbau von vergleichsweise<br />
schweren S49-Schienen (bei denen ein Meter 49<br />
Kilogramm wiegt), wie sie in früheren Jahren auch<br />
Wir sind keine Museumsbahn,<br />
sondern ein normales Eisenbahnverkehrsunternehmen,<br />
das<br />
Schienenpersonennahverkehr<br />
betreibt.“<br />
Michael Mißlitz<br />
Geschäftsführer der<br />
Mecklenburgischen Bäderbahn<br />
für hoch belastete Fernverkehrsstrecken verwendet<br />
wurden. Ebenso die Erneuerung von 18 Weichen,<br />
ebenfalls mit Betonschwellen in den letzten Jahren.<br />
Die Gesamt-Investitionen lagen bei rund 700.000<br />
Euro pro Streckenkilometer, finanziert aus Regionalisierungsmitteln,<br />
Fördertöpfen und zu einem Viertel<br />
aus eigenen Erträgen. Investitionen, die der Bahn<br />
50 Jahre störungsfreien Betrieb sichern sollen. Beim<br />
Fahrzeugpark, der zum Teil mehr als 100 Jahre auf<br />
den Achsen hat, steht die aufwändige Erneuerung<br />
der Laufwerke an: „Wir ersetzen in den nächsten<br />
acht bis zehn Jahren die alten genieteten Drehgestelle<br />
durch Nachbauten, die nunmehr als Schweißkonstruktion<br />
ausgebildet sind“, so Mißlitz.<br />
Substanz erhalten, die Lebensdauer ohnehin langlebiger<br />
Schienenfahrzeuge noch mehr verlängern<br />
– das fordert Kompromisse hinsichtlich der technisch-historischen<br />
Authentizität. Der bislang größte<br />
Kompromiss mit einem Investitionsvolumen von<br />
stolzen 2,5 Millionen Euro: Zwischen Bad Doberan<br />
und dem Ostseebad Kühlungsborn ist mit 99 2324-4<br />
eine gerade einmal sechs Jahre alte Dampflok unterwegs:<br />
ein moderner Nachbau der 80 Jahre älteren<br />
„Vorfahren“, entstanden in der Dampflokschmiede<br />
der Deutschen Bahn in Meiningen. <strong>Das</strong> Werk führt<br />
auch die alle sechs Jahre fälligen Revisionen der<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 27
Stadt, Land, Feld - und gelegentlich Ostseeblick: So dampft der Molli auf seinen 15,4 Kilometern Schmalspurstrecke<br />
durch Mecklenburg. Ursprünglich war nur eine Verbindung von Bad Doberan nach Heiligendamm gebaut worden.<br />
NE-Bahn MBB<br />
Der Landkreis Rostock sowie die Städte<br />
Bad Doberan und Kühlungsborn sind<br />
seit 1995 die wesentlichen Gesellschafter<br />
der nicht-bundeseigenen<br />
(NE-) Mecklenburgischen Bäderbahn<br />
Molli GmbH, die 2011 ihr 125-jähriges<br />
Bestehen feierte. Als Dampftrambahn<br />
ursprünglich nur auf der sechs Kilometer<br />
langen Strecke von Bad Doberan<br />
zum Seebad Heiligendamm gebaut,<br />
kam 1910 die Verlängerung bis zum<br />
heutigen Endpunkt Kühlungsborn<br />
West. 1920 übernahm die Deutsche<br />
Reichsbahn die Schmalspurbahn, die<br />
noch zu DDR-Zeiten 1976 unter Denkmalschutz<br />
gestellt wurde und nach der<br />
Wende an die DB überging.<br />
www.molli-bahn.de<br />
46 Tonnen schweren Triebfahrzeuge aus.<br />
Sie reisen dafür eigens per Straßentieflader<br />
nach Thüringen. „Wir sind keine<br />
Museumsbahn, sondern ein normales<br />
Eisenbahnverkehrsunternehmen, das<br />
Schienenpersonennahverkehr betreibt“,<br />
sagt Mißlitz. Mit Dampfzügen eben,<br />
nach allen gesetzlichen und technischen<br />
Regeln des sicheren Eisenbahnbetriebs.<br />
