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unten waren aber anscheinend völlig mit ihren eigenen Problemen beschäftigt,<br />
denn keiner bemerkte sie. Auf dem einen Nachbarbalkon stand eine kleine<br />
Gießkanne in Griffweite auf einem Tischchen und eine weitere, etwas größere<br />
in unerreichbarer Ferne, außer man wollte von einem Balkon zum anderen<br />
klettern. Beim anderen Nachbarn hatte Nanni mehr Glück, denn eine gutgefüllte<br />
Gießkanne stand direkt an der dünnen Wand zu ihnen. Das Rüberwuchten<br />
der Kanne war jedoch gar nicht so einfach, denn sie war schwer. Nanni<br />
brauchte drei Anläufe, bis sie die Kanne endlich sicher auf dem eigenen Balkon<br />
stehen hatte.<br />
Sie probierte aus beiden Kannen und bei der kleinen Kanne spuckte sie aus.<br />
"Puh, da muss Dünger drin sein. Das Zeug taugt bestenfalls zum Blumengießen.<br />
Aber das andere ist wohl ok." Die andere Kanne war sowieso wichtiger,<br />
denn sie enthielt etwa 10 Liter Wasser, was die aktuellen Sorgen ums Verdursten<br />
deutlich milderte. Als erstes gab es einen kalten Kaffee, zur Feier des<br />
Wasserfundes. Dann wachte auch Anna auf und maulte etwas, als sie ihr Müsli<br />
mit Wasser essen musste, weil die Milch alle war. Ronja wurde bewusst, was<br />
sie ihrer kleinen Tochter in den nächsten Tagen wohl noch alles zumuten<br />
müsste und ihr Magen verknotete sich, so dass sie auch nichts hätte essen können,<br />
wenn der Tisch voll gedeckt gewesen wäre. Auch Nanni hatte seit den<br />
Raviolis von gestern nichts gegessen und machte auch keine Anstalten das jetzt<br />
zu ändern. Nanni war deutlich weniger ausgelassen als sonst, aber das war ja<br />
kein Wunder.<br />
Dann spielten sie wieder Mau-Mau. Im Laufe des Tages wurden die beiden<br />
Frauen sehr müde und legten sich abwechselnd ein paar Stunden hin. Die jeweils<br />
andere war vollauf damit beschäftigt, Anna bei Laune zu halten. Gegen<br />
Nachmittag waren alle das ewige Mau-Mau leid und Ronja versuchte, den beiden<br />
anderen Skat beizubringen, denn das war wenigstens was Neues. Mit sechs<br />
hielt sie Anna auch nicht für viel zu jung zum Skatspielen, denn sie selbst hatte<br />
mit sieben von ihren Eltern Skat gelernt, weil diese dringend einen dritten<br />
Mann brauchten. Wie zu erwarten, dauerte es eine Weile, bis die zwei Neulinge<br />
den Spielablauf und die Regeln verstanden hatten, von den Finessen ganz zu<br />
schweigen. Das war genau das Richtige für die eingesperrte kleine Familie,<br />
denn es lenkte wunderbar ab.<br />
Dank des aufregenden Skatspiels war Anna irgendwann auch müde und<br />
konnte mit einer Geschichte ins Bett gelockt werden. Ronja und Nanni blieben<br />
auf und wollten wieder die Nacht über Wache halten. In ihrem Stockwerk passierte<br />
in dieser Nacht jedoch kaum etwas und irgendwann ging ihnen auch der<br />
Gesprächsstoff aus. Und so fielen sie gegen zwei Uhr nachts erst in Halbschlaf<br />
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