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Schultern. An einigen Ecken waren Schlägereien ausgebrochen, die anscheinend<br />
um die schweren Lasten gingen, die neben den Schlägern standen. In etwa<br />
hundert Meter Entfernung wurde eine junge Frau angepöbelt und ihr die Handtasche<br />
entrissen.<br />
Ronja atmete tief durch und schritt zügiger aus. Als sie sich einem Einkaufzentrum<br />
näherte, wurde ihr klar, woher die bepackten Leute gekommen waren.<br />
In großen Trauben rannten Menschen aus den zerbrochenen Türen des Einkaufszentrums<br />
und jeder trug oder schleppte soviel er tragen konnte. Einer trug<br />
mindestens zwanzig teuer aussehende Mäntel und war darunter kaum noch zu<br />
sehen, viele andere schleppten Computer oder Bildschirme, wieder andere<br />
waren mit Konservendosen bepackt. Nicht mal vor Möbeln hatten sie haltgemacht.<br />
Das waren ganz eindeutig Plünderungen. Das Bild erinnerte sie stark an<br />
Bagdad am Ende des Golfkriegs von 2003. Damals schon war sie entsetzt gewesen,<br />
dass soviele Menschen zu sowas fähig waren. Und das gleiche jetzt hier,<br />
in ihrem geliebten Berlin? Entsetzt ging sie weiter.<br />
Überall, wo Geschäfte waren, konnte man diese beuteschleppenden Menschenmassen<br />
sehen. Immer wieder sah sie auch, wie normale Passanten, die<br />
immer seltener wurden, von anderen Leuten quasi überfallen und ausgeraubt<br />
wurden. Sie kam an einem Mann vorbei, der aus einer Schnittwunde an der<br />
Schläfe ziemlich stark blutete und ganz verzweifelt auf dem Boden saß. Sie<br />
reichte ihm ein Papiertaschentuch und riet ihm "Gehen Sie nach Hause.". Dann<br />
eilte sie weiter. Als sie sich der Innenstadt näherte wurden die Menschenmassen<br />
immer dichter und etwa zwei Kilometer von ihrem Hotel entfernt gab es<br />
einfach kein Durchkommen mehr. Außerdem wurde ihr immer mulmiger zumute.<br />
Also beschloss sie, sich an den Rat zu halten, den sie dem blutenden Mann<br />
gegeben hatte und heimzukehren. Auf dem Weg nach Hause hatte Ronja den<br />
Eindruck, dass sich das Chaos noch verschlimmert hatte. Sicherheitshalber ging<br />
sie deshalb durch kleine Seitenstraßen, die teilweise wie ausgestorben wirkten.<br />
Als sie nach Hause kam, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Anna und<br />
Nanni schliefen noch und in ihrer Wohnung wirkte es ganz friedlich. Anna<br />
wurde bald munter und wollte frühstücken. Etwas Müsli war noch da und auch<br />
die Milch im lauwarmen Kühlschrank schien noch genießbar. Ronja probierte,<br />
ob man Pulverkaffee auch mit kaltem Mineralwasser anrühren und genießen<br />
konnte. Es ging, war aber ziemlich ungewohnt. Nur wenn man dabei an Eiskaffee<br />
dachte, wurde es etwas besser. Munter machte es trotzdem. Nach dem<br />
Frühstück wollte Anna unbedingt in die Schule und es kostete Ronja viel Überzeugungsarbeit,<br />
sie davon zu überzeugen, dass es an diesem Tag keine Schule<br />
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