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34 Ronja<br />
Beim Aufwachen stach eine nackte Glühbirne in Ronjas Augen. Schlagartig<br />
fiel ihr ein, wo sie waren. Auch ihre Gedanken an eine Flucht zu ihren Eltern<br />
waren sofort wieder präsent. In den verschiedensten Variationen hatte sie die<br />
ganze Nacht davon geträumt.<br />
Zu Fuß würden sie Monate brauchen, bis sie im äußersten Südwesten Deutschlands<br />
ankommen würden. Bis dahin war tiefster Winter. Das würde nicht<br />
funktionieren. Also versuchte sie, die Idee an eine Flucht wieder zu verdrängen,<br />
auch wenn es ihr schwer fiel.<br />
Wie sollten sie hier in Berlin durch den Winter kommen? Wo sie doch schon in<br />
so wenigen Tagen fast alles verloren hatten. Sie konnten ja auch nicht den ganzen<br />
Winter in diesem Loch verbringen. Während sie noch am Grübeln war,<br />
wachten auch Anna und Nanni allmählich auf. Sie aßen jeder einen Müsliriegel<br />
und tranken Kaffee aus einer Thermoskanne, die Josh ihnen gebracht hatte.<br />
Ganz von selbst kamen sie ins Gespräch über ihre Situation. Alle drei waren<br />
sich einig, dass sie am liebsten von hier verschwinden würden, aber das schien<br />
ihnen wie der Wunsch nach der Lotto-Million. Für ein weiteres Überleben in<br />
Berlin hatte keiner eine brauchbare Idee. Nachdem sie gesehen hatten, wie das<br />
Militär außer Kontrolle geraten war oder zumindest Teile davon, waren sie<br />
alles andere als zuversichtlich, was die Stadt über ihren Köpfen anging. Um<br />
sich die Zeit zu vertreiben, spielten sie ein paar Runden Skat, denn dabei<br />
konnte man sich so schön an den Karten festhalten, was noch besser ablenkte,<br />
als Englisch- oder Medizin-Stunden.<br />
Irgendwann betrat Josh ihr Versteck. In der Hand hielt er ein Blatt Papier.<br />
"Hier. Eure Eltern haben schon geantwortet", sagte er, als er Ronja das Papier<br />
hinhielt.<br />
Im Gegensatz zu sonst setzte sich Josh zu ihnen auf die Matratze und nickte<br />
Ronja aufmunternd zu, was wohl heißen sollte, dass sie den Brief vorlesen<br />
sollte. Also las Ronja den anderen den Brief ihrer Eltern vor.<br />
"Liebe Ronja, liebe Anna,<br />
Eure Nachricht war eine Riesenfreude.<br />
Dass ihr in Sicherheit seid, beruhigt uns enorm, denn bei dem was wir von<br />
Berlin gehört haben, waren wir in ständiger Sorge über euch.<br />
Ob die Sicherheit für euch wohl von Dauer sein kann, oder ist sie nur vorübergehender<br />
Natur?<br />
Schade, dass ihr soweit weg wohnt, sonst würden wir euch vorschlagen, hier<br />
her zu kommen. Wie ihr wisst, haben wir hier genügend Platz für euch und<br />
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