Ein Verkehrsvertrag mit der Verkehrsgesellschaft<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
mbH sichert und finanziert den Regelbetrieb<br />
vorerst bis 2027. Die Bäderbahn,<br />
kurz MBB, ist Gesellschafterin im Verkehrsverbund<br />
Warnow. Die Zugankünfte<br />
und -abfahrten in Bad Doberan sind auf<br />
die Regional express-Verbindungen nach<br />
Wismar und Rostock abgestimmt. Und<br />
es gibt Zeitkarten für Pendler und andere<br />
Einheimische, die die Molli-Bahn ins<br />
Nahverkehrsnetz voll integrieren. <strong>Das</strong><br />
schätzen die Stammkunden insbesondere<br />
im Winter bei Eis und Schnee.<br />
Im Sommer gehört der Molli auch den<br />
Touristen. Zusätzlich wird ein Sonderzugfahrtenprogramm<br />
mit dem 100-jährigen<br />
Zug angeboten. „<strong>Das</strong> ist klassischer<br />
eigenwirtschaftlicher Verkehr. Wir<br />
fahren und machen auch viele andere<br />
Dinge, um damit Deckungsbeträge zu<br />
erwirtschaften“, beschreibt der Molli-Bahnchef.<br />
In den Ferienzeiten kann<br />
er sich über volle Züge freuen mit bis zu<br />
600 Fahrgästen in Zügen mit bis zu zwölf<br />
Wagen. Bei rund 90.000 Zugkilometern<br />
pro Jahr und Umsatzerlösen von nicht<br />
ganz vier Millionen Euro kommt die<br />
Bahn auf 5,6 Kunden pro Zugkilometer –<br />
was in der Branche ein Spitzenwert ist.<br />
Bahnfahren ist dabei längst nicht alles,<br />
was die MBB zu bieten hat. Sie betreibt<br />
Gastronomie in Bahnhöfen und den<br />
jedem Zug beigestellten „Salonwagen“.<br />
Sie hat Pächter gefunden für die nicht<br />
„bahnbetrieblich genutzten Immobilienteile.<br />
Überall gibt es Fahrkartenschalter<br />
mit Souvenirverkauf“, sagt Mißlitz. „Wir<br />
können keine zugenagelten Fenster<br />
gebrauchen“, spielt er auf andernorts<br />
nicht mehr genutzte, verfallende Empfangsgebäude<br />
an Nebenbahnstrecken an.<br />
Und für den Molli werden Aktivitäten<br />
entwickelt, die Werbetrommel gerührt.<br />
Jüngster Gag: die Traumhochzeit unter<br />
Dampf. Auf Wunsch geben sich die<br />
künftigen Eheleute das Ja-Wort vor dem<br />
Kühlungsborner Standesbeamten auf<br />
rollenden Rädern. Es gibt Dampflok-Erlebnis-Wochenenden,<br />
Lok-Mitfahrten<br />
und Molli zum Mitnehmen – den Mops<br />
als kindgerechtes Plüschtier mit Eisenbahner-Dienstmütze.<br />
Im Lokschuppen am Endpunkt Kühlungsborn<br />
West schlummert in einer<br />
ausgebauten Wagenhalle noch ein<br />
Kleinod für besondere Gelegenheiten –<br />
der 100-jährige Traditionszug mit original<br />
aufgearbeiteter Innenausstattung,<br />
von historischen Holzlattensitzen über<br />
Fallfenster mit Lederriemen bis hin zu<br />
handgeknüpften Gepäcknetzen wie anno<br />
dazumal. <strong>Das</strong> Prachtstück aus vier Personen-,<br />
einem Buffet- und einem Gepäckwagen<br />
gehört dem Molli und wird gerne<br />
28 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
UNTERWEGS IM NETZ<br />
Betriebsalltag im Salonwagen und auf dem Bahnsteig in Bad<br />
Doberan (Fotos oben). Im Kreuzungsbahnhof Heiligendamm<br />
begegnen sich zwei Molli-Züge. In Kühlungsborn West fasst<br />
99 2324 Wasser (Fotos unten).<br />
an zahlende Kundschaft zum Einsatz<br />
auf der Strecke verchartert. Exotik pur<br />
ist das auch für Reisende aus Übersee:<br />
