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Ausgerüstet mit einer besseren Hausapotheke, als sie je zuvor besessen hatten,<br />
verließen sie die Apotheke und widmeten sich einem Klamottenladen. Die<br />
Ständer mit den teureren Kleidungsstücken waren fast ausnahmslos leergeplündert,<br />
aber bei den billigen T-Shirts, Jogginghosen und diversem Zubehör<br />
wurden sie noch fündig.<br />
Merkwürdigerweise war es im gesamten Einkaufszentrum völlig leer. Als<br />
wären sie in einer Geisterstadt. Ronja und Nanni fragten sich, wo die ganzen<br />
Leute wohl abgeblieben seien, waren aber irgendwie auch ganz froh, dass sie<br />
nicht auf gefährliche Fremde gestoßen waren. Da die mitgenommenen Taschen<br />
schon voll waren, machten sie sich schwer bepackt auf den Heimweg.<br />
Kurz vor der Anschlagtafel kam ihnen ein junger Mann entgegen, der sie<br />
freundlich grüßte. Nanni nahm ihren ganzen Mut zusammen und fragte ihn, ob<br />
er was Neues wüsste von der Situation.<br />
"Oh, von den Neuigkeiten komme ich gerade her. Die sind aber nicht besonders<br />
zu empfehlen", meinte er zwinkernd. "Das Auffanglager hier in der Nähe,<br />
in dem ich ein paar Tage war, ist völlig überfüllt und die hygienischen Zustände<br />
versprechen baldige Seuchen. Da bin ich dann lieber wieder in das wilde<br />
Feindesland zurückgekehrt." Dabei konnte man seiner Heiterkeit deutlich anmerken,<br />
dass sie nicht sehr tief ging und dass es ihm innendrin wohl ziemlich<br />
elend ging.<br />
"Und wo wollen Sie jetzt hin?", fragte Nanni unverblümt.<br />
"Ich wohne in dem Haus dort", dabei zeigte er auf das Haus, in dem auch<br />
Ronja und ihre Familie wohnten. "Meine Wohnung ist ziemlich verwüstet und<br />
ausgeraubt, aber es wird schon irgendwie gehen."<br />
"Da wohnen wir ja im gleichen Haus. Wenn Sie wollen, können Sie auf einen<br />
Kaffee zu uns kommen." lud Nanni den jungen Mann spontan ein. Ein Blick<br />
auf Ronja versicherte ihr, dass die Einladung in Ordnung war.<br />
Ronja hatte die Zeit genutzt, um den jungen Mann gründlich zu taxieren,<br />
denn sie wollte es vermeiden, ein Monster in ihre Wohnung einzuladen. Wie<br />
ein Monster wirkte er jedoch nicht mit seinen freundlichen graublauen Augen,<br />
an deren Außenrändern man schon kleine Lachfältchen ahnen konnte. Auch<br />
von der Statur her wirkte er nicht bedrohlich, denn er war etwa mittelgroß und<br />
ziemlich schlaksig. Wenn seine Nase nicht so kräftig gewesen wäre, hätte man<br />
sein Gesicht als zart oder geradezu hübsch bezeichnen können. Die mittelblonden<br />
kurzen Locken standen struppig in alle Richtungen ab und am Kinn spross<br />
ein weicher Bart. Ronja musste unwillkürlich an die Rasierapparate denken, die<br />
sie in der Apotheke hatten liegen lassen und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.<br />
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