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entzückt von Anna und hätte ihr inzwischen wohl fast alles geglaubt.<br />
Nach etwa zwei Stunden hielt der Zug plötzlich mit einem lauten Quietschen<br />
an. Die Passagiere wurden durcheinandergewirbelt und viele fielen ihrem Gegenüber<br />
auf den Schoss. Der Zug hielt noch immer, als sich die Passagiere<br />
wieder zurechtgesetzt hatten. Unruhe kam auf. Einer der Passagiere ging in den<br />
Nachbarwaggon, in der Hoffnung dort mehr zu erfahren. Kurz darauf kam er<br />
mit einem bewaffneten Mann zurück, der kurz verkündete, dass ein anderer<br />
Zug auf den Schienen stand und dass dieser erst entfernt werden müsste. Eine<br />
Stunde später ging es endlich wieder los, aber nur sehr langsam. Der Zug<br />
schlich fast im Schritttempo voran. Aus einem anderen Waggon kam das Gerücht,<br />
dass der Zug der Flüchtlinge jetzt den anderen Zug bis zu einer Weiche<br />
schieben würde. Dort würde er dann aus dem Weg geschoben werden, damit<br />
die Strecke wieder frei war. Irgendwann ging dann auch ein Ruck durch den<br />
Zug und er fuhr ein Stückchen rückwärts, bis er anschließend wieder Fahrt<br />
aufnahm.<br />
Die Fahrt zog sich endlos lange hin. Bei dem Gedanken daran, dass sie sonst<br />
die ganze Strecke hätten laufen müssen, fand Ronja die Fahrt nicht mehr ganz<br />
so langsam. Ihre Sitznachbarin erzählte von einem Gerücht, dass ein einzelner<br />
Mann namens Josh den Zug flottgemacht hätte, um ihn den verbliebenen Ordnungshütern<br />
zur Verfügung zu stellen, als sich herausstellte, dass die Situation<br />
außer Kontrolle geriet. Anna erzählte natürlich sofort, dass sie auch einen Josh<br />
kannten. Dass dieser ihnen die Pässe besorgt hatte, verschwieg sie allerdings.<br />
Ronja war beeindruckt von der Durchtriebenheit ihrer Tochter, aber so ganz<br />
wohl war ihr nicht dabei. Schließlich sollte man seine Kinder ja nicht zur<br />
Unehrlichkeit erziehen und Anna schien es richtig zu genießen, mit ihrer Tarngeschichte<br />
zu jonglieren.<br />
Gegen Abend kuschelte sich Anna auf dem Schoß ihrer Sitznachbarin zusammen<br />
und schlief ein. Die ältere Dame schien es mehr zu genießen, als dass<br />
es sie störte. Vielleicht lenkte es sie auch ein wenig vom Tod ihres Mannes ab,<br />
so ein warmes kleines Mädchen auf dem Schoss liegen zu haben. Die ganze<br />
Nacht über rollte der Zug durch die Dunkelheit. Zweimal hielt er noch an, fuhr<br />
aber ohne Zwischenfälle wieder weiter.<br />
Als der Morgen graute, erreichten sie endlich Frankfurt. Rauchsäulen, wie in<br />
Berlin, waren keine zu sehen. Auch sonst wirkte die Stadt im Vorbeifahren wie<br />
bei den früheren Malen, als Ronja durch Frankfurt gefahren war.<br />
Schließlich standen sie ziemlich verloren in der Bahnhofshalle und schauten<br />
sich um. Diesen CityGuy kannten sie ja gar nicht; ob er wohl wirklich kommen<br />
würde? Endlich kam ein junger Mann eilig auf sie zu.<br />
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