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klänge und nach kurzer Zeit gesellten sich Trommeln und Gesang dazu. Das<br />
gefiel den Leuten schon besser und die allgemeine Stimmung hob sich deutlich.<br />
Mehrere Stunden später war Ullis Studienkollege immer noch nicht da. Ulli<br />
fragte vorbeigehende Leute, ob sie jemand in seinem Alter mit Rucksack gesehen<br />
hätten. Doch keiner konnte ihm weiterhelfen. Inzwischen drückte ihn seine<br />
Blase gar fürchterlich. Er beschloss, seinen Warteplatz möglichst kurz zu verlassen,<br />
um pinkeln zu gehen. Seine Sitznachbarn informierte er und bat sie,<br />
seinen Studienkollegen zu bitten zu warten, weil er in der Kloschlange stünde.<br />
Dann musterte er seine EPAs. Sperrig waren sie. Damit konnte er keine<br />
ganze Kloschlange durchstehen, ohne dass ihm die Arme abfielen. Also zog er<br />
seinen Gürtel aus der Hose und versuchte, die Pakete zusammenzubinden.<br />
Nach ein paar Versuchen passte es endlich und er pries seinen überlangen<br />
Gürtel, der ihn sonst mit seiner Länge immer eher geärgert hatte.<br />
Und so zog er los, um sich in eine möglichst kurze Kloschlange einzureihen.<br />
Unruhig tippelte er von einem Bein aufs andere, nicht nur, weil er pinkeln<br />
musste, sondern auch wegen seiner Besorgnis. Allmählich hatte er Angst um<br />
seinen Rucksack und in Gedanken war er ihm gar nicht mehr so lästig, wie er<br />
ihm in den letzten Tagen erschienen war. Der Rucksack war ja schließlich seine<br />
ganze Existenz, mal abgesehen von ihm selbst natürlich. Er hätte nicht mal<br />
einen Schlafsack um sich in der Nacht warmzuhalten. Und seine Jacke hatte er<br />
auch in den Rucksack gesteckt, als ihm morgens warm geworden war.<br />
Immer wieder sprach er vorbeigehende Leute an, beschrieb seinen Studienkollegen<br />
und fragte, ob sie ihn gesehen hätten. Alle verneinten. Er kam sich<br />
schon ganz blöd vor, so viele Leute anzusprechen. Sowas war sonst gar nicht<br />
seine Art. Doch die meisten der Angesprochenen waren freundlich und verständnisvoll.<br />
Auch als er nach geraumer Zeit wieder zum Treffpunkt kam, hatte niemand<br />
seinen Studienkollegen gesehen. Also wartete er weiter. Nach einer langen<br />
Stunde Wartezeit, entschloss er sich, wenigstens Wasser zu besorgen und stellte<br />
sich wieder in eine Schlange. Anstelle des Rucksacks schleppte er jetzt immer<br />
die EPAs mit sich rum. Das war eigentlich kein großer Unterschied, was die<br />
Unbequemlichkeit anging. Wie gerne hätte er drei der EPAs gegen seinen<br />
Rucksack eingetauscht. Inzwischen hatte er richtig Sehnsucht nach seinem<br />
Rucksack. Als wäre der Rucksack sein letztes Stückchen Zuhause gewesen.<br />
Eigentlich war der Tag ganz nett und freundlich, wenn Ulli nur nicht solche<br />
Sorgen gehabt hätte. Immer wieder verbrachte er Stunden wartend am Treffpunkt.<br />
Allmählich sank seine Hoffnung und er fragte sich, ob er vielleicht<br />
Opfer eines Betruges geworden war. Je mehr Stunden verstrichen, desto wahr-<br />
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