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immer wieder umdrehen und die ungewohnten Szenen anschauen. Ein paar<br />

Straßen weiter, in einem kleinen Wohn- und Geschäftsviertel sahen sie den<br />

ersten Toten auf dem Gehweg liegen. Er hatte ein Messer im Bauch stecken<br />

und in weitem Umkreis war das Pflaster blutgetränkt.<br />

"Mama, was hat der Mann? Mama, ich will da hingehen! Mama, wir müssen<br />

ihm helfen!" drängelte Anna, ständig lauter werdend und an der Hand zerrend.<br />

Ronja beugte sich runter und raunte Anna leise ins Ohr "Wir können dem armen<br />

Mann nicht helfen. Bitte bleib ruhig und lauf tapfer weiter. Bitte! Das ist<br />

diesmal sehr wichtig!". Mit angstgeweiteten Augen schaute Anna ihre Mutter<br />

an und schluckte tapfer. So sprach Ronja sonst nie zu ihr.<br />

Ronja hoffte, dass Anna nicht die ganze Tragweite verstanden hatte, die der<br />

Anblick des toten Mannes bedeutete. Wahrscheinlich hatte sie nicht mal begriffen,<br />

dass der Mann tot war. Sie hatte aber mit Sicherheit begriffen, dass die ihr<br />

bekannte Welt zerbrochen war. Das konnte man dem kleinen Gesicht auch<br />

ansehen.<br />

Als sie an einer wild aussehenden Gruppe junger Männer vorbeigehen mussten,<br />

stieß Ronja ein Stoßgebet aus und sie hatten Glück. Keiner tat ihnen was.<br />

Ein paar dumme Sprüche und schräge Pfiffe war sie schließlich gewohnt.<br />

An einigen Stellen machte sie lieber einen Umweg, als sich durch die Menschenmengen<br />

zu drängen, die sie zunehmend als Gefahr sah. Der Weg wurde<br />

also deutlich länger, als die fünf U-Bahnstationen-Entfernung vermuten ließ.<br />

Als sie sich ihrem Wohnviertel näherten, wurde es schon langsam dunkel. Anna<br />

wollte getragen werden und setzte sich weinend auf die Straße, als Ronja sie<br />

zum Weiterlaufen ermuntern wollte. Also nahm Ronja die Kleine auf den Arm<br />

und schleppte sich weiter in Richtung zuhause.<br />

Nach einer weiteren endlos erscheinenden Ewigkeit erreichten sie endlich im<br />

letzten Tageslicht ihren Wohnblock. Die Straßenbeleuchtung war natürlich<br />

nicht an und auch ihr Wohnblock starrte sie aus dunklen Fensterhöhlen an.<br />

Noch zu Fuß in den 5. Stock. Anna wurde immer schwerer und war beim besten<br />

Willen nicht dazu zu bewegen, die Treppen selbst hochzusteigen.<br />

Stattdessen quengelte sie, dass sie lieber den Aufzug benutzen würde. Ronja<br />

hoffte, dass Anna sich wieder ein bisschen fangen würde, wenn sie erstmal<br />

zuhause wären.<br />

Als Ronja die Wohnungstür öffnete, was im Dunkeln gar nicht so einfach<br />

war, fiel ihr Blick zuerst auf mehrere leere Jogurtbecher, die vergessen auf dem<br />

Tisch standen und im Licht der Abenddämmerung leuchteten. Sie fragte sich,<br />

wie Nanni wohl den Tag erlebt hatte. Auf die Antwort brauchte sie nicht lange<br />

warten, denn kaum waren Ronja und Anna im Wohnzimmer angekommen kam<br />

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