Molli-Fahrten gehören zum Ausflugsprogramm<br />
der in Rostock anlegenden<br />
Kreuzfahrtschiffe.<br />
Eine Dampflok braucht bekanntlich<br />
viel Wasser und viel Kohle. An beiden<br />
Strecken-Endpunkten gibt es Wasser<br />
aus dem Kran. Es kommt aus dem öffentlichen<br />
Versorgungsnetz. An Kohle<br />
verfeuern die Heizer pro 100 Kilometer<br />
eine Tonne. Es ist Steinkohle aus dem<br />
polnischen Revier. Angeliefert wird sie<br />
– paradoxe Welt – nicht etwa auf der<br />
Schiene, sondern per Lkw auf der Straße.<br />
Rund 75 Mitarbeiter beschäftigt die<br />
Mecklenburgische Bäderbahn, die<br />
Eisenbahnverkehrs- wie Eisenbahninfrastrukturunternehmen<br />
ist. Viele<br />
Beschäftigte sind multifunktional einsatzfähig,<br />
kommen aus völlig unterschiedlichen<br />
Berufen und „lernen dann<br />
Eisenbahn“. Sie werden Zugführer, sie<br />
beginnen als Heizer, um dann über die<br />
Werkstatt und weitere Ausbildung den<br />
immer noch begehrten Lokführer-Posten<br />
zu bekommen. Auch junge Leute sind<br />
dabei, fast zehn Prozent Azubis. Ausgebildet<br />
werden sie nicht nur zwischen<br />
Bad Doberan und Kühlungsborn, sondern<br />
auch bei DB Regio. Viele kommen mit<br />
Glanz in den Augen, begeistert vom Molli.<br />
Chef Mißlitz: „Denen müssen wir erst die<br />
Augen öffnen; das ist kein Spielzeug, das<br />
ist harte Arbeit!“<br />
Molli im Betrieb<br />
Der derzeitige Verkehrsvertrag sieht im<br />
Sommer einen Stundentakt mit Kreuzung<br />
der Züge in Heiligendamm und im Winter<br />
einen Zwei-Stunden-Takt mit<br />
nur einer Zug-Garnitur vor.<br />
Die Strecke ist 15,4 km<br />
lang und wird mit einer<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
von 40 km/h<br />
in etwa 40 Minuten<br />
bei neun Bahnhöfen<br />
und Haltepunkten<br />
durchfahren. Zum Einsatz<br />
kommen planmäßig<br />
vier Dampflokomotiven, von denen drei<br />
Altfahrzeuge seit den 30-er Jahren betrieben<br />
werden. In Heiligendamm ist ein<br />
mechanisches Stellwerk aus dem<br />
Jahr 1932 in Betrieb, das die<br />
zwei Weichen und die<br />
beiden Einfahrsignale<br />
für die Zugkreuzung<br />
per Seilzug bedient.<br />
Per Kurbel wie einst<br />
(Foto) funktioniert<br />
auch die Schranke<br />
gleich an der westlichen<br />
Bahnhofseinfahrt.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 29
ABGEFAHREN<br />
Neue Bestzeit in München<br />
Die Münchener U-Bahn gilt als eine der schönsten der Welt: Von der futuristischen<br />
Optik der Station „Münchner Freiheit“ über den farbenfrohen Candidplatz<br />
bis zu den Tierbildern am Bahnhof Thalkirchen ist für jeden Geschmack<br />
etwas dabei. Für die schönen Kulissen hat Jan Hofmann keine Zeit. Schließlich<br />
hat sich der 29-jährige Mathematiker monatelang auf ein Ziel vorbereitet – alle<br />
100 Münchener U-Bahn-Stationen in Rekordzeit abzufahren. Dabei kommt<br />
ihm sein Beruf entgegen: Er ist Spezialist für Entscheidungsoptimierung. <strong>Das</strong><br />
heißt, er nutzt komplexe mathematische Formeln, um unter unzähligen potenziellen<br />
Lösungen für ein Problem die beste herauszufiltern. Da ist ein komplexer<br />
U-Bahn-Fahrplan die ideale Spielwiese. „Mich hat die Herausforderung gereizt,<br />
