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Im Anschluss an die Morgentoilette holte er einen der harten Kekse aus seinem<br />

Bündel und knabberte gedankenverloren darauf rum, während seine<br />

Schritte ihn wie von selber in Richtung Lagerausgang führten. Bei den Anschlagtafeln<br />

blieb er stehen, einerseits um eventuelle Neuigkeiten zu erfahren<br />

und andererseits um, ohne es zu wissen, Zeit zu gewinnen.<br />

Die Anschlagtafel berichtete von Tumulten in Berlin, bei denen etliche Politiker<br />

getötet worden seien und erbarmungswürdigen Zuständen bei der<br />

Zivilbevölkerung. Ulli dachte an seine Schwester Ronja und hoffte, dass sie es<br />

halbwegs gut haben würde, bezweifelte dies aber tief drinnen, denn die Nachrichten<br />

aus Berlin klangen wirklich niederschmetternd. Über andere Städte gab<br />

es ähnliche Berichte, die aber im Allgemeinen eher nichtssagend waren.<br />

Endlich hatte Ulli alles gelesen, was es zu lesen gab und er drehte sich in<br />

Richtung Ausgang um. Unschlüssig verlagerte er sein Gewicht von einem Bein<br />

aufs andere. Wenn, dann sollte er es jetzt gleich wagen, solange der Tag noch<br />

jung war. Er ging direkt auf den Ausgang zu, in der Hoffnung, ohne weitere<br />

Formalitäten entschlüpfen zu können. Doch da hatte er die Rechnung ohne den<br />

aufmerksamen Wachposten gemacht, der ihn sofort anhielt und zu der Frau von<br />

vorgestern schickte.<br />

Die Frau saß immer noch oder schon wieder neben dem Eingangsbereich mit<br />

ihrem Klemmbrett auf dem Schoss. Sie begrüßte ihn freundlich, wie einen alten<br />

Bekannten. Ob sie sich wohl an Ulli erinnerte? Ulli bezweifelte das, denn kaum<br />

jemand erinnerte sich gleich nach der ersten Begegnung an ihn.<br />

"Sie wollen also wirklich das Lager verlassen?" fragte sie ihn. Ulli nickte<br />

bejahend. Die Unsicherheit auf den Straßen hat eher noch zugenommen. Wir<br />

haben einfach nicht genug Leute, um die Straßen zu sichern", versuchte sie ihn<br />

von seinem Vorhaben abzuhalten.<br />

"Och, mit den Leuten, das könnten Sie leicht lösen", platzte Ulli leichthin<br />

raus.<br />

"Wie meinen Sie das?", fragte die Frau, neugierig geworden.<br />

"Nun, hier sitzen doch haufenweise Leute untätig rum. Leute, die kochen<br />

können, Kinder betreuen - was jetzt schon ganz gut von selber läuft, organisieren<br />

können, sich mit Verwaltung auskennen, Maschinen reparieren und<br />

dergleichen Dinge mehr. Die Leute hier sind ja keine Schwerkranken, sondern<br />

Menschen, die großteils vorher gearbeitet oder etwas gelernt haben. Nutzen Sie<br />

doch einfach deren Zeit und Kraft, dann haben Sie genug Leute, um das Lager<br />

auf Vordermann zu bringen und die Stadt von Plünderern zu befreien", schlug<br />

Ulli ganz kühn vor.<br />

"Weiter! Wie haben Sie sich das konkret vorgestellt?", ließ die Frau nicht<br />

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