06.12.2012 Aufrufe

EMP-Roman-12.pdf

EMP-Roman-12.pdf

EMP-Roman-12.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In den nächsten Stunden wurde das Chaos nicht etwa besser, sondern immer<br />

schlimmer. Der Strom blieb weg und auch das Wasser war anscheinend ausgefallen,<br />

denn es kamen auch sehr viele Klagen von halbgeduschten Leuten mit<br />

zerzausten feuchten Haaren. Grund zur Klage gab es genug: Kein Fernsehen,<br />

kein Licht, kein Telefon, kein Auto, keine Endabrechnung, verstopfte Toiletten<br />

im Dunkeln, lauwarmer Kaffee, später dann: Kaltes Mittagessen, ...<br />

Hin und wieder sah Ronja blaugekleidete Techniker durchs Treppenhaus eilen,<br />

aber der Strom kam nicht wieder. Gegen Mittag kam Herr Schneider kurz<br />

vorbei und berichtete ihr, dass der Strom anscheinend in der ganzen Stadt ausgefallen<br />

sei und dass er in den Gäste-Stockwerken eine Art Bewachertruppe für<br />

die manuell geöffneten Zimmertüren eingesetzt hätte. Dann eilte er wieder<br />

davon.<br />

Die Gespräche der verunsicherten Gäste in der Lobby drehten sich zuerst um<br />

die Unfähigkeit der Hotelleitung und wandelten sich allmählich in eine brodelnde<br />

Gerüchteküche, als sich die Info verbreitete, dass ganz Berlin<br />

Stromausfall hatte. Die meisten glaubten, Berlin sei jetzt endgültig pleite und<br />

die Geldgeber vom Cross-Border-Leasing hätten den Strom abgestellt. Andere<br />

beharrten darauf, dass wohl die Russen kommen würden, das waren aber nur<br />

wenige.<br />

Keinem fiel in dem ganzen Chaos auf, dass das Versagen von Autos und<br />

Handys normalerweise nicht Bestandteil eines gewöhnlichen Stromausfalls ist.<br />

Und warum lief der Notstrom nicht schon längst? Ronja machte sich so ihre<br />

Gedanken.<br />

Im Laufe des Nachmittags kam ein Techniker und meldete, dass in den Toilettenräumen<br />

wieder Licht sei. Auch eine Not-Wasserversorgung war aktiviert<br />

worden. An normale Zustände sei aber erstmal nicht zu denken, denn das<br />

wichtigste Notstromaggregat war leider auch kaputt.<br />

Den ganzen Tag über gab es keine ruhige Minute, sodass Ronja sehr froh<br />

war, als Herr Schneider gegen 17 Uhr zur Rezeption kam und sie nach Hause<br />

schickte. "Retten Sie ihr Kind." sagte er, als wäre dies der einzige Grund,<br />

warum sie Feierabend machen durfte. Wahrscheinlich war das sogar der Fall.<br />

Die Leute von der nächsten Schicht waren nämlich noch nicht erschienen und<br />

die meisten anderen mussten an ihren Arbeits-Plätzen ausharren.<br />

Ihre Füße schmerzten jetzt schon von dem anstrengenden Tag, obwohl sie<br />

spezielle Pumps hatte, die normalerweise auch langes Stehen erlaubten. Dennoch<br />

musste sie sich wohl zu Fuß auf den Weg machen, denn sie hatte<br />

inzwischen von mehreren Gästen gehört, dass alle öffentlichen Verkehrsmittel<br />

außer Betrieb waren und dass sich in der U-Bahn schreckliche Szenen zugetra-<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!