einen Lösungs algorithmus zu entwickeln, um die perfekte Route zu finden“, sagt<br />
Jan Hofmann. Doch das allein reiche nicht aus: „Und die Route muss natürlich in<br />
der Praxis getestet und gemessen werden.“<br />
Anfang Juli war es so weit. Um 13:46 Uhr stieg Jan Hofmann am Forschungszentrum<br />
Garching in die U 6 Richtung Klinikum Großhadern. 275 Minuten später<br />
endet seine Fahrt in Feldmoching – neuer Rekord, mehr als 55 Minuten schneller<br />
als die alte Bestzeit. Die ist nicht nur Ergebnis<br />
einer ausgeklügelten mathematischen Berechnung.<br />
Auch körperliche Fitness war entscheidend:<br />
Vom U-Bahnhof Silberhornstraße musste<br />
Jan Hofmann einen zwei Kilometer langen Sprint<br />
bis zum Mangfallplatz hinlegen – der Algorithmus<br />
wollte es so.<br />
Seine Fahrt hat er mit einer Kamera dokumentiert.<br />
Mit diesem Videobeweis in der Tasche hat<br />
er die Aufnahme seiner Bestzeit ins Guinness-<br />
Buch der Rekorde beantragt. Bis zu einer Entscheidung<br />
kann es laut Jan Hofmann aber noch<br />
einige Monate dauern.<br />
Jan Hofmann hat es geschafft: Der 29-jährige Mathematiker<br />
durchfuhr alle 100 Münchner U-Bahn-<br />
Stationen in der Rekordzeit von 275 Minuten.<br />
Termin<br />
17. bis 27.<br />
<strong>September</strong> <strong>2015</strong><br />
New Mobility World<br />
auf der IAA in Frankfurt<br />
Der neue Ausstellungsbereich<br />
rückt keine Autos, sondern den<br />
Menschen mit seinen sich ändernden<br />
individuellen Mobilitätsbedürfnissen<br />
in den Mittelpunkt.<br />
www.bit.ly/new_mobility_world<br />
Termin<br />
20. bis 21.<br />
Oktober <strong>2015</strong><br />
9. Internationaler BME/<br />
<strong>VDV</strong>-Eisenbahnkongress<br />
in Wien<br />
Der Schienengüterverkehr von und<br />
nach Süd-Osteuropa steht im Fokus der<br />
Veranstaltung. Diskutiert werden die<br />
Marktpotenziale sowie die Erfahrungen<br />
der Branche.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> von<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />
erscheint Anfang November <strong>2015</strong>.<br />
Impressum<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Herausgeber:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (<strong>VDV</strong>),<br />
Kamekestraße 37-39, 50672 Köln,<br />
Tel. 02 21/5 79 79-0,<br />
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Internet: www.vdv.de<br />
Redaktion <strong>VDV</strong>:<br />
Lars Wagner (V.i.S.d.P.),<br />
Pressesprecher und Leiter Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>),<br />
Redaktion „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“,<br />
Leipziger Platz 8, 10117 Berlin,<br />
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Realisierung, Text und Redaktion:<br />
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Laut Mediadaten <strong>2015</strong><br />
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(2, 18); Kristina Schäfer Fotografie (2, 22, 23); SWM (2, 30);<br />
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Leonhard Weiss (24)<br />
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30 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
28.-30. OKTOBER <strong>2015</strong> | MÜNCHEN | DEUTSCHLAND<br />
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