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Nachbarn hören. Ob ihre Tür stabiler war? Bestimmt nicht, denn in solchen<br />
Wohnblöcken waren alle Türen gleich stabil. Und den Schrank, den sie vor die<br />
Tür gestellt hatten, hatten die Plünderer noch nicht erreicht gehabt. Das hätte<br />
man sonst bestimmt gehört. Ob es vielleicht die dreckigen kleinen Gummistiefel<br />
vor der Tür und die armselige Fußmatte waren, die den Plünderern<br />
signalisiert hatten, dass es hier nicht viel Wertvolles zu holen gab? Die Nachbarn<br />
hatten immerhin edle Türschilder und Luxusfußmatten, da stach ihr<br />
Wohnungseingang schon recht ärmlich hervor. Nun, egal was es war, die Plünderer<br />
waren fürs Erste weitergezogen.<br />
Obwohl die größte Gefahr vorbei war, blieben die drei noch schweigend sitzen<br />
und lauschten den beunruhigenden Geräuschen aus dem Haus. Nach einer<br />
Weile schlief Anna ein; schon wieder auf dem Sofa. Ronja trug sie vorsichtig in<br />
ihr Bett und ging dann wieder zu Nanni. Leise unterhielten sie sich, trauten sich<br />
aber nicht, die Kerze wieder anzuzünden. Die Angst und die immer noch hörbaren<br />
Plündergeräusche hielten sie jedoch wach und keine der beiden machte in<br />
dieser Nacht ein Auge zu.<br />
Am nächsten Morgen machten sie nur sehr vorsichtig einen der Rollläden einen<br />
Spalt auf. Schließlich wollten sie nicht Tag und Nacht im Dunkeln sitzen<br />
und auch mal einen Blick nach draußen riskieren. Es gab noch mehr Rauchsäulen.<br />
In einigen Richtungen konnte man vor lauter Rauch kaum noch weit<br />
sehen. Zwischen den Wohnblöcken waren einige Lager entstanden, in denen<br />
sich wild aussehende Gesellen tummelten. Große Haufen mit Möbeln und diversen<br />
Geräten wurden scharf bewacht. Ronja fragte sich, warum es so sei, dass<br />
soviele Menschen bei Katastrophen ihre ganze Erziehung vergaßen und zum<br />
plündernden Mob wurden. Als hätten sie die ganze Zeit darauf gewartet, endlich<br />
mal den Wilden raushängen zu lassen. Eine Katastrophe wäre schließlich<br />
nur halb so schlimm, wenn die Leute nicht plündern, sondern liebevoll miteinander<br />
kooperieren würden. In solchen Zeiten sollte jeder den anderen helfen,<br />
statt sie zu berauben und zu ermorden. Die meisten der Barbaren da unten<br />
waren vor zwei Tagen bestimmt noch brave Arbeitslose oder Angestellte gewesen.<br />
Viel dringender war jedoch das Problem des Trinkens, denn sie hatten das<br />
Wasser aus der Gießkanne schon am vorigen Abend verbraucht und die Milch<br />
war auch längst alle. Ronja beriet sich mit Nanni und sie entschieden sich, über<br />
den Balkon auf den Balkons der beiden verreisten Nachbarn nachzusehen, denn<br />
beide hatten immer üppige Balkonpflanzen, die ja auch gegossen werden<br />
mussten. Nanni war mutig und wagte sich vorsichtig auf den Balkon, immer<br />
wieder nach unten spähend, ob sie auch nicht entdeckt würde. Die Leute da<br